S C H U L E ZUKUNFTSWERKSTATT. Erfahrungen zum Lehren und Lernen. Genügend Geld für die Bildung?

September 11, 2017 | Author: Nadine Scholz | Category: N/A
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ZUKUNFTSWERKSTATT

SCHULE ______________________________________________________________

• Erfahrungen zum Lehren und Lernen • Genügend Geld für die Bildung?

_______________________________________________________________ Ausgabe 6/7 - 2001 - 11. Jahrgang AG Bildungspolitik der PDS

Inhaltsverzeichnis THEMA Wie erhöhen wir die geistige Aktivität der Schüler? Wolfgang Huth

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Zum ersten Male beim Seniorenseminar der GEW Brandenburg Horst Weiß

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68

Qualitätsstandards zur Sozialarbeit an Schulen im Landkreis Märkisch-Oderland Herta thor Straten

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TERMINE

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IN EIGENER SACHE

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Chancengleichheit und Gerechtigkeit bei der zunehmenden Ökonomisierung der Bildung Ingrid Lohmann STREITPUNKT Ist genug Geld da - auch für die Bildung? Bildungsfinanzierungsmodelle auf dem Prüfstand Horst Bethge Förderschulen ohne Gewalt Alexander Bolz Schule und Unterricht zwischen pädagogischem Anspruch und kapitalistischer Marktwirtschaft Peter Blankenburg INFORMATION

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Wie erhöhen wir die geistige Aktivität der Schüler? Wolfgang Huth, Streumen Das Streben nach theoretischer Durchdringung der Arbeit des Lehrers im Unterricht in den Schulen der DDR - dargestellt am Beispiel von Bemühungen im Kreis Riesa, Anregungen der Allgemeinen Didaktik für die Erhöhung der geistigen Aktivität der Schüler und die gezielte Berücksichtigung iherer Individualität zu nutzen 1991 führte Dr. Paul Schwarz für die Fernsehreihe “Beispiele moderner Schule” des Südwestfunks 3 in Baden-Baden ein Gespräch mit der thüringischen Unterrichtsministerin Christine Lieberknecht zum Thema “Schule zwischen Schock und Chance”./1/ Ihre Antwort auf die Frage “Was kommt da methodisch und didaktisch auf die Lehrer zu?” leitete die Ministerin so ein: “Für den Lehrer bedeutet das vor allem Abkehr vom Frontal- und Paukunterricht.”/2/ Die Absolutheit, mit der diese Abkehr verlangt wird, fordert zu einer Entgegnung heraus. Es konnte weder in der Schule der DDR noch kann es gegenwärtig und künftig um völlige Abkehr von Frontalunterricht gehen. Unbedingt notwendige Verändrungen mussten und müssen vielmehr durch eine Optimierung des Verhältnisses von Frontal-, Einzel-, Partner-, Gruppen- und Abteilungsarbeit erreicht werden. Didaktisch am zweckmäßigsten ist jeweils die Form des Zusammenwirkens von Lehrer und Schülern und der Schüler untereinander, die am besten zum Erreichen der Unterrichtsziele beiträgt./3/ 1970 ergab sich aus einer Befragung von 600 Lehrern (vorwiegend im Bezirk Leipzig), dass das frontale Vorgehen bei ihnen vorherrschte. Neben dem frontalen Lernen setzten 92 Prozent das Einzellernen, 67 Prozent das Gruppenlernen und 54 Prozent das Partnerlernen planmäßig ein./4/ Angaben zur Häufigkeit des Einsatzes gab es nicht. Wir wissen jedoch, dass die Dominanz des Frontalunterrichts trotz vieler Anregungen der pädagogischen Wissenschaften nur unzureichend zurückgedrängt wurde. Die Aufgabe bleibt also. Auch die Forderung nach Abkehr vom Paukunterricht kann nicht vorbehaltlos hingenommen werden. Ausgesprochener Paukunterricht war für die Schule in der DDR nicht charakteristisch. Diese Auffassung äußerte auch Sachsens Kultusminister Dr. Matthias Rößler am 6. März 1998 gegenüber den westdeutschen in Mathematik und Naturwissenschaften, das eine Studie des Berliner MaxPlanck-Instituts für Bildungsforschung feststellte, “sei nicht auf Paukerei zurückzuführen, sondern auf die ausgezeichnete Methodik, Didaktik und Systematik des naturwissenschaftlichen Unterrichts in der DDR. Das finde an den sächsischen Schulen seine Fortsetzung.”/5/ Bereits in den 50er Jahren entwickelte sich in der DDR die Zusammenarbeit von pädagogischer Wissenschaft und Schulpraxis. Indem sich die Wissenschaften auf praxisrelevante Aufgaben konzentrierten, entsprachen sie dem wachsenden Streben vieler lernbereiter Lehrerinnen und Lehrer, die eigene Unterrichtsarbeit theoretisch zu untermauern und sie dadurch auf ein höheres Niveau zu heben. Seit Beginn der 60er Jahre wurde verstärkt daran gearbeitet, die Herausbildung geistiger Aktivität und Selbständigkeit im Unterricht zu verbessern. Meine ganz persönlichen Voraussetzungen, das Streben nach theoretischer Duchdringung der Unterrichtsarbeit des Lehrers in der DDR daran darzustellen, wie wir uns im Kreis Riesa bemühten, insbesondere Anregungen der Allgemeinen Didaktik für die Erhöhung der geistigen Aktivität und später auch für die gezielte Berücksichtigung ihrer Individualität zu nutzen, ergaben sich aus dem Verlauf meines Berufslebens. Ich war noch Fernstudent für Deutsche Sprache und Literatur, als mir als 29jähriger nach sieben Jahren Unterrichtserfahrung an einer Landschule, die ich auch zwei Jahre geleitet hatte, 1953 die Funktion des Referenten für Lehrerbildung im Kreis Riesa übertragen wurde. Aus ihr ging 1956 die des Direktors des Pädagogischen Kreiskabinetts hervor, die ich ausübte, bis ich nach Auflösung des Kabinetts zum Jahresende 1990 im 67. Lebensjahr aus dem Schuldienst ausschied. Die Pädagogischen Kreiskabinette waren Weiterbildungseinrichtungen für Lehrer-, Heim- und Horterzieher und Kindergärtnerinnen, wobei Weiterbildung vor allem dem entsprach, was heute als Fortbildung bezeichnet wird. Von 1974 an wurden sie offiziell auch bei der Anleitung der Lehrer im Unterricht wirksam. Dafür standen Lehrer als Fachberater zur Verfügung, 3

die mit verminderter Stundenzahl unterrichteten und an mehreren Wochentagen ihre Fachkollegen operativ an den Schulen berieten. Den Kreisschulräten und Direktoren half ihr Rat, unterrichtsbez ogene Leitungsmaßnahmen festzulegen. De facto waren Potenzen der Kreiskabinette schon von 1956 an von Kreisschulräten mehr oder weniger für Leitungsaufgaben genutzt worden, z.B. bei der Einführung des polytechnischen Unterrichts. Der Darstellung von unterrichtsbezogenen Leitungsmaßnahmen in unserem Kreis muß vorausgeschickt werden, dass allen Bemühungen von Schulverantwortlichen in den Bezirken, Kreisen und an den Schulen um ein höheres didaktisch-methodisches Niveau des Unterrichts auch in der DDR Grenzen gesetzt waren. Sie ergaben sich daraus, • dass gute Absichten jedes Schulfunktionärs dem gängelnden Dirigismus ausgesetzt waren, mit dem das Ministerium für Volksbildung oftmals schulpolitische Forderungen durchzusetzen suchte. • Sie ergaben sich ferner aus dem begrenzten Freiraum, das eigne Wirken bei der Vielfalt der Leitungsaufgaben ausreichend auf Anleitung für den Unterricht zu richten oder gar zu konzentrieren, • aus dem persönlichen Blick für das Notwendige und Mögliche, der sowohl durch die eigne Qualifikation mitbestimmt als auch durch den fehlenden Einblick in pädagogische Literatur der BRD und des kapitalistischen Auslands überhaupt beengt war, • und nicht zuletzt daraus, dass ein Kreisschulrat und seine Mitarbeiter zu berücksichtigen hatten, was Schuldirektoren und ihren Lehrkräften unter deren konkreten Arbeitsbedingungen an Engagement für ein immer besseres didaktisch-methodisches Niveau ihres Unterrichts abverlangt werden konnte. Diese Bedingungen waren durch die Lehrpläne mitbestimmt, die zwar ständig weiterentwickelt und dabei oft auch verbessert wurden. Die Fülle des vorgeschriebenen Wissensstoff es setzte dem guten Lehrer bei seinem Bestreben, die Schüler geistig zu aktivieren, auch noch Schranken, als der in den Lehrplänen immer besser ausdrücklich ausgewiesene Könnensstoff eine stärkere Orientierung Ober die "äußere Seite" der Schülertätigkeit hinaus auf deren 'innere Seiten geradezu erforderte. Wenn ich nun chronologisch einige Versuche darstelle, in unserem Kreis Anregungen der Allgemeinen Didaktik vor allem für die geistige Aktivierung der Schüler aufzugreifen, so beschränke ich mich dabei auf Bemühungen, die von mir und meinen Mitarbeitern (insbesondere den Fachberatern) im Auftrag oder mit Zustimmung des Kreisschulrates angeleitet und beeinflußt wurden. Die eben genannten Grenzen, solche Vorhaben zu verwirklichen, galten auch für meine Arbeit als Direktor des Pädagogischen Kreiskabinetts und die der Fachberater. Wir waren aber im Vergleich beispielsweise zum Kreisschulrat und den Schuldirektoren in einer günstigeren Situation, weil wir von Administration weniger betroffen wurden und somit über größere Freiräume für die Gestaltung unserer Arbeit verfügten. Dennoch konnten auch wir unsere Tätigkeit nur auf einen Teil dessen richten, was wir für wesentlich hielten. Das ständige Streben vieler Pädagogen, Erkenntnisse umzusetzen, die sie im individuellen Studium allgemein pädagogischer, psychologischer, fachwissenschaftlicher und fachmethodischer Literatur oder auf andere Weise gewannen, und dadurch erreichte Erfolge bleiben im folgenden unberücksichtigt. Von den Lipezker Pädagogen lernen. Schon 1958 wandte sich Lothar Klingberg gegen den Formalismus und Verbalismus im Unterricht./6/ In der DDR verstärkte sich die Kritik an Mängeln in der Unterrichtsgestaltung, als 1962 der Schulversuch sowjetischer Lehrer des am oberen Don gelegenen Industriegebietes Lipezk durch Artikel in der Deutschen Lehrerzeitung bekannt wurde. Ich stütze mich bei der Darstellung der Lipezker Erfahrungen auf eine Veröffentlichung von Dr. P. A. Lebedew, Moskau./7/ Formalismus und Schematismus der Unterrichtsgestaltung versuchten die Lehrer zu überwinden, indem sie die in der Sowjetunion übliche "kombinierte" Stunde zurückdrängten. Sie wies folgende Struktur auf: Abfragen (mündliche Leistungskontrolle), Darbietung des neuen Stoffes, seine Festigung und das Erteilen der Hausaufgabe. Tatsächlich bestand die Stunde jedoch oft nur aus zwei großen Teilen, aus dem Abfragen und aus der Erläuterung des neuen Stoffes durch den Lehrer. 4

Die Festigung des neuen Stoffes kam zu kurz oder fand nicht statt. Sie wurde in die Hausaufgabe verlagert, die in großer Eile (oft erst mit dem Klingelzeichen) aufgegeben wurde. Am stärksten wurde das Gedächtnis der Schüler beansprucht, ihre Aktivität wurde gehemmt. Allmählich bildete sich der Typ der "vereinigten" Stunde heraus, mit der ein starres Stundenschema überwunden wurde. Vereinigt wurden laut P. A. Lebedew die immanente Wiederholung des alten Stoffes mit der Aneignung des neuen, die Aneignung neuer Kenntnisse mit ihrer Anwendung, einfache Übungen mit selbständig mündlich oder schriftlich zu lösenden schöpferischen Aufgaben, kollektive und individuelle Unterrichtstätigkeit (frontales Lernen, Partner-, Gruppen-, Abteilungsund Einzellemen) sowie die schriftliche und mündliche Kontrolle der Kenntnisse und Fertigkeiten./8/ Charakteristisch war, dass die Schüler ständig bei exakter Zeiteinteilung Aufgaben zu lösen hatten, wobei der Lehrer nach den individuellen Voraussetzungen der Schüler zu differenzieren suchte. Großer Wert wurde besonders im Muttersprach- und Mathematikunterricht auf das Kommentieren (als lautes Denken der Schüler) gelegt. Der Stoff wurde ni der Stunde bewältigt und somit seine Festigung von der Hausaufgabe, mit der die Schüler überlastet gewesen waren, in den Unterricht verlegt. Ganz offensichtlich richteten die Lehrer ihr Hauptaugenmerk darauf, die geistige und geistigpraktische Aktivität der Schüler zu steigern. Selbständiges Aufgabenlösen, Naturbeobachtungen und praktische Versuche, so schreibt Lebedew, nahmen in einer enger mit dem Leben verbundenen Schule einen immer größeren Raum ein. (9) Auch eine veränderte Leistungsbewertung förderte die Aktivität der Schüler. Während sie in der "kombinierten" Stunde traditionell am Anfang erfolgt war, wurde nunmehr am Ende der Stunde einigen Schülern, die der Lehrer besonders beobachtet hatte, eine Gesamtstundenzensur erteilt. Sie erfaßte die Anfertigung der Hausaufgabe, die Aneignung früher erworbener und neuer Kenntnisse sowie die Fähigkeit zu ihrer Anwendung. Lebedew sieht in der Gesamtstundenzensur einen Ansporn für die Schüler, "während der gesamten Stunde aktiv zu arbeiten, da ja die Zensuren erst in der letzten Minute bekanntgegeben werden. Gleichzeitig aber hat ein Schüler, der beispielsweise seine Hausaufgabe nicht völlig einwandfrei angefertigt hat oder bei der Wiederholung durcheinandergekommen ist, noch die Möglichkeit, die Sache beim Erarbeiten des neuen Stoffes 'in Ordnung zu bringen". Diese Hoffnung hält die optimale Arbeitsfähigkeit aufrecht."/10/ Sehr energisch begegneten die Lipezker Lehrer Zeitverlusten in der Unterrichtsstunde durch "äußere" Rationalisierung. Sie und die Schüler bereiteten sich organisatorisch vor Unterrichtsbeginn bzw. in der Pause auf die Stunde vor. So bereitete der Lehrer Tafelbilder vor. In der Stunde selbst gehörte die Tafel dem Lehrer, die Schüler arbeiteten in ihren Heften. Sie antworteten vom Platz aus, ohne aufzustehen. Worte des Lehrers sollten in der Stunde so knapp wie möglich sein. Wo es möglich war, sprachen für ihn Tabellen und an die Tafel geschriebene Aufgaben. Ganz allgemein ging das Streben dahin, jede Minute im Unterricht für das Lernen auszunutzen. Die rationelle Unterrichtsgestaltung verbesserte die Möglichkeiten, differenziert mit einzelnen Schülern zu arbeiten. Sie wurde zwar auch dafür genutzt, die Individualität der Schüler zu berücksichtigen und besondere Begabungen zu fördern. Vorrangig ging es den Lehrern aber um individuelle Förderung zurückbleibender Schüler. Viele Lehrer förderten solche Schüler zusätzlich zu Hause. So erreichten sie, dass das Sitzenbleiben erheblich zurückging. Nach dieser gerafften und unvollständigen Wiedergabe dessen, was wir über die Arbeit der Lipezker Lehrer erfuhren, bleibt die Frage zu beantworten, wie ihre Erfahrungen bei uns aufgenommen wurden. Im September 1962 studierte Edgar Drefenstedt (damals Wissenschaftler am Deutschen Pädagogischen Zentralinstitut, dem Vorläufer der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR) zusammen mit drei anderen Pädagogen aus der DDR die Lipezker Erfahrungen an Ort und Stelle. Mit ihren Feststellungen und mit Bezügen zum Unterricht in der DDR leitete er die Veröffentlichung von Beiträgen sowjetischer Pädagogen in einem Sammelband ein./11/ Eine Auswahl der von ihm genannten Mängel des Unterrichts in der DDR läßt erkennen, dass sie denen in der sowjetischen Schule mindestens ähnelten. Er bemängelte u.a.: "Der Abschnitt des Bekanntmachens mit dem neuen Stoff geht meistens bis zum Ende der Unterrichtsstunde oder reicht doch fast bis an das Ende heran. Für das Festigen und Anwenden des neuen Stoff es mit dem Ziel der Beherrschung 5

bleibt deshalb in unmittelbarem Anschluß an das Bekanntmachen in der Regel keine Zeit. Dieser entscheidende Mangel kann durch die Hausaufgaben und durch einzelne Wiederholungsstunden nicht ausgeglichen werden."/12/ "Vorherrschend ist in unserer Schule ... die ungenügend gegliederte Unterrichtsstunde, in der die Methode des Unterrichtsgesprächs - allerdings in sehr verschwommener Gestalt - im Vordergrund steht."/13/ 1962/63 stand die wissenschaftliche Verallgemeinerung der Arbeit der Lipezker Lehrer noch am Anfang. Das spiegelte sich zwangsläufig in den Veröffentlichungen wider, die individuell und in Veranstaltungen für das Bekanntmachen mit dem Lipezker Schulversuch genutzt werden konnten. Ungeachtet unserer dadurch zunächst begrenzten Einsichten werteten der Kreisschulrat, seine Mitarbeiter und funktionsbedingt besonders ich als Direktor des Pädagogischen Kabinetts den Schulversuch mit den Schuldirektoren aus. Dabei kam es uns darauf an, sie von der Notwendigkeit und Möglichkeit zu überzeugen, bessere Lernergebnisse durch Intensivierung des Unterrichts, also vor allem durch gesteigerte geistige und geistig-praktische Aktivität der Schüler zu erreichen. Die meisten Direktoren erwiesen sich als aufgeschlossen gegenüber den Aufgaben, die ihnen daraus im Lehrerkollegium erwuchsen. Sie und andere geeignete Pädagogen diskutierten die Problematik und das Herangehen an die zu lösenden Aufgaben in den Pädagogischen Räten und in gewerkschaftlichen Veranstaltungen. Die Diskussionen wurden in den Fachzirkeln, in denen die Lehrer einer Fachrichtung an der Schule zus ammenkamen, unter fachmethodischen Gesichtspunkten fortgesetzt. In %offenen Stunden" demonstrierten Lehrer den Fachkollegen ihrer Schule, wie sie versuchten, von den Lipezkern zu lernen. Träger der Fortbildung im Kreis waren die Fachkommissionen des Pädagogischen Kabinetts, denen ausgewählte besonders erfolgreiche Pädagogen angehörten. Mir -oblag es, die Fachkommi ssionsvorsitzenden für ihre Aufgaben anzuleiten. Sie hatten die Lehrkräfte der jeweiligen Fachrichtung im Kreis in Fortbildungsveranstaltungen für die Auseinandersetzung mit der Arbeit der Lipezker Lehrer zu gewinnen und zu befähigen. Dazu führten sie an unterrichtsfreien Nachmittagen und in den Ferien Seminare zu didaktisch-methodischen Themen sowie Erfahrungsaustausche nach %offenen Stunden" durch. Die Versuche, Lipezker Erfahrungen aufzugreifen, stießen im Kreis Riesa wie auch in anderen Kreisen sowohl auf Enthusiasmus als auch auf Zweifel und teilweise sogar auf Ablehnung. Mängel in den Veröffentlichungen führten zu Mißverständnissen. Es gab mitunter den weitgehenden Verzicht auf Leistungskontrollen und den Versuch, vor allem Gesamtstundenzensuren zu erteilen. Der Lehrervortrag fiel oft auch dort weg, wo er am Platz gewesen wäre. Veränderungen waren manchmal nur äußerer Art, wie zum Beispiel das Antworten vom Platz aus, ohne aufzustehen. In manchen Stunden wurden die Schüler nahezu ausschließlich mit vielen im Heft schriftlich zu lösenden Aufgaben nach Zeitvorgaben beschäftigt. Dabei ging es Lehrern mitunter vordergründig um die "äußerem Schülertätigkeit. Die geistige Aktivierung der Schüler lag nicht ausreichend in ihrem Blickfeld. Es zeigte sich zunehmend, dass die Umgestaltung des Unterrichts erforderte, unser eigenes unterrichtstheoretisches Niveau, das der Direktoren und das vieler Lehrkräfte zu vertiefen. Mir selbst half sehr, dass ich 1961 an der Humboldt-Universität Berlin ein Fernstudium im Fach Pädagogik aufgenommen hatte, das ich 1966 mit der Diplomprüfung für das Lehramt an Instituten für Lehrerbildung abschloß. Von Anfang an gab es auch Erfolge im Bemühen, das Wesen des Lipezker Schulversuchs zu verstehen und für die eigne Unterrichtspraxis richtige Schlußfolgerungen zu ziehen. Der Typ der "kombinierten" Stunde wurde zunehmend überwunden, und es gab positive strukturelle Veränderungen des Unterrichtsprozesses. Insgesamt wurden Fortschritte wesentlich durch Veröffentlichungen von Didaktikern und Fachmethodikern in der DDR befördert, die immer stärker auf den wissenschaftlichen Kern des Lipezker Schulversuchs eingingen. Hatte man schon bei Lebedew lesen können, dass es in Lipezk vor allem um die Ausbildung des Erkenntnisvermögens und die Steigerung der Aktivität der Schüler gehe/14/, so schrieb Drefenstedt: "Lernen ist also zielgerichtete, bewusste theoretische und praktische Tätigkeit. Es verwirklicht sich bei der Lösung von Aufgaben. Indem der Schüler Aufgaben löst, die seine geistigen Kräfte voll beanspruchen, erwirbt er das notwendige Wissen und lernt es anwenden, entwickelt er seine Persönlichkeit."/15/ (Hervor6

hebung W. H.) Die Produktivität und Qualität der Unterrichtsstunden wird durch die Zahl und 'die Verschiedenartigkeit der Aufgaben (bestimmt), die in einer Stunde gelöst werden, und damit durch die Vielfalt der Methoden und der angewandten Unterrichtsmittel." Das Entscheidende für die Produktivität der Unterrichtsstunde sah Drefenstedt im hohen Anspruchsniveau der Aufgaben, in der Lösung von schöpferischen Aufgaben neben solchen, die die Schüler nach einem Muster lösen können, das sie beherrschen. Zu verlangen sei im Prozeß des Lernens der jeweils höchste Grad von Selbständigkeit./16/ In Demonstrationsstunden, die in Erfahrungsaustauschen ausgewertet wurden, und im täglichen Unterricht vieler Lehrer zeigte sich mehr oder weniger die Tendenz, solchen Ansprüchen gerecht werden zu wollen. Lehrerzentriertheit wich mehr und mehr stärkerer Schülerorientiertheit, und es gab ein gesteigertes Bemühen um individuelles Eingehen auf Schüler vor allem mit dem Ziel, das Zurückbleiben von Schülern und damit das Sitzenbleiben zu verhindern. Drefenstedt schrieb: "Die Lipezker Lehrer sind der Meinung, dass sie erst dann, wenn das Sitzenbleiben beseitigt ist, davon sprechen können, das Schulgesetz wirklich zu erfüllen."/17/ Diese Auffassung wurde im Ministerium der DDR offiziell nicht geteilt. Auf einer Lehrerkonferenz in Riesa Ende der 60er Jahre äußerte unser Kreisschulrat, jeder Sitzenbleiber sei einer zuviel. Dem widersprach ein anwesender Stellvertreter des Ministers für Volksbildung. Es sei normal, dass einzelne Schüler das Klassenziel trotz guter Arbeit der Lehrer nicht erreichen. Trotzdem standen Lehrer in der DDR bis 1989 unter Druck, wenn eine Schule einen höheren Sitzenbleiberstand als erwünscht hatte. Dem versuchten manche zu entgehen, indem sie Schüler ungerechtfertigt gut zensierten und versetzten. - Bei den Lipezkern dominierte die Verhinderung des Zurückbleibens einzelner Schüler über die Berücksichtigung der Individualität jedes Schülers und die Förderung besonderer Begabungen. Wir ließen damals in unserer anleitenden Tätigkeit das Begabungsproblem und die Problematik der Individualisierung des Unterrichts noch außer acht. Dem Aufgabencharakter des Aneignungsprozesses im Unterricht stärker Rechnung tragen Eine Vorbemerkung: In diesem Abschnitt und in den folgenden verwende ich bestimmte Begriffe so, wie sie von Didaktikern der DDR gebraucht wurden und wie sie deshalb in der DDR ausgebildeten Lehrkräften geläufig sind. Das betrifft zum Beispiel den Begriff "Führung", der in der westdeutschen Didaktik bisher nur von wenigen Autoren benutzt worden ist. Die dialektisch orientierte Didaktik in der DDR gebrauchte Begriffe, die paarweise in einem dialektischen Verhältnis zueinander stehen; z.B. das Lehren und das Lernen, Vermittlung und Aneignung, Führung und Selbsttätigkeit. Sie sieht in den Lernenden Subjekte ihres jeweils individuellen Aneignungsprozesses, zugleich aber auch Objekte der Vermittlung dieses Aneignungsprozesses durch den Lehrer. Er führt Prozesse der Aneignung mit der Absicht, die Lernenden zu mehr Selbständigkeit zu befähigen. (Die dialektisch orientierte Didaktik wird von den westdeutschen Didaktikern Werner Jank und Hilbert Meyer am Beispiel von Veröffentlichungen Lothar Klingbergs auf 50 Seiten knapp dargestellt. Siehe Anmerkung 88!) In einer Periode bedeutender schulpolitischer Veränderungen in der DDR, die 1959 mit dem 'Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der DDR" begann und die 1965 mit der Verabschiedung des "Gesetzes über das einheitliche sozialistische Bildungssystem" ihren Höhepunkt erreichte, nahm an der Pädagogischen Fakultät der Humboldt -Universität zu Berlin die Forschungsgemeinschaft "Intensivierung des Unterrichts in Einheit von Bildung und Erziehung" unter Leitung von Prof. Dr. habil. Karlheinz Tomaschewsky ihre Arbeit auf./18/ 1961/62 begann die Wissenschaftlergruppe ihre Zusammenarbeit mit der Abteilung Volksbildung, dem Pädagogischen Kabinett sowie den Lehrern der Schulen im Berliner Stadtbezirk Weißensee und weitete sie 1963/64 auf unseren Nachbarkreis Meißen aus. Theoretische Grundlagen für die Forschungen waren mit dem Lehrbuch "Didaktik" (1956)/19/ und mit der "Schulpädagogik - Teil 1 - Didaktik" (1961 und 1963)/20/ geschaffen worden. Die Forschungsgemeinschaft wählte die Schwerpunkte ihrer Untersuchungen aus dem Problemfeld des Führens der Schülertätigkeiten für die Aneignung fachlichen Wissens und Könnens und die Entwicklung von Fähigkeiten des Denkens und des Willens als Leistungseigenschaften. Dabei orientierte sie sich auf die zentrale Funktion des Aufgabenlösens für die Entwicklung des produkti7

ven Lernens und auf die Bedeutung des Gestaltens von Aufgabenfolgen für die längerzeitliche Führung von Aneignungs- und Entwicklungsprozessen. Zugleich ging es ihr darum, die Steigerung der Schülerleistungen mit einer Qualitätserhöhung der politischen, weltanschaulichen und moralischen Erziehung zu vereinen./21/ Es ist hier nicht der Platz, Auffassungen der Berliner Forschungsgemeinschaft detailliert darzulegen. Interessierte sollten sich deshalb in der bereits angegebenen sowie in der noch zu nennenden Literatur/22/ und vor allem in einer Veröffentlichung über "Die 'Aufgabe' als didaktische Kategorie"/23/ weiter informieren. An dieser Stelle gebe ich -diesem Artikel teils wörtlich entlehnt - nur wenige Gedanken Tomaschewskys wieder. - Wenn das Lernen der Schüler hauptsächlich einsichtiges Begreifen, denkendes Erfassen, ein zielstrebiger, bewusster, weitgehend selbständiger und Willensanstrengungen erfordernder Prozeß ist, dann gelten für dieses Lernen und Denken die Gesetzmäßigkeiten des Denkens und der Willensregulation. "Es handelt sich bei jedem Denkprozeß um die Lösung einer Aufgabe, die in einer Frage besteht, auf die die Antwort nicht sofort und unmittelbar gefunden werden kann."/24/ - Eine Aufgabe ist als Aufforderung zu verstehen, ein gesetztes Ziel als vorweggedachten Effekt, bezogen auf einen konkreten Inhalt durch geordnetes Handeln zu erreichen. Aufforderungsfo rmen sind der Auftrag, die Denkfrage, die erlebte oder vorgestellte Situation. - "Ausführungsaufgaben" werden nach einem subjektiv bekannten Muster gelöst. "Problemaufgaben" sind mit den bisher subjektiv bekannten Prinzipien, Methoden, Verfahren, Mustern nicht lösbar. Ihre Lösung verlangt produktives Denken. - Tomaschewsky nutzte für seine Überlegungen Gedanken der sowjetischen Pädagogen Elkonin und Galperin und formulierte für das voll entfaltete aufgabenlösende Denken die folgenden Gli eder einer allgemeinen Grundstruktur des Tätigkeitsprozesses: 1. Verstehen und Annehmen der Aufgabe 2. Vorbesinnung für die Lösung - Analyse der Aufgabe (Ziel- und Bedingungsanalyse) - Suchen der Lösung (Suchen nach Prinzip, Mitteln und Weg) 3. Ausführung der Lösungshandlung 4. Prüfung und Bewertung der Ergebnisse Innerhalb von Lernaufgaben mit dieser voll entfalteten Struktur vollziehen sich vielgestaltige Operationsfolgen. • Orientiert auf die allgemeinen Lernschritte beim aufgabenlösenden Lernen durch Denken ergeben sich folgende Lehrschritte: 1. Einführung 2. Aufgabenstellung und Führen der Aufgabenaufnahme 3. Führen der Vorbesinnung (Vervollständigen der Orientierungsgrundlage u.a.) 4. Führen der realen Lösung (mit ständigem Prüfen und Vergleichen mit dem "internen Lösungsmodell") 5. PrüfungundBewertungderEffekte Erste theoretische und praktische Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit mit Schulverantwortlichen und Lehrern in Berlin-Weißensee und Meißen konnten auf der Konferenz "Sozialistische Schule Pädagogische Wissenschaft -Intensivierung des Unterrichts" (1964)/25/ und "Unterricht als Aufgabenfolge" (1965)/26/ zur Diskussion gestellt werden. Allein auf der zweiten Konferenz sprachen außer Wissenschaftlern mehr als zwanzig in Weißensee, Meißen und in einigen anderen Kreisen tätige Pädagogen über Probleme und Ergebnisse eines weitgehend als Aufgabenlösen gestalteten Unterrichts. Die Arbeit der Forschungsgemeinschaft und der Lehrer in Weißensee und Meißen beeinflußte das didaktisch-methodische Denken und Handeln der Schulfunktionäre und Lehrer in den Kreisen der DDR mehr oder weniger oder auch gar nicht. Sie fanden den Zugang durch Veröffentlichungen und durch die Teilnahme an den beiden Konferenzen. In manchen Kreisen des Bezirkes Dresden war der Einfluß durch Vorträge Prof. Tomaschewskys in Meißen und durch Diskussionen des Meißner Kreisschulrates und des Direktors des Pädagogischen Kreiskabinetts mit ihren Amtskollegen relativ groß. Die Arbeit im Kreis Riesa wurde durch einige Umstände begünstigt. Ich hatte ja 1961 an der Humboldt-Universität ein Fernstudium im Fach Pädagogik aufgenommen, das inhaltlich stark durch die Forschungen der Professoren Tomaschewsky und Klein geprägt war. Da die Pädagogischen Kreiskabinette Meißen, Riesa und Großenhain seit 1956 eng zusammenarbeiteten, nahm ich mit 8

einer Reihe von Mitarbeitern an allen Veranstaltungen teil, die Prof. Tomaschewsky in Meißen durchführte. Er übernahm 1964/65 die wissenschaftliche Betreuung meiner Diplomarbeit, in der ich die Auswirkungen des Unterrichts als Prozeß des Lösens von Aufgaben auf die allgemeine Fähigkeit der Schüler nachwies, erworbenes Wissen in Aufgaben anzuwenden, bei denen schöpferisches Denken nicht im Vordergrund steht.

