Professor Pater Dr. Ambrosius Eszer O.P.

April 22, 2016 | Author: Florian Böhler | Category: N/A
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Professor Pater Dr. Ambrosius Eszer O.P.

Am 12. April 2010 starb in Berlin nach längerem Krankenhausaufenthalt Professor Pater Dr. Ambrosius Eszer 1. Er leitete nach dem Rücktritt von Prälat Dr. Ludwig Voelkl von 1972 bis 1975 als Geschäftsführender Direktor das Römische Institut der Görres-Gesellschaft in der schwierigen und belastenden Zeit der großen Umbauarbeiten am Campo Santo Teutonico. Pater Eszer wurde am 19. November 1932 in Düsseldorf als Sohn eines Rechtsanwalts geboren. Nach dem Abitur am humanistischen Gymnasium in Euskirchen (1952) trat er in das Noviziat der Dominikanerprovinz Teutonia in Warburg ein, studierte 1953–1960 an der Ordenshochschule Albertus-Magnus in Walberberg bei Brühl, wurde 1959 zum Priester geweiht und erlangte 1960 den Grad eines Lektors der Theologie. Für den Lehrberuf bestimmt, studierte er in Rom am Päpstlichen Orientalischen Institut, an der ordenseigenen Päpstlichen Universtität St. Thomas von Aquin (Angelicum) und an der Vatikanischen Archivschule. 1964 wurde er Mitglied des Historischen Instituts des Ordens und 1969 erfolgte seine Promotion zum Dr. scient. orient. Der Geschichte der Ostkirchen und seines Ordens galt auch weiterhin sein bevorzugtes wissenschaftliches Interesse, das sich in zahlreichen Veröffentlichungen niederschlug. 1972 wurde er Professor für Kirchengeschichte und Patristik am Angelicum. Siehe jetzt M. Dillmann, Ambrosius Eszer, in Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon 32 (2011) 345–354.

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Nachruf Professor Pater Dr. Ambrosius Eszer O.P.

Als Direktor des Instituts der Görres-Gesellschaft war Eszer federführend an der Herausgabe der Römischen Quartalschrift beteiligt. Selten traten so viele Deutschrömer in die Gesellschaft ein wie unter seinem Direktorat. Das lag zweifellos auch an seinen wie schon von seinem Vorgänger Voelkl mit großem Engagement vorbereiteten und durchgeführten Exkursionen, für die er exzellente Führer gewann. 1979 zum Konsultor und 1990 zum Generalrelator der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen bestellt, eröffnete sich für ihn ein neues, außerordentlich interessantes Arbeitsfeld, das ihn ganz in Anspruch nahm, zumal unter Papst Johannes Paul II. die Zahl der Selig- und Heiligsprechungen größer war als je zuvor. Er war an etwa 180 Verfahren, darunter ca. 20 Heiligsprechungen beteiligt. Diese weit gespannte Aktivität fand Anerkennung durch zahlreiche Ehrungen von kirchlicher und staatlicher Seite. Als Pater Eszer 2008 in den Ruhestand ging und nach Berlin übersiedelte, war er noch voller wissenschaftlicher Pläne. Es war ihm nicht vergönnt, sie zu verwirklichen. Das Römische Institut der Görres-Gesellschaft bewahrt ihm ein ehrendes Gedenken. R.I.P. Erwin Gatz (†)

Tagung zur Geschichte der Christlichen Archäologie II (Westeuropa) Im Rahmen des von mir 2006 konzipierten (RQ 102 [2007] 215–224) und seit 2007 in Zusammenarbeit mit Martin Dennert (Freiburg i. Br./Basel) umgesetzten und nunmehr in die redaktionelle Endphase eingetretenen Projekts einer Prosopographie zur Christlichen Archäologie mit ca. 1.500 Stichworten fand vom 4. bis 8. März 2011 am Campo Santo Teutonico in Rom eine zweite Autorenkonferenz statt (die erste Konferenz siehe RQ 105 [2010] 1 und Jahres- und Tagungsbericht der Görres-Gesellschaft 2009, 204–206). Die vom Römischen Institut der Görres-Gesellschaft angeregte, wiederum von der Fritz Thyssen Stiftung unterstützte und von den Mitarbeitern des Instituts (Assistent Hansjochen Mathias Mütel, Hilfskraft Martin Edlinger) organisatorisch betreute Tagung befasste sich mit ausgewählten Themen zur Geschichte der Christlichen Archäologie in Deutschland, Frankreich, der Schweiz, Spanien und natürlich Italien. Referiert bzw. Beiträge geliefert haben Stefan Laube (Berlin), Sebastian Ristow (Köln), Hiltrud Merten (Trier), Ingo Herklotz (Marburg), Herman H. Schwedt (Salsomaggiore), Francisca Feraudi-Gruénais (Heidelberg), Massimiliano Ghilardi (Rom), Mariarita Sgarlata (Catania), Annegret Plontke-Lüning (Jena), Xavier Barral i Altet (Rennes), Liudmila G. Khrushkova (Moskau), Alejandro Mario Dieguez (Rom), Juan Manuel Abascal Palazón (Alicante), Hans-Rudolf Sennhauser (Bad Zurzach) und Irmfried Garbe (Greifswald). Es kamen Themen der Museologie, Epigraphik, Hagiographie (Reliquien), Gelehrtengeschichte, Universitätsgeschichte und Länderforschung zum Zuge. Der Tagesausflug nach Ceri (Kirche der Immacolata mit Fresken des 13. Jahrhunderts) und Cerveteri (etruskische Nekropole Banditaccia) bot reichlich Gelegenheit zum Fachsimpeln und freundschaftlichen Austausch und wurde belebt durch eine ganze Reihe deutschsprachiger Studenten aus Rom, die sich den „professori“ angeschlossen hatten. Der öffentliche Vortrag von Martin Dennert zum Thema „Strzygowski und die Folgen: Deutsche Protestanten erforschen das frühchristliche Kleinasien“ bot ein eindrucksvolles Bild dieser kurzen glücklichen Entdeckerepoche der Jahrhundertwende, die unvermittelt und tragisch mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs endete. Im Mai wird als öffentlicher Vortrag am Römischen Institut der ursprünglich für die Tagung geplante Beitrag von Philipp von Rummel (Rom) über Nordafrika nachgeholt. In diesem und dem nächsten Heft werden die Vorträge veröffentlicht, ferner die ausstehenden Beiträge der ersten Tagung. Im vorliegenden Heft findet sich auch ein thematisch passender Beitrag über die frühchristlich-mittelalterliche Sammlung des Campo Santo Teutonico.

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Tagung zur Geschichte der Christlichen Archäologie II(Westeuropa)

Ein vorläufiger Tagungsbericht findet sich unter www.goerres-gesellschaftrom.de. Der endgültige Bericht erscheint im gedruckten Jahres- und Tagungsbericht der Görres-Gesellschaft 2011. Stefan Heid

Untere Reihe v. l. n. r.: Hiltrud Merten, Annegret Plontke-Lüning, Irmfried Garbe, Francisca Feraudi-Gruénais, Hans-Rudolf Sennhauser, Boz˙ena Iwaszkiewicz-Wronikowska. Obere Reihe v. l. n. r.: Stefan Heid, Jürgen Merten, Hansjochen Mathias Mütel, Joachim Gruénais, Martin Dennert, Gabriele Mietke, Ingo Herklotz, Thorsten Weber, Eberhard J. Nikitsch, Winfried Weber.

Christliche Epigraphik und Archäologie in Trier seit ihren Anfängen* Von HILTRUD MERTEN … exemtum … terris inmiscuit astris … Wolfgang Binsfeld (21.12.1928 – 20.5.2011)

Die Bedeutung der Stadt Trier in der Spätantike lässt sich treffend anhand ihrer herausragenden Funktion als Kaiserresidenz und Bischofssitz beschreiben. In Trier befand sich die Zentrale, von welcher aus der gesamte westliche Teil des römischen Reiches regiert und verwaltet wurde, ein Gebiet, das sich von Schottland bis nach Nordafrika erstreckte. Neben die große Bedeutung, die die Stadt in politischer und verwaltungstechnischer Hinsicht hatte, trat ihre wichtige Rolle als Zentrum des frühen Christentums im gallisch-germanischen Raum. Der Trierer Bischofssitz ist der älteste nördlich der Alpen; er wurde um die Wende zum 4. Jahrhundert eingerichtet. Die Liste der Bischöfe verzeichnet in dieser frühen Zeit bedeutende Namen wie Agricius, Maximinus und Paulinus, die nicht nur den christlichen Glauben und seine Ausbreitung förderten, sondern auch den Gang politischer Entscheidungen richtungweisend beeinflussten 1 . Unter diesen Vorzeichen kommt der Erforschung der frühchristlichen Epoche Triers aus historischer und archäologischer Sicht ganz besondere Bedeutung zu. Die zweifellos wichtigste Fundgruppe, die es uns erlaubt, ein Bild der frühen Christengemeinde in Trier zu zeichnen, sind die frühchristlichen Grabinschriften: Für einen Zeitraum vom 4. bis zum 6. Jahrhundert mit einem erkennbaren Schwerpunkt im 4. und frühen 5. Jahrhundert sind in Trier etwa 1.300 Inschriften überliefert. Ein Blick auf die Anzahl frühchristlicher Inschriften aus anderen Städten im Westen des römischen Reiches lässt die herausragende Stellung Triers deutlich erkennen. Während die Stadt Rom über einen beeindruckenden Bestand von mehr als 30.000 frühchristlichen Inschriften verfügt, stellt sich die Situation in der weiteren Umgebung von Trier jedoch anders dar. Die Städte Köln und Bonn liefern zusammen etwa 50 frühchristliche Inschriften, am Mittelrhein zwischen Andernach und Boppard gibt es etwa 60 Inschriften und aus Mainz kennt man nur knapp über 50 frühchristliche Inschriften. Nicht anders sieht der Befund in den westlich von Trier gelegenen Bereichen der Belgica I aus: Aus Metz sind weniger als 20 Inschriften bekannt. Selbst in Lyon, der alten Metropole Galliens, in der das Christentum bereits im 2. Jahrhundert seine Spu* Für vielfältige Unterstützung und manchen Rat danke ich herzlich Jürgen, Hanno und Viola. 1 H. Heinen, Frühchristliches Trier. Von den Anfängen bis zur Völkerwanderung (Trier 1996) 84–159; A. Binsfeld, Geschichte des Bistums Trier von den Anfängen bis zum Ende des 4. Jahrhunderts, in: H. Heinen u. a. (Hg.), Im Umbruch der Kulturen. Spätantike und Frühmittelalter (= Geschichte des Bistums Trier 1 = Veröffentlichungen des Bistumsarchivs Trier 38) (Trier 2003) 28–64.

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ren hinterlassen hat, sind nur gut 150 Inschriften nachzuweisen; mit etwa 180 Inschriften ist die Situation in dem wenig südlich von Lyon gelegenen Bischofssitz Vienne etwa vergleichbar 2. Diese Zahlen belegen deutlich, dass Trier mit seiner bemerkenswert hohen Zahl frühchristlicher Grabinschriften eine sehr breite Quellenbasis zur Untersuchung einer Vielzahl von Fragen bietet; nicht nur quantitativ sind die Trierer Inschriften in der Tat nur mit den Beständen der Stadt Rom zu vergleichen. Eine Datierung dieser Fundgruppe, die bis auf geringe Ausnahme die lateinische Sprache verwendet, ist nur annähernd möglich: Lediglich zwei Inschriften in griechischer Sprache sind durch die Konsulnangaben jahrgenau datiert 3 ; ansonsten fehlen absolut datierte Inschriften im Trierer Bestand. Zu einer zeitlichen Eingrenzung der Inschriften kann man nur durch den abwägenden Vergleich zahlreicher Einzelbeobachtungen gelangen, der schließlich eine relative Datierung der Inschriften erlaubt 4 . So umfasst die Epoche des „frühen Christentums“ im Falle Triers den Zeitraum vom 4. bis zum 6. Jahrhundert: Diese Zeit ist wesentlich gekennzeichnet durch die noch deutlich spürbare Verwurzelung der Gesellschaft in der Romanitas: Das Bemühen um die Wahrung überkommener Formen wird greifbar in der Art der Schrift und im Inhalt der Inschriften wie auch im Fortleben antiker Traditionen, das in der Namengebung zu fassen ist. Die Epochengrenze von der Spätantike zum frühen Mittelalter ist erkennbar überschritten, als sich die formale Gestaltung der Inschriften und der darin zu fassende Personenkreis, der nun überwiegend germanische Namen trägt, verändern. Im frühchristlichen Inschriftenmaterial aus Trier lässt sich der Übergang zwischen Antike und Mittelalter gegen Ende des 6. Jahrhunderts fassen. Frühchristliche Epigraphik Das Interesse an der Antike erwachte in Europa mit der Renaissance. In Deutschland sind es die frühen Humanisten, die auf die antiken Bauwerke und Inschriften aufmerksam machen. Der große Gelehrte und hochgeehrte Dichter Konrad Celtis (1459–1508) fasst seine Antikenbegeisterung, die ihn bei einem Besuch in Trier ergreift, in die poetische Form einer Ode. Von graecis epitaphiis, von griechischsprachigen Grabinschriften, ist die Rede, wenn auch die Texte der von Celtis gesehenen Inschriften nicht überliefert werden 5 . Aus dem Kreis um Konrad Celtis und Hartmann Schedel stammt der Nürnberger Humanist Willibald Pirckheimer (1470–1530). Im Gefolge von Kaiser Maximilian I. reiste

W. Spickermann, Germania Inferior. Religionsgeschichte des römischen Germanien II (Tübingen 2008) 265. 3 N. Gauthier, Première Belgique (= Recueil des inscriptions chrétiennes de la Gaule [RICG] 1) (Paris 1975) 93: datiert in das Jahr 409; 211: datiert in das Jahr 383; das Fragment ist nicht sicher christlich. 4 Gauthier (Anm. 3) S. 95–104 § 128–142. 5 W. Binsfeld, Konrad Celtis in Trier, in: Kurtrierisches Jahrbuch 39 (1999) 167–173. 2

Christliche Epigraphik und Archäologie in Trier seit ihren Anfängen

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Abb. 1: Abraham Ortelius/Johannes Vivianus, Itinerarium per nonnullas Galliae Belgicae partes (Antwerpen 1584): Titelblatt

Pirckheimer 1512 zum Reichstag nach Trier und notierte – wenn auch recht nachlässig – die Texte einiger frühchristlicher Grabinschriften 6 . Etliche Jahrzehnte nach Celtis und Pirckheimer weilten die beiden flämischen Gelehrten Abraham Ortelius (1527–1598) und Johannes Vivianus (ca. 1520– 1598) im Jahre 1575 in Trier und im Trierer Land im Zuge der Materialsammlung zu ihrem 1584 in Antwerpen erschienenen Reisebericht „Itinerarium per nonullas Galliae Belgicae Partes“ 7 (Abb. 1). Der Titel lässt durch die Wahl der geographischen Bezeichnung Gallia Belgica bereits erkennen, dass Ortelius und Vivianus den Schwerpunkt ihrer Beschreibung auf die römische Vergangenheit der Region legten. Die beiden Autoren verfügten über solide Kenntnisse der antiken Literatur sowie ein reges Interesse für Bauwerke und Inschriften: In Verbindung mit dem unbestechlichen Blick des Geographen gelang Ortelius und Vivianus die Abkehr von der schwärmerisch-naiven Annäherung an die W. Binsfeld, Triers Altertümer und die Humanisten, in: Landeskundliche Vierteljahrsblätter 14 (1968) 67–74; Gauthier (Anm. 3) S. 105 § 145. 7 A. Ortelius/J. Vivianus, Itinerarium per nonnullas Galliae Belgicae partes (Antwerpen 1584); Itinerarium per nonnullas Galliae Belgicae partes. Der Reiseweg durch einige Gebiete des belgischen Galliens von Abraham Ortelius und Johannes Vivianus. Übersetzt und kommentiert von K. Schmidt-Ott (Frankfurt/M. 2000). 6

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antiken Denkmäler, die in den Schriften ihrer Vorgänger zu greifen ist. Die sechs von Ortelius und Vivianus überlieferten Inschriften – unter ihnen sind drei frühchristliche Inschriften 8 – zeugen beim Vergleich mit den bis heute erhaltenen Originalen von der exakten Beobachtung und der sorgfältigen Aufzeichnung des Gelesenen durch die beiden Autoren 9 . Während im 16. Jahrhundert die Beschäftigung mit der Antike vielfach auf Zufallsfunden beruhte, erschließt das 17. Jahrhundert einen neuen Zugang. Mit der Entwicklung ausgeprägter historischer Interessen erhält der Umgang insbesondere mit den epigraphischen Denkmälern einen wissenschaftlichen Impetus: Inschriften werden mit Akribie gesammelt, auf ihre Wiedergabe und Auswertung in den gelehrten Ausführungen der Historiker wird große Sorgfalt verwendet. Zu den herausragenden Epigraphikern des 17. Jahrhunderts gehört der Luxemburger Jesuitenpater Alexander Wiltheim (1608–1684). Bei den etwa 20 frühchristlichen Inschriften, die Wiltheim überliefert, ist seine überaus sorgfältige Arbeitsweise zu erkennen, die durchaus mit den Regeln, nach denen die moderne Epigraphik vorgeht, verglichen werden kann: Wiltheim gibt exakte Lesungen der Inschriften wieder, wobei er Fehlstellen und von ihm selbst vorgenommene Ergänzungen deutlich kennzeichnet. Diese Arbeitsweise sichert ein hohes Maß an Objektivität und erlaubt dem Benutzer des Werkes, das Gelesene zu überprüfen. Wegen dieses Ansatzes im Umgang mit Inschriften wurde Wiltheim noch über zwei Jahrhunderte später von den Bearbeitern des Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL) hoch geachtet. Überdies stellen die Wiltheim’schen Schriften bis heute nicht nur für die frühchristliche Epigraphik des Trierer Raumes eine unersetzliche Quelle dar, denn viele der bei Wiltheim verzeichneten christlichen und paganen Inschriften sind aus unterschiedlichen Gründen inzwischen verloren 10 . Im 19. Jahrhundert erfasste das Interesse an der Beschäftigung mit der Geschichte weite Kreise. Die Folge dieser Entwicklung war die Gründung zahlreicher gelehrter Gesellschaften, die engagierte Fachleute und Laien zusammenführten. In Trier erfolgte im Jahre 1801 die Gründung der bis heute bestehenden „Gesellschaft für nützliche Forschungen“. Die in diesem Kreis behandelten Themen waren sowohl naturwissenschaftlicher wie auch historischer Art; es bildete sich jedoch schon bald ein historisch-archäologischer Schwerpunkt in der Arbeit der „Gesellschaft“ heraus, der andere Forschungsfragen in den Hintergrund treten ließ 11 . Einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung und ProGauthier (Anm. 3) 93; 112; 165. W. Binsfeld (Anm. 6) 69–74; Gauthier (Anm. 3) S. 106 § 147. 10 Gauthier (Anm. 3) S. 107–108 § 151; H. Merten, Alexander Wiltheim (1604–1684), in: Die Gesellschaft Jesu und ihr Wirken im Erzbistum Trier (Trier 1991) 349–352; J. Krier, Die letzten Lebensjahre Alexander Wiltheims und die Niederschrift der Luciliburgensia Romana, in: Le Luxembourg en Lotharingie. Mélanges Paul Margue (Luxemburg 1993) 339–344. 11 Antiquitates Trevirenses. Beiträge zur Geschichte der Trierer Altertumskunde und der Gesellschaft für Nützliche Forschungen. Festschrift zur 200-Jahr-Feier der Gesellschaft für Nützliche Forschungen zu Trier (= Kurtrierisches Jahrbuch 40) (Trier 2000). 8 9

Christliche Epigraphik und Archäologie in Trier seit ihren Anfängen

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filierung der „Gesellschaft“ leistete der am Trierer Gymnasium tätige Oberlehrer Gerhard Schneemann (1796–1864) 12 . Schneemann bekleidete ab 1841 bis zu seinem Tode das verantwortungsvolle Amt des Sekretärs der „Gesellschaft“; überdies trug er als Konservator die Verantwortung für die Sammlung antiker Münzen und Denkmäler, die die „Gesellschaft“ seit 1808 systematisch angelegt hatte 13 . Ein besonderes Augenmerk richtete Schneemann auf die frühchristlichen Inschriften aus Trier, die sich in der Sammlung der „Gesellschaft“ befanden und die er in einem handschriftlichen Inventar verzeichnete (Abb. 2) 14 . Schneemann versah seine Zusammenstellung mit Literaturangaben und Kommentarentwürfen sowie einem Namensregister als Findhilfe. Das Verzeichnis umfasst etwa 100 Inschriften, darunter auch solche, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts verschollen waren und deren Texte Schneemann nach Handschriften wiedergibt; außerdem nimmt Schneemann auch solche Inschriften auf, die in auswärtige Sammlungen gelangt waren. Das Schneemann’sche Verzeichnis, das nie gedruckt wurde, entspricht aufgrund seiner weitgefassten Konzeption nicht nur museal-konservatorischen, sondern durchaus auch wissenschaftlichen Ansprüchen. Der in Trier geborene Kirchenpolitiker, Historiker und Archäologe Franz Xaver Kraus (1840–1901) 15 gilt im Bereich der deutschsprachigen Altertumskunde als Begründer der Christlichen Archäologie nach einer streng wissenschaftlich ausgerichteten Methode. Das Bemühen um Objektivität in Bezug auf die antiken Denkmäler dokumentiert nicht nur das von Kraus bearbeitete Lexikon christlicher Altertümer 16, sondern es ist auch in seinem zweibändigen Werk über die christlichen Inschriften der Rheinlande deutlich zu fassen 17 . In 180 Katalognummern, die etwa 430 Stücke umfassen, behandelt Kraus die frühchristliche Zeit; er datiert diese Epoche in den Zeitraum vom 4. bis zum 8. Jahrhundert. Kraus erweitert die Basis frühchristlich-epigraphischer Zeugnisse, indem er nicht nur die Steindenkmäler und deren zahlreiche Fragmente berücksichtigt, sondern auch alle ihm bekannt gewordenen christlichen Inschriften oder Symbole auf anderen Trägermaterialien wie Glas oder Ton aufnimmt. Die von Kraus vorgeschlagenen Lesungen werden durch zahlreiche fotografische Abbildungen für den Leser eindeutig überprüfbar. Dieses technische NoJ. Merten, Vis unita fortior. Gerhard Schneemann (1796–1864) und die Trierer Altertumsforschung, in: Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier 29 (1997) 76–88; H. Monz (Hg.) Trierer Biographisches Lexikon [TBL] (Trier 2000) darin: J. Merten, Schneemann, Gerhard, 413–414. 13 Zu den verschiedenen Sammlungen der „Gesellschaft“: Antiquitates (Anm. 11) 157–360. 14 G. Schneemann, Verzeichnis frühchristlicher Inschriften aus Trier. Autograph, um 1860 abgeschlossen. 1 Mappe mit 42 losen Blättern, 1 Blatt Namenregister, 5 Blätter Anhang. Der Autograph wird aufbewahrt im Bestand der Handschriften der Bibliothek des Rheinischen Landesmuseums Trier, Sign. Hs. G 14. Dazu: J. Merten, Archiv und Bibliothek der Gesellschaft für nützliche Forschungen, in: Antiquitates (Anm. 11) 311–360, hier 343. 15 H. Schiel, Im Spannungsfeld von Politik und Kirche: Franz Xaver Kraus (= Trierisches Jahrbuch, Beiheft 1) (Trier 1951); TBL (Anm. 12): G. Franz, Kraus, Franz Xaver, 235–236. 16 F. X. Kraus, Real-Encyklopädie der christlichen Alterthümer (Freiburg 1882–1886). 17 F. X. Kraus, Die christlichen Inschriften der Rheinlande (Freiburg 1890–1894). 12

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Abb. 2: Gerhard Schneemann, Verzeichnis frühchristlicher Inschriften aus Trier (um 1860): Seite 1

vum entspricht der von Kraus geforderten objektiv-kritischen Methode in der Altertumswissenschaft 18 . Den Bestand der frühchristlichen Steindenkmäler stellte der erste Direktor 18

Kraus (Anm. 17) VII-VIII.

Christliche Epigraphik und Archäologie in Trier seit ihren Anfängen

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des Trierer Provinzialmuseums Felix Hettner (1851–1902) 19 erneut zusammen 20 , nachdem er im ersten Band des Kraus’schen Inschriftenwerks bereits wertvolle Ergänzungen zum Trierer Material beigetragen hatte 21 . Hettner legt in seinem Katalog der Steindenkmäler neben einer exakten Beschreibung und einer eingehenden Kommentierung der Stücke „auf die genaue Feststellung der Fundorte“ 22 großes Gewicht. Zur Zusammenstellung dieser Angaben hat Hettner unter anderem „das reiche Aktenmaterial der Gesellschaft für nützliche Forschungen“ ausgewertet, darunter mit Sicherheit auch das später in Vergessenheit geratene Manuskript von Gerhard Schneemann 23 . Die Trierer frühchristlichen Inschriften erfahren weiteste Verbreitung in der Fachwelt durch die Aufnahme in das Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL XIII 1,2 und 4). Unter der maßgeblichen Federführung von Otto Hirschfeld und Karl Zangemeister wird das Material hier vollständig, allerdings in der bekannt knappen Form, präsentiert 24 . Wenn auch mit dieser Vorlage im CIL die Trierer Inschriften in der Fachwelt bekannt geworden waren, erwies sich doch die Notwendigkeit einer detaillierten Publikation des Materials. Dieser Aufgabe stellte sich das Trierer Provinzialmuseum (heute Rheinisches Landesmuseum Trier), das die größte Sammlung frühchristlicher Inschriften in Trier besitzt. Im Jahre 1928 trat Elisabeth Vorrenhagen (1897–1931) als „wissenschaftliche Hilfsarbeiterin“ in den Dienst des Museums; ein „vollständiger Katalog der Trierer christlichen Inschriften römischer und frühmittelalterlicher Zeit“ war die erste große Aufgabe, mit der die junge Wissenschaftlerin betraut wurde 25 . Durch Elisabeth Vorrenhagens frühen Tod im Jahre 1931 kam das Projekt zunächst zum Erliegen, wiewohl der frühchristliche Teil des Kataloges annähernd vollendet war 26. Das Thema „Christliche Epigraphik“ wurde wenige Jahre später von Siegfried Loeschcke (1883–1956), Abteilungsdirektor am Provinzialmuseum Trier 27, erneut aufgenommen. In einer viel beachteten kleinen Schrift 28 untersuchte 19 J. Merten, Felix Hettner (1851–1902), das Provinzialmuseum zu Trier und die Archäologie Westdeutschlands, in: Trierer Zeitschrift 65 (2002) 215–283. 20 F. Hettner, Die römischen Steindenkmäler des Provinzialmuseums zu Trier mit Ausschluß der Neumagener Monumente (Trier 1893). 21 F. Hettner, Nachtrag zu den Trierer Inschriften, in: Kraus (Anm. 17) I (1890) [3]-[8]. 22 Hettner (Anm. 20) Vorwort. 23 Schneemann (Anm. 14). 24 O. Hirschfeld/K. Zangemeister, Inscriptiones Belgicae. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII 1,2. Inscriptiones trium Galliarum et Germaniarum Latinae 1,2 (Berlin 1904) 3780– 3967; Addenda ad partes primam et secundam. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII 4. Inscriptiones trium Galliarum et Germaniarum Latinae 4 (Berlin 1916) 11332–11339. 25 Jahresbericht des Provinzialmuseums zu Trier 1928, in: Trierer Zeitschrift 4 (1929) 171– 205, hier 177. 26 Jahresbericht des Provinzialmuseums zu Trier 1930, in: Trierer Zeitschrift 6 (1931) 169– 200, hier 197; Jahresbericht des Provinzialmuseums zu Trier 1931, in: Trierer Zeitschrift 7 (1932) 167–192, hier 188. 27 TBL (Anm. 12): J. Merten, Loeschcke, Siegfried, 270. 28 S. Loeschcke, Frühchristliche Denkmäler aus Trier, in: Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz 29 (1936) 91–145; auch als Fortdruck verbreitet.

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Abb. 3: Frühchristliche Denkmäler im Provinzialmuseum Trier (um 1936); links vorne der Noah-Sarkophag

Loeschcke das gesamte breite Spektrum christlicher Denkmäler (Abb. 3), doch wird von ihm nachdrücklich eine besondere Beachtung der Inschriften angemahnt: „Die bei weitem reichste frühchristliche Denkmälergruppe aus Trier stellen […] die Grabinschriften dar.“ 29 . Loeschcke schätzt den Gesamtbestand in Trier auf die beachtliche Menge von mehr als 600 Stücke 30 . „Daß die einzigartige Stellung der christlichen Trierer Inschriften bisher nicht voll zur Geltung gekommen ist, liegt nicht zuletzt daran, dass […] verhältnismäßig wenige Inschriften […] abgebildet wurden“ 31 . Diesen erkannten Missstand behebt Loeschcke durch zahlreiche hervorragende fotografische Aufnahmen, insbesondere der Inschriften 32 . Fast 30 Jahre nach Beginn der Arbeit an dem Katalog der frühchristlichen Inschriften durch Elisabeth Vorrenhagen und maßgeblich verzögert durch die Wirren des Zweiten Weltkriegs gelang schließlich die Publikation, die in erster Linie der Sorgfalt und der schier unerschöpflichen Geduld von Erich Gose 29 30 31 32

Loeschcke (Anm. 28) 122. Loeschcke (Anm. 28) 122 Anm. 2. Loeschcke (Anm. 28) 122. Loeschcke (Anm. 28) 123–142.

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(1899–1971) 33 zu verdanken ist 34 . Gose, seit 1926 Mitarbeiter des Landesmuseums Trier, schildert im Vorwort zum Katalog die überaus schwierige Geschichte der Entstehung dieses Werks, deren dramatischer „Höhepunkt“ der Verlust des fast fertiggestellten Manuskriptes in den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges war. In den Nachkriegsjahren erarbeitete Gose auf der Basis erhalten gebliebener Unterlagen, vor allem mit Hilfe der Inventarbücher, den Katalog ein zweites Mal. Aufgenommen wurden darin „alle frühchristlichen Inschriften […] soweit sie aus Trier stammen, gleichgültig, wo ihr heutiger Aufbewahrungsort ist; auch die durch den Krieg vernichteten Inschriften sind aufgenommen worden“ 35 . Die in Goses Katalog enthaltenen mehr als 800 Inschriften und Fragmente ließen in ihrer Fülle erstmals die Qualität und die Bedeutung des Trierer Materials klar erkennen. Es erstaunt daher nicht, dass den Trierer frühchristlichen Inschriften in den folgenden Jahren die gesteigerte Aufmerksamkeit der internationalen Fachwelt zuteil wurde. Ein Ausdruck dieser Wertschätzung ist der VII. Internationale Kongress für Christliche Archäologie, der vom 5. bis 11. September 1965 in Trier durchgeführt wurde. Ein von Johannes Kollwitz als Mitglied des deutschen Nationalausschusses gezeichneter undatierter Programmentwurf 36 formuliert das große Interesse an den Trierer Inschriftenbeständen: „Es war eine glückliche Idee des Kongresses in Ravenna [1962], auch die Hilfswissenschaften stärker einzubeziehen. Das deutsche Komitee schlägt für Trier eine besondere Berücksichtigung der Epigraphik vor. Die Trierer Inschriften, zum größten Teil von den Friedhöfen bei den Märtyrergräbern, liegen als Thema nahe.“ Im endgültigen Programm wurde eine eigene Sektion Epigraphik eingerichtet, die sich mit Themen aus verschiedenen Teilen des Römischen Reiches beschäftigten. Ein von Antonio Ferrua SJ (1901–2003), seinerzeit der führende Spezialist der Disziplin, gehaltenes Referat nahm speziell die Trierer Inschriften in den Blick 37 ; die Ausführungen Ferruas erschienen 1969 in den Akten des Kongresses 38 . Die Trierer Begleitpublikation des Kongresses 39 enthielt nicht nur den Katalog der Sonderausstellung 40 ; darüber hinaus wurden die Inschriftenbestände des Rheinischen Landesmuseums Trier von Else Förster (1935–2003) 41 sowie die des BischöfliJ. Merten, Gose, Erich, in: TBL (Anm. 12) 139. E. Gose, Katalog der frühchristlichen Inschriften in Trier (Trier 1958). 35 Gose (Anm. 34) VII. 36 Das Schriftstück befindet sich in den unpublizierten Akten zum Kongress von 1965 im Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana, Rom. 37 Programm, in: Akten des VII. Internationalen Kongresses für Christliche Archäologie Trier 5.–11. September 1965 (Berlin 1969) XVI; XIX. 38 A. Ferrua, Le iscrizioni paleocristiane di Treviri, in: Akten des VII. Internationalen Kongresses für Christliche Archäologie (Anm. 37) 283–306. 39 Th. K. Kempf/W. Reusch (Hg.), Frühchristliche Zeugnisse im Einzugsgebiet von Rhein und Mosel (Trier 1965). 40 E. Förster, Katalog der Sonderausstellung „Frühchristliche Zeugnisse“ im Rheinischen Landesmuseum Trier, in: Frühchristliche Zeugnisse (Anm. 39) 113–142. 41 E. Förster, Katalog der frühchristlichen Abteilung des Rheinischen Landesmuseums Trier, in: Frühchristliche Zeugnisse (Anm. 39) 17–54. 33 34

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chen Museums Trier von Theodor Konrad Kempf in umfangreichen Beiträgen vorgestellt 42 . Eine ausführliche Würdigung durch Margherita Guarducci (1902– 1999) wurde einer einzelnen Trierer Inschrift zuteil, bei der es sich um ein Gedicht auf die jungfräuliche Märtyrerin Agnes handeln könnte43 . Die Aufmerksamkeit, die dem frühchristlichen Trierer Denkmälerbestand durch den Kongress seitens der internationalen Forschung und renommierter Fachleute gezollt wurde, zeigt sich in der überaus ertragreichen Auswertung von etwa 240 ausgewählten Inschriften, die Nancy Gauthier (* 1938) 1975 vorlegte. Sie selbst hatte wie ihr Mentor Henri Irenée Marrou am Trierer Kongress teilgenommen. Im Rahmen eines vom Centre National de la Recherche Scientifique in Paris getragenen großen Projektes erschien als erster Band des „Recueil des inscriptions chrétiennes de la Gaule“ das Material des Gebietes der Belgica I mit der spätantiken Kaiserresidenz Trier als Zentrum 44 . Diesem Katalog folgten schließlich weitere Vorlagen und Untersuchungen, die bekannte und neugefundene Trierer Inschriften im Rahmen einer Sonderaustellung 45 und eines weiteren Bestandskataloges vorlegten 46 , einzelne Materialgruppen in den Blick nahmen 47 oder unter speziellen Fragestellungen untersuchten 48 . Die Beschäftigung mit den Trierer frühchristlichen Inschriften verlief parallel zur allgemeinen Entwicklung der Altertumskunde: Das erwachende Interesse an der Antike im deutschen Humanismus wurde genährt durch zufällige Funde und Beobachtungen, die in ein systematisches Sammeln, Inventarisieren und Kommentieren des Materials übergingen. Die zunehmende Professionalisierung der Altertumswissenschaften im ausgehenden 19. Jahrhundert erforderte einen weiten Überblick über das Fundgut, das in verschiedenen großen epigraphischen Corpora der Forschung zur Verfügung gestellt wurde. Die Bedeutung des Trierer Materials in seiner Qualität und Fülle wurde klar erkannt und 1958 mit einem eigenen detaillierten Bestandskatalog in die Diskussion der internationalen Fachwelt eingeführt. Auf der im Vergleich zu anderen gallischen und germanischen Städten außerordentlich breiten Quellenbasis bieten sich eine Reihe von weiterführenden Untersuchungen an. Zu denken ist an die Erstellung einer Prosopographie der frühen Christengemeinde Trier wie auch an einen Vergleich des Trierer Materials 42 Th. K. Kempf, Katalog der frühchristlichen Abteilung des Bischöflichen Museums Trier, in: Frühchristliche Zeugnisse (Anm. 39) 175–276. 43 M. Guarducci, Die metrische Inschrift der Agnes, in: Frühchristliche Zeugnisse (Anm. 39) 54–71. 44 H. I. Marrou, Préface générale, in: Gauthier (Anm. 3) S. 7–10. 45 Beiträge von W. Binsfeld und L. Schwinden in: Trier – Kaiserresidenz und Bischofssitz. Die Stadt in spätantiker und frühchristlicher Zeit. Ausstellung, Trier, 4. Mai–10. November 1984 (Mainz 1984). 46 H. Merten, Katalog der frühchristlichen Inschriften des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums Trier (Trier 1990). 47 A. Binsfeld, Vivas in deo. Die Graffiti der frühchristlichen Kirchenanlage in Trier (Trier 2006). 48 K. Krämer, Die frühchristlichen Grabinschriften Triers. Untersuchungen zu Formular, Chronologie, Paläographie und Fundort (Mainz 1974).

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mit anderen bedeutenden Fundorten in Gallien wie Lyon und Vienne oder auch der Blick auf das stadtrömische Material. Die Untersuchung dieser Forschungsfragen wird helfen, die Besonderheit des Trierer Materials herauszuarbeiten und fremde Einflüsse ebenso wie eigenständige Entwicklungen zu analysieren. Frühchristliche Archäologie Die Frage nach der Herkunft der frühchristlichen Trierer Inschriften leitet über zu den Aktivitäten der Christlichen Archäologie in Trier, deren Entwicklungen und Ergebnisse exemplarisch anhand besonders aussagekräftiger Beispiele aufzuzeigen sind 49 . Zu den intensiv erforschten Bauten aus frühchristlicher Zeit gehört die Kirche der ehemaligen Benediktinerabtei St. Maximin, auf dem nördlichen Gräberfeld vor den Toren der antiken Stadt Trier gelegen. Durch eine von 1978 bis 1990 dauernde Grabung des Rheinischen Landesmuseums Trier und nach der Publikation der wesentlichen Befunde durch den Grabungsleiter Adolf Neyses 50 ist es möglich, auch die Bauabfolge der frühchristlichen Zeit vom 4. bis zum 6. Jahrhundert nachzuzeichnen 51 : Am östlichen Rand des Gräberfeldes wurde um die Wende zum 4. Jahrhundert ein Bauwerk mit einem zentralen Saal errichtet, das aufgrund der reichen Ausstattung und seiner Lage am Rande des Gräberfeldes im Zusammenhang mit dem Totengedenken stehen dürfte. In der 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts wurde in der Nähe des „Saalbaus“ eine nordsüdlich orientierte Halle errichtet. Im Boden dieser Halle wurden Bestattungen in Sarkophagen vorgenommen; es handelt sich bei dem Gebäude somit um den ersten Coemeterialbau auf dem nördlichen Gräberfeld. Östlich der Halle war eine Grabkammer angelegt, die nach der Trierer Tradition als die Grablege des Bischofs Agricius (313–329) gilt. Um die Mitte des 4. Jahrhunderts wurde dann ein Bau gleichen Typs mit der stattlichen Länge von 62 m errichtet, an dessen Nordwand eine Reihe von privaten Mausoleen vermögender Familien angebaut war. Gegen Ende des 4. Jahrhunderts erfolgte die großzügige Erweiterung des Hallenbaues. Die Coemeterialbasilika bot nun mit einer Länge von 100 m und einer Breite von 32 m Platz für etwa 1.000 Sarkophage, die in zwei Lagen in den nicht 49 Eine Übersicht über den Forschungsstand der größeren Trierer Kirchengrabungen findet sich in: Rettet das archäologische Erbe in Trier. Zweite Denkschrift der Archäologischen Trier-Kommission (Trier 2005); J. Hupe, Ein römisches Gräberfeld bei Trier-Feyen und die Anfänge der Kapelle St. Germanus ad undas, in: Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier 40 (2008) 95–106. 50 A. Neyses, Die Baugeschichte der ehemaligen Reichsabtei St. Maximin bei Trier (Trier 2001). 51 L. Schwinden, Sankt Maximin. Antiker Bestattungsplatz und frühchristliche Verehrungsstätte im Norden Triers, in: H.-P. Kuhnen (Hg.), Das römische Trier (Stuttgart 2001) 188– 201; H. Merten, Das frühchristliche Gräberfeld von St. Maximin in Trier, in: A. Demandt/ J. Engemann (Hg.), Konstantin der Große. Ausstellungskatalog Trier 2007 (Mainz 2007) 277–280.

