Schwerpunkt: Abschied von Monolingualismus und Monokulturalismus

October 10, 2017 | Author: Christel Hase | Category: N/A
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Editorial Schwerpunkt: Abschied von Monolingualismus und Monokulturalismus Kulturelle und sprachliche Vielfalt in Österreich Gesellschaftspolitische Entwicklungsprozesse führen seit mehr als drei Jahrzehnten zu einer veränderten Schulrealität in Österreich und erfordern Reformmaßnahmen im Bildungsbereich. Nach demografischen Studien und Daten der Statistik Austria weisen 1,35 Millionen Menschen in Österreich, das sind 16,3% der Bevölkerung, einen so genannten Migrationshintergrund auf. In Vorarlberg gilt dies für 19,5% und in Wien für 31,4% der Bevölkerung (Gerald John „Heimat bist du fremder Söhne“ in: „Der Standard“ vom 9.11.2007, Seite 2). Insgesamt ist der Bevölkerungszuwachs stark durch Immigration von außen getrieben und liegt 2010 bei 18,8% Ausländeranteil in den Landeshauptstädten und 8,0% in den Gemeinden (Internet Österreich, ORF.at vom 9.12.2010). Wir erleben eine der größten Migrationsbewegungen in unserer Geschichte. „In der einschlägigen Forschung wird erkannt, dass es an der Zeit ist, überkommene Auffassungen zu überdenken und – der neuen Sichtweise der Gegebenheiten und Probleme entsprechend – den gesamten Forschungsansatz, Einstellungen und Haltungen zu „re-vidieren“ und aus dieser Einsicht heraus (anstelle der früheren „Ausländerpädagogik“) eine interkulturelle Pädagogik zu begründen“ (nach Richard Olechowski „Vorwort“, in „Migration und Schulrealität“ von Elisabeth Furch, Wien 2009, Lit-Verlag, S. 1). Für diese Entwicklung einer interkulturellen Pädagogik in Theorie und Praxis, die untrennbar mit Multilingualismus verbunden ist, konnten wir die Autorin der empirischen Studie „Migration und Schulrealität“ Elisabeth Furch als Expertin und Koordinatorin des vorliegenden Schwerpunktes gewinnen. In ihrem Vorwort zeichnet sie ein präzises Bild der Problemsituation und verweist auf klärende und lesenswerte Informationsquellen zur kulturellen und sprachlichen Vielfalt an österreichischen Schulen. In unserer Zeitschrift sind inhaltliche Vorboten zum Thema des Schwerpunktes zu finden, die auch die historische Entwicklung der Problemsicht widerspiegeln. So ist im Heft 1 im Jahr 1982 im Schwerpunkt „Ausländische Kinder in der Schule“ noch von „Die schulische Integration der Gastarbeiterkinder“ die Rede, es wird allerdings schon darauf verwiesen, dass „die Einbeziehung von sozioökonomischen und politologischen Aspekten für eine umfassende Betrachtung unerlässlich ist, um nicht ein durch Reduktionismen geprägtes Problemverständnis hervorzurufen“ (Walter Weidinger „Gastarbeiterkinder und Schule“ in E&U Heft 1/1982, S. 18 ). Mit den Schwerpunkten „Mehrsprachigkeit an österreichischen Schulen“ in Heft 9-10/2007 und „Multilinguale Schule“ im Heft 3-4/2007 werden wesentliche Dokumente zur Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts und der multilingualen Schule im österreichischen Schulwesen erstellt. Das Heft 1-2/2008 ist dem Schwerpunkt „Migration und Schule“ gewidmet, thematisch auf Sprachförderung und Förderung der Lesekompetenz für SchülerInnen mit Migrationshintergrund konzentriert und enthält ein Plädoyer für einen Para-

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digmenwechsel im Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Schule im Sinne der positiven Bewertung der individuellen und gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit. Der vorliegende Schwerpunkt hat in logischer Fortführung den Abschied von Monolingualismus und Monokulturalismus zum Inhalt, zeigt die kulturelle und sprachliche Vielfalt an österreichischen Schulen auf und führt zu nachhaltigen pädagogischen Konsequenzen im Bildungswesen. Es werden Beiträge zu folgenden Themenaspekten angeboten:

Bildungspolitik und Migration Andrea Fraundorfer beschäftigt sich in „Bildung in der Migrationsgesellschaft“ mit der aktuellen bildungspolitischen bzw. strategischen Herangehensweise an das Themenfeld Migration und Bildung und versucht, die Entwicklungen in diesem Bereich unter einer migrationspädagogischen Perspektive in den Blick zu nehmen. Zu diesem Zweck werden einige relevante Aspekte zur Diskussion gestellt, die die aktuelle Bildungssituation von zugewanderten SchülerInnen sowie die strukturellen und pädagogischen Gegebenheiten des Bildungssystems beleuchten. In diesem Beitrag wird davon ausgegangen, dass Migration ein konstituierendes Merkmal unserer Gesellschaft ist und damit das nationale Bildungssystem vor der Herausforderung steht, produktiv mit einer neuen Dimension von sprachlicher, ethnischer und kultureller Diversität umzugehen.