1964 und 1965 nahm eine Riesaer Delegation an den Konferenzen in Berlin teil, der der Kreisvorsitzende der Gewerkschaft Unterricht und Erziehung und spätere Kreisschulrat angehörte. In beiden Funktionen wandte er sich führend der Intensivierung des Unterrichts zu. In Konferenzen stellten wir Schuldirektoren und Fachberatern unsere Auffassungen über den Unterricht als Prozeß des Lösens von Aufgaben zur Diskussion und gewannen sie und auch eine Reihe von Lehrern, insbesondere Fachkommissionsmitglieder, zunehmend Unterricht zu erteilen, in dem der Aneignungsprozeß weitgehend Aufgabencharakter hat. Ich referierte zur Problematik vor Lehrerkollegien in Pädagogischen Räten und stieß dabei sowohl auf Zustimmung als auch auf Skepsis. Sehr gründlich leitete ich mit einer Fachberaterin Lehrkräfte an, die sich im Zusammenhang mit meiner Diplomarbeit für ein Experiment als Lehrer von Versuchs- und Kontrollklassen zur Verfügung stellten. In seiner Veröffentlichung über "Die 'Aufgabe' als didaktische Kategorie" geht Tomaschewsky auf Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen der Forschungsgemeinschaft im Stadtbezirk Berlin-Weißensee und im Kreis Meißen ein. in allen Versuchsklassen, in denen der Unterricht weitgehend als Aufgabenlösen gestaltet wurde, ließen sich im Vergleich zu den Kontrollklassen deutliche Leistungssteigerungen nachweisen./27/ Ich zitiere hier auswahlhaft (teils wörtlich), weil sich Tomaschewskys Feststellungen als Tendenzen auch in unserem Kreis in Klassen zeigten, deren Lehrer von uns für die weitgehende Gestaltung des Unterrichts als Aufgabenlösen gewonnen und angeleitet worden waren. Zu ihnen gehörten nicht zuletzt die Lehrer der Versuchsklassen, die mir für meine Diplomarbeit und später für meine Dissertation zur Verfügung standen. • Der Aufgabenunterricht zwang zu einer exakten Zielbestimmung (verstanden als Vorausbestimmung des Ergebnisses) und zu einer differenzierten Analyse und Gestaltung des Unterrichtsstoffes. • Der Lehrplan und seine Anforderungen waren in konkrete Bildungs- und Erziehungsergebnisse umzudenken. Die operationale Struktur des Lehr- und Lernprozesses war stärker zu durchdenken. Die Führung der Lerntätigkeit trat in das Zentrum der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung des Unterrichts. • Die Schüler lernten ziel-, weg- und verfahrensorientiert (d.h. aufgabenlösend). • Das Konzipieren der Lernaufgaben ließ die Lehrer mögliche Lernschwierigkeiten besser vorhersehen und begrenzen. • Die Führung des Tätigkeitsverlaufs entsprechend den Lehrschritten ermöglichte mehr Zwischenkontrollen im Prozeßablauf. Die Schüler lernten, die Selbstkontrolle von Lösungsschritten und Teilergebnissen als eine den Lösungsvollzug begleitende Handlung auszuführen. • Beim verstärkten Aufgabenlösen waren den Schülern Techniken und Methoden des Lernens zu vermitteln. • Erfolgserlebnisse wirkten auf das Leistungsniveau und damit effektivitätssteigernd.

• Die Lehrer hoben ihre Orientierung auf die didaktischen Funktionen und ihre Bemühungen um einen "vollständigen Lernprozeß" auf ein höheres Niveau. Sie gestalteten Aufgaben bewusster als Einführungs-, Erstaneignungs-, Vertiefungs-, Wiederholungsaufgaben (Einprägungs- und Übungsaufgaben), Anwendungs- und Kontrollaufgaben. Ich verzichte darauf, Aussagen Tomaschewskys zu Ergebnissen der Nutzung erzieherischer Potenzen im Unterricht als Prozeß des Aufgabenlösens zu zitieren./28/ In unserer Arbeitssituation sahen wir uns überfordert, bei der Anleitung der Lehrer für den Unterricht als Aufgabenlösen glei9

chermaßen Gewicht auf bessere Bildungsergebnisse und einen höheren Erziehungseffekt zu e lgen. 1966 gab es in unseren Anstrengungen, dem Aufgabencharakter des Aneignungsprozesses im Unterricht und damit der Forderung nach geistiger Aktivierung der Schüler stärker Rechnung zu tragen, einen Einschnitt. Mit der Einführung neuer Lehrpläne "wurden alle Lehrer zentral darauf orientiert, die in den Lehrplänen angelegte Systematik der Fachstoffe für die Gestaltung des Unterrichtsprozesses zu befolgen. Die Führung des Unterrichts als Prozeß des Aufgabenlösens und als Aufgabenfolge wurde von leitenden Funktionären als Widerspruch dazu und als Hemmnis bei der Erfüllung der Lehrpläne beurteilt. Als Konsequenz wurde ministeriell angewiesen, die Untersuchungen in Berlin-Weißensee und im Kreis Meißen abzubrechen."/29/ Teiluntersuchungen der Forschungsgemeinschaft gab es von 1968 bis 1982 nur noch an einer Schule in Berlin-Lichtenberg. Sie bezogen sich zunehmend auf Fragen der erziehungswirksamen Führung der Schülertätigkeiten im Unterricht zur Aneignung und Verinnerlichung von Werten der Moral. Die ministerielle Weisung von 1966 zum Abbrechen der Untersuchungen in Weißensee und Meißen und der Hinweis an Schulfunktionäre, Schriften der Berliner Forschungsgemeinschaft nicht mehr zum Studium in der Lehrerfortbildung zu empfehlen, basierten auch darauf, dass sich einige der von Tomaschewsky und seinen Mitarbeitern in einem Grundlehrgang "Gestaltung des Unterrichts als Aufgabenfolge" veröffentlichten Gedanken nicht als haltbar erwiesen hatten/30/ und deshalb von ihnen selbst korrigiert wurden. Im Bemühen, denk-, willens- und lernpsychologische Überlegungen zu nutzen, waren ihnen Überspitzungen unterlaufen. So hatten sie ihre Definition des Begriffs der Lernaufgabe auf einen besonderen Typ von Lernaufgaben mit hohem Anforderungsniveau eingeengt, obwohl ihnen die Vielfalt der konkreten Strukturen des Aufgabenlösens sowohl beim produktiven als auch beim aufnehmenden rezeptiven Lernen bewusst war. Tomaschewsky kennzeichnete nun die Stellung der Methode des Aufgabenstellens und Führens beim Aufgabenlösen im Ensemble aller pädagogischen Methoden wie folgt: “Sie ist eine allgemeine Methode der Führung des Tätigkeitsablaufs und ist überall dort anwendbar, ..., wo Denk- und Willenshandlungen zu vollziehen sind. Der Aufgabencharakter und die Aufgabenstruktur sind grundlegende Aspekte der umfassenden organisatorisch-methodischen Gestaltung des Unterrichtsablaufs. Selbstverständlich muß die Führung des Aufgabenlösens als allgemeine Methode der Tätigkeitsführung immer den konkreten Zielen und Inhalten des Unterrichts," der Erfüllung der von 1966 an eingeführten neuen Lehrpläne "dienen ... und darf sich nicht als ein formales, starres Strukturschema verselbständigen."/31/ Die Kritik an Tomaschewsky und seinen Mitarbeitern, die Prof. Dr. Helmut Weck (Deutsches Pädagogisches Zentralinstitut/DPZI bzw. Akademie der Pädagogischen Wissenschaften/APW) in der "Pädagogischen Forschung* einmal ausdrücklich als verabsolutiert bezeichnete, verleitete theoretisch Überforderte und auch Amtsautoritätsgläubige, zurückhaltend auf Impulse zur Intensivierung des Unterrichts zu reagieren. Es mußte jedoch weiterhin genutzt werden, was in der Arbeit der Lipezker Lehrer und in der Theorie vom Unterricht als Aufgabenlösen einleuchtend und praktikabel erschien. So blieb auch für unsere anleitende Tätigkeit im Kreis Riesa eine bessere Orientierung des didaktischen Denkens der Lehrer auf die geistige Aktivierung der Schüler und in diesem Zusammenhang die verstärkt lernpsychologische Sicht auf den Unterrichtsprozeß entscheidend. Einseitig rezeptives Lernen (oder gar Pauken) im Unterricht wurde zurückgedrängt. Von 1967 bis 1971 arbeitete ich neben meiner Berufstätigkeit unter der wissenschaftlichen Betreuung von Prof. Tomaschewsky an meiner Dissertation über die Verbesserung des Anwendens von Wissen und Können im Unterricht durch Aufgabenlösen. Ich ließ mich davon leiten, dass Anwenden als einsichtiges Lernen eine zielgerichtete, inhaltsbestimmte und strukturiert verlaufende Leistungshandlung und in diesem Sinne immer Aufgabenlösen ist. Vor mir hat sich in der DDR 1962 und 1964 nur Eberhard Klinger (Pädagogisches Institut bzw. Pädagogische Hochschule Köthen) zur Anwendung als didaktischer Kategorie geäußert/32/. Ich knüpfte an die Ergebnisse seiner Arbeit bei der Erarbeitung eigner Positionen an. Die Arbeit an meiner Dissertation beeinflußte meine anleitende berufliche Tätigkeit. Zur Vorbereitung auf ein Experiment wurden die Ergebnisse des muttersprachlichen Unterrichts in allen 4. Klassen des Kreises überprüft, bevor Deutschlehrer dafür gewonnen wurden, 1967/68 mit ihren 5. 10

Klassen an einem Experiment teilzunehmen. Mit intensiver Unterstützung durch eine Fachberaterin wurde das Experiment konzipiert, mit dem zu ermitteln war, wie sich eine unterschiedliche Unterrichtsgestaltung in Versuchs- und Kontrollklassen auf die Sicherheit und Bewusstheit beim Anwenden von Wissen und Können auswirkt. Da die Lehrer für ganze Unterrichtseinheiten angeleitet, ihr Unterricht protokolliert und die Ergebnisse von Kontrollarbeiten mit ihnen ausgewertet wurden, hatten sie unmittelbar einen Gewinn für ihre Aufgabe, das Anwenden in ihrem Unterricht durch Aufgabenlösen zu verbessern. Durch das operative Wirken der Deutsch-Fachberaterin sowie durch ihre Arbeit in der Fachkommission und in Fortbildungsveranstaltungen blieb der Nutzen nicht auf sie beschränkt. Von 1968 an nutzte ich mehrere Gelegenheiten, meine Erkenntnisse über den Zusammenhang von 'Aufgabenlösen im Unterricht und Verbesserung des Anwendens bekanntzumachen. So gestaltete ich im Februar 1969 in einem Lehrgang in Bad Schandau für alle pädagogischen Mitarbeiter der Abteilung Volksbildung, alle Schuldirektoren und Fachberater des Kreises einen Tag, an dem ich die Thematik vortrug und sie diskutieren ließ. Am Lehrgang nahm einer der Stellvertreter Margot Honeckers teil, dessen Frau übrigens an der Schule in Berlin-Lichtenberg unterrichtete, an der Prof. Tomaschewsky von 1968 - 1982 noch Untersuchungen durchführte. In meiner unterrichtsanleitenden Tätigkeit ignorierte ich keineswegs kritische Äußerungen des Ministeriums an zeitweilig überspitzt vorgetragenen Auffassungen der Berliner Forschungsgemeinschaft. Es war jedoch nicht nur legitim, sondern notwendig, sich von "Thesen zu den Grundpositionen des Unterrichts in der sozialistischen Schule" leiten zu lassen, die fünf Wissenschaftler 1967 veröffentlichten. "Das Lernen der Schüler ist ... hauptsächlich und grundsätzlich auf einsichtiges Begreifen, denkendes Erfassen und Verstehen gerichtet." ... "Der Aneignungsprozeß muß weitgehend Aufgabencharakter haben. Die Art der Aufgaben ist dem Ziel und dem jeweiligen Unterrichtsabschnitt entsprechend zu bestimmen. Solche Aufgaben sind nicht nur Mittel der Aneignung. Sie müssen in einer bestimmten Auswahl auch zum Inhalt der Aneignung gemacht werden. Die Schüler müssen lernen, bestimmte Aufgabentypen zu beherrschen und ihr Denken und Verhalten danach zu regulieren. Über die Beherrschung von Aufgabentypen und die dabei auszuführenden Tätigkeiten wird auch Einfluß auf die geistige Entwicklung der Schüler genommen."/33/ Der Direktor des Instituts für Didaktik der APW, Prof. Dr. Helmut Weck, bestätigte unaufgefordert bei einer Praxisanalyse, die er 1973/74 mit seinen Mitarbeitern an Schulen unseres Kreises durchführte und an der unsere Fachberater und ich teilnahmen, was er erkannt hatte und was wir ohnehin wußten: Wir hatten besonders bei vielen Lehrkräften, in deren Fächern Einsicht-Lernen, Lernen durch Denken dominiert, in bezug auf die Führung des Aufgabenlösens als allgemeiner Methode der Tätigkeitsführung ein Umdenken und ein entsprechendes Handeln erreicht oder wenigstens angebahnt, das Ober die Zeit hinaus wirkte, in der wir die Auffassungen Tomaschewskys und seiner Mitarbeiter recht vordergründig und offensiv in unserer anleitenden Tätigkeit vertreten hatten. (Fremdsprachenlehrer zum Beispiel, in deren Fächern es nicht vordergründig um Einsichtlemen, um Lernen durch Denken geht, hatten sich mit der Theorie vom Unterricht als Aufgabenlösen kaum auseinandergesetzt, zumal diese Theorie von ihren Fachdidaktiken nicht aufgegriffen worden war. Auf der Konferenz "Unterricht als Aufgabenfolge" (1965)/26/ hatte sich übrigens kein Diskussionsbeitrag auf den Unterricht in Fächern bezogen, in denen nicht Lernen durch Denken dominiert. In fünf Beiträgen zum Aufgabenlösen in unteren Klassen war es nicht um das Ausbilden der Grundfertigkeiten im Schreiben, Lesen und Rechnen, also nicht um das den Unterricht in diesen Klassen weitgehend Bestimmende gegangen.) Bei der Auseinandersetzung mit der Arbeit der Lipezker Lehrer waren in unserer anleitenden Tätigkeit das Begabungsproblem und die Individualisierung des Unterrichts außer Betracht geblieben. Beim Aufgabenstellen und Führen des Aufgabenlösens im Unterricht bietet es sich an, der Individualität des einzelnen Schülers Rechnung zu tragen. 1965 sprachen auf der Konferenz "Unterricht als Aufgabenfolgen fünf Wissenschaftler zur Differenzierung des Lernens, zum individuellen Lernen und zur Förderung von Begabungen bei der Gestaltung des Unterrichts als Lösen von Aufgaben/34/, aber nicht einer der Beiträge von mehr als zwanzig Unterrichtspraktikern beinhaltete diese Thematik. Das machte einen Nachholebedarf sichtbar. Die spärlichen äußeren Differenzierungen im Bildungssystem (Kinder- und Jugendsportschulen/KJS und Schulen zur Ausbildung im künstlerischen Tanz, die alle zum Abschluß der 10. Klasse und zum Abitur führten; Klassen mit Russischunterricht ab 3. Schuljahr) wurden im Bezirk Dresden damals gerade um je eine Spezialschule in Dresden und Riesa für mathematisch-naturwissenschaftlich besonders Begabte erweitert, in denen 11

Schüler der Klassen 9 bis 12 zum Abitur geführt wurden. Aus ihnen gingen Preisträger bei internationalen Schülerwettstreiten hervor. (Die Spezialschule in Riesa nahm im Internat geeignete Schüler aus den Kreisen der Bezirke Dresden, Leipzig und Cottbus auf.) Es stand auch Literatur zur Begabungstheorie zur Verfügung. So erschien 1961 bei Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin ein Band "Beiträge zum Begabungsproblem", der Veröffentlichungen der sowjetischen Psychologen Rubinstein und Leontjew, des ungarischen Psychologen Vincze und von sechs Wissenschaftlern aus der DDR (Zehner, Rosenfeld, IhIefeld u.a. ) enthielt. Ich wählte 1963 als Ausgangsthema für die Prüfung in Psychologie im Fernstudium an der Humboldt-Universität bei Prof. Dr. Gerhard Rosenfeld Grundfragen der Begabungstheorie und diskutierte solche Fragen mit Direktoren und Fachberatern. Da im Kreis niemand in der Lage war, sich praktikabel über die Berücksichtigung der Individualität des Schülers im Unterricht zu äußern, gewannen wir dafür Dr. Heinz Lehmann, damals Direktor des Pädagogischen Instituts Dresden. Er hatte 1965 auf der Konferenz "Unterricht als Aufgabenfolge" bereits über einen Vorversuch zu einem umfangreicheren Schulversuch berichtet, in dem es um Möglichkeiten der Individualisierung des Unterrichts gegangen war/35/. Sein Vortrag stieß bei unseren Direktoren und Fachberatern auf großes Interesse. Insbesondere Schuldirektoren kamen jedoch bei ihrer vielfältigen Inanspruchnahme im Schulalltag kaum dazu, bei der Vorbereitung des eignen Unterrichts und bei der Anleitung ihrer Lehrer Möglichkeiten zur Differenzierung der Anforderungen beim Aufgabenstellen und beim Führen des Aufgabenlösens zu nutzen.

Am Können der Lehrer arbeiten, einen aneignungsprozessgerechten, alle Schüler aktivierenden Unterricht zu gestalten Dem neuen Lehrplanwerk, dessen Einführung 1966 begann, lag eine didaktische Konzeption zugrunde, die sich fachbezogen in jedem Lehrplan in didaktisch-methodischen Hinweisen widerspiegelte und die in Fachzeitschriften erläutert wurde. 1969 wurde sie von Drefenstedt zusammenhängend dargestellt/36/. Darin heißt es: "Der Schüler entwickelt sich vor allem durch seine eigene Lerntätigkeit. Der Grad seiner Aktivität ist entscheidend für den Grad der Veränderungen seiner eigenen Persönlichkeit." "Das aktive und zielstrebige Aufnehmen und Verarbeiten von Informationen muß genauso geübt werden wie beispielsweise das Problemerkennen und -lösen."/37/ Das Bemühen der Lehrer um die Umsetzung der didaktischen Konzeption des Lehrplanwerkes wurde besonders durch die Fachmethodiken (Fachdidaktiken) gefördert. Neben der umfangreichen fachmethodischen Literatur in Buchform gab es für die Lehrkräfte jedes Faches eine monatlich beim Verlag Volk und Wissen erscheinende Fachzeitschrift, wie zum Beispiel seit 1952 *Biologie in der Schule". Vor allem in den Fachzeitschriften, in denen sowohl Unterrichtspraktiker als auch Wissenschaftler publizierten, fand der Lehrer neben theoretischen Abhandlungen aktuelle Anregungen, die ihm halfen, anspruchsvolle Forderungen neuer Lehrpläne zu erfüllen. Fachmethodische Themen bestimmten wesentlich den Inhalt der Lehrerfortbildung in Fachzirkeln an den Schulen und der Fortbildungsveranstaltungen der Fachkommissionen im Kreis. Mittler der Fachmethodik waren vor allem die Fachberater, deren operative Beratung verdientermaßen viel Anerkennung fand. Ihre Anleitung durch mich hatte sich auf die Diskussion zu schulpolitischen Forderungen, zu allgemein didaktischen Themen und in gemeinsamer operativer Tätigkeit auf methodische Fragen der Fachberatung zu beschränken. Im übrigen kam es darauf an, ihnen möglichst viel Freiraum für erfolgreiche eigenverantwortliche Arbeit zu sichern, was oft auch gelang. Der Kreisschulrat und ich haben von Fachberatern, auch in allgemein didaktischen Fragen, viel gelernt. Sach- und Fachkundige (also Methodiker an Einrichtungen der Lehrerbildung oder der APW sowie Fachberater und Fachlehrer) sollten einschätzen, was Fachmethodiken in der DDR zu leisten vermochten und tatsächlich auch bewirkten. (Verwiesen sei auf einen 1994 erschienenen Artikel des Geschichtsmethodikers Prof. Dr. W. Szalai, ehem. Pädagogische Hochschule "K. F. W. Wander" Dresden.)./38/ Von 1956 bis 1969 arbeiteten die Fachkommissionen der Pädagogischen Kabinette Großenhain, Meißen und Riesa bei der Fortbildung ihrer Fachlehrer eng zusammen. Neben gemeinsamen Nachmittagsveranstaltungen führten sie in den Ferien für Lehrer der einzelnen Fächer einwöchige Lehrgänge durch, in denen recht intensiv gearbeitet werden konnte, weil die Teilnehmer in Land12

heimen, Jugendherbergen und Schulinternaten im Erzgebirge, in Nossen oder Großenhain wohnten und beköstigt wurden, in denen auch Veranstaltungsräume zur Verfügung standen. Als Referenten, Seminar- und Übungsleiter arbeiteten neben Fachberatern und Fachkommissionsmitgliedern oft auch Wissenschaftler besonders der Pädagogischen Hochschule Dresden sowie in Lehrgängen für Lehrkräfte der unteren Klassen Dozenten und Lehrer der Institute für Lehrerbildung Großenhain, Nossen und Radebeul. Die Lehrgänge beinhalteten fachwissenschaftliche und fac hmethodische Themen. Sie wurden von den Fachkommissionen der drei Kreise, die die Bedürfnisse der Lehrer am besten kannten, eigenverantwortlich festgelegt. 1969/70 wurde in der DDR eine "Weiterbildung in Kursen" eingeführt, der verbindliche Programme zugrunde lagen, die das Zentralinstitut für Weiterbildung der Schulfunktionäre, Lehrer und Erzieher im Auftrage des Ministeriums für Volksbildung erarbeitet hatte. Alle Lehrkräfte waren verpflichtet, jeweils in einem Zyklus von zunächst vier und später fünf Jahren in den Sommerferien an zwei jeweils zweiwöchigen Fachkursen teilzunehmen, zu denen meist Lehrer benachbarter Kreise zusammengefaßt wurden. Ersatzweise konnten auch Spezialkurse (z.B. an den Nationalen Gedenkstätten in Weimar) belegt werden. Die Lehrveranstaltungen in den Fachkursen wurden von Hochund Fachschullehrern, von Mitarbeitern des Bezirkskabinetts für Unterricht und Weiterbildung Dresden sowie von Fachberatern und Lehrern aus den eignen und auch aus anderen Kreisen des Bezirkes gestaltet. Sie waren auf die Befähigung gerichtet, die Anforderungen neuer - von 1966 an eingeführter Lehrpläne zu erfüllen. Den meisten Lehrplänen lag ein neu gefaßter Begriff des Unterrichtsstoff es zugrunde./39/. "Richtige Auffassung von Lehrplanerfüllung bedeutet.... dass nicht nur die fixierten Erkenntnisse angeeignet, sondern im Zusammenhang damit auch die entsprechenden Tätigkeiten ausgeführt und auf dieser Grundlage die geforderten Fähigkeiten ausgebildet sowie die ideologierelevanten Erkenntnisse herausgearbeitet und gewertet werden müssen."/40/ Nun erforderte zwar der ausgewiesene "Könnensstoff" (Tätigkeiten/Fähigkeiten, Fertigkeiten, Gewohnheiten) geradezu die Aktivierung der Schülertätigkeit, zugleich aber behinderte sie der in vielen Lehrplänen geforderte große Umfang anzueignender Kenntnisse. Die unmittelbare Bindung des Herausarbeitens und Wertens ideologierelevanter Erkenntnisse an den Kenntniserwerb verleitete in besonders ideologierelevanten Fächern zur Indoktrination. Die erzieherische Wirksamkeit des Unterrichts wurde beschnitten (härter formuliert: weltanschauliche und moralische Erziehung fiel häufig aus), weit den Schülern Freiräume für selbständige Werturteile und Entscheidungen und auch Möglichkeiten für aktive Auseinandersetzungen oftmals vorenthalten wurden./41/ Vor allem ältere Schüler erlebten den Widerspruch zwischen mehr oder weniger vom Lehrer vermittelten weltanschaulichen "Erkenntnissen" und der realsozialistischen Wirklichkeit. Ein Weg, die Lehrpläne besser zu erfüllen und die Erziehungswirksamkeit des Unterrichts zu erhöhen, wurde in der Gestaltung des Unterrichts als Erkenntnisprozeß gesehen. Im Mai 1973 fand in Berlin eine zentrale Direktorenkonferenz statt. Im Hauptreferat wurde vorgetragen, dass 'wir von unserer Wissenschaft mehr Untersuchungen (erwarten), die Aufschluß geben über ... die Geset zmäßigkeiten des Erkenntnisprozesses, über die psychologischen Bedingungen der Erkenntnis im Unterricht"/42/ Eine Gruppe von Wissenschaftlern des Instituts für Didaktik der APW unter Leitung von Prof. Dr. Helmut Weck entsprach diesen Erwartungen, und im Juli 1975 veröffentlichten Wolf Radtke und Helmut Weck "Standpunkte und Probleme zur erkenntnisprozessgerechten Gestaltung des Unterrichts in der sozialistischen Schule”./43/ Sie gingen davon aus, dass "auf der zentralen Direktorenkonferenz in mehrfacher Hinsicht gefordert (wurde), das Lernen der Schüler im Unterricht als Erkenntnisprozeß zu gestalten", und sie bemängelten, "dass das didaktisch-methodische Denken noch stärker auf äußeres Handeln (manuell-praktische Tätigkeiten) der Schüler und die Form der Lehrertätigkeit (Lehrervortrag, Unterrichtsgespräch, Führung der selbständigen Arbeit der Schüler) gerichtet ist als auf die innere geistige Aktivität, auf die Erkenntnistätigkeit der Schüler.”/44/ Thesenhaft äußerten sie sich zu wesentlichen Aspekten erkenntnisprozessgerechter Unterrichtsgestaltung /45/, auf die ich noch zu sprechen komme. In unserem Kreis hatte schon 1973 nach der zentralen Direktorenkonferenz die Auseinandersetzung mit der Forderung begonnen, den Unterricht bewusster als Erkenntnisprozeß zu gestalten. Sie hatte zuerst in Rundtischgesprächen stattgefunden, zu denen vom Kreisschulrat Mitarbeiter der 13