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Abb. 4: Trier, St. Maximin, Grabinschrift für das Kind Aurelia (Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Trier)

befestigten Fußboden eingebracht wurden. Die Größe und die prachtvolle Ausstattung des Baues deuten darauf hin, dass es sich bei der Coemeterialbasilika um den Begräbnisplatz einer wohlhabenden Gesellschaftsschicht gehandelt hat. Diesen Eindruck bestätigen die zahlreichen aufwendig gestalteten Grabinschriften wie die für das Mädchen Aurelia 52 (Abb. 4). Um die Mitte des 6. Jahrhunderts erhielt das Gebäude eine neue Nutzung: Der Bau wurde nun zu einem Raum für Eucharistiefeiern, wie der Einbau eines Ambo zeigt 53 . Nordwestlich der spätantiken Coemeterialbasilika lag der Trierer Überlieferung zufolge an der Stelle der heutigen barocken Kirche St. Paulin eine Grabkirche, die Bischof Felix (386–398/99) für seinen in der Verbannung verstorbenen Vorgänger Bischof Paulinus (347–358) hatte erbauen lassen. Unmittelbar nach seinen Tod wurde Paulinus bereits als Märtyrer verehrt und nach Trier überführt, wobei unklar ist, ob die Rückführung der Gebeine des Paulinus kurz nach seinem Tod oder erst unter dem Episkopat des Felix erfolgte 54 . Die auffallend große Zahl von Inschriftenfunden spricht eindeutig für eine intensive Nutzung des Geländes im 5./6. Jahrhunderts. Die Häufung von Grabinschriften für KleH. Merten, Dem süßesten Kinde Aurelia. Eine neugefundene frühchristliche Grabinschrift aus St. Maximin in Trier in: R. Bedon/M. Polfer (Hg.), Être Romain. Hommages in memoriam Charles Marie Ternes (Remshalden 2007) 393–411. 53 S. Ristow, Ambonen und soleae in Gallien, Germanien, Raetien und Noricum im Frühmittelalter, in: RivAC 80 (2004) 289–311; W. Weber, Vom Coemeterialbau zur Klosterkirche. Die Entwicklung des frühchristlichen Gräberfeldes im Bereich von St. Maximin in Trier, in: RQ 101 (2006) 240–259. 54 Heinen (Anm. 1) 157–159. 52

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Abb. 5: Trier, St. Paulin, Grabinschrift für den Presbyter Lycontius (Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Trier)

riker mag ein Hinweis darauf sein, dass sich in diesem Bereich des nördlichen Gräberfeldes ein von kirchlichen Würdenträgern bevorzugt genutztes Grabareal befand (Abb. 5) 55 . Trotz zahlreicher archäologischer Untersuchungen, die seit dem 19. Jahrhundert bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts durchgeführt wurden, ist es bislang nicht gelungen, Spuren der sicher zu vermutenden antiken Grabbasilika vom Ende des 4. Jahrhunderts aufzudecken 56 . An der Person des Pauliner Pfarrers Philipp Schmitt (1805–1856) 57 lässt sich die Entwicklung und der Stellenwert der Altertumsforschung und insbesondere der Christlichen Archäologie in Trier exemplarisch fassen. Die 1801 gegründete Trierer „Gesellschaft für nützliche Forschungen“ konzentrierte im Laufe der ersten Jahrzehnte ihres Bestehens ihre Aktivitäten zunehmend auf die Archäologie. Einen prägnanten Akzent erhielt dieser Forschungsschwerpunkt durch die 1853 erfolgte Gründung des „Christlich Archäologisch-Historischen Vereins für die Diözese Trier“. Dieser Verein steht in einer Reihe mit weiteren christlichen H. Merten (Anm. 46) 41–43 Nr. 11. S. Ristow, Frühes Christentum im Rheinland. Die Zeugnisse der archäologischen und historischen Quellen an Rhein, Maas und Mosel (Köln 2007) 209–210. 57 J. Merten, „Die Geschlechter verschwinden mit ihrem Thun …“. Zu den archäologischen Forschungen des Pfarrers Philipp Schmitt, in: Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier 30 (1998) 113–126; J. Merten, Schmitt, Philipp, in: BBKL 16. Ergänzungen III (Herzberg 1999) 1426–1428. 55 56

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Abb. 6: Trier, St. Paulin, Holzsarg für Bischof Paulinus: Zeichnung bei H. F. Josef Liell, Bericht ueber die Funde am Grabe des Hl. Paulinus in Trier (Handschrift 1883)

Kunstvereinen, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts auf Betreiben von August Reichensperger im Rheinland gegründet wurden 58 . Der Forschungsgegenstand des Vereins ergibt sich aus seinem Namen: Im Zentrum der Bemühungen standen die Monumente christlicher Kunst; als Ziel war eine Bestandsaufnahme der christlichen Denkmäler geplant. Als engagierter und ausgewiesener Altertumsforscher konzentrierte Philipp Schmitt seine Untersuchungen seit 1848 auf seine Pfarrkirche St. Paulin 59 . Im Jahre 1853 war Schmitt Präsident der „Gesellschaft für nützliche Forschungen“ wie auch führendes Mitglied des im selben Jahr gegründeten „Christlich Archäologisch-Historischen Vereins“. Der überraschende Tod Philipp Schmitts im Jahre 1856 war ein schwerer Schlag für den noch im Aufbau begriffenen Verein, der mit Schmitt eine führende und offenbar nicht zu ersetzende Persönlichkeit verlor, was schließlich 1860 zur Auflösung des „Vereins“ führte. Der Versuch, Christliche Archäologie als Forschungsrichtung in Trier zu institutionalisieren, war zu diesem Zeitpunkt gescheitert. In der Folgezeit galt der Paulinus-Sarg (Abb. 6) als herausragender Gegenstand frühchristlich-archäologischer Forschung. Nach einer ersten Öffnung im Jahre 1402 wurde 1883 eine erneute Öffnung des Holzsarges unternommen mit dem Ziel, wissenschaftliche Untersuchungen am Sarg selbst und an den darin vorgefundenen Textilien vornehmen zu lassen. Die Ergebnisse der als vorbildlich zu bezeichnenden interdisziplinären Vorgehensweise haben jedoch in der Literatur einen erstaunlich geringen Niederschlag gefunden 60 . Der PaulinusSarg wie auch die spätantiken Ursprünge des heutigen Kirchenbaus, mit denen der Sarg in Zusammenhang stehen soll, bleiben weiterhin ein Desiderat der Forschung. Anders als im Norden des antiken Trier, wo der christliche Bestattungsplatz W. Weber, Die Gesellschaft für nützliche Forschungen und der Christlich archäologischhistorische Verein für die Diözese Trier, in: Antiquitates (Anm. 11) 377–389. 59 Ph. Schmitt, Die Kirche des h. Paulinus bei Trier, ihre Geschichte und ihre Heiligthümer (Trier 1853). 60 F. Hettner, Der Fund im Grabe des „heiligen Paulinus“ zu Trier. Eine vorläufige Notiz, in: Westdeutsche Zeitschrift 3 (1884) 30–35; Zusammenfassung des Forschungsstandes bei Kraus (Anm. 17) 190; ferner: H. F. J. Liell, Bericht ueber die Funde am Grabe des Hl. Paulinus in Trier (Handschrift 1883); die Handschrift befindet sich in der Bibliothek des Rheinischen Landesmuseums Trier, Hs. M 8. 58

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Abb. 7: Trier, St. Matthias, Cyrillus-Inschrift: Überlieferung des Textes bei Christoph Brouwer, Antiquitatum et Annalium Trevirensium libri XXV (Lüttich 1670) I 297

von einer imposanten Coemeterialbasilika dominiert wurde, sind auf dem südlichen Gräberfeld im Umkreis der heutigen Benediktinerabtei St. Matthias zahlreiche Grabkammern und Grüfte des 3. und 4. Jahrhunderts nachzuweisen 61 . Vom südlichen Gräberfeld stammt einer der in der frühchristlichen Kunst Triers äußerst seltenen Reliefsarkophage: Das zentrale Bild zeigt Noah, seine Familie und zahlreiche Tiere in der kastenartigen Arche 62 . Ebenso erstaunlich wie die Gestaltung des Bildthemas ist die Datierung in die Frühzeit des Trierer Christentums, nämlich in das 1. Drittel des 4. Jahrhunderts. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Bestattungen um St. Matthias, weil sich in diesem Bereich die Gräber der frühen Trierer Bischöfe befunden haben sollen. Eine heute verlorene Inschrift 63 berichtet von der Errichtung eines Altares bei den Gräbern der hochverehrten ersten Trierer Bischöfe Eucharius und Valerius durch ihren Amtsnachfolger Cyrillus um die Mitte des 5. Jahrhunderts (Abb. 7). Die Einzelheiten der Baumaßnahme unter Bischof Cyrillus entziehen sich bislang trotz zahlreicher Untersuchungen in der Abteikirche und ihren Außenbereichen einer Überprüfung mit archäologischen Methoden: Wurde die ursprüngliche Bischofsgrablege prächtig ausgestattet oder wurden die Gebeine der verehrten Bischöfe in eine neugebaute Grabkirche überführt64 ? Auf der Grundlage seiner Untersuchungen

61 L. Clemens/H. Löhr, St. Matthias, Abteivorplatz, in: Jahresbericht des Landesamtes für Denkmalpflege Abteilung Archäologische Denkmalpflege, Amt Trier, für den Stadtbereich Trier 1996. Trierer Zeitschrift 61 (1998) 407–415; L. Clemens/J. C. Wilhelm, Sankt Matthias und das südliche Gräberfeld, in: Das römische Trier (Anm. 51) 175–187; Ristow (Anm. 56) 210–213. 62 Fundgeschichte und Beschreibung: Hettner (Anm. 20) 155–156 Nr. 373. 63 N. Newel, Die Cyrillus-Inschrift von St. Matthias in Trier (Gauthier, RICG I 19). Neue Quellen zu ihrer Überlieferungsgeschichte, Auswertung ihres Formulars, in: Trierer Zeitschrift 58 (1995) 211–265. 64 Ristow (Anm. 56) 210.

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in den 1960er Jahren legte Heinz Cüppers (1929–2005) einen Deutungsversuch des komplexen Befundes in St. Matthias vor. Indem Cüppers archäologische, inschriftliche und literarische Quellen verband, versuchte er, die sogenannte Albana-Gruft als den Ort der ursprünglichen Grabstätte des Eucharius und Valerius vor der möglichen Translozierung der Gebeine unter Bischof Cyrillus wahrscheinlich zu machen 65 . Zu den wichtigsten Kirchengrabungen in Deutschland gehört ohne Zweifel der Bereich von Dom und Liebfrauenkirche in Trier. Dieser Komplex liegt nicht wie andere spätantik-frühchristliche Bauten Triers außerhalb der Stadt auf den Gräberfeldern, sondern dominierte durch seine gewaltige Größe zusammen mit Bauten kaiserlicher Repräsentanz den Ostrand des bewohnten Stadtareals. Die archäologischen Forschungen am Trierer Dom und der Liebfrauenkirche sind untrennbar verbunden mit dem Namen Johann Nikolaus von Wilmowsky (1801–1880). Der in Böhmen geborene von Wilmowsky wurde 1824 zum Priester geweiht und war in den folgenden Jahren mit unterschiedlichen Aufgaben in der Trierer Kirche tätig; 1842 wurde von Wilmowsky zum Domkapitular ernannt. Sein großes Interesse für das Gebiet der Altertumsforschung dokumentiert sich in seiner Mitgliedschaft in der „Gesellschaft für nützliche Forschungen“, deren Präsident er im Jahre 1852 war. Im Auftrag der „Gesellschaft“ führte von Wilmowsky zahlreiche, als für seine Zeit vorbildlich zu bezeichnende Grabungen in Trier und Umgebung durch 66 . Das Lebenswerk von Wilmowskys war jedoch die archäologisch-bauhistorische Erforschung des Trierer Domes. In den 40er und 50er Jahren des 19. Jahrhunderts waren im Zuge der Renovierung des Kreuzganges und des Domes selbst immer wieder archäologische Untersuchungen möglich. Es gelang von Wilmowsky, die von ihm erhobenen Befunde und seine Ergebnisse vollständig zu publizieren 67 . Diese beiden Werke sind bislang als die einzigen abgeschlossenen Grabungspublikationen über den Trierer Dom zu bezeichnen 68 . Ab 1942 lagen die Geschicke der Domgrabung in den Händen von Theodor Konrad Kempf (1914–2004), der als Bistumsarchäologe von 1952 bis 1984 zuH. Cüppers, Das Gräberfeld von St. Matthias, in: Frühchristliche Zeugnisse (Anm. 39) 165–174; H. Cüppers, Die frühchristlichen Grabkammern und die „cella Eucharii“ auf dem Friedhof von St. Matthias [in Trier], in: Mattheiser Brief (1968) H. 3, 44–57; H. Cüppers, Albana und die frühchristliche Bischofsgruft auf dem Friedhof von St. Matthias, in: Landeskundliche Vierteljahrsblätter 15 (1969) 48–49; H. Cüppers, Der bemalte Reliefsarkophag aus der Gruft unter der Quirinuskapelle auf dem Friedhof von St. Matthias [in Trier], in: Trierer Zeitschrift 32 (1969) 269–293 Taf. A-B. 66 J. Merten, Wilmowsky, Johann Nikolaus von, in: BBKL 15. Ergänzungen II (Herzberg 1999) 1508–1509. 67 J. N. v. Wilmowsky, Der Dom zu Trier in seinen drei Hauptperioden: der römischen, der fränkischen, der romanischen (Trier 1874); J. N. v. Wilmowsky, Die historisch-denkwürdigen Grabstätten der Erzbischöfe im Dome zu Trier und die archäologisch-liturgisch und kunstgeschichtlich bemerkenswerthen Fundgegenstände in denselben (Trier 1876). 68 W. Weber, Archäologische Zeugnisse aus der Spätantike und dem frühen Mittelalter zur Geschichte der Kirche im Bistum Trier (3.–10. Jahrhundert), in: Im Umbruch der Kulturen (Anm. 1) 407–541, hier 409–410. 65

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gleich Direktor des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums Trier war 69. Während des Zweiten Weltkrieges untersuchte Kempf 1943 im Zuge der Anlage eines Löschteichs große Flächen auf dem Domfreihof. Nach dem Ende des Krieges wurden bei den Wiederaufbaumaßnahmen die Untersuchungen in den Dominnenraum verlegt. Diese Arbeiten brachten die aufsehenerregende Entdeckung einer einzigartigen konstantinischen Deckenmalerei mit sich 70 . Langjährige Grabungskampagnen von 1948 bis 1952 in den Innen- und Außenbereichen von Dom und Liebfrauenkirche sowie von 1961 bis 1974 im Zuge der Domrenovierung erbrachten eine schier unübersehbare Fülle an Befunden und Funden. Kempf legte in zahlreichen Vorberichten erste Interpretationsansätze vor: So ging Kempf davon aus, dass ihm der Nachweis eines frühchristlichen Kirchenkomplexes gelungen sei, für die er den Begriff „Doppelkirchenanlage“ verwendet 71 . Weitere archäologische Untersuchungen waren unter Kempfs Nachfolger Winfried Weber (* 1945) möglich. Neben einer von 1992 bis 1995 durchgeführten Flächengrabung auf dem Domfreihof 72 waren es vor allem die noch kursorischen Auswertungen der Grabungen von 1980/81 und von 2000 bis 2003 im Bereich der Kurie von der Leyen 73 , vor der Liebfrauenkirche gelegen, die die Phasen der Bauentwicklung offenbar klarer erkennen lassen. W. Weber, Nachruf auf Theodor Kempf, in: Neues Trierisches Jahrbuch 44 (2004) 241– 242. 70 W. Weber, Constantinische Deckengemälde aus dem römischen Palast unter dem Trierer Dom (Trier 4 2000). 71 Th. K. Kempf, Die Deutung des römischen Kerns im Trierer Dom nach den Ausgrabungen von 1943–1946, in: Das Münster 1 (1947) 129–140; Th. K. Kempf, Die altchristliche Bischofskirche Triers, in: Trierer Theologische Zeitschrift 56 (1947) 1–32; Th. K. Kempf, Die Grabungen im Trierer Dombereich, in: Fasti archaeologici 4 (1949) 569–570; Th. K. Kempf, Die vorläufigen Ergebnisse der Ausgrabungen auf dem Gelände des Trierer Domes, in: Germania 29 (1951) H. 1/2, 47–58; Th. K. Kempf, Les premiers résultats des fouilles de la cathédrale de Treves, in: Mémorial d’un voyage d’études de la Société Nationale des Antiquaires de France en Rhénanie (Juillet 1951) (Paris 1953) 153–162; Th. K. Kempf, Die Ausgrabungen am Trierer Dom und an der Liebfrauenkirche von 1943 bis 1950, in: Neue Beiträge zur Kunstgeschichte des 1. Jahrtausends 2: Frühmittelalterliche Kunst (Baden-Baden 1954) 103–113; Th. K. Kempf, Trierer Domgrabungen 1943–1954, in: Neue Ausgrabungen in Deutschland (Berlin 1958) 368–379; Th. K. Kempf, Untersuchungen und Beobachtungen am Trierer Dom 1961–1963, in: Germania 42 (1964) 126–141; Th. K. Kempf, Grundrißentwicklung und Baugeschichte des Trierer Domes, in: Das Münster 21 (1968) 1–32; Th. K. Kempf, Altchristliche Kultanlagen in Trier [Resumée], in: Akten des VII. Internationalen Kongresses für Christliche Archäologie (Anm. 37) 579. 72 W. Weber, Der Domfreihof – die Geschichte eines Platzes (Trier 1994); W. Weber, Der Basilikenkomplex auf dem Domfreihof in Trier. Die jüngsten Ausgrabungen im Bereich des Doms und der Liebfrauenkirche, in: Antike Welt 27 (1996) H. 2, 121–127; W. Weber, Der Domfreihof: Ein Sanierungsfall besonderer Art, in: 100 Jahre Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz: 33 Jahre Ortsverband Trier (Trier 2006) 31–43; Bearbeitung der Funde vom Domfreihof: H. Merten, Die Trierer Domgrabung 1. Die Ausgrabungen auf dem Domfreihof (Nordwest-Bereich) 1: Die Funde (Trier 2001). 73 W. Weber, Kirchliche Denkmalpflege im Bistum Trier, Jahresbericht 2001: Trier, Kurie von der Leyen, Domfreihof 5: Archäologische Ausgrabungen im Bereich der Kurie von der Leyen, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 54 (2002) 562–565; W. Weber, Kirchenanlage im Bereich von Dom und Liebfrauen, in: Rettet das archäologische Erbe in Trier 69

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Die Nutzung des etwa 12.000 qm großen Gebäudekomplexes ist bislang noch nicht sicher zu bestimmen. So ging von Wilmowsky in Anbetracht der Größe des Bauwerks von einer zunächst profanen Nutzung des Baus als Gerichtshalle in der Zeit der Valentiniane aus, erst später sei er in eine Kirche umgewandelt worden 74 . Diese wie weitere Deutungen gehen davon aus, dass dem Großbau ein Gesamtplan zugrunde lag. Die von Kempf und Weber erhobenen Befunde ergeben jedoch ein völlig anderes Bild: Um das Jahr 310 wurde im Bereich des südwestlichen Segments der späteren Gesamtanlage, dem heutigen Bereich der Kurie von der Leyen, eine repräsentativ ausgestattete dreischiffige Basilika errichtet, bei der es sich um die erste Trierer Bischofskirche gehandelt haben könnte. Bereits in den 30er Jahren des 4. Jahrhunderts erhielt das – möglicherweise für Gottesdienste genutzte – Gebäude eine profane Funktion: Durch die Einbeziehung in einen großen Baukomplex, der sich über zwei insulae der römischen Stadt erstreckte und dabei eine Straße überbaute, wurde die sogenannte Südwest-Basilika zu einer großartigen Eingangs- oder Durchgangshalle in die im Osten der Gesamtanlage liegenden Bauteile. Nach einer jahrelangen Bauunterbrechung erfolgte eine Neukonzeption und damit verbunden umfangreiche Planänderungen, deren Ergebnis der größte Ausbau des Komplexes war. Nachdem das Bauwerk im Zuge der Völkerwanderung stark zerstört wurde, erhielten die wieder aufgebauten Bereiche im 6. Jahrhundert eine neue Funktion. Durch den Einbau von Ambonen in der Nordost- und Südost-Basilika darf die Nutzung dieser beiden Bauten als Kirchenräume zur Feier der Eucharistie als gesichert gelten 75 . Als Zwischenergebnis nach der Auswertung einzelner Bereiche des Gesamtkomplexes ist festzuhalten: Der spätantike Großbau an der Stelle des heutigen Trierer Domes und der Liebfrauenkirche ist weder nach einem einheitlichen Gesamtkonzept erbaut worden, noch trifft die von Kempf gewählte Bezeichnung der „Doppelkirchenanlage“ zu. Der Bau besteht aus zahlreichen Raumteilen unterschiedlicher, zumeist unbekannter Funktion; der Gesamtkomplex ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen, den sich wandelnden Erfordernissen angepassten Entwicklung. Die christliche Nutzung des Komplexes darf seit dem mittleren Drittel des 4. Jahrhunderts für ein bestimmtes Areal der neuerbauten Südost-Basilika jedoch als sicher gelten (Abb. 8): Zu diesem Zeitpunkt werden im Abstand von wenigen Jahrzehnten zwei Schranken im östlichen Bereich des Gebäudes errich(Anm. 49) 64–69; W. Weber, „… dass man auf ihren Bau alle Sorgfalt verwende“. Die Trierer Kirchenanlage und das konstantinische Kirchenbauprogramm, in: M. Fiedrowicz u. a. (Hg.) Konstantin der Große: Der Kaiser und die Christen – Die Christen und der Kaiser (Trier 2007) 69–96; Bearbeitung der Funde aus der Kurie von der Leyen: H. Merten, Die Trierer Domgrabung 2: Die Ausgrabungen in der Kurie von der Leyen und der Liebfrauenstraße (Südwest-Bereich) 1: Die Funde (Trier 2006). 74 Zusammenstellung verschiedener Deutungen des Baukomplexes: N. Irsch, Der Dom zu Trier (Düsseldorf 1931) 74–76; Ristow (Anm. 56) 193–203. 75 B. Weber–Dellacroce/W. Weber, „Dort, wo sich Gottes Volk versammelt“: Die Kirchenbauten konstantinischer Zeit, in: Konstantin der Große (Anm. 51) 244–257.

Christliche Epigraphik und Archäologie in Trier seit ihren Anfängen

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Abb. 8: Trier, Domgrabung, Fundstelle der Inschriftfragmente und der Graffiti in den Planquadraten I/J 32/33 (schraffierter Bereich)

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Abb. 9: Trier, Domgrabung, Graffiti auf Schranke II (Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Trier)

tet, auf denen Graffiti mit eindeutig christlichem Inhalt angebracht sind (Abb. 9) 76 . Einen überaus wichtiger Beleg für die christliche Nutzung der Südost-Basilika stellen die Fragmente einer griechischsprachigen Inschrift dar, die ebenfalls in das mittlere Drittel des 4. Jahrhunderts zu datieren ist: Im Zentrum eines langen, nur fragmentarisch erhaltenen Textes ist ein großes Christogramm zu rekonstruieren (Abb. 10). Aus den wenigen sicher zu lesenden Wörtern darf man folgern, dass es sich bei dem Text um einen Hymnus auf Christus gehandelt haben wird 77 . An den wesentlichen Beispielen konnten der Gegenstand, die Fragestellung und bereits erzielten oder absehbar zu erwartenden Ergebnisse frühchristlicher Archäologie in Trier aufgezeigt werden. Dabei hat sich erwiesen, dass frühchristliche Forschungen in Trier kein „akademisches“ Thema der Theologischen Fakultät und der Universität Trier waren und sind. Diese Entwicklung ist in der Geschichte der beiden Institutionen begründet: Die alte Universität Trier und A. Binsfeld (Anm. 47) 181: II 27; 182: II 36; zur Datierung der beiden Schranken: 20–22. H. Merten, Ewig und gerecht. Zu den Fragmenten einer griechischen Inschrift aus der Südost-Basilika (Liebfrauen) der spätantiken Kirchenanlage in Trier, in: Trierer Zeitschrift 69/70 (2006/2007) 177–186.

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Christliche Epigraphik und Archäologie in Trier seit ihren Anfängen

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Abb. 10: Trier, Domgrabung, Rekonstruktion der griechischen Inschrift mit Christogramm (Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Trier)

die Theologische Fakultät bestanden von 1473 bis zum Ende des Kurstaates im Jahre 1798. Ab 1805 war das Bischöfliche Priesterseminar Institution und Ort theologischer Lehre und Forschung in Trier, während die Aufgabe frühchristlicher Archäologie den gelehrten Vereinigungen, später dann den Denkmalpflegeinstitutionen und Museen zufiel. 1950 wurde die Zweite Theologische Fakultät Trier als kirchliche Hochschule päpstlichen Rechts am Bischöflichen Priesterseminar Trier errichtet 78 , 1970 erfolgte die Neugründung der Universität Trier, an der 1975 das Fach Klassische Archäologie eingerichtet wurde 79 . Die Theologische Fakultät Trier verfügt über eine Professur für Kirchengeschichte des Altertums, für Patrologie und für Christliche Archäologie. Diese beiden Lehrstühle sind im Bereich der frühchristlichen Archäologie mit der Lehre, jedoch nicht in der archäologischen Feldarbeit oder mit der Vorlage von Funden und Befunden beschäftigt. 78 J. Steinruck, 60 Jahre Theologische Fakultät Trier, in: Neues Trierisches Jahrbuch 50 (2010) 149–166. 79 P. Schwenkmezger (Hg.), Zentrum für Altertumswissenschaften an der Universität Trier (ZAT), Themenheft (= Unijournal 29) (Trier 2003).

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Die frühchristliche Epigraphik und die frühchristliche Archäologie in Trier bezogen ihre Impulse und Fortschritte überwiegend von den Praktikern, denn Ausgrabungen, Vorlage und erste Deutungen der Funde und Befunde erfolgten und erfolgen bis heute durch die Vertreter der kirchlichen und staatlichen Denkmalpflegeinstitutionen bzw. durch die Museen. Während das epigraphische Material dank überwiegend publizierter, grundlegender Vorarbeiten inzwischen umfassenden Auswertungen zur Verfügung steht, trifft dies auf die in der Antike wurzelnden Kirchenbauten Triers in nur begrenztem Umfang zu. Die archäologische und bauhistorische Erforschung der frühen Kirchen Triers, insbesondere des Domes, wurde seit dem 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg mit weithin beachteten Ergebnissen vorangetrieben. Die seither gewonnenen Beobachtungen harren einer ausführlich dokumentierten Gesamtvorlage: Während die Erarbeitung und Publikation der drei Fundkataloge dank der Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft inzwischen als abgeschlossen gelten kann 80 , steht die umfassende Vorlage der zugehörigen Befunddokumentation noch aus. Die bei der Bearbeitung von Funden und Befunden gewonnenen Ergebnisse der Fachwelt wie auch der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sollte zweifellos die wichtigste Aufgabe der kommenden Jahre sein. Abbildungsnachweis Abb. 1 nach Ortelius/Vivianus (Anm. 7), Rheinisches Landesmuseum Trier, Bibliothek, XXIV Rara 110 Abb. 2 nach Schneemann (Anm. 14), Rheinisches Landesmuseum Trier, Bibliothek, Hs. G 14 Abb. 3 Foto Th. Zühmer, Rheinisches Landesmuseum Trier Abb. 4 Foto St. Schu, Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Trier Abb. 5, 9 Fotos R. Schneider, Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Trier Abb. 6 nach Liell (Anm. 60) Abb. 7 nach Newel (Anm. 63) 217 Abb. 1 Abb. 8 Plan A. Hill, Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Trier Abb. 10 Zeichnung M. Diederich, Trier

H. Merten (Anm. 72 und 73); H. Merten, Die Trierer Domgrabung 3: Die Ausgrabungen unter dem Dom und der Liebfrauenkirche (Nordost- und Südost-Bereich) 1: Die Funde (= Kataloge und Schriften des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums Trier 7,3) (im Druck).

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Geschichte der Christlichen Archäologie im Rheinland Von SEBASTIAN RISTOW Einführung Das Rheinland, darunter wird im Folgenden nicht nur das „klassisch“ mit diesem Begriff umschriebene Gebiet verstanden, sondern der geografische Raum vom Nieder- bis zum Oberrhein, weist eine in der frühchristlichen Welt hervorragende Dichte an christlichen Sach- und Schriftzeugnissen auf. Die christlicharchäologischen Fundstätten und Wirkungszentren reihen sich dabei zwischen Xanten und Straßburg auf, mit Konzentrationen in diesen Zentren und dazwischen in Köln, dem weiteren Moselmündungsgebiet, Mainz, Worms und Speyer. Der zeitliche Focus liegt, entsprechend der heutigen Sicht der Christlichen Archäologie, zwischen der Zeit um 300 und 600. Er umfasst das früheste Auftreten von Spuren christlichen Lebens ab dem späten 3. Jahrhundert, die Erstarkung der neuen Religion in konstantinischer bis theodosianischer Zeit, den zumindest zeitweisen Niedergang um die Mitte des 5. Jahrhunderts, die Zeit mangelnder Überlieferung der 2. Hälfte des 5. und des frühen 6. Jahrhunderts sowie die erneute „Christianisierung“ und die Konsolidierung des frühmittelalterlichen Christentums. Dabei ist für alle Abschnitte zu bedenken, dass seitens der Archäologie wie auch der historischen Wissenschaften, immer nur das, was durch den Zufall der Überlieferung auf uns gekommen ist, mit in das zu rekonstruierende Bild einbezogen werden kann. Es kann immer nur ein Positivabgleich vorgenommen werden. Ferner muss berücksichtigt werden, dass die Sachzeugnisse und besonders diejenigen mit der stärksten Aussagefähigkeit, nämlich die Architektur, nicht aus der Zeit der Christianisierung stammen, also aus der Zeit der Ausbreitung des neuen Glaubens, sondern aus der Periode der christlichen Institutionalisierung 1 , in der sich die christliche Religion dergestalt manifestierte und begann, die städtische Topografie mit zu prägen. Gang der Forschung zur frühchristlichen Archäologie im Rheinland In nennenswertem Umfang und einiger Qualität setzt die archäologisch-historische Erforschung des frühchristlichen Rheinlands im 19. Jahrhundert ein, Zu dieser Unterscheidung: N. Krohn/S. Ristow, Europa wird christlich. Epoc H. 1 (2011) 58–69. Vgl. S. u. S. Brather, Repräsentation oder Religion? Grabbeigaben und Bestattungsrituale im frühen Mittelalter, in: N. Krohn/S. Ristow (Hg), Wechsel der Religionen – Religionen des Wechsels. Tagungsbeiträge der AG Spätantike und Frühmittelalter 5 (Hamburg 2012) in Vorbereitung; N. Krohn, Christianisierung oder Institutionalisierung? Zur Brauchbarkeit theologisch-kirchengeschichtlicher Begriffe für die Interpretation archäologischer Befunde. Ebd.; S. Ristow, Christliches im archäologischen Befund – Terminologie, Erkennbarkeit, Diskussionswürdigkeit Ebd.

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meist von historisch-theologischer Seite vorgetragen. Erste Zusammenstellungen bündeln die bis dahin bekannten Sachzeugnisse 2 . Gelegentliche Bodenöffnungen, wie sie in den Domen von Trier und Aachen schon in dieser frühen Periode der Erkenntnisgewinnung durchgeführt wurden 3 , bleiben im rheinnahen Gebiet zunächst ungeregelt und nicht dokumentiert. Wenn bei Baumaßnahmen die Böden von Kirchen geöffnet wurden, fand dies allenfalls Eingang in Protokolle kirchlicher Stellen; nachzulesen sind diese Berichte in den „Kunstdenkmälern des Rheinlands“ 4 . So beschränkte sich auch die Christliche Archäologie zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf das Zusammenstellen der Funde und das Summieren von Hypothesen, weniger auf die Interpretation archäologischer Befunde 5 . Erste quellen- und methodenkritische Ansätze, wie sie aus den Überlegungen der Greifswalder Schule von Victor Schultze erwuchsen, sind dann ab den 1920er Jahren zu bemerken 6 . Die Publikation der frühchristlichen Funde fand ihren ersten Zielpunkt in der Arbeit von Wilhelm Neuss, dessen „Anfänge des Christentums im Rheinlande“ in der ersten Auflage im Jahr 1923 erschien 7 . Die kritische Sicht Schulzes und die Loslösung der Christlichen Archäologie wurde durch die Forschungen von Franz Joseph Dölger und ihm nachfolgend Theodor Klauser, die in Bonn das Projekt des „Reallexikons für Antike und Christentum“ ins Leben riefen, weiterentwickelt 8 . Wie schon der Name des Lexikons nahelegt, wurde die Realienkunde im Rahmen der Christlichen Archäologie gestärkt. Schultze, Dölger und Klauser traten für eine vorurteilsfreie Beurteilung der Quellen ein und mahnten zu kritischer Sichtung wo der eindeutige Beleg von Christentum nicht erbracht war. J. Becker, Die ältesten Spuren des Christenthums am Mittelrhein., in: Nassauische Annalen 7, 2 (1864) 1–72; F. Falk, Das erste Jahrtausend christlicher Bau- und Kunstthätigkeit in Mainz, in: Nassauische Annalen 12 (1873) 1–20. 3 J. N. v. Wilmowsky, Der Dom zu Trier in seinen drei Hauptperioden: der römischen, der fränkischen, der romanischen (Trier 1874); C. Rhoen, Die karolingische Pfalz zu Aachen. Eine topographisch-archäologische Untersuchung ihrer Lage und Bauwerke (Aachen 1889). 4 P. Clemen (Hg), Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 1–20 (Düsseldorf 1891–1943). 5 J. Ficker, Altchristliche Denkmäler und Anfänge des Christentums im Rheingebiet. Rede zur Feier des Geburtstags Sr. Majestät des Kaisers am 27. Jan. 1909 in der Aula der Kaiser Wilhelms-Universität Straßburg gehalten (Straßburg 2 1914). 6 H. Achelis, Denkmäler altchristlicher Kunst in den Rheinlanden, in: Bonner Jahrbücher 126 (1921) 57–81; J. Como, Die Anfänge des Christentums in unserer Heimat. Katholischer Kirchenkalender der Pfarrei Bingen nebst einem historischen Jahrbuch 2 (1927) 19–45; R. Forrer, Strasbourg – Argentorate. Préhistoire, gallo-romain et mérovingien 2 (Straßburg 1927); H. Friedrich, Die Anfänge des Christentums und die ersten Kirchengründungen in römischen Niederlassungen im Gebiet des Nieder- und Mittelrheins und der Mosel, in: Bonner Jahrbücher 131 (1926) 10–113. 7 W. Neuss, Die Anfänge des Christentums im Rheinlande, in: Rheinische Neujahrsblätter 2 (Bonn 2 1933). 8 Zu diesen Entwicklungen zusammenfassend mit Lit.: S. Ristow, Christliche Archäologie – Gestern und heute, in: Th. Fischer (Hg), Bilder von der Vergangenheit. Zur Geschichte der archäologischen Fächer (Wiesbaden 2005) 215–245 hier 221 f., 228. Zuletzt zur Christlichen Archäologie in Bonn: E. Dassmann/G. Rexin, Christliche Archäologie in Bonn, in: RQ 105 (2010) 143–162. 2

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Umso erstaunlicher ist es, dass die in der gleichen Zeit einsetzende deutsche Kirchenarchäologie der 1920er bis 50er Jahre schon während der großen Grabungen in bekannten Kirchen diese kritische Sicht des Faches nicht an die archäologischen Befunde herantrug. Stattdessen waren die Kölner, Bonner und Mainzer Archäologen ganz unverhüllt auf der Suche nach frühchristlichen Ursprüngen unter den großen Kirchenbauten heutiger Tage, das heißt, es wurde „zielgerichtet gegraben“ und auch interpretiert. Dadurch ging ein Großteil der notwendigen Objektivität verloren. Man gelangte zu Ergebnissen, nicht, indem man die Funde auswertete und die Befunde so datierte, sondern indem man die Phasenabfolgen der ergrabenen Bauten chronologisch und formal an die Folge der historischen Abläufe anglich. Man beging also den Fehler der so genannten gemischten Argumentation. An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass allerdings an keiner dieser Maßnahmen, auf die gleich zu sprechen zu kommen sein wird, Christliche Archäologen beteiligt gewesen sind. Es waren Vertreter der Klassischen Archäologie und der frühen Zeit der regionalen Bodendenkmalpflege, welche die Bodenöffnungen an den frühchristlichen Kristallisationspunkten des Rheinlandes durchführten. Von Seiten der Christlichen Archäologie ist zu konstatieren, dass sich die Fachvertreter viel zu spät für die Ergebnisse, gerade der heimischen Archäologie interessierten und fortgesetzt Forschungen an Kleinfunden und vor allem in Rom, Italien oder der Türkei bevorzugten. Lediglich Theodor Klauser setzte sich mit den Ausgrabungen in der seinem Institut benachbarten Bonner Münsterkirche kritisch auseinander und publizierte 1947 Bemerkungen, die eine kontroverse Diskussion anfachten 9 . Noch in der 1983 erschienen und bis heute grundlegenden „Einführung in die Christliche Archäologie“ von Friedrich Wilhelm Deichmann findet sich bezeichnenderweise weder ein Eintrag Xanten, noch Bonn oder Mainz und selbst aus Köln hat es nur der exzeptionelle spätantike Großbau von St. Gereon zu einer Erwähnung gebracht, der noch nicht einmal als Kirche errichtet worden ist 10 . Ansonsten blieben Historiker und Kirchenhistoriker der 1950er und 60er Jahre oft bei Sammelarbeiten im Stil vom Anfang des Jahrhunderts stehen und ließen die archäologischen Ergebnisse weitgehend unkommentiert gelten 11 . Archäologen publizierten andererseits in Unkenntnis kritischer Gewichtungen, wie sie in der Christlichen Archäologie längst üblich waren, aber eben nicht auf Baubefunde des Rheinlands angewandt wurden, für frühchristlich gehaltenes

Th. Klauser, Bemerkungen zur Geschichte der Bonner Märtyrergräber, in: Bonner Geschichtsblätter 3 (1947) 35–41 (Wiederabdruck in: Gesammelte Arbeiten zur Liturgiegeschichte, Kirchengeschichte und Christlichen Archäologie [= JAC Erg.- Bd. 3] [Münster 1974] 310–313). 10 F. W. Deichmann, Einführung in die Christliche Archäologie (Darmstadt 1983). 11 H. Büttner, Frühes fränkisches Christentum am Mittelrhein, in: AMRhKG 3 (1951) 9– 55. Zum Problemkreis vgl. S. Ristow, Frühes Christentum im Rheinland. Die Zeugnisse der archäologischen und historischen Quellen an Rhein, Maas und Mosel (Münster 2007) bes. 25–28. 9

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Material, das oft genug der Überprüfung nicht standhält 12 . Analytische Arbeiten, die beide Aspekte zu vereinen suchten, blieben selten 13 . Erst der Internationale Kongress für Christliche Archäologie, der 1965 in Trier stattfand, konfrontierte die beiden Fachwelten der Archäologie mit dem Wissen und den Ergebnissen der jeweils anderen Seite 14 . In diese Zeit fällt die Grabung von Hans Eiden in St. Severus in Boppard, die ein anderes Problem im interpretatorischen Bereich verdeutlicht. Oft wurde eine Kontinuität zwischen römer- und merowingerzeitlicher Nutzung von Architektur angenommen, ohne dass diese geprüft worden wäre. Dadurch kam es gelegentlich zu chronologisch verfrühten Ansetzungen frühchristlicher Baubefunde. Die Grabung von Boppard muss noch aufgearbeitet werden 15 . Die Folgezeit sah eine Reihe von auch heute noch mit Gewinn zu nutzenden Übersichten in Katalogform 16 . Von theologisch-christlich-archäologischer Seite ist die analytische Zusammenstellung des Materials durch Ernst Dassmann zu erwähnen 17 . Aber erst in den 1980er Jahren setzte eine großangelegte Welle von Revisionen besonders zu älteren Kirchengrabungen ein, die bis heute beim Gros der Bauten zu revidierten Vorlagen des archäologischen Materials geführt hat, sodass sich eine in Teilen vollkommen veränderte Sicht auf das frühe Christentum im Rheinland ergibt. Diese – erst kürzlich zur Synthese gelangt – wird nun wiederum Gegenstand der Diskussion und Analyse 18 . Manche der jetzt vorlie12 Exemplarisch: F. Fremersdorf, Cologne gallo-romaine et chrétienne, in: Mémorial d’un voyage d’études de la Société nationale des Antiquaires de France en Rhénanie (Juillet 1951) (Paris 1953) 91–136; F. Fremersdorf, Ältestes Christentum. Mit besonderer Berücksichtigung der Grabungsergebnisse unter der Severinskirche in Köln, in: Kölner Jahrbuch für VorFrühgeschichte 2 (1956) 7–26. 13 G. Behrens, Das frühchristliche und merowingische Mainz. Nach den Bodenfunden dargestellt (Mainz 1950). 14 Akten des VII. Internationalen Kongresses für christliche Archäologie, Trier 1965 (Città del Vaticano/Berlin 1969). 15 Zu den Problemen der Interpretation bisher: S. Ristow, Der Begriff „frühchristlich“ und die Einordnung der ersten Kirche von Boppard am Rhein, in: U. Lange/R. Sörries (Hg), Vom Orient bis an den Rhein. Begegnungen mit der Christlichen Archäologie. Peter Poscharsky zum 65. Geburtstag (Dettelbach 1997) 247–256. 16 Lente der Christelijke Kunst. Kunst van het oudste christendom en der vroege middeleeuwen. Ausstellungskat. (Maastricht 1962); Frühchristliches Köln (Köln 1965); Th. K. Kempf/ W. Reusch (Hg), Frühchristliche Zeugnisse im Einzugsgebiet von Rhein und Mosel. Ausstellungskatalog (Trier 1965); G. Ristow, Römischer Götterhimmel und frühes Christentum. Bilder zur Frühzeit der Kölner Religions- u. Kirchengeschichte (Köln 1980); J. Engemann/ Ch. B. Rüger (Hg), Spätantike und frühes Mittelalter. Ausgewählte Denkmäler im Rheinischen Landesmuseum Bonn. Ausstellungskatalog Bonn (Köln 1991). 17 E. Dassmann, Die Anfänge der Kirche in Deutschland. Von der Spätantike bis zur frühfränkischen Zeit (Stuttgart 1993). 18 S. Ristow (Hg), Neue Forschungen zu den Anfängen des Christentums im Rheinland (Münster 2004); Ristow 2007 (Anm. 11); S. Ristow, Frühchristliche Kirchenarchäologie im Rhein-Mosel-Raum. Neue Ergebnisse, künftige Forschungen, in: N. Krohn (Hg), Kirchenarchäologie heute – Forschungen am Schnittpunkt archäologischer und historischer Wissenschaften (Darmstadt 2009) 61–90; ders., Kirchen in den Rheinlanden im späten 6. Jahrhundert, in: E. Gatz (Hg), Atlas zur Kirche in Geschichte und Gegenwart. Heiliges Römisches

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genden Erkenntnisse werden außerhalb der Archäologie nur schwer akzeptiert, wie das Fehlen eines archäologischen Belegs für die Kirchen der frühen Bischöfe des 4. Jahrhunderts oder die Errichtung der ältesten Architektur vor christlichem Hintergrund am Ort des Bonner Münsters erst im 6. Jahrhundert. Zuletzt sind diese Fragen 2006 Gegenstand einer Ausstellung im Rheinischen Landesmuseum Bonn gewesen 19 . Im Folgenden werden die wichtigsten Grabungsstätten und der Gang der jeweiligen Forschung an diesen Orten kurz skizziert. Da die Interpretation der Funde mittlerweile unstrittig ist und einzelne Fische, Hirten oder ähnliches heute nicht mehr als christliche Bilder angesehen werden, sofern sie keine entsprechende Erläuterung besitzen, stehen die Befunde im Vordergrund. Mainz, St. Alban Die erste nennenswerte Maßnahme zur Erforschung von Baubefunden, die mit dem frühen Christentum in Verbindung zu bringen sind, die heute noch in gewissem Rahmen nachvollziehbar ist, da ihre Dokumentation wenigstens einige Schlüsse erlaubt, ist die Grabung in der südöstlichen römisch–frühmittelalterlichen Nekropole von Mainz, bei der späteren Kirche St. Alban. 1907– 1912 wurden dort zahlreiche – auch christliche – Grabinschriften der Zeit des 4./5.–8./9. Jahrhunderts geborgen 20 . Ferner ist ein etwa 370 m2 großer Rechtecksaal gefunden worden, der unter der späteren karolingerzeitlichen Kirche liegt. Für dieses Gebäude kann keine Funktion festgelegt werden. Es fehlen alle Reste seiner Ausstattung. Sichtet man die wenigen publizierten Indizien, ergibt sich, dass der Bau nur allgemein später als ein darunterliegendes Grab des 4. Jahrhunderts eingeordnet werden muss und im 6. oder spätestens dem 7. Jahrhundert bestanden haben dürfte (Abb. 1). Trotz der demnach wenigen Möglichkeiten, überhaupt Aussagen zu treffen, wurde der Befund des Saalbaus sehr bald eng chronologisch eingegrenzt und funktional festgelegt. Man verband ihn mit dem Martyrium des Hl. Alban und Reich – Deutschsprachige Länder (Regensburg 2009) 32–34. Darauf reagierend jetzt z. B. zu Bonn: D. Höroldt/Ch. Keller/U. Müssemeier, Das frühchristliche Bonn von der Spätantike bis ins Hohe Mittelalter, in: Bonner Geschichtsblätter 60 (2010) 11–61. 19 Th. Otten/S. Ristow (Red.), Von den Göttern zu Gott. Frühes Christentum im Rheinland. Ausstellungskat. Bonn (Tübingen 2006); Z. Vasáros/G. Kállay/S. Ristow, Frühchristliche Kirchen im Rheinland. Architektur und Funde. DVD (Budapest, Köln 2006). 20 Auch hier besteht das Grundproblem der schlechten Datierungsmöglichkeiten von Grabinschriften aus epigrafischer Sicht. Die meisten Grabinschriften blieben ohne Fundkontext und werden nach dem Formular als „noch spätantik“ oder „schon frühmittelalterlich“ eingeordnet. Daraus wird dann in absoluten Zahlen ausgedrückt das 4./5. Jahrhundert oder das 6./ 7. Jahrhundert. Auf das Fehlen klarer Anhaltspunkte für Datierungen in das 5. Jahrhundert oder gar dessen erster Hälfte wies vom Grundsatz her hin: J. Engemann, Epigraphik und Archäologie des spätantiken Rheinlandes, in: H. Giersiepen/H. Kottje (Hg), Inschriften bis 1300. Probleme und Aufgaben ihrer Erforschung Referate der Fachtagung für mittelalterliche und frühneuzeitliche Epigraphik, Bonn 1993 (Opladen 1995) 11–45.