Kulturelle Vielfalt in Österreich Erol Yıldız und Gabriele Khan-Svik fordern einen Wechsel „Vom essenzialistischen zum dynamischen Kulturbegriff“. Kultur und Ethnizität sind im öffentlichen Diskurs über Migration nach wie vor zentrale Begriffe. Diese Konzepte waren historisch von essenzialistischen Vorstellungen wie Starrheit, Unveränderlichkeit, eindeutigen Grenzen und Zugehörigkeit geprägt. Während im wissenschaftlichen Diskurs heute zunehmend Aspekte wie Offenheit, Variabilität und Veränderung eine Rolle spielen, findet sich in der pädagogischen Praxis häufig noch der Bezug auf das herkömmliche statische Begriffsverständnis, wie an Beispielen aus einigen LehrerInnen-Zeitschriften belegt wird. Die Autorinnen plädieren hier für einen Perspektivenwechsel, nämlich für ein Kulturverständnis, das sowohl die Alltagspraxis als auch globale Transformationsprozesse im Migrationskontext einbezieht. Mikael Luciak referiert über die „Berücksichtigung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt von Roma an österreichischen Schulen“. Der Autor geht der Frage nach, welche Bedeutung der Berücksichtigung kultureller und sprachlicher Inhalte der Roma im Schulbereich zukommt und veranschaulicht mittels Hinweis auf bereits bestehende curriculare Module, wie künftig in der LehrerInnenbildung verstärkt auf Roma-spezifische Thematiken eingegangen werden könnte.

Sprachliche Vielfalt in Österreich Rudolf de Cillia und Hans-Jürgen Krumm berichten über den „LEPP-Prozess – ein kritischer Blick auf die sprachliche Bildung in Österreich“. In den Jahren 2006 – 2008 haben Unterrichts- und Wissenschaftsministerium in Zusammenarbeit mit dem Europarat ein „Profil der Sprach- und Sprachunterrichtspolitik“ (Language Education Policy Profile/Profil de politiques linguistiques éducatives, im Folgenden LEPP genannt)

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entwickelt, dessen Ergebnisse auch im folgenden Beitrag dargestellt und kommentiert werden. „Schulsprachprofile: Sprachliche Heterogenität sichtbar machen und als Potenzial nützen“ ist der Titel des Beitrags von Brigitta Busch. Die Autorin stellt ein in Österreich entwickeltes und in mehreren Ländern erprobtes Instrumentarium vor, das darauf abzielt, die heterogenen sprachlichen Voraussetzungen von SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen sowie die an einer Schule herrschenden sprachlichen Praktiken zu erheben und sichtbar zu machen. Das Dokumentieren und Reflektieren des Sprachprofils kann den Ausgangspunkt für das Aushandeln einer standortspezifischen Schulsprachenpolitik bilden, die fortlaufend auf spezifische sprachliche Ressourcen, Bedürfnisse und Interessen abgestimmt wird. Marion Döll und İnci Dirim informieren über „Sprachstandsdiagnose“. Die Feststellung des Sprachstandes gewinnt seit einigen Jahren stark an Bedeutung. Vor allem in Kindergärten und Schulen besteht ein großes Interesse daran, festzustellen, wo Kinder und Jugendliche ‚sprachlich stehen‘, um ihre sprachliche Entwicklung im Laufe ihrer Bildungslaufbahn passgenau unterstützen zu können. Die Autorinnen geben in knapper Form einen Überblick über theoretische Grundlagen, Qualitätskriterien, Verfahrenstypen und konkrete Instrumente, die in jüngerer Zeit im deutschsprachigen Raum zur Erfassung sprachlicher Fähigkeiten bi- und multilingualer Kinder und Jugendlicher entwickelt wurden.