Abteilung Volksbildung und einige Direktoren eingeladen worden waren. Dabei erarbeitete Auffassungen waren danach in Direktorenkonferenzen und in Veranstaltungen mit Fachberatern diskutiert worden. Bereits für die Schuljahre 1973/74 und 1974/75 enthielten die Arbeitspläne einer Reihe von Schulen Aussagen, die Absichten deutlich machten, der Forderung nach erkenntnisprozessgerechter Unterrichtsgestaltung zu entsprechen. Die Bemühungen darum wurden nach der Veröffentlichung des Artikels von Radtke und Weck zu Aspekten erkenntnisprozessgerechten Unterrichtens konkreter. Die Redaktion der "Pädagogik" lud für eine erste Bilanz zu dieser Problematik zu einem "Pädag ogischen Forum" ein, an dem H. Weck, W. Radtke, drei Schulpraktiker aus verschiedenen Bezirken und ich teilnahmen und Beiträge vortrugen. Sie wurden im Februar 1976 veröffentlicht./46/. Ich machte u.a. auf folgendes aufmerksam: "Arbeitspläne von Schulen und Äußerungen von Schulfunktionären in unserem Kreis lassen erkennen, dass es Tendenzen gibt, die Forderung nach erkenntnisprozessgerechter Gestaltung des Unterrichts zu verabsolutieren. So wird die Auffassung geäußert, die Begriffe 'Lernprozess' und 'Aneignungsprozess' sollten einfach durch 'Erkenntnisprozess' ersetzt werden. Das heißt, die aktive Erkenntnistätigkeit der Schüler wird nicht als Grundlage des Lernprozesses betrachtet, sondern Lernprozesse werden auf Erkenntnisprozesse reduziert. Dem muß entgegengetreten werden, damit es in der Führung des Unterrichts dem Lehrer gegenüber nicht zu Fehlorientierungen und Einseitigkeiten kommt ... Es sollte in Veröffentlichungen ... für den Schulfunktionär und Lehrer einleuchtend auf das Verhältnis zwischen Erkenntnisprozessen und Lernprozessen (Aneignungsprozessen), das Verhältnis zwischen Erkenntnis- und Einprägungsprozessen sowie auf das Verhältnis von Erkenntnis- und Übungsprozessen aufmerksam gemacht werden, und zwar ungeachtet dessen, dass die Unterrichtstheorie gegenwärtig zum Beispiel die Frage nach dem Verhältnis von Erkenntnis- und Übungsprozessen noch nicht ausreichend beantworten kann."/47/ Wodurch waren Tendenzen entstanden, die Forderung nach erkenntnisprozessgerechter Gestaltung des Unterrichts zu verabsolutieren? Im Mai 1973 hatte es auf der zentralen Direktorenkonferenz geheißen, dass "die Erhöhung des Niveaus des Unterrichts insgesamt die richtige Beachtung der Gesetze des Erkenntnisprozesses im Unterricht" verlange. (Hervorhebung W. H.)/48/ Tatsächlich konnte dieses Verlangen uneingeschränkt nur für den Unterricht in natur- und geseIlschaftswissenschaftlichen Fächern gelten, in denen die Grundstruktur des voll entfalteten unterrichtlichen Erkenntnisprozesses durch die Dialektik von Konkretem und Abstraktem bestimmt wird./49/ Im Oktober 1976, also reichlich drei Jahre nach der zentralen Direktorenkonferenz, konnten an allgemein didaktischen Fragen Interessierte in einem Artikel von Helmut Weck lesen: *Der Aneignungsprozeß umfaßt mehr als den Erkenntnisprozeß. Im Unterrichtsprozeß wirken nicht nur Gesetzmäßigkeiten des Erkennens. Wenn man sich zum Beispiel im Orthographieunterricht, beim Erlernen von Fremdsprachen, bei der Entwicklung motorischen Könnens - überall dort, wo es um Üben, Trainieren und Einprägen geht, primär von den Gesetzmäßigkeiten des Erkennens leiten läßt, werden die angestrebten Ziele nicht erreicht. Im Fach 'Produktive Arbeit', im Werk - und Schulgartenunterricht ... wirken über weite Strecken Gesetzmäßigkeiten, denen die Herstellung eines gesellschaftlich nützlichen Produkts im Arbeitsprozess folgen muss."/50/ Dieser Klarstellung bedurften alle, die sich seit 1973 mit der Forderung nach bewusster Gestaltung des Unterrichts als Erkenntnisprozeß auseinandergesetzt hatten, so zum Beispiel ein Riesaer Schuldirektor, der den Fachberater für Russischunterricht gebeten hatte, die Fachkollegen an seiner Schule für erkenntnisprozessgerechte Unterrichtsgestaltung anzuleiten. Es geht eben bei aller Wichtigkeit der richtigen Beachtung der Gesetze des Erkenntnisprozesses im Unterricht insgesamt - auf allen Klassenstufen - letztlich um seine aneignungsprozessgerechte Gestaltung, also um Beachtung von Gesetzmäßigkeiten des Erkennens, Einprägens, Übens, Trainierens, Arbeitens u.a. Die Frage, ob und wie sich die Lehrer an den Schulen unseres Kreises schon ab 1973/74 mit der Forderung nach erkenntnisprozessgerechter Gestaltung des Unterrichts konfrontiert sahen, kann nicht pauschal beantwortet werden. Jeder Lehrer absolvierte von 1969/70 an in einem Zyklus von vier und später fünf Jahren nicht nur zwei Fachkurse, sondern auch einen einwöchigen Grundkurs Pädagogik/Psychologie. Die Vorlesungen zu didaktischen Themen hielt ich vor Lehrern der Mittelund Oberstufe zunächst selbst. Kam ich auf die Beachtung der Gesetzmäßigkeiten d es Erkenntnisprozesses im Unterricht zu sprechen, beobachtete ich unterschiedliche Reaktionen der Zuhörer. Diejenigen, an deren Schule die Problematik wenigstens im Gespräch war, erwarteten aufmerksam 14

Antworten auf Fragen, die sie sich stellten oder die ihnen von ihrem Direktor gestellt wurden. Andere wunderten sich über die Bedeutung, die der Referent diesen Fragen beimaß. Woran lag es, dass sie an der eigenen Schule offensichtlich von einer Thematik kaum oder gar nicht erreicht worden waren, die doch ihr didaktisch-methodisches Denken stärker auf die innere geistige Aktivität, auf die Erkenntnistätigkeit der Schüler richten sollte? Das lag nicht zuletzt an den konkreten Bedingungen, unter denen Lehrer und Schuldirektoren arbeiteten. Eine ehemalige Direktorin aus dem Bezirk Dresden schrieb 1997 in einem Buch im Kapitel, das sie unter die Überschrift 'Aufgerieben zwischen Baum und Borke" stellte, über die Anforderungen an ihre Leitungstätigkeit, dass sie "nur mittelbar etwas mit Bildung und Erziehung zu tun hatten und nur zum Teil das Leben in der Schule selbst betrafen." "Woran wurde eine erfolgreiche Leitungsarbeit des Direktors gemessen? Selbstverständlich an den Prüfungsergebnissen jedes Jahrgangs, die das Führen der Lernprozesse widerspiegeln; an der Zahl der Sitzenbleiber im Schuljahr; an der Anzahl der Schüler, die nicht das Ziel der 9. und 10. Klasse schaffen konnten (oder wollten) und deshalb - vorzeitig nach vollendeten acht Schuljahren - die Schule verließen und ein Ausbildungsverhältnis begannen; an den volkswirtschaftlich relevanten Berufs- und Studienwünschen; an dem Verhältnis Junge/ Mädchen (mehr Jungen), die nach der 8. bzw. 10. Klasse zur EOS (Gymnasium) delegiert wurden; an der Teilnahme der Schüler der 8. Klasse an der Jugendweihe; an der Mitgliedschaft der Schüler in den gesellschaftlichen Massenorganisationen; an der Beteiligung talentierter Schüler an naturwissenschaftlich-technischen Ausscheiden und Ausstellungen; an der Bereitschaft befähigter Jungen, als Berufssoldaten bzw. Längerdienende zur Armee zu gehen."/51/ Solche Anforderungen wirkten sich auch auf die Arbeit des Lehrers aus. Es lag mit am Rückgrat des jeweiligen Kreisschulrates, inwieweit Schuldirektoren einen Teil dieser Forderungen einfach "abhaken" und sich was offiziell erwartet wurde - unterstützt von Fachberatern auf den Unterricht der Lehrer und auf deren Fortbildung konzentrieren konnten. Im Kreis Riesa gab es eine Reihe von Direktorinnen und Direktoren, die sich unter den gegebenen Bedingungen mit ihren Lehrkräften sehr engagierten, das didaktisch-methodische Können kontinuierlich zu verbessern. Ungeachtet der zunächst aufgetretenen Mißverständnisse erwiesen sich vor allem für den Unterricht in Fächern, in denen Einsicht-Lernen, Lernen durch Denken dominiert, genauere Aussagen zu Aspekten erkenntnisprozessgerechten Unterrichtens als sehr nützlich. Im Herbst 1975 sendete das Fernsehen der DDR in der Reihe "Von Pädagogen für Pädagogen" vier Filme zum Thema "Geistige Aktivität der Schüler im Unterricht", zu denen Helmut Weck und seine Mitarbeiter Artikel in Beilagen zur "Deutschen Lehrerzeitung» veröffentlichten. Jeder Abonnent, also nahezu e j der Lehrer, hatte sie somit zur Hand. Die Filme und die Artikel richteten die Aufmerksamkeit der Lehrer auf folgende ausgewählte Aspekte erkenntnisprozessgerechter Unterrichtsgestaltung: Dialektik von Konkretem und Abstraktem, Verbindung wissenschaftlicher Kenntnisvermittlung mit den praktischen Erfahrungen der Schüler, Problemerkennen und Problemlösen./52 a, b, c, d/ Die Dialektik von Konkretem und Abstraktem sei an einem Beispiel erläutert, das Weck und Radtke vorstellten./52 c/ Bei der Behandlung der physikalischen Größe "Druck" im Physikunterricht der Klasse 7 wählt der Lehrer Konkretes aus dem Alltagsleben als Ausgangspunkt (u.a. Rettung eines Kindes, das in das Eis eingebrochen ist, durch einen viel schwereren Mann, der sich auf einem Brett liegend an die Einbruchstelle heranschiebt). Mit zwei Experimenten führt er die Erkenntnis durch Aussonderung des Unwesentlichen aus den Alltagsbeispielen einen Schritt zur Abstraktion, die er mit der Erklärung der physikalischen Größe "Druck”, ihrer Definitionsgleichung und ihrer Maßeinheit endgültig vollzieht. Nun läßt er die abstrakte Erkenntnis auf die Alltagsbeispiele, die Ausgangspunkt des Erkenntnisprozesses waren, und auf weitere konkrete Sachverhalte anwenden. Er führt so die Schüler zu Tätigkeiten hin, wie sie in der Praxis vorkommen. Sie berechnen unter anderem den Druck, den das Kind und sein auf einem Brett liegender Retter auf die jeweilige Eisfläche ausüben. Dabei nutzen sie abstraktes Wissen, das eben noch Ziel des Erkennens war, als Mittel in einer neuen Situation. Es tritt ein Erkenntniszuwachs ein, indem Abstraktes und Konkretes miteinander verschmelzen. (Wächst die Druckkraft, wird der Druck größer, wächst die gedrückte Fläche, wird der Druck kleiner.) Die Erkenntnis steigt vom Abstrakten zum geistig durchdrungenen Konkreten auf. Das Anwenden “krönt” den Erkenntnisprozess; denn er wird dabei (in bezug auf den betreffenden Gegenstand der Erkenntnis) zu einem relativen Abschluss geführt. Der Kürze halber soll dieses Beispiel auch dafür stehen, wie die Wissensaneignung mit praktischen Erfahrungen der Schüler verbunden wird. Obendrein haben die Schüler in der vom Lehrer geschaffenen Ausgangssituation ein Problem zu erkennen. 15

Die Didaktik orientierte nicht zufällig auf diese Aspekte erkenntnisprozessgerechter Unterrichtsge staltung. Vielmehr kam es darauf an, den Zustand der Unterrichtspraxis weiter zu verändern. Das Führen des Aufsteigens der Erkenntnis vom Abstrakten zum geistig durchdrungenen Konkreten und das Verbinden der Kenntnisvermittlung mit praktischen Erfahrungen der Schüler kamen oft zu kurz. Literaturangebote der Didaktik zur problemhaften Gestaltung des Unterrichts von Helmut Weck, Elisabeth Fuhrmann und anderen führten zwar zu Fortschritten, die jedoch - wie das stets sein wird - hinter den Erwartungen zurückblieben./53 a, b, c/ Es war sehr praxisorientiert, dass die Autoren der vier Fernsehsendungen und der Beilagen zur %Deutschen Lehrerzeitung" Aspekte erkenntnisprozessgerechter Unterrichtsgestaltung unter die Thematik *Geistige Aktivität der Schüler im Unterricht" stellten und dass sie im ersten Film sowie in der entsprechenden Beilage unter der Überschrift "Geistige Aktivität und methodische Grundformen" besonders auf die "innere Seite» der Schülertätigkeit und des Methodischen eingingen. (Si ehe 52a.) Bei der "inneren Seite" geht es ja um die psychischen Prozesse der Aneignungstätigkeit und ihre Führung im Unterricht, also um ein Anliegen, das die Unterrichtstheorie und -praxis in der DDR recht nachdrücklich mindestens seit der Auswertung der Lipezker Erfahrungen Anfang der 60er Jahre bewegte. Auf dieses Anliegen blieb Tomaschewskys Konzeption vom Unterricht als Aufgabenlösen gerichtet. Lothar Klingberg sah das didaktisch Fruchtbare und Konstruktive dieser Konzeption u.a. in der Betonung des methodischen Aspekts der Lernaufgabe, in der operationalen Seite des Aufgabenlösens./54/ In Klingbergs "Einführung in die Allgemeine Didaktik" kann über die "innere Seite" der Unterrichtsmethode nachgelesen werden./55/ An der Vervollkommnung des Könnens der Lehrer, den Unterricht aneignungprozessgerecht, alle Schüler aktivierend zu gestalten, wurde in unserem Kreis und sicher auch andernorts mit Direktoren und Fachberatern, in Veranstaltungen der Pädagogischen Räte und Fachkommissionen, in Grundkursen Pädagogik/Psychologie und Fachkursen und vor allem in der operativen Anleitung der Lehrer durch die Fachberater ständig gearbeitet. Das blieb so bis zum Ende der DDR. Es galt durchzusetzen, was 1978 auf dem VIII. Pädagogischen Kongreß gefordert wurde. Pädagogische Arbeit ist darauf zu orientieren, "die Aktivität der Kinder und Jugendlichen zu entwickeln, sie zu Selbständigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Schöpfertum zu führen. Das muss die Führung des gesamten pädagogischen Prozesses durch die Lehrer bestimmen, die Art und Weise des Unterrichts, die Art und Weise der Erziehungsarbeit."/56/ (Hervorheb. W. H.) Diese Orientierung müsste unter den Bedingungen der Demokratie und Marktwirtschaft für pädagogische Arbeit, die die Individualität jedes Heranwachsenden beachten und fördern sollte, weiterhin gelten. (Das Referat auf dem VIII. Pädagogischen Kongreß ging nur ungenügend auf Fragen der Förderung der Individualitätsentwicklung ein. Im Abschnitt "Ergebnisse, Erfahrungen und Aufgaben bei der weiteren Vervollkommnung des Unterrichts" wurde die Problematik gar nicht erwähnt.)/57/ Ich muss der Qualifizierung der Fachberater in allgemein didaktischen Fragen besondere Bedeutung bei und beanspruchte eine Reihe von ihnen als Seminarleiter für didaktische Themen in den Grundkursen Pädagogik/Psychologie. Das betraf vor allem Fachberater, die sich von ihrem Fach her allen Lehrern verständlich machen konnten, also Fachberater der Unterstufe, der Mathematik und des Faches Deutsche Sprache und Literatur. Wir akzentuierten die Programme für Vorlesungen und Seminare in den Kursen für Mittel- und Oberstufenlehrer inhaltlich mit der Absicht, die Teilnehmer allgemein didaktisch mit Aspekten erkenntnisprozessgerechter Unterrichtsgestaltung, mit Fragen aneignungsprozessgerechten Unterrichtens Oberhaupt, mit dem Führen "innerer' Schülertätigkeiten, mit dem Aufgabenlösen beim Einsatz der darbietenden Methode und der anderen methodischen Grundformen zu konfrontieren. Konkrete Anregungen für die inhaltliche Akzentuierung der Lehrveranstaltungen bezog ich aus meiner langjährigen Arbeit unter Prof. Tomaschewskys Anleitung und von 1973 an auch durch meine Mitarbeit in der Forschungsgemeinschaft "Unterrichtsmethodik" des Instituts für Didaktik der APW, die von Dr. Elisabeth Fuhrmann (später Prof. Dr. sc.) geleitet wurde. Aufgabe der Forschungsgemeinschaft war die Unterrichtsmethodenforschung als gemeinsames Anliegen von Schulpraxis und pädagogischer Wissenschaft. 1n ihrer einfachsten Form sind Unterrichtsmethoden Beschreibungen von effektiven und rationellen Wegen zu den Unterrichtszielen, verallgemeinerte Abbilder erfolgreichen Unterrichtens, die jeder Lehrer erlernen und anwenden soll.”/58/ Einige Mit16

arbeiter erarbeiteten solche Beschreibungen und veröffentlichten sie im Herbst 1976 als Beiheft zur "Pädagogik"/59/. Darin ging es u.a. um problemhafte Unterrichtsgestaltung und um Erfahrungen bei der Befähigung von Lehrern zur Führung des Einprägungsprozesses im Fachunterricht. Ich arbeitete Materialien zu "Methoden zur Führung des Anwendens von Wissen und Können im Unterricht" (1977) und zum "Anwenden als Lerntätigkeit im Unterricht" (1979) aus, die in der "Pädagogik" veröffentlicht wurden/60/. Ihre Bedeutung wurde darin gesehen, dass bisher ungenügend untersucht worden war (und auch weiterhin zu untersuchen bleibt), wie das Anwenden im Unterricht konkret zu führen ist und wie das Können der Schüler, Erlerntes anzuwenden, systematisch ausgebildet werden kann. Hier leistete ich einen Beitrag, indem ich das Wesen des Anwendens knapp kennzeichnete und seine Beziehungen zum Einprägen , Üben und Systematisieren erörterte. Ich stellte das Anwenden als Ziel, Inhalt und Mittel im Unterricht vor und erläuterte von dieser Position aus einige didaktische Funktionen des Anwendens. Seine wichtigste didaktische Funktion ist die Entwicklung der Fähigkeit, Wissen und Können, das Ziel des Erstaneignens, Einprägens und Übens war, in neuen Situationen (unter veränderten Bedingungen) als Mittel zu nutzen. Es wird die Disponibilität des Wissens, der höchste Grad der Sicherheit in seiner Handhabung, seine Beherrschung, erreicht. Aus der operationalen Struktur des Anwendens leitete ich ab, wie die Ausbildung des Anwendenkönnens beim Lösen von Anwendungsaufgaben mit ihren objektiven Anforderungen konkret geführt werden kann. Dabei wird die Praktikabilität von Positionen der Theorie vom Unterricht als Aufgabenlösen deutlich. Ich erläuterte die Art des Bedingungsgefüges, Menge und Struktur des Aufgabeninhalts, Art und Menge der geforderten Lerntätigkeiten, Umfang der Instruktionen für das Lösen der Aufgabe sowie Selbständigkeit und Bewusstheit als Verlaufsqualitäten der Aufgabenbewältigung als "Parameter" der Anforderungen. Da wir bewusst am Können der Lehrer arbeiten wollten, aneignungsprozessgerechter und alle Schüler aktivierend zu unterrichten, nutzten wir Kurse und andere Fortbildungsveranstaltungen, Fragen der Ausbildung des Anwendens zu beraten. Erst mit dem Anwenden wird ja ein Lernprozeß (bezogen auf den jeweiligen Aneignungsgegenstand) relativ abgeschlossen. In der Unterrichtspraxis wurden Erkenntnisprozesse und andere Lernprozesse oftmals nicht vollständig gestaltet, sicher nicht nur wegen des schwer zu bewältigenden Stoff -Zeit-Problems. Bei unserem Bestreben, den Lehrern konkrete Hilfen für die problemhafte (und damit erkenntnisprozessgerechte) Gestaltung des Unterrichts zu geben, konnten wir uns nicht nur auf die bereits angegebene allgemein didaktische Literatur stützen. Vielmehr nutzten unsere Fachberater für Chemie, Physik, Biologie, Astronomie und Polytechnik, die Mitglieder der von ihnen geleiteten Fachkommissionen und ich von 1976/77 bis 1989 sehr intensiv eine enge Zusammenarbeit mit dem Direktor des Instituts für mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht der APW, Prof. Dr. habil. Eberhard Rossa. Wir erarbeiteten für jede Klassenstufe Beispiele und Aufgaben für die Auseinandersetzung mit weltanschaulichen Fragen im naturwissenschaftlichen und polytechnischen Unterricht und bereiteten sie didaktisch-methodisch so auf, dass sie in einem problemhaft gestalteten Unterricht erzieherisch wirksam eingesetzt werden konnten. Weltanschauung verstanden wir in einem sehr weiten - Moralauffassungen einschließenden - Sinne. So ging es uns zum Beispiel darum, den Schülern die Sozial- und Humanfunktion der Naturwissenschaften nahezubringen./61/ Für erzieherische Wirksamkeit problemhaft gestalteten Unterrichts erkannten wir u.a. folgende Bedingungen: • Die Schüler müssen sich mit den betreffenden Positionen geistig und emotional aktiv auseinandersetzen wollen. • Antworten auf weltanschaulich bewegende Fragen dürfen nicht fertig gegeben werden. Die Schüler müssen merken, dass ihre Meinung gefragt ist. • Der Lehrer muß sich auf unterschiedliche Meinungen einstellen, die mitunter in einander gegensätzliche Positionen einmünden. Spürt er die Wahrhaftigkeit in den Meinungen der Schüler, so ist jede Meinung ernst zu nehmen, nicht zu bekritteln oder abzuwerten. • Der Lehrer muß die überzeugende Macht der Fakten wirken lassen./62/ Alle erarbeiteten Beispiele wurden erprobt, in Veranstaltungen mit den Fachlehrern des Kreises kritisch diskutiert und ggf. überarbeitet. Die Beispielsammlungen (für Chemie bis 1979 bereits 25 Beispiele) wurden allen Fachlehrern übergeben und von vielen eingesetzt. Die relativ große Zahl 17

von Lehrern, die sich an der Erarbeitung der Beispiele und Aufgaben, an ihrer Erprobung und an der Diskussion in Veranstaltungen beteiligten und die die Beispiele im eignen Unterricht einsetzten, berechtigt zu der Einschätzung, dass es in länger als einem Jahrzehnt gelang, im Nachdenken über problemhaften und erzieherisch wirksamen Unterricht in naturwissenschaftlichen Fächern voranzukommen. Mindestens in "Sternstunden" - auch im geseIlschaftswissenschaftlichen Unterricht gab es Problemerkennen und Problemlösen und erzieherische Wirksamkeit statt Indoktrination. Besonders im Fach Staatsbürgerkunde konnten aber meist auch ehrlich bemühte Lehrer nicht verhindern, dass die Schüler einen Widerspruch zwischen vermittelten weltanschaulichen "Erkenntnissen" und realsozialistischer Wirklichkeit erlebten. Wir Mitglieder der Forschungsgemeinschaft "Unterrichtsmethodik" - das waren aus unserem Kreis der Mitarbeiter für Weiterbildung im Kabinett, ein Fachberater für Mathematik und ich - wurden in Forschungen zur Erhöhung der geistigen Aktivität der Schüler durch die systematische Vervollkommnung des methodischen Könnens der Lehrer einbezogen. Über die Forschungen erschien 1989 ein Buch./63/ Bei Hospitationen schätzten alle Mitglieder der Forschungsgemeinschaft nach vorgegebenen Gesichtspunkten ein, wie wesentliche Anforderungen an einen guten Unterricht erfüllt wurden. In einer deutlichen Erhöhung der geistigen Aktivität aller Schüler im Aneignungspr ozeß sahen wir das Hauptkettenglied für die notwendige Steigerung der Qualität und Effektivität des Unterrichts in allen Fächern und auf allen Stufen. Aus internen Materialien des Instituts für Didaktik der APW konnte ich ersehen, dass Fortschritte in der geistigen Aktivität aller Schüler, im Anteil selbständiger Schülertätigkeit und in der Problemhaftigkeit des Unterrichts ganz besonders dort festzustellen waren, wo Mitarbeiter der APW Schulräten, Schuldirektoren und Fachberatern halfen, mit den Lehrern kontinuierlich an der Vervollkommnung des didaktisch-methodischen Könnens zu arbeiten. Im Kreis Riesa wurde uns diese Hilfe zwar nicht unmittelbar zuteil, wir konnten jedoch unsere Erkenntnisse aus der Mitarbeit an Forschungen auswerten und für die Anleitung der Schulen des Kreises nutzen. Erzielte Fortschritte ließen weiterhin Wünsche offen. Ausgesprochener Paukunterricht war jedoch selten, obwohl die Fülle der Kenntnisse, die trotz ständig verbesserter Lehrpläne in manchen Fächern zu vermitteln bzw. anzueignen blieb, zum "Stoff schütten" verleiten konnte. Das Erreichte in der Optimierung des Verhältnisses von Frontal-, Einzel, Partner- und Gruppenarbeit blieb in vielen Fächern bescheiden. Fortschritte, so ist mir aus dem eignen Einblick und aus unveröffentlichten Materialien bekannt, blieben hinter denen bei der geistigen Aktivierung aller Schüler zurück. Es gab sie jedoch, z.B. beim Partnerlernen im Fremdsprachenunterricht sowie in der Gruppenarbeit im Fach "Produktive Arbeit", im Schulgarten- und Werkunterricht und vor allem bei Schülerexperimenten im naturwissenschaftlichen Unterricht.