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stilisierte ihn so zur Kirche, obwohl es sich vielleicht zunächst um ein Grabgebäude handelte 21 . Auch eine mit dem Martyrium verbundene Datierung, die archäologisch so nicht hätte erbracht werden können, ging daher in die Forschung ein. Noch 2010 schreibt die Archäologin Mechthild Schulze-Dörrlamm: „die Klosterkirche St. Alban … stand über einem im frühen 5. Jahrhundert für den ermordeten Diakon Alban († 406) errichteten steinernen Rechtecksaal … der zu den Großbauten seiner Zeit gehört hatte“ 22 . Zur Zeit der Ausgrabung kursierten gerade Hypothesen zu Christen vorconstantinischer Zeit in Mainz, geäußert aufgrund vermeintlich christlicher Graffiti auf Keramik aus dem Mainzer Dombereich 23 . Auch nach dem Bericht des Irenäus von Lyon zu Christen in den beiden Germaniae hielt man eine christliche Gemeinde schon des 2. Jahrhunderts in Mainz für wahrscheinlich 24 . Schließlich hatte die Mainzer Kirchengeschichtsschreibung des Mittelalters den fiktiven Paulusschüler Crescens als Bischof von Mainz etabliert, um die Gründung des Bistums in möglichst frühe Zeit zu verlegen 25 . Diese Quellen und das daraus bestimmte Bild standen den Ausgräbern – die keine historischen Theologen waren – jedoch vor Augen. So konstruierten sie unter dem Eindruck einer christ21 Die Überlieferung zum Hl. Alban stammt erst aus dem Hochmittelalter und ist insofern für die Beurteilung der spätantiken Befunde ohne Belang, zusammenfassend: S. Ristow, Mainz, in: RAC 23 (2010) 1202–1222, hier 1219 f. 22 M. Schulze-Dörrlamm, Die karolingische Chorschranke und die Porta Aurea der Klosterkirche St. Alban (787–805) bei Mainz, in: Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 54, 2007 (2010) 629–661, hier 631. 23 J. Ledroit, Auf den Spuren der ersten Christen im römischen Mainz. Der Katholik Nrn. 6–9 (1933) jeweils S. 3 f.; J. Ledroit, Früheste Christus-Zeichen am Rhein. Zwei Abhandlungen über die Funde aus der römischen Zeit des Mainzer Domgebietes (Mainz 1937). 24 Es ist jedoch vielmehr wahrscheinlich, dass Irenäus die Anwesenheit von Christen in allen Teilen der bewohnten Welt mit der Benennung deren äußerster Randbereiche umschrieben hat, dazu U. Maiburg, Und bis an die Grenzen der Erde … Die Ausbreitung des Christentums in den Länderlisten und deren Verwendung in Antike und Christentum, in: JAC 26 (1983) 38–53. Dennoch wird die Stelle bei Irenäus bis heute gerne als „Beleg“ für Christen zu dieser Zeit herangezogen, so zuletzt: Höroldt/Keller/Müssemeier 2010 (Anm. 18) hier 11; Dietrich Höroldt argumentiert dort quellenkritisch nicht einwandfrei mit der Tatsache, dass „Irenäus aus dem griechischsprachigen Osten stammte und deshalb die griechische Fassung [mit Nennung en Germanffla@, Anm. d. Verf.] die ursprüngliche ist“ (ebd. 11 Anm. 2). Höroldt verkennt somit, dass das in Frage stehende Werk des Irenaeus nur in Fragmenten und indirekt überliefert ist. Dazu s. Irénée de Lyon. Contre le Hérésies I, ed. A. Rousseau/L. Doutreleau (= SC 263,2) (Paris 1979) 61–111; 293, 83–115. Zu Irenäus s. allgemein: N. Brox, Irenaeus von Lyon, in: RAC 18 (1998) 820–854. 25 Vgl. H. W. Nopper, Die vorbonifatianischen Mainzer Bischöfe. Eine kritische Untersuchung der Quellen zu den Anfängen des Bistums Mainz und zur Zuverlässigkeit der Bischofslisten (Norderstedt 2001) hier 14–17. Auch Bischof Martinus von Mainz entspringt einer mittelalterlichen Fälschung, nämlich der der Akten eines so genannten Konzils von Köln aus dem Jahre 346, in Wirklichkeit ein Konstrukt des 10. Jahrhunderts, entstanden aufgrund des Primatsanspruchs der Trierer Kirche dieser Zeit vor allem gegenüber dem Kölner Bistum, dazu Ristow 2007 (Anm. 11) 108. In dieser angeblichen Unterschriftenliste des Konzils sind auch die „ersten“ Bischöfe von Worms, Speyer, Straßburg und Kaiseraugst genannt, die bei quellenkritischer Betrachtung aus den Annalen gestrichen werden müssen.

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Abb. 1: Grabungsplan der Befunde von St. Alban in Mainz.

lich-spätantike Metropole ein entsprechendes Bild, auch zur Interpretation der an sich neutral zu beurteilenden Befunde von St. Alban. Köln, St. Severin Bei der Kirche St. Severin, im Süden von Köln, außerhalb der römischen Mauern gelegen, wurden seit dem 19. Jahrhundert immer wieder Einzelfunde gemacht. Zwischen 1925 und 1957 ließ Fritz Fremersdorf durch seinen Grabungstechniker Peter Anton Tholen im Areal der heutigen Kirche, des Kreuzgangs und zeitweise auch in der Umgebung ausgraben. Funde und Dokumentation sind teilweise im 2. Weltkrieg untergegangen. Fremersdorf publizierte im Nachgang zusammenfassende und in Hinsicht auf das frühe Christentum äußerst tendenziöse Interpretationen 26 . Erst in den 1980er Jahren kam es zur Aufarbeitung und auch zu Nachuntersuchungen durch Bernd Päffgen 27 . Bis 1988 bestand das publizierte Wissen zu St. Severin überwiegend aus Vorberichten und kleineren bis umfangreicheren Zusammenfassungen zum Teil auch fachfremder Autoren, wie in der Reihe der „Stadtspuren“28 . Am Bonner Institut für Vor- und Frühgeschichte hatte zu diesem Zeitpunkt Päffgen seine mehrere Bände umfassende Dissertation zu den Severinsgrabungen eingereicht. Gedruckt wurde aus diesem Konvolut der Katalogteil mit den ungemein kennto. Anm. 12. B. Päffgen, Die Ausgrabungen in St. Severin zu Köln (Mainz 1992). 28 G. Wolff, St. Severin, in: H. Kier/U. Krings (Hg), Köln: Die Romanischen Kirchen. Von den Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg (Köln 1984) 474–517. 26 27

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Abb. 2: Rekonstruktion des Baus von St. Severin im Zustand des 6./7. Jahrhunderts

nisreich verfassten antiquarischen Analysen zu zahlreichen Fundgruppen und – wie in der Vor- und Frühgeschichtsforschung dieser Jahre üblich – besonders bezogen auf die Grabfunde. Bis heute fehlt jedoch der auswertende Teil der Arbeit und damit vor allem eine wirkliche Analyse der Baubefunde 29 . Auf den bekannten Arealen des südlichen Kölner Gräberfeldes sind neben den üblichen Grabformen auch Fundamente verschiedener meist rechteckiger Grabmonumente nachgewiesen. Das gilt nicht nur für die Bereiche an der Severinskirche, sondern auch für den „An der Jakobstraße“ 30 ausgegrabenen Teil. In der Spätantike entstanden unterirdische oder ebenerdige begehbare cellae memoriae zur Feier des Totengedächtnisses und besonders des Totenmahls. Solche Anlagen kamen aufgrund des höheren Aufwands sicher primär für wohlhabende Familien in Frage. Darunter ist der 9,5  7,5 m große „Bau A“ nach Päffgen mit halbrunder, eingezogener, 2 m tiefer Westapsis. Er ist wohl um die Mitte des 4. Jahrhunderts errichtet worden und bestand nach den im Inneren eingebrachten Gräbern III, 64 und 65 zweier bewaffneter Jungen sicher vor dem mittleren Drittel des 5. Jahrhunderts. Innerhalb der Apsis ist der Befund großflächig gestört, sodass keine Deutung der Funktion des Baus möglich ist. Im 5./6. Jahrhundert wurde das Gebäude um einen längsrechteckigen Vorraum im Osten und mindestens einen Längsannex im Norden erweitert. Hinzu kommt ein westlich dem Bau vorgelagerter rechteckiger Bereich, vielleicht ein Atrium, abgetrennt durch eine nur punktuell erfasste Fachwerkkonstruktion (Phase B/C; Abb. 2). Es folgen eine karolingerzeitliche und eine ottonenzeit-

Eine solche versuchsweise vorgelegt bei Ristow 2007 (Anm. 5) 130–144; hier finden sich auch alle relevanten Angaben zu den im Folgenden vorgestellten Befunden. 30 U. Friedhoff, Der römische Friedhof an der Jakobstraße zu Köln (Mainz 1991). 29

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liche Bauphase. Hochmittelalterliche Quellen nennen die Kirche ab dem ausgehenden 7. und frühen 8. Jahrhundert. Die älteren Textilfunde aus dem vor einigen Jahren geöffneten Severinsschrein datieren in das 7. Jahrhundert, den Gebeinen anhaftende Stoffreste eines so genannten Blöckchendamasts sogar in die Spätantike. Auch die Knochen selbst sollen aus dem 4. Jahrhundert stammen, so die naturwissenschaftliche Altersbestimmung 31 . Abgesehen davon, dass Textildatierungen dieser Art auch schwanken können und mit dem üblichen archäologischen Fachwissen kaum sicher nachvollzogen werden können, wäre alles andere als der Fund von sterblichen Überresten des 4. Jahrhunderts eine Überraschung gewesen. Ist doch die Wahrscheinlichkeit groß, dass man wohl im 7. Jahrhundert einen Verstorbenen aus dem Umfeld der Architektur zur Ehre der Altäre erhoben hatte. Wessen Reliquien hier auch immer verehrt werden, vielleicht sind es sogar tatsächlich die des Bischofs Severin, sie wurden seit der ausgehenden Merowingerzeit als solche angesehen. Für eine christliche Nutzung des Baus A gibt es keine Belege. Weder christliche Grabfunde gehören in Zusammenhang mit diesem Bereich des Kölner Südgräberfelds, noch sind Spuren christlichen Baudekors oder Inschriften gefunden oder eine – wie auch immer geartete – intentionale Nutzung von Spolien festzustellen. Auch historische Anknüpfungspunkte fehlen, die zur Deutung der Architektur beitragen könnten. Die Ansprache für Bau A kann demnach nur lauten: „Coemeterialbau“. Auch die merowingerzeitlichen Gräber mit den reichen Inventaren aus dem 6. Jahrhundert stehen in keiner erkennbaren Beziehung zum Bau B/C, sodass, selbst wenn man für die Spätantike eine christliche Nutzung unterstellen wollte, diese wohl nicht in der Merowingerzeit fortgeführt wurde. Möglicherweise markiert die Bestattung der beiden bewaffneten Jungen, vielleicht Angehörige der neuen von germanischen Kriegern geprägten Elite des Rheinlands im 5. Jahrhundert, eine Zäsur in der Nutzung des Gebäudes. Schließlich ließ sich gerade die germanische Elite verstärkt in älterer Architektur, manchmal sogar in römischen Ruinen beisetzen 32 . Im 19. Jahrhundert wurden verschiedentlich frühchristliche Glasfunde, die im Kunsthandel auftauchten, nach St. Severin verwiesen. Nur eine um 1860 zwi31 J. Oepen, „Der hl. Severin von Köln“ – Erkenntnisse eines Fachkolloquiums, in: Geschichte in Köln 51 (2004) 169–172; die Publikation des Kolloquiums ist in Vorbereitung. 32 R. Knöchlein, Die nachantike Nutzung der Bad Kreuznacher Palastvilla, in: Mainzer Archäologische Zeitschrift 2 (1995) 197–209; L. Grunwald, Tote in Ruinen. Anmerkungen zu den frühmittelalterlichen Bestattungen des Moselmündungsgebietes in römischen Gebäuderesten, in: Acta Praehistorica et Archaeologica 34 (2002) 95–110; St. Eismann, Frühe Kirchen über römischen Grundmauern. Untersuchungen zu ihren Erscheinungsformen in Südwestdeutschland, Südbayern und in der Schweiz (Rahden/Westf. 2004); R. Knöchlein, Die Georgskapelle bei Heidesheim, Kr. Mainz-Bingen – ein Situationstyp?, in: G. Graenert/ R. Marti/A. Motschi/R. Windler (Hg), Hüben und Drüben – Räume und Grenzen in der Archäologie des Frühmittelalters. Festschrift für Max Martin zu seinem 65. Geburtstag (Liestal 2004) 141–156; S. Ristow, Grab und Kirche. Zur funktionalen Bestimmung archäologischer Baubefunde im östlichen Frankenreich, in RQ 101 (2006) 214–239.

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schen der Kirche und dem südlichen mittelalterlichen Stadttor gefundene Goldglasschale, heute in London, ist einigermaßen sicher zu verorten, steht aber in keiner näheren Beziehung zum Bau oder zugehörigen Gräbern 33 . Glasbeigaben zeichnen im spätantiken Rheinland, und nicht nur dort, allein wegen des tendenziell größeren Wertes von Glas- gegenüber Keramikgefäßen, sozial höher stehende Bevölkerungsgruppen aus, die sich auch auf Friedhöfen feststellbar separierten. Diese Differenzierung über das Grabinventar ermöglicht es jedoch nicht, die oft beigabenlosen beziehungsweise -reduzierten Gräber „um St. Severin“ im Gegensatz zu anderen des Friedhofs als christliche Beisetzungen zu deuten, sondern kann genauso das Ergebnis sozialer Unterschiede anzusehen sein. Da die tatsächlichen Fundorte der qualitativ hochwertigen Glasbeigaben mit christlichen Szenen nicht überliefert sind, können aus diesen keine Rückschlüsse auf möglicherweise christliche Bestattungen in einem bestimmten Teil des Gräberfeldes gezogen werden. Weitere Beigaben mit christlichen Symbolen, Beschriftungen oder Bildinhalten wurden in der Nekropole von St. Severin, soweit diese bekannt ist, nicht geborgen. Bonn, Münster Sicherlich unter dem Eindruck der Aktivitäten in Köln begannen Walter Bader und Hans Lehner 1928 ihre zwei Jahre währende archäologische Tätigkeit unter dem Bonner Münster. Im Wesentlichen wurde jedoch nur im Chorbereich ausgegraben. Die großen Flächen des Hauptgebäudes sind bis heute weitgehend unangetastet. Dort könnten sich eines Tages auch noch Befunde der aus der schriftlichen Überlieferung bekannten basilica der Heiligen Cassius und Florentius sowie die des Stiftes aus der Karolingerzeit finden. Vielleicht hat man auch Teile dieser Bauten bereits entdeckt. Die Befunde unter dem Chor wurden von den Ausgräbern zügig publiziert 34 , die Funde jedoch wurden nicht gesichtet und erst 70 Jahre später aufgearbeitet 35 . Diese Praxis erwies sich einmal mehr als Risikofaktor für chronologische Fehleinschätzungen. Da in den 1930er Jahren die Kontinuität zwischen Römern und Franken genauso zu den wissenschaftlichen Grundannahmen gehörte wie die Suche nach frühen christlichen Traditionen, interpretierte man die Reste einer spätantiken cella memoriae als christlichen Gedächtnisort, den man lange meist unwidersprochen mit den Bonner Martyrern Cassius und Florentius in Verbindung brachte. Einen folgenden Rechtecksaal (Bau D) schätzte man in direkter

Ristow 2007 (Anm. 11) 139–141. H. Lehner/W. Bader, Baugeschichtliche Untersuchungen am Bonner Münster, in: Bonner Jahrbücher 136–137 (1932) 1–216. 35 Ch. Keller/U. Müssemeier, Die merowinger- u. karolingerzeitlichen Bauten unter der Münsterkirche in Bonn, in: E. Pohl/U. Recker/C. Theune (Hg), Archäologisches Zellwerk. Beiträge zur Kulturgeschichte in Europa und Asien. Festschrift Helmut Roth (Rahden, Westf. 2001) 287–318. 33 34

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Abb. 3: Merowingerzeitlicher Saalbau D und zeitgleiche Gräber mit Angabe der Lage der zu dieser Zeit bereits abgebrochenen römischen cella memoriae.

Kontinuität stehend ebenfalls noch spätantik ein, ungeachtet der Tatsache, dass die darin angelegten Gräber aus der Merowingerzeit stammen (Abb. 3). Die Aufarbeitung der Funde durch Christoph Keller und Ulrike Müssemeier ergab jetzt jedoch gravierende Abweichungen. Die cella memoriae wurde noch in der Spätantike einplaniert, der Bau D entstand jedoch (wohl zufällig) an diesem Ort erst in der Mitte des 6. Jahrhunderts. Unter anderem ist dies durch datierbare Keramik aus dem Mauerwerk des Saalbaus belegt 36 . Damit stellt sich unter anderem die Frage nach der ursprünglich geplanten Funktion des Gebäudes. Am ehesten handelt es sich um einen Grabsaal der christlichen Bonner Oberschicht mittelmerowingischer Zeit. In dieser Periode, von der Institutionalisierung des Christentums bestimmt, verwandten gerade die Spitzen der gesellschaftlichen Hierarchie, anderthalb Jahrhunderte nach der Taufe Chlodwigs und seiner Gefolgsleute, ganz bewusst christliche Zeichen an ihren Gräbern – so Ebd.; vgl. Ch. Keller, From a late Roman cemetery to the basilica sanctorum Cassii et Florentii in Bonn, Germany, in: M. Carver (Hg), The cross goes North. Processes of Conversion in Northern Europe, AD 300–1300, York 1999 (Woodbridge 2002) 415–427; S. Ristow, Liturgie wo und wann? Zur Deutung der frühen Architekturbefunde unter dem Bonner Münster, in: A. Odenthal/A. Gerhards (Hg), Märtyrergrab – Kirchenraum – Gottesdienst II. Interdisziplinäre Studien zum Bonner Cassiusstift (Siegburg 2008) 13–31 und zuletzt Höroldt/Keller/Müssemeier 2010 (Anm. 18).

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auch hier. Dass man im beginnenden Hochmittelalter gerade an dieser Stelle, wo sich christliche Kreuze und andere Zeichen in den Estrichen des ehemaligen Grabbaus befanden, die Böden öffnete, nimmt nicht wunder. Glaubte man doch Zeichen der spätantiken Martyrer zu erkennen. An diesem Ort entstand die bis heute wirksame Martyrerverehrungsstätte für Cassius und Florentius im Bonner Münster. Dass man laut der archäologischen Befunde hier keine spätantiken Martyrer, sondern reiche Bonner Bürger des 6. Jahrhunderts vor Augen hat, ist eine Erkenntnis, die in Bonn schweren Stand hat. Dass der relativ kleine und architektonisch sowie von seiner Bauaustattung her vollkommen unspezifische Coemeterialbau D keine „Kirche“ im eigentlichen Sinne sein könnte und möglicherweise noch nicht einmal die basilica Cassii et Florentii der Quelle des 7. Jahrhunderts bisher gefunden ist, hat findet sogar unter Archäologen kaum Gehör. Für Basilika und Stiftsanlagen sind im Bereich des Bonner Münsters aber noch mehrere hundert Quadratmeter nicht untersuchten Geländes vorhanden. Xanten, Dom Der Xantener Dom wurde auf dem Areal eines römisch–frühmittelalterlichen Friedhofs errichtet. Im Jahre 1933 begann Walter Bader von Bonn aus hier mit umfangreichen Ausgrabungen. In einigen lang andauernden Kampagnen legten er und seine Nachfolger zahlreiche Gräber, die Grundrisse mehrerer spätantikmerowingerzeitlicher Cometerialbauten und sich daraus entwickelnd verschiedener kirchlicher Bauphasen bis hin zum heutigen Dom frei. Vor allem ein spektakuläres geteiltes Kammergab im Zentrum des Chores und heute noch in der Krypta des Xantener Domes zu sehen, verbunden mit einer Doppelbestattung mit darüber liegender Mensa sowie ein weiteres Grab eines ohne Kopf beigesetzten Mannes regten die Phantasie der Ausgräber an. In den Interpretationen war schnell von Martyrern die Rede, dies ungeachtet der Tatsache, dass die Gräber in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts datierten, für die – jedenfalls am Rhein – gar keine Martyrien mehr überliefert sind. Die Deutungen der Ausgräber Walter Bader und Hugo Borger – eines Archäologen und eines Kunsthistorikers – standen insofern unter dem Einfluss der scheinbar sicheren Ergebnisse zu Martyrern unter dem Bonner Münster (s. oben). Weiterhin wurden sie mit historischen Informationen aus den Schriften des Gregor von Tours vermischt interpretiert. So kam es zu fehlerhaften Datierungen von Baubefunden, ähnlich wie bei den Untersuchungen von Borger im benachbarten Neuss, wo dieser ebenfalls zielgerichtet nach frühchristlichen Ursprüngen suchte 37 .

37 H. Borger, Die Ausgrabungen an St. Quirin zu Neuss in den Jahren 1959–1964 (Vorbericht). Rhein. Ausgrabungen 1 (= Beihefte Bonner Jahrbücher 28) (Köln 1968) 170–240; Ristow 2007 (Anm. 5) 98–102; die Bearbeitung der Borgerschen Ausgrabungen führt zurzeit Tanja Potthoff am Landesmuseum Bonn durch, Publikation in Vorbereitung in der Reihe der Rheinischen Ausgrabungen.

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Eine Aufbereitung der Forschungsgeschichte in Verbindung mit einer vollständigen archäologischen Publikation aller Funde und Befunde der Xantener Domgrabung gelang 2003 durch die vor- und frühgeschichtliche Dissertation von Thomas Otten 38 . Heute kann die Entwicklung der Bauten von den spätantiken cellae memoriae unter dem Dom über die Phase des Ausbaus eines verehrten Grabplatzes zur Zeit des Kölner Bischofs Eberigisil am Ende des 6. Jahrhunderts bis hin zur karolingerzeitlichen Stiftskirche sicher nachvollzogen werden. Ein wichtiger Punkt in der Xantener Forschung wird die weitere Aufarbeitung der Frage der Kontinuität zwischen der spätantiken Colonia Ulpia Traiana und dem frühmittelalterlichen Ort um den Dom sein 39 . Köln, übrige Kirchen Neben den hier nicht zu erörternden weniger aussagekräftigen frühchristlichen Resten aus dem Frühmittelalter unter den Kölner Kirchen von St. Kunibert, St. Cäcilien, St. Kolumba und St. Maria im Kapitol 40 sind besonders die Ausgrabungen von St. Gereon, St. Ursula und die unter dem Kölner Dom von großer Bedeutung für die Erforschung des frühen Christentums im Rheinland. Die Bauuntersuchungen seit den 1940er Jahren und Ausgrabungen vor allem von 1978/79 und den Folgejahren unter St. Gereon wurden 2006 umfassend im Rahmen der bauhistorischen Dissertation von Ute Verstegen publiziert 41 . So klar die Datierung des Gebäudes in das mittlere Drittel des 4. Jahrhunderts ist, so unklar ist seine ursprünglich geplante Funktion. Der Bau wurde auf dem nordwestlichen Gräberfeld vor den Mauern der Stadt errichtet und ist zu groß und zu prachtvoll ausgestattet, um nicht im herrscherlichen Zusammenhang interpretiert zu werden 42 . Vielleicht wurde er nie fertiggestellt. In seinem Atrium fanden sich Grabinschriften von hohen Militärs aus dem spätantiken Köln, darunter – selbstverständlich zu dieser Zeit – auch solche von Christen. Die Nutzung des Gebäudes als Kirche kann aber erst durch einen Bericht des Gregor von Tours vom Ende des 6. Jahrhunderts über eine Kirche der „goldenen Heiligen“ festgemacht werden. Diese Quelle muss auf den Goldgrund spätantiker Mosaiken in diesem Gebäude bezogen werden. Th. Otten, Die Ausgrabungen unter St. Viktor zu Xanten. Dom und Immunität (= Rheinische Ausgrabungen 53) (Mainz 2003). 39 Th. Otten/S. Ristow, Xanten in der Spätantike, in: M. Müller/H.-J. Schalles/N. Zieling (Hg), Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit (Mainz 2008) 549–582. 40 Ristow 2007 (Anm. 5) 144–147; die Befunde unter der romanischen Kirche von St. Georg werden heute nicht mehr mit dem in der älteren Forschung herangezogenen Caesariusoratorium in Verbindung gebracht; dazu: M. Dodt, Römische Bauten im südlichen Suburbium der Colonia Claudia Ara Agrippinensium, in: Kölner Jahrbuch 38 (2005 [2008]) 433–733. 41 U. Verstegen, Ausgrabungen und Bauforschungen in St. Gereon zu Köln (Mainz 2006). Geschichte der Bauforschungen und Grabungen s. ebd. 92–108. 42 Ristow 2007 (Anm. 11) 121 f. 38

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Unklar ist auch die ursprüngliche Funktion des auf dem gleichen Gräberfeld liegenden Saalbaus mit Ostapsis aus dem 4. Jahrhundert, an dessen Stelle sich heute die romanische Kirche St. Ursula befindet. Nachdem große Teile von Dokumentation und Funden der Grabungen von Peter Anton Tholen aus den Jahren 1942/43 als Kriegsverluste zu beklagen waren, erfolgten noch mehrere kleinere Untersuchungen, vor allem in den Jahren 1960 und 1967. Zur Datierung der Bauphasen fehlt aber weitgehend geeignetes Fundmaterial. Dennoch konnte die Aufarbeitung von Gernot Nürnberger, eine christlich-archäologische Dissertation, zu einer gut nachvollziehbaren Phasengliederung gelangen. Der spätantike Saalbau unbekannter Funktion, vielleicht ein coemeterium subteglatum, das auch von Christen genutzt worden ist, wurde im 6. Jahrhundert durch den Einbau eines schlüssellochförmigen Unterbaus für eine Kanzel, wie sie zu diesem Zeitpunkt im östlichen Merowingerreich üblich war, erkennbar als Kirche gestaltet. Im Südwesten des römischen Köln gab es kein Gräberfeld. Hier sind auf einem Hügel, der die heutige Kirche St. Pantaleon trägt, zwischen 1955 und 1962 die Reste einer römischen villa suburbana erfasst worden. Da diese villa von der Ost-West-Richtung genauso nach Norden bzw. nach Süden abwich wie die römische Limitation und Straßenführung, sind alle späteren Bauten in diesem Stadtviertel – und auch die Kirche St. Pantaleon – schräg zu den Himmelsrichtungen angelegt. In den 1950er Jahren äußerte Fritz Fremersdorf jedoch die Vermutung, weil die Kirche eine SO-Apsis besitze und der Ausrichtung der villa folge, habe in dieser bereits christlicher Kult stattgefunden. Dieser Vermutung wurde schon damals vom Fachkollegen Otto Doppelfeld widersprochen und sie wurde auch nicht weiter rezipiert, jedoch erstaunlicherweise 2006 erneut durch Sven Schütte, wiederum einem vor- und frühgeschichtlichen Archäologen, vorgebracht 43 . Dies war für den Verfasser Anlass, die Grabung, deren Funde bis 2006 nicht gesichtet waren, erstmals vollständig aufzuarbeiten 44 . Zwischen der römischen villa und gut ausgestatteten Gräbern der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts sowie einem ersten Rechtecksaal mit eingezogenem SO-Rechteckschluss aus der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts (Pantaleon I) besteht demnach keine Kontinuität. Vor dem Ausbau des Rechtecksaals zu einer Kirche in der 1. Hälfte des 9. Jahrhunderts (Pantaleon II) gibt es keine Anhaltspunkte, christliche Religionsausübung am Ort anzunehmen. Die Ausgrabungen im Inneren des Kölner Domes liefen von 1946 bis 1997. Erste Befunde zeigten sich aber schon 1866, als man östlich des Domes bei Tieferlegungen auf das frühchristliche Baptisterium stieß. Der damalige Dombau43 Dazu mit Lit.: S. Ristow, Frühmittelalterliche Nutzung über römischen Resten im westlichen Suburbium des römischen Köln – Ausgrabungen unter und in der Umgebung der Kirche St. Pantaleon, in: J. Drauschke/R. Prien/S. Ristow (Hg), Untergang und Neuanfang. Tagungsbeiträge der Arbeitsgemeinschaft Spätantike und Frühmittelalter 3 und 4 (Hamburg 2011) 191–204. 44 S. Ristow, Ausgrabungen von St. Pantaleon in Köln. Archäologie und Geschichte von römischer bis in karolingisch-ottonische Zeit (Bonn 2009, zgl. Habilitationsschr. Univ. Köln 2008).

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Abb. 4: Lage der Kölner Bischofskirche der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts im Verhältnis zum gotischen Kölner Dom, das Baptisterium liegt im Osten.

meister Richard Voigtel erkannte, konservierte und publizierte den Befund als christliches Taufbecken 45 – damals eine Pioniertat. Lange und bis in die 1980er Jahre galt das Becken unter Archäologen als profane Piscina 46 . Erst seit der Aufarbeitung der Baptisteriumsbefunde in den 1990er Jahren 47 und der anschließenden Gesamtbearbeitung der frühchristlichen Bauphasen unter dem Dom durch den Verfasser 48, kann der Befund im Zusammenhang mit der Bischofskirche des 6. Jahrhunderts interpretiert werden (Abb. 4). Bis dahin war die Publikation der Befunde der Domgrabung in archäologischen Vorberichten erfolgt, die nur schwer zu verstehen waren und sich teils auch widersprachen 49 . Eine Vorlage der Funde zur spätantik–frühmittelalterlichen Zeit wurde lange vernachlässigt und ebenfalls erst mit der genannten Bearbeitung von 2002 vorgenommen. Problematisch war bis dahin, dass die Interpretation und Rekonstruktion der Bauten von den Dombaumeistern Willy Weyres und Arnold Wolff – Architekten und keine Archäologen – maßgeblich bestimmt wurde 50 . Nach 45 R. Voigtel/H. Düntzer, Die an der Ost- und Nordseite des Domes zu Köln entdeckten Reste römischer und mittelalterlicher Bauten, in: Bonner Jahrbücher 53–54 (1873) 199–228. 46 H. Hellenkemper, Wasserbedarf, Wasserverteilung und Entsorgung der Colonia Claudia Ara Agrippinensium, in: K. Grewe (Hg), Atlas der römischen Wasserleitungen nach Köln (Bonn 1986) 193–214. 47 S. Ristow, Das Baptisterium im Osten des Kölner Domes, in: Kölner Domblatt 58 (1993) 291–312; Ders, Das Kölner Baptisterium am Dom und die frühchristlichen Tauforte nördlich der Alpen, in: Das Baptisterium am Dom. Kölns erster Taufort, hg. von U. Krings/R. Will (Köln 2009) 22–44. 48 S. Ristow, Die frühen Kirchen unter dem Kölner Dom. Befunde und Funde vom 4. Jahrhundert bis zur Bauzeit des Alten Domes (Köln 2002). 49 Die meisten Berichte sind publiziert bei: O. Doppelfeld/W. Weyres, Die Ausgrabungen im Dom zu Köln (Mainz 1980); weiteres genannt bei: Ristow 2009 (Anm. 18) 78 Anm. 47. 50 A. Wolff, Vorbericht über die Ergebnisse der Kölner Domgrabung 1946–1983. Dargestellt nach Veröffentlichungen von O. Doppelfeld und W. Weyres. Forschberichte des Landes

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dem Druck der noch ausstehenden Teile der Publikation zu den Kölner Domgrabungen, deren Bearbeitung der vorgotischen Befunde seit mehreren Jahren abgeschlossen ist, wird man auch eine Gesamtbilanz zu dieser zusammen mit der Trierer Domgrabung wichtigsten kirchenarchäologischen Unternehmung in Deutschland ziehen dürfen 51 . Frühes Christentum am Oberrhein Wie bereits oben erwähnt, sind die Nennungen von Bischöfen schon für das 4. Jahrhundert aufgrund der erst im 10. Jahrhundert kompilierten Liste, aus der sie entstammen, hinfällig 52 . So belegen in den Orten am Oberrhein nur wenige Kleinfunde und Grabinschriften das frühe Christentum. In Worms finden sich christliche Inschriften mit germanischen Namen schon ab dem 5. Jahrhundert. Bischöfe und institutionalisiertes Christentum sind jedoch erst seit 614 überliefert 53 . Während für Worms und Speyer keine frühchristlichen Baubefunde vor dieser Zeit je in Erwägung gezogen wurden, hat man in Straßburg versucht, für den – aus den erwähnten Gründen jedoch zu streichenden – Bischof Amandus, also für die Mitte des 4. Jahrhunderts auch eine Kirche aus den Befunden zu rekonstruieren. In der östlichen Ecke des ehemaligen Legionslagers legte Jean-Jaques Hatt 1956 Fragmente eines Apsidenbaus frei und datierte sie in das 4. oder 5. Jahrhundert. Gründe dafür wurden allerdings nicht genannt. Die Funde dieser Ausgrabung blieben unbearbeitet und sind teils heute verschollen. Die heute dort Nordrhein-Westfalen 3000, Fachgruppe Geisteswissenschaften (Opladen 1983); W. Weyres, Die vorgotischen Bischofskirchen in Köln (Köln 1987). Besonders zu den frühchristlichen Phasen wurden gelegentlich nicht objektiv nachvollziehbare Hypothesen geäußert, die zunächst noch als „Vermutungen“ bezeichnet (A. Wolff, Vermutungen über die frühesten christlichen Bauanlagen unter dem Kölner Dom, in RQ 83 [1988] 44–57) und später dann als Annahmen vorausgesetzt wurden (Ders., Zur Lage der frühchristlichen Kirche in der antiken Stadt, in: Akten des XII. Internationalen Kongresses für Christliche Archäologie. Bonn, 22.–28. 9. 1991 [Münster 1995] 1295–1308; Ders., Eine römische Heizung unter dem Kölner Dom, in: Xantener Berichte 12, Festschr. G. Precht [Mainz 2002] 61–72 [leicht veränderter Wiederabdruck: Kölner Domblatt 68 [2003] 57–76). Gerade die fehlerhaften Annahmen zu den frühchristlichen Bauten gelangten in Form anschaulicher Rekonstruktionszeichnungen in die wissenschaftliche (N. Gauthier, Les premières cathédrales de Cologne. Bilan de 45 années de fouilles, in: F. Baratte/N. Duval [Hg], Orbis Romanus Christianusque. Travaux sur l’Antiquitè Tardive rassemblés autour des recherches de Noël Duval [Paris 1995] 99–128) und populäre Literatur (G. Wolff, Das Römisch-Germanische Köln. Führer zu Museum und Stadt [Köln 5 2000], zu dieser mittlerweile neu aufgelegten, gleichwohl fehlerhaften Auflage: S. Ristow, Anmerkungen zur Kenntnis und Verbreitung der Ausgrabungsergebnisse zu den frühchristlichen Kirchen unter dem Kölner Dom, in: Geschichte in Köln 48 [2001] 187–192). 51 Seit mehreren Jahren im Druck ist das Buch zum „Alten Dom“ von Ulrich Back und Thomas Höltken. 52 o. Anm. 24. 53 Ristow 2007 (Anm. 11) 252 f.