Vielfalt im Kindergarten Georg Gombos beschreibt „(K)Ein Pfingstwunder im Kindergarten? Zum Umgang mit Mehrsprachigkeit im Kleinkindalter“. Der Autor beleuchtet gesellschaftliche, institutionelle und individuelle Aspekte des Umgangs mit Mehrsprachigkeit im Kindergarten und nimmt dabei in erster Linie auf Migrantinnen und Migranten bzw. ihre Kinder Bezug. Er plädiert für bessere Rahmenbedingungen (Aus- und Fortbildung, Personal mit Migrationshintergrund), für eine offene Haltung gegenüber sprachlich-kultureller Diversität und beschreibt die Bedingungen für gelingenden Spracherwerb unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit. Maria Schwarz-Herda informiert in ihrem Beitrag „Vom Kindergarten in die Schule – Gedanken zur Nahtstellenproblematik“ über bestehende Probleme dieses Bereichs. In ihren Ausführungen steht „das Kind“ im Nahtstellenbereich Kindergarten –Schule im Fokus. Es wird vorrangig auf Anforderungen und Probleme der Übergangsphase eingegangen, die Kinder mit Deutsch als Erstsprache ebenso berühren wie solche mit einer anderen Familiensprache. Einige wesentliche, lediglich Migrantenkinder betreffende Überlegungen werden ebenfalls dargestellt. Mehrsprachigkeit im Kindergarten ist das Thema des Beitrags von Gabriele Bäck und Christa Haberleitner. Sprachenbildung wird von Expertinnen und Experten als Schlüsselkompetenz einer erfolgreichen Bildungsbiografie angesehen. Der Sprachenbildung wird seit dem Ergebnis der PISA-Studie bildungspolitisch viel Aufmerksamkeit gewidmet. Maßnahmen, die Kinder von Beginn an in ihrem Sprachenlernen unterstützen sollen, wurden erfolgreich implementiert. Da im Kindergarten üblicherweise Kinder mit verschiedenen Erstsprachen aufeinander treffen, bietet diese Bildungseinrichtung vielfältige Möglichkeiten, Mehrsprachigkeit zu erleben. Mit einer sensiblen Begleitung und Förderung von Pädagoginnen und Pädagogen haben Kinder die Chance, Lust und Leidenschaft für Sprache(n) zu entwickeln.

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Vielfalt in der Grundschule In diesem praxisorientierten Abschnitt werden didaktische Konzepte, spezielle Projekte, Unterrichtsmodelle und das erste dreisprachige Kindermagazin „Trio“ dargestellt und Erfahrungsberichte präsentiert. Doris Ulrich-Hinterecker und Elisabeth Großschmidt-Thierer berichten „Zur Effektivität von Language-Awareness-Konzepten“. Language Awareness ist ein didaktisches Konzept, das das Interesse von Grundschulkindern für Mehrsprachigkeit weckt. Durch einen Unterricht, der alle Sprachen der Kinder einer Klasse einbezieht und der auf die Strukturen und Funktionen von Sprache(n) aufmerksam macht, wird nicht nur das Sprachwissen und die Sprachfertigkeit aller Kinder erhöht, sondern es wird auch das Selbstbewusstsein mehrsprachiger Kinder in Bezug auf ihre Erstsprache(n) nachhaltig gestärkt Brigitte Schäffer, Reinhilde Feitl und Ingeborg Jelinek liefern unter „Mehrsprachig lesen können – ein Muss in einem multimedialen Zeitalter“ einen Projektbericht über ein Lesefest im Jahr 2009. Der Beitrag dokumentiert das mehrsprachige Projekt „Lesespaß in vielen Sprachen“, das im März 2009 erstmalig aus Anlass des 60 jährigen Bestehens des Buchklubs der Jugend in der Campus-Volksschule 1100 Wien, Jagdgasse 22 in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Wien stattfand. Susannah Bständig informiert über Sprachenateliers an der „Europäischen Volksschule Dr. Leopold Zechner“ in Wien. Das Angebot von Sprachenateliers an der Volksschule soll den SchülerInnen die Möglichkeit geben, möglichst früh anderen Sprachen und Kulturen zu begegnen, ihre eigenen Herkunftssprachen wertgeschätzt zu sehen und sich so in unserer mehrsprachigen Welt besser zurechtzufinden. Höhere Bildungschancen und die Erfüllung der Anforderungen des Europäischen Sprachenkonzepts sind ein wesentlicher Leitgedanke dieses Konzepts. In Ergänzung zum Beitrag über die Sprachenateliers stellt Renate Neubauer ihre Erfahrungen zum „Unterricht als Brückenschlag zwischen Kulturen“ an der Europäischen Volksschule dar und charakterisiert die erforderliche Elternarbeit, die Mütterrunden und die fördernde Unterrichtsgestaltung in einer Klasse mit fünf verschiedenen Muttersprachen. Sybille Roszner beschreibt in „Schule ist Leben – der Jenaplan als Ausgangspunkt“ ein Unterrichtsmodell für alle Kinder und zeigt, wie sich Lehrer/innen auf den Weg machen können, um für alle Akteure in einer Schule Lernräume zur Weiterentwicklung zu gestalten. In „TRIO: Durch und durch ein Original“ berichten Thomas Aistleitner, Sanja Biwald und Elisabeth Furch über die Entstehung und den Praxiseinsatz des ersten dreisprachigen Kindermagazins Österreichs. Die Idee von TRIO ist, LehrerInnen ein Unterrichtsmittel in die Hand zu geben, mit der sie mehrsprachige Schulklassen unterrichten können – im Idealfall zu zweit mit einer Lehrperson mit einer anderen Erstsprache, aber auch – wie es in Österreich weit häufiger der Fall ist – allein.