Jeden einzelnen Schüler gut kennen - Voraussetzung, seine Individualität berücksichtigen zu können Waren die Berücksichtigung der Individualität jedes Schülers und das Begabungsproblem bei der Auswertung der Arbeit der Lipezker Lehrer in unserer anleitenden Tätigkeit noch außer Betracht geblieben, so hatte uns doch die Theorie vom Unterricht als Aufgabenlösen angeregt, Direktoren und Fachberater in Fragen der Individualisierung des Unterrichts fortzubilden. In der Praxis wurde dadurch jedoch zu wenig verändert. Während 1978 auf dem VIII. Pädagogischen Kongreß die Problematik nur gestreift worden war und dabei das Schwergewicht auf der Hinwendung zu leistungsschwächeren Schülern gelegen hatte/64/, wurde 1985 (wie schon auf einer Zentralen Direktorenkonferenz 1982) ausdrücklich gefordert, ‘mit Blick auf die perspektivischen Erfordernisse..., jedes Kind optimal zu entwickeln, das heißt, die Fähigkeiten und Anlagen jedes Kindes zu entwickeln, seine Individualität auszuprägen."/65/ (Hervorhebung W. H.) Im Juni 1989 hieß es: %Unsere Gesellschaft ist an allen Talenten und Begabungen interessiert, benötigt sie objektiv für ihr weiteres Voranschreiten ... " /66/ (Hervorhebung W. H.) Mit bei Steinhöfel entlehnten Worten läßt sich treffend kennzeichnen, was die wiedergegebenen Äußerungen andeuten: Das Spannungsfeld von Individuation, Sozialisation und Erziehung zugunsten der Einlösung des Menschenrechts auf Selbstverwirklichung zu lösen, blieb in der DDR eine Utopie./67/ Steinhöfel sieht in der Zweckhinwendung zur Individualität in der DDR primär eine "Folge der Auswirkungen des weltweiten wissenschaftlich-technischen Fortschritts und der damit ei nhergehenden ökonomischen Zwänge der Weltwirtschaftssysteme,"/68/ und er teilt die Ansicht des 18

westdeutschen Pädagogen Benner, dass Erziehungswissenschaften und Bildungspolitik in beiden deutschen Staaten in der neuen Initialphase ihrer Begabungsforschung nach 1980 "denselben Fehler begangen haben, nämlich bei dem Versuch, über sondergeförderte Menschen den jeweils politischen und ökonomischen Zwängen zu genügen."/69/ Die mit Beginn der 80er Jahre mit dem Blick auf gesellschaftliche Erfordernisse nachdrücklich gestellte Aufgabe, die Entwicklung aller individuellen Fähigkeiten und Begabungen zu fördern, führte dazu, dass sich die ErziehungswIssenschaften stärker noch als in den 60er und 70er Jahren der Berücksichtigung der Individualität zuwandten. In der Reihe 'Ratschläge für Lehrern, die die APW von 1980 an bei Volk und Wissen Volkseigener Verlag herausgab, boten die Didaktikerinnen Babing und Berge und die Didaktiker Drefenstedt und Steinhöfel sowie die Bildungssoziologin Gerlinde Mehlhorn und der Jugendforscher Hans-Georg Mehlhorn den Lehrern konkrete Hilfen für die individuelle Förderung, die Beachtung der Begabungsproblematik und die Differenzierung im Unterricht an./70/ Auch Publikationen in dieser Reihe zur Unterrichtsgestaltung und Lerneinstellung, zur Bewertung und Zensierung und zu anderen Themen berücksichtigten das individuelle Eingehen auf den einzelnen Schüler. Die "Ratschläge für Lehrern aller genannten und weiterer Autoren diskutierte ich in Veranstaltungen mit allen Fachberatern, und wir leiteten daraus auch Aufgaben für die operative unterrichtsanleitende Tätigkeit ab. Ein enges Verhältnis unseres ständigen Anliegens, die geistige Aktivität der Schüler zu steigern, zur individuellen Förderung ergab sich aus den individuellen Besonderheiten n i der geistigen Tätigkeit, aus dem Zusammenhang von Tätigkeit und Fähigkeitsentwicklung und aus der Notwendigkeit, das Aktivitätspotential eines Schülers bei zielgerichteter Betätigung auf seinen Begabungsgebieten zu fördern und zu nutzen. Die Wirkung dessen, was wir im Kreis der Fachberater theoretisch mit Blick auf die Anleitung der Fachlehrer diskutierten, darf nicht überschätzt werden. Die Aufgabe eines Fachberaters, jeden Lehrer gut zu kennen und ihn differenziert anzuleiten, war so vielgestaltig und kompliziert wie die Aufgabe des Fachlehrers, mit möglichst jedem Schüler die Ziele anspruchsvoller Lehrpläne gut zu erfüllen. Den Lehrer sollten dabei auch lehrplanbegleitende Unterrichtshilfen (Bücher oder Broschüren) unterstützen, seinen Unterricht effektiv zu planen und vorzubereiten. (z.B. Autorenkollektiv: Unterrichtshilfen en Biologie Klasse 8. Volk und Wissen, Berlin 1982) Sie erfüllten diesen Zweck mehr oder weniger gut. Manche Planungsvorschläge wurden von Lehrern als Gängelei abgelehnt, und aus heutiger Sicht werden die Unterrichtshilfen oft im Zusammenhang mit der Fes tstellung genannt, dass es bei allen Beteuerungen , die einzelne Schülerpersönlichkeit sollte im Unterricht im Mittelpunkt stehen, doch in der Bildungspolitik der DDR eine gewisse Uniformierung gegeben habe. Salzwedel sagte 1993 über die Schulpolitik und Pädagogik der 80er Jahre in der DDR: "Eine stärkere Respektierung des zu Erziehenden als Subjekt und Individuum wird immer stärker als Forderung erhoben.` Aber: `Einerseits sollte Individualität immer stärker gefördert werden, andererseits sollte dies durch Einwirkung zieleffektiver erreicht werden."/71/ 1986 diskutierte ich mit allen Fachberatern aus der Ratschlägereihe "Effektive Planung und Vorbereitung des Unterrichts"./72/ Auch dieser Band enthält ein Kapitel über das individuelle Eingehen auf den einzelnen Schüler. Einer der beiden Autoren, Prof. ein. Dr. Heinz Lehmann (damals Pädagogische Hochschule "K. F. W. Wander", Dresden), der die Forschungsgemeinschaft "Zentrale Planung und schöpferische Arbeit des Lehrers" (kurz: "Unterrichtshilfen") über ein Jahrzehnt leitete, äußerte sich neulich in einer Gesprächsrunde zur Tendenz des Ministeriums für Volksbildung, Unterrichtshilfen als "Rezeptbücher» zur zentralen Einflußnahme auf den Unterricht zu nutzen dem Lehrer also Freiraum in seiner Arbeit nur zum Erreichen zentral vorgegebener Ziele zuzubilligen. Im Widerspruch dazu wollte die Forschungsgemeinschaft den Lehrer mit Unterrichtshilfen von Routinehandlungen bei der Planung entlasten und seine Kräfte für schöpferische Arbeit freisetzen. Sie sollte weitgehend von der Aufgabe bestimmt sein, die Individualität des einzelnen Schülers zu berücksichtigen, ihn optimal zu fördern. Mehrmals scheiterte die Forschungsgemeinschaft mit ihrem Vors chlag, dem Experimentierdruck einer Unterrichtshilfe zuzustimmen, die ihren Vorstellungen entsprach, in der Leitung des Ministeriums. Jeden Schüler gut zu kennen und davon auszugehen, dass jeder über Stärken oder über Potenzen verfügt, die sich zu starken Seiten ausbauen lassen, ist Bedingung, die Individualität jedes einzelnen berücksichtigen zu können. Von dieser Position ging unser Kreisschulrat aus, als er nach einer gründlichen Beratung mit den Mitarbeitern der Abteilung Volksbildung und des Pädagogischen 19

Kabinetts unseren Psychologen beauftragte, im Schuljahr 1981/82 an Schulen des Kreises an der Qualifizierung der Beurteilungstätigkeit der Pädagogen zu arbeiten und die Direktoren für die Leitung des Prozesses zu beraten. Der Psychologe verfügte dafür über gute Voraussetzungen, weil er 27 Jahre Schuldirektor gewesen war und weil er in den 70er Jahren für seine Dissertation Auswirkungen der Schülerbeurteilung auf die pädagogische Tätigkeit des Lehrers untersucht hatte. Schülerbeurteilung verstand er nicht eingeengt als Schreiben von Worturteilen auf Zeugnissen oder für Bewerbungsunterlagen, sondern er benutzte den Begriff Beurteilungstätigkeit für die pädagogisch-psychodiagnostische Arbeit des Lehrers. *Sie muss dem gesamten pädagogischen Prozess immanent sein mit dem ausdrücklichen Ziel, die über den Schüler gewonnenen Kenntnisse für die Förderung seiner Persönlichkeitsentwicklung zu nutzen.”/73/ (Hervorhebung W. H.) Es kam darauf an, bei manchen Pädagogen die Denkrichtung zu korrigieren, dass Zeugnisbeurteilungen der Endzweck der Beurteilungstätigkeit seien und die erscheinungsorientierte Diagnostik zu überwinden , die oft auf das Registrieren vor allem negativer Symptome gerichtet war. An dieser Stelle kann die Arbeitsweise des Psychologen bei der Anleitung des Direktors und der Lehrer einer Schule nicht detailliert dargestellt werden. Es steht nicht im Widerspruch zu dem eben Gesagten, wenn Ausgangspunkt die Analyse aller Worturteile auf den Zeugnissen einer Klassenstufe war und wenn erreichte Veränderungen an einer erneuten Analyse solcher Worturteile abg elesen wurden. Wesentlich waren Qualifizierungsveranstaltungen mit allen Schuldirektoren und in den Kollegien an den Schulen, vor allem aber Gespräche mit jedem Lehrer der Schule, an der der Psychologe jeweils arbeitete. Bereits 1985 war eine erste gründliche Analyse und Anleitung zur Beurteilungstätigkeit an allen Schulen des Kreises abgeschlossen, und an einer Reihe von Schulen hatte der Psychologe ein weiteres Mal gearbeitet. Vom Schuljahr 1982/83 an ergänzten wir die vom Psychologen eingeleiteten Maßnahmen dadurch, dass wir auch Seminare in den Grundkursen Pädagogik/Psychologie für Diskussionen zur Beurteilungstätigkeit nutzten. Von diesem Schuljahr an nahmen alle Lehrer einer Schule geschlossen am Grundkurs teil und bildeten - getrennt nach Unterstufenlehrern und Lehrern der Mittel- und Oberstufe - zwei "schuleigne" Seminargruppen. So konnte der Direktor die Vorbereitung der Teilnehmer und die Durchführung und Auswertung der Seminare beeinflussen. Einige Wochen vor dem Seminar beauftragte der Direktor jeden Klassenleiter, alle in der jeweiligen Klasse unterrichtenden Fachlehrer und ggf. auch die Horterzieherin, ein und denselben festgelegten Schüler, den die meisten oder alle in der Klasse unterrichtenden Lehrer zu den sogenannten Leistungsschwachen zählten, unabhängig voneinander schriftlich zu beurteilen. Im Seminar wurden alle auf einen ausgewählten Schüler bezogenen Beurteilungen vorgestellt, und es wurde u.a. zu folgenden Fragen diskutiert: Wird die Beurteilung der Persönlichkeit des Schülers gerecht? Ist sie ausgewogen? - Macht sie die Stärken des Schülers deutlich, die es bei jedem Schüler zu erkennen gilt? Ist unser "schwacher" Schüler etwa der Ausnahmefall und hat gar keine starken Seiten? Wissen wir voneinander, worin der eine oder andere von uns die Stärken des Schülers sieht? - Wie nutzt jeder von uns die Stärken des Schülers für dessen individuelle Förderung? Wie zu erwarten war, zeigte sich meist, dass es schwerfiel, Stärken "schwacher" Schüler ausreichend zu erkennen und sie gezielt oder gar abgestimmt mit anderen Pädagogen zu nutzen. Die unterschiedliche Beurteilung eines Schülers durch verschiedene Fachlehrer löste Überlegungen zur Aufgabe aus, die optimale Entwicklung jedes Schülers zu fördern, und es machte recht nachdenklich, wenn vorgetragen wurde, was seine Klassenkameraden an einem als schwach oder schwierig angesehenen Schüler schätzten. /74/ Der Psychologe hatte bereits festgestellt, dass es trotz unserer ständigen Orientierung auf die "innere Seite" der Schülertätigkeit und ihre Aktivierung in der Diagnose der geistigen Tätigkeit nur geringe Ansätze und folglich in Worturteilen auf Zeugnissen kaum Aussagen dazu gab. Auf diesen Mangel stießen wir auch in den Seminaren. Starken und Schwächen eines Schülers äußern sich ja nicht nur in solchen zu beurteilenden Inhaltsbereichen wie Disziplinverhalten und soziale Beziehungen, sondern im Zusammenhang mit zu bewältigenden Unterrichtsanforderungen vor allem in geistigen und geistig-praktischen Tätigkeiten als Ausdruck entsprechender Fähigkeiten. Wie der Psychologe in seiner anleitenden Tätigkeit orientierten wir in den Seminaren auf das Erfassen solcher geistigen Prozesse wie Art und Weise des Einprägens, Qualität des Behaltens, Reproduzierbarkeit des Gelernten, Vergleichen, Erkennen des Wesentlichen, Verallgemeinern, Urteilen und 20

Schlußfolgern, Erfassen von Problemen, schöpferische Kenntnisaneignung/75/ und auf das Nutzen gewonnener Kenntnisse Ober den Schüler für seine individuelle Förderung. Welche Tendenzen zeigten sich im Laute der Jahre bis 1989? Vielen Pädagogen wurde die Notwendigkeit der Einheit von Diagnose, Prognose und pädagogischem Handeln deutlicher. Sie erkannten in der anzustrebenden Verbesserung der Beurteilungstätigkeit, in der Kenntnis der individuellen Besonderheiten eines Schülers und in der Berücksichtigung dieser Kenntnisse im pädagogischen Prozeß eine Voraussetzung für seine optimale Förderung und Entwicklung. Die Aussagekraft vieler Zeugnisbeurteilungen und anderer Worturteile verbesserte sich. Stärker als vorher wurden sie entwicklungsfördernd formuliert. Im Hinblick auf unser Anliegen, alle Schüler stärker geistig zu aktivieren, erschien es uns wichtig, dass in Beurteilungen Anzahl und Niveau der Aussagen zur geistigen Tätigkeit sehr deutlich anstiegen. 1981/82 enthielt nur jede fünfte Beurteilung eine Aussage zu diesem Inhalt. 1984/85 entfiel im Durchschnitt auf jedes Worturteil im Zeugnis bereits eine Aussage auf die geistige Tätigkeit. Damals und später zunehmend fanden sich aber auch Beurteilungen, in denen sich mehr als die Hälfte der Aussagen zur Bewältigung von Unterrichtsanforderungen auf geistige Tätigkeit bezog./76/ Die zweifellos von vielen Lehrern erreichten Fortschritte in der Beurteilungstätigkeit reichten bei weitem noch nicht aus. Vor allem aber konnte "nicht übersehen werden, dass bezüglich der Anwendung des von vielen Pädagogen erkannten inneren Zusammenhanges von Diagnose und pädagogischer Arbeit weitere langfristig angelegte Bemühungen notwendig (blieben)",/77/ und zwar Ober das Jahr 1989 hinaus. Auch Diskussionen in Direktorenkonferenzen zur Beachtung der Individualität jedes Schülers und zur Förderung von Begabungen mit vom Schulrat gestellten konkreten Leitungsaufgaben sowie eine Seminarfolge zu diesen Themen für Gruppen stellvertretender Direktoren bewirkten nicht ausreichend die wünschenswerten Veränderungen in der Schulpraxis. Auf Hemmnisse ging ich an mehreren Stellen ein. Was abschließend festzuhalten und was zu wünschen bleibt Ich versuchte am Beispiel unserer Arbeit im Kreis Riesa darzustellen, wie in der Schule der DDR danach gestrebt wurde, die Tätigkeit des Lehrers theoretisch zu durchdringen, sie wissenschaftlich zu untermauern. Dabei beschränkte ich mich auf die Darstellung unserer Bemühungen, einige wohlbegründete Positionen der Allgemeinen Didaktik vor allem für eine stärkere geistige Aktivi erung der Schüler und für die Berücksichtigung ihrer Individualität zu nutzen. Unberücksichtigt mußte bleiben, wie in der DDR Wissenschaft in Zusammenarbeit mit der Schulpraxis -auf praxisrelevante Aufgaben orientiert - in den Disziplinen Allgemeine Pädagogik, Erziehungstheorie, pädagogische Psychologie, Lehrplantheorie, Fachdidaktik u.a. lernbereiten Lehrern tatsächlich half, ihre anspruchsvolle Arbeit, auf Theorie gestützt, ständig zu verbessern. Kompetente sollten sich dazu äußern. Enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, Schulverantwortlichen in den Kreisen und Lehrern war verbreitet und wurde gefördert. Ich ging darauf ein, dass Bemühungen von Schulverantwortlichen und Lehrern um einen immer besseren Unterricht Grenzen gesetzt waren. Trotzdem hatten Kreisschulräte und Schuldirektoren relativ gute Möglichkeiten, die Qualität des Unterrichts zu beeinflussen, denn sie konnten wie jeder Lehrer die Beratung durch theoretisch beschlagene und unterrichtspraktisch versierte Fachberater beanspruchen. (im Kreis Riesa standen von 1974 an jedem der etwa 30 selbst auch unterrichtenden Fachberater des Pädagogischen Kabinetts im Durchschnitt zwei Drittel seiner Wochenarbeitszeit für Beratertätigkeit zur Verfügung.) Mit dem Pädagogischen Kabinett gab es in jedem Kreis eine eigene Fortbildungseinrichtung. In kreisoffenen Fortbildungsveranstaltungen und in den Pädagogischen Räten, in Fachzirkeln und in Gewerkschaftsveranstaltungen an der) Schulen ging es nicht nur um das Eindringen in Theorie, sondern auch um den Erfahrungsaustausch z.B. auf der Grundlage gemeinsamer Hospitationen in Unterrichtsstunden besonders erfolgreicher Lehrer und auch Fachberater. In der Fortbildung in Grund-, Fach- und Spezialkursen, der staatliche Programme zugrunde lagen und die jeder Lehrer von 1969170 an in Schulferien zu absolvieren hatte, bereicherten pädagogische Wissenschaftler in Vorlesungen und Seminaren die theoretischen Einsichten der Teilnehmer. Es gab allerdings ungeachtet dessen, dass die mitunter inhaltlich überzogenen Programme in den Kreisen akzentuiert 21

werden konnten, an Veranstaltungen besonders zu einigen Themen in Grundkursen Kritik, weil sie von manchen Teilnehmern nicht als persönlich bedeutsam betrachtet wurden. Bei der Einschätzung dessen, was wir erreichen konnten, hielt ich mich bewusst zurück und begnügte mich damit, von festgestellten Tendenzen zu sprechen. Elisabeth Fuhrmann äußerte sich 1990 zu systembedingten Widersprüchen zwischen theoretischem Anspruch und praktischer Realisierung, wie sie sich ihr darstellten./78/ Sie verweist auch auf Diesterweg, der schon zu seiner Zeit eine allgemeine 'Trägheit" bei der Durchsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Schulpraxis beklagt habe,/79/ und zitiert dann Hilbert Meyer, der in seinem "Plädoyer für Methodenvielfalt" die Situation in Schulen der Bundesrepublik am Ende des 20. Jahrhunderts hinsichtlich der methodischen Gestaltung des Unterrichts - gestützt auf Analyseergebnisse zur Sekundarstufe I - wie folgt beschreibt: Der Unterricht wird über weite Strecken lehrerzentriert durchgeführt. “- Die Lehrerzentriertheit der Unterrichtsplanung und -durchführung führt immer wieder dazu, dass der Frontalunterricht, der Lehrervortrag und - allen anderen methodischen Grundformen voraus - das gelenkte Unterrichtsgespräch die am häufigsten eingesetzten Methoden sind. - Dies hat fast zwangsläufig eine ‘Verkopfung’, also eine überwiegend sprachlich vermittelte und sachlogisch strukturierte Gestaltung der Unterrichtsinhalte zur Folge. - Diese ‘Verkopfung’ (der Begriff stammt aus der Reformpädagogik vom Beginn dieses Jahrhu nderts) produziert aber fast zwangsläufig eine Gleichgültigkeit der Schüler gegenüber den vielen Inhalten, die auf sie einstürmen. Nur in wenigen Fächern und bei wenigen Lehrern wird eine stabile Interessenlage der Schüler entwickelt. - die Gleichgültigkeit der Schüler aber zwingt den Lehrer, ob er dies nun begrüßt oder nicht, seinen Unterricht ‘durchzuziehen’, und dies heißt, ihn noch lehrerzentrierter zu gestalten, als er es sich bei der Unterrichtsvorbereitung vorgenommen hatte.”/80/ Meyers Beschreibung ist sehr drastisch. Auf die Situation hinsichtlich der didaktisch-methodischen Gestaltung des Unterrichts in Schulen der DDR Ende der 80er Jahre kann sie trotz der Diskrepanz zwischen Bestrebungen, den Unterricht aneignungsprozessgerechter und die Schüler stärker geistig aktivierend zu gestalten, und den dabei erreichten Fortschritten nicht ohne weiteres übertragen werden. Sie macht jedoch deutlich, was zu wünschen bleibt. Eine Reform des Bildungswesens im staatlich geeinten Deutschland muß verstärkte Bemühungen um ein höheres didaktischmethodisches Niveau des Schulunterrichts einschließen. Der gesamte pädagogische Prozeß, die Art und Weise des Unterrichts muß bei den Kindern und Jugendlichen Aktivität, Selbständigkeit und Schöpfertum herausbilden. Die Diskussion über die Reform des nunmehr gesamtdeutschen Bildungswesens ist "nicht nur den Spezialisten und Lobbyisten vorbehalten", lesen wir in Roman Herzogs Rede zum "Aufbruch in der Bildungspolitik" vom 7. November 1997. "Eltern, Lehrer, Schüler und Studenten müssen sich beteiligen - mit einem Wort: wir alle."/81/ Wir alle, das sind auch die Ostdeutschen, die 1995 auf Umfragen zum Bildungswesen geantwortet haben. Bei einer Befragung von 1000 Ostdeutschen durch das Bielefelder Emnid-Institut sagten 64 Prozent, die Schulbildung in der DDR sei der in der BRD überlegen gewesen. Nur elf Prozent hielten die Schulbildung in der BRD für überlegen. 25 Prozent äußerten sich nicht./82/ Auf die Frage des Leipziger Instituts für Marktforschung an 1200 Ostdeutsche, was sich aus ihrer Sicht gegenüber 1989 verändert habe, behaupteten in bezug auf das Schul- und Bildungswesen 46 Prozent, es habe sich verschlechtert. (38 Prozent verschlechtert, acht Prozent wesentlich verschlechtert) Nur 22 Prozent antworteten, es habe sich verbessert. (20 Prozent verbessert, zwei Prozent wesentlich verbessert) 32 Prozent machten keine Angaben./83/ Die meisten Befragten werden die Schule in der DDR selbst besucht haben, und ihre Meinung über die polytechnische Oberschule stützt sich deshalb wohl auf größere Kompetenz als die des Bonner Professors für Politikwissenschaft und Leiters der Kulturabteilung des Bundesministeriums des Innern Wolfgang Bergsdorf. In einer Antwort auf die Rede Roman Herzogs klagt er die bundesdeutsche Gesamtschule u. a. deshalb an, weil sie das deprimierende Gesamtergebnis der deutschen Schule bei einer Analyse der mathematischen und naturwissenschaftlichen Leistungsfähigkeit der Schüler in 41 Ländern beträchtlich drückt. Dazu bemerkt er: "Es ist übrigens eine i r o n i s c h e Fußnote wert, daran zu erinnern, dass die Polytechnische Oberschule der DDR - 1959 als s P Pflichtschule eingeführt - einer der Ideenspender für die Gesamtschule war." (Hervorheb. W. H.)/84/ Eingangs gab ich die Auffassung des sächsischen Kultusministers Dr. Matthias Rößler wi eder, dass das bessere Abschneiden ostdeutscher Schüler gegenüber den westdeutschen in Ma22

thematik und Naturwissenschaften nicht auf Paukerei zurückzuführen sei, "sondern auf die ausgezeichnete Methodik, Didaktik und Systematik des naturwissenschaftlichen Unterrichts in der DDR. Das finde an den sächsischen Schulen seine Fortsetzung."/5/ Es bietet sich an, Bergsdorfs ironische Fußnote mit Rößlers Auffassung zu vergleichen.

Die relativ gute Bewertung der Schulbildung in der DDR im Vergleich zur jetzigen in der Bundesrepublik durch eine Mehrheit befragter Ostdeutscher kann ich als Pädagoge im Ruhestand keineswegs selbstgefällig zur Kenntnis nehmen. Vielmehr wünsche ich mir unserer Kinder wegen, dass unser Schulwesen bald viel positiver eingeschätzt werden kann. “Menschen sind Individuen. Sie haben unterschiedliche Begabungen. Wer das leugnet, vergißt einerseits die herausragenden Talente, die unser Bildungssystem oft genug behindert, und andererseits die weniger Begabten, denen unser Bildungswesen jeglichen Abschluß verweigert.'/85/ So leitet Roman Herzog seine Bemerkungen zu Bildungs-Tabus ein, die es zu knacken gelte. Offensichtlich besteht im gesamtdeutschen Bildungswesen mit der ungenügenden Berücksichtigung der Individualität jedes einzelnen Schülers und der mangelnden Förderung von Begabungen ein Problem weiter, bei dessen Lösung es - aus unterschiedlichen Gründen - weder in der Schule der DDR noch in den Schulsystemen der alten Bundesländer befriedigende Ergebnisse gab. Zu wünschen bleibt, dass dieses Bildungs-Tabu künftig gebrochen wird, ohne dass Befürchtungen wahr werden, die in einigen Antworten auf Herzogs Rede vorgetragen wurden. Befürchtet wird u.a., dass sich die Tendenz der entsolidarisierenden Individualisierung verstärkt /86/ und dass die langfristige Zukunft der Humanitas einer einseitigen Ökonomieausrichtung geopfert wird./87/ Selbst ein großzügiges Umgehen mit dem Thema dieses Beitrags begrenzte die Möglichkeiten, auf Fragen einzugehen, die sich einem geradezu aufdrängen, wenn man versucht, kritisch, aber gerecht darüber zu sprechen, wie die Schule in der DDR wirklich war. Sachlich und kritisch konnten jedoch nur Aussagen zu Fragen getroffen werden, die unsere Versuche, Anregungen vor allem der Allgemeinen Didaktik für die stärkere geistige Aktivierung der Schüler zu nutzen, wenigstens in einem weiteren Sinne tangierten. Andere Fragen, z.B. die wichtige Frage, was im Unterricht mit politischer und moralischer Erziehung erreicht oder auch verdorben wurde, mußten unbeantwortet bleiben. Mit dem Abstand von acht Jahren seit dem Ende der DDR und ihrer Schule sehe ich - wie viele andere auch - manches noch kritischer als zur Zeit der eigenen Mitarbeit im sozialistischen Bildungssystem. Es beruhigt einen nicht, sondern macht einen eher besorgt, wenn man bei Wolfgang Bergsdorf liest, wie schlecht deutsche Schüler in Mathematik und Naturwissenschaften im internationalen Vergleich abschneiden. Besorgt macht auch die oft anzutreffende undifferenzierte Geringschätzung des Schulwesens der DDR in seiner Gesamtheit durch Bildungspolitiker und andere, wie sie zum Beispiel aus Bergsdorfs Ironie spricht. Ich empfinde Hochachtung für die große Mehrheit hunderttausender Pädagogen, die in der DDR als Lehrer, Heim- und Horterzieher und als Kindergärtnerinnen die Heranwachsenden verantwo rtungsbewusst bildeten und erzogen. Anerkennung verdienen die Leistungen vieler Erziehungswissenschaftler. Ihre Bedeutung wurde mir erneut beim Lesen der Literatur für diesen Beitrag bewusst. In der DDR war es uns zum Nachteil für unsere Arbeit verwehrt, westdeutsche pädagogische Literatur zu lesen und uns mit ihr auseinanderzusetzen. Das sollte im staatlich geeinten Deutschland nicht dadurch 'vergolten,.," werden, ' dass ' Universitäten und Hochschulen Forschungsergebnisse pädagogischer Wissenschaftler der DDR ignorieren. Vielmehr bleibt zu wü nschen, dass sie heute und morgen von Forschung und Lehre verarbeitet und - soweit das gegeben ist - für die Reform unseres Bildungswesens genutzt werden. Ein Beispiel geben die Professoren Werner Jank, Musikhochschule in Heidelberg-Mannheim, und Hilbert Meyer, Carl-von-Ossietzky-Universität in Oldenburg. Sie stellen in ihrem Buch "Didaktische Modelle" Lothar Klingberg vor und behandeln in einer Lektion das DDR-spezifische Modell "Dialektisch orientierte Didaktik"./88/ Dazu sagen sie einleitend: "Der Zusammenbruch der DDR ist Anlaß zu kritischen Rückfragen - auch an den Didaktiker Lothar Klingberg. Aber er ist kein Anlaß zum 23

Verriß. Wir wollen mit dieser Lektion dokumentieren, wieviel wir von diesem bedeutenden DDRDidaktiker für den Aufbau unserer eigenen Position gelernt haben."/89/ Gegenseitige Achtung vor der verantwortungsvollen Arbeit der Lehrer und Erzieher und vor der Lebensleistung pädagogischer Wissenschaftler in ehemals zwei deutschen Staaten - das wäre ein Beitrag, Mauern in den Köpfen abzubauen. LIiteratur /1/ Schule zwischen Schock und Chance. Gespräch mit der thüringischen Kultusministerin Christine Lieberknecht. In "Pädagogik und Schulalltag" 46 (1991) 6, S. 695-701 /2/ Siehe ebenda, S. 699 /3/ Vgl. Klingberg, Lothar Einführung in die Allgemeine Didaktik. Vorlesungen. Volk und Wissen, Berlin 1974, S. 345 ff. /4/ Vgl. ebenda, S. 345 /5/ Vgl. Ostschüler gut in Mathe, schwach in Sprachen. Sachsens Kultusminister Rößler lobt Methodik. In "Sächsische Zeitung" vom 7./8.3.1998 /6/ Klingberg, Lothar: Gegen den pädagogischen Formalismus. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1959 /7/ Lebedew, P. A.: Der Lipezker Schulversuch. Schriften für den Referenten, herausgegeben vom Präsidium der Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse, Sektion Pädagogik. Als Manuskript gedruckt. 1963 /8/ Vgl. ebenda, S. 24 /9/ Vgl. ebenda, S. 9 /10/ Vgl. ebenda, S. 31 /11/ Lipezker Erfahrungen. Beiträge sowjetischer Pädagogen, eingeleitet von Edgar Drefenstedt. Volk und Wissen, Berlin 1963 /12/ Ebenda,S.23 /13/ Ebenda,S.33 /14/ Vgl. Lebedew, P. A.: Ebenda, S. 9 /15/ Lipezker Erfahrungen: Ebenda, S. 12 /16/ Vgl. ebenda, S. 13 ff. /17/ Ebenda, S. 10 /18/ Siehe Tomaschewsky, Karlheinz: Umgestaltung des Unterrichts. Führen der Schülertätigkeiten zum Lösen von Aufgaben und zur Verinnerlichung von Werten der Moral. In: Spuren der DDR-Pädagogik. Herausgegeben von Wolfgang Steinhöfel. Deutscher Studien Verlag, Weinheim 1993. Ich lehne mich hier stark an diesen Beitrag Tomaschewskys an und gebe einige Stellen nahezu wörtlich wieder. /19/ Didaktik: Unter besonderer Berücksichtigung des Unterrichts in den Klassen 1 - 4 der deutschen demokratischen Schule (Red.-Kollegium H. Klein; K. Patzwall; H. Schönfisch; K. Tomaschewsky), Volk und Wissen, Berlin 1956,1958 und 1959 /20/ Schulpädagogik - Teil 1 - Didaktik. Leiter des Autorenkollektivs: Helmut Klein; Karlheinz Tomaschewsky. Volk und Wissen, Berlin 1963 /21/ Vgl. Tomaschewsky, K.: A.a.O., S. 189 /22/ Siehe 18/25/26 /23/ Tomaschewsky, K.: Die "Aufgabe" als didaktische Kategorie - Zur Weiterentwicklung von Pos itionen des "Unterrichts als Aufgabenfolge". In "Pädagogik" 25 (1970) 7, S .626-636 /24/ Psychologie. Lehrbuch für pädagogische Institute. Volk und Wissen, Berlin 1960, S. 256 /25/ Konferenz: Sozialistische Schule - Pädagogische Wissenschaft - Intensivierung des Unterrichts. In: Wiss. Ztschr. der Humb. Univ., ges.wiss. und sprachw. Reihe, Jg. XIII (1964) 6, S. 731762; Konferenzbericht. In: Pädagogik, Berlin 19 (1964) 7. S. 643-647 /26/ Unterricht als Aufgabenfolge (Red.-Kommission: P. Klimpel; A. Sommer; K. Tomaschewsky). Berlin: Humboldt-Universität, 1965 (Wiss. Ztschr. d. Humb. Univ., Sonderband) /27/ Vgl. Tomaschewsky, K.: A. a. 0., S. 631 f. /28/ Siehe ebenda, S. 632