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Abb. 5: Spätantike Apsis unter der späteren Kirche St-Etienne in Straßburg.

bestehende Stephanskirche ist erstmals um 700 genannt. Eine christliche Nutzung kann für den Bau bzw. die erhaltene Apsis (Abb. 5) nicht belegt werden, sein Grundriss erweist ihn vielmehr deutlich als Gebäude des Legionslagers mit gleichen Dimensionen und Gestaltung wie die Aula der spätrömischen Befestigung Kellmünz 54 . Damit ist das generelle Problem der so genannten Kastellkirchen angerissen. Auch für die Anlagen von Bad Kreuznach, Alzey 55 und vielleicht auch im schweizerischen Zurzach 56 sind die kirchlichen Bestimmungen der Gebäude bzw. der Beginn einer solchen Nutzung vollkommen ungesichert. Selbst die kirchliche Funktion der spätantiken Phase des Apsidenbaus im Kastell Kaiseraugst kann nicht nachgewiesen werden. 57 Der erste in Verbindung mit Argentorate zu sichernde Bischofsname ist ArboDazu G. Kuhnle in Zusammenarbeit mit S. Ristow, Kontinuität in Straßburg von der Spätantike zum Frühmittelalter, in: M. Konrad/Ch. Witschel (Hg), Römische Legionslager in den Rhein- und Donauprovinzen – Nuclei spätantik-frühmittelalterlichen Lebens? (München 2011) im Druck. 55 Ristow 2007 (Anm. 5) 246–248; 250–252. 56 R. Prien, Spätantikes Christentum in den Nordwest-Provinzen: eine kritische Bestandsaufnahme, in: Krohn/Ristow 2012 (Anm. 1). 57 G. Faccani, Die Pfarrkirche Sankt Gallus in Kaiseraugst. Spätrömische Kastellkirche – römische Vorgängerbauten – nachfolgende Kirchen (= Forschungen in Augst) (Augst 2011) 54

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gast. Nach unterschiedlichen Überlieferungen ist er wohl zwischen 471 und 614 einzuordnen. Verschiedene mit ARBOASTIS EPS FICET gestempelte Ziegel aus den Grabungen der Stadt werden ihm zugeschrieben. Ein Schliffglasbecher mit Bibelszenen aus der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts, gefunden in einem Grab der Nekropole Porte Blanche, zeigt gesichert an, was nach der Bedeutung des antiken Argentorate auch erwartet werden darf. Schon seit der Spätantike gab es Christen am Ort. Das belegt auch der 1870 zerstörte modius aus dem 30 km südlich gelegenen Ehl-Gerstheim, dessen Nachbildung im Archäologischen Museum Straßburg zu sehen ist. 58 Die Struktur der Gemeinde kann jedoch nicht nachvollzogen werden. Fazit Betrachtet man die Forschungsgeschichte vor allem zu den frühchristlichen Baubefunden des Rheinlandes, stellt man leicht fest, dass Grabungen und Bearbeitungen aus allen Facetten der historischen Kulturwissenschaften getragen wurden. Dazu gehört auch die Christliche Archäologie. Allen Wissenschaften gemein sind heutzutage die Methoden, die sich als verlässliche Bearbeitungskriterien erwiesen haben: vorurteilsfreie Beschreibung und Datierung von Befunden und Funden aus dem archäologischen Material heraus und erst danach quellenkritische Sichtung der schriftlichen Überlieferung und Herstellung eines Bezuges – wenn es möglich ist – auf dem Weg einer Synthese. Diese Arbeitsweise hat sich in den vergangenen 100 Jahren als Standard entwickelt und kann jedoch erst seit den 1980er Jahren als in den archäologischen Wissenschaften zunehmend verbreitet beobachtet werden. Weitere Erfolge in der Erforschung des frühen Christentums können nur vor diesem Hintergrund erwartet werden. Abbildungsnachweis Abb. 1: Ristow 2007, 241 Abb. 81; Abb. 2: ebda. Taf. 33b; Abb. 3: ebda. Taf. 42b; Abb. 4: ebda. Taf. 27b; Abb. 5: Verf.

Zu den Ziegeln und solchen mit Christogrammstempel s. Kuhnle/Ristow (Anm. 54) Abb. 13,5–7.16–18; zum Schliffglasbecher: B. Schnitzler, Cinq siècles de civilisation romaine en Alsace. Les Collections du Musée Archeologique 4 (Straßburg 1996) 44f.; zum modius: A. Straub, Souvenirs et restes d’anciens monuments disparus en Alsace depuis le dix-septième siècle (Fortsetzung), in: Bulletin de la Société pour la Conservation des Monuments Historiques d’Alsace 2. Ser., 14 (1889) 188–200, hier 191 f. 58

Bibliographie von Désiré Raoul-Rochette Von FRANCISCA FERAUDI-GRUÉNAIS Désiré Raoul-Rochette (1790–1854) trat nach der höheren Schulbildung in Bourges 1810 in die École Normale ein. 1813 wurde er zum Geschichtslehrer am Lycée Impérial Louis-le-Grand in Paris ernannt. In einem von der Klasse für Geschichte und alte Literatur der Académie des Inscriptions ausgeschriebenen Wettbewerb (Aufgabenstellung: „Chercher ce que les auteurs anciens peuvent nous apprendre sur les colonies établies soit en Grèce soit dans d’autres contrées; indiquer l’époque et les circonstances de ces établissements; racconter l’histoire de ces colonies“) errang er 1814 den ersten Platz. Bereits am 21. März 1816 wurde er in die Académie des Belles-Lettres aufgenommen. Er lehrte 1816– 1818 an der Sorbonne. Seit 1817 war er leitendes Redaktionsmitglied der Abteilung für Archäologie des im gleichen Jahr wiederbelebten (1667 gegründeten) Journal des Savants; in diesem Rahmen führte er einen intensiven Briefwechsel mit zahlreichen Gelehrten in England, Italien und besonders Deutschland, das im Bereich der archäologischen Forschungen als am fortschrittlichsten galt (Alexander von Humboldt, August Thiersch, August Boeckh, Eduard Gerhard, Wilhelm Dorow, Ottfried Müller). 1819–1848 wirkte er als Nachfolger AubinLouis Millin’s als Conservateur du Cabinet des médailles et antiques de la Bibliothèque royale (heute Département des monnaies, médailles et antiques de la Bibliothèque nationale de France), was es ihm erlaubte, intensiv seinen vielseitigen archäologischen Studien nachzugehen. Zu seinen Lehrtätigkeiten zählte der regelmäßig abgehaltene, bereits von Millin eingeführte Cours d’archéologie in der Bibliothèque royale, der wegen Raoul-Rochette’s Eloquenz und anschaulicher Darstellungsweise eine begeisterte Zuhörerschaft fand. Bis 1876 (Gründung des Lehrstuhls für Klassische Archäologie an der Sorbonne) war dieser Kurs neben den Vorlesungen der 1834 von Arcisse de Caumont gegründeten Société française d’archéologie die einzige archäologische Lehrveranstaltung in Frankreich außerhalb einer rein akademischen Ausbildung. 1820– 1824 war Raoul-Rochette Censeur royal, seit 1829 Ehrenmitglied des im selben Jahr gegründeten Instituto di Corrispondenza Archeologica (das spätere DAI), seit dem 12. 04. 1832 korrespondierendes Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften. Über mehrere Jahre hinweg befasste er sich intensiv mit Fragestellungen zu den Katakomben Roms, deren Ergebnisse er im Rahmen dreier Mémoires der Jahre 1830, 1831 u. 1836 vortrug1 . Zusammen mit einer monographischen Studie zur Genese der christlichen Ikonographie 2 und einem Kurz-

Mémoires de l’Institut Royal de France, Académie des Inscriptions et Belles-Lettres 13 (1838). 2 Discours sur l’origine, le développement et le caractère des types imitatifs qui constituent l’art du christianisme (Paris 1834). 1

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führer zu den römischen Katakomben 3 stellen sie seine wichtigsten Beiträge zur Christlichen Archäologie dar. Seit 1838 war er Secrétaire perpétuel der Académie des Beaux-Arts. In dieser Eigenschaft war er mit einer Vielzahl auch nicht-archäologischer Themen befasst (u. a. mit Fragen des neo-gotischen Kirchenbaus im 19. Jh. sowie zahlreichen Nachrufen auf verstorbene Akademiemitglieder). Er unternahm Reisen in offizieller Mission des Ministeriums in den Jahren 1832, 1843, 1851 (Italien, Sizilien), 1838 (Griechenland 4 ) und 1846 (Deutschland). Raoul-Rochette war in der ersten Hälfe des 19. Jh. der erste und einzige Repräsentant Frankreichs der als eigenständige akademische Disziplin noch nicht voll etablierten Klassischen Archäologie. Seine Studien zu Themen der Christlichen Archäologie machen dabei den weitaus geringeren Teil aus. Die Intensität und Gründlichkeit jedoch, mit der sich Raoul-Rochette auch mit diesem Themenbereich auseinandersetzte, zumal in einer sehr frühen Entstehungsphase der Christlichen Archäologie als einer historischen Wissenschaft, machten ihn trotz seiner vielfach tendenziösen Interpretationen zu einem bereits im 19. Jh. zwar nicht unumstrittenen – auch wegen seiner Versuche einer Ableitung der christlichen Ikonographie von der heidnischen 5 –, aber doch geachteten Vorreiter der stadtrömischen Christlichen Archäologie 6 . Da er der deutschen Sprache mächtig war, zählte es zu seinen diplomatischen Aufgaben, 1822 dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. auf dessen Ersuchen den nach Paris verbrachten Zodiakus von Denderah vorzuführen. Das Jahr 1830 brachte, ausgelöst durch die politischen Umbrüche im Zuge der Julirevolution, eine einschneidende und für das persönliche Schicksal wie für die Karriere des bekennenden Royalisten Raoul-Rochette folgenschwere Wendung. Nicht ohne Wirkung blieben hierbei auch die bereits seit Jahren andauernden scharfen Auseinandersetzungen mit seinem Kollegen Jean-Antoine Letronne 7 , besonders aber die 1832 erfolgte Zurücksetzung in seiner Funktion als Konservator, die schließlich 1848 in seiner Amtsenthebung endete. In der Folge lebte er zurückgezogen, verbittert über sein persönliches berufliches Schicksal und die Ereignisse und Folgen der Julirevolution, setzte aber seine ausgesprochen produktive, rege und vielseitige Forschertätigkeit nicht minder intensiv fort. Zu seinen großen Verdiensten zählt die Wiederbelebung des Journal des Savants (1817), in welchem er selbst mit außerordentlichem Eifer und kämpferischem Elan bis kurz vor seinem Tod publizierte. Ein von ihm geplantes Werk zur „Histoire de l’art antique“ (Ägypten, Orient, Griechenland, Italien 8 ) entstand nicht mehr; der umfangreiche Bestand 3 Tableau des Catacombes de Rome, ou l’on donne la description de ces cimetières sacrés, avec l’indication des principaux monuments d’antiquité chrétienne, en peinture et en sculpture, et celle des autres objets qu’on en a retirés (Paris 1837). 4 Reiseberichte in Nouvelles annales des voyages, de la géographie et de l’histoire 79 (1838) 327–347. 5 F. X. Kraus, Real-Encyklopädie der christlichen Alterthümer (Freiburg 1886) 562. 590. 773; C. M. Kaufmann, Handbuch der Christlichen Archäologie (Paderborn 1922) 20. 368. 6 G. De Rossi, La Roma sotterranea cristiana 1 (Roma 1864) 65–67. 7 S. Reinach, in: Revue Archéologique 3,25 (1894) 300–304. 8 G. Perrot, in: Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, Comptes Rendus (1906) 641.

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seiner Publikationen, vielfach vorbereitende Studien für eben diese „Histoire“, zeugt umso eindrücklicher von seiner Schaffenskraft und Vielseitigkeit 9 . Die nachfolgende Bibliographie gliedert sich in die Kategorien: I. Monographien/monographische Beiträge II. Notizen III. Artikel in … Annales archéologiques Annales de l’Institut de Correspondance archéologique (AdI) Bulletin de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Bruxelles Bulletin universel des sciences et de l’industrie Journal des Savants (JSav) La France littéraire La Revue de Paris Mémoires de l’Institut Royal de France, Académie des Inscriptions et Belles-Lettres (MemAcInscr) Nouvelles annales de l’Institut archéologique (section française) Nouvelles annales des voyages et des sciences géographiques Revue des deux mondes IV. Briefe/Petitionen V. Herausgeberschaften VI. Übersetzungen VII. Nekrologe VIII. Rezensionen/Buchbesprechungen im Journal des Savants I. Monographien/monographische Beiträge 1815 – Histoire critique de l’établissement des colonies grecques; ouvrage qui a remporté le prix proposé par la classe d’histoire et de littérature ancienne de l’Institut, en 1813, I-IV (Paris). 1816–1818 – Discours sur l’esprit et l’influence des croisades dans l’œuvre de la civilisation moderne (Paris). – Histoire générale du siècle de Charlemagne (Paris).

Für eine umfassende Biographie siehe G. Perrot, Notice sur la vie et les travaux de Désiré Raoul-Rochette, in: Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, Comptes Rendus (1906) 638–701.

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1818 – Heureux effets de la puissance pontificale, au moyen âge, prononcé, à l’ouverture du cours d’histoire moderne, à la Faculté des Lettres de Paris, le 3 décembre 1817, in: A. L. Millin (Hg.), Annales encyclopédiques 1 (Paris) 7–34. 1819 – Lettres sur quelques cantons de la Suisse. Écrites 1819 (Paris). – Dictionnaire universel de la langue française (Paris). 1820 – Lettres sur quelques cantons de la Suisse, écrites en 1819 (Paris). – Mémoires sur divers points de l’ancienne histoire grecque (Paris). 1821 – Dissertation sur differens sujets d’archéologie (Paris). 1822 – Antiquités grecques du Bosphore cimmérien (Paris). [Rezension: A. J. Letronne, in: JSav (1822, Août) 489–498: Antiquités grecques du Bosphore cimmérien, publiées et expliquées par M. Raoul-Rochette, membre de l’Institut (académie royale des inscriptions et belles-lettres), et de la légion d’honneur, l’un des administrateurs-conservateurs de la Bibliothèque du Roi: un vol. in-8o de 236 pages, avec quatre planches de médailles et dix d’inscriptions. Paris, chez Firmin Didot père et fils, rue Jacob, n.o 24, 1822.]

– Lettres sur la Suisse écrites en 1820, suivies d’un voyage à Chamouny et au Simplon (Paris). 1823 – Histoire de la Révolution helvétique, de 1797 à 1803 (Paris). [Rezension: A. J. Letronne, Histoire de la Revolution helvétique, de 1797 à 1803, par M. Raoul-Rochette; 1 vol. in-8o de 540 et xxj pages, avec une carte de la Suisse, et un portrait d’Aloys Reding. Paris, 1823, chez Nepveu in: JSav (Juillet 1824) 387–398]. [Deutsch: Geschichte der Schweizer Revolution in den Jahren 1797 bis 1803; s. u. unter 1825].

– Considérations sur le caractère des arts de l’antiquité Egypte (Paris). – Lettres sur la Suisse écrites en 1819, 1820 et 1821, seconde édition, soigneusement revue et corrigée; ornée de gravures d’après König et autres paysagistes célèbres (Paris). 1825 – Geschichte der Schweizer Revolution in den Jahren 1797 bis 1803 (Stuttgart). [Original: s. o. unter 1823].

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1826 – Voyage pittoresque dans la vallée de Chamouni et autour du Mont-Blanc (Paris). 1828 – (zusammen mit J.-F. Bouchet) Pompei. Choix d’édifices inédits. Maison du poète tragique (Paris). – Cours d’Archéologie (Paris). [Analyse du cours d’archéologie … : vgl. auch u. unter 1837]. [Englisch: Lectures on Ancient Art; s. u. unter 1854].

– Recueillis pendant un voyage en Italie et en Sicilie, dans les années 1826 et 1827 (Paris). [Rezension: T. Panofka, in: AdI 2 (1830) 127–149.]

1830 – Du concours en fait d’ouvrages d’art et de travaux publics (Paris). 1831 – Des figures colossales, considerées principalement sous le rapport des idees morales que l’antiquité y attachait, in: Académie Française (Hg.), Séance publique annuelle. Recueil des lectures faites dans la séance publique annuelle de l’Institut Royal de France du vendredi 2 mai 1834 (Paris). 1832 – De explicatione inscriptionis monumenti veteris bilinguis in parietinis Cyrenarum reperti Melitaeque servati (Berlin). 1833 – Monuments inédits d’antiquité figurée, grecque, étrusque et romaine (Paris). 1834 – Discours sur l’origine, le développement et le caractère des types imitatifes qui constituent l’art du Cristianisme (Paris). – Topographie der Stadt Rom von deren Entstehung bis auf unsere Zeiten (Leipzig). [Original: Aperçu des principales vicissitudes de la topographie de Rome depuis son origine jusq’à nos jours; s. u. unter III. Zeitschriftenartikel, La Revue de Paris].

1835 – Mémoire sur les représentations figurées du personnage d’Atlas (Paris). – Souvenirs du vieux Paris, exemples d’architecture de temps et du style divers (Paris).

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1836 – Peintures antiques inédites précédées de recherches sur l’emploi de la peinture dans la décoration des édifices sacrés et publics chez les Grecs et chez les Romains faisant suite aux Monuments inédits 10 (Paris). 1837 – Tableau des Catacombes de Rome, où l’on donne la description de ces cimetières sacrés, avec l’indication des principaux monuments d’antiquité chrétienne, en peinture et en sculpture, et celle des autres objets qu’on en a retirés (Paris); 2 (Paris 1853). – Analyse du cours d’archéologie professé à la bibliothèque royale de Paris (Paris). – Brèves explications au sujet d’un imprimé ayant pour titre: „Lettre à l’Académie des Beaux-Arts de l’Institut, par un artiste“ (Paris). – Di un busto colossale di Caio Cilnio Mecenate scoperto e posseduto dal cav. Pietro Manni (Paris). 1839 – Rapport sur les dessins produits par le procédé de M. Bayard. Séance du samedi 2 novembre (Paris). 1840 – Mémoires de numismatique et d’antiquité (Paris). – Lettres archéologiques sur la peinture des Grecs. Ouvrage destiné à servir de supplément aux peintures antiques du même auteur (Paris). – Essai sur la numismatique Tarentine. Premier mémoire (Paris). 1841 – Réponses de l’auteur des découvertes dans la Troade aux observations critiques (Paris). – Le catacombe di Roma descritte dal signor Raoul-Rochette. Prima versione italiana di Luigi Toccagni con aggiunte inedite dell’autore (Milano). – Rapport sur la propriété littéraire (Paris). 1843 – Discours sur Nicolas Poussin (Paris). 1846 – De la croix ansée, ou d’un le signe qui y ressemble, considerée principalement dans ses rapports avec le symbole égyptien, sur des monuments étrusques et asiatiques, in: MemAcInscr 16,2 (1846) 285–382.

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S. o. unter 1833.

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1846/1853 – Choix de peintures de Pompéi la plupart de sujet historique. Lithographiées en couleur par M. Roux et publiées avec l’explication archéologique de chaque peinture et introduction sur l’histoire de la peinture chez les Grecs et chez les Romains 1 (Paris 1846); 2 (Paris 1853). [Kommentar und Wiederabdruck der Tafeln: J. Leclant/D. Raoul-Rochette, in: C. Albore Livadie (Hg.), Peintures à Pompéi, peintures en Gaule. Exposition à l’Espace Art 1999 (Brenne 1999) 117–164.]

1847 – Questions de l’histoire de l’art, discutées à l’occasion d’une inscription grecque gravée sur une lame de plomb, et trouvée dans l’intérieur d’une statue antique de bronze (Paris), in: MemAcInscr 17 (1847) 101–309. [Zur Polemik um die hier diskutierte „Onesimos“-Inschrift: S. Reinach, in: Revue Archéologique 25 (1894) 300–304.]

1848 – Mémoires d’archéologie comparée, asiatique, grecque et étrusque, in: MemAcInscr 17,2 (1848) 1–404. 1850 – Récit de la bataille de Pavie et de la captivité de François Ier (1850) [Ort/ Seitenzahl unbekannt]. 1851 – Discours prononcé à l’inauguration de la statue de N. Poussin, aux Andelys, le 15 juin 1851 (Paris). 1852 – Courtes observations sur les tombeaux des rois à Jérusalem (Paris). 1853 – Tableau des Catacombes de Rome, où l’on donne la description de ces cimetières sacrés, avec l’indication des principaux monuments d’antiquité chrétienne, en peinture et en sculpture, et celle des autres objets qu’on en a retirés (Paris); 1 (Paris 1837). 1854 – Lectures on ancient art (London). [Original: s. o. unter 1828].

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II. Notizen – Préface de l’éditeur/Éclairissements/Éclairissements, in: J. Micali (Hg.), L’Italie avant la domination des Romains I/II/III (Paris 1824) v-xiv/323– 370 /307–352. [Rezension: P. C. F. Daunou, L’Italie avant la domination des Romains, par M. J. Micali; ovrage couronné, traduit de l’italien sur la seconde édition (= L’Italia avanti il dominio dei Romani [Firenze 1810]), et accompagné d’un atlas et d’une table générale des matières; avec des notes et des éclairissemens, par M. RaoulRochette. Paris (Strasbourg t Londres), chez Treuttel et Würtz, 1824, 4 vol. in-8o, imprimés chez Crapelet, xvj et 370, vj et 352, vj et 394, vj et 431 pages, avec un atlas in-fol., contenant 24 pages de texte, la carte Italia antiqua de Danville, et 67 planches. Prix, 75 fr., in: JSav (Décembre 1824) 739–749].

– De quelques voyages récents dans la Grèce à l’occasion de l’expédition scientifique de la Morée, in: L’Universel (6. Jan. und 26. März 1829). – Notice sur les collections numismatiques de M. Gosselin (Paris 1830). – Notice sur une armée de bronze, du cabinet de M. Balbatre ainé, à Nancy, in: Mémoires et dissertations sur les antiquités nationales et étrangères 11 (1835) 346–356. – La Villa Pia des jardins du Vatican, architecture de Pirro Ligorio. Publiée dans tous ses détails par Juls Bouchet, avec une notice historique sur l’auteur de ce moment, et avec un texte descriptif par Raoul-Rochette (Paris 1837). – Notice historique sur la vie et les ouvrages de M. Ramey (Paris 1842). – Notice historique sur la vie et les ouvrages de M. Cortot (Paris 1845). [Weitere Notizen in: JSav: Mars 1820/Mars 1822/Avril 1824/Juillet/Août 1830/Février 1831/Juin 1835/ Septembre/Octobre 1835/Février/Mars/Avril/Mai 1836/Décembre 1838/Février 1839/Février 1844/Février 1845/Février 1852/Février 1853/Mars 1854. – Bulletins de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Bruxelles: 10, 1843. – MemAcInscr: 5, 1821. – Novelles annales: 12, 1838].

III. Zeitschriftenartikel Annales archéologiques 4 (1846) – Considérations sur la question de savoir s’il est convenable, au XIXe siècle, de bâtir des églises en style gothique 326–333. Annales de l’Institut de Correspondance archéologique 19 (1847) – Mémoire sur un vase peint inédit de fabrique corinthienne 234–262.

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Bulletin des sciences historiques, antiquités, philologie [= Bulletin universel des sciences et de l’industrie, section 7] 15 (1830) – Nouvelles observations sur la statue du prétendu Gladiateur mourant, du Capitole, et sur le groupe dit d’Arria et Paetus, de la villa Ludovisi 365–379. Bulletins de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Bruxelles 10 (1843) – (Auszüge und Notizen, zusammen mit F. A. F. T. de Reiffenberg) L’Aurora de P. de Riga – Eraclius, de coloribus et artibus Romanorum – Relation contemporaine de la prise de Rome en 1527, par les troupes de Charles-Quint, et de la mort du duc de Bourbon – Pièces diverses relatives au règne de CharlesQuint – Chansons militaires.

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Journal des Savants (1820) Mars: Note sur une Inscription grecque récemment apportée de Délos à Marseille 182–187. (1822) Mars: Notice sur un rapport de M. Davy, concernant les Expériences faites par ce Chimiste sur les Manuscrits d’Herculanum 185–188. (1824) Avril: Note concernant une Inscription grecque tracée sur une caisse de momie égyptienne 240–247. Novembre: Sur quelques Antiquités grecques et égyptiennes du Musée royal de Turin; rapport fait à l’Académie royale des inscriptions et belles-lettres, dans sa séance du 1.er octobre 1824 687–696. (1826) Février: Sur un Vase grec récemment découvert à Nola 89–100. (1828) Janvrier/Février: Sur les grottes sépulcrales étrusques récemment découvertes près de Corneto, l’ancienne Tarquinium 3–14/80–89. (1830) Juillet/Août: Notice sur une collection d’objets antiques d’argent, récemment trouvée près de Bernay, en Normandie, et acquisé par le Cabinet des antiques de la Bibliothèque du roi 417–430/459–472. (1831) Février: Notices sur les Sculptures d’Olympier 93–105. (1832) Janvrier: Notice sur quelques objets en or trouvés dans un tombeau de Kertsch en Crimée 45–54. (1833) Mars: Dissertazione esegetica intorno all’origine ed al sistema della sacra architettura presso i Greci 148–159. Mai: Quadra in musaico scoperto in Pompei 286–297.

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– Juin/Juillet/Août: De la peinture sur mur chez les anciens 361–371 11 /429– 440/486–490. (1834) – Juin/Juillet: Notice sur quelques médailles grecques, inédites, appartenant à des rois inconnus de la Bactriane et de l’Inde 328–344/385–394. (1835) – Mai: [Beantwortung der vorangehend abgedruckten „Lettre de M. Hittorff aux Auteurs du Journal des Savants“ 296–306] 306–314. – Juin: Notice sur un tombeau découvert aux environs de Kertch, l’ancienne Panticapée 333–344. – Septembre/Octobre: Supplément à la notice sur quelques médailles grecques inédites des rois de la Bactriane et de l’Inde 513–528/577–596. – Décembre: De la Pornographie 12 717–732. (1836) – Février/Mars/Avril/Mai: Deuxième supplément à la Notice sur quelques médailles grecques inédites de rois de la Bactriane et de l’Inde 65–83/129– 146/193–205/257–271. (1838) – Décembre: Troisième supplément à la Notice sur quelques médailles grecques inédites de rois de la Bactriane et de l’Inde 736–753. (1839) – Février: Troisième supplément à la Notice sur quelques médailles grecques inédites des rois inconnus de la Bactriane et de l’Inde. Deuxième article 89– 108. (1841) – Juin: Nouvelles observations sur les anciennes fabriques de vases peints, destinées à servir d’introduction au Catalogue des noms d’artistes employés à la fabrication des vases 356–375. (1844) – Février: Troisième supplément à la Notice sur quelques médailles grecques inédites des rois de la Bactriane et de l’Inde. Troisième article 108–125. – Septembre: Considérations sur les graveurs en médailles et en pierres fines de l’antiquité 513–524.

11 Kritik R.’s an einem in seinen Augen absurden Publikationsverbot: S. 368 m. Anm. 5: „Ces peintures [sc. Peintures de tombeaux étrusques, notamment celles de Corneto] restées inédites durant plus de cinq années grace à un privilège absurde …“ 12 Einordnung nach S. 717 Anm. 1: „Ce fragment est extrait d’un ouvrage qui s’imprime actuellement, et qui a pour objet de Rechercher l’emploi qui se fit de la peinture pour la décoration des édifices sacrés et publics, chez les Grecs et chez les Romains, peinture exécutée généralement sur tables de bois et non sur mur. Le morceau que nous insérons ici forme le Ve paragraphe de la première partie, consacrée aux peintures grecques. On a supprimé quelques notes, trop longues pour être reproduites en entier, et qui n’auraient pu être abrégées“; s. o. unter I. Monographien/monographische Beiträge 1836.

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(1845) – Février: Notice des découvertes les plus récentes opérées dans le royaume de Naples et à Rome 65–82. (1852) – Février: Notice des découvertes les plus récentes opérées dans le royaume de Naples et dans l’État romain, de 1847 à 1851 (1er–3e article) 65–80. 232–247. 296–304. (1853) – Février: Notice sur les fouilles de Capoue. Premier-septième article 65–80. 279–293. 348–362. 417–430. 470–487. 548–564. 684–703. (1854) – Mars: Notice sur les fouilles de Cumes. Premier article 129–143. La France littéraire 19 (1835) – Antiquités asiatiques. Cours professés à la Bibliothèque du Roi 109–132. La Revue de Paris 11 (1830) – Aperçu des principales vicissitudes de la topographie de Rome depuis son origine jusq’à nos jours 65–178. [Deutsch: Topographie der Stadt Rom von deren Entstehung bis auf unsere Zeiten; s. o. unter I. Monographien/monographische Beiträge, 1834].

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Mémoires de l’Institut Royal de France, Académie des Inscriptions et Belles-Lettres 5 (1821) Quelques éclairissements sur l’époque de l’émigration d’Enotrus 199–221. Recherches sur l’improvisation poètique chez les romains 263–299. Mémoire sur une inscription grecque trouvée pres du Calamo en Béotie 337– 385. 8 (1827) Mémoire sur la forme et l’administration de l’état fédératif des Béotiens 214– 249. 13 (1838) Premier mémoire sur les Antiquités chrétiennes: Peintures des Catacombes [vorgetragen am 13. 8. 1839] 92–169. Deuxième mémoire sur les Antiquités chrétiennes des Catacombes: Pierres sépulcrales, envisagées sous le double rapport des formules et des symboles funéraires [vorgetragen am 28. 1. 1831] 170–263. Troisième mémoire sur les Antiquités chrétiennes des Catacombes: Objets déposés dans les tombeaux antiques, qui se retrouvent, en tout ou en partie, dans les cimitières chrétiens [vorgetragen am 11. 3. 1836] 529–788.

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12,1 (1839) – Rapport sur les recherches archéologiques à entreprendre dans la province de Constantine et la régence d’Alger 135–181. 14 (1845) – Observations sur le type des monnaies de Caulonia, et sur celui de quelques autres médailles de la Grande-Grèce et de la Sicile relatives au même sujet 186–233. – Mémoires sur les médailles siciliennes de Pyrrhus, roi d’Epire, et sur quelques inscriptions du même du age et du même pays 234–304. 15 (1842) – Conjectures archéologiques sur le groupe antique dont faisait partie le torse du belvédère, précédées de considérations sur l’utilitè de l’étude des médailles, pour la connaissance de l’histoire de la statuaire antique 251–303. 16,2 (1846) [s. o. unter I. Monographien/monographische Beiträge]

17 (1847) [s. o. unter I. Monographien/monographische Beiträge]

17,2 (1848) [s. o. unter I. Monographien/monographische Beiträge]

20 (1854) – Rapport verbal de MM. Raoul Rochette et Mohl sur les résultats de la mission de M. V. Langlois en Cilicie 17–18. Nouvelles annales de l’Institut archéologique (section française) 2,1 (1838) – Notice sur deux vases d’argent du cabinet des antiques de la bibliothèque du roy, provenant du dépôt du Bernay 170–190. Nouvelles annales des voyages, de la géographie et de l’histoire 65 (1835) – Voyages de M. Camille Callier en Asie-Mineure, en Syrie, en Palestine et dans l’Arabie Pétrée 280–286. 79 (1838) – Voyage de M. Raoul-Rochette en Orient 327–347. 106 (1845) – Fouilles de Ninive 235–244. Revue des deux mondes 24 (1840) – Percier. Sa vie et ses ouvrages 246–268. 32 (1842) – Inauguration de la Walhalla 828–852.

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IV. Briefe/Petitionen – Deux lettres à Mylord comte d’Aberdeen sur l’authenticité des inscriptions de Fourmont (Paris 1819). [Rezension: A. J. Letronne, in: JSav (1819) 707–718; JSav (1820)170–174]. [– U. F. Kopp, Epistola critica quo viro praecl. Raoul-Rochette respond. (Mannheim 1824).] [– H. A. Hamaker, Lettre à M. Raoul-Rochette, sur une inscription en caractères phéniciens et grecs, récemmant découverte à Cyrene (Leyde 1825).]

– Lettre à M. Toelken, éditeur du Berliner Kunstblatt, sur les découvertes de peintures de Corneto, in: L’Universel (1829). – Lettre à M. Panofka. Réponse aux observations de M. de Laglandière sur la signification des mots grecs aulh et oph contra Raoul-Rochette, in: AdI Suppl. 3 (1830) 415–432. – Lettre à M. le Duc de Luynes sur les graveurs des monnaies grecques (Paris 1831). – Lettre à J. Schorn, Professeur d’Archéologie à l’Université de Munich, sur quelques noms d’artistes omis ou insérés à tort dans le catalogue de M. Sillig (Paris 1832). – Lettre à M. C. O. Mueller, sur une statue votive en bronze, de style grecque archaique in: AdI 5 (1833) 193–210. – Lettre à M. Grotefend, sur quelques médailles de rois des Odryses et des Thraces, in: Nouvelles annales de l’Institut archéologique 1 (1836) 102–138. – Lettre à M. le professeur Ed. Gerhard sur deux vases peints de style et du travail étrusques, in: AdI 6 (1834) 264–294. – Lettre à Welcker sur quelques inscriptions grecques de la Sicilie, in: Musée du Rhin 2,4 (1836) 63–98. – Lettre à M. Louis de Klenze sur une statue de héros attique récemment découverte à Athènes, in: Nouvelles annales de l’Institut archéologique 1 (1836) 313–314. – Exposé succinct de l’acquisition des Vases de Bernay (Paris 1838). – (zusammen mit C. Lenormant – A. J. Letronne), Lettres des conservateurs de la Bibliothèque royale sur l’ordonnance du 22 février 1839, relative à cet établissement (Paris 1839). – Lettre à M. le Ministre de l’Intérieur (Paris 1840). – Lettre à M. Salvandy sur l’état actuel des fouilles de Pompei et des musées de Naples et Rome (Paris 1841). – Lettre à M. Schorn. Supplément au catalogue des artistes de l’antiquité grecque et romaine (Paris 1845). [Rezension: H. Brunn, in: AdI 16 (1844) 268–287.]

– Lettre à M. P. Paris sur le projet de mettre en direction la bibliothèque royale ou réponse au chap. XVIII du rapport de M. Allard, membre de la Chambre des Députés, sur les crédits supplémentaires (Paris 1847). – Pétition adressée à l’Assemblée nationale législative, pour demander le rétablissement de l’emploi de conservateur du Cabinet des médailles et antiques de

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la Bibliothèque nationale supprimé par arrête de M. Carnot, du 1er mars 1848 (Paris 1849). [– H. L. Carnot, Réponse à M. Raoul-Rochette, suivie du rapport d’une commission d’enquête instituée en 1848 par le ministre de l’instruction publique pour examiner la conduite de M. Raoul-Rochette dans l’acquisition des vases de Bernay (Paris 1850).]

– Lettre à M. Carnot sur sa réponse à M. Raoul-Rochette, in: La liberté de penser. Revue philosophique et littéraire 5 (1850) 417–447. – Post-scriptum à ma lettre à M. Carnot (Paris 1850). – Lettre à M. l’éditeur de la Révue archéologique, sur la découverte de têtes en cire mises dans un tombeau à la place de têtes réelles pour compléter un squelette humain, in: Revue Archéologique 9 (1852) 770–775. V. Herausgeberschaften – I. P. de Blaramberg, Notice sur quelques objets d’antiquité, decouvertes en Tauride dans un tumulus près du site de l’ancienne Panticapée (Paris 1822). – (zusammen mit P. Brumoy), Le théâtre des Grecs, 16 Bde. (Paris 1820–1825). [S. auch u. VI. Übersetzungen, 1825].

– W.-A.-L. de Minutoli, Mes souvenirs d’Egypte, 2 Bde. (Paris 1826). – (zusammen mit A. Rémusat) L’Universel, journal de la littérature, des sciences et des arts (Paris 1829–1830). VI. Übersetzungen – Fragments de Ménandre et de Philémon. Suivies d’un choix de fragmens de divers autres poètes comiques grecs, et de nouveaux fragmens d’Euripide [übersetzt von M. Raoul-Rochette] (Paris 1825). [Rezension: A. J. Letronne, Supplément à la dernière édition du Théâtre des Grecs par le P. Brumoy. Ou lettres critiques d’un professeur de l’université sur la traduction des fragmens de Ménandre et de Philémon par M. Raoul Rochette (Paris 1828).]

VII. Nekrologe – (zusammen mit A. Quatremère de Quincy) Funérailles de M. GrandMénil le 27 mai 1816 (Paris 1816). – Funérailles de M. Abel Rémusat le mardi 5 juin 1832 (Paris 1832). – Funérailles de M. Emeric-David le 3 avril 1839 (Paris 1839). – Funérailles de M. Huyot le 4 mars 1840 (Paris 1840). – (zusammen mit J.-F. Roger) Funérailles de M. le Marquis de Pastoret le 1er octobre 1840 (Paris 1840).

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– Funérailles de M. Guénepin le 7 mars 1842 (Paris 1842). – (zusammen mit F. Halévy u. A. L. Dumont) Funérailles de M. Cherubini le 19 mars 1842 (Paris 1842). – Funérailles de M. Cortot le 16 août 1843 (Paris 1843). – Funérailles de M. le Chevalier Berton le 26 avril 1844 (Paris 1844). – Funérailles de M. le Baron Bosio le 2 août 1846 (Paris 1846). – Funérailles de M. Bidauld le 22 octobre 1846 (Paris 1846). – Funérailles de M. Richomme le 25 septembre 1849 (Paris 1849). – Funérailles de M. Garnier le samedi 17 novembre 1849 (Paris 1849). – (zusammen mit C. Magnin) Funérailles de M. Quatremère de Quincy le dimanche 30 décembre 1849 (Paris 1849). – (zusammen mit L. A. Dumont) Funérailles de M. Pradier le mercredi 9 juin 1852 (Paris 1852). – (zusammen mit L. A. Dumont) Funérailles de M. Ramey le dimanche 31 octobre 1852 (Paris 1852). – (zusammen mit L. A. Dumont u. A. Caristie) Funérailles de M. Blouet le jeudi 19 mai 1853 (Paris 1853). – (zusammen mit L. Cogniet) Funérailles de M. Blondel le lundi 13 juin 1853 (Paris 1853). – (zusammen mit A. Caristie u. L. Visconti) Funérailles de M. Achille Le Clère le lundi 26 décembre 1853 (Paris 1853). – (zusammen mit A. Caristie u. J.-I. Hittorff) Funérailles de M. Visconti le mardi 3 janvier 1854 (Paris 1854). VIII. Rezensionen/Buchbesprechungen im Journal des Savants (1817) – Février: BABRIOU MUQWN BIBLIA TRIA: id est. BABRII Fabularum choliambicarum libri tres; accedit liber quaratus fabularum et narrationum poeticarum ex Anthologia graeca aliisque auctoribus excerptus. Ed. Berger, Monachii, MDCCCXVI, in-8o, 102–115. – Avril: FILWNOS TOU IOUDAIOU PERI ARETHS & c.; Philonis Judaei de virtute ejusque partibus; invenit et interpretatus est Ang. Maius, Mediolan. typ. reg. 1816, in-8o – PORFURIOU FILOSOFOU PROS MARKELLAN; Porphyrii philosophi ad Marcellam; invenit, interpretatione notisque declaravit Ang. Maius; accedit ejusdem Porphyrii poeticum Fragmentum. Mediolan. typ. reg. 1816, in-8o, 227–238. – Août: Poèmes élégiaques, précédés d’un Discours sur l’élégie héroïque; par M. Treneuil, bibliothécaire de Monsieur, & c. à Paris, chez Firmin Didot, 1817; in-8o, 319 pag. 5 fr., 451–463. – Septembre: Éloge de Blaise Pascal, accompagné de notes historiques et critiques, discours qui a remporté le prix double d’éloquence décerné en 1816 par l’Accadémie des Jeux floraux; par M. Raymond, & c.; 2.e édition. Lyon, 1816, in-8o, 563–566.