Der Vielfalt eine Chance geben In diesem Abschnitt werden Aktionen des BMUKK und die „Initiative Vielfalten“ präsentiert. Anna Lasselsberger stellt die „Schulaktion Interkulturalität und Mehrsprachigkeit – eine Chance“ vor. Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) unterstützt Schulen und Lehrkräfte bei der Umsetzung des Unterrichtsprinzips „Interkulturelles Lernen“, das seit den 1990er Jahren in den Lehrplänen verErziehung und Unterricht • Jänner/Februar 1-2|2011

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ankert ist. Unter den vielfältigen Angeboten zur Stärkung dieses Unterrichtsprinzips ist vor allem die Aktion „Interkulturalität und Mehrsprachigkeit – eine Chance“ zu erwähnen, im Rahmen derer Projekte, die Mehrsprachigkeit und interkulturelles Lernen fördern, finanziell unterstützt werden. Andrea Fiala präsentiert unter dem Titel „Vielfalter – Globales Unternehmen unterstützt Projekte zur Chancengerechtigkeit“ eine neue Initiative, die im Jahr 2008 von Western Union und dem Interkulturellen Zentrum – mit Unterstützung des BMUKK – ins Leben gerufen wurde. „Vielfalter“ fördert Projekte, die das Potenzial, das in kultureller Vielfalt und Mehrsprachigkeit steckt, begreifen und nutzen. Es ist dies eine Zusammenarbeit im Integrations- und Bildungsbereich von Privatwirtschaft, öffentlichem Sektor und Vertretern der Zivilgesellschaft.

Sprachliche Vielfalt bei unseren Nachbarn Mit Beiträgen aus Ungarn, der Schweiz, aus Italien und Deutschland werden interessante Einsichten in den Umgang mit kultureller und sprachlicher Vielfalt in unseren Nachbarländern eröffnet. Sehr spezielle Bedingungen und überraschende Entwicklungen sind in den mehrsprachigen Gebieten in der Schweiz und in Südtirol vorhanden, die in Österreich kaum bekannt sind. Stefan Aubreville berichtet unter „Sprachatelier Deutsch: Sprache „begreifbar machen“ über eine Entwicklung an der NYME-Universität in Györ, Ungarn. Mit dem Begriff „Sprachatelier Deutsch“ wird hier ein didaktisches Konzept bezeichnet, das sich um einen vielfältigen Zugang zur sprachlichen Kompetenzentwicklung im Schul- und Universitätsalltag bemüht. Das „Atelier“ als Werkraum des Künstlers zum Ausgangspunkt nehmend, soll das „Sprachatelier“ eine besondere Art einer Ideenwerkstatt zur Realisierung eines vielseitigeren Sprachunterrichtes werden. Marie-Nicole Bossart und Wiltrud Weidinger referieren über den „Schmelztiegel Zürich: Zur Integration mehrsprachiger Schülerinnen und Schüler unter besonderen Umständen“. Die Autorinnen thematisieren die Sprachenvielfalt an Pflichtschulen im Kanton Zürich und gehen auf die von den Behörden und der Bildungspolitik unternommenen Maßnahmen zur Integration von mehrsprachigen Schülerinnen und Schülern ein. Das Programm QUIMS sowie das Konzept der HSK-Kurse werden vorgestellt. Zudem wird die zusätzliche Erschwernis durch die in der deutschsprachigen Schweiz gesprochenen Mundart (versus Hochdeutsch) für die Integration dieser Kinder und Jugendlichen diskutiert. Einschlägige Ergebnisse aus einer der jüngsten Studien hiezu werden vorgestellt. Rudolf Meraner geht von der Frage „Südtirol – Paradies zum Sprachenlernen?“ aus. Ist Südtirol tatsächlich ein Paradies zum Sprachenlernen, so wie es auf den ersten Blick erscheint? Die Voraussetzungen sind gegeben, da in diesem Land deutschsprachige und italienischsprachige Menschen miteinander leben und von der Wirtschaft und in der Verwaltung die Zweisprachigkeit als Voraussetzung angesehen wird. Doch gibt es noch viele historisch begründete Vorbehalte und Hindernisse, so dass die Sprachkenntnisse vor allem in der Zweitsprache nicht immer als ausreichend anzusehen sind. Trotz aller Bedenken und Kritik setzt das Südtiroler Bildungswesen die Vorgabe der Europäischen Union, neben der Erstsprache noch zwei weitere Sprachen zu lernen, bereits flächendeckend um. Im folgenden Beitrag wir gezeigt, welche Schritte im Bildungswesen Südtirols gesetzt wurden, welche Strategien auf Schwierigkeiten stoßen und was als effizient angesehen werden kann.