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/29/ Tomaschewsky, K.: Umgestaltung des Unterrichts. Führen der Schülertät igkeiten zum Lösen von Aufgaben und zur Verinnerlichung von Werten der Moral. In: Spuren der DDR-Pädagogik. Deutscher Studien Vertag, Weinheim 1993, S. 203 /30/ Siehe Heun, H.-G./Klimpel, P./Tomaschewsky, K.: Gestaltung des Unterrichts als Aufgabenfolge - Grundlehrgang. In: Unterricht als Aufgabenfolge. Berlin: Humboldt-Universität, 1965. S. 260 - 304 /31/ Vgl. Tomaschewsky, K.: Die Aufgabe" als didaktische Kategorie. In "Pädagogik" 25 (1970) 7,S.636 /32/ Klinger, Eberhard: Über einige Probleme der didaktischen Anwendung. In "Pädagogische Forschung", Heft 5 (1962), S. 3-34. Klinger E.: Die Anwendung als didaktische Kategorie, ihre Funktionen, ihre Arten und ihre Stellung. Deutsches Pädagogisches Zentralinstitut, Dissertation, Berlin 1964 /33/ Drefenstedt, Edgar/Kelbert, Heinz/Klein, Helmut/Tomaschewksy, Karlheinz/Weck, Helmut: Thesen zu Grundpositionen des Unterrichts in der sozialistischen Schule. In "Pädagogische Forschung” Heft 2/3 (1967), S. 69 und 74 /34/ Siehe Unterricht als Aufgabenfolge/26/. A. a. 0., S. 57 - 63, 219 - 232, 251 - 257 /35/ Lehmann, Heinz: Individuelles Lernen der Schüler in der Unterrichtsstunde auf der Grundlage von Lernaufgaben. A. a. 0., S. 219 - 223 /36/ Siehe Kapitel 4 "Die didaktische Konzeption des neuen Lehrplanwerkes". In: Lehrplanwerk und Unterrichtsgestaltung. Autorenkollektiv unter Leitung von Edgar Drefenstedt und Gerhart Neuner. Volk und Wissen, Berlin 1969 /37/ Ebenda, S. 90 f. /38/ Szalai, Wendelin: Zwischen oder auf zwei Stühlen? Geschichtsdidaktik im Spannungsfeld zwischen Geschichtswissenschaft und Allgemeiner Didaktik. In: Meyer, M.A.; Plöger, W. (Hrsgb.): Allgemeine Didaktik, Fachdidaktik und Fachunterricht. Studien zur Schulpädagogik und Didaktik, Bd. 10. Beltz Verlag, Weinheim und Basel 1994. S. 147 164 /39/ Siehe Lehrplanwerk und Unterrichtsgestaltung. Ausgearbeitet von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Edgar Drefenstedt und Gerhart Neuner. Volk und Wissen, Berlin 1969, S.51 /40/ Ebenda /41/ Das mehr oder minder erfolgreiche Bestreben, diesem Mißstand zu begegnen, kann im Rahmen dieses Themas nicht behandelt werden. Es äußerte sich u. a. in Veröffentlichungen der Ordentlichen und Korrespondierenden Mitglieder der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR E. Rossa, H. Stolz und K. Tomaschewsky. Zum Beispiel Stolz, Helmut/Rudolf, Roland: Wie erziehe ich zu moralischem Verhalten? Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR. Ratschläge für Lehrer. Volk und Wissen, Berlin 1982. 96 Seiten. Huth, Wolfgang/Rossa, Eberhard: Weltanschauliche Erziehung im naturwissenschaftlichen Unterricht. In "Pädagogik" 37 (1982) 11, S. 881 - 890 Tomaschewsky, Karlheinz: Pro bleme der Vermittlung von Moralbegriffen. In "Deutsche Zeitschrift für Philosophie" 21 (1973) 10, S. 1233 - 1247 /42/ Vgl. Inhaltliche Ausgestaltung der Oberschule - Programm unserer weiteren Arbeit. Referat des Ministers für Volksbildung, Margot Honecker, auf der zentralen Direktorenkonferenz am 8. und 9. Mai 1973 in Berlin. In "Deutsche Lehrerzeitung" Nr. 20/1973, DLZ-Information, S. 16 /43/ Radtke, Wolf/Weck, Helmut: Standpunkte und Probleme zur erkenntnisprozessgerechten Gestaltung des Unterrichts in der sozialistischen Schule. In "Pädagogik" 30 (1975) 7, S. 608-625 /44/ Vgl. ebenda, S. 608 /45/ Siehe ebenda, S. 612 ff. /46/ Aktivierung der Erkenntnistätigkeit der Schüler im Unterricht. Pädagogisches Forum. In "Pädagogik" 31 (1976) 2, S. 168 - 177 /47/ Ebenda, S. 174 f. /48/ Vgl. Inhaltliche Ausgestaltung der Oberschule - ..., S. 17 /49/ Vgl. Weck, Helmut/Thiem, Wolfgang/Hoffmann, Borghild/Radtke, Wolf: Inhalt und Gestaltung des Unterrichts unter dem Aspekt der Berücksichtigung und Nutzung von Gesetzmäßigkeiten des Erkenntnisprozesses und anderer Komponenten des Aneignungsprozesses. APW der DDR, Institut für Didaktik. Manuskriptdruck. Berlin 1977. S.22 /50/ Weck, Helmut: Erkenntnisse der Didaktikforschung und weitere Aufgaben. In "Pädagogik" 31 (1976) 10, S. 891 25

/51/ Weber, Gisela: Von normal bis verrückt. Rückschau einer DDR-Lehrerin mit einem weinenden und einem lachenden Auge. GNN Verlag 1997, S. 109 f. /52/a) Weck, Helmut/Thiem, Wolfgang: Geistige Aktivität und methodische Grundformen. Beilage zur Fernsehsendung "Geistige Aktivität der Schüler im Unterricht (I)". In "Deutsche Lehrerzeitung", Nr. 36/1975 b) Weck, H. /Fuhrmann, Elisabeth: Problemstellen und Aktivität. Beilage ... (11). In "Deutsche Lehrerzeitung", Nr.40/1975 c) Weck H./Radtke, Wolf: Dialektik von Konkretem und Abstraktem. Beilage ... (111). In "Deutsche Lehrerzeitung", Nr.44/1975 d) Weck, H./Walter, Karl-Heinz: Wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Erfahrungen. Beilage ... (IV). In "Deutsche Lehrerzeitung", Nr. 49/1975 /53/a) Weck, Helmut: Selbständiges Problemerkennen und Problemlösen. Volk und Wissen Verlag, Berlin 1966.152 S. b) Erfahrungen und Erkenntnisse zur problemhaften Gestaltung des Unterrichts. "Pädagogik", Beiheft 4 (1978). 48 S. c) Fuhrmann, Elisabeth: Problemlösen im Unterricht. Unter Mitarbeit von Winfried Krause und Monika Rönsch. Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR. Ratschläge für Lehrer. Volk und Wissen, Berlin 1986. 96 S. /54/ Siehe Klingberg, Lothar: Einführung in die Allgemeine Didaktik. Vorlesungen. Volk und Wissen, Berlin 1974.S. 202 /55/ Siehe ebenda, S. 296 ff. und 362 ff. /56/ Vgl. Honecker, Margot: Der gesellschaftliche Auftrag unserer Schule. Referat des Ministers für Volksbildung auf dem VIII. Pädagogischen Kongreß, 18. Oktober 1978. Dietz Verlag, Berlin 1978. S. 38 /57/ Vgl. ebenda, S. 41-60 /58/ Fuhrmann, Elisabeth: Unterrichtsmethodenforschung - gemeinsames Anliegen von Schulpraxis und pädagogischer Wissenschaft. In "Pädagogik", Beiheft 3 (1976), S. 2 /59/ Erhöhung der Qualität und Effektivität des Unterrichts durch bewussten Einsatz von Unterrichtsmethoden. "Pädagogik", Beiheft 3 (1976) /60/ Huth, Wolfgang: Methoden zur Führung des Anwendens von Wissen und Können im Unterricht. In "Pädagogik" 32 (1977) 2, S. 157-167 Huth, W.: Anwenden als Lerntätigkeit im Unterricht. ln "Pädagogik" 34 (1979) 11, S. 874 882 /61/ Huth, Wolfgang/Hauschild, Günter/Naumburger, Lothar/Rossa, Eberhard: Wie erreichen wir hohe weltanschauliche Wirksamkeit des Unterrichts? In "Chemie in der Schule", Heft 2/3/1980, S. 54 - 61 /Heft 7/1980, S. 273 - 281 Pusch, Fritz: Humangenetik - weltanschauliche Potenzen erzieherisch wirksam machen. In "Biologie in der Schule", Heft 10/1983, S. 388 ff. Naumburger, Lothar: Arbeit mit Beispielen und Aufgaben zur Erhöhung der weltanschaulichen Wirksamkeit des Unterrichts. In "Chemie in der Schule", Heft 2/3/1983, S. 71 ff. Schwitalla, Gerhard: Zur weiteren Vertiefung der weltanschaulichen Erziehung. In "Physik in der Schule", Heft 11/1984, S. 434 ff. /62/ Vgl. Huth, Wolfgang/Rossa, Eberhard: Weltanschauliche Erziehung im naturwissenschaftlichen Unterricht. In "Pädagogik" 37 (1982) 11, S. 884 ff /63/ Könnensentwicklung der Lehrer- höhere Aktivität der Schüler im Unterricht. Autorenkollektiv unter Leitung von Elisabeth Fuhrmann. Volk und Wissen, Berlin 1989. 240S. /64/ Vgl. Honecker, Margot: A. a. 0., S. 79 /65/ Vgl. Honecker, Margot: Die marxistisch-leninistische Schulpolitik unserer Partei und ihre Verwirklichung unter unseren heutigen gesellschaftlichen Bedingungen. Auf dem Wege zum Xl. Parteitag der SED. Vorlesungen und Schriften. Hrsgb. von der Parteihochschule "Karl Marx" beim ZK der SED, 1985, S. 30 /66/ Honecker, Margot: Unser sozialistisches Bildungssystem - Wandlungen, Erfolge, neue Horizonte. IX. Pädagogischer Kongreß der DDR, 13. bis 15. Juni 1989. Dietz Verlag, Berlin 1989, S.18 /67/ Vgl. Steinhöfel, Wolfgang: Die Balance im Umgang mit dem Begabungsphänomen. Zur Begabungsforschung an der Technischen Universität Karl-Marx-Stadt/Chemnitz von 1980 bis 1990. In: Spuren der DDR-Pädagogik. Herausgegeben von Wolfgang Steinhöfel. Deutscher Studien Verlag, Weinheim 1993, S. 162 /68/ Vgl. ebenda, S. 163 f. /69/ Vgl. ebenda, S. 161 26

/70/ Aus der Reihe "Ratschläge für Lehrer", herausgegeben von der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR. Volk und Wissen, Berlin. Drefenstedt, Edgar: Individuelle Besonderheiten - individuelle Förderung. 1981. 95 S. Babing, Heide/Berge, Marianne: Differenzierung im Unterricht. Unter Mitarbeit von Engling, Bernd; Gopp, Rolf; Kirsch, Gerhard. 1982. 95 S. Mehlhorn, Gerlinde/Mehlhorn, Hans-Georg: Begabungsentwicklung im Unterricht. 1985. 96S. Reinhold, Klaus/Steinhöfel, Wolfgang: Entwicklung wissenschaftlich-technischer Begabungen im Unterricht und in der Produktiven Arbeit. 1987. 96 S. Außerhalb dieser Reihe erschien bei Volk und Wissen, Berlin: Drefenstedt, Edgar: Optimale Entwicklung jedes Schülers und die Qualität des Unterrichts. 1985. 143 S. /71/ Vgl. Salzwedel, Wemer: Versuch zu einer allgemeinen Pädagogik in der DDR. In: Spuren der DDR-Padagogik. Herausgegeben von Wolfgang Steinhöfel. Deutscher Studien Verlag, Weinheim 1993, S. 127 /72/ Lehmann, Heinz/Vollstädt, Witlof: Effektive Planung und Vorbereitung des Unterrichts. Ratschläge für Lehrer. Hrsgb. APW der DDR. Volk und Wissen, Berlin 1986. 96 S. /73/ Altmann, Alfred: Erfahrungen des Psychologen am Pädagogischen Kreiskabinett bei der Beratung von Direktoren und Lehrern für die Verbesserung der Beurteilungstätigkeit als wichtiger Bedingung für die optimale Entwicklung jedes Schülers. Pädagogische Lesung. Maschinenmanuskript. Riesa 1985, S. 2 (Frühere Standorte: Bibliothek des Pädagogischen Kreiskabinetts Riesa und des Bezirkskabinetts für Unterricht und Weiterbildung Dresden; Pädagogische Zentralbibliothek im Haus des Lehrers, Berlin, Alexanderplatz) /74/ Vgl. Huth, Wolfgang: Seminare in den Pädagogenkollektiven der Schulen - eine günstige Bedingung, die Weiterbildung in Grundkursen eng mit der Führung pädagogischer Prozesse zu verbinden (dargestellt am Grundkurs Pädagogik/Psychologie). Pädagogische Lesung. Maschinenmanuskript. Riesa 1988, S. 11 - 13 (Frühere Standorte: Siehe 73.) /75/ Vgl. Altmann, A.: A. a. 0., S. 8 /76/ Vgl. a. a. 0., S. 17 a und 29 /77/ Vgl. a. a. 0., S. 28 /78/ Siehe Fuhrmann, E.: Grundanforderungen an einen guten Unterricht heute und morgen. In "Pädagogik" 45 (1990) 3, S. 208 ff. /79/ Vgl. ebenda, S. 212 /80/ Meyer, Hilbert: Plädoyer für Methodenvielfalt. Oldenburg 1989, S. 1 f. Zitiert nach Fuhrmann, E.: A. a. 0., S. 212 f. /81/ Vgl. Herzog, Roman: Aufbruch in der Bildungspolitik. In: Michael Rutz (Hrsgb.): Aufbruch in der Bildungspolitik. Roman Herzogs Rede und 25 Antworten. Wilhelm Goldmann Verlag, München 1997. S. 13 /82/ Siehe Stolz aufs eigne Leben". In Der Spiegel" Nr.27/3.7.95, S. 43 /83/ Siehe SZ-Umfrage vor dem 5. Jahrestag der deutschen Einheit. Wie haben sich die Erwartungen der Ostdeutschen erfüllt? In Sächsische Zeitung", 13.9.1995, S. 3 /84/ Vgl. Bergsdorf, Wolfgang: Am Ende der Gesamtschule. In: Michael Rutz (Hrsgb.): Aufbruch in der Bildungspolitik. Wilhelm Goldmann Verlag, München 1997. S. 46 f /85/ Herzog, Roman: A. a. 0., S. 15 /86/ Vgl. Stange, Eva-Maria: Bildungsaufbruch - Wohin? In: Michael Rutz (Hrsgb.): Aufbruch .... S.262 /87/ Vgl. Röstel, Gunda: Bündnisgrünes Angebot: Ein Bündnis für Bildung. In: Michael Rutz (Hrsgb.): Aufbruch .... S.202 /88/ Jank, Werner/Meyer, Hilbert: Didaktische Modelle. 3. Auflage 1994. Comelsen Verlag Scriptor, Berlin 1991. Siebte Lektion "Dialektisch orientierte Didaktik". S. 235-284 /89/ Ebenda, S. 235

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Chancengleichheit und Gerechtigkeit bei zunehmender Ökonomisierung der Bildung Ingrid Lohmann, Hamburg

Das Problem Wie hängen “veränderte Produktivkraftentwicklung, Computerisierung, ein sich ändernder Stellenwert von Bildung in der Wertschöpfung, Ökonomisierung von Bildung” und etwas so Unmögliches wie “Bildung für alle in der Zw eidrittel-Gesellschaft” zusammen? Mein Versuch, die Antwort auf diese Fragen unter einen Hut zu bekommen, beginnt mit einem Hinweis auf die USA. Dort hat die warenförmige Umgestaltung der Bildung Dimensionen angenommen, die vor fünfundzwanzig Jahren als reelle Subsumtion der Schulen unters Kapital bezeichnet worden wären. Heute, wo der gemeinte Sachverhalt vorliegt, redet niemand mehr so. Aber nicht nur in den USA, sondern rund um den Erdball und allen voran in den OECD-Ländern wird heute begriffen, dass “Bildung ein Wirtschaftszweig ist”. (NEA 1998 - vgl. Literaturnachweis) Aber heute erfahren nicht Stamokap-Theorien, sondern Humankapitalansätze, die genauso alt sind, neuen Aufschwung. Die Rede von der Notwendigkeit “neuer Formen der Bildungsfinanzierung” ist allgegenwärtig. Deshalb wird jetzt wieder an der Frage gearbeitet, wieviel der “Produktionsfaktor ‘Bildung’ (...) zur Erklärung internationaler Unterschiede im Pro-Kopf-Einkommen” beiträgt, obwohl andererseits z.B. “hinsichtlich der Bedeutung von Schulleistungen als Prädikatoren der ökonomischen Standortqualität keine gesicherten wissenschaftlichen Befunde vorliegen” (Weiß 2000). Im Gefolge von Politikvorgaben der OECD wird in den letzten Jahren seitens der Europäischen Kommission eine bildungspolitische Leitlinie verfolgt, die eine nahezu vollständige Determination der Entwicklungen im Bildungssektor der EU-Mitgliedsstaaten durch arbeitsmarkt- und wettbewerbspolitische Vorgaben beinhaltet. Dabei dienen die neuen Humankapitalansätze dazu, der marktwirtschaftlichen Effektivität und Effizienz des Bildungssystems entscheidende Bedeutung für das Wirtschaftswachstum zuzuschreiben: “Somit muss stärker als bisher auf Kapitaleinsatz und Kapitalrendite bei Bildungsausgaben geachtet werden, so dass ‘Berechnungen des Humankapitals Renditen anzubieten scheinen, die vergleichbar sind mit denjenigen von Geschäftskapital’, d.h. dass sich der Einsatz beider Kapitalarten ähnlich verzinst” (Weber 2001). Entsprechende Renditeberechnungen besagen, dass gemessen am im Bildungssektor eingesetzten Kapital Portugal unter den europäischen OECD-Ländern die höchste Rendite der Bildungsinvestitionen erzielt, während die Situation von Staaten wie Deutschland oder Frankreich, deren Bildungsausgaben schlechte Renditen abwerfen, eher als kritisch angesehen wird. (ebd.) Dass Deutschland vielleicht deshalb in dieser Betrachtungsweise am schlechtesten dasteht, weil seine spezifische Bildungstradition bisher dazu beitrug, Bildung in vergleichsweise geringerem Maße auf reine kapitalistische Ökonomie zu reduzieren, traut man sich heute kaum noch zu artikulieren./1/ “Begreifen, dass Bildung ein Wirtschaftszweig ist”, ist inzwischen so etwas wie der verbandsoffizielle Standpunkt der US-Lehrergewerkschaft NE4 (vgl. Lohmann 2000). Dass es in Deutschland zu vergleichbaren privatisierungs- und kommerzialisierungsgetriebenen Transformationsprozessen kommen könnte, wird hierzulande etwa mit Hinweis darauf bezweifelt, dass in Deutschland auch Schulen in privater Trägerschaft überwiegend öffentlich finanziert werden und deshalb meist nicht gebührenpflichtig sind (Klemm 2001). Demgegenüber ist in den USA die Gebühren-Finanzierung der Schulen ein Einfallswinkel für die Zugkraft, die dort, inzwischen auch wieder in Regierungskreisen, das von dem US-Ökonomen Milton Friedman stammende Modell der Bildungsgutscheine hat. Klaus Klemm wies außerdem darauf hin, dass die Finanzierung der einzelnen Schule in Deutschland auch ohne Gutscheinsystem teilweise ‘nachfrageabhängig’ ist, denn in “der einen oder anderen Weise ist die Zuweisung der Pers o28

nalmittel und auch eines Teils der laufenden sächlichen Ausgaben von der jeweiligen Schülerzahl abhängig” (ebd.). Der von Klemm mitvertretene, heftig umstrittene Vorschlag des Sachverständigenrats Bildung bei der Hans Böckler Stiftung zur Einführung von Bildungsgutscheinen ab der Sekundarstufe II macht in der Tat auf die massive Verteilungsungerechtigkeit zugunsten der Nachwachsenden aus den bürgerlichen Mittelschichten aufmerksam. Sie besteht in der Spanne “zwischen den öffentlich getätigten Ausgaben für einen Universitätsabsolventen einerseits (von der Grundschule bis zum Diplom: 185.000 DM) und andererseits den öffentlichen au sgaben (...), die für den Absolventen einer privaten Vollzeitberufsschule getätigt werden, der diese im Anschluss an eine zehnjährige Schulzeit im allgemeinbildenden System besucht hat (von der Grundschule bis zur Abschlussprüfung: 80.000 DM)” (ebd.; vgl. auch Ehmann 2001). Allerdings ist nach den vorliegenden internationalen Erfahrungen davon auszugehen, dass die Einführung von Marktmechanismen in den Schul- und Hochschulsektor zumindest im Sinne von Friedmans Modell eine vollständig andere Form der Bildungsfinanzierung mit sich bringen würde als hierzulande bislang üblich. Noch sind es hier ja in jedem Fall die Institutionen selbst, die die Mittel erhalten, die ihnen für die Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung stehen. Demgegenüber sieht Friedmans Modell der Bildungsgutscheine vor, die Bildung nachfragenden Personen, und zwar von Kindergarten und Grundschule an, mit Gutscheinen auszustatten, die sie in Einrichtungen ihrer bzw. der elterlichen Wahl - so jedenfalls der Grundgedanke - verausgaben können. Bildungsgutscheine sind der zentrale Hebel für die Privatisierung und eine extrem verschärfte soziale Fragmentierung der Bildungseinrichtungen sowie für ihre Herausnahme aus dem öffentlichen Sektor. Damit dieser Umbau der Bildungseinrichtungen gelingen kann, muss gleichzeitig - zumindest im politischen Unbewussten der Gesellschaft - etwas wie Konsens darüber bestehen, dass Bildung eben keine Gemeinschaftsaufgabe im emphatischen Sinne ist, die ansonsten notwendig auch inhaltlich bestimmte Solidardimensionen enthalten müsste (im klassischen modernen Bildungskonzept wurden diese mit dem - aus dem Leitbild des citoyen abgeleiteten - Begriff der Gesinnung zum Ausdruck gebracht). Vielmehr ist “Bildung” dann eben nichts anderes als ein - die Konkurrenzfähigkeit steigernder - Faktor für die Wirtschafts- und Erwerbstätigkeit des einzelnen, individuelle Produktivkraft. Genau daran, so scheint es, sind Schüler, Lehrer, Eltern heute so interessiert wie eh und je. Und die Frage ist, ob sie mit dieser Absage an die stets behaupteten, aber nie verwirklichten, andersgelagerten Dimensionen von Bildung angesichts der Realge4schichte des öffentlichen Bildungssystems in Deutschland (und der deutschen Geschichte insgesamt) nicht völlig richtig liegen./2/ Obwohl die Zielsetzungen der Beteiligten - bessere Bildung für gesteigerte Erwerbschancen und selbstbestimmte Lebensführung des einzelnen einerseits, ins Unermessliche steigende Profite für die Produktion und Distribution von Wissen auf Seiten konkurrenzgetriebener Unternehmen andererseits - durchaus unterschiedlich, ja gegensätzlich sind, ist es mittels der Marktideologie weitgehend gelungen, diesen Interessengegensatz zu vernebeln. Dazu trägt die Humankapital-Rhetorik nicht unerheblich bei. Mehr oder weniger unabhängig von den Intentionen ihrer wissenschaftlichen Verfechter besteht ihre Hauptaufgabe darin, bei allen Beteiligten, bis hinunter zum Schuldirektor und zur Elternratsvorsitzenden, Panik zu erzeugen angesichts der Schreckensvision, dass “Deutschland im internationalen Wettbewerb ins Hintertreffen gerät” - und ihre Söhne und Töchter mit ihm./3/ Aber es geht bei der Einführung der sogenannten Marktmechanismen oder Marktprinzipien in den Bildungssektor nicht um mehr Gerechtigkeit und auch nicht in erster Linie - wie die Humankapitalansätze glauben (machen wollen) - um Standortpolitik und die Zukunft unserer Ökonomie. In erster Linie geht es um etwas anderes, als die dominante Rede von der zu steigernden “Effizienz und Effektivität des Bildungssektors aus Gründen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit” suggeriert. Es geht, außer eben vordergründig, auch nicht eigentlich darum, endlich einmal Bilanz zu ziehen, nachdem man “jahrzehntelang nicht genau hingeschaut hat, was mit dem Geld in den Kultusetats eigentlich erreicht wurde” (dazu Ehmann 2001)./4/ 29

Es geht darum, dass nur in privatisierten, kommerzialisierten und marktförmig zugeschnittenen Bildungseinrichtungen jene Profitträchtigkeit der Wissensaneignung herbeigeführt werden kann, die das Zeitalter der Informations- und Kommunikationstechnologien eröffnet. Die Transformation von Bildungsprozessen in Eigentumsoperationen mit Wissen als Ware, das ist die eigentliche Rationale der bildungspolitischen Vorgaben von OECD, Europäischer Kommission, IWF und Weltbank./5/ Die hinter diesen sogenannten Marktinstitutionen stehenden Machteliten sind großenteils andere, als diejenigen, die im bisherigen nationalen Rahmen die Weichen gestellt haben, und sie haben zum Teil auch andere Vorstellungen über machtpolitisch wünschenswerte Ziele und best practices zu deren Realisierung. Daraus folgt, dass sich heute zuweilen marktkritisch-linke bildungspolitische Positionen auf derselben Seite mit “wertkonservativen” marktkritischen Positionen z.B. aus dem Umfeld der CDU wiederfinden. Dessen ungeachtet erscheint die bildungspolitische Situation am Ende der Moderne nicht nur subjektiv chaotisch, sondern von grundlegenden Dilemmata bestimmt. Ein Beispiel: Vor dem Hintergrund der problematischen, weil dem Verfassungsgrundsatz einer Angleichung der Lebensverhältnisse in den deutschen Bundesländern zuwiderlaufenden, Auswirkungen des Sponsorings von Schulen wurde in Nordrhein-Westfalen der Vorschlag unterbreitet, einen Fond zu bilden, aus dem - nach vorab festzulegenden Kriterien - die Sponsorenmittel verteilt würden. Die Idee war, auf diese Weise auch weniger glückliche Schulen und Schülergruppen in den Gemuss der zusätzlichen Mittel kommen zu lassen. Damit wäre vielleicht ein Weg gefunden, mit dem - angesichts der bekannten “knappen öffentlichen Haushalte” - staatliche Bildungsfinanzierung, private zusätzliche Sponsorenmittel und ein grundgesetzlicher Auftrag, der sich noch dem (außer Mode kommenden) Politikmodell der Moderne verdankt, unter einen Hut zu bringen sind. Bloß - nicht nur Unternehmen zeigen sich wenig willig, nicht direkt mit der angesehenen Schule ihrer Wahl in Verbindung gebracht zu werden: “Aus einer Umfrage unter Schulleitern des Landes Nordrhein-Westfalen wurde deutlich, dass diese nur dann bereit sind, mögliche Sponsoren anzusprechen, wenn die dadurch gewonn enen Mittel unmittelbar ihrer Schule zu Gute kommen. Werden Gelder in einen Fond eingezahlt und dann auf alle Schulen verteilt, sind nach dieser Umfrage die Schulleiter in einem weitaus geringeren Maße, wenn überhaupt, bereit, Zeit und Arbeitskraft in die Gewinnung von Sponsorengeldern zu investieren” (Cieslik 2001) und wie könnte man es ihnen verdenken. Auch dass Eltern den Schulleitern aufhelfen und diese ebenso wie die potentiellen Sponsoren auffordern, mehr Gemeinwohlorientierung zu zeigen, damit allen Bedürftigen gegeben werden kann, ist eine absurde Vorstellung. Ebenso absurd - und das deutet auf ein anderes, vielleicht zentraleres Dilemma hin -, ebenso absurd wie die Vorstellung, die staatliche Steuerpolitik gegenüber Banken und Konzernen würde so geändert (werden können), dass die öffentlichen Kassen auch für Bildungsinstitutionen angeme ssen gefüllt wären. Denn, so muss immer wieder einmal in Erinnerung gerufen werden, die “öffentlichen Kassen” sind leer, weil dies politisch gewollt ist (und die neoliberalistische Grundorientierung weder der früheren noch der jetzigen Regierungskoalition darauf zielt, diesen Zustand zu verändern). Es sind sich also alle einig. Und viele Lehrerinnen und Lehrer erhoffen sich vom Rückzug des Staates aus der öffentlichen Bildung ja ein Mehr an pädagogischer Freiheit, und die Bertelsmann Stiftung bestärkt sie in dieser Meinung. Daher gibt es gute Gründe, Zweifel daran anzumelden, dass die in Deutschland im Rahmen der Stein-Hardenbergschen Reformen grundgelegte nationale Bildungstradition das zuende gegangene Jahrhundert überdauern wird. Mit der Maxime, die Schulen seien in einen “Zweig der Staatlichen Verwaltung” umzugestalten, wurde vor rund zweihundert Jahren ein allgemeines, öffentliches Bildungswesen auf den Weg gebracht, und nahezu die gesamte Geschichte moderner deutschsprachiger Pädagogik nahm von dort ihren Anfang. Viele heute im Beruf stehende PädagogInnen haben ihre Studiensozialisation in den sechziger und siebziger Jahren erfahren, als die Ära der “Systemauseinandersetzung”, des 30