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– Octobre: Histoire des Croisades, troisième partie, contenant l’histoire des quatrième, cinquième et sixième croisades; par M. Michaud, de l’Académie française; avec un plan de Constantinople et une carte des environs de Damiette, III.me vol. Paris, 1817, in-8o, 579–588. – Novembre: L. Holstenii Epistolae ad diversos, quas ex editis et ineditis codicibus collegit atque illustravit Jo. Fr. Boissonade. Accedit editoris Commentatio in inscriptionem graecam. Paris, 1817, in-8o, 665–676. (1818) – Mars: Oeuvres complètes de Xénophon, traduites en français, et accompagnées du texte grec, de la version latine, de notes critiques, des variantes des manuscrits de la Bibliothèque royale, d’estampes, de plans de bataille et cartes géographiques gravés d’après les dessins de M. Barbié du Bocage, de M. Letronne et de MM.***; par J. B. Gail, membre de l’Institut de France, lecteur et professeur royal, & c. & c. Paris, de l’Imprimerie royale, 1814 et années suivantes; 10 vol. in-4o Prix 160 fr. beau papier ordinaire, &c., 137– 150. – Avril: Traduction complète des Odes de Pindare, en regard du texte grec, avec des notes à la fin de chaque ode, par R. Tourlet. Paris, 1818, 2 vol. in-8o, 213–224. – Juin: Les Roses; par M. P. J. Redouté, dessinateur en titre du Muséum d’Histoire naturelle, & c.; 1.re–7.e livraisons (1). De l’imprimerie de Firmin Didot, 1817–1818, 355–359. – Décembre: Mémoires de l’Institut royal de France, classe d’histoire et de littérature ancienne; tomes III et IV. Paris, 1818, de l’Imprimerie royale. Premier extrait, 725–738. (1819) – Février: An Inquiry into the symbolical language of ancient art and mythology, by R. P. Knight. London, printed by A. J. Valpy, 1818. – Recherches sur le langage symbolique de l’art primitif et de la mythologie ancienne, par R. P. Knight. Londres, imprimé chez A. J. Valpy, 1818, 81–88. – Avril/Mai: Descrizione degli Stateri antichi, illustrati con le medaglie, per Domenico Sestini. &c. &c. &c. Firenze, MDCCCXVII. – Description des Statères antiques, expliqués au moyen des médailles, par Dominique Sestini, &c. &c. &c. Florence, 1819, 203–211, 290–297. – Juillet: I. Précis d’une collection de médailles antiques avec planches; par L. Reynier. Genève, sans date (1818). – II. Descriptions de médailles antiques, grecques et romaines, avec leur degré de rareté et leur estimation, &c. &c.; par T. C. Mionnet, &c.: tome I.er du supplément. Paris, 1819, 420–428. – Septembre: Eusebii Pamphili Chronicorum Canonum libri duo. Opus ex Haicano codice à D. J. Zohrabo diligenter expressum et castigatum, Angelus Maius et Johannes Zohrabus nunc primum, conjunctis curis latinitate donatum notisque illustratum, additis graecis reliquiis, ediderunt. Mediolani, regiis typis, MDCCCXVIII, I vol. in-4o. Premier extrait, 545–560.

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(1820) – Janvrier: Leonis Diaconi Caloënsis Historia, Scriptoresque alii ad res Byzantinas pertinentes. È Bibliotheca regia nunc primùm in lucem edidit, versione latinâ et notis illustravit C. B. Hase, &c. &c. Un vol. in-fol. Paris, 1819, de l’imprimerie royale. Premier extrait, 3–15. – Avril: Traduction française de Strabon; tome V. Paris, 1819, de l’imprimerie royale. Premier extrait, 234–242. – Novembre: Géographie de Strabon, traduite en français par MM. Gossellin, Coray et Letronne; tome V. Paris, 1819, de l’imprimerie royale. Second-troisième extrait, 690–699, 732–750. (1821) – Janvrier: Examen de l’état du gouvernement et de la législation en France, à l’avénement de S. Louis, et des effets des institutions de ce prince à la fin de son règne, par Maurice-André Philipp, &c.; mémoire qui a obtenue une mention honorable dans la séance de l’accadémie royale des inscriptions, du 28 juillet 1820; 1 vol. in-8o, 47–57. – Septembre: Histoire de la vie et les ouvrages de J. de la Fontaine, par M. Walckenaer, membre de l’Institut; 1 vol. in-8o et 2 vol. in-18. Paris, 1820 et 1821, 562–572. – Novembre: Mémoires de l’abbé Morellet, sur le XVIII.e siècle et sur la révolution française; 2 volumes in-8o Paris, Ladvocat, 1821. Premier extrait, 673– 683. – Décembre: View of the state of Europe during the middle age, in three volumes; by Henry Hallam, Esq.; c’est-à-dire, l’Europe au moyen âge, de M. Henri Hallam; traduit de l’anglais, par MM. P. Dudouit, avocat à la cour royale de Paris, et A. R. Borghers; 2 vol. in-8o, 1820–1821. Premier extrait, 734–744. (1822) – Juin: Voyage à l’Oasis de Thèbes et dans les déserts situés à l’orient et à l’occident de la Thébaïde, fait pendant les années 1815, 1816, 1817 et 1818, par M. Frédéric Cailliaud (de Nantes); rédigé et publié par M. Jomard, &c. &c.; 2 vol. grand in-fol., première livraison, 361–372. – Juillet: Musée des protestans célèbres, ou Portraits et Notices biographiques et littéraires des personnages les plus éminens dans l’histoire de la réformation et du protestantisme, rédigé par une société de gens de lettres, et publié par M. G. T. Doin; tome I.er, première et deuxième parties. Paris, 1822, 408–416. – Août/Septembre: Voyage en Suisse, fait dans les années 1817, 1818 et 1819, suivi d’un Essai historique sur les mœurs et les coutumes de l’Helvétie ancienne et moderne, dans lequel se trouvent retracés les événemens de nos jours avec les causes qui les ont amenés; par M. Simond, auteur du Voyage en Angleterre; 2 forts vol. in-8o: chez Treuttel et Würtz. Premier-second article, 451–464. 523–531.

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(1823) – Août: Essai sur la nature, le but et les moyens de l’imitation dans les Beauxarts, par M. Quatremère de Quincy. Un vol. in-8o, chez Treuttel et Würtz, rue de Bourbon, n.o 17. Premier article, 497–507. (1825) – Janvrier/Juin: Histoire de la vie et des ouvrages de Raphaël, ornée d’un portrait, par M. Quatremère de Quincy; avec cette épigraphe: Soleva dire Rafaello che il pittore ha obbligo di fare le cose non come le fa la natura, ma come ella le dovrebbe fare (Fed. Zuccharo, Lett. Pitt. T. VI, p. 213.) 1 vol. in-8o, xvj et 480 pages. Paris, librairie de Charles Gosselin. Second-troisième article. P. 48–56, 347–358. – Août: Ancient unedited Monuments of grecian art from collections in various countries, principally in Great Britain, illustrated and explained by James Millingen, esq. London, numb. 1–4, 1822, in-4o, 60 pages et 24 planches, 473–488. (1826) – Septembre: Histoire des Croisades; première, seconde et troisième parties, contenant l’histoire des six premières croisades, par M. Michaud: 4.e édition, revue, corrigée et augmentée, 3 vol. in-8º, 554–564. – Novembre: Voyage pittoresque de la Grèce, par feu M. le comte de Choiseul-Gouffier, tome III et dernier, 1 vol. in-fol. Chez Blaise, 643–658. (1827) – Février/Mars: Mémoires de l’Institut royal de France, Académie des inscriptions et belles lettres; tome VI, un vol. in-4o, vij et 678 pages. Paris, 1822, de l’imprimerie royale. Premier/second article, 89–100, 131–140. (1828) – Mars: 1. Homer nach Antiken gezeichnet, von H. W. Tischbein, mit Erläuterungen von D.r L. Schorn, VII, VIII and IX Heft. Stuttgart, 1821–1823, in-fol. – 2. Galleria Omerica, o Raccolta di monumenti antichi esibita dal C. Fr. Inghirami, per servire allo studio dell’Iliade e dell’Odissea, 1, 2, 3, 4, 5 fascic. Firenze, 1827, in-8o, 170–183. – Mai: Sammlung alt-nieder-und oberdeutscher Gemälde der Brüder S. M. Boisserée und J. Bertram; lithographiert von J. N. Strixner, I-XVIII Lieferungen: c’est-à-dire, Collection de peintures de l’ancienne école allemande, de MM. Boisserée et Bertram, livraisons 1–18. Stuttgart et Munich, in-fol., 274–287. – Décembre: Introduction à l’étude des vases antiques d’argile peints, & c., par M. Dubois Maisonneuve, 1 vol. in-fol., I–LXXXV planches, 1–18 pages in-fol. Paris, 1817 et ann. suiv., 707–718.

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(1829) – Mars: Notice sur la collection de Vases peintes et autres Monumens de l’art étrusque, formée par M. le conseiller de cour Dorow; lue à l’Académie des belles-lettres et à l’Académie des beaux-arts les 19 et 20 décembre 1828, 131–143. – Juli: Memoria sulle opere di Scultura in Selinunte ultimamente scoperte, di P. Pisani. Palermo, 1824, p. 1–46; avec 5 planches. – Sculptured metopes discovered amongst the ruins of the temples of the ancient city of Selinus, by W. Harris and S. Angell. London, 1826, folio, p. 1–56, avec 9 planches. – Architecture antique de la Sicile, ou recueil des plus anciens monumens d’architecture des villes de la Sicile ancienne, par J. Hittorff et Zanth. Livraisons I-V; Paris, 1827 et années suiv., folio, 387–401. – Août: Essai historique et critique sur les Monnoies d’argent de la ligue achéenne, accompagné de recherches sur les Monnoies de Corinthe, de Sicyone et de Carthage; par M. Cousinéry, & c. 1 vol. in -4.o, 1825, avec des planches gravées. – Recueil de Médailles grecques inédites, publieées par M. Ed. de Cadalvène; tome I.er, in-4o Paris, 1828, avec 4 planch. Gravées et plusierus vignettes. – Description des Médailles antiques du cabinet de feu M. Allier de Hauteroche, par M. Dumersan, in-4o Paris, 1829, avec 16 planches, 494–506. (1830) – Janvier: Monumens et Ouvrages d’art antiques, restitués d’après les descriptions des écrivains, et accompagnés de dissertations archéologiques, par M. Quatremère de Quincy; 2 vol. pet. in-fol. Paris, 1826 et 1828; chez J. Renouard, 41–53. – Février/Mars: Catalogo di scelte Antichità etrusche trovate negli scavi del principe di Canino, 1828–1829. Viterbo, in-4o, 135 pages, 1829. Premier/second article, 114–125, 177–187. – Avril: Voyage archéologique dans l’ancienne Étrurie, par M. le D.r Dorow, &c., avec XVI planches; 1 vol. in –4.o, pag. 1–46. Paris, 1829, Merlin, 234– 247. – Octobre/Décembre: Œuvres diverses, italiennes et françaises, d’Ennius Quirinus Visconti, recueillies et publiées par le docteur J. Labus; tomes I, II, III, Milan, 1827–1830, in-8o. Premier/second article, 611–629, 707–723. (1831) – Janvrier/Mars/Juin: Œuvres diverses, italiennes et françaises, d’Ennius Quirinus Visconti, recueillies et publiées par le docteur J. Labus. Milan, 1817– 1830, vol. I, II, III, IV, 54–64, 138–150, 329–340. – Août/Septembre: Ancient Coins of greek cities and kings, &c., illustrated and explained by James Millingen, esq., &c. London, 1831, in-4o, i-xj et 1– 77, avec un index et cinq planches gravées, 462–475, 556–565, 675–679.

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(1833) – Décembre: Reale galleria di Firenze illustrata; serie V, Cammei ed Intagli, vol. II, p. 1–214, tav. 37–54; Firenze, 1831, in-8o, 744–753. (1834) – Février: Museo della reale accademia di Mantova, descritto ed illustrato dal D. G. Labus; Mantova, 1830–1833, tom. I, et tom. II, fascic. 16. Premier extrait, 65–78. – Mars/Mai/Décembre: Monumenti per servire alla storia degli antichi Popoli italiani, raccolti, esposti e pubblicati dal G. Micali, tav. CXX fol., et pag. 1– 228, in-8o. Firenze, 1832. Premier-troisième article, 139–192, 279–291, 705– 717. – Août/Septembre: I monumenti dell’Egitto e della Nubia, disegnati dalla Spedizione scientifico-letteraria toscana in Egitto, distribuiti in ordine di materie, interpretati ed illustrati dal Dre Ippolito Rosellini, ec. Parte prima, Monumenti storici, t. I et II; Parte seconda, Monumenti civili, t. I; tavole 1 –LXXIV. Firenze, 1832–1834, 457–470. (1835) – Janvrier: Antichità della Sicilia, esposte ed illustrate per Dom. Io Faso Pietradanta, duca di Serradifalco; volume IIo, Antichità di Selinunte, tav. I-XXXV, p. 1–108, Palermo, fol. 1834, 12–27. – Février/Avril: Antiques du cabinet du comte de Pourtalès-Gorgier, décrites par M. Th. Panofka. Un vol. in-folo de 122 p. avec 41 planch. Paris, 1834, 97– 109/213–228. – Juillet: Museo di Mantova, descritto ed illustrato dal Dr G. Labus; tome II, pag. 1–315, tav. I-LII; Mantova, 1833–34. Second article, 396–411. (1836) – Juin/Octobre: Monumenti per servire alla storia degli antichi Popoli italiani, raccolti, esposti e pubblicati dal G. Micali, tav. CXX fol., et pag. 1–228, in-8o. Firenze, 1832. Quatrième/cinquième article, 339–354, 577–592. – Août/Septembre: Numismata nonnulla Graeca ex museo regis Bavariae hactenus minus accurate descripta, edidit Fr. Streber. Un vol. in-4o, avec 4 pl. Lithogr. Munich, 1835, 449–464, 513–529. – Novembre: I. Bemerkungen über vielfarbige Architektur und Sculptur bei den Alten, von G. Semper; Altona, 1834. – II. Ueber die Polychromie der Griechischen Architektur und Sculptur, und ihre Grenzen, von Dr Franz Kugler; Berlin, 1835. – III. Die Malerei der Alten in ihrer Anwendung und Technik, insbesondere als Decorationsmalerei, von R. Wiegmann; Hannover, 1836. Premier article, 667–685. (1837) – Janvrier/Février: I. Bemerkungen über vielfarbige Architektur und Sculptur bei den Alten, von G. Semper; Altona, 1834. – II. Ueber die Polychromie der

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Griechischen Architektur und Sculptur, und ihre Grenzen, von Dr. Franz Kugler; Berlin, 1835. – III. Die Malerei der Alten in ihrer Anwendung und Technik, insbesondere als Decorationsmalerei, von R. Wiegmann; Hannover, 1836. Second/troisième article, 17–35, 93–111. – Mars/Avril: Recueil de Dissertations archéologiques, par M. Quatremère de Quincy, etc. Un volume in-8o de 289 pages, avec planches, Paris, 1836, 176–186, 193–203. – Août/Septembre: Description d’une collection de Vases peints et Bronzes antiques, provenant des fouilles de l’Étrurie, par M. de Witte, membre de l’Institut archéologique de Rome. Un vol. de I-X, et 1–154 pages, avec une planche gravée. Paris, 1837, 479–494, 513–530. (1838) – Février/Mars: Zur Gemmenkunde; antike geschnittene Steine vom Grabmahl der Heiligen Elisabeth in der nach ihr genannten Kirche zu Marburg in Kur-Hessen; archäologische Abhandlung, von Fr. Creuzer, etc. Pag. 1– 212, avec cinq planches gravées. Leipzig, 1834; in-8o, 85–99, 129–147. – Avril/Mai: Le Antichità della Sicilia esposte ed illustrate per Dom. Duca di Serradifalco; t. I, Antichità di Egesta, Palermo, 1834; t. III, Antichità di Agragante, Palermo, 1837, in-folio. Premier/deuxième article, 223–237, 257–273. (1840) – Février: Storia della Pittura italiana esposta coi monumenti da Giovanni Rosini, tom. I, tav. 1–40. Pisa, 1839. Premier /deuxième article, 111–124, 165–180. – Juin/Juillet/Août: Découvertes dans la Troade, etc. Extraits des Mémoires de A.-F. Mauduit, architecte, etc. 1 vol. in-4o avec planches et cartes, Paris, Firmin Didot, 1840. Premier-troisième article, 321–337, 417–427, 449–460. [– A. F. Mauduit, Réponses de l’auteur des Découvertes dans la Troade aux Observations critiques publiées sur cet ouvrage, dans le Journal des savants (juin, juillet et août 1840) par M. Raoul Rochette. Cette réponse est écrite pour faire suite au livre intitulé: Découvertes dans la Troade par A. F. Mauduit, Paris 1841, 146].

– Novembre/Décembre: L’Aes grave del Museo Kircheriano, ovvero le monete primitive de’popoli dell’Italia media, ordinate e descritte dai PP. G. Marchi e P. Tessieri, Roma, 1839, in-4o. Premier/deuxième article, 654–670/ 723–741. (1841) – Mars/Mai: L’Aes grave del Museo Kircheriano, ovvero le monete primitive de’popoli dell’Italia media, ordinate e descritte dai PP. G. Marchi e P. Tessieri, Roma, 1839, in-4o. Troisième/quatrième article, 172–181, 257–266. – Avril: Operations carried on at the Pyramids of Gizeh in 1837, by colonel Howard Vyse. London, 1840, 2 vol. Premier article, 223–244.

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– Septembre: Giove CELCANOS, e l’oracolo suo nell’antro ideo, l’uno e l’altro riconosciuti nella leggenda e nel tipo d’alcune monete di Festo, dissertazione epistolare del R. P. Secchi, etc. Roma, 1840, fol., 521–537. – Novembre: 1. Élite de monuments céramographiques, matériaux pour l’intelligence des religions et des moers de l’antiquité, expliqués et commentés par Ch. Lenormant et J. de Witte; livraisons 1–27. Paris, 1840–1841. – 2. Auserlesene griechische Vasenbilder, hauptsächlich Etruskischen Fundorts, herausgegeben von Ed. Gerhard; erster Theil. Götterbilder, Berlin, 1840–1841, in-4o. Premier article, 641–659. (1842) – Janvrier/Avril: 1. Élite de monuments céramographiques, matériaux pour l’intelligence des religions et des moers de l’antiquité, expliqués et commentés par Ch. Lenormant et J. de Witte; livraisons 1–27. Paris, 1840–1841. – 2. Auserlesene griechische Vasenbilder, hauptsächlich Etruskischen Fundorts, herausgegeben von Ed. Gerhard; erster Theil. Götterbilder, Berlin, 1840–1841, in-4o. Deuxième/troisième article, 5–26, 210–232. – Mars/Décembre: La Reale Galleria di Torino, illustrata da Rob. d’Azeglio, direttore della medesima. Torino, in-folio, fascicoli 1–24, 1835–1842. Premier/deuxième article, 154–167, 734–744. – Juin/Juillet: 1. A Journal written during an Excursion in Asia Minor by Ch. Fellow, 1838; London, 1839, in-8o. – 2. An Account of discoveries in Lycia, being a Journal kept during a second Excursion in Asia Minor by Ch. Fellow, 1840; London, 1841, in-8o. Premier/deuxième article, 366–377, 385– 406. (1843) – Janvrier: La Reale Galleria di Torino, illustrata da Rob. d’Azeglio, direttore della medesima. Torino, in-folio, fascicoli 1–24, 1835–1842. Troisième article, 19–28. – Mars: Recherches sur les monuments cyclopéens, et description de la collection des modèles en relief composant la galerie pélasgique de la bibliothèque Mazarine, par L. C. F. Petit-Radel, publiées d’après les manuscrits de l’auteur. Paris, 1841, in-8o, 129–150. – Mai/Juin/Juillet/Septembre: 1. Antichi monumenti sepolcrali scoperti nel ducato di Ceri, dichiarati dal cav. P. S. Visconti. Roma, 1836, in-fol. – 2. Descrizione di Cere antica, ed in particolare del monumento sepolcrale scoperto nell’anno 1836, etc. dell’architetto cav. L. Canina. Roma, 1838, in-fol. – 3. Monumenti di Cere antica, spiegati colle osservanze del culto di Mitra, dal cav. L. Grifi. Roma, 1841, in-fol. Premier-quatrième article, 268–287, 344–360, 416–433, 543–564. – Octobre: Il sepolcro dei Volunni, scoperto in Perugia nel 1840, ed altri monumenti inediti etruschi e romani, esposti da G. B. Vermiglioli. Perugia, 1840, in-4o. Premier/deuxième article, 598–609, 666–680, 738–745.

Bibliographie von Désiré Raoul-Rochette

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(1844) – Mars/Mai/Juin/Juillet: 1. Operations carried on at the Pyramids of Gizeh in 1837, by colonel Howard Vyse. London, 1840, 2 vol. grand in-8o. 2. The Pyramids of Gizeh, from actual survey and admeasurement, illustrated by notes and references to the several plans, P. I et II, the first, second and third pyramids, the three smaller to the south of the third, and the three to the eastward of the great pyramid, London, 1839–1840, 2 livraisons, très-grand folio; et: The Pyramids to the southward of Gizeh, and at Abou-Roash; also, Campbell’s tomb, III Part, London, 1842, grand in-fol. Deuxième-cinquième article, 159–179, 257–273, 330–347, 407–419. – Octobre: Monumenti inediti a illustrazione della storia degli antichi popoli italiani, dichiarati da Giuseppe Micali, LX tavole, et 1 vol. in-8o, p. I-VIII et p. 1–443, Firenze, 1844. Premier article, 622–637. (1845) – Juin: Monumenti inediti a illustrazione della storia degli antichi popoli italiani, dichiarati da Giuseppe Micali, LX tavole, et 1 vol. in-8o, p. I-VIII et p. 1–443, Firenze, 1844. Deuxième article, 349–363. – Août/Septembre: Museo Bresciano illustrato, tome I. Brescia, 1838, in-folio. Premier/deuxième article, 466–479, 530–547. – Octobre/Novembre: Considérations archéologiques et architectoniques sur le temple de Diane Leucophryne, récemment découvert à Magnésie du Méandre (di Clerget). Premier/deuxième article, 577–586, 641–655. – Décembre: Antike Marmorwerke zum ersten Male bekannt gemacht von Em. Braun, Ite und IIte Decade, Leipzig, 1843, in-fol. Premier article, 743–757. (1846) – Janvrier: Antike Marmorwerke zum ersten Male bekannt gemacht von Em. Braun, Ite und IIte Decade, Leipzig, 1843, in-fol. Deuxième article, 37–50. – Mars/Avril/Juin/Août: 1. Aegyptens Stelle in der Weltgeschichte. Geschichtliche Untersuchung in fünf Büchern, von Ch. C. J. Bunsen; Ies, IIes und IIIes Buch, 8o, Hamburg, 1845. 1. Place de l’Égypte dans l’histoire du monde; recherche historique en cinq livres, par Ch. C. J. Bunsen. Ier, IIe et IIIe livres, 8o, Hambourg, 1845. – 2. Auswahl der wichtigsten Urkunden des Aegyptischen Alterthums, herausgegeben und erläutert von Dr R. Lepsius, Tafeln, Leipzig, 1842, fol. 2. Choix des documents les plus importants de l’antiquité égyptienne, publiés et expliqués par le Dr R. Lepsius; planches, Leipzig, 1842, fol. Premier-quatrième article, 129–145, 233–249, 359–377, 479–497. – Novembre/Décembre: Le Antichità della Sicilia esposte ed illustrate per Dom. Duca di Serradifalco; t. IV, Antichità di Siracusa, Palermo, 1840; t. V, Antichità di Catana, di Tauromenio, di Tindari e di Solunto, Palermo, 1842, folio. Premier/deuxième article, 665–677, 721–733.

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(1847) – Février: Le Antichità della Sicilia esposte ed illustrate per Dom. Duca di Serradifalco; t. IV, Antichità di Siracusa, Palermo, 1840; t. V, Antichità di Catana, di Tauromenio, di Tindari e di Solunto, Palermo, 1842, folio. Troisième article, 105–120. – Mars: Monographie de l’église Notre-Dame de Noyon, par M. Vitet; plans, coupes, élévations et détails, par Dan. Ramée; 1 vol. in-4o, Imprimerie royale, et un atlas de XXIII planches, 1845. Premier article, 129–140. – Avril/Mai/Juin/Juillet: Le Antichità della Sicilia esposte ed illustrate per Dom. Duca di Serradifalco; t. IV, Antichità di Siracusa, Palermo, 1840; t. V, Antichità di Catana, di Tauromenio, di Tindari e di Solunto, Palermo, 1842, folio. Quartième-septième article. P. 224–234, 291–307, 340–355, 414–432. – Août/Septembre: Le monete attribuite alla zecca dell’antica città di Leuceria, con un cenno della remota sua origine e grandezza, per Genn. Riccio, Napoli, 1846, fol. p. 1–28, tav. I-V, 494–508, 549–561. – Décembre: 1. Descrizione dell’antico Tusculo, dell’architetto Cav. L. Canina, Roma, 1841, in-fo. – 2. L’Antica città di Veii descritta ed illustrata con i monumenti dal Cav. L. Canina, Roma, 1847, in-fo. – 3. L’Antica Etruria maritima compresa nella dizione pontificia, descritta ed illustrata con i monumenti dal Cav. L. Canina, t. Ier, comprenant les Falisques, les Véiens et les Caerites, Roma, 1846, in-fo. Premier article, 705–717. (1848) – Janvrier/Octobre/Décembre: 1. Descrizione dell’antico Tusculo, dell’architetto Cav. L. Canina, Roma, 1841, in-fo. – 2. L’Antica città di Veii descritta ed illustrata con i monumenti dal Cav. L. Canina, Roma, 1847, in-fo. – 3. L’Antica Etruria maritima compresa nella dizione pontificia, descritta ed illustrata con i monumenti dal Cav. L. Canina, t. Ier, comprenant les Falisques, les Véiens et les Caerites, Roma, 1846, in-fo. Deuxième-quatrième article, 19–37, 626–642, 741–757. – Février/Mars/Avril/Mai/Juin/Juillet/Août: 1. Aegyptens Stelle in der Weltgeschichte. Geschichtliche Untersuchung in fünf Büchern, von Ch. C. J. Bunsen; Ies, IIes und IIIes Buch, 8o, Hamburg, 1845. 1. Place de l’Égypte dans l’histoire du monde, par Ch. C. J. Bunsen. Ier, IIe et IIIe livres, 8o, Hambourg, 1845. – 2. Auswahl der wichtigsten Urkunden des Aegyptischen Alterthums, herausgegeben und erläutert von Dr R. Lepsius, Tafeln, Leipzig, 1842, fol. 2. Choix des documents les plus importants de l’antiquité égyptienne, publiés et expliqués par le Dr R. Lepsius, planches, Leipzig, 1842, fol. Cinquième-onzième article, 113–125, 156–168, 236–252, 308–318, 354–370, 425–442, 473–494. (1849) – Janvrier/Mars: 1. Descrizione dell’antico Tusculo, dell’architetto Cav. L. Canina, Roma, 1841, in-fo. – 2. L’Antica città di Veii descritta ed illustrata con i monumenti dal Cav. L. Canina, Roma, 1847, in-fo. – 3. L’Antica Etru-

Bibliographie von Désiré Raoul-Rochette

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ria maritima compresa nella dizione pontificia, descritta ed illustrata con i monumenti dal Cav. L. Canina, t. Ier, comprenant les Falisques, les Véiens et les Caerites, Roma, 1846, in-fo. Cinquième/sixième article, 48–63, 151–170. – Mai/Juin/Juillet/Août/Septembre/Novembre/Décembre: I. Monument de Ninive, découvert et décrit par M. P. E. Botta, mesuré et dessiné par M. Eug. Flandin; ouvrage publié par ordre du Gouvernement, sous la direction d’une commission de l’Institut, livraisons 1–85, Paris, Imprimerie nationale, gr. info, 1847–49. – II. Nineveh and its Remains: with an Account of a visit to the Chaldaeans Christian of Kurdistan, and the Yezidis or Devil-Worshippers, and an Inquiry into the manners and arts of the ancient Assyrians, by Austen Layard, esq., London, 1849, 2 vol. in-8o. – III. The monuments of Nineveh from Drawings made on the spot by Austen Layard, illustrated in one hundred Plates, London, 1849, gr. in-fo. Premier-septième article, 257–275, 321– 336, 415–429, 474–490, 538–557, 672–691, 733–749. (1850) – Janvrier/Février/Avril: I. Monument de Ninive, découvert et décrit par M. P. E. Botta, mesuré et dessiné par M. Eug. Flandin; ouvrage publié par ordre du Gouvernement, sous la direction d’une commission de l’Institut, livraisons 1–85, Paris, Imprimerie nationale, gr. in-fo, 1847–49. – II. Nineveh and its Remains: with an Account of a visit to the Chaldaeans Christian of Kurdistan, and the Yezidis or Devil-Worshippers, and an Inquiry into the manners and arts of the ancient Assyrians, by Austen Layard, esq., London, 1849, 2 vol. in-8o. – III. The monuments of Nineveh from Drawings made on the spot by Austen Layard, illustrated in one hundred Plates, London, 1849, gr. in-fo. Huitième-dixième article, 30–44, 80–94, 207–217. – Mai/Juin: Archives des missions scientifiques et littéraires; choix de Rapports et Instructions, publié sous les auspices du ministère de l’instruction publique et des cultes; 1er cahier, janvier 1850; Paris, Imprimerie nationale, in-8o de 1–76 pages et 2 planches; chez Gide et Baudry, éditeurs. Premier/ deuxième article, 257–270, 333–353. – Juillet/Août/Septembre: Expédition scientifique de la Morée, ordonnée par le Gouvernement français; architecture, sculptures, inscriptions et vues du Péloponnèse, des Cyclades et de l’Attique; recueillies et dessinées par Ab. Blouet et ses collaborateurs; t. I, II et III, in-fol., Paris, 1831–1838. Premiertroisième article, 397–414, 459–478, 546–565. – Novembre/Décembre: Ueber das Erechtheum auf der Acropolis von Athen, Iste und IIte Abhandlungen, von Fr. Thiersch. Sur L’Érechthéon de l’Acropole d’Athènes, deux dissertations de Fr. Thiersch (extraites du recueil des Mémoires de l’Académie royale des sciences de Munich, t. V et VI). Premier/ deuxième article, 654–666, 751–764. (1851) – Janvrier/Février: Ueber das Erechtheum auf der Acropolis von Athen, Iste und IIte Abhandlungen, von Fr. Thiersch. Sur L’Érechthéon de l’Acropole

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d’Athènes, deux dissertations de Fr. Thiersch (extraites du recueil des Mémoires de l’Académie royale des sciences de Munich, t. V et VI). Troisième/quatrième article, 27–46, 79–97. – Mars: Expédition scientifique de la Morée, ordonnée par le Gouvernement français; architecture, sculptures, inscriptions et vues du Péloponnèse, des Cyclades et de l’Attique; recueillies et dessinées par Ab. Blouet et ses collaborateurs; t. I, II et III, in-fol., Paris, 1831–1838. Quatrième article, 144– 160. – Mai/Juin/Juillet/Septembre/Octobre/Décembre: I. The Topography of Athens, with some Remarks on its Antiquities, by W. Martin Leake, 2e édit. London, 1841, 2 vol. In-8o. II. Topographie von Athen, von P. W. Forchhammer, Kiel, 1841, in-8o. Premier-sixième article, 257–272, 353–371, 424– 440, 549–562, 609–625, 735–751. (1852) – Juin: Franc. Carellii numorum Italiae veteris tabulas CCII edidit Coeleest. Cavedonius, accesserunt Franc. Carellii numorum quos ipse collegit, descriptio, Fr. M. Avellinii in eam adnotationes. Lips. MDCCCL, in-4o max. 1er article, 337–349. – Juillet: The Cities and Cemeteries of Etruria, by George Dennis, in two volumes, London 1848, in -8o. Premier article, 405–422. – Septembre/Octobre/Décembre: I. Die Ficoronische Cista, eine archäologische Abhandlung von Otto Jahn; Leipzig, 1852, gr. in-8o. La Ciste de Ficoroni, dissertation archéologique d’Otto Jahn. – II. Den Ficoroniske Cista, beskreven og forklaret af P. O. Bröndsted; København, fol. 1847. La Ciste de Ficoroni décrite et expliquée par P. O. Bröndsted; Copenhague, fol. 1847. – III. Die Ficoronische Cista des Collegio romano, in treuen Nachbildungen herausgegeben von Em. Braun; Leipzig, 1849, fol. La Ciste de Ficoroni du Collége romain, publièe en de fidèles images par Em. Braun. – IV. Boreas-Sosthenes, das Vorbild des Erzengel Michael, auf der zum ersten Mal vollständig erläuterten Ficoronischen Cista, dans les Bericht. d. Kön. Preuss. Akadem. d. Wissenschaft. z. Berlin, März, 1851. Boréas-Sosthénès, modèle de l’archange saint Michel, sur la Ciste de Ficoroni, entièrement expliquée pour la première fois, dans les Comptes rendus de l’Acad. roy. des sciences de Berlin, mars. 1851. – V. Epikritische Bemerkungen über die Darstellung aus der Argonautensage auf der Ficoronischen Cista, von Fr. Wieseler; Goettingen, 1850, in-8o. Observations critiques sur la représentation tirée de la Fable des Argonautes, de la Ciste de Ficoroni. Premier-troisième article, 576–593, 647–663, 778–795. (1853) – Décembre: I. Der Felsaltar des höchsten Zeus oder das Pelasgikon zu Athen, bisher genannt di Pnyx, von M. F. G. Welcker. Berlin 1852, in-4o. L’autel de rocher du Jupiter suprême, ou le Pélasgique d’Athènes, nommé jusqu’ici le Pnyx, par M. F. G. Welcker – II. Die Pnyx und das Pelasgikon in Athen, von

Bibliographie von Désiré Raoul-Rochette

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L. Ross. Braunschweig, 1853, in-8o. Le Pnyx et le Pélasgique d’Athènes, par L. Ross. Brunswick, 1853, in-8o, 736–751. (1854) – Avril/Mai: Franc. Carellii numorum Italiae veteris tabulas CCII edidit Coelest. Cavedonius; accesserunt Franc. Carellii numorum quos ipse collegit, descriptio, Fr. M. Avellinii in eam adnotationes. Lips. MDCCCL, in-4o max. Deuxième/troisième article, 231–249, 298–319. – Juin/Août: Illustrazione di due degli antichi dipinti trovati negli scavi di Via Graziosa, discorso di P. Matranga, Roma, 1852, in-4o. Premier /deuxième article, 321–338, 470–484.

Die Vertretung der Christlichen Archäologie an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität und ihre „Christlich-archäologische Kunstsammlung“ Von STEFAN LAUBE Die Christliche Archäologie fällt im Spektrum theologischer Fächer aus dem Rahmen, ist sie doch in erster Linie nicht auf Texte angewiesen, vielmehr kann sie nicht sein, ohne Artefakte in ihren Dienst zu stellen. Ein Glücksfall stellt es dar, wenn es dieser Disziplin gelingt, eine aussagekräftige, vielfältige Lehrsammlung zusammenstellen. In Berlin existierte eine derartige Sammlung 95 Jahre lang, von 1850 bis 1945. Diese „Christlich-archäologische Kunstsammlung“ sollte Epoche machen: Begründet von Ferdinand Piper (1811–1889) entstand mit der auch unter dem Namen „Christliches Museum“ bekannten, nicht nur Studenten, sondern auch Touristen offen stehenden Einrichtung die erste geisteswissenschaftliche Lehr- und Schausammlung der Berliner Universität sowie weltweit die erste universitäre Kollektion auf dem Feld der Christlichen Archäologie. So eindrucksvoll ihre Entstehung und Entwicklung, so abrupt und ernüchternd gestaltete sich ihr Ende. Im Frühjahr 1945 verlieren sich ihre Spuren in der brandenburgischen Provinz. Der damalige Kurator und Universitätsprofessor Friedrich Gerke (1900–1966) lagerte die Sammlung im Zweiten Weltkrieg in die Prignitz (Schloss Plattenburg) aus, wo sie unmittelbar nach Kriegsende Plünderungswellen zum Opfer fallen sollte, wobei sich dabei nicht nur Russen, sondern auch die Bevölkerung vor Ort hervortaten. Nur eine Handvoll Objekte haben überlebt. Eines dieser Artefakte sei hier näher vorgestellt: So ziert seit 1957 eine aus Nordafrika stammende kleinformatige Bleischale aus dem vierten Jahrhundert als Dauerleihgabe der Theologischen Fakultät der Humboldt Universität eine Vitrine im Museum für Byzantinische Kunst auf der Berliner Museumsinsel. In Rom konnte Ferdinand Piper Mitte der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts dieses mit einem Tierfries sowie mit Reliefszenen aus dem Alten Testament – Abraham opfert Isaak, Daniel in der Löwengrube, Jonasszenen – versehene Objekt erwerben, auf das auch die Vatikanischen Museen bereits aufmerksam geworden waren (Abb. 1). Im Laufe eines knappen Jahrhunderts – von 1850 bis 1945 – haben sich an der Berliner Universität vor allem fünf Personen um das Fach Christliche Archäologie und damit um die Sammlung verdient gemacht 1 . Allen voran ist der schon genannte Piper zu nennen. Dass sich in Deutschland so früh eine universitär 1 G. Strohmaier-Wiederanders, Geschichte des Fachs und Lehrstuhls „Christliche und kirchliche Kunst“ (Christliche Archäologie, Denkmalkunde und Kulturgeschichte) an der theologischen Fakultät der Humboldt-Universität, in: dies. (Hg.), Theologie und Kultur. Geschichten einer Wechselbeziehung (Halle 1999) 9–17.

Christliche Archäologie an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität

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Abb. 1: Bleischale (4. Jh.), Berlin, Museum für Byzantinische Kunst

verankerte Christliche Archäologie etablieren konnte, ist dem hartnäckigen Engagement dieses bemerkenswerten Theologen zu verdanken. Piper, der von 1842 bis 1889 als „Extraordinarius“ an der Berliner Universität wirkte, war lange Zeit der einzige evangelische Theologe, der auf die Bedeutung der Kunst für die Entwicklung der Kirche hinwies (Abb. 2). Pipers Nachfolger waren Nikolaus Müller (1890–1912), Georg Stuhlfauth (1912–1935), welcher sich seit 1924 die Leitung der Sammlung mit Hans Lietzmann (1872–1945) teilen musste, sowie schließlich Friedrich Gerke (1935–1945). Piper, Müller, Stuhlfauth, Lietzmann und Gerke vereinten in ihrer Person das Berufsfeld eines Theologieprofessors mit dem eines Museumskonservators. Mithin stellten Gegenstände – ob nun Sammelobjekt oder Exponat, Kunstwerk oder Forschungsgegenstand – den Humus ihres kirchengeschichtlichen Wissens bereit. Den Ergebnissen dieser Sammlungsarbeit wohnte immer auch eine Deutungsleistung inne, die als Ausgangsposition für neue Konstruktionen der Christlichen Archäologie diente. Tatsachen der Disziplinengeschichte, wie die, dass Piper einer der ersten war, der sich systematisch mit Transfer und Adaption mythologischer Motive der heidnischen Antike auf die frühchristliche Kunst beschäftigte, oder dass für ihn die christlich-archäologische Zeit im dritten Jahrhundert begann und erst in der Gegenwart endete, werden bei Betrachtung seines Museums, bei Analyse seiner Präferenzen und Strategien als Sammler, sofort offensichtlich.

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Stefan Laube

Abb. 2: Ferdinand Piper, 1811–1889

1. Die Entstehungsgeschichte Obwohl die Frage, was die Kirche im Altertum ausmacht, im Laufe des 19. Jahrhunderts unter modernen quellenkritischen Gesichtspunkten zu einem zentralen Forschungsinteresse der Theologiegeschichte aufstieg, war auf materielle Überreste als Erkenntnisquelle lange Zeit kaum eingegangen worden. Es gab zwar frühe Ansätze bei Johann Christian Wilhelm Augusti (1772–1841) und Christian Karl Bunsen (1791–1860), und auch Friedrich Schleiermacher (1768– 1834) hatte in seinem Gutachten über die Einrichtung der theologischen Fakultät zu Berlin vom 25. Mai 1810 die „christlichen Antiquitäten“ als Unterrichtszweig vorgesehen, der sich aber in der Regel auf literarisches Quellenmaterial beschränkte 2 . Mit dieser herkömmlichen Behandlungsweise sollte Piper konsequent brechen. Erstmals las er im Wintersemester 1843/44 über „christliche Altertümer“ und stellte dabei die Objekte selbst in den Vordergrund. In Anlehnung an Gepflogenheiten der Klassischen Archäologie formulierte Piper in den 1840er Jahren den Wunsch, dass es in Deutschland wenigstens eine Universität geben solle, an der eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit N. Müller, Die christlich-archäologische und epigraphische Sammlung, in: M. Lenz, Geschichte der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin 3. Wissenschaftliche Anstalten, Spruchkollegium, Statistik (Halle 1910) 13.