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Hans-Peter Schmidtke diskutiert eine aktuelle Frage, nämlich „Deutsch oder Muttersprache? Nein: Deutsch UND Muttersprache!“ Auf einer Fortbildungsveranstaltung des Europarates für Multiplikatoren im Bereich der Heterogenität wurde im Oktober des Jahres 2010 wieder einmal die Frage diskutiert, ob nicht ein Verbot des Gebrauchs der Muttersprachen von Kindern mit Migrationshintergrund in den deutschen Schulen und auf ihren Schulhöfen eine Maßnahme sein könnte, um die Deutschkenntnisse dieser Kinder und Jugendlichen zu verbessern. Die Erfahrungen, die in diesem Artikel sowohl in mehrsprachigen Familien, aber auch aus einer Schule aus einem Ballungszentrum der Migration dargestellt werden, widersprechen solchen Vorstellungen und sollen dazu ermuntern, die Kenntnisse in den Muttersprachen unserer Schüler zu verbessern, was langfristig auch zu besseren Kenntnissen in der deutschen Sprache führt.

Das Pestalozziprogramm als Unterstützung der Vielfalt Josef Huber präsentiert in „LehrerInnen ohne Grenzen“ das Pestalozziprogramm. In lockerer Anlehnung an die 1971 in Frankreich gegründete Inititative „Médecins sans frontières“, die sich grenzüberschreitend für Menschen einsetzt, die Hilfe nötig haben, soll der gewählte Titel darauf hinweisen, dass es im Lehrberuf immer wieder Grenzen gibt, welche hinterfragt und überschritten werden müssen. Dabei geht es nicht nur um geografische, politische und sprachliche Grenzen in Europa, obwohl auch hier Handlungsbedarf besteht – Lehrerinnen und Lehrer gehören zu einer der am wenigsten mobilen Berufsgruppen innerhalb Europas – sondern gerade auch um Grenzen im Kopf. Das Pestalozziprogramm des Europarats, ein Fortbildungsprogramm für Lehrende aus über 50 Ländern, setzt sich zum Ziel, solche Grenzüberschreitungen zu fördern. Als Herausgeber danken wir unserer Expertin und Koordinatorin Elisabeth Furch und allen AutorInnen für ihr großes Engagement und ihren intensiven Arbeitseinsatz zur Erstellung eines wertvollen Kompendiums zur Weiterentwicklung von Theorie und Praxis interkultureller Pädagogik. Die Beiträge bieten wesentliche Aussagen zur konstruktiven Sicht kultureller und sprachlicher Vielfalt im Schulwesen und in der Bildungspolitik – damit auch Argumente gegen Halbwahrheiten und Unwahrheiten populistischer Politiker – und setzen anregende didaktische Impulse zur Weiterentwicklung interkultureller Bildung im Unterricht.

Zum 100. Geburtstag von Richard Bamberger Aus Anlass des 100. Geburtstags von Richard Bamberger (1911 – 2007) würdigt Hubert Hladej Leben und Werk des großen österreichischen Jugendliteraturexperten, Leseforschers und Autors. Die Herausgeber Wilhelm Beranek/Walter Weidinger

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