“Sputnik-Schocks” und der “ungenutzten Begabungsreserven” eine Verwissenschaftlichung der Lerninhalte und gesteigerte Zugangsmöglichkeiten zu höherer Bildung erbrachte. Für manche von ihnen verbinden sich mit der sozialwissenschaftlichen Problematisierung von Chancenungleichheit noch heute Hoffnungen auf eine Fortsetzung der Bildungsexpansion, den nachhaltigen Abbau sozialer Diskriminierungen und eine gerechtere Gesellschaft, wie sie das neuhumanistischliberalistische Modell einst geweckt hatte. Informationsgesellschaft Der Kampf um den Zugang zum Wissen ist das zentrale Schlachtfeld der “Informationsgesellschaft” (Noble 1998, Lohmann 1999). Dabei verändert sich die gesellschaftliche Situierung von Bildung und Wissenschaft grundlegend. Gleichbleibende politische Steuerungsmaximen vorausgesetzt, wird das öffentliche Bildungssystem, das in der Moderne als Institution der Vergesellschaftung wissenschaftlichen Wissens fungiert hat, als solches aufhören zu existieren. Der wesentliche Impuls für die absehbaren einschneidenden Änderungen geht von der Kommerzialisierung, dem Warenförmig-Werden der relevanten Informationszugänge aus. In Schlaglichtern: Allgemeinbildung wird in arbeitsmarktdeterminierte Qualifikation umdefiniert, was ein ganz anderer Vorgang ist, als die von Herwig Blankertz noch zu Beginn der achtziger Jahre theoretisch postulierte und praktisch erprobte Integration allgemeiner und beruflicher Bildung. Berufsbildung wird in unternehmensfinanzierte Qualifizierungsprozesse für die arbeitsmarktpolitisch jeweils erforderlichen Personengruppen transformiert. Beschäftigungsrelevante Weiterbildung kommt nur noch den bei zahlungskräftigen Unternehmen Tätigen zu - und dies auch nur, solange sie bereit sind, das neuerworbene Wissen einzig dem Unternehmenszweck zufließen zu lassen. Dazu werden sie sich vertraglich verpflichten müssen. Wenn ihr Arbeitsvertrag ausläuft, wird ihr inkorporiertes Wissen veraltet sein. Nicht das Individuum wird Eigentümer seines Wissens sein, sondern das Unternehmen, bei dem es beschäftigt ist./6/ Das “Informationsgesellschaft” genannte Stadium des Spätkapitalismus, in dem wir uns befinden, bringt die infrastrukturellen und technologischen Voraussetzungen für die Marginalisierung des öffentlichen Bildungssystems in großem Stil mit sich. So zeichnet sich in den Bildungssystemen der Industrienationen spätestens seit Ende der achtziger Jahre ein Trend zu marktorientierten Bildungsreformen ab: “Dass sich die an den wirtschaftlichen Kategorien des Neoliberalismus orientierten Bildung sreformen durchsetzen ließen, lag und liegt zu einem entscheidenden Teil am Übergang der Weltwirtschaft zu einer informationsgestützten Wirtschaft. (...) Bildung wird in Zukunft in vi elen nichtstaatlich institutionalisierten Kontexten angeboten, in denen das Individuum seinen eigenen Nutzen und Vorteilen entsprechende Bildungsangebote sucht. Dies führt einerseits zu einer neuen Konkurrenz in der Bildungslandschaft und andererseits zu veränderten Bildungsansprüchen. (...) Schulen und Universitäten werden nur mit einer entsprechend erwerbswirtschaftlich geführten Verwaltung sowie hochwertiger materieller und personeller Ausstattung eine Chance haben, potentielle Kunden auf dem entinstitutionalisierten Bildungsmarkt an sich zu binden.” (Weber 2001; vgl. Barker 2001) Das mittelfristige Szenarium für die Bundesrepublik gemäß OECD- und EU-Leitlinien: Unternehmen der Wissensindustrie, vulgo Schulen und Hochschulen, werden nicht nur privatwirtschaftlich verwaltet, wozu unter dem Diktat der Neuen Steuerungsmodelle etwa die Einführung von SAP dient, sondern sie werden selber als Wirtschaftsunternehmen agieren, die mehr oder weniger erfolgreiche Angebote auf den Markt der education und der boomenden online instruction bringen. Und sie werden mehr oder weniger monopolistisch strukturiert sein. Marktführer in Deutschland werden die zum Ärger des Eigners im Volksmund so genannten Bertelsmann-Schulen sein (vgl. Bennhold 2001). Aber wahrscheinlich ist das MIT schneller. Im April 2001 gab das Massachusetts Institute of Technology (MIT) bekannt, dass es den Weg der US-Universitäten, die mit online-Kursen ans große dotcom-Geld zu gelangen hoffen, seinerseits nicht einschlagen wird. Das MIT kündigte vielmehr an, seine sämtlichen Kurse und Kursmaterialien 31

kostenlos und für jedermann zugänglich ins Internet zu stellen, denn sein eigentliches Kapital seien die Kommunikationen zwischen Lehrenden und Lernenden auf dem Campus. - Ein Lehrstück in Sachen Hegemoniepolitik: Irgendeine unbedeutende Provinzuniversität würde mit einer entsprechenden Nachricht niemanden hinterm Ofen hervorlocken. Das MIT dagegen, diese Prognose kann man riskieren, wird mit seinen Kursen weltmarktbeherrschend werden, und zwar absurderweise ohne zunächst im engeren Sinne marktförmig zu agieren. Das Szenario für die nahe Zukunft: Der Marktwert der online-Materialien der übrigen Universitäten, die gerade so schön in Schwung gekommen waren mit der Kommerzialisierung ihrer Kurse, sinkt rapide. Und eines Tages, wenn alle Welt auf die MIT-Produkte eingeschworen ist, wird dort das Ruder herumgeworfen, der Kurszugang wird zahlungsabhängig und das MIT weltweit marktführend. Die Zeitungsmeldung vom 5. April dieses Jahres endet, wohlgemerkt, mit dem Hinweis, man behalte sich die Entwicklung profitorientierter Internetprogramme für die Zukunft vor (Goldberg 2001). Alle solche Szenarien setzen voraus, dass gute online-Materialien und -Kurse grundsätzlich vermarktet werden - und eben nicht kostenlos im Internet zur Verfügung gestellt, was von der Produ ktivkraftseite der Dinge her ohne weiteres möglich wäre. Das allein wäre außerdem der “Natur” der IuK-Technologien gemäß (Meretz 2001, Oekonux 2001). Aber bekanntlich keine Produktivkraftentwicklung ohne Produktions - und also Machtverhältnisse. Politische Gestaltung der Ökonomisierung von Bildung Unter anderen Machtverhältnissen könnte auch eine “Ökonomisierung der Bildung” politisch anders gestaltet werden. Da sie jedoch neoliberalistischem Gestaltungswillen weithin überlassen bleibt, der - wie die Kommerzialisierung des Gesundheitssektors in verschiede nen OECD-Ländern oder die Privatisierung der Telekommunikation in der EU in den neunziger Jahren zeigen - keineswegs nur aus sogenannter Deregulierung besteht, wird die bereits vorhandene Spaltung zwischen Schulen in den Wohnvierteln der Wohlhabenden - jenen Anstalten mit finanzstarken Eltern- und Fördervereinen, denen das Herausbrechen der sie interessierenden Bildungseinrichtungen aus dem öffentlichen Sektor gar nicht schnell genug gehen kann - und der Mehrheit der verbleibenden staatlichöffentlichen Schulen sich in nächster Zeit weiter vertiefen. Die Entwicklung der Bildungssysteme in den USA, Großbritannien, Chile, Neuseeland, China und anderen Ländern liefert hierfür reichlich Anschauungsmaterial (vgl. Lohmann 2001 und die dort genannten Quellen). Wollte man dies verhindern, dann müsste die politische Auseinandersetzung mit jenen Kräften, die vormals die Dreigliedrigkeit der öffentlichen Schulen, jetzt deren Privatisierung wollen, verstärkt werden. Dazu gehörte unter anderem eine - auch den von Deklassierung bedrohten Mittelschichten und dem wohlhabenden Bürgertum vor Augen führe? - klare Vorstellung davon, wie die Szenarien aussehen, die dann bald nicht mehr nur Städte in den entindustrialisierten Zonen kapitalistischer, vormals realsozialistischer oder armer Länder wie (in weiten Teilen) Mexico City, Los Angeles, Moskau oder Manila prägen, sondern z.B. auch in München, Berlin und Hamburg die sozialen Landschaften bestimmen. In all diesen Städten müssten die Privilegierten bereit sein, sich fragen zu lassen, ob der Ersatz öffentlicher Räume durch gated communities, die mit strengen Zugangsrestriktionen und zur Not mit Waffengewalt verteidigt werden, das ist, was sie sich für ihre eigene Zukunft und für die künftige Lebenswelt ihrer Kinder vorstellen./7/ Und: Kernstück einer politischen Gestaltung der Ökonomisierung von Bildung wäre eine Neubestimmung der Beziehungen von Wissen und Öffentlichkeit - um nichts anderes ging es auch zu Zeiten des klassischen Bildungsbegriffs -, diesmal allerdings nicht mehr auf nationaler, sondern auf globaler Ebene. Dabei ist vorausgesetzt, dass es auch beim klassischen Bildungsbegriff im Kern um die Frage der gemeinschaftlichen Leitung der ökonomischen Angelegenheiten ging, seinerzeit natürlich unter bürgerlicher Vorherrschaft (Lohmann 1987). Die Marktideologie zur Verschleierung der sich global verschärfenden, Spätkapitalismus typischen Mechanismen der Mehrwertabschöpfung zu wählen, erweist sich nicht zuletzt deshalb als so erfolgreich, weil “Markt” sich für viele mit der Vorstellung von (und Sehnsucht nach) gerechten, gegenseitigen Austauschbeziehungen, von freiem, selbstbestimmtem Geben und Nehmen verbindet (von Gebrauchsgütern, nicht von Waren). Dazu gehörte, dass der einzelne dem anderen in erster Linie 32

mit Interesse an Kommunikation und (materiellem wie ideellem) Austausch begegnen kann - und nicht mit Interesse am Untergang eines Konkurrenten begegnen muss, wie in der kapitalistischen Ökonomie zwischen den Bourgeois der Fall, soweit sie sich nicht gegenseitig durch die Einrichtungen des Citoyen zivilisieren. Entweder es ist Markt oder es ist Kapitalismus. Die Beseitigung der heute obwaltenden, unermesslichen Unterschiede in macht und Reichtum vorausgesetzt, gehörte die Einführung von Marktprinzipien in die Ökonomie zum Wünschenswertesten von der Welt. So gesehen ist “Markt” heute das Utopischste überhaupt.

Öffentliches Bildungssystem und neue Technologien Auch wenn “Globalisierung” nicht als das vielbeschworene Schreckgespenst eines Prozesses bemüht wird, dem wir alle uns bei Strafe wirtschaftlichen Untergangs anzupassen hätten: Ein Bildungssystem, das seine AbsolventInnen nicht dazu befähigt, die Informations- und Kommunikations-Technologien (IuK) als qualitativ neuen Bestandteil der Kultur und des Wirtschaftens nicht nur anzuwenden, sondern aktiv zu gestalten, hätte sich historisch überlebt. Ich betone dies nicht zuletzt deshalb, weil sich in letzter Zeit Stimmen mehren, die gerade davor warnen, die IuK -Technologien in die Schulen entweder frühzeitig oder überhaupt einziehen zu lassen. Sie sind teils geleitet von pädagogischen Bedenken, die in den Anfängen der Moderne, vor zwei-, dreihundert Jahren, konzeptionell grundgelegt wurden, oder fehlinterpretierten Folgen der dominanten, ökonomistisch reduzierten Art und Weise, in der die IuK-Technologien implementiert und weiterentwickelt werden, als etwas in der Natur der Technologie selbst liegendes. Aber genauso wie für die unauflösliche Verknüpfung zwischen Kulturentwicklung und Buch in der Neuzeit gilt für die Postmoderne, dass die weitere Entwicklung nicht nur der Ökonomie und einer erst noch zu erzeugenden globalen politischen Sphäre, sondern auch der Kultur ohne die IuKTechnologien undenkbar ist. Wozu also sollten öffentliche Schulen und Hochschulen verteidigt werden, die nicht in die Lage versetzen, die IuK-Technologien anzueignen, und zwar im umfassenden Sinne des Wortes? Immer vorausgesetzt, dass Öffentlichkeit die Sphäre ist, in der die Versammlung der citoyens die Leitung der Gesellschaft verhandelt, und “Bildung” die persönliche Qualifikat ion, die eine Gesellschaft beim einzelnen für nötig erachtet, damit er an der gesellschaftlichen Leitung teilhat. Die gesellschaftliche Verwendungsweise der neuen Medien ist nicht bloß Konsuminteressen zu überlassen, aber den von kapitalistischer Konkurrenz und Profitprinzip gehetzten Wirtschaftsunternehmen, deren Interesse in erster Linie darauf gerichtet sein muss, die Zugänge zu kontrollieren und gebührenpflichtig zu machen, sicher ebensowenig. Öffentliche Bildungseinrichtungen - so denn wieder ein Begriff davon entwickelt wird, wozu die gut sein könnten - müssten die Möglichkeit einer umfassenden Aneignung für alle SchülerInnen gewährleisten (und das heißt nicht nur Anwendung, sondern auch Produktion mit den neuen Technologien). Wenn ein solcher Begriff nicht entwickelt wird, der auf die Erzeugung einer globalen politischen Sphäre zielt, vermittels derer alle an der Leitung und Regulierung der globalen Ökonomie teilhaben, dann braucht es auch keine Bildungsinstitutionen, seien sie öffentlich oder privat. Auf dem Wege dahin bestünde die Aufgabe öffentlicher Schulen und Hochschulen darin, das technologisch-kulturelle Potential der neuen Technologien nach Kriterien auszuloten und zu entwickeln, die weiter reichen, als unter den Zwängen privatunternehmerischer Profiterwirtschaftung möglich ist. Die konkurrenzwirtschaftlich-ökonomische Verkürzung er IuK-Technologien erscheint derzeit fast überwältigend. Aber wenn es gelänge, öffentliche Schulen und Hochschulen zu erhalten und umzubauen, dann könnten sie Werkstätten der Erprobung des kulturellen Gestaltungspotentials der IuK-Technologien sein - über das hinaus und jenseits dessen, was “die Wirtschaft” nach Kriterien spätkapitalistischer Ökonomie für erforderlich hält. In Abwandlung eines bekannten Diktums: Die IuK-Technologien sind zu wichtig, um sie “der Wirtschaft” zu überlassen.

Nachtrag. Vom Ende der politischen Sphäre der Moderne 33

Historisch betrachtet sind Schulen in der Neuzeit - vor Beginn der Moderne - Bestandteil der ök onomisch-kulturellen Sphäre. Eine eigenständige politische Sphäre entsteht, schematisch gesprochen, erst mit der Französischen Revolution. In Preußen beginnt sie mit den SteinHardenbergschen Reformen. Eine politische Sphäre sui generis ist, bisher und bis auf weiteres, ein Spezifikum 1. Moderner, 2. bürgerlicher und 3. nationalstaatlich verfasster Gesellschaften. Das Zeitalter der Moderne, gekennzeichnet durch Industriekapitalismus sowie durch eine bürgerlich-demokratische Verfasstheit des Nationalstaats als politische Bewegungsform des Kapitals, dieses Zeitalter geht zuende. Wir sehen es an der Erosion der politischen Sphäre (z.B. der Parlamente) und der veränderten Rolle nationalstaatlicher Politik im Hinblick auf die spätkapitalistische Ökonomie im Zeitalter der Globalisierung. Wenn überhaupt, dann beginnt eine neue politische Sphäre sich heute im Raum des Anti-Kapitalistischen zu entfalten, wo - wie in Seattle, Prag oder Quebec - sich “Globalisierungsgegner” versammeln. Wir sehen es am fehlenden Willen und der Unfähigkeit vom Wahlturnus abhängiger Politiker, in Systemzusammenhängen zu denken (Ehmann 2001 /8/). Die Ökonomisierung der öffentlichen Institutionen ist Indikator dafür, dass das Spannungsverhältnis von Bourgeois und Citoyen - von Wirtschaftsbürger und Staatsbürger, jenen modellhaften Leitvorstellungen der bürgerlichen Gesellschaft von sich selber - heute vergleichsweise bedeutungslos geworden ist. Die Globalisierung des Kapitalverhältnisses und die wirtschaftlichen Größenordnungen, die bei einigen transnationalen Konzernen das Bruttosozialprodukt vieler Länder der Erde längst weit übersteigen, sprechen eine andere Sprache. Diese Entwicklung des Ökonomischen hat mit den politischen Leitvorstellungen moderner bürgerlich-nationalstaatlicher Demokratien nichts mehr zu tun; und global players, die globalen herrschenden Eliten, sind eine neue soziologische Kategorie, die mit dem Begriff des Bürgertums nicht mehr zu fassen ist. Nationale Bildungssysteme waren und sind Institutionen des Bürgertums. Als solche waren sie immer auch Schauplätze der Beziehung von Bourgeois und Citoyen und des Spannungsverhältnisses zwischen ihnen. Als öffentliche Einrichtungen bezogen sie die ihnen zugrundeliegenden Wertvorstellungen aus diesen sozialen Leitfiguren; das galt insbesondere für den klassischen (Humboldtschen) Bildungsbegriff selbst. Durch die Globalisierung werden diese Leitvorstellungen in rasantem Tempo abgewertet, weil es den Kontext nicht mehr gibt, in dem sie normativ wirksam werden sollen. An die Stelle treten die Wertvorstellungen des Aktienmarkts, die besagen, dass das Wirtschaften weder durch Staat und Gemeinschaftsaufgaben noch durch öffentliche Regularien oder nationale Grenzen gebremst oder sonstwie beeinflusst werden soll, sondern sich am besten selbst reguliert, durch Angebot und Nachfrage, den Markt eben. In dem Maße, wie dabei die Nationalstaatlichkeit - als ökonomische Bewegungsform der avanciertesten und größten Kapitale und insbesondere der globalen Finanzmärkte - an Bedeutung verliert, dienst staatliche Politik nur noch dazu, die Verwertungsbedingungen eben dieser Kapitale in den jeweiligen Territorien zu sichern (wie im Falle von Schulen und Hochschulen die rankings und Leistungsvergleiche aller Art).

Was tun? Man muss nicht der Auffassung sein, dass die so umrissenen Entwicklungen betrauert werden müssten. Mit der zu ende gehenden politischen Sphäre der Moderne - ebenso wie mit dem Bildungssystem selbst: man denke an Bourdieu/Passerons Analyse der “Illusion der Chancengleichheit” - ist stets auch wirksam verschleiert worden, dass sie eine fundamentale ökonomische Ungleichheit verbirgt. Weder die politische Sphäre der Moderne als ganze noch ihr öffentliches Bildungssystem waren je angetreten, ökonomische Ungleichheit zu beseitigen (wie von Seiten der Kritischen Theorie längst eingewandt worden ist). Eine Neubestimmung öffentlicher Bildung als Teil des EU-geschützten Privilegiengärtleis “Festung Europa” wäre aus dem gleichen Grund nicht wirklich der Mühe wert. 34

Die zentrale intellektuelle Herausforderung angesichts der skizzierten Entwicklungen besteht darin, die Marktmetapher und andere Ideologeme auseinanderzunehmen, hinter denen sich der liberalistisch verbrämte Kapitalismus der Moderne immer schon verborgen hat und die heute die neue Weltordnung des US -dominierten, globalen Spätkapitalismus der Postmoderne stützen. Nur unter der Voraussetzung einer grundlegenden Kritik der Marktideologie kann überhaupt der Gedanke an eine neue Meta-Erzählung von Gerechtigkeit aufkommen. Im Internet figuriert Comenius als Schutzpatron jenes alteuropäischen Projekts, das darauf zielt, alles Wissen allen zugänglich zu machen. Die Neufassung dieses Projekts steht heute zur Dispos ition. Im Zentrum steht u.a. die Frage, ob es gelingen kann, den Abbau des öffentlichen Sektors für die Bereiche Bildung und Wissenschaft zu stoppen. Denn der Erhalt eines öffentlichen Bildungsund Wissenschaftssystems, von gemeinschaftlich verantworteten Schulen und Hochschulen, ist heute weithin gleichbedeutend damit, die Zugänge zu den elektronischen Datenbanken und Kommunikationsmedien offenzuhalten und der vollständigen Monopolisierung und Kommerzialisierung durch transnational operierende Konzerne zu entziehen. Damit ist zugleich die Frage aufgeworfen, welche Inhalte und Leitfiguren, welche Ordnung des Wissens heute, im Zeitalter der Postmoderne, an die Stelle dessen treten könnten, was am Beginn der Moderne im Modell der “Bildung des Staatsbürgers” kulminierte (zu dessen vorrangigen, gemeinschaftlich auszuübenden Kompetenzen die Kontrolle der nationalstaatlichen Regierungen gehören sollte). Und dies wiederum setzt eine Auseinandersetzung mit der Frage voraus, ob es heute gesellschaftliche Gruppen gibt, die zum Subjekt der fälligen historischen Neudefinition des Öffentlichen und des Privaten werden können - Gruppen, die willens und in der Lage sind, den Primat der Politik über die Ökonomie zu gewinnen, um die Verwertungsbedingungen des Kapitals, die Bedingungen des Wirtschaftens überhaupt, global und lokal zu definieren und zu kontrollieren. Ein solches Subjekt kann offensichtlich kein im nationalstaatlichen Politikrahmen agierendes sein.

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Weber, Peter J.: Technisierung und Marktorientierung von Bildung in Europa. In: Lohmann/Rilling 2001. Weiß, Manfred: Internationaler Bildungswettbewerb. Ts. Für die AG Künftige Struktur der Lehrerbildung des Wissenschaftsrates am 23. Nov. 2000. In: GEW-Hauptvorstand, PISA-Info 04/2001.

Fußnoten /1/ Zumal hier andererseits die Gefahr ungerechtfertigter Glorifizierung eines Bildungsverständni sses besteht, das zur Verschleierung der im Ökonomischen wurzelnden, ungleichen Klassenlagen beiträgt. /2/ “Für die bundesdeutsche Debatte ist (...) bezeichnend, dass die massive Durchsetzung schichtenspezifischer Vorteile (vermittels des Bildungswesens) stets unter der Überschrift ‘Mehr Gleichheit’ erfolgte. Darunter wurde aber nicht ein Mehr an öffentlicher Förderung für junge Menschen mit weniger vorteilhaften häuslichen Startbedingungen verstanden, sondern die strikte Gleichbehandlung möglichst aller.” (Ehmann 2001) /3/ Wer sich bei anderer Gelegenheit wieder einmal kopfschüttelnd fragt, wie der überwältigende Hurrapatriotismus von 14/18 möglich war, möge sich die massenpsychologische Wirkungsweise des heutigen Bildungsdiskurses vergleichend vor Augen führen. /4/ Das Argument, es würde jetzt endlich einmal genauer hingeschaut, wo bisher immer bloß Unsummen von Geld ausgegeben wurden, ist für viele anscheinend besonders einleuchtend. Tatsächlich ist es nichts anderes als Begleitaspekt der epochalen Transformation des Bildungssystems in eine Abteilung der globalen spätkapitalistischen Ökonomie, bei der betriebswirtschaftlich “unproduktive Kosten” möglichst zu vermeiden sind. Ein zentrales Problem der Kritik der heute weltweit betriebenen ökonomischen Zurichtung der Bildungseinrichtungen besteht allerdings darin, dass sie - um es noch einmal zu betonen - allzu leicht Gefahr läuft, die längst kritisierte “Illusion der Chancengleichheit” (Bourdieu/Passeron) zu perpetuieren und die Ungleichheitsmechanismen der kapitalistischen Moderne den sich anbahnenden neuen, in ihrem Ausmaß aber noch unbekannten Ungleichheitsmechanismen der kapitalistischen Postmoderne im Bildungsbereich vorzuziehen. /5/ Vgl. zu den bildungspolitischen Strategien von OECD, Weltbank usw. Veröffentlichungen von Jürgen Klausenitzer, Frankfurt am Main, sowie Nico Hirtt (Belgien). /6/ Um überhaupt Eigentum an soviel Wissen zu erwerben, wie nötig ist, um es rentabel bewirtschaften zu können, wir Kapital investiert werden müssen: von abhängig bzw. (schein)selbständig Beschäftigten - durch Aufnahme von Krediten oder Hypotheken, Abschluss einer Ausbildungsversicherung (durch seine weitsichtigen und genügend zahlungskräftigen Eltern), Reinvestition von Teilen des Gehalts oder erzielten Gewinns in Fortbildung, Verpflichtung zur Arbeitszeitverausgabung/Wissensanwendung ausschließlich im Interesse des Investors/Arbeitgebers; vom Arbeitgeber in die teure Weiterqualifikation der in seinem Unternehmen Beschäftigten (eine Investition, die sich auszahlen muss). /7/ Wobei die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich natürlich nicht primär ein Effekt privatisierter und vermarktförmigter Bildungseinrichtungen ist, sondern den ök onomischen Grundstrukturen des Spätkapitalismus selbst entstammt. Nur haben vermarktete Bildungseinrichtungen ihren Ort eben mehr und mehr in diesen. /8/ Der seinerseits die Einbettung des dominanten Bildungsdiskurses in den Zusammenhang spätkapitalistischer Globalisierungsstrategien samt ihrer Herbeiführung neuer, “markt”-induzierter Ungerechtigkeiten vermissen lässt.