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kirchlichen Denkmälern ermöglicht werde. Es fiel ihm nicht schwer, gegenüber der Kultusbehörde Überzeugungsarbeit zu leisten. Gerade in schriftarmen Epochen, argumentierte Piper, komme der materiellen Überlieferung besondere Bedeutung zu. Tatsächlich stehe man am Anfang einer neuen Entwicklung, die die Stagnation der kirchlichen Archäologie beende. Das Christliche Museum im Vatikan (seit 1756) sei lange Zeit das einzige seiner Art gewesen, jetzt gebe es in Paris das Musée Cluny (seit 1844), in Kopenhagen ein Christliches Museum (seit 1846), und im Königlichen Museum zu Berlin sei im Jahr 1845 ein Saal für mittelalterliche Bildwerke eröffnet worden 3 . Oft verwies Piper auf Parallelen zwischen der schon weiter vorangeschrittenen Klassischen Archäologie und der Christlichen Archäologie. Das Studium der Denkmäler sei in der klassischen Altertumswissenschaft unumstritten, anders in der Theologie: „sie ist auf dem Standpunkt stehen geblieben, auf den sie Bingham gebracht hat.“ 4 Das Ministerium holte sich Rat beim bekannten Kunsthistoriker Franz Kugler (1808–1858), der als Dezernent für Kunstangelegenheiten im preußischen Kultusministerium „ein aktives Verhältnis gegenüber den Museen“ 5 pflegte. Er sah in Pipers Perspektive eine willkommene Ergänzung zur eigenen Zunft, die sich vornehmlich mit der Entwicklung der Kunststile auseinanderzusetzen habe: „Wir dürfen bei dieser Richtung – deren einseitige Verfolgung ausschließlich nur ein trockenes chronologisches Gerippe übrig lassen würde – aber keineswegs stehen bleiben. Wir haben unsere Arbeit namentlich auch der Erforschung und Erkenntniß des Stofflichen der Kunst mit gleichem Eifer zuzuwenden.“ 6 Der ministerielle Erlass ließ nicht lange auf sich warten. Am 23. Mai 1849 konnte in Berlin ein christlich-archäologisches Institut an der Theologischen Fakultät begründet werden. Damit war die Aufgabe kontinuierlicher Lehrveranstaltungen verbunden sowie der Ausbau der Kunstsammlungen und die Einrichtung einer fachspezifischen Bibliothek. Bei Piper stand, ähnlich wie wenig später katholischerseits bei Franz Xaver Kraus (1840–1901), der dokumentarische Wert von Monumenten im Mittelpunkt, weniger stilistische und ästhetische Kriterien.

F. Piper, Mythologie der christlichen Kunst von der ältesten Zeit bis in’s 16. Jahrhundert. Mythologie und Symbolik der christlichen Kunst von der ältesten Zeit bis in’s sechzehnte Jahrhundert 1,1 (Weimar 1847) XIII. 4 F. Piper, Ueber die Gründung der christlich-archäologischen Kunstsammlung bei der Universität zu Berlin und das Verhältniß der christlichen zu den klassischen Alterthümern. Ein Vortrag, gehalten in der Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner zu Berlin am 2. October 1850 (Berlin 1851) 3. Joseph Bingham (1668–1723) war ein bedeutender anglikanischer Theologe und Archäologe. Der erste Band seines voluminösen Hauptwerks Origines, sive Antiquitates ecclesiaticae erschien 1708. 5 H. Bredekamp/A. Labuda, Kunstgeschichte, Universität, Museum und die Mitte Berlins 1810–1873, in: Heinz-E. Tenorth (Hg.), Geschichte der Universität Unter den Linden 1810–2010. Genese der Disziplinen. Die Konstitution der Universität (Berlin 2010) 260. 6 Votum, Franz Kugler, 3. Mai 1849, nach F. Piper, Das christliche Museum der Universität zu Berlin, 1849–1874 (Gotha 1874) 16. 3

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2. Monument – Mythologie – Museum Ursprünglich galten Pipers Interessen dank seiner mathematischen Begabung der Chronologie, insbesondere der christlichen Kalenderberechnung. Von hier gelangte er in den 1840er Jahren auf das Feld der Christlichen Archäologie. Mit der von ihm ins Leben gerufenen „Monumentalen Theologie“ wollte er in einer Zeit, als das Fach Kunstgeschichte noch in den institutionellen Anfängen steckte, eine neue wissenschaftliche Disziplin begründen 7 . Seine 1867 veröffentlichte „Einleitung in die monumentale Theologie“ ist eine ambitionierte transdisziplinäre Programmschrift, die Kirchengeschichte, Altertumswissenschaften und Kunstgeschichte verbindet. Der Autor kompiliert kundig Exzerpte aus Werken christlicher Autoren, in denen von Kunst und Denkmälern die Rede ist. Pipers Begriff des Monuments und des Monumentalen unterscheidet sich vom heutigen Verständnis: „Es werden aber unter Monumenten nicht bloss Kunstdenkmäler, sondern die körperlichen Reste des Alterthums, an die sich ein Gedächtniss knüpft, sammt den Inschriften verstanden. Der Stein, der einst zu Bethel errichtet worden, wie die Trümmer des Tempels zu Jerusalem, sind, obwohl nicht Kunstwerke, monumentale Punkte, die in der Reichsgeschichte ein ewiges Gedächtniss haben.“ 8 „Monumental“ war für Piper somit kein Merkmal höchster Kunstform im Sinne von „gewaltig“ und „erhaben“, sondern eine neutrale Bezeichnung gestalteter Materialien, denen ein Erinnerungswert anhaftet. In einer Zeit, als Papyrologie und Epigraphik noch wenig entwickelt waren, legte Piper sein Augenmerk insbesondere auf die monumentalen Überreste der kaiserzeitlichen Antike. Es entsprach Pipers Konzept einer „Monumentalen Theologie“, ein Wissenssystem der Kirchengeschichte zu schaffen, das den direkten Zugang zum Artefakt sucht, wobei seine christlich-monumentalen Studien eng mit anderen geisteswissenschaftlichen Fachrichtungen verbunden waren, mit der klassischen Philologie, mit der Numismatik, mit der Kunstgeschichte. Wenn der Historiker Johann Gustav Droysen (1808–1884) in seiner zwischen 1857 und 1883 siebzehnmal gehaltenen „Vorlesung über historische Encyclopädie und Methodologie“ Urkunden, Inschriften, Bau- und Kunstwerke, Münzen und Wappen zu den erinnerungshaltigen „Überresten“ zählte, war er Pipers Quellenverständnis sehr nahe 9 . Über die Wortwahl hinaus ließ sich Piper zudem von Eduard Gerhard (1795–1867), einem der ersten ordentlichen Professoren der Archäologie in H. Bredekamp, Monumentale Theologie: Kunstgeschichte als Geistesgeschichte, aus: Ferdinand Piper, Einleitung in die Monumentale Theologie. Eine Geschichte der christlichen Kunstarchäologie und Epigraphik (Mittenwald 1978) [Nachdruck der Gothaer Ausgabe von 1867] E1–47; siehe auch Kapitel 6 „Theologie zwischen Schaubühne und Laboratorium“ bei S. Laube, Von der Reliquie zum Ding. Heiliger Ort – Wunderkammer – Museum (erscheint 2011 im Akademie-Verlag). 8 F. Piper, Einleitung in die Monumentale Theologie. Eine Geschichte der christlichen Kunstarchäologie und Epigraphik (Gotha 1867) III. 9 J. G. Droysen, Historik, 1977 (Nachdruck der 7. Aufl. von 1937) 50; Bredekamp (Anm. 7) E13. 7

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Deutschland, inspirieren. Aus Anlass einer Berliner Philologenversammlung im Jahre 1850 stellte Gerhard seine Ideen „Zur Monumentalen Philologie“ 10 vor; u. a. plädierte er dafür, in Gymnasien und Universitäten einen systematischen „Lehr- und Uebungs-Apparat“ aufzubauen. Gerhards „Archäologische Thesen“, so der Titel eines seiner Traktate, verfolgten dieselben Ziele wie Pipers „Monumentale Theologie“. Ähnlich wie sich die Archäologie aus der Umklammerung der allgemeinen Philologie lösen sollte, schwebte Piper eine selbstständige Stellung der „Monumentalen Theologie“ vor; jedenfalls sollte sie nicht einfach der Theologie oder Archäologie untergeordnet werden. Piper war in seinem wissenschaftlichen Werdegang entscheidend von Johann August W. Neander (1789–1850) gefördert worden, der, von der Erweckungsbewegung geprägt, seit 1813 den Berliner Lehrstuhl für Kirchengeschichte innehatte und der – so Adolf von Harnack (1851–1930) in einer Gedenkrede zu dessen 100. Geburtstag – die Kirchengeschichte „mit dem Auge des dankbaren Freundes betrachtete“ 11 . Kultivierte Herzensfrömmigkeit und einfühlsame Identifizierung mit dem Vergangenen kennzeichnet auch Pipers Persönlichkeit. Wie sein Lehrer spürte er vergangenen Frömmigkeitsformen nach, von denen er selbst inspiriert war. Aus der Betrachtung der vergangenen Kunst filterte Piper eine versöhnende Kraft heraus, wobei Bildern und Dingen die Kraft zugetraut wurde, die Konfessionsspaltung zu überwinden: „Aber das protestantische Volk und die mittelalterlichen Bilder? Dazwischen steht ja die Reformation. Allerdings! […] Es ist gerade eine Hauptaufgabe der protestantischen Theologie, die Continuität der geschichtlichen Entwickelung, wodurch unsre Kirche mit der apostolischen verbunden ist, im Bewusstsein aufrecht zu erhalten. Dazu dienen ganz besonders auch die Bilder.“ 12 Denkmäler waren für Piper ein Medium, einen Blick in die gesellschaftliche Breite, in die Gemeindewirklichkeit der Kirche zu werfen: „In den geistigen Haushalt der Gemeinde aber lassen vor allem die Denkmäler blicken: nicht allein wegen des Einflusses, den sie haben, da sie am meisten populär sind, denn sie werden von allen gesehen; sondern auch nach ihrer Entstehung, – denn wo werden die Gedanken der Menschen offenbar, wenn es nicht auf Gräbern ist?“ 13 Der Bau und die Ausstattung von Kirchen seien „von der Begeisterung des Volkes“ getragen gewesen 14 . Nicht zuletzt die Massenwirksamkeit, die „Macht

10 Diese Begriffsformel mutet in gewisser Weise wie ein Oxymoron an. Aus Rücksicht vor seinem Lehrer August Boeckh (1785–1867), der archäologischen Verfahren eher distanziert gegenüberstand, hegte Eduard seine Archäologie – zumindest rhetorisch – philologisch ein; A. Schnapp, Die Entdeckung der Vergangenheit. Ursprünge und Abenteuer der Archäologie (Stuttgart 2009, frz. Original 1993) 327–334. 11 A. v. Harnack, Rede auf August Neander. Gehalten zur Feier seines hundertjährigen Geburtstags am 17. Januar 1889 in der Aula der Berliner Universität, in: Preußische Jahrbücher 63 (1889) 187. 12 Piper (Anm. 4) 13. 13 Piper (Anm. 3) VIV. 14 Piper (Anm. 3) X.

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des obiectiven Geistes in der Kirche“ und die „volksthümliche“ Atmosphäre, die die „altchristlichen und mittelalterlichen Bilder einflößen“, wusste Piper an den Artefakten zu schätzen. Mit der Christlich-archäologischen Sammlung werde daher eine „Laienbibel auch unserm Volke aufgeschlagen sein“, so Piper 15. Ferdinand Piper war einer der ersten evangelischen Theologen, der sich systematisch den Bilderwelten der vorchristlichen Mythen öffnete. 1847 erschien der erste, aus zwei Bänden bestehende Teil seiner „Mythologie und Symbolik der christlichen Kunst“. Während sich der Heidelberger klassische Philologe Friedrich Creuzer (1771–1858) in seinem zwischen 1810 und 1812 entstandenen vierbändigen Werk „Symbolik und Mythologie der alten Völker“ von vornherein auf die vorchristliche Zeit bezog, nahm Piper in seinem unvollendet gebliebenen Werk die Präfigurationen der christlichen Kunst ins Visier. Von einer „christlichen Mythologie“ zu reden, war nicht neu. Piper erwähnte die Mythologiae christianae aus dem Jahre 1619 von Johann Valentin Andreae (1586–1654), setzte aber eigene Akzente, indem er sich dem Kräftefeld externer Mythen im Christentum stellte. Wenn sich das Christentum auch als Überwindung der Mythen und der Mythologie durch den Logos, das fleischgewordene Gotteswort versteht, strebte Piper danach, in der christlichen Kultur oft nicht hinreichend registrierte mythologische Spuren freizulegen. „Mythologie“ war für ihn ein Terminus, dessen Bedeutung durch die heidnische Welt monopolisiert war, die im Christentum gleichwohl tiefe Spuren hinterlassen hat. Pipers Freilegung eines christlichen Bedeutungskerns auch in Mythen und mythologischen Systemen lag ein Religionsbegriff zugrunde, den Schleiermacher geprägt hatte, für den als Virtuose der Hermeneutik, der die Religion als innere Anschauung des Universums bestimmte, eine schroffe Abgrenzung des Christlichen vom Heidnischen nicht in Frage kam 16 . Piper präsentierte sich mit seinem ersten Hauptwerk als komparativer Religionshistoriker. Die Aufspürung christlicher Antizipationen in der heidnischen Kunst einerseits sowie von Reminiszenzen des Heidentums in der christlichen Kunst andererseits stand im Zentrum seines Interesses. Pipers „Mythologie“, deren Nutzen als Nachschlagewerk noch der bekannte Kunsthistoriker Ernst H. Gombrich (1909–2001) gewürdigt hat 17 , unterscheidet „historisch-mythologische“ und „physisch-mythologische“ Vorstellungen: historische Mythen, die sich auf menschliche Ereignisse beziehen, und Naturmythen, die in Sonne, Mond, Sterne, Pflanzen- und Tierwelt ihren Ausgangspunkt haben.

Piper (Anm. 4) 14. Siehe unter Berufung auf § 12 von Schleiermachers „Glaubenslehre“ Piper (Anm. 3) XIX. 17 E. H. Gombrich, Personification, in: R. R. Bolgar (Hg.), Classical Influences in European Culture AD 500–1500 (Cambridge 1971) Anm. 15. 15 16

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a. Ein Rundgang durch das Christliche Museum Nach provisorischen Quartieren 18 fand die Christlich-archäologische Sammlung seit 1854 im zweiten Stock des Westflügels des ehemaligen Herzog-Heinrich Palais, also im heutigen Universitätshauptgebäude Unter den Linden, eine dauerhafte Bleibe. Immerhin konnten in den ehemaligen Räumlichkeiten des chirurgischen Bandagen-Kabinetts ein einfenstriges sowie ein zweifenstriges Zimmer ausgestattet werden (Abb. 3). Der größere verwandelte sich zugleich zu einem Auditorium für Pipers christlich-archäologische Vorlesungen und Übungen, daher konnten darin nur Tische und Stühle, aber keine Ausstellungswände aufgestellt werden. Der kleinere Raum diente auch als Arbeitszimmer des Direktors 19 . Seit 1869 profitierte auch Pipers Museum von der allgemeinen Nutzung des Dachbodengeschosses, nachdem das physiologische Kabinett verlegt worden war. Sein Museum konnte um mehrere kleine Räume genau in der darüber gelegenen Etage erweitert werden. Weitere Maßnahmen zur Infrastruktur, wie eine 1879 errichtete Wendeltreppe, die diese beiden Raumeinheiten miteinander verband, sowie eine Gasleitung, die eine Nutzung der Räume auch noch in den Abendstunden ermöglichte, machten die Forschungsarbeit im Museum komfortabler. Jede Ausstellung erzählt eine Geschichte, indem sie den Besucher am Leitfaden einer bestimmten Reihenfolge durch den Raum steuert: Der Ausstellungsraum ist ein narrativer Raum. In Pipers Museum hatten die Exponate von einer Geschichte zu erzählen, die von der Durchsetzungsfähigkeit der christlichen Kunst handelte. Auf Grundlage eines Grundrisses sowie detaillierten Einrichtungsbeschreibungen ist es möglich, Leitlinien dieser Erzählung zumindest in ihren wesentlichen Zügen zu rekonstruieren. Die Sammlungsobjekte wurden zum Teil an den Wänden bzw. freistehend oder in Schränken und Kästen aufbewahrt. Schausammlung und Depot gingen also ineinander über. Im „Evangelischen Jahrbuch“ von 1857 ist nachzulesen, wie das aus „Vorzimmer“ und „Bildersaal“ bestehende Christliche Museum bestückt war 20. Die Beschreibung erwähnt sogar Einzelheiten der äußerlichen Gestaltung. So waren die mit Denkmälern voll gestellten Wände in einem bräunlichen Rot angestrichen, und zwar bis zur Höhe eines umlaufenden Frieses. Oberhalb des Frieses war eine Ablage angebracht mit Platz für diejenigen Bildwerke, die aus größerer Entfernung noch gut zu erkennen waren. Unmittelbar unter dem Fries waren Titelüberschriften angebracht, die sich auf Exponate der jeweiligen Ausstellungssektionen bezogen. So befand sich im ersten, kleineren Zimmer an der Längswand gegenüber dem 18 Zunächst war sie in Pipers Wohnung aufgestellt, dann in einem Schulgebäude an der Friedrichsstraße. 19 Piper (Anm. 6) 23. 20 Evangelischer Kalender (Jahrbuch für 1857) 62; vgl. auch Ferdinand von Quasts Eindrücke über die Museumsaufstellung in seiner Rezension von Pipers 1856 erschienenen Abhandlung „Das christliche Museum der Universität zu Berlin und die Einrichtung christlicher Volksmuseen“, in: Zeitschrift für Christliche Archäologie und Kunst 2 (1858) 45 f.

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Abb. 3: Grundrisszeichnung des Christlichen Museums, Berlin, Westflügel des Universitätshauptgebäudes (1883)

Eingang aus dem größeren Raum die Sektion „Christliche Architektur und kirchliches Gerät“. Dort waren Grundrisse oder Ansichten von Kirchen, wie der Hagia Sophia in Istanbul, San Marco in Venedig und der bedeutendsten Bauwerke des gotischen Stils ausgestellt. An der mit der Tür versehenen gegenüberliegenden Wand konnte man mit Denkmälern der heidnischen Antike eine besondere Vorliebe Pipers besichtigen. Dem schlossen sich „Inschriften aus dem christlichen Altertum“ an. Damit waren meist Papierabdrücke von Gräbern der alten Christen gemeint. Eingerahmt zwischen doppelten Glasscheiben konnten sowohl Vorder- als auch Rückseite betrachtet werden 21 . Im größeren Raum, dem so genannten Bildersaal, waren in chronologischer Anordnung christliche Skulpturen und Gemälde aufgestellt. Piper nannte die Abfolge der Exponate „Bilderkreis“. Der Reigen begann zunächst mit den 21 Während seiner ersten Italien-Reise ließ Piper Papier-Abdrücke von 113 spätantiken Inschriften aus Italien anfertigen, davon setzte er 39 Abdrucke in Rahmen und unter Doppelglas; insbesondere in der Galleria lapidaria des Vatikanischen Palastes, wie auch im Kircherschen Museum des Collegium Romanum wurde Piper fündig; Piper, Rom, 24. Dezember 1853, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va Sekt.2 Tit X., Nr. 71, Bl. 184v.

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„Christlichen Grab-Denkmälern aus den ersten Jahrhunderten“. Im Zentrum stand dort der gipserne Abguss des berühmten Junius-Bassus-Sarkophags. Die folgende Wand zeigte „Denkmäler der christlichen Kunst bis in’s 14. Jahrhundert“, d. h. Bildmaterial von Mosaiken aus Konstantinopel, Ravenna und Rom; Faksimiles einiger Miniaturen aus Paris und Abgüsse einer großen Anzahl kleinformatiger Elfenbeintafeln. Die andere Hälfte dieser Wand, an beiden Seiten der Eingangstür, war mit „Denkmälern der christlichen Kunst aus dem 15. Jahrhundert“ bestückt. Hier waren Kupferstiche und Lithographien von Hans Memling (1435–1494) sowie von Fra Angelico (ca. 1400–1455) inklusive eines nach seiner Manier entstandenen Originalgemäldes aus seiner Schaffenszeit zu sehen. Unter der Überschrift „Denkmäler der christlichen Kunst in Italien aus dem 16. Jahrhundert“ zeigte Piper v. a. die Kupferstiche einiger Hauptwerke von Michelangelo (1475–1564) und Raffael (1483–1520), unter „Denkmäler der protestantischen Kunst“ Kupferstiche zentraler Kunstwerke von Albrecht Dürer (1471–1528) und Lucas Cranach (1475–1553), dann aber auch Reproduktionen aus dem 19. Jahrhundert, wie „Luther bei der Bibelübersetzung“ nach einer Vorlage von Gustav König (1808–1869). Das Museum schloss mit der Sektion „Abbildungen kirchlicher und weltlicher Personen“, in der auf Reproduktionen beispielsweise vier griechische Kirchenlehrer nach Mosaiken aus der Hagia Sophia oder Dante nach dem neu aufgefundenen Gemälde von Giotto in Augenschein genommen werden konnten. Pipers Christlich-archäologische Sammlung spiegelt gleichsam mikroskopisch den Ausstellungskosmos der Königlichen Museen auf der benachbarten Museumsinsel. Das 1880 erstmals erscheinende, von Richard Schöne (1840– 1922) initiierte „Jahrbuch der Preussischen Kunstsammlungen“ war gegliedert in die Exponate der Königlichen National-Galerie, wo Skulpturen und Gemälde des 19. Jahrhunderts – also zeitgenössische Kunstwerke – zu sehen waren, sowie in die weitaus größeren Bestände der Königlichen Museen mit der Gemäldegalerie, der Sammlung der Skulpturen und Gipsabgüsse, unterschieden nach den Abteilungen für Antike und Nachantike, dem Antiquarium (antikes Kleingerät), Münz- und Kupferstichkabinett, der Ethnologischen sowie der Ägyptischen Abteilung. Es fällt auf, dass sich das aus den selbständigen Abteilungen der Museumsinsel ausstrahlende Potenzial der musealen Verdinglichung auf kleinem Raum in Pipers Kunstsammlung verdichtet. Auch wenn man Pipers Christliches Museum mit Wilhelm Bodes (1845–1929) „Skulpturen der christlichen Zeit“ vergleicht, zeigt sich, dass die Spannbreite des Artefakts deutlich weiter gefasst war: Sie reichte von Originalen, Gipsabgüssen bis zu Kleingerät, Münzen und unterschiedlichsten Bildmedien. Sie verkörperte damit die gesamte heterogene Vielfalt des Kunstobjekts im weiten Sinne des Wortes. Aus der notorischen Raumnot seines Museums machte Piper eine Tugend. „Dabei kommen der Sammlung die engern Dimensionen, auf welche sie als ein akademisches Institut angewiesen ist, selbst zu statten: denn während in den Museen die Kunstwerke nothwendig gesondert sind nach den verschiedenen Abtheilungen, als Skulpturen, Gemälde, Handzeichnungen und Kupferstiche u. s. w., demnach ein Zusammenschauen verwandter Gegenstände aus verschiedenen Abtheilun-

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gen nicht möglich ist, so wird dies bei unsrer Sammlung keine Schwierigkeit haben, da Alles nahe beisammen ist.“ 22 In diesem musealen Milieu veranstaltete Piper nun seine Übungen und Vorlesungen. Besonders ins Auge stach im ersten Zimmer die Behandlung der heidnischen Zeit unter dem Titel „Vorstufe des Christentums; Uebergang zum Monotheismus“. Hier standen Denkmäler im Zentrum, „welche eine Erhebung über den heidnischen Standpunkt anzeigen, sei es, daß sie der Vielgötterei gleichsam zuvorkommen als Wahrzeichen der ursprünglichen Verehrung des Einen lebendigen Gottes in der Menschheit oder daß sie dieselbe hinter sich zurücklassen als Vorzeichen der kommenden Offenbarung.“ Seit 1870 war rechts neben der Tür als Höhepunkt dieser Abteilung der Abguss des Prometheus-Sarkophags aus dem Kapitolinischen Museum aufgestellt. In Kontrast zur römischen Musealisierungspraxis verband Piper mit dem Attribut „christlich“ geradezu eine temporale Entgrenzung. Piper hatte keine Probleme damit, auch Gipsabdrücke und Repliken von Plastiken, die zeitgenössische Künstler wie Bertel Thorwaldsen (1770–1844) und Christian Daniel Rauch (1777–1857) angefertigt hatten, in seine Sammlung zu integrieren. Es ist schon betont worden, dass Pipers Verständnis der Archäologie eng mit seinem erweckungstheologischen Kirchenbegriff verknüpft war. Das bedeutete auch: Eine Archäologie konnte sich bei ihm nicht in abgegrenzten Sphären der Vergangenheit erschöpfen: „Wenn jener Name, der dem Studium des klassischen Altertums entstammt, auf die Wissenschaft der Kirche übertragen wird; so ist der Unterschied zu beachten, dass das klassische Alterthum ein Ende genommen hat, die Kirche fortbesteht, – darum auch das Studium und die Wissenschaft ihrer Monumente keine willkürlichen Grenzen annimmt, sei es mit dem Ausgange des 6. oder des 15. Jahrhunderts.“ 23 Im Begriff „christlich“, wie er in Pipers Christlichem Museum zum Vorschein kam, verbarg sich eine zeitspezifische Ambivalenz. Im säkularen Zeitalter konnte es als Hinweis fungieren, um Abstand zum Christlichen zu üben, da es als Gesamtheit objektiviert bzw. ausgestellt werden konnte, andererseits verknüpfte gerade Piper mit dieser Formel eine Erneuerung des christlichen Glaubens in seiner Gegenwart angesichts einer immer indifferenteren Bevölkerung. Für Piper hatte das Museal-christliche nur als bis in die Jetztzeit reichender Einflussfaktor einen Sinn, für Wilhelm Bode hingegen, der 1880 die 35 Jahre zuvor von Gustav Friedrich Waagen (1794–1868) eingerichtete Abteilung „Saal der Bildwerke des Mittelalters und der späteren Zeit“ im Königlichen Museum in „Skulpturen der christlichen Zeit“ umtaufte, hatte das Museal-christliche in der Renaissance aufzuhören. Piper ließ keine Gelegenheit aus, jüngeren Kollegen gegenüber, die in seine kuratorischen Fußstapfen treten wollten, eine zeitliche Beschränkung auszureden: „Aus Greifswald habe ich unlängst von Prof. [Viktor] Schultze die Mitteilung erhalten über die angeordnete Einrichtung eines

22 23

Piper (Anm. 4) 8. F. Piper, Das christliche Museum der Universität zu Berlin. 1849–1884 (Gotha 1885) 6.

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christlichen Museums bei der dortigen Universität […]. Ich habe in Einem Punkt mein Bedenken ausgesprochen, hinsichtlich der Zeitgrenze, wenn dieselbe beim Ausgang des Mittelalters gezogen wird (auf katholischer Seite, bei Kraus, will man sogar, in der Vorliebe für die ‚Katakombentheologie‘, beim 6. Jahrhundert stehen bleiben). Ich habe niemals anders gemeint, als dass, wie die historische Theologie, speciell die Kirchen- und Dogmen-Geschichte bis an die Gegenwart fortgeführt wird, eben so es mit der christlichen Archäologie zu halten sei (unangesehen die zum Theil antiquirte Bedeutung des Namens, an dessen stelle die ‚monumentale Theologie‘ tritt) und am wenigsten die Reformation ausgeschlossen sein darf.“ 24 Piper war viel zu stark von der aufblühenden Museumsentwicklung der mittelalterlichen Kunst geprägt – angefangen beim 1844 eröffneten Musée Cluny in Paris über die Altertumssammlung in Basel bis zum Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg als Schöpfung des Freiherrn Hans von und zu Aufseß (1801– 1872), das 1852 seine Pforten öffnete, um sich mit der frühchristlichen Kunst des Altertums zu begnügen. b. Piper und der Gipsabguss Lange Zeit standen bei Piper Gipsabgüsse im Zentrum medialer Vermittlung. Zunächst ließ er kleinformatige Gipsabgüsse herstellen, so von Kapitellen, Weihrauchfässchen oder Elfenbeinreliefs 25 . Als Piper im Jahre 1850 die Pforten seiner Sammlung öffnete, verfügte er bereits über zwei größere Gipsabgüsse von der Kreuzigungsgruppe auf den westfälischen Externsteinen sowie von Lorenzo Ghibertis (1378–1455) Baptisteriumstür in Florenz. Mit weiteren Gipsabgüssen wollte er – zumindest in groben Zügen – ein dreidimensionales Kompendium abendländischer Religionsgeschichte in Szene setzen, wobei Gipsabgüsse von altchristlichen Sarkophagen in der „Christlich-archäologischen Kunstsammlung“ zu besonders prominenten Objekten aufstiegen. Auch von Reproduktionen konnte eine originale Aura ausgehen, wie die erstmalige Vervielfältigung des berühmten Junius-Bassus-Sarkophags belegt. Anfang 1854 auf seiner ersten Italienreise ließ Piper ihn in Gips abgießen. Über die Reise sind wir genau informiert, da Piper immer wieder von Italien aus dem Kultusministerium ausführliche Berichte zukommen ließ, nicht zuletzt um zusätzliche Gelder für seine Erwerbungen zu erhalten. Dass mit einer Kopie zunächst eine Einschränkung des Kultwerts verquickt sein konnte, offenbart die zögerliche Reaktion der vatikanischen Verwaltung: „Dieser Sarcophag steht in den Grotten der Peterskirche, nahe der Confession, und war bis jetzt nicht abgeformt. Der Formung aber standen Schwierigkeiten entgegen nicht allein in der Heiligkeit des Ortes, sondern auch in der Meinung, die in betheiligten Kreisen,

24 Piper an den Minister, 8. Februar 1885, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va Sekt. 2 Tit. X, Nr. 74, Bd. 2., Bl. 234 f. 25 Siehe dazu schon Piper in seiner Denkschrift von Ende 1848, aus Piper (Anm. 6) 9 f.

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hier wie mich sonst Eingang gefunden, daß die Schätzung des Originals durch eine solche Copie vermindert werde.“ 26 Nur auf Umwegen erreichte Piper sein Ziel. Nachdem ihm der Präfekt der Fabbrica der Peterskirche „ohne höhere Autorisation“ die Genehmigung verweigerte, sah sich Piper genötigt, Papst Pius IX. (1792–1878) direkt anzuschreiben. Zudem musste noch die Commissione di Archeologia Sacra in Kenntnis gesetzt werden. Während Kardinal-Staatssekretär Giacomo Antonelli (1806– 1876) gegen die Abformung altchristlicher Sarkophage, die im Lateranischen Museum aufgestellt waren, nichts einzuwenden hatte, sah er im Aufbewahrungsort des Junius-Bassus-Sarkophags eine kaum zu überwindende Hemmschwelle. „Diese Angelegenheit hat so viel Weiterungen gemacht, da es in Rom das erste Mal ist, dass solche altchristlichen Sarcophage abgeformt werden. Es ist aber namentlich der Sarcophag des Junius Bassus in den vaticanischen Grotten vom J. 359 nach Chr. das wichtigste Denkmal des christlichen Alterthums, das für sich allein die Grundlage eines christlichen Museums bildet. Daher ich seit Jahren wegen Erwerbung eines Abgusses Schritte gethan habe; aber noch im vorigen Sommer antwortete man mir aus Rom, es sei zur Zeit unmöglich die Genehmigung dafür zu erlangen, dieser Sarkophag steht nehmlich unterhalb des Altars der Peterskirche nächst dem Grabe der Apostel.“ 27 Der Musealisierung bzw. Reproduktion so manchen Artefakts aus der frühchristlichen Zeit waren noch Mitte des 19. Jahrhunderts Grenzen gesetzt, insbesondere wenn sie an herausgehobenen sakralen Orten in die Kontinuität einer noch praktizierten Liturgie eingebettet waren. Am Ende gaben die vatikanischen Behörden Piper grünes Licht. Für sie war dessen Initiative sogar Anlass, auch für eigene Zwecke einen Abguss dieses Sarkophags anzufertigen, der im Lateranischen Museum seine Aufstellung fand – „jedoch sind die einzelnen Tafeln nicht zu einem Ganzen zusammengefügt, wie ich es wenigstens 1869/70 gefunden habe.“ 28 Abgüsse benötigen in ihrer Dinghaftigkeit Platz, ein Gesichtspunkt, den Sammler in ihren Überlegungen stets zu berücksichtigen hatten. Durch die in Originalgröße abgegossenen und in Serie aufgestellten Exponate stieß Piper rasch an räumliche Grenzen. So war er seit 1855, nachdem er kurz zuvor einige Gipssarkophage hatte aufstellen können, gezwungen, auf den weiteren Erwerb von Repliken zu verzichten, da er nicht über genügend Raum verfügte 29 . Erst mit der Überweisung neuer Räume im Jahre 1869 begann er wieder mit Erwerbungen von größeren Abgüssen. Der Abguss und die Aufstellung des religionsgeschichtlich bedeutenden Prometheus-Sarkophags aus dem Kapitolinischen Museum in Rom setzten für die vorchristliche Abteilung einen besonderen Akzent. Aber auch Impulse von außen reaktivierten das Medium des Gipsabgusses. So erwarb Piper nicht nur für sein Museum Abgüsse, vielmehr betätigte er sich im Piper (Anm. 6) 42. Piper, Neapel, 10. März 1854, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 76 Va Sekt. 2 Tit X., Nr. 71, Bl. 193r. 28 Piper (Anm. 6) 42. 29 Piper (Anm. 6) 41. 26 27

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Auftrag von Philipp Schaff (1819–1893) im Jahre 1878 in der Akquise für das Union Theological Seminary in New York. In einzelnen Fällen ließ er nicht nur einen Abguss für die überseeische Einrichtung anfertigen, sondern auch für sein eigenes Museum, wodurch sich der Anschaffungspreis spürbar reduzierte. So erhielt von der Grabplatte des Bischofs Bernward von Hildesheim aus der dortigen Michaelskirche sowohl die Sammlung in Berlin als auch die in New York ein Exemplar. Die dem Gipsabguss inhärente Vervielfältigungsdimension und Mobilität könnte also dafür gesorgt haben, dass trotz der fast völligen Vernichtung der Sammlung Pipers kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von ihm in Auftrag gegebene Gipsrepliken die Zeitläufte unbeschadet überstanden haben. Auch im Lateran bzw. in den Vatikanischen Museen müssen sich noch Gipsabgüsse der Reliefplatten des Junius-Bassus-Sarkophags befinden, die ohne Pipers Bemühungen nicht entstanden wären. Gipsabgüsse erwarb Piper in einer Zeit, als Gipsreproduktionen als lohnender angesehen wurden als Originale, die erst mühevoll erworben werden mussten, zumal herausragende Werke kaum zu erwerben waren. Die Nähe des Gipsabgusses zur reinen Form, die Möglichkeit, mit Gipsabgüssen die Geschichte der Kunst als autonome, formimmanent zu begreifende Entwicklung darzustellen, veranlasste bereits den Architekten Friedrich August Stüler (1800–1865) bei den Planungen zum Neuen Museum den Abgüssen das zentrale Stockwerk zuzuweisen 30 . 1856 konnte die Sammlung von Abgüssen antiker, mittelalterlicher und neuzeitlicher Skulpturen im prunkvoll gestalteten Hauptgeschoss eröffnet werden; Gipsabgüsse waren somit zum Mittelpunkt einer Museumskonzeption geworden. Der Führer durch das Museum von 1864 beschreibt bereits 1045 Objekte allein aus dem griechisch-römischen Kulturkreis. Als Piper König Friedrich Wilhelm IV. am 15. Juli 1854 in Charlottenhof über seine Reiseeindrücke Bericht erstattete, mag der Gipsabguss des Bassus-Sarkophags im Zentrum der Unterredung gestanden haben. Piper ließ keine Gelegenheit aus, prominente Artefakte aus Italien zur Eigenwerbung zu nutzen. Er hob die neue Aufstellung in den neuen Räumlichkeiten hervor, von der sich der König im Februar 1855 selbst ein Bild machen konnte. Damals stand eine christlich-archäologische Sammlung im Fokus monarchischer Kulturpolitik. Von derartiger Relevanz konnten Pipers Nachfolger nur träumen.

30 G. Platz-Horster, Zur Geschichte von Gipsabgüssen in Berlin, in: W. Arenhövel/ C. Schreiber (Hg.), Berlin und die Antike. Aufsätze, Ausstellungskatalog (Berlin 1979) 273; A. H. Borbein, Zur Geschichte der Wertschätzung und Verwendung von Gipsabgüssen antiker Skulpturen (insbesondere in Deutschland und in Berlin), in: H. Lavagne/F. Queyrel (Hg.), Les moulages de sculptures antiques et l’histoire de l’archéologie. Actes du colloque international. Paris 24 octobre 1997 (Genf 2000) 34.

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3. „Arbeiten und nicht verzweifeln“ Nach Pipers Tod 1889 nahm Adolf von Harnack in seiner Funktion als Dekan der Theologischen Fakultät das Institut in seine Verantwortung. Ein „Vorläufiger Bericht über das Christliche Museum zu Berlin und Erwägungen über Zukunft desselben“ stammt aus seiner Feder 31. 1890 konnte er Nikolaus Müller (1857–1912) als Professor für „Christliche Archäologie und kirchliche Kunst“ und neuen Leiter der Sammlung einsetzen. Dessen Interesse war unter dem Eindruck bedeutender Funde in der Epigraphik und Papyrologie philologisch orientiert. Das Label „Kirchliche Kunst“ zeigt an, dass es nun offiziell erwünscht war, auch jüngere Epochen der Kirchengeschichte einzubeziehen. Die Bibliotheksbestände wurden um die Abteilungen Friedhof, Denkmalpflege, Kirchenbau und Ikonographie und nicht zuletzt Brandenburgische Kirchengeschichte erweitert. Ein Hauptfeld der wissenschaftlichen Arbeit Müllers stellte die Reformationszeit dar. So war er der erste Herausgeber des seit 1905 erscheinenden Jahrbuchs für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte und untersuchte erstmals die Reliquiensammlungen Kurfürst Joachims II. (1505– 1571). Müller machte sich als Melanchthonforscher einen Namen. Er war die treibende Kraft beim Aufbau des 1903 eingeweihten Melanchthonhauses im badischen Bretten. Sein hervorstechendes Kennzeichen war, dass er stets – auch in der Hochzeit des Kulturkampfes – eine kühle, sachliche quellengesättigte Distanz wahren konnte. „Arbeiten und nicht verzweifeln“ – dieses Motto des schottischen Schriftstellers und Historikers Thomas Carlyle (1795–1881) zierte als Wandtafel wohl den Arbeitsraum Nikolaus Müllers in seiner Privatwohnung in Wilmersdorf 32 . Erich Becker (1883–1959) bemerkte in seinem Nachruf zum unermüdlichen Exzerpisten in der Römischen Quartalsschrift: „Er war kein Bahnbrecher […]. Seine Stärke lag im Materialsammeln. Sein Sammelfleiss war immens, und die Akribie seiner Beschreibung musterbildlich [!]. In dieser Richtung lag auch der wertvollste Teil seines Einflusses auf seine nicht geringe Zahl von Schülern. In Italien, nicht weniger wie in Deutschland war er eine bekannte Persönlichkeit.“ 33 Das institutionelle Umfeld, in dem Müller agieren musste, war bedrängend. Das noch junge Fach fand weder die Anerkennung von Adolf von Harnack noch später die von Karl Holl (1866–1926). Trotzdem war Nikolaus Müller immens aktiv, das Fachgebiet „Christliche Archäologie und Kirchliche Kunst“ als Spezialgebiet der Theologie zu etablieren 34 . 31 12. Januar 1890, Archiv der Humboldt-Universität-Berlin, Theologische Fakultät, Nr. 167, Bl. 175 ff. 32 P. Welten, „Arbeiten und nicht verzweifeln“ oder: Von Venosa nach Bretten. Katakombenforschung an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, in: J. Männchen/T. Reiprich (Hg.), Mein Haus wird ein Bethaus für alle Völker genannt werden (Jes 56,7). Judentum seit der Zeit des Zweiten Tempels in Geschichte, Literatur und Kult. Festschrift für Thomas Willi zum 65. Geburtstag (Neukirchen-Vluyn 2007) 387. 33 E. Becker, Nikolaus Müller +, in: RQ 26 (1912) 211 f. 34 A. Tacke, Nikolaus Müller, in: BBKL 22 (2003) 852–866.

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Komparative religionswissenschaftliche Zugänge waren im Gegensatz zu seinem Vorgänger Piper nicht das Metier von Nikolaus Müller. Freimütig räumte er seine methodische Begrenzung ein, als er die Sammlung umgestaltete und einige Objekte entfernte: „Die letzte Gruppe, übrigens nur die Gipsabgüsse des Zeus von Otricoli, der Büsten Platos und Sophokles’ und von Münzen und Gemmen sowie zwei Kopien von Malereien mit Jupiter und Fortuna und einige wenige andere Gegenstände umfassend, wurde darum entfernt, weil die religionsgeschichtliche Forschung außerhalb der Aufgaben der christlichen Archäologie und Epigraphik liegt.“ 35 Müller tilgte damit in der theologischen Fakultät eine vielversprechende Perspektive, die in die Richtung einer vergleichenden Religionsforschung wies, wie sie in der philosophischen Fakultät von Philologen wie Friedrich Max Müller (1823–1900) und Hermann Usener (1834–1905) schon zu Lebzeiten Pipers betrieben wurde. Im Fächerkanon der protestantischen Theologie in Deutschland hingegen hatte es derartige Zugangsweisen schwer, sich zu entfalten 36 . Weitergehende Ziele einer „Monumentalen Theologie“ waren Müller fremd. Die Christliche Archäologie sollte unter seiner Ägide in einem fächerübergreifenden und innertheologischen Erosionsprozess immer mehr auf den Status einer theologischen Hilfsdisziplin reduziert werden. Die Randlage dieses Arbeitsgebiets drückte sich nicht nur in Kürzungen staatlicher Beihilfen für die Sammlung aus, sondern auch darin, dass das Museum seine Räumlichkeiten im Hauptgebäude der Universität aufgeben musste. Die beschleunigte Spezialisierung innerhalb der theologischen Wissenschaften führte dazu, dass das „Christliche Museum“ unter Müller von einem allgemeinen Kirchengeschichtsmuseum zu einer rein akademischen Lehrsammlung abstieg. Piper hatte noch großen Wert auf auswärtige Besucher gelegt, die er mit entsprechenden Hinweisen in Fremdenführern und Zeitungen anzulocken versuchte, wenn er auch die Besuchszeit auf zwei Wochenstunden beschränkte, um die Sammlung ungestört als Forschungslabor nutzen zu können. Erst Nikolaus Müller sollte die Laienöffentlichkeit ausschließen; dafür öffnete er die Sammlung Fachwissenschaftlern, also denjenigen, die an archäologischen und epigraphischen Veröffentlichungen arbeiteten. Dennoch erwarb sich Müller im Laufe seiner Berliner Lehrtätigkeit großes Ansehen. Vor allem seine Forschungen zur altchristlichen Kunst und zu den jüdischen Begräbnisstätten in Italien, brachten ihm 1900 die Vizepräsidentschaft beim Zweiten Kongress für Christliche Archäologie in Rom ein, und am 6. OkMüller (Anm. 2) 13. Noch 1901 hatte sich Adolf Harnack (1851–1930) in seiner Berliner Rektoratsrede gegen die Einrichtung religionshistorischer Lehrstühle an den theologischen Fakultäten ausgesprochen, A. v. Harnack, Die Aufgabe der theologischen Fakultäten und die allgemeine Religionsgeschichte, in: ders., Reden und Aufsätze 2 (Gießen 1904) 159–187. Erst 1910 wurde in Berlin ein Lehrstuhl für Allgemeine Religionsgeschichte und Religionsphilosophie eingerichtet und mit dem dänischen Theologen Johannes Edvard Lehmann (1862–1930) besetzt; V. Krech, Wissenschaft und Religion. Studien zur Geschichte der Religionsforschung in Deutschland 1871 bis 1933 (Tübingen 2002) 121–126. 35 36

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tober 1904 wurde er Ehrenbürger von Venosa, wo er sich an der Ausgrabung jüdischer Katakomben beteiligt hatte 37 . Seitdem war er der wohl beste Kenner der römischen und süditalienischen jüdischen Katakomben im deutschen Sprachraum. Auf seine Initiative geht auch die „Nuova Sala Giudaica“ im „Museo Cristiano Lateranese“ zurück. Ob nun in Berlin oder Rom: Müller vollzog einen wissenschaftlichen Spagat: Einerseits befasste er sich mit den damals bekannten jüdischen Katakomben in Italien und ihren Inschriften in der Absicht, dieses Material zu publizieren. Andererseits entdeckte er in römischen Archiven bisher ungehobene Schätze aus der Reformationszeit, wie eine Reihe von Briefen Melanchthons an Camerarius in ihrer Urfassung. Die Grundlage für diese heterogen anmutenden Interessen hatte Müller bereits 1882/83 gelegt, als er als Reisestipendiat des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom forschte 38 . 4. Doppelspitze ohne Synergieeffekt Nach dem frühen Tod von Nikolaus Müller folgte Georg Stuhlfauth (1870– 1942) als Extraordinarius in der Christlichen Archäologie und Kirchlichen Kunst. Von 1913 bis zu seiner Pensionierung 1935 kuratierte Stuhlfauth die dortige Christlich-archäologische Sammlung. Stuhlfauths Forschungsschwerpunkte waren altchristliche Ikonographie und Reformationskunst39 . Noch heute werden seine Ausführungen zu Reichweite und Grenzen künstlerischer Betätigung in der Reformationszeit in einschlägigen Monographien rezipiert 40 . Auch die zeitgenössische Kunst nahm er am Beispiel von Lovis Corinth (1858– 1925) aus theologischem Blickwinkel unter die Lupe. Die Bibliothek erweiterte er durch Titel zur Kunst des 20. Jahrhunderts. Zu seinen wichtigen Publikationen zählt die 1929 erschienene Monographie „Das Baptisterium S. Giovanni in Fonte zu Neapel und seine Mosaiken“. Es heißt, dass sich Stuhlfauths Arbeit auf Detailforschung konzentriert, die Einordnung in größere Zusammenhänge er dabei vermieden habe. Ähnlich wie Müller hatte auch Stuhlfauth es schwer, sich gegenüber einflussreichen Kollegen wie Harnack oder Holl zu behaupten. Dennoch fand der exkursionsfreudige Lehrer bei den Studenten große Resonanz. 1924 wurde Hans Lietzmann (1874–1942) aus Jena nach Berlin als Nachfolger Adolf von Harnacks an die Universität berufen, der sich im Gegensatz zu seinem N. Müller, Die jüdische Katakombe am Monteverde zu Rom, der älteste bisher bekannt gewordene jüdische Friedhof des Abendlandes (Leipzig 1902); siehe auch G. Filippi, Nuovi dati sui laterizi bollati della catacomba ebraica di Monteverde, in: Bollettino dei Monumenti, Musei e Gallerie Pontificie 11 (1991) 73–99. 38 A. Tacke, Nikolaus Müller – Christlicher Archäologe, Melanchthon- und Reformationszeitforscher, in: Jahrbuch für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte 61 (1997) 8–37. 39 F. W. Graf, Georg Stuhlfauth, in: BBKL 11 (1996) 121–132. 40 G. Stuhlfauth, Künstlerstimmen und Künstlernot aus der Reformationsbewegung, in: ZKG 56 (1937) 498–514. Zur Niedergangsthese der Kunst in der Reformationszeit unter Berufung auf diesen Aufsatz T. DaCosta Kaufmann, Höfe, Klöster und Städte. Kunst und Kultur in Mitteleuropa 1450–1800 (Köln 1998, amerik. Original 1995) 140 ff. 37

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wirkungsmächtigen Vorgänger sehr für christliche Altertümer interessierte 41 . Lietzmann verband die neutestamentliche, kirchen- und liturgiegeschichtliche Forschung mit der Klassischen Philologie, Archäologie und vergleichenden Religionswissenschaft und war Herausgeber zahlreicher theologischer Standardwerke. So war er Gründer und Herausgeber des „Handbuch zum Neuen Testament“ und der „Kleinen Texte für Vorlesungen und Übungen“. In den Berufungsverhandlungen hatte Lietzmann durchgesetzt, entscheidend in der Gestaltung der Christlich-archäologischen Sammlung mitzusprechen. Somit stand Lietzmann als Leiter der kirchengeschichtlichen Abteilung des Theologischen Seminars gemeinsam mit Georg Stuhlfauth auch dem Seminar für Christliche Archäologie und Kirchliche Kunst vor, eine Konstellation, die Stuhlfauth als degradierend empfinden musste. 5. Friedrich Gerkes steckengebliebener Emanzipationsversuch Georg Stuhlfauth wurde 1935 durch Friedrich Gerke abgelöst, der nun als außerordentlicher Professor geschäftsführender Direktor des Seminars für Christliche Archäologie und Kirchliche Kunst wurde. Gerke, der nach dem Krieg das Kunstgeschichtliche Institut in Mainz aufbauen sollte, erarbeitete sich schnell einen internationalen Ruf. Er konzentrierte sich auf die spätantike Epoche unter Einbeziehung des frühen Mittelalters. Mit Methoden der Klassischen Archäologie vertraut, befasste er sich zum Beispiel mit den Problemen der stilistischen Zuordnung der altchristlichen Sarkophagplastik. Ergebnis dieser Bemühungen war die zum Standardwerk avancierte Monographie „Christus in der spätantiken Plastik“ (1940). Dem nationalsozialistischen Zeitgeist kam Gerke gewiss mit dem Aufbau einer nordisch-germanischen Abteilung entgegen. Am 15. Mai 1936 argumentierte er gegenüber dem Kultusministerium: „Vor allem handelte es sich um die Einrichtung einer nordisch-germanischen Abteilung, die das Material zur christlichen Archäologie der Völkerwanderungszeit und der vorkarolingischen Germanenreiche erfassen soll. Ich halte diese Epoche der altchristlichen Kunst für mindestens ebenso wichtig wie die vorausliegende römische, und ihre Erforschung sollte endlich energisch angegriffen werden.“ 42 Gerke wurde ein Budget eingeräumt, damit er Bücher und Diapositive zu diesem Themenfeld anschaffen konnte. Gerke hätte am liebsten das Seminar in der Philosophischen Fakultät untergebracht, zu prekär erschien ihm der Status dieses Faches innerhalb der Theologie. Lietzmanns Tod mitten im Zweiten Weltkrieg war für ihn der geeignete Zeitpunkt, einen Vorstoß zu wagen, das Seminar umzubenennen: statt „Seminar für Christliche Archäologie und Kirchliche Kunst“ sollte es nun „Institut für Spätantike und frühmittelalterliche Kunstgeschichte“ heißen. Aber Gerke scheiterte mit diesem Ansinnen, da die TheoStrohmaier-Wiederanders (Anm. 1) 11. Friedrich Gerke an den Kultusminister, 15. 6. 1936, Humboldt-Universität, Archiv, Theologische Fakultät 385. 41 42

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logische Fakultät nicht mitzog. Hingegen hatte Gerke in Mainz nach dem Zweiten Weltkrieg für solche Bestrebungen freie Bahn. Während des Krieges vertrat Gerke die Professur für Archäologie und Kunstgeschichte an der Universität Budapest. 1944 veranlasste er wegen der Bombardierung Berlins die Auslagerung der Institutsbibliothek auf das Rittergut Dechtow sowie der Lehrsammlung auf die Plattenburg in der Prignitz. Letztere sollte in den Wirren der unmittelbaren Nachkriegszeit verloren gehen. Der Bestand der Bibliothek konnte hingegen fast vollständig gerettet werden. 6. Rückblick Knapp vier Jahrzehnte, von 1850 bis 1889, stand die „Christlich-archäologische Kunstsammlung“ der Berliner Universität unter der Ägide Ferdinand Pipers. Seine Nachfolger Nikolaus Müller (1890–1912), Georg Stuhlfauth (1912– 1935), Hans Lietzmann (1924–1942) sowie Friedrich Gerke (1935–1945) wandelten in dessen Fußstapfen, setzten aber auch eigene Akzente. Bei Piper, der im Zeitalter der Spezialisierung der Wissenschaften nach einer Synthese suchte und sie in der umfassenden, Geist und Sinne affizierenden Geltung des Bildes aus der Christentumsgeschichte fand, standen noch Gipsabgüsse im Zentrum der medialen Vermittlung. Nikolaus Müller, der – eher positivistisch und philologisch orientiert – insbesondere Abklatsche von Inschriften sammelte, sollte von der kostspieligen Herstellung manueller Kopien absehen und sich auf Neuerscheinungen der Literatur konzentrieren, von denen viele mit technisch immer ansprechenderen Bildern ausgestattet waren. Stuhlfauth verfolgte das Ziel, die christlich-archäologische Sammlung in eine umfassende „kirchengeschichtliche Bildniszentrale“ zu verwandeln, die insbesondere aus Porträts der Theologie- und Kirchengeschichte bestehen sollte. Von den Reproduktionen sollten nicht nur die Wissenschaft, sondern auch Presse und Bildungsinstitutionen profitieren 43 . Vom Status her blieb das Themenfeld „Christliche Archäologie“ im Spektrum der theologischen Fächer diskriminiert. Bis auf Lietzmann waren alle Fachvertreter nicht mehr als außerordentliche Professoren. Piper und Stuhlfauth haben mehrmals Anträge gestellt, für Monumentale Theologie bzw. Christliche Archäologie endlich ein Ordinariat zu schaffen. So brachte Georg Stuhlfauth im Juni 1929 resignativ zum Ausdruck: „Soll es das Schicksal auch des dritten Inhabers dieses Lehrstuhles an unserer Fakultät sein wie seine beiden Vorgänger als Extraordinarius zu sterben und damit den Lehrstuhl auch für die kommende Generation als minderer Bedeutung von dem Ordinariat ausgeschaltet erschei-

G. Stuhlfauth, Eine kirchengeschichtliche Bildniszentrale. Eine Anregung und Bitte, in: ZKG 38 (1920) 41–52.

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nen zu lassen.“ 44 Aber die Antragsteller standen von vornherein auf verlorenem Posten. Selbst innerhalb der Theologischen Fakultät fehlte den Inhabern des Extraordinariats eine durchsetzungsfähige Lobby. Entweder behandelte das Dekanat die Anträge dilatorisch oder es machte sich gleich die Argumentation des Ministeriums zu eigen. Aus Sicht der Ordinariate der Theologie sollte das Seminar für Christliche Archäologie und Kirchliche Kunst bei seinem Leisten bleiben, d. h. nie über den Status einer Hilfswissenschaft hinauswachsen 45 . Abbildungsnachweis: 1, 2: Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik. Katalog der wissenschaftlichen Sammlung der Humboldt-Universität zu Berlin. 3: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz.

44 Georg Stuhlfauth, 20. 6. 1929, Humboldt-Universität, Archiv, Theologische Fakultät 176, Bl. 383. 45 Zur Entwicklung dieser Fachdisziplin an der Humboldt-Universität in der DDR sowie in der Wendezeit Strohmaier-Wiederanders (Anm. 1) 12–17.

Carlo Respighi, der Vatikan und die Christliche Archäologie in Rom* Von ALEJANDRO MARIO DIEGUEZ Diese Vorstellung der Person Carlo Respighi nimmt beim betreffenden Stichwort für das Projekt der Prosopographie Christliche Archäologie ihren Ausgang und reichert diese knappen Daten mit einigen Anekdoten an, die auf ein jüngstes Interview von Mons. Pasquale Iacobone, „Sacerdos“ der Päpstlichen Akademie „Cultores Martyrum“, zurückgehen 1 ; hinzu kommen auf breiterem Raum Dokumente aus dem Vatikanischen Geheimarchiv, die die Bemühungen Respighis um die Christliche Archäologie in helles Licht rücken. Leben Carlo Respighi wurde am 17. April 1873 in Rom geboren, näherhin in der Torre Capitolina, wo seine Familie wohnte, da sein Vater Lorenzo das astronomische Observatorium betreute. Und da am Fuße der Rampe des Kapitols der Familienfreund Giovanni Battista de Rossi wohnte, entwickelte Respighi von Kindheit an die Liebe zu den Katakomben und den Märtyrern. Er konnte in den Unterlagen des berühmten Meisters stöbern und ihn auf den Besuchen der Katakombengrabungen begleiten. Dabei lernte er Persönlichkeiten wie Mariano Armellini, Henry Stevenson, Orazio Marucchi, Anton de Waal, Joseph Wilpert und Johann Peter Kirsch kennen. „Carletto“ reifte in seiner priesterlichen Berufung durch die Katakombenbesuche, die das „Collegium cultorum martyrum“ organisierte, dem er 1889 als Sechzehnjähriger beitrat. Als Alumne des Collegio Capranica 1890 bis 1896 absolvierte er seine philosophisch-theologischen Studien an der Gregoriana und wurde am 21. Dezember 1895 zum Priester geweiht. Giulio Andreotti, der ihm in den 30er Jahren häufig begegnete, bezeichnet ihn als „poliedrico, instancabile, allegro“, „di un’attività prodigiosa“, weshalb man ihn auch „Monsignor Ubique“ nannte 2 . Monsignor Respighi entfaltete in der Tat seine ruhelose und vielseitige Tätigkeit auf drei scheinbar ganz unterschiedlichen Feldern: der Sakralmusik, den päpstlichen Zeremonien und der Christlichen Archäologie.

* Übersetzung aus dem Italienischen von Stefan Heid. 1 Le „stazioni“ di monsignor Ubique, intervista con Pasquale Iacobone di Giovanni Ricciardi, in: 30 Giorni, (Febr.-März 2010) 94–96. 2 Ebd. 94.

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Abb. 1 Carlo Respighi im Jahr 1931.

Respighi und die Kirchenmusik Als Sekretäre der Römischen Kommission für Kirchenmusik, der sein Onkel, Kardinalvikar Pietro Respighi, vorstand, setzte sich Carlo aktiv für die Restauration des Gregorianischen Chorals ein: Er gründete 1902 die Zeitschrift „Rassegna gregoriana“ und hatte einige Jahre die Präsidentschaft des italienischen Cäcilienvereins (Associazione italiana di Santa Cecilia) inne. In dieser Funktion organisierte er Kongresse und förderte in ganz Italien den liturgischen Gesang. Das brachte ihm das Misstrauen mancher Prälaten, so des intransigenten Kardinals Gaetano De Lai, ein, der sogar im „archäologischen“ historisch-kritischen Bemühen, den Sakralgesang zu erneuern, den bedrohlichen Schatten des Modernismus erkannte. Er sah in Respighi einen „ingenuo caldo per la musica“, der bereit sei, vor allem anderen die Augen zu schließen, oder auch „una testa calda capranicense“ 3 . Respighi und die päpstlichen Zeremonien 1897 von Papst Leo XIII. unter die päpstlichen Zeremoniare aufgenommen (mit Dispens vom üblichen Examen, „attesa la nota sua perizia nella materia A. M. Dieguez/S. Pagano, Le carte del „sacro tavolo“. Aspetti del pontificato di Pio X dai documenti del suo archivio privato 1 (Città del Vaticano 2006) 52.

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liturgica e nella direzione delle sacre funzioni“), wurde Carlo Respighi 1900 zum Untersekretär der Zeremonienkongregation ernannt. 1918 stieg er unter Benedikt XV. zum Präfekten der päpstlichen Zeremonien auf. In Erfüllung dieser Aufgabe, die liturgische und zeremonielle Kompetenz im weitesten Sinne verlangte, förderte Respighi immer auch den Märtyrerkult. So richtete er es ein, dass anlässlich des 26. Internationalen Eucharistischen Kongresses in Rom 1922 eine große Prozession mit dem Allerheiligsten auf dem Gelände der Kallistkatakombe stattfand 4 . Und schon am 30. Dezember 1899 hatte er die feierliche eucharistische Prozession auf dem Gelände der Domitillakatakombe organisiert, ebenso wie manche großen Feierlichkeiten des Jubiläumsjahres von 1900. Doch drückte er seinen persönlichen Stempel in besonderer Weise den Stationsgottesdiensten der Fastenzeit auf. Diese uralten und für die römische Kirche typischen Gottesdienste wurden dank seiner Initiative glänzend wiederbelebt und fanden größten Anklang. Enrico Josi erinnert sich: „Era immancabile alle Stazioni – tanto da meritare l’affettuoso e scherzoso appellativo di ‚capo stazione‘ – e con la sua voce possente e intonata guidava il canto dei fedeli, il cui numero andava sempre crescendo“ 5 . Respighi und die Christliche Archäologie In seiner Eigenschaft zunächst als Mitglied, dann als Sekretär der Pontificia Commissione per l’Archeologia Sacra war Respighi Wortführer in höchst bedeutsamen Angelegenheiten gegenüber den Päpsten Pius X., Benedikt. XV., Pius XI. und Pius XII. Er förderte zahlreiche Grabungen (Basilika von S. Sebastiano, Prätextatkatakombe, Grabungen an der via Salaria), konnte dank der Großzügigkeit der Päpste das Land über der Spelunca magna von Prätextat, über dem Flavierhypogäum, an S. Sebastiano, an den Pamphiluskatakomben (1920 entdeckt) und an der via Latina (1937 entdeckt) vor Bauspekulationen bewahren, ließ im Friedhofskomplex und an der Basilika von S. Alessandro an der via Nomentana Restaurierungen durchführen und richtete die Museen von S. Sebastiano, Prätextat und im Kreuzgang der Basilika von S. Lorenzo fuori le mura ein. Einige bezeichnende Episoden sollen im Folgenden geschildert werden. Die Katakomben des Friedhofs Ad decimum (1912–1913) Die 1905 durch glückliche Umstände gefundenen Katakomben Ad decimum an der via Latina waren im September 1912 den Basilianern von Grottaferrata anvertraut worden. Abt Arsenio Pellegrini begann mit der Commissione di Archeologia Sacra in Unkenntnis deren Befugnisse einen Streit, der bald Kreise zog, als die Kommunen von Frascati und Grottaferrata in der Hoffnung, aus E. Josi, Carlo Respighi «cultor Martyrum». Nel XX anniversario della morte, in: L’Osservatore Romano, 107. Jg., Nr. 130 vom 07. 06. 1967, S. 8. 5 Ebd. 4

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diesen lokalen archäologischen Stätten Prestige für sich zu schöpfen, intervenierten. Im Verlauf eines Monats, vom 24. Dezember 1912 bis 26. Januar 1913 verfasste Respighi fünf lange Berichte an Papst Pius X., der den Streit mit Interesse verfolgte. Anfangs leistete Abt Pellegrini ohne Wissen über die Jurisdiktion der Commissione und die betreffende Konstitution Pius’ IX. Widerstand und appellierte an die italienischen ministeriellen Autoritäten. Dieser Vorgang soll hier aber nicht weiter verfolgt werden, da er bereits veröffentlicht wurde 6 . Die Überführung der Gebeine des Märtyrers Tryphon nach Cerignola (1917) Abgesehen vom Erfolg eröffnete diese Denkschrift an Papst Benedikt XV., ein anderer berühmter Kollege vom Collegio Capranica, den Blick auf Respighis Kompetenz in Sachen Reliquien. 1901 zusammen mit Louis Duchesne zum Konsultor der damaligen Kongregation der Ablässe (Indulgenzen) und heiligen Reliquien ernannt, wurde er 1917 aufgefordert, sich zur Überführung der Gebeine des hl. Tryphon zu äußern, die damals unter dem Hochaltar der Kirche S. Spirito in Sassia aufbewahrt und verehrt wurden 7 . Der Bischof von Cerignola und Ascoli Satriano, Giovanni Sodo, war im Vikariat mit einem Brief des Kardinals Pietro Gasparri vorstellig geworden, in welchem dieser ihn autorisierte, die Gebeine des phrygischen Märtyrers Tryphon zu erheben und nach Cerignola zu bringen, einer Stadt in Apulien, die ihn seit 1600 als Protektor und Patron verehrte und ihn besonders bei drohender Heuschrecken- und Ungezieferplage als wirksamen Fürsprecher anrief. Die Aktenlage scheint bereits abgeschlossen gewesen zu sein, als sich Respighi am 8. Mai 1917 veranlasst sah, den Papst vor diversen Schwierigkeiten zu warnen: „Prospettammo a monsignore tutte le difficoltà che si sarebbero potute opporre all’attuazione del disegno, non ultima la previsione di trovare le ossa di S. Trifone senza sicura indicazione mischiate e confuse con altre. Poiché monsignore ha insistito anche presso la Segreteria di Stato e allegando la necessità di ripartire presto da Roma, nonostante l’assenza del cardinale vicario, quest’oggi si è dovuta aprire l’urna che doveva contenere le sacre reliquie […]. Riguardo a S. Trifone le nostre previsioni si sono avverate completamente: ci siamo trovati avanti a un gruppo di ossa appartenenti almeno a 3 o 4 individui. Come distinguere S. Trifone? Chi sono gli altri? Il vescovo per tagliare corto proporrà a Vostra Santità di portarsi via tutte le ossa Sancti Triphoni et sociorum“. Dann unterbreitete Respighi Papst Giacomo Della Chiesa einige Überlegungen: „Altre chiese di Roma si vantano di possedere i corpi di S. Trifone e compagni. Risulterebbe certo che le ossa trovate in S. Spirito sono parte di quelle che esistevano nella chiesa distrutta di S. Trifone, per edificarvi l’attuale 6 7

Dieguez/Pagano (Anm. 3) 2, 586–596. Archivio Segreto Vaticano, Segr. Stato, 1917, rubr. 3, fasc. 4, ff. 190r–203r, 202r–203r.

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S. Agostino, ossa che furono divise tra le due chiese: S. Agostino e S. Spirito. Si potrebbe quindi ritenere prudente compire un esame comparativo tra i due gruppi di ossa per vedere se si possa stabilire qualche carattere di identificazione per qualche santo del gruppo prima di prendere qualunque decisione. Riguardo alla chiesa di S. Spirito si osserva che non sembra equo e giusto privarla almeno di tutte le sacre reliquie ricordate in tutti i documenti dal XVI sec. ad oggi, nelle epigrafi e nell’iscrizione dell’altare e per le quali sono concesse alla chiesa anzidetta speciali indulgenze (anche la plenaria) in determinati giorni. Se si vuole favorire un paese – per la sola ragione che ha per protettore S. Trifone –, basterebbe concedere una parte di sacre reliquie quali potranno essere nel modo migliore determinate dopo più accurate indagini e confronti, abbenché sempre dispiaccia che si depauperi Roma del più grande dei tesori: quello delle sacre reliquie“. Die animadversiones des Mons. Respighi konnten jedoch die Übertragung des Märtyrers nicht aufhalten, der am 3. Februar 1918 vom Bischof feierlich unter dem Hauptaltar des aus dem 19. Jahrhundert stammenden, von Paolo Tonti gestifteten Doms von Cerignola niedergelegt wurde. Die Katakomben S. Panfilo (1920) Am 25. August 1920 unterbreitete Respighi seitens des Kardinalvikars Basilio Pompilj Papst Benedikt XV. den Vorschlag, das Gelände über den Pamphiluskatakomben zu erwerben, die während der von der Società Almagià durchgeführten, groß angelegten Ausschachtungsarbeiten für Neubauten entdeckt worden waren 8 . Die Pontificia Commissione di Archeologia Sacra intervenierte, die Bauarbeiten wurden eingestellt und die Eigentümergesellschaft war bereit, das Gelände der Commissione oder dem Vikariat zu verkaufen. Respighi schlug vor, dafür jene Summe von £ 230.000 zu verwenden, die vom Vikariat zurückgelegt worden war, um ein Grundstück für eine neue Kirche im Stadtteil Parioli zu kaufen. Auch wenn das Gelände kleiner war als das zuvor ins Auge gefasste, so war es doch hinreichend und aus verschiedenen Gründen geeigneter: „l’ubicazione dell’area era assai più adatta e felice che non fosse l’altra che si aveva in vista, il prezzo di £ 200 al mq richiesto dalla ditta era più che discreto“, und ausserdem wies er darauf hin, dass „si notava „l’ubicazione è centrale e ricercatissima; che le aree vicine sono vendute da £ 300 a £ 700 (!!) il mq; che è impossibile trovare aree a più buon mercato e che non si vede la possibilità di trovare alcun’altra area per chiesa, che, anche non acquistandosi l’area per fabbricarvi a nostro utile, la Commissione sarebbe costretta ad eseguire tutti i dispendiosissimi e grandi lavori di sistemazione delle gallerie, rafforzamento ecc. per rendere adatto il terreno per la fabbrica di edifici, sia pure a cemento, ma a sola utilità di altri proprietari; che non sarebbe possibile evitare danni e devastazioni al cemeterio“. 8

Archivio Segreto Vaticano, Segr. Stato, 1920, rubr. 5, fasc. 2, ff. 114r–117v.

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Respighi schloss mit der Beobachtung „che una chiesa ivi eretta diverrebbe un vero santuario dei santi Martiri, santificherebbe il luogo, salverebbe preziose memorie dell’antica Chiesa romana e doterebbe il quartiere di un luogo degno per il santo culto, mentre oggi nella vastissima zona non vi è né chiesa, né cappella“. Angesichts so überzeugender Gründe trug Benedikt XV., der sich rasch persönlich ein Bild verschaffte, keinerlei Bedenken, Respighis Vorschlag anzunehmen und somit die Erlaubnis zum Bau der Kirche S. Teresa in Panfilo zu geben. Die Pläne für das Pontificio Istituto di Antichità Cristiane (1921) In dem Ordner „Mons. Respighi per Pontificio Istituto di Antichità Cristiane. Progetto“ im Archiv des Staatssekretariats finden sich zwei nicht sonderlich umfangreiche Akten: ein Blatt, auf dem Respighi knapp den Unterrichtsstoff für einen Dreijahreskurs entwirft, und eine von anderer Hand stammende ausführlichere Liste dieser Themen unter Berücksichtigung der Art und Weise des Unterrichts 9 . Der Dreijahreskurs erfolgt nach den Ausführungen Respighis in acht Fächern: 1. Christliche Einrichtungen, 2. Liturgie, 3. Hagiographie, 4. Klassische und christliche Epigraphik, 5. Römische klassische und christliche Topographie, 6. Christliche Friedhöfe, 7. Technik und Methodologie der Denkmäler (Tecnica e metodologia monumentale), 8. Christliche Kunst. Ferner ist geplant ein „ciclo di conferenze didattiche integrative ai tre corsi“. Als provisorischer Sitz des Instituts wurde das Museo Cristiano Lateranense ins Auge gefaßt, „poiché si potrebbe sistemarlo nei locali dell’Istituto Orientale quando potranno essere tutti liberi: usufruire di alcune aule e della biblioteca in comune“. Worum genau geht es bei diesen Entwürfen? Auf welche der verschiedenen Entwürfen für eine Gründung beziehen sie sich? Das Schema stimmt trotz kleinerer Abweichungen mit jenem Entwurf überein, den Olof Brandt als „prima fase progettuale“ bezeichnet hat und der in die Monate nach dem 9. August 1918 fällt 10 . Nur zwei Dinge sind sicher: dass Papst Benedikt mit einem «agli atti» geantwortet hat und dass – laut Protokollregister – Respighis Notizen im Oktober 1921 dem Archiv des Staatssekretariats übergeben wurden 11 . Die Veröffentlichung von „wenig seriösen“ historisch-archäologischen Beiträgen im Osservatore Romano (1932) Machen wir einen Sprung ins Jahr 1932, dem zehnten Pontifikatsjahr Achille Rattis, jenes Papstes, der am 11. Dezember 1925 das Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana gegründet und seit Beginn seines Amtes gerade auch gegenArchivio Segreto Vaticano, Segr. Stato, 1921, rubr. 45, ff. 64r–67. O. Brandt, Il cerimoniere, l’epigrafista e la fondazione del Pontificio Istituto di Archeologia Cristiana, in: RivAC 83 (2007) 195–196. 11 Archivio Segreto Vaticano, Segr. Stato, prot. 26944/21. 9

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über Respighi großes Interesse für die Christliche Archäologie gezeigt hatte. Respighi hat darüber eine bewegende private Aufzeichnung hinterlassen: «Rientrando nella cameretta toccatagli in sorte per il conclave, con ancora nella mente la visione superba della colossale magnificenza con cui i popoli hanno esaltato la povertà della tomba del primo papa, Pio XI pensò forse agli umili e travagliati inizi della Chiesa santa, ai trofei insanguinati ma gloriosi dei suoi primi antecessori nascosti nelle catacombe. Dall’alto del Vaticano ebbe la visione della Roma sotterranea cristiana, e di questa in quel primo colloquio mi parlò; volle conoscere lo stato dei sacri cimiteri; i bisogni, le idealità della Commissione nostra e le sue iniziative; parlò, ascoltò, promise» 12 . Davon unterscheiden sich andere Notizen, wenn er sich etwa am 24. August 1932 vertrauensvoll, aber auch energisch an Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli wendet, um ihn hinzuweisen «sopra la facilità con cui l’Osservatore Romano accetta articoli di contenuto storico archeologico senza garantirsi della serietà critica dei medesimi» 13 . «Più volte ho messo in guardia i redattori e lo stesso conte della Torre su questo inconveniente. Qualche volta ebbero il buon senso di domandare il parere a competenti, ma in questi ultimi tempi non hanno usato alcuna cautela e l’Osservatore ha pubblicato articoloni che fanno compassione e nuocciono al prestigio del giornale. Per lo più sono alcuni buoni frati che per una infarinatura di vecchia composizione si ritengono archeologi, storici, critici e sono appoggiati dal loro ambiente nel quale l’emergere è assai facile, e fanno ridere i competenti e screditano il giornale compiacente che fa loro richiamo. Sarebbe bene che persone competenti di storia e di lettere si sobbarcassero alla fatica di leggere ad esempio gli ultimi articoli sui Protomartiri dell’Occidente [di padre Gabriele M. Roschini, OSM], 21 agosto; su S. Sisto I 22–23 agosto [di padre Ottavio da Alatri]; su S. Bartolomeo 24 agosto [di Luigi Ruiz de Cardenas], per non riandare anche non troppo addietro a quelli ad esempio di P. Parisi su S. Paolino alla Regola ecc., per informare se è possibile che nel 1932 e mentre si prepara il III Congresso Internazionale di Archeologia Cristiana si possano stampare tanti errori, inesattezze, e con stili strabilianti di rettorica e lingua su un giornale che è pure organo della S. Sede. Mi riuscì tempo fa a impedire che portassero alla redazione un articolo su S. Lorenzo, che sarebbe senza dubbio stato accolto a braccia aperte; ma quell’articolo era meno disastroso di tanti altri pubblicati». Erstaunlich ist die Nachdrücklichkeit, mit der Respighi hier spricht. Man muss sich klarmachen, dass Respighi nicht nur, wie es Giulio Andreotti witzigscharfsinnig beobachtete, als Zeremoniar die Macht besaß, „di ordinare al papa

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Le „stazioni“ di monsignor Ubique (Anm. 1) 96. Archivio Segreto Vaticano, Segr. Stato, 1932, rubr. 243, fasc. 1, ff. 60r–61v.

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di alzarsi e di stare seduto“ 14 , sondern dass er auch einer der Wenigen war – und daran erinnerte der neu kreierte Kardinal Domenico Bartolucci – der es sich erlauben konnte, Papst Pius XII. zu duzen: „Non farmi fare brutta figura!“, sagte er ihm sofort nach seiner Wahl zum Papst, bevor er auf die Loggia zum Segen ging. Er konnte sich das herausnehmen, da er sein erster Stubenkamerad im Collegio Capranica gewesen war 15. Die Tatsache selbst, dass Respighi Kardinal Pacelli über diese „sconvenienze“ informierte, ist nicht nur Beweis des Vertrauensverhältnisses der beiden ExAlumnen des Collegio Capranica, sondern auch des Interesses, mit dem Eugenio Pacelli die archäologischen Arbeiten und Diskussionen begleitete. Dieses Interesse stellte er noch einmal mehr unter Beweis als Papst, als er die Grabungen unter der Confessio von St. Peter förderte. Hierüber kann aber erst näher Auskunft gegeben werden, sobald die derzeit noch gesperrten Akten des Pius-Pontifikats zugänglich sein werden. Die oben berichteten Episoden, auch wenn sie notgedrungen sehr lückenhaft sind, können doch das Urteil bestätigen, das sein Freund Giulio Belvederi über Respighi am Tag nach seinem plötzlichen Tod am 6. Juni 1947 schrieb: „Più che conoscerle per una intellettuale compiacenza, amò di vivere le memorie sacre di Roma in quanto diventarono, nelle sue aspirazioni, fonte della sua stessa vita spirituale“ 16 . Abbildungsnachweis Abb. 1: L’Illustrazione Vaticana, 28. Febr. 1931, S. 25.

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G. Andreotti, Momenti dei miei anni giovanili, in: 30Giorni (Juni 2007) 16. Le „stazioni“ di monsignor Ubique (Anm. 1) 94. Le „stazioni“ di monsignor Ubique (Anm. 1) 95.

Hat Papst Gregor XII. seine Tiara verpfändet? Von JÜRGEN PETERSOHN Arnold Esch zum 28. April 2011

Die Beschäftigung mir den Herrschaftszeichen des Mittelalters stützt sich auf die Analyse erhaltener Originalzeugnisse einerseits, älterer Beschreibungen und Abbildungen verlorener Objekte andererseits*. Solche sind im Laufe der Geschichte entweder zeitabhängigem Stilwandel, bloßem Verschleiß und gewaltsamer Vernichtung zum Opfer gefallen oder aus frommen wie materiellen Motiven ihrer ursprünglichen Verwendung entzogen, d. h. „gestiftet, verschenkt, verkauft, verpfändet“ worden, wie der Untertitel einer Göttinger Akademieschrift Percy Ernst Schramms, des Altmeisters der Herrschaftszeichenforschung, aus dem Jahre 1957 lautet. Schramms Darlegungen ist zu entnehmen, daß, abgesehen von weltlichen Fürsten, die Insignien ihrer Würde für Geld veräußerten oder zeitweilig entfremdeten, auch ein Papst, der zu Ende des Großen abendländischen Schismas die römische Obedienz repräsentierende Gregor XII. (1406–1415), im Jahre 1407 seine Tiara Florentiner Wechslern zum Pfand gegeben habe 1 . Diese Behauptung findet sich in der wissenschaftlichen Literatur, soweit sich ersehen läßt, erstmals bei Ferdinand Gregorovius im 6. Band der Erstauflage seiner „Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter“ aus dem Jahre 1867. Hier heißt es bei der Behandlung des Schismas zu Papst Gregor XII.: „Er war selbst genötigt, seine kostbare Papstkrone an Florentiner Wechsler zu verpfänden, eine schimpfliche Handlung, die als Symbol der Erniedrigung des damaligen Papsttums überhaupt gelten kann“ 2 . Wendet man sich der von Gregorovius benutzten Quelle – einer im dritten Band von Augustin Theiners „Codex diplomaticus dominii temporalis s. Sedis“ abgedruckten Urkunde Papst Gregors XII. vom 17. Februar 1407 3 – zu, fällt allerdingst auf, daß in ihr nicht von einer Tiara, sondern von einer Mitra, und zwar konkret von einer Mitra preciosa, also einer zu bestimmten Anlässen zu tragenden liturgischen Kopfbedeckung von beson* Abkürzungen: ASV = Archivio Segreto Vaticano; BAV = Biblioteca Apostolica Vaticana; fl. = floreni (Gulden); Reg. Vat. = Registrum Vaticanum 1 P. E. Schramm, Herrschaftszeichen: gestiftet, verschenkt, verkauft, verpfändet. Belege aus dem Mittelalter, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen aus dem Jahre 1957 (Göttingen 1957) 161–226, hier 201; ohne Beleg, fast wörtlich nach Gregorovius (Anm. 2). 2 F. Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, Bd. 6 (Stuttgart 1867) S. 566. Entsprechend Bd. 65 (Stuttgart und Leizig 1908) S. 572. Anm. 3 verweist auf „Theiner III n. 95“. Daß Gregorovius in diesem Zusammenhang von einem Breve vom 8. April 1407 spricht, erklärt sich wohl als Verwechslung mit dem Stück Nr. XCVI in Theiners Edition (Anm. 3), das „VI. Idus Aprilis“ datiert ist. 3 A. Theiner (Hg.), Codex diplomaticus dominii temporalis s. Sedis, Bd. 3 (Rom 1862) 158 Nr. XCV.