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STREITPUNKT ________________________________________________________ Ist genug Geld da - auch für die Bildung? Bildungsfinanzierungsmodelle auf dem Prüfstand Horst Bethge, Hamburg

In der Bundesrepublik muss erheblich mehr für die Bildung getan werden - das dämmert mittlerweile auch den Regierenden. Dabei befinden sie sich in einem durch ihre jahrelange verfehlte Politik selbstverschuldet im Dilemma: Den Betroffenen wird immer wieder gesagt, es sei kein Geld da. Die Gewerkschaften, Sozialverbände, Wissenschaftler und die PDS weisen andererseits immer wieder darauf hin, dass der Satz falsch ist: Dem enorm gewachsenen privaten Reichtum stehen schrumpfende Einnahmen des Staates gegenüber, der nun vor allem im Sozial-, Bildungs -, Kulturund Infrastrukturbereich Ausgaben kürzt. Das ist kein Sachzwang, sondern unsoziale Politik. Seit Beginn der 90er Jahre haben sich die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen um etwa 50 % erhöht, die Zahl der Einkommensmillionäre ist ebenfalls um die Hälfte gestiegen, und es gibt in der BRD über 1 Million Vermögensmillionäre. Aber das Aufkommen aus der veranlagten Einkommenssteuer ist stark gesunken - während das Lohnsteueraufkommen erheblich gestiegen ist. Betrug 1960 die Relation noch 9 : 8, so war sie 1999 schon 1 : 12. Hinzu kommt, dass die Besteuerung der Gewinne auch rasant gesunken ist: Betruf sie 1980 noch 23,7 %, so sank sie 1997 auf nur noch 8,5 %. Angesichts dieser Situation wirkt die Eichelsche Steuerreform verschärfend, denn die Unternehmer sollen um 8 - 10 Mrd. DM weiter entlastet werden. Der Staat, und hier besonders die Kommunen und Länder, werden also politisch arm gemacht. Allerdings gilt auch, dass die kommunalen und landesunmittelbaren Möglichkeiten, die Einnahmeseite zu verbessern, zumeist nicht ausgeschöpft werden. Die Folgen dieser Politik für den Bildungsbe- Die Ausgaben für Bildung sinken: reich: Ausgaben je Schüler in DM Öffentl. Bildungsausgaben in Preisen von 1975 in % des Bruttoinlandsprodukts 1975 1995 1998

4,9 % 4,1 % 3,8 %

1975 1995 1998

2.600,-3.900,-3.680,--

(Bildungsbericht der Bund/Länder-Kommission f. Bildungsplanung v. 1.3.2000) In anderen Ländern steigen die staatlichen Bildungsausgaben dagegen kontinuierlich, so dass die BRD nach der jüngsten Statistik der OECD mittlerweile ins Hinterfeld geraten ist: Schweden gibt 6,8 % des Bruttoinlandsprodukts an öffentlichen Geldern für die Bildung aus - und steht damit an der Spitze, gefolgt von Dänemark mit 6,5 %, Finnland mit 6,3 %. Selbst Polen und Portugal liegen mit 5,8 % noch vor der BRD mit 4,5 %, während Griechenland mit 3,5 % das Schlusslicht bildet (Angaben für 1997, Quelle: OECD 2000). Aus drei Gründen kann nun die bisher betriebene Kürzungspolitik nicht länger fortgesetzt werden: 1. Wer, wie die Schröder-Fischer-Bundesregierung die gesamte Politik auf den Gewinn in der Standortkonkurrenz zwischen USA und Japan ausrichtet, kann nicht die eigenen Standortbedingungen verschlechtern. 2. Die zunehmende Computerisierung verändert das Gesicht der einzelnen Faktoren in der Wertschöpfungskette Rohstoffe und Werkzeuge, Kapital und Arbeit. Die Arbeit, das “lebendige Kapi38

tal” erhält dadurch mehr Gewicht, dass die Lerntätigkeit der Subjekte selber zur Mehrwertabschöpfung zunehmend beiträgt und genutzt wird, denn im lebenslangen Lernprozess wird die Arbeit durch die Dialektik von Lernen, anzuwendendem Arbeiten und erneutem Lernen innovativer und kreativer. 3. Das Ersetzen der weggekürzten Bildungsausgaben durch erhöhte Elternbeiträge und das Abwälzen durch zunehmende Belastung auf die PädagogInnen (Arbeitszeitverlängerung und Arbeitsverdichtung) stößt an erkennbare Grenzen. Also sinnen Think-Tanks und Bildungspolitiker seit einer Weile über neue Bildungsfinanzierungsmodelle nach, die sowohl den Umbau des Bildungswesens beschleunigen und gleichzeitig die Kosten senken sollen. Das nun soll durch gleichzeitige Aktivierung höherer Elternbeiträge und privater Mitfinanzierung erfolgen. Den Anfang macht 1994 der ERT (Europäischer Rundtisch der Industriellen), dem damals 46 führende Industrielle angehörten - von Agnelli (dem Chef von FIAT), über die Chefs von Shell, Britisch Steel, Norsk Hydro, Ericsson, BAT, Unilever bis hin zu Bayer, Bosch, Krupp, Veba, Thyssen, Siemens, Daimler-Benz und Bertelsmann aus der BRD. Es “ist zweifelhaft, ob die öffentlichen Bildungsausgaben eine deutliche Steigerung erfahren. Daher richtet sich unsere Aufmerksamkeit auf private Investitionen in Bildung und auf ein besseres Management der Bildungshaushalte ... ist die Industrie der Ansicht, dass es besser ist, verfügbare Mittel wirksamer einzusetzen, als noch mehr auszugeben” (S. 14). Neben strukturellen und inhaltlichen Vorschlägen im Einzelnen stehen Vorschläge zur “Einführung von Managementtechniken”, “Innovation durch Medien und Management”, “Qualitätssicherung” unter TQM (total quality management) im Vordergrund. Der “Verschwendung” soll durch Vergleiche begegnet werden. 1997 begann der Bertelsmann-Konzern sich in diesem Sinne zu engagieren, was in einem Memorandum “Zukunft gewinnen - Bildung erneuern” gipfelte. Darin werden neben anderen Bereichen Modell zur “Delegierung von Personal- und Budgetverantwortung an die Schulen und Hochschulen entwickelt, was sich besonders in der Aäquierierung von “Sponsorengeldern aus regionalen Entwicklungsfonds” (S. 39) für Schulen und in “Globalbudgets” der Hochschulen zeigt. Für die Regionalfonds sollen, “ohne das die Finanzmittel durch öffentliches Haushaltsrecht behindert werden”, “private Mittel” erschlossen werden (S. 41). Bei den Hochschulen sollen “Finanzmittel für Lehraufgaben an die Nachfrage” gekoppelt werden (“Geld folgt Studierenden”), private Studienbeiträge erhoben und “individuelle Kosten ... wie Investitionen behandelt” werden. “An die Stelle des bisherigen Bafög, des Kindergeldes und der steuerlichen Förderung von Studierenden sollte eine staatliche Investitionsförderung” ... als “pauschale, befristete Sockelfinanzierung für alle Studierenden” ... und “zweitens ein System des Bildungssparens und von Darlehen mit einkommensabhängiger Rückzahlung” treten (S. 50/51). Der Bildungsrat der gewerkschaftsnahen Hans -Böckler-Stiftung trat wenig später dadurch hervor, dass er Vorschläge für ein System des individuellen Bildungssparens auf einzurichtenden Bildungskonten in Verbindung mit vom Staat auszugehenden Bildungsgutscheinen und Darlehen in einem Gutachten unterbreitete. Erstmals griff er in Deutschland damit eine in den 50er Jahren entwickelten Idee der als “Chicago Boys” in den USA bekanntgewordenen Ultraliberalismus-Schule Milton Friedmanns auf. Staatliche Gelder sollten nicht mehr an die Bildungsinstitution, sondern an die Familien als “Konsumenten” fließen, die sie dann an einer von ihnen frei gewählten Bildungseinrichtung abgeben. Erreicht werden soll damit die Bereitstellung eines nachgefragten Bildungsangebots und ein innovationsfördernder Wettbewerb. Unterschlagen wird von der Böckler-Stiftung, dass die Einführung des Gutschein-Systems in den USA zu einer drastischen sozialen Polarisierung geführt hat und deshalb vielfach rückgängig gemacht wurde. Übrigens ebenso in England, Schweden und Neuseeland, wo es ähnliche Finanzierungsmodelle gab. Gerade zu Ende gegangen ist eine Tagung der den Grünen nahen Heinrich-Böll-Stiftung zur Bildungsfinanzierung. Zwölf Gutachter haben ein Papier vorgelegt, das eine “neue Balance von öffentlichen und privaten Mitteln” vorsieht, zu der stärker privat und durch Stiftungen beitragen werden soll. Auch die Einführung von Studiengebühren ist vorgesehen - allerdings erst nach erfolgtem Studium, wo gewährte Darlehen auf das Bildungskonto zurückgezahlt werden. Anders als andere Fi39

nanzierungsmodelle fordert die Böll-Stiftung allerdings zuvor eine Erhöhung der Staatsbeiträge. “Je größer der private Nutzen ... desto legitimer ist es, finanzielle Eigenbeiträge bei der Realisierung des individuellen Rechts auf Bildung zu verlangen”, heißt es. Damit hat der allumfassende Warencharakter unserer kapitalistischen Gesellschaft auch die Bildung zur Ware gemacht. Lernen wird zur Technik des Erklimmens von Karriereleitern. Der Tauschwert der Bildung wird zum alleinigen Kriterium der zu erreichenden Bildung, die Inhalte sind nur in Bezug auf höheren potentiellen Tauschwert relevant. Die Inhalte werden dem Individuum fremd und äußerlich. Das Sich-Bilden, der Bi ldungsprozess, wird nicht mehr als Prozess der Selbstschöpfung und Selbstaufklärung verstanden, sondern als Vorbereitung auf künftige Verwertbarkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Die Bildung dient dem Menschen nur noch als Mittel der Selbstbehauptung gegenüber anderen im Konkurrenzkampf, Wettbewerb, Leistungsdifferenzierung, Ausl ese, Eliteförderung sind bildungspolitischen Indikatoren für Eindringen des Standortwettbewerbs in das Bildungswesen. Die Autonomie der Einzelschule und der Rückzug des Staates aus der Verantwortung bilden den passenden Rahmen. Beachtlich, dass sich die Grünen dabei zum Motor machen! Das “Forschungsinstitut für Bildungs - und Sozialökonomie” in Köln wird noch deutlicher. Ende Mai veranstaltete es einen Kongress zur “Nachfrageorientierten Bildungsfinanzierung” in Kitas, Schule und Hochschule, um “Modelle, d.h. vor allen Dingen Bildungsgutscheine und Pro-KopfZuweisungen” in Deutschland zu entwickeln. Als Beispiele dafür sind Kita-Card-System in Hamburg und Kindergarten-Gutscheine in England, der “Nacka-Voucher-Plan” aus Schweden und Bildungsgutschein-Modell in den USA, England und Chile. Vom staatlichen Mindeststandards, Nachteilsausgleichen für Einkommensschwache oder ImmigrantInnen und der sozialen Ausgleichsfunktion des Bildungswesens oder einer allgemeinen Daseinsvorsorge durch das staatliche Bildungswesen ist nicht die Rede. Noch weiter geht die Handelskammer Hamburg, die in einem gerade jetzt, rechtzeitig vor der nächsten Bürgerschaftswahl, veröffentlichtem Gutachten fordert, die heute jährlich von Steuerzahlern aufgebrachten 12.000 DM pro Schüler direkt in Form von Bildungsgutscheinen an die Eltern bzw. Schüler zu geben und alle Hamburger Schulen zu privatisieren, Lizenzen für die private Eröffnung von Schulen staatsseitig zu vergeben und die staatliche Verantwortung auf die Rechtsaufsicht, die Lizenz- und Zertifikatsvergabe zu beschränken. Widerstand regt sich bisher nur bei den direkt Betroffenen, bei der GEW und der PDS, die einen Politik- und Paradigmenwechsel einfordern: Ausgehend von einem emanzipativen Bildungsbegriff wird gefragt: Was muss für das 21. Jahrhundert gelernt werden? Und es ist staatliche Verantwortung, die dafür nötigen personellen und finanziellen Ressourcen dann auch zur Verfügung zu stellen. Bildungsvorstellungen dürfen nicht im Vorab durch deren gegenwärtigen Finanzierungsmö glichkeiten begrenzt werden, sollen sie zukunftsoffen sein und über die bestehenden Verhältnisse hinausführen. Um so erfreulicher, dass sich jetzt auch innerhalb der Sozialdemokratie Gegenpositionen artikulieren. Der große alte hessische Schulreformer Ludwig von Friedeburg zeichnet in einem Buchbeitrag “Schulentwicklung zur Ungleichheit” nach. Und Christoph Ehmann plädiert im Namen der Chancengleichheit wenigstens “bis zum Abschluss der Sekundarstufe I” für Gebührenfreiheit, “das heißt zunächst, dass Kindergartenbeiträge abzuschaffen sind.” Erst für die Sekundarstufe II spricht er sich für Elternbeiträge aus (Frankfurter Rundschau, 14.04.01). Da die modernistischen Finanzierungskonzepte in der BRD durch internationale Netzwerke und Institutionen abgestützt sind - gleiche Orientierungen finden sich bei Weltbank, OECD und der EUKommission - und im internationalen Rahmen ein weiter Umbau vorbereitet wird, ist breiter überregionaler Widerstand nötig. Mit einem öffentlichen Protest gegen Schulschließungen in Sachsen oder die Einführung der Kita-Card in Hamburg allein kommt man dem internationalen Trend nicht bei. Zu mächtige Interessen stehen dahinter. Immerhin verhandeln die WTO-Staaten darüber, den freien Welthandel auch auf den freien Handel mit Dienstleistungen einschließlich Kultur und Bildung auszudehnen - GATS-Verhandlungen genannt. Wird das GATS -Abkommen geschlossen, kann keine nationale Regierung allein mehr den internationalen Bildungskonzernen aus den USA, die Schulen und Hochschulen als private Unternehmen unterhalten, oder auch nur den nationalen wie Bertelsmann durch nationale Gesetze Hürden entgegenstellen. 40

“Jede demokratische Bildungsreform beginnt damit, hier und heute gegen wachsende Ungleichheit anzugehen,” haben wir auf der 8. Bildungspolitischen Konferenz in unser 15-Punkte-Papier geschrieben. Dass dazu auch die Diskussion über die sozialen Bildungsfinanzierungsmodelle gehört, wird aus den Kontroversen deutlich, die es bei der GEW und auf der 8. Bildungspolitischen Konferenz der PDS darüber gab. Denn wer davon ausgeht, dass die Bildungsreform nicht staatlich zu finanzieren ist, beschleunigt objektiv die Privatisierung des deutschen Bildungswesens. Statt dessen ist mit Oskar Negt “eine Gesamtbetrachtung über gesellschaftlichen Nutzen und gesellschaftliche Kosten, die man als eine “Ökonomie des ganzen Hauses” bezeichnen könne”, angesagt. “Die Bundesrepublik kann sich die Dominanz eines begrenzt ökonomischen Ansatzes nicht mehr leisten. Sie braucht eine Ökonomie auch für das soziale Ganze und auch für den Haushalt der Natur. Es geht um eine Ökonomie, die nicht das Ökonomische verabsolutiert, sondern im ursprünglichen Sinn das Wortes “oikos” (Haus) für das “ganze Haus” sorgt.” Dem entspricht auch “die geschichtliche Erfahrung: Nichts ist teurer, als überholte Verhältnisse am Leben zu erhalten, nichts ist kostspieliger als Nicht-Reform”. Darum plädiere ich für eine Bildungskampagne mit diesen Positionen.

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Förderschulen ohne Gewalt Alexander Bolz, Leipzig Über ein Projekt der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen e.V. zum Thema “Förderschulen ohne Gewalt” im Schuljahr 2000/2001 Die Zunahme von Gewalt an den sächsischen Schulen ist besorgniserregend, so dass es im Landtag mehrfach zu Kleinen Anfragen an das entsprechende Fachministerium gekommen ist. Der Landtag wurde u.a. dazu aufgefordert, eine Anhörung zum Thema “Schule und Gewalt” durchzuführen, was auch geschah. Diese und andere Initiativen sind natürlich zu begrüßen, aber sie reichen keineswegs aus, angesichts der sich häufenden Gewalttätigkeiten an den Schulen. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen e.V. erklärte darum das Thema “Jugend und Gewalt” zu einem ihrer Schwerpunkte, wobei sich die Aufmerksamkeit zunächst auf die Förderschulen richt ete. In einer Studie, die bereits 1999 unter SchülerInnen der 9. Jahrgangsklassen in Leipzig erfolgte, wird unter dem Stichwort “massive Schulgewalt” festgestellt, dass die Gewalttaten an den Förderschulen für Lernbehinderte und für Erziehungshilfe fast doppelt so hoch sind wie an den Hauptoder Mittelschulen, was durch den extrem hohen Anteil “verbaler und seelischer Gewalt” bedingt ist. Das Miteinander wird vor allem durch unflätige und verletzende Redensarten bestimmt, “weil intellektuelle und sprachliche Fähigkeiten für sachliche Kommunikation und Auseinandersetzung nicht in genügendem Maße entwickelt sind”./1/ Die tendenziell zunehmenden Gewalttaten an den Schulen der neuen Bundesländer sind auch in eine bedenkliche Nähe von Kriminalität und Rechtsextremismus gerückt. Die Stiftung sah deshalb gerade hier einen Ansatzpunkt ihrer Betätigung. Im September des Jahres 2000 schrieb die Rosa-Luxemburg-Stiftung das Projekt “Förderschule ohne Gewalt” aus, woran sich fünf von 18 Förderschulen beteiligten und im April des Jahres 2001 sechs Exponate einreichten. Die Ausschreibung wurde vom Arbeitskreis Bildung und Erziehung inhaltlich unterstützt, wobei es vorrangig um pädagogische Aspekte ging. Wir übergaben den Förderschulen ein Material mit dem Titel: “Gewalt an Schulen - gibt es Gegenstrategien?”. Es enthält die wichtigsten Beiträge, die auf einem Workshop von einem interessierten Teilnehmerkreis intensiv diskutiert worden sind und behandelt Wege und Methoden zur Lösung des Problems an den Förderschulen. Der Erfolg dieser Veranstaltung bestärkte uns in der Annahme, einen richtigen Weg eingeschlagen zu haben, auf dem wir weitergehen wollen. In den weiteren Ausführungen wollen wir auf inhaltliche Probleme eingehen, die auf dem erwähnten Workshop diskutiert wurden und u.E. von allgemeinem Interesse sind. Einleitend vermittelt H. Adam, Berlin, überblicksartig Ansprüche an pädagogisches Handeln und an pädagogische Befähigung, die das Konfliktfeld Rechtsextremismus und Gewalt unter Jugendlichen betreffen, wobei er darauf eingeht, wie Rechtsextremismus und Gewalt sowohl in der Gesellschaft als auch an den Schulen zurückgedrängt werden können. Er fordert eine präventive, offene Jugendarbeit, “die die Jugendlichen dort anspricht”, wo sie sich befinden, was gegenwärtig besonders zu wünschen übrig lässt. W. Jahn zeigt in seinem Beitrag die besonderen Möglichkeiten “präventiver und reaktiver Arbeit gegen Gewalterscheinungen an Förderschulen” auf. Er ist Vorsitzender des Fördervereins der Förderschule “Ernst Zinna” Leipzig und trifft in seinem Beitrag folgende bemerkenswerte Feststellung: “Je stärker an Förderschulen Gewalt und abweichendes Verhalten auftreten, desto weniger ist es möglich, jeden Schüler intensiv zu fördern - je besser die individuelle Förderung jedes Schülers verwirklicht werden kann, desto weniger werden Gewalt und abweichendes Verhalten auftreten und die Bildungsarbeit erschweren. Deshalb müssen auch die Rahmenbedingungen (Klassenstärken, Lehrerstundenzahlen, Förderstunden) verbessert werden”./2/ Letzteres ist eine Aufforderung an die Politik, die sich in dieser Hinsicht recht schwer tut, um eine befriedigende Lösung anzustreben.

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Von besonderem Interesse ist der Beitrag von R. Engelmann, der ein Schülerprojekt zur Konfliktbewältigung an der Förderung “Fritz Gietzelt” Leipzig vorstellt. Das gesamtschulische Projekt seiner Schule hatte im letzten Schuljahr das Thema “Gewalt mach einsam”, was für Förderschüler besonders einprägsam ist. Engelmann stellte der Reihe nach die Planungsphase des Projektes, die Angebote an die Schüler, die Suche nach Partnern, die Struktur der Projektwoche, das methodische Vorgehen vor und berichtete abschließend über die Ergebnisse. Die Schüler sollten zeigen, “wie Mitschülern Hilfe im Umgang mit Gewalt zu geben ist”./3/ An dieser Stelle können wir nur eine kleine Auswahl vorstellen: - Hergestellt wurde ein “Antigewalttagebuch”. - Drei Schüler “schnitten” 160 Minuten “Gewalt”-Szenen aus dem Fernsehen zusammen, was für die Betrachter eine Tortur bedeutete, denn niemand war ber eit, sich alles bis zu Ende anzusehen. - eine Klasse schrieb ein kleines Puppenstück und führte es unter viel Beifall auf. Die Kinder stellten die Puppen auch selbstständig her. Alles in allem kann man feststellen, dass das Projekt durchaus nachahmenswert ist, und zwar nicht nur für Förderschulen, wenn man das Grundanliegen sowie das methodische Vorgehen auf die spezifische Situation einer anderen Schule anzuwenden versteht. Ein wertvolles Mittel, damit Schüler einen Großteil ihrer Konflikte selbst zu lösen vermögen, sind die Schlichtergruppen an den Schulen. W. Wildfeuer von der Sächsischen Akademie für Lehrerfortbildung in Meißen stellte Gedanken und Erfahrungen zur Schülerschlichtung vor. Der Referent stellte anhand seiner eigenen Beobachtungen fest, dass Schulen tatsächlich gewaltfreier geworden sind, und das beweist auch die Tätigkeit vieler engagierter Schlichtergruppen an den Schulen der Bundesrepublik insgesamt. “Schülerkonfliktlösung oder auch Schülermediation bedeutet”, so Wildfeier, “dass unter Mitwirkung eines Schülerschlichters (Mediator) Konflikte zwischen zwei Schülern durch ein Schlichtergespräch gelöst werden”./4/ Ausführlich legte der Referent dar, was das Besondere einer Schülerschlichtung ausmacht, welche Rahmenbedingungen vorhanden sein müssen, um überhaupt erfolgreich wirken zu können, auf welche Weise Lehrer, Eltern u n d Schüler mit dem Schlichterproblem bekanntzumachen sind und wie schließlich die Ausbildung und Betreuung der Schüler gestaltet werden kann. Auf Einzelheiten können wir an dieser Stelle nicht eingehen. Nur soviel: Schlichtung als NurLehrerprojekt scheitert und Schlichten heißt auch, gelebte Werte zu gestalten. Schlichten ist keinesfalls ein Allheilmittel gegen Konflikte aller Art, aber Schulen werden “besser”, die das in ihre Erzi ehungsarbeit einzubeziehen verstehen. Im letzten Beitrag referierte P. Jogschies vom Institut für Förderpädagogik an der Universität Leipzig über die Potenzen der Schule zur Gewaltprävention. Niemand solle erstaunt sein, was Schüler heutzutage alles als gewalttätig erleben und auch empfinden. Da ist e i n m a l die strukturelle Gewalt selbst, z.B. als Schulpflicht, willkürliche Zusammensetzung von Klassen oder in Form von Lehrplänen verstanden und zum a n d e r e n die psychische Gewalt (z.B. gegen Schüler, Schüler unterschiedlicher Klassenstufen u.a.) sowie schließlich die physische Gewalt (z.B. Schüler untereinander, gegen Lehrer, usw.). Der Referent verwies auf die verschiedensten Potenzen für eine Gewaltprävention an der Schule, und zwar 1. auf organisatorische Möglichkeiten und Grenzen, 2. auf den Unterricht als pädagogisches Übungsfeld (z.B. Inhalte, Lehrer-Schüler-Interaktion, schülerorientierte Unterrichtsformen). 43

Jogschies verwies auf eine Schrift von Schubarth/Ackermann, die in einer ihrer neuesten Publikationen darauf hingewiesen haben, dass nämlich schulische Risikofaktoren für Gewalt an den Schulen vor allem als “gestörtes Sozialklima sowie ungenügend entwickelte Schul- und Lernkultur in Erscheinung” treten./5/ Über die hier vorgetragenen Meinungen und Projekte ist natürlich weiter nachzudenken und kontinuierlich auch an p ä d a g o g i s c h e n Lösungen für die Schule generell zu arbeiten. Wir denken, die Erfahrungen dieses Projektes nunmehr auf die Mittelschulen der Stadt Leipzig übertragen zu können und hoffen, hier einen Beitrag zur Zurückdrängung von Gewalt und Rechtsextremismus auf unsere Art leisten zu können.

Fußnoten /1/ Gewalt an Schulen - gibt es Gegenstrategien? Beiträge von einem Workshop. RosaLuxemburg-Stiftung Sachsen e.V., Januar 2001, S. 7 /2/ Ebenda, S. 8 /3/ Ebenda, S. 17 /4/ Ebenda, S. 19 /5/ Ebenda, S. 33

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Schule und Unterricht zwischen pädagogischem Anspruch und kapitalistischer Marktwirtschaft Ein Nachtrag zu Aussagen auf der Demonstration “Zukunft für Bildung” im November 2000 in Berlin (Vgl. “Zukunftswerkstatt Schule” 10/11 - 2000, Seite 23 ff.) Peter Blankenburg, Brandenburg

1. Schule und Unterricht sind gesellschaftlich bestimmt, d.h. unsere kapitalistische Gesellschaft schafft nicht nur mehr oder weniger günstige äußere Rahmenbedingungen für den Unterricht, also z.B. Schulen • mit ausreichend didaktisch-fachlich und psychologisch-sozial geschulten Lehrern, • mit einem bestimmten Lehrer-Schüler-Schlüssel bzw. einer maximalen Klassenfrequenz, • mit Rahmenlehrplänen, Stundentafeln, Schulgesetzen, Verordnungen usw., • mit einer den berechtigten Forderungen an den Unterricht und die Lehrer entsprechenden, angemessenen Ausstattung, sondern sie bestimmt – bewusst oder unbewusst, direkt oder indirekt, förderlich oder hemmend – ebenfalls über die schulischen und außerschulischen Lern- und Arbeitsbedingungen der Schüler, z.B. durch • Anspruch auf und Erlebbarkeit von Demokratie und Freiheit, • die gesellschaftlichen Regeln des Zusammenlebens der Menschen (deutsche Leitkultur kontra multikulturelle Gesellschaft), • die Anforderungen von Wirtschaft und Wissenschaft an die künftigen Absolventen der Schulen, • den Sozialstatus der Eltern und damit die häuslichen Lern - und Arbeitsmöglichkeiten der Kinder, • das Angebot von Fernsehen, Internet und anderen Massenkommunikationsmitteln. 2. Schulen (auch allgemeinbildende) sind wirtschaftliche Unternehmen mit einem Netz von Standorten, mit einer großen Zahl von zumeist hochqualifizierten Angestellten, mit kostenaufwendigen materiellen Bedingungen (Schul- und Sportanlagen, Gebäude, Klassen- und Fachunterrichtssowie Vorbereitungsräume, technische Ausstattung, Unterrichtsmittel usw.). Über die Relationen zwischen Verwaltungs-, Personal- und Materialaufwand, Schulzeit und Stundentafel sowie Schülerzahl und Klassenfrequenz lassen sich zwar die Kosten pro Schüler ermitteln, nicht aber das Kosten- Nutzen- Verhältnis. Nutzen wird bisher “gemessen” an Ergebnissen in Abitur- oder Abschlussprüfungen, an Sitzenbleiberzahlen, am Stand in der Rangreihe bei zentralen Vergleichsarbeiten, an der Zufriedenheit von Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern oder Hochschulen, z.T. auch am Wahlverhalten der Eltern nach der Grundschule. Obwohl alle diese Ansätze durchaus legitim sind, erfassen sie nur Teile/Aspekte der Ergebnisse von Schule und Unterricht, nicht aber das Wesen der Allgemeinbildung. Zudem negieren solche Ansätze die gesellschaftlichen und regional-konkreten Bedingungen, unter denen bestimmte Leistungen zustande kommen. Ein Kosten-Nutzen-Denken wie in anderen wirtschaftlichen Unternehmen bleibt in allgemeinbildenden Schulen so lange wenig sinnvoll, so lange keine verlässlichen Parameter

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des “Nutzens” gegeben sind. Deshalb wäre auch eine Reduzierung der Schule als Werbeträger und der Schüler auf Konsumenten eine Fehlentwicklung. 3. Unterricht ist ein widersprüchlicher sozialer Prozess, der sich vollzieht im Spannungsfeld von • systematisch stattfindendem Unterricht und solchem, der für die Schüler oft genug auch au sfällt, • planmäßigem und fachgerechtem Lehrereinsatz und spontanem, häufigem, doch fast regelmäßigem Einsatz zur Vertretung auch in Klassen, in denen die Lehrer sonst nicht unterrichten, • Schülern, die im Kollektiv lernen und arbeiten wollen und solchen, die die Schule vorwiegend zur eigenen Präsentation auf dem Rücken der Mitschüler ausleben oder die sich durch wi ederholtes unentschuldigtes Fehlen “auszeichnen” (sogenannte Schulschwänzer), • hervorragenden materiellen Bedingungen an Schulen reicher Kommunen mit zahlungskräftigen Sponsoren und solchen, die von der noch vorhandenen Substanz zehren und deren Gesamtausstattung immer dürftiger wird. 4. Unterricht in der allgemeinbildenden Schule wendet sich von der Grundschule bis zum Abschluss der Sekundarstufe I an alle Schüler im schulfähigen Alter mit ihren ganz individuellen Ausprägungen. Diese Schulen streben eine Integration behinderter Schüler ebenso an wie die Integr ation überdurchschnittlich leistungsfähiger. Sowohl der Unterricht als Ganzes wie auch der Unterricht in den einzelnen Fächern und Disziplinen ist für alle Schüler überwiegend einheitlich und nutzt die vielfältigen Möglichkeiten der inneren Differenzierung (“Drankommen”, differenzierte Aufgaben im Unterricht und unterschiedliche Hausaufgaben, differenzierte Hilfen des Lehrers durch Impulse, verschiedene Lernzeiten usw., Möglichkeiten der Partner- und Gruppenarbeit). Zusätzlich zum einheitlichen, verbindlichen Unterricht für alle sichert die Schule auch Möglichkeiten der äußeren Differenzierung, d.h. ein für die Schüler und ihre Eltern kostenloses Angebot schulischer, aber außerunterrichtlicher Bildungs- und Erziehungsmöglichkeiten. Damit können die Schüler spezielle Begabungen vervollständigen und ausprägen sowie ihren fachlichen Neigungen und Interessen nachgehen. Das schließt auch Nachhilfe/individuelle Fördermöglichkeiten zur Überwindung zeitweiliger Lernschwierigkeiten ein, die möglichst nicht von den Eltern zu bezahlen ist. Hier ordnet sich auch eine zusätzliche Förderung in der deutschen Sprache ein, wenn eine weitere Fremdsprache nicht in Frage kommt. Sollten alle diese Formen der äußeren Differenzierung nicht ausreichen, dann hat die Schule (Schulkonferenz) in Abstimmung mit dem Schulpsychologen sowie den Eltern und nur mit deren Zustimmung die Möglichkeit, dass durch die betreffenden Schüler eine Klassenstufe übersprungen oder wiederholt wird. Nur wenn es im besonderen Interesse außerordentlich begabter oder behinderter Schüler erforderlich ist, erfolgt im Ausnahmefall und auf Kosten des Landes der Unterricht in dafür speziell ausgerüsteten und geeigneten Spezialschulen unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten. 5. Schule und Unterricht sind kollektive Prozesse, die im gesellschaftlichen Rahmen durch die agierenden Lehrer und Schüler förderlich oder hemmend beeinflusst und bestimmt werden: • Die Schüler leben, lernen und arbeiten über längere Zeit (meist über mehrer e Schuljahre) gemeinsam in einer Klasse. Zwischen diesen Schülern entwickelt sich eine Gruppenstruktur (z.B. Rangordnung mit Funktionsverteilung), die den Aneignungsprozess im Unterricht ma ßgeblich beeinflusst. • Die Lehrer arbeiten (planen und organisieren, bilden und erziehen, beurteilen und reflektieren den pädagogischen Prozess) zwar allein vor und mit ihrer jeweiligen Klasse; aber: Sie tragen zu einer lernfördernden Schulkultur, zur Umsetzung eines schuleigenen Programms, zu einem motivierenden Schulklima nur dann bei, wenn sie als Lehrerkollektiv nach innen und außen wirksam werden (können).

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• Unterricht als kollektiver Lehr- und Lernprozess erfordert eigentlich von jedem Lehrer und von seinen Schülern gegenseitige Achtung und Respekt, angemessene Forderung und glaubwürdiges Handeln, Partnerschaft und Zusammenarbeit, Konfliktfähigkeit und Teamb ereitschaft. Auch wenn jeder Lehrer das letztlich mit seinen jeweiligen Klassen individuell verwirklichen muss, wird dieser Prozess durch die gemeinsame Planung und Gestaltung eines Schulprogramms unter Führung des Schulleiters (Rektors) befördert. 6. Guter Unterricht ist zwar geprägt durch kollektives Lernen und Teilnahme der Schüler am gesellschaftlichen Leben, zugleich aber auch Vorbereitung auf die künftige Arbeitswelt, auf produktive oder geistig- organisatorische, auf Erwerbs - oder ehrenamtliche Arbeit. Schule und Unterricht vorwiegend auf die Ausbildung und Entwicklung von Wissen und Können zu konzentrieren wäre deshalb ebenso falsch wie eine enge Berufsvorbereitung (“für den Standort Deutschland”). Erst die Verbindung des (traditionellen) Unterrichts mit produktiver Arbeit (Schulgarten, Werken, Betriebspraktikum, ...) und Sport (Gymnastik, Leichtathletik, Schwimmen, ...) für alle Schüler sowie deren Integration in das schulische (außerunterrichtliche) Leben sichert eine weitgehend allseitige Persönlichkeitsentwicklung. Das beginnt mit einer ausgewogenen Stundentafel, widerspiegelt sich in den Rahmenlehrplänen der einzelnen Schulstufen und Fächer (aber nicht unbedingt in den Plänen der Schularten in der Sekundarstufe I!) und muss letztlich auch im Schulkonzept zum Ausdruck kommen. Unterricht ist folglich nur zu verstehen als komplexer Prozess der Bildung und Erziehung in Einheit von Lernen und Arbeiten. 7. Schulen und Unterrichtsräume sind keine von der Gesellschaft abgesonderten Räume, sondern deren lebendiger Bestandteil vor Ort. Konkret wird diese Wechselwirkung vor allem • in der Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Eltern, im Miteinander in Erziehungsfragen ohne gegenseitige Schuldzuweisung, • in den ständigen/ hä ufigen Kontakten der Lehrer der Sekundarstufen I und II zur Arbeitswelt, z.B. durch Teilnahme an Betriebspraktika (polytechnisches Prinzip), durch Abstimmung mit der Berufsberatung des Arbeitsamtes, durch Rückkopplung mit jenen Einrichtungen, die die Schulabsolventen ausbilden, • in der Mitarbeit einzelner Lehrer als Abgeordnete in der Kommune oder in anderen schulübergreifenden Gremien sowie in der Reflexion ihrer Tätigkeit im Unterricht (z.B. in Politischer Bildung), • im Einbeziehen außerschulischer Partner (beispielsweise aus Wirtschaft oder Politik, Wissenschaft oder Glaubensgemeinschaften) in den Unterricht, durch Exkursionen und Besichtigungen, Forschungsaufträge und Befragungen der Schüler usw. • in der durch die Schulleitung gewährleisteten planmäßigen Verbindung des Unterrichts mit der außerunterrichtlichen Tätigkeit (Schulchor, Arbeitsgemeinschaften, Pausengestaltung, Schulzeitung usw.) ***** Die vorangestellten sieben Thesen sind meine Antwort auf die Aussagen von GEW und Lehrerverbänden, die in der Zukunftswerkstatt Schule 10/11/00 zusammen mit einigen Stellungnahmen erschien. Zwar hätte ich einzelne Inhalte dieser Erklärung anders zugeordnet oder anders akzentuiert, sicher auch dieses oder jenes noch ergänzt (man vgl. z.B. meine sieben Thesen), aber: Diese Erklärung bietet – bei allem Streitbaren – für Lehrer und Schüler, für Eltern und Repräsentanten unserer Gesellschaft sehr viel mehr, dem man durchaus zustimmen kann, soll, ja vielleicht sogar muss. Einziger Punkt, bei dem wirklich nachgehakt werden sollte, ist im Zusammenhang mit Punkt 9 die Verpflichtung und Verantwortung von Bildungspolitik und Bildungsverwaltung, die erforderlichen 47

Rahmenbedingungen zu sichern (was völlig richtig ist!), was dann aber vorsichtig darauf reduziert wird, die öffentliche Meinung über den Lehrerberuf zu verbessern. Doch genau umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Lehrer brauchen bei den derzeitigen und künftigen Anforderungen solche Arbeitsbedingungen, dass sich durch ihre pädagogische Arbeit, durch das Auftreten der ehemaligen Schüler in der Öffentlichkeit und im Beruf die öffentliche Meinung über die Lehrer ändert. Keine Appelle also, sondern Taten der Verantwortlichen von Bildungspolitik und Bildungsverwaltung! Wenn im Punkt 3 der gemeinsamen Erklärung die Qualität einer guten Schule und die Wirksamkeit eines guten Unterrichts auf ausgewählte Fähigkeiten der Lehrer reduziert wird, dann ist das eben nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte wird bestimmt durch die Lern- und Arbeitsbedingungen der Schüler und Lehrer. Die nachgewiesenermaßen berechtigten Forderungen im Interesse der Schüler und Lehrer sind bekannt. Einige wenige sollen hier erneut kurz dargestellt werden: 1. Keine Klasse mehr als 25 Schüler! 2. Senkung des Unterrichtsausfalls auf unter 2 % pro Klasse und Schuljahr, u.a. durch Sicherung einer ausreichenden Vertretungsreserve und Bezahlung aller Überstunden. 3. Anrechnung der Klassenlehrertätigkeit sowie der abrechenbaren Mitarbeit bei innerer und äußerer Evaluation - einschließlich Abschlussprüfung und Abitur - auf die Wochenstundenzahl (mit mindestens 2 Wochenstunden). 4. Fach-, stufen- und damit qualifikationsgerechter Lehrereinsatz; aber auch: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Die Behauptung, dass die gemeinsame Erklärung die Pädagogen daran hindert, gute Pädagogen zu sein, ist falsch. Hinderlich sind einzig die jetzigen Rahmenbedingungen, die durch Bildungspolitik und Bildungsverwaltung, durch die KMK und erst recht durch die meisten Bundesländer gesetzt werden. Wir sollten sie alle und immer wieder beim Wort nehmen! Wir sollten uns nicht mit leeren Versprechungen zufrieden geben, denn davon gab es schon viel zu viele! Wir sollten die gemeinsame Erklärung nicht pauschal kritisieren oder gar totschweigen, sondern überall mit ihr arbeiten, denn sie ist eine gute Grundlage dafür!

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INFORMATION ________________________________________________________ Zum ersten Male beim Seniorenseminar der GEW Brandenburg Horst Weiß, Strausberg Über das Mitgliedermagazin der GEW Brandenburg erfuhr ich (erstmals) etwas über die Aktivitäten des Landesseniorenausschusses, über die bereits zehn Jahre währenden Initiativen von Dr. HansJürgen Babeck und Dr. Rolf Böhme, aus allen Kreisen des Landes Senioren-Pädagogen zusammenzuführen. Und ich entschloss mich, am 11. Seniorenseminar teilzunehmen, in Helenenau (wo mag das liegen? Ich musste erst meine Brandenburgkarte befragen - nur wenige Kilometer von Strausberg aus nach Norden). Wenn schon die Sportfreizeitanlage des Reiterhofes, Pension und Gaststätte einen sehr guten Ei ndruck machten und zu weiteren privaten Besuchen animierten - das zweitägige Programm, Themata, Verlauf, Ergebnisse und vor allem die für mich neuen Kommunikationsmöglichkeiten führten mich zu meiner Entscheidung: Es war das erste, aber nicht das letzte Mal. Es war einfach beeindruckend, äußerst interessant und anregend (für eigene weitere Überlegungen, für eigenes weiteres Agieren (vor Ort”), was die eingeladenen Persönlichkeiten zu ihrem Thema zu sagen hatten und was dann jeweils in den lebendigen, gehaltvollen und sachkundigen Aussprachen stattfand: • zu den schulpolitischen Positionen und Aktivitäten der bundesweiten GEW - vorgetragen von Koll. Renato Albustin, der für die erkrankte Marianne Demmer vom Hauptvorstand eingesprungen war; • über die berechtigte Kritik am sogenannten Rentenstrukturgesetz - mit großer Sachkenntnis und persönlichem Engagement erörtert von Monika Balt, PDS-Bundestagsabgeordnete; • über die allerorts und seit Jahren nun schon ständig zunehmende Gewaltbereitschaft in der bundesdeutschen Gesellschaft, den zunehmenden Vandalismus gegen Sachen und Personen und besonders über den anwachsenden Rechtsradikalismus, über Fremdenfeindlichkeit und erschreckende Gewaltaktionen gegen Ausländer - und dies insbesondere seitens Jugendlicher, die zu “Wendezeiten” vielleicht sogar erst drei bis fünf Jahre alt waren, und über die mehr oder weniger intensiven, konsequenten Bemühungen der Justizorgane zur Ahndung solcher Gewaltakte. Das alles wurde emotional bewegend dargestellt vom Jugendrichter A. Müller vom Amtsgericht Bernau;

• und abschließend über die aktive Bildungs - und Schulpolitik des GEW-Landesverbandes, insbesondere im Kontext mit der dritten Schulgesetznovelle der derzeitigen Landesregierung - wie schon vielerorts überzeugend und engagiert erläutert von unserem Vorsitzenden Günther Fuchs. (Was mich besonders berührte, war sein Eintreten für eine entwicklungs- und lernpsychologisch begründete vorschulische Förderung aller Kinder und für eine Schule für alle Kinder.) Für mich, der ich erstmalig an einem solchen Seminar teilnahm, war auch sehr informativ und beeindruckend, mit welchem persönlichen Einsatz viele der anwesenden Kollegen Seniorinnen und Senioren sich in den verschiedenen Regionen des Landes für eine Kommunikation zwischen den aus verschiedenen Gründen aus dem Schuldienst ausgeschiedenen Kollegen ideenreich einsetzen. Eine Anregung versuchte ich aus meinen “Nachwendeaktivitäten” einzubringen: Wichtig wäre zukünftig auch Themen und Formen zu finden, dass noch tätige Pädagogen, Lehrer und Erzieherinnen und die erfahrenen, bereits ausgeschiedenen Kollegen gemeinsam bildungspolitische und pädagogische Probleme erörtern können und zu möglichs t auch gemeinsamen Aktivitäten finden. 49

In der Stadt Strausberg z.B. organisieren zwei, drei engagierte Bildungspolitiker gemeinsam mit GEW-Vertretern eine sogenannte Gesprächsrunde “Lehrer - Eltern - Schüler im Gespräch” - ein-, zweimal im Jahr. Die erste Gesprächsrunde hatte das Thema “Was erschwert heute den Lehrern gute Pädagogen für ihre Schüler zu sein?” Eine weitere Runde erörterte - unter sehr aktiver Teilnahme von Schülern - das Problem “Wie demokratisch geht es an unseren Strausberger Schulen zu?” Und eine weitere Gesprächsrunde im Herbst 2001 könnte unter Umständen dem Thema gewidmet sein “Zunehmende Chancenungleichheit in der Gesellschaft und Chancengleichheit im Bildungswesen - ist das real und möglich?” Interessiert zeigten sich die anwesenden Kollegen, als ich vom Berlin-Brandenburger-Forum “Schule - Pädagogik - Gesellschaft” berichtete, dass nun schon über hundet Kolloquien seit 1991 veranstaltet hat: Erziehungswissenschaftler, Bildungspolitiker, Kommunalpolitiker, tätige Pädagogen erörtern in diesen Kolloquien aktuelle pädagogische und bildungspolitische Probleme, oft auch mit direktem Bezug zur Situation in Brandenburg.

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Qualitätsstandards zur Sozialarbeit an Schulen im Landkreis Märkisch-Oderland Herta thor Straten, Strausberg

Sozialarbeit an Schulen ist ein eigenständiges Arbeitsgebiet der Jugendhilfe, das innerhalb der Organisationsform Schule tätig wird. Es begreift sich als Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule und wendet sich gegen die Unterordnung eines der beiden Bereiche unter den anderen. Sozialarbeit an Schulen trägt maßgeblich dazu bei, Schule als Lebensort von Kindern und Jugendlichen zu gestalten. Sie orientiert sich an den Lebenswirklichkeiten, den individuellen Bedürfnissen und Besonderheiten sowie an den Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen. Hierbei kann es jedoch aufgrund regionaler Strukturen, verschiedener Schultypen sowie unterschiedlicher Bedarfslagen zu unterschiedlicher Schwerpunktsetzung der Sozialarbeit an Schulen kommen. 1. Aufgaben 2. Prinzipien der sozialen Arbeit 3. Grundvoraussetzungen 4. Der Projektträger 5. Die Schule 6. Die Beschäftigten 7. Ausstattung 8. Anlagen a) Thesen zur Sozialarbeit an Schulen b) Beispiel einer Stellenbeschreibung

1. Aufgaben a) Sozialarbeit an Schulen innerhalb der regulären Schulzeit beinhaltet: - Einzelfallhilfe von Schülern in Konfliktsituationen (das Ziel solcher Hilfen ist nicht die unreflektierte Anpassung an bestehende Ordnungen, sondern die Schüler sollten in die Lage versetzt werden, die momentanen Probleme besser analysieren zu können, um anschließend geeignete Lösung smöglichkeiten für sich herauszufinden) - Förderung bzw. Stärkung des Sozialverhaltens und der Gruppenfähigkeit im schulischen Bereich - Beratungstätigkeit für Schüler, Eltern und Schulmitglieder sowie sozialpädagogische Betreuung von Schülern oder Schülergruppen - Mitorganisation und Mitbetreuung von schulischen Freizeiten, Klassenfahrten und Projektwochen/tagen - Teilnahme und Mi tspracherecht sowie Anhörungsmöglichkeit bei schulischen Konferenzen, Elternabenden oder sonstigen schulischen Veranstaltungen - gezielte Mitwirkung bei “Krisengesprächen” mit Eltern, Lehrern und Schülern - Mitarbeit und Hilfestellung bei Unterrichtsprojekten im Hinblick auf sozialpädagogische Fragestellungen (soziales Lernen mit dem Ziel, Stärkung der sozialen Kompetenzen) - Hilfestellung bei der Ausbildungs- und Arbeitsplatzsuche b) Sozialarbeit an Schulen und im außerunterrichtlichen Bereich beinhaltet: - Hilfen bei der Ausgestaltung von Freizeiträumen (z.B. bei der Anleitung und Betreuung von Schülergruppen für diese Vorhaben), Anregung der Mitarbeit von Eltern und Lehrern im Freizeitbereich - Unterstützung bei der Einrichtung und Betreuung eines Schülertreffs/Schüler -cafés in der Schule - Angebote zur geschlechtsdifferenzierten Arbeit (Mädchen- und Jungenarbeit)

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- Integration der Kinder und Jugendlichen von Ausländern, Asylbewerbern, Aussiedlern (dazu geh ören auch Programme und Aktionen zum Abbau von Ausländerfeindlichkeit) - gezielte Kontaktaufnahme und ergebnisorientierte Zusammenarbeit mit außerschulischen Zentren oder Behörden wie Jugendclub, Arbeitsamt, Erziehungsberatungsstelle oder dem Jugendamt c) Sozialarbeit im außerschulischen Bereich (Gemeinwesenarbeit) beinhaltet: - gezielte Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen (z.B. Vereinen, kommunalen, städtischen und kirchlichen Organisationen), um vermehrte Kontakte zu den verschiedenen Trägern der Jugendhilfe aufz ubauen - Unterstützung bei der Entwicklung von konkreten Ansätzen zur qualitativen Verbesserung der sozialen Infrastruktur im Gemeinwesen - Mitwirkung bei der Jugendhilfeplanung - Vermittlung von Behördenkontakten für Schüler, Eltern oder Lehrer.

2. Prinzipien der sozialen Arbeit Der/die Schulsozialarbeiter/in sollte sich an folgenden Prinzipien der sozialen Arbeit orientieren: - Lebenswelt- und Lebenslagen-Orientierung - Gleichberechtigung, Integration - Bedürfnis-/Interessenorientierung - Gemeinwesenorientierung, Vielfalt und Vernetzung der Angebote - Hilfe zur Selbsthilfe - Freiwilligkeit - Verbindlichkeit - Transparenz - kritische Parteilichkeit - Vertraulichkeit - Authentizität - Fachlichkeit 3. Grundvoraussetzungen - Sozialarbeit an Schulen ist langfristig angelegt (Mindestlaufzeit: 3 Jahre). - Eine paritätische Besetzung mit mindestens 2 Schulsozialarbeiter/innen ist anzustreben. - Die demokratische Zusammensetzung und Kooperation aller beteiligten Institutionen und Behörden ist unerlässlich für den Projekterfolg. - Es liegt eine Kooperationsvereinbarung vor bzw. wird noch abgeschlossen. - Der Arbeitsauftrag ist schriftlich fixiert (aussagekräftige Konzeption oder Leistungsbeschreibung liegt vor). - Es gibt an der Schule eine Projektgruppe bzw. ein Arbeitsgremium, in dem Vertreter der Schule, des Trägers und die/der Sozialarbeiter/in regelmäßig zusammenarbeiten. 4. Der Projektträger Der Träger von Sozialarbeit an Schulen: - besitzt Erfahrungen in diesem Arbeitsfeld - kennt die inhaltlichen Anforderungen und fachlichen Positionen, vertritt diese nach außen - ist in der Lage, diese Qualitätsstandards umzusetzen und sich dafür zu engagieren - übt die Dienst- und Fachaufsicht für die im Projekt Beschäftigten aus - sichert die fachliche Anleitung, Beratung und Begleitung ab (regelmäßig und kontinuierlich)

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- unterstützt die Arbeit der/des Schulsozialarbeiters/in innerhalb der Schule und stärkt dessen/deren Position - fördert die Kooperation und Vernetzung aller beteiligten Behörden und Institutionen, insbesondere mit der Schulleitung und den Lehrkräften - stellt die für das Projekt notwendigen materiellen und finanziellen Mittel bereit bzw. sichert die Bereitstellung ab (Einrichtung, Raumausstattung, Sach- und Projektmittel u.a.) - gewährleistet den notwendigen Versicherungsschutz - ermöglicht die Freistellung der Beschäftigten zur Fort- und Weiterbildung, Supervision sowie die Teilnahme an den Fachgruppen und sichert im angemessenen Rahmen die Kosten ab. 5. Die Schule Bei der Auswahl der Schule sind vor Projektbeginn folgende Kriterien von Bedeutung: - die Schule hat konkreten Bedarf angemeldet - es gibt eindeutige Aussagen hinsichtlich der Erwartungen an die Sozialarbeit sowie einen Konsens über die geplante Umsetzung bzw. Schwerpunktsetzung an dieser Schule - das Arbeitsfeld ist der Schulleitung und den Lehrkräften bekannt bzw. sind diese bestrebt, sich damit auseinander zu setzen - die Bereitschaft zur Zusammenarbeit, Kooperation und Unterstützung des Projektes wird zuges ichert. Die Schule: - benennt mindest ein/n Vertreter/in aus der Schulleitung bzw. dem Lehrkörper, welcher als ständiger Ansprechpartner/in das Projekt unterstützt und begleitet - ermöglicht dem/der Schulsozialarbeiter/in die Mitwirkung in den schulischen Gremien und stellt die entsprechenden Beschlüsse (wenn sie für das Projekt von Belang sind) zur Verfügung - unterstützt die Sozialarbeit mittels Bereitstellung der notwendigen Informationen, Materialien und Räume - gewährleistet die Freistellung der am Projekt beteiligten Lehrkräfte zur Teilnahme an gemeins amen Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen

6. Die Beschäftigen Als Schulsozialarbeiter/innen sind nur Fachkräfte zu beschäftigen, die sich aus persönlich für diese Tätigkeit eignen. Folgende fachliche Kriterien müssen darüber hinaus vorliegen: - abgeschlossene Berufsausbildung als Sozialarbeiter/in oder Sozialpädagoge/in oder: - eine vergleichbare Qualifikation (pädagogische Fachhochschul- bzw. Hochschulausbildung, Zertifikat im Rahmen der vom MBJS angebotenen Zertifikatskurse) oder im Einzelfall: - staatlich anerkannte Erzieher/innen mit Erfahrungen in der Kinder- und Jugendarbeit bzw. besonders geeignete Schulsozialarbeiter/innen mit langjähriger Praxiserfahrung (mindestens 5 Jahre), wobei hier die Bereitschaft, sich auf dem Gebiet der Sozialarbeit/Sozialpädagogik zu qualifizieren (Studium, Zertifikatskurs u.a.), vorausgesetzt wird - die kontinuierliche Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen und der Erfahrungsaustausch mit anderen Fachkräften zu aktuellen Entwicklungstendenzen in der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit ist dabei unerlässlich. Des weiteren: - sind die Beschäftigen nicht Bestandteil der Schulhierarchie - gibt es ei ne eindeutige, aussagekräftige Arbeitsplatzbeschreibung - erfolgt die Bezahlung entsprechend dem BAT bzw. in Anlehnung an den BAT (Vb/IVb) - solle im Arbeitsvertrag Gleitarbeitszeit vereinbart sein. 53

7. Ausstattung a) sächliche und räumliche Ausstattung: - mindestens 1 Raum für Einzel - und Gruppenberatung, Projektarbeit etc. mit entsprechender Ausstattung (Telefon, Computer u.a.) - bei Bedarf: Nutzungsmöglichkeit weiterer Räume (z.B. Turnhalle, Klassenräume u.a.) - auch außerhalb der Unterrichtszeit und gegebenenfalls in den Ferien - Mitbenutzungsmöglichkeiten von Kopierern, Faxgeräten u.a. - ausreichend Materialien (Papier, Bastellbedarf, Farben u.a.) b) finanzielle Ausstattung: - eigenständiger Etat für Sach-, Projekt- und Weiterbildungskosten - zur größeren Flexibilität stehen Mittel für unvorhersehbare Interventionsmöglichkeiten zur Verf ügung. Für eine qualitativ anspruchsvolle Realisierung von Projekten der Sozialarbeit an Schulen sind diese Standards unerlässlich. Abstriche bei den Rahmenbedingungen bedeuten gleichzeitig Abstriche an der Qualität. Jugendhilfeprojekte an Schulen, welche sich nicht in diese Kriterien einordnen lassen, können nicht als Sozialarbeit an Schulen verstanden werden. Vielmehr handelt es sich hierbei um niedrigschwellige Angebote. Welche institutionellen bzw. politischen Entscheidungen wären hilfreich zur Verbesserung des Zusammenwirkens zwischen Schule und Jugendhilfe?

1. Schulsozialarbeit - Schulsozialarbeit muss eine Regelleistung sein für alle Schulen. - Sie ist auf Dauer anzulegen. - Ihre Finanzierung ist noch Tarif zu sichern. - Während ihres Studiums sind Sozialpädagogen besser als bisher und Lehrer überhaupt auf die Aufgaben in der Schulsozialarbeit vorzubereiten. - Fortbildungen für Lehrer und Erzieher zu dieser Problematik sollten umgehend realisiert werden. Sie werden angeboten. 2. Heimerziehung und Schule - Bei Konzentration von Schülern mit Erziehungshilfebedarf an einigen Schulen müssen: a) die Klassenstärken niedriger gehalten werden, b) zusätzlich pädagogische und sozialpädagogische Fachkräfte eingesetzt werden (Stützlehrer, Sozialpädagogen, Schulsozialarbeiter). - Neben der Regelschule muss das System abweichender Organisationsformen zur Beschulung problematischer Kinder und Jugendlicher weiter ausgebaut werden, um Entlastung an den Schulen zu schaffen.

3. Sicherung des Schulerfolgs trotz Teilleistungsstörung - Störungen und Auffälligkeiten im Leistungsbereich der Schüler sind in der Regel durch die Schule zu bewältigen. - Hier liegt die Verantwortung: a) Störungen zu erkennen und 54

b) Maßnahmen zu entwickeln und zu ergreifen. - Dafür braucht die Schule geeignetes Fachpersonal. - Extreme Auffälligkeiten und Störungen sind nach Beratung mit Fachexperten in die Verantwortung anderer Fachbereiche zu delegieren.

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TERMINE ________________________________________________________ Schule und Erziehungswissenschaften Veranstaltungen des Berlin-Brandenburger Forums “Schule, Pädagogik, Gesellschaft” im 2. Halbjahr 2001

Veranstaltungsort:

Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin

29.08. 16.00 Uhr (106) Positionen der GEW zum 2. Änderungsgesetz zum Brandenburgischen Schulgesetz Mit: Renato Albustin (GEW Brandenburg) 26.09. 16.00 Uhr (107) Politische Bildung im Schulleben und im Unterricht - Demokratie in unseren Schulen? Mit: Dr. habil. Christa Händle (Berlin) 31.10. 16.00 Uhr (108) Was kann die Kulturhistorische Schule (der Psychologie) zu alten und neuen Lernkulturen sagen? Mit: Prof. Dr. Joachim Lompscher (Berlin) 28.11. 16.00 Uhr (109) Der naturwissenschaftliche Unterricht - Streiflichter zu seiner Entwicklung im vereinigten Deutschland Mit: Prof. Dr. Eberhard Rossa (Berlin) 19.12. 16.00 Uhr (110) Was ist und was soll “Altenpädagogik” (Geragogik) heute? Mit: Prof. Dr. Helmut Stolz (Werneuchen)

Ansprechpartner: Prof. Dr. Werner Lemm, Heidekampweg 88, 12437 Berlin, Tel.: 030 / 5325276 Prof. Dr. Horst Weiß, Lindenpromenade 32, 15344 Strausberg, Tel.: 03341 / 422087

IN EIGENER SACHE _________________________________________________________________

Die AG Bildungspolitik beim Parteivorstand der PDS gibt in loser Folge Aufsätze (broschürt) von Wissenschaftlern, Praktikern, Schul- und Bildungspolitikern heraus mit dem Ziel, die offene Diskussion um linke Schul- und Bildungsprogrammatik zu unterstützen und zu fördern. Bisher sind erschienen: Horst Adam Jugend und Konflikte - pädagogische Überlegungen zur gewaltlosen Konfliktbewältigung 56

Horst Adam Gesellschaftlicher Bruch und Erziehungsverständnis Hans-Georg Hofmann Max Horkheimer und die Bildung - Das autonome Subjekt als Schöpfer seiner selbst? (Zum 100. Geburtstag von M. Horkheimer) Hans-Georg Hofmann Das Eigene im Fremden und das Fremde im Eigenen Gerhard Sielski Deutsches Bildungswesen zwischen Reform, Restauration und Alternativversuchen Hans-Georg Hofmann Die Ostdeutschen und der Weg zu mehr Demokratie Die Transformation in Ostdeutschland als Sonderfall der internationalen Transformation von historisch gewachsenen Gesellschaften Karl-Heinz Schimmelmann Schule und Arbeitswelt - zur Integration von Arbeit, Wirtschaft und Technik in die Allgemeinbildung Gerhard Sielski Die schulpolitische Landschaft im heutigen Deutschland und Ansätze einer linken Bildungspolitik Eberhard Mannschatz Gemeinschaftserziehung und Individualerziehung Wolfgang Altenburger/Ulrike Wend Erlebnispädagogik - Praxis gestern und heute Wolfgang Lobeda Politische Bildung - Historisches und Aktuelles

Hans-Georg Hofmann Hat die Zukunft eine Zukunft? Bildung für das kommende Jahrhundert Edgar Drefenstedt Deutsche Pädagogen in der Zeit des Kalten Krieges Aus der Geschichte des gesamtdeutschen Schwelmer Kreises Hans-Georg Hofmann Globales Lernen - ein Beitrag zur Globalisierung des Lebens Alexander Bolz Gemeinschaftserziehung im Nationalsozialismus Marianne Berge 57

Das Bild von einer künftigen Gesamtschule für alle Eberhard Mannschatz Jugendhilfe und Heimerziehung in der DDR und über die Rolle im heutigen sozialpädagogischen Diskurs Eberhard Mannschatz A. S. Makarenko über den Zugang zu seinen pädagogischen Auffassungen Horst Kühn / Wolfgang Lobeda Blick auf die Jugend und die politische Bildung Peter Blankenburg 150 Jahre Manifest der Kommunistischen Partei Reflexionen zur Bildungs- und Schulpolitik Preis je Broschüre 3,- DM Erhältlich bei: AG Bildungspolitik beim Parteivorstand der PDS Kleine Alexanderstraße 28 10178 Berlin IMPRESSUM _______________________________________________________________________________ _ Herausgeber:

V.i.s.d.P.: Ehrenamtliche Redaktion: Erscheinungsweise: Spendenempfehlung: Bankverbindung:

Bestellungen:

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AG Bildungspolitik beim Parteivorstand der PDS Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin Internet: www.pds-online.de/ag_bildungspolitik Gerd Buddin, Telefon: 030 / 24009562, Fax: 030 / 2411046 Gerhard Kirner, Hans Rolle, Ruth Ehrhardt monatlich Jahresbezug: 20,00 DM, Einzelheft 2,00 DM, Kto. -Nr. 4384840000 BLZ 100 200 00 Berliner Bank AG Kennwort: AG Bildungspolitik Gerd Buddin, AG Bildungspolitik, PF 100, 10122 Berlin Email: [email protected]

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