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derer Ausstattung, die Rede ist. Der Verfasser der römischen Stadtgeschichte mit ihren unschätzbaren Einzelheiten auch zur mittelalterlichen Papsthistorie war also gleich späteren Autoren der Meinung, daß unter der Bezeichnung „Mitra“ auch und besonders die Tiara des Papstes, also das eigentliche Kronsymbol seiner weltlichen Herrschaft, zu verstehen sei. Der damit konstatierte Dissens zwischen Text und Deutung legt es nahe, nach breiterem Belegmaterial für die Klärung dieses Problems Ausschau zu halten. Bei dessen Umgrenzung gilt es sich vor Augen zu halten, daß die Pfandsetzung von kirchlichen Wertgegenständen, wie von Kelchen, Kreuzen, Reliquiaren, Prunkmitren usw., bei allen Geldgebern im Mittelalter sehr geschätzt war, da sie einerseits ein angemessenes Wertäquivalent für die geliehene Summe darstellten, andererseits ein erhöhtes Interesse des Pfandgebers an ihrer Wiederauslösung vorauszusetzen und damit die Aussicht auf eine Rückzahlung der Darlehen in der Regel gesichert war 4. Die banktechnische Seite dieser Kreditgeschäfte hat Jean Favier 1966 in seinem umfassenden Werk über die päpstlichen Finanzen während der Schismaperiode behandelt 5 . Unsere Ausführungen dürfen sich daher auf die für Eigenart und Aussehen der verpfändeten Objekte relevanten Quellenaussagen konzentrieren. Die Durchmusterung der einschlägigen Belegmaterialien, wie sie vor allem das Vatikanische Archiv bereitstellt, zeigt sehr schnell, daß die von Gregorovius herausgegriffene Verpfändung des Jahres 1407 keineswegs alleinsteht. Wir geben einen Überblick über die Fälle aus der Regierungszeit Papst Gregors XII. und ihres Umkreises, die sich auf die pfandrechtliche Überlassung entsprechender Objekte beziehen, beginnend mit der von Theiner edierten Urkunde vom 17. Februar 1407 6 . In ihr bestätigte Gregor XII. in Rom (Ad futuram rei memoriam) den Vertrag, den der päpstliche Kämmerer Leonardo Elekt von Fermo kurz zuvor (nuper) in seinem Auftrag mit dem Florentiner Kaufmann Matteo di Bartolomeo Tenaglia unter Pfandsetzung einer wertvollen päpstlichen Mitra abgeschlossen hatte (mitram nostram preciosam … in pignus dederit). Das Darlehen war zur Zahlung von 6.000 fl. an den päpstlichen Kriegskapitän Paolo Orsini sowie zur Begleichung von 1.400 fl. an die Florentiner Kaufmannsgesellschaft des Niccolò Ricci bestimmt 7 . Vgl. J. Favier, Les finances pontificales à l’époque du Grand Schisme d’Occident 1378– 1409 (= Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome 211) (Paris 1966) 546, 552. 5 Favier (Anm. 4) 550 ff. 6 ASV Reg. Vat. 335 fol. 55v – 56r; ed. – nicht ohne Fehler – Theiner (Anm. 3). Vgl. Favier (Anm. 4) S. 551. 7 Cum itaque nuper pro urgentibus necessitatibus Romane ecclesie et apostolice camere dilectus filius Leonardus electus Firmanus, camerarius noster, presertim pro parte satisfactionis faciende dilecto filio nobili viro Paulo de Ursinis domicello Romano, nonnullarum gencium nostrarum armigerarum capitaneo, de suis et gencium suarum stipendiis ac provisionibus, et ex certis aliis causis de licencia et mandato nostris dilecto filio nobili viro Matheo Bartholomei de Tenalliis, domicello Florentino ac mercatore, pro se et sociis mitram nostram preciosam pro summis videlicet sex millium dicto Paulo solvendorum occasione predicta et mille quadringentorum florenorum auri de camera dilectis filiis Nicolao de Riciis et sociis mercatoribus Florentinis in Romana curia commorantibus, satisfaciendorum … in pignus dederit, … 4

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Am folgenden Tag, dem 18. Februar 1407, erging an die Volksprioren und den Verwalter der Weinsteuer von Viterbo (prioribus populi, conservatori gabellarum et emptoribus gabelle vini civitatis nostre Viterbien.) ein Mandat Papst Gregors XII., aus dem hervorgeht, daß die am Vortag bestätigte Mitraverpfändung keineswegs die erste in der römischen Schisma-Obedienz war. Nach einem Vorläufer unter Bonifaz IX. im Jahre 1391 8 hatte Gregors unmittelbarer Vorgänger, Papst Innocenz VII. (1404–1406), am 3. Oktober 1405 durch den päpstlichen Kämmerer Leonardo für die Gewährleistung einer Summe von 3.100 fl. seitens der ein Kontor in Rom unterhaltenden Florentiner Firma des Giovanni di Bicci de’Medici 9 dieser eine Prunkmitra sowie die Rocca von Civita Castellana in Pfand gegeben und ihm für die Abzahlung dieser Summe die Einkünfte aus der Gabella vini in Viterbo überschrieben 10 . Da die Zahlung dieser Gelder bei Gregors Herrschaftsantritt ohne sein Wissen ins Stocken geraten war, befahl dieser nunmehr den Viterbesen, Giovanni bis zur völligen Bezahlung der geschuldeten Summe dem Vertrag entsprechend Genugtuung zu leisten 11 . Favier war der Meinung, daß damit diese Mitra dem Papst zurückerstattet und zur Erfüllung des am 17. Februar 1407 von ihm bestätigten Vertrags den Tenaglia übergeben worden sei 12 . Das ist jedoch höchst unwahrscheinlich, da Giovanni di Bicci bislang nur ca. 1.000 fl., d. h. weniger als ein Drittel der geliehenen Summe,

8 A. Esch, Bonifaz IX. und der Kirchenstaat (= Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 29) (Tübingen 1969) S. 52, 62; vgl. auch den Hinweis in seiner Besprechung von Favier (Anm. 4), in: GGA 221 (1969) S. 150. 9 Zu Giovanni di Bicci, „the founder of the Medici Bank“, R. de Roover, The Rise and Decline of the Medici Bank 1397–1494 (= Havard Studies in Business History 21) (Cambridge Mass. 1963) S. 35 ff. (das Zitat hier S. 35); G. Holmes, How the Medici became the Popes Bankers, in: N. Rubinstein (Hg.), Florentine Studies. Politics and Society in Renaissance Florence (London 1968) S. 361 f.; A. Esch, Bankiers der Kirche im Großen Schisma, in: QFIAB 46 (1966) S. 283 ff., 374 ff.; Ders., Florentiner in Rom um 1400, ebd. 52 (1972) S. 513. 10 ASV Reg. Vat. 335 fol. 80v – 81r (ungedruckt); vgl. Favier (Anm. 4) S. 551. – Dudum videlicet v. non. Octobris felicis recordationis Innocencius papa vij, immediatus predecessor noster, pontificatus sui anno primo, cum dilectus filius Leonardus tunc Esculan., ipsius predecessoris nostri camerarius, nunc electus Firman. camerariusque noster pro summa trium milium et centum florenorum auri de camera, quam pro habenda mitra preciosa tunc dicti predecessoris nunc vero nostra et roccha nostre civitatis Ciuitatis Castellane dilecti filii Johannes Bicci de Medicis et eius socii, mercatores Florentin. curiam Romanam sequentes, solverant seu solvere promiserant, dictam mitram in pignus et gabellam vini Viterbien. in solucionem Johanni et sociis predictis cum certis pactis, condicionibus et promissionibus per suas litteras assignasset, idem predecessor dicta promissiones, conditiones et pacta et omnia in litteris dicti camerarii contenta auctoritate apostolica confirmans mandavit et voluit inviolabiliter observari, prout in litteris eiusdem predecessoris nostri, quarum tenorem hic haberi volumus pro sufficienter expresso, plenius continetur, … Der diesem Mandat zugrundeliegende Verpfändungvertrag Innocenz’ VII. vom 3. Okt. 1405 ASV Reg. Vat. 333 fol. 307r. Vgl. auch Esch, Bankiers (Anm. 9) S. 287. 11 Vgl. unten Anm. 13. 12 Favier (Anm. 4) S. 551.

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erhalten hatte 13 , der Vertrag von 1405 also auch nicht annähernd erfüllt, eine vorzeitige Auslieferung des Pfandobjekts somit ausgeschlossen war. Auch die zeitliche Folge der Einzelakte spricht gegen Faviers Folgerung. Es ist daher anzunehmen, daß die 1405 verpfändete Mitra als Sicherheit für die weitere Abzahlung des Darlehens aus der Viterbeser Weinsteuer in der Hand des Giovanni di Bicci blieb 14 . Bei der kurz vor dem 17. Februar den Tenaglia für eine erheblich höhere Summe verpfändeten Mitra preciosa muß es sich somit um eine andere Prunkmitra aus dem Besitz Gregors XII. gehandelt haben. Das bedeutet, daß sich seit dem Jahre 1407 zwei Mitren – wir nennen die schon von Innocenz VII. versetzte: Mitra A, die erst 1407 verpfändete: Mitra B – als Depositen für Darlehenszahlungen an die päpstliche Kammer im Besitz von Florentiner Kaufmanns- und Wechslerfamilien befanden. Der Mitra B begegnen wir wieder gut ein Jahr später in einem am 16. April 1408 in Lucca von dem damaligen päpstlichen Kämmerer Antonio Correr, Bischof von Bologna, einem Neffen Gregors XII. 15 , mit dem Florentiner Kaufmann Antonio di Giovanni Roberti, vertreten durch Pietro Bardelli, abgeschlossenen notariellen Vertrag, in dem sich Roberti unter weiteren finanziellen Detailregelungen 16 zur Rückerlangung der bei Matteo Tenaglia für 8.000 ihm von der Apostolischen Kammer geschuldete Florenen verpfändeten Mitra entsprechend dem zugehörigen Inventar verpflichtete 17 . Ihm wurde das Recht zugestanden, nach Ablauf eines Jahres, beginnend am 1. Mai, die Mitra zu verkaufen oder pro meliori precio erneut in Pfand zu geben, wenn sie vom Papst bzw. seinem Kämmerer bis dahin nicht eingelöst werde. Der Pfandnehmer verpflichtete sich, das ihm mit einem Verzeichnis zu übergebende Pfandstück in der Stadt 13 Cum autem pro parte Johannis et sociorum predictorum nobis fuerit nuper expositum cum querela, qualiter fructus, redditus et proventus dicte gabelle vini, ex qua, vigore assignacionis huiusmodi, hucusque perceperant iure certi calculi in omnibus semper salvo circa summam mille florenorum auri de camera, post assumpcionem nostram ad apicem summi apostolatus in satisfactione et solucione residui ex precio ac fructibus dicte gabelle fuerant contra iusticiam et conventorum exigenciam indebite impediti, nos volentes, ut fides mutuantibus et reliquis, quantum ad sedem apostolicam attinet, observetur, volumus ac vobis et vestrum singulis ac omnibus, ad quos spectare posset, presencium tenore districte precipiendo mandamus, quatinus Johanni et sociis supradictis vel eorum procuratori … teneamini et debeatis et eciam teneantur et debeant de residua quantitate dictorum trium milium et centum florenorum usque ad integram eorum satisfactionem dicte summe … satisfacere cum effectu et pacta huiusmodi inviolabiliter usque ad satisfactionem condignam in omnibus observare. Verlangt genaue Übersichten über die weiteren Zahlungen. Vgl. dazu auch die Inhaltsangabe des Registereintrags (marginal): pro Johanne de Medicis et sociis mercatoribus, quod eis satisfieri debeat de gabella vini Viterbien. (Anm. 10). 14 Vgl. dazu auch unten Anm. 40. 15 Zu ihm D. Girgensohn, Kirche, Politik und adelige Regierung in der Republik Venedig zu Beginn des 15. Jahrhunderts (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 118) (Göttingen 1996) S. 182 ff. 16 Dazu Favier (Anm. 4) S. 551. 17 Reg. Vat. 335 fol. 175r – 177r; ungedruckt. Vgl. Favier (Anm. 4) S. 551. Der höhere Satz im Vergleich zu den Angaben von 1407 (vgl. Anm. 7) ergibt sich durch weitere Gebühren und Abgaben im Rahmen dieses Geschäfts.

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Florenz gut und getreulich zum Nutzen der römischen Kirche und des Papstes Gregor und seiner Nachfolger vom 1. Mai dieses Jahres für ein Jahr sicher zu verwahren 18 und sie, wenn ihm innerhalb dieser Frist für die geliehenen Gelder und die anfallenden Nebenkosten Vergütung geleistet sei, der Beschreibung entsprechend unversehrt und vollständig auf jede einfache Anforderung dieses Papstes und seiner Nachfolger in Florenz und nicht anderswo demjenigen oder denjenigen, welchen es befohlen werde, zu übergeben 19 . Die angekündigte descripcio der Mitra ist leider in dem betr. Vatikanregister nur mit ihrem Anfangssatz und dem Verweis auf die vollständige Eintragung in dem nicht erhaltenen Liber inventariorum dieser Zeit eingetragen worden 20 . Wenige Tage später, am 22. April 1408, bestätigte Papst Gregor XII. in Lucca offiziell den in seinem Namen durch den Bischof von Bologna mit Roberti geschlossenen Vertrag 21 . Knapp ein Jahr darauf, am 19. April 1409, ermächtigte Papst Gregor XII. von Rimini aus den päpstlichen Kammerkleriker Niccolò da Orvieto 22 , wegen dringender Bedürfnisse der römischen Kirche sowie zur Rückgewinnung seiner bei Antonio di Giovanni Roberti verpfändeten mitra preciosa (Mitra B), diese, damit sie nicht von den Gläubigern zerstückelt werde (distrahatur), auszulösen und sie, da die Apostolische Kammer mehr als gewöhnlich von Schulden bedrängt sei, für eine Summe bis zu 12.000 fl. erneut in Pfand zu geben, mit dem Zugeständnis, daß die Geldleiher, wenn ihnen innerhalb eines Jahres nicht Rückzahlung geleistet sei, sie ihrerseits verpfänden oder für den günstigsten Preis verkaufen könnten 23 . Ausdrücklich befahl er seinem Finanzbeauftragten, sorgfältig darauf zu achten, daß die Mitra bei der Übergabe in allen Teilen gemäß ihrer Beschreibung unter Schloß und Siegel vertrauenswürdigen und dafür geeigneten Personen ausgehändigt werde, damit diese sie getreulich verwahren und nach Ablösung des Darlehens ihm ohne Schwierigkeiten zurückerstatten 24 . Am 18 … promittit dictam mitriam sibi per inventarium assignandam … bene et fideliter conservare et custodire in civitate Florentina ad opus et utilitatem sancte Romane ecclesie et prefati domini nostri, domini Gregorii pape xij, et suorum successorum et camere predicte per unum annum a prima die Maij proxime futuri inchoandum. 19 … dictam mitriam per dictum inventarium illesam et integram ad omnem simplicem requisitionem dicti domini nostri et suorum successorum et camere prefate in dicta civitate Florentina et non alibi restituere et assignare illi vel illis, cui assignari mandabunt vel eorum alter mandabit, de quorum mandato sufficienter constiterit. 20 Mitrie vero preciose predicte, de qua in dictis capitulis fit mencio, descripcio est talis: Habet in prima et anteriori parte inferius supra frontem ordinem unum lapidum et perlarum, in quo ordine sunt tres grossi balassi etc., ut in libro inventariorum folio lxxvij. Et sequitur. Vgl. auch unten zu Anm. 68. 21 ASV Reg. Vat. 336 fol. 201v; ed. J. Vincke (Hg.), Briefe zum Pisaner Konzil (= Beiträge zur Kirchen- und Rechtsgeschichte 1) (Bonn 1940) S. 36 f. Nr. 17. Nicht bei Favier (Anm. 4). 22 Der Auftrag galt ursprünglich Pigello Portunario mercatori Florentin. Vgl. unten Anm. 25. 23 ASV Reg. Vat. 337 fol. 81r – v. Vgl. Favier (Anm. 4) S. 551 f. Ursprüngliche Datierung: XII kalendas Maij. Dazu die Marginalnotiz zum Registereintrag unten Anm. 25. 24 Volumus tamen, quod in assignando dictam mitram dicta tua devotio diligenter aspiciat, ut eam suis partibus et descriptionibus designatam sub clavi et sigillo personis fide et facultatibus tam ydoneis studeas assignare, quod ipsam fideliter teneant et post solutionem dicti mutui vel depositi nobis sine difficultate restituant.

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gleichen Tage 25 teilte Papst Gregor XII. auch Antonio di Giovanni Roberti persönlich mit, daß er zur Rückgewinnung seiner bei ihm verpfändeten Mitra seinen Kammerkleriker abgeordnet habe, und befahl ihm, wenn dieser die geschuldeten Gelder erstattet habe, ihm die Mitra auszufolgen 26 . Der eindringliche Ton, mit dem Papst Gregor XII. seinem Bevollmächtigten damals die Sorge für die pflegliche Behandlung und unversehrte Rückerstattung der erneut zu verpfändenden Prunkmitra nahelegt, läßt erkennen, welchen Wert er diesem Objekt über seine Funktion als Darlehenssicherung hinaus beimaß. Zugleich aber wird mit dem Zugeständnis, daß sie bei Nichteinhalten der festgesetzten Auslösefrist verkauft werden könne, die finanzielle Misere dieses Papstes unverhüllt offenbar. Über die Ausführung dieses Auftrags und damit über das weitere Schicksal der Mitra B fehlt in der archivalischen Überlieferung Papst Gregors XII. jegliche Nachricht. Das gibt Anlaß, überhaupt die äußeren Voraussetzungen und Begleitumstände dieser Finanzaktionen näher zu betrachten. Papst Gregor XII. hat seine Urkunden bzw. Briefe in der Verpfändungsangelegenheit im Februar 1407 bei St. Peter in Rom, im April 1408 in Lucca, im April des folgenden Jahres in Rimini ausgestellt. Sein Itinerar in dieser Zeit 27 ist Spiegelbild eines der traurigsten Abschnitte der spätmittelalterlichen Papstgeschichte. Im Januar 1377 war mit Papst Gregor XI. nach langem Zaudern das Oberhaupt der abendländischen Christenheit endgültig aus Avignon in die Ewige Stadt zurückgekehrt. Das rund sieben Jahrzehnte währende Exil des Papsttums in Frankreich schien beendet zu sein 28 . Ein Jahr später starb Gregor XI. Wenige Monate nach der tumultuarischen Wahl seines Nachfolgers Urban VI. (1378– 1389) erhob eine mit den Zuständen in Rom unzufriedene französische Kardinalsgruppe Robert von Genf als Clemens VII. zum Gegenpapst, der aufs neue in Avignon Residenz nahm. Ein jahrzehntelanges Schisma, das ganz Europa in zwei feindliche Lager spaltete, war die Folge. Aber die Notlage der Kirche setzte Reformkräfte frei. Waren die streitenden Päpste selbst nicht fähig oder nicht willens, die Kirchenspaltung zu überwinden, so mußte, das wurde je länger, je deutlicher die einhellige Auffassung der Zeit, die allgemeine Kirche an ihrer Statt versuchen, die Einheit wieder herzustellen. Der Druck der öffentlichen Meinung Europas und seiner politischen Mächte auf die Päpste von Avignon und Rom wurde seit Ende des 14. Jahrhunderts so stark, daß sowohl Benedikt XIII. von Avignon bei seiner Wahl 1394 als auch sein römischer Konkurrent Gregor XII. bei seiner Erhebung 1406 die Verpflichtung übernahmen, notfalls unter Verzicht 25 Im Registereintrag zunächst datiert: Datum Arimini XII. kalendas Maij pontificatus nostri anno tertio. Vgl dazu aber die Marginalnotiz: Nota quod ista littera etiam fuit reformata cum supra dicta littera et ubi dicit Pigellus Portunarius debet dici Nicolaus de Vrbeueteri apostolice camere clericus sub. dat. XIII kalendas Maij anno 3o et ita transivit (Anm. 26). 26 ASV Reg.Vat. 337 fol. 81v. Ungedruckt. Nicht bei Favier (Anm. 4). 27 K. Eubel, Das Itinerar der Päpste zur Zeit des großen Schismas, in: HJ 16 (1895) S. 550 f., 560 f. 28 Zum folgenden nur Handbuch der Kirchengeschichte, Hg. H. Jedin, Bd. 3, 2 (Freiburg – Basel – Wien 1973) S. 490 ff. (K. A. Fink); E. Meuthen, Das 15. Jahrhundert (= Oldenbourg Grundriß der Geschichte 9), überarbeitet von C. Märtl (München 4 2006) S. 74 ff., 171 ff.

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auf ihre Würde die Wiedervereinigung der Kirche zustandezubringen. Erfolge waren auch dieser Maßnahme nicht beschieden 29 . Zwar folgten Benedikt und Gregor schließlich ihren Wahlversprechungen und vereinbarten für 1407 ein Zusammentreffen in Savona. Aber nur zögernd, voller Mißtrauen und ohne echten Willen zum Verzicht rückte Gregor XII. nach Ligurien vor und verstand es, den festgesetzten Zeitpunkt immer immer aufs neue hinauszuschieben 30 . Schließlich ergriffen die unionsfreudigen Kardinäle der römischen Obedienz selbst die Initiative. Als Gregor Anfang Mai 1408 die Verhandlungen endgültig zum Scheitern brachte, verließen sie zu Lucca ihren Papst und vereinigten sich in Anwendung der lange vorher schon entwickelten Theorie der konziliaren Überordnung im Falle der Epikie mit den gleichgesinnten Kardinälen der avignonesischen Obedienz zu einem einheitlichen Kollegium, dessen Ziel die Aufhebung der Kirchenspaltung durch ein von beiden Päpsten unabhängiges Konzil war 31. Am Tage Mariae Verkündigung des Jahres 1409 trat die Kirchenversammlung in Pisa zusammen, auf der mit Zustimmung und moralischer Unterstützung weiter Teile Europas Benedikt XIII. und Gregor XII. für abgesetzt erklärt und Alexander V. als neuer Papst der – wie man glaubte – nunmehr vereinten Kirche gewählt wurde 32 . Allein war damit das Schisma keineswegs beseitigt, vielmehr wurde die lateinische Christenheit jetzt, da die Abgesetzten an ihren Rechtsvorstellungen festhielten und einflußreiche weltliche Mächte auf ihre Seite traten, in eine dreifache Kirchenspaltung hineingestürzt, aus der sie erst das Konzil von Konstanz zu befreien vermochte. Für Gregor XII. begann mit Lucca ein Weg der Isolierung, der Verfolgung und des starren Behauptens. Das Konzil, das er zur Manifestation seiner Ansprüche im Spätsommer 1409 nach Cividale einberufen hatte, endete fast mit seiner Gefangennahme 33 . Unter der Obhut König Ladislaus’ von Neapel fand er bis 1412 in Gaeta, nach dessen Obedienzwechsel wieder bei den Malatesta in 29 Handbuch der Kirchengeschichte 3,2 (Anm. 28) S. 501 f., 506 f. Zum römischen Bereich vor allem D. Girgensohn, Kardinal Antonio Caetani und Gregor XII. in den Jahren 1406– 1408. Vom Papstmacher zum Papstgegner, in: QFIAB 64 (1984) S. 149, 154 ff.; Ders., Venezia e il primo Veneziano sulla cattedra di S. Pietro: Gregorio XII (Angelo Correr) 1406–1415 (= Centro tedesco di studi veneziani. Quaderni 30) (Venezia 1985) S. 13; Ders., (Anm. 15) S. 349 ff.; Ders., Von der konziliaren Theorie des späteren Mittelalters zur Praxis: Pisa 1409, in: H. Müller/J. Helmrath (Hg.), Die Konzilien von Pisa (1409), Konstanz (1414–1418) und Basel (1431–1449). Institutionen und Personen (= Vorträge und Forschungen 67) (Ostfildern 2007) S. 69 ff. 30 Girgensohn, Kardinal Antonio Gaetani (Anm. 29) S. 165 ff.; Ders., Venezia (Anm. 29) S. 20 f.; Ders., (Anm. 15) S. 185 ff., 226 ff., 240 ff. 31 Vgl. Girgensohn, Kardinal Antonio Caetani (Anm. 29) S. 182 ff.; Ders., (Anm. 15) S. 259 ff.; Ders., Von der konziliaren Theorie (Anm. 29) S. 72 f., 74 ff.; Ders., More sanctorum patrum alias utiliter in ecclesia observato. Die Einberufung des Pisaner Konzils von 1409, in: Synodus. Beiträge zur Konzilien- und allgemeinen Kirchengeschichte. Festschrift für Walter Brandmüller, Bd. 1 (= AHC 27/28 [1995/1996], 1) S. 332 ff. 32 Handbuch der Kirchengeschichte 3,2 (Anm. 28) S. 508 ff.; Girgensohn, Von der konziliaren Theorie (Anm. 29) S. 86 ff. 33 J. Petersohn, Papst Gregors XII. Flucht aus Cividale (1409) und die Sicherstellung des päpstlichen Paramentenschatzes, in: RQ 58 (1963) S. 56 f., 58.

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Rimini Zuflucht 34 . Sein Anhängerkreis in Italien war beschränkt. Die politisch maßgebenden mittel- und oberitalienischen Kommunen, an der Spitze Florenz, standen auf der Seite Alexanders V. und seines Nachfolger Johannes (XXIII.). Von weiteren Mitrenverpfändungen aus dem Besitz Gregors XII. ist nach dem April 1409 nichts mehr zu hören 35 . Offensichtlich ist ihm die Auslösung seiner bis dahin in Florenz deponierten Stücke nicht mehr gelungen. Die Konzilsväter von Pisa hatten bereits sehr früh ihre Aufmerksamkeit den von Gregor XII. versetzten Wertobjekten zugewendet. Die Zeugenvernehmung zu Artikel XIX der Anklagen gegen Papst Gregor XII. auf dem Konzil von Pisa, qualiter Gregorius alienavit iocalia preciosa, scilicet mitras et alia, et insuper urbem Romanam et alias terras ecclesiae, bietet zahlreiche Aussagen geistlicher wie weltlicher Provenienz mit teilweise sehr detaillierten Angaben, die sich allerdings untereinander und mit den von uns behandelten urkundlichen Belegen nicht immer zur Deckung bringen lassen 36 . Festzuhalten ist jedoch von vornherein, daß in ihnen stets allein von Mitren, einer bescheideneren und einer wertvolleren, nie dagegen von einer Tiara oder Corona die Rede ist. Der Kardinalpresbiter Konrad, Bischof von Mileto, bezeichnete es als communis opinio, daß eine große Mitra Gregors bei den Spini, eine andere bei den Ricci in Florenz verpfändet sei, und er wußte bedeutungsvoll hinzuzufügen, daß beide Handelshäuser den Kardinälen diese Mitren bereits gegen Erstattung der dafür verauslagten Gelder angeboten hätten 37 . Die zuverlässigsten Angaben stammen von dem Florentiner Kaufmann Gerius Jeronimi (Gerio del Testa), der damals dem Bankhaus des Doffo degli Spini angehörte 38 . Nach ihm war die geringerwertige der beiden Mitren bei der Societät der Ricci in Florenz für 4.000 fl. verpfändet, die wertvollere dagegen bei „Matheus Chenasalici“ (nach anderer Lesart: „Chenazlici“), die jener aber später einem Anthonius Johannis Roberti weiter verpfändete. Er glaube, daß diese Mitra allerdings in den nächsten drei Tagen durch Nikolaus von Orvieto ausgelöst werde, der zu diesem Zweck mit Geld nach Florenz gekommen sei. Das trifft sich, wenn man den offenkundig verballhornten Namen des einen Depositars in „Matteo Tenaglia“ korrigiert, genau mit den von uns analysierten Dokumenten aus dem Vatikanischen Archiv

Eubel (Anm. 27) S. 551 f., 562. Gregor besaß nach dem Verzeichnis der ihm 1410 aus Cividale zurückerstatteten Paramente una media mitra vetus; vgl. Petersohn (Anm. 33) S. 68, Beilage I Nr. 74. Mehrere Mitren weist das Verzeichnis der ihm 1411 nach Gaeta ausgelieferten Paramente auf; vgl. A. Mercati, La biblioteca privata e gli arredi di Cappella di Gregorio XII, in: Miscellanea Francesco Ehrle, vol. 5: Biblioteca ed Archivio Vaticano, biblioteche diverse (= Studi e testi 41) (Roma 1924), 151, 154 f. 36 J. Vincke (Hg.), Acta Concilii Pisani, in: RQ 46 (1938) S. 261–264; das Zitat im Text S. 261. – Zur Quellenfrage und ihrer bisherigen editorischen Behandlung D. Girgensohn, Über die Protokolle des Pisaner Konzils von 1409, in: AHC 18 (1986) S. 105 ff.; Ders., Materialsammlungen zum Pisaner Konzil von 1409: Erler, Finke, Schmitz-Kallenberg, Vincke, ebd. 30 (1998) S. 514 ff. – Für Auskünfte zu diesem Komplex sei Dieter Girgensohn herzlich gedankt. 37 Vincke (Hg.), (Anm. 36) S. 262. 38 Zu ihm Esch, Bankiers (Anm. 9) S. 303. Seine Aussage siehe Vincke (Anm. 36) S. 264. 34 35

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über die Mitra B 39 . Die seit 1405 bei den Bicci de’Medici verpfändete kleinere Mitra (unsere Mitra A) war offenbar, was durch zusätzliche Aussagen erhärtet wird 40 , zu unbekanntem Zeitpunkt von den Ricci übernommen worden. Wahrscheinlich ist es den Konzilspäpsten damals geglückt, beide Wertstücke in ihren Besitz zu bringen. Aber auch sie kamen auf die Dauer nicht ohne die in Pisa angeprangerte Verfahrensweise des Correrpapstes aus. Der Liber pactorum et capitulorum inter sedem apostolicam et diversos der Vatikanischen Bibliothek für die Jahre 1411–1415 belegt jedenfalls, daß Papst Johannes (XXIII.) zwei Mitren besaß, die er am 16. bzw. 19. August 1412 an das Bankhaus der Medici verpfändete 41 . Es handelt sich bei diesen Dokumenten nicht um Verpfändungsurkunden der vorangehend betrachteten Art, sondern um detaillierte Objektbeschreibungen zweier reich verzierter päpstlicher Mitren, die damals im Vollzug einer Darlehensgewährung an die Apostolische Kammer dem Florentiner Bankhaus als Sicherheit überlassen wurden. Auffällig ist, daß die eine von ihnen als Mitria Benedictina, die andere als Mitra Gregoriana sive melior bezeichnet wird. Ob es sich bei ihnen um die Mitren A und B aus dem Besitz Gregors XII. handelte, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Könnte die Bezeichnung „Mitra Gregoriana“ für das wertvollere Objekt die Folgerung nahelegen, daß es sich bei ihr um die von Papst Gregor XII. mehrere Jahre hindurch in Florenz verpfändete Mitra preciosa (Mitra B) handelt, so fällt es schwer, für die Bezeichnung „Mitria Benedictina“ eine ähnlich plausible Erklärung anzubieten. Besagt sie, daß dieses Stück aus dem Besitz des avignonesischen Papstes Benedikt XIII. in die Hände der Pisaner Päpste gelangte? Daß Benedikt XIII. eine seiner Mitren in Florenz verpfändete, ist trotz gelegentlicher Beziehungen des italienischen Bankzentrums auch zu Avignon schwer vorstellbar, da dieser Papst, in Finanzdingen besser gestellt als Gregor XII., seinen Schatz bis zu seinem Tod einigermaßen zusammenzuhalten verstand 42 . Soll man daher annehmen, daß abtrünnige Kardinäle der avignonesischen Obedienz ein solches Objekt in ihren Besitz gebracht und schließlich dem neugewählten Konzilspapst ausgehändigt hatten? Auf jeden Fall wäre es gewagt zu behaupten, daß es sich bei diesem Stück um die seit Innocenz VII. verpfändete Mitra A handelte. Erneut werden in den folgenden Jahren päpstliche Prunkmitren als Bankdepositen in Florenz greifbar: Am 2. November 1413 gab die Camera apostolica Johannes’ (XXIII.) duas mitras pretiosas lapidibus et perlis intextas mit weiteren

39 Vgl. die Belege vom 17. und 18. Februar 1407, vom 16. und 22. April 1408 und 19. April 1409. 40 Vgl. die Zeugenaussagen des Magisters B. de Monticulo, des Kardinals von Mileto sowie des Florentiner Kaufmanns Aldigerus Francisci Biliottis; Vincke (Hg.) (Anm. 36) S. 261 f., 262, 264. 41 BAV, Barb. lat. 2668 fol. lviii v – lviiii r, lviiii v – lx r. Ungedruckt. 42 H. Finke, Zur spanischen Kirchengeschichte der Jahre 1414–1418, in: RQ (1893) S. 174 ff.; vgl. auch Esch, Rezension Favier (Anm. 8) S. 148 f.

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Schmuckstücken für 14.000 fl. bei Tommaso Sassetti in Pfand 43 . Deren weiteres Schicksal bleibt im Dunkel, doch gab der Papst, als er wenig später zum Konzil nach Konstanz zog, Giovanni di Bicci de’Medici eine Mitra preciosa zur Aufbewahrung, die sich Martin V., durch den Erzbischof von Salerno hierüber informiert, am 22. März 1419 zurückerstatten ließ 44 . Es würde erheblich vom Untersuchungsziel wegführen, die Analyse der Mitren-Verpfändungen auch über die Schismazeit hinaus fortzusetzen. Für unsere Themastellung wesentlich ist nach wie vor die offene Frage: Handelt es sich bei den mehrere Jahre hindurch in ihren wechselnden Schicksalen verfolgten Mitren Papst Gregors XII. um eine Tiara (bzw. gar um deren zwei) oder aber doch, wie die Sprache der Quellen nahelegt, um Mitren? Jean Favier konstatierte am Ende seines Überblicks über diese Verpfändungsfolge (die er allerdings stets auf ein und dasselbe Objekt bezog): „notons qu’il ne s’agit pas d’une quelconque mitre précieuse, et que le terme désigne peut-être bien la tiare“ 45 und verzeichnete schließlich, seinem „peut-être“ zum Trotz, dieses Objekt im Sachregister seines Buches unter dem Stichwort „TIARE“ 46 . Ist es gerechtfertigt, an dieser Meinung im Widerspruch zu den klaren Wortbelegen weiterhin festzuhalten? Unklarheiten in der sachlichen Zuordnung der Begriffe Mitra und Tiara lassen sich eigentlich nur in der frühen, von der Forschung zudem sehr uneinheitlich interpretierten Entwicklungsphase der päpstlichen Kopfbedeckungen feststellen 47 . In dem Maße, wie sich im 11. und 12. Jahrhundert am Papsthof differenzierte zeremonielle Funktionen und klar unterscheidbare Formen beider Ehrenmützen herausbildeten und die zweispitzige päpstliche mitra bicornis bzw. biplana sich im hohen Klerus des lateinischen Europa durchsetzte, waren Verwechslungen in römischen und romverbundenen Kreisen eigentlich kaum mehr möglich 48 . Die Bezeichnung tiara steht seit dem 12. Jahrhundert in sprachlicher 43 G. Camerani Marri (Hg.), I documenti commerciali del fondo diplomatico Mediceo nell’Archivio di Stato di Firenze (1230–1492). Regesti (Firenze 1951) S. 28 Nr. 31. – Zu Tommaso Sassetti A. Lillie, Florentine Villas in the Fifteenth Century (Cambridge 2005) S. 159 f. – Zur damit verbundenen Funktion der Medici-Bank als Depositare der päpstlichen Kammer in der Zeit Johannes’ (XXIII.) vgl. de Roover (Anm. 9) S. 196 ff.; Holmes (Anm. 9) S. 364 (mit weiteren Aufschlüssen zum obigen Mitrengeschäft S. 371). 44 Camerani Marri (Anm. 43) S. 32 f. Nr. 48, 49. Vgl. auch Müntz, (Anm. 52) S. 289 f. (sie allerdings trotz eindeutigen Wortgebrauchs für eine Tiara ausgebend). 45 Favier (Anm. 4) S. 552. 46 Ebd. S. 844. 47 Vgl. insbesondere J. Braun, Die liturgische Gewandung im Occident und Orient nach Ursprung und Entwicklung, Verwendung und Symbolik (Freiburg /Br. 1907) S. 424 ff., 439 ff.; B. Sirch, Der Ursprung der bischöflichen Mitra und der päpstlichen Tiara (= Kirchengeschichtliche Quellen und Studien 8) (St. Ottilien 1975); G. B. Ladner, Der Ursprung und die mittelalterliche Entwicklung der päpstlichen Tiara, in: Tainia. Roland Hampe zum 70. Geburtstag (Mainz 1980), Bd. 1 S. 449 ff., 462 ff. mit Bd. 2, Taf. 86–93. Die gängigen Handbücher und Lexika bieten ein sehr unterschiedliches Bild. 48 Zu diesem Entwicklungs- und Differenzierungsprozeß vor allem M. Andrieu, Les Ordines Romani du haut moyen âge, Bd. 4 (= Spicilegium sacrum Lovaniense 28) (Louvain 1956) 173 ff. Vgl. auch Braun (Anm. 47) S. 447 ff., 458 ff., 495 ff.; C. Sachsse, Tiara und Mitra der Päpste, in: ZKG 35 (1914) S. 481–501; Ladner (Anm. 47) S. 466 ff.

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Konkurrenz zu lat. corona und regnum, nicht aber zu mitra 49 . Papst Innocenz III. hat in zwei Predigten der Öffentlichkeit die unterschiedliche Zuordnung von Tiara und Mitra als Sinnbilder der weltlichen und geistlichen Gewalt des Papsttums verdeutlicht: Romanus igitur pontifex in signum imperii utitur regno et in signum pontificii utitur mitra und: In signum spiritualium contulit mihi mitram, in signum temporalium dedit mihi coronam; mitram pro sacerdotio, coronam pro regno 50 . Am eindrücklichsten veranschaulichte ihre abweichende Hoheitsaussage das seit Ende des 13. Jahrhunderts nachweisbare Zeremoniell der Papstkrönung, bei der am Ende der Messe der Prior der Kardinaldiakone dem Neugeweihten, nachdem er auf einem auf den Stufen der Peterskirche aufgestellten Thron Platz genommen hatte, die Mitra abnahm und die Tiara aufsetzte, in deren Schmuck er dann feierlich zum Lateran ritt 51 . Auch die äußere Form beider Kopfbedeckungen erlaubte im Grunde keine Verwechselungen mehr. Bei der päpstlichen Tiara handelte es sich um ein auf eine edelsteingeschmückte Spitze zulaufendes, zunächst konisches, später bauchiges Gebilde mit anfangs einem, später bis zu drei darüber gelegten Kronreifen 52 . Die Mitra des Papstes und der Bischöfe sowie eigens dafür priviligierter Äbte hingegen war in ihrer ausgebildeten Form eine aus festem Stoff bestehende, in zwei nunmehr über Stirn und Nacken emporragende Schilde (Hörner, cornua) auslaufende liturgische Kopfbedeckung 53 . Für sie bildete sich im Spätmittelalter die Unterscheidung in drei in abgestufter Weise ausgestattete und zu unterschiedlichen Anlässen zu gebrauchende Typen aus, die als Mitra preciosa, Mitra auriphrygiata und Mitra simplex bezeichnet wurden 54 . Daß auch in dieser Zeit an der Kurie noch Mitra und Tiara gelegentlich sprachlich ineinandergeworfen wurden, ist eine zwar gelegentlich anzutreffende, nie aber eindeutig bewiesene Behauptung 55 .

Vgl. Ladner (Anm. 47) S. 455, 461. Sermo de sanctis, VII: Predigt zum Silvestertag; Migne PL 217 Sp. 481; weiterhin Sermo III (In consecratione pontificis); ebd. Sp. 665. Dazu F. Kempf, Papsttum und Kaisertum bei Innocenz III. (= Miscellanea Historiae Pontificiae 19) (Roma 1954) S. 292 f. 51 Et prior diaconorum cardinalium extrahit ei mitram et ponit coronam que vocatur regnum in capite, toto populo acclamante Kyrie eleison; Michel Andrieu (Hg.), Le pontificale Romain au moyen âge, Bd. 2 (= Studi e testi 87) (Città del Vaticano 1990) S. 376 Nr. 31 (Ordo XIII B); vgl. ebd. App. I S. 535 Nr. 46 (Ordo Papst Gregors X.). Dazu A.-G. Martimort, Les „ordines“, les ordinaires et les cérémoniaux (= Typologie des sources du moyen âge occidental 56) (Turnhout 1991) S. 102 f.; vgl. insgesamt auch E. Eichmann, Weihe und Krönung des Papstes im Mittelalter, aus dem Nachlaß hg. von K. Mörsdorf (= Münchener theologische Studien III 1) (München 1951) S. 36 ff., 56 f. 52 E. Müntz, La Tiare pontificale du VIIIe au XVIe siècle, in: Mémoires de l’Institut National de France, Académie des Inscriptions et Belles-Lettres 36 (1898) S. 254 ff., 273 ff., 286 ff.; Braun (Anm. 47) S. 498 ff.; Ladner (Anm. 47) S. 462 ff.; Sirch (Anm. 47) S. 163 ff. – Die Auswertung der manchmal sehr phantasievoll gestalteten zeitgenössischen Abbildungen und Bildwerke bedarf methodisch besonderer Vorsicht. 53 Braun (Anm. 47) S. 452 ff., 458 ff., 474 ff. 54 Ebd. S. 429 ff., 472 ff. 55 Vgl. etwa Müntz (Anm. 52) S. 237, 283, 288, 289 f., 290, 295, 310; Braun (Anm. 47) S. 476. 49 50

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Mit wünschenswerter Eindeutigkeit lassen vor allem die zeitgenössischen Inventare von Wertgegenständen eine klare Unterscheidung beider Objekte in Nomenklatur und Beschreibung erkennen. Das gilt gerade für die römische Kurie selbst. Die seit dem späten 13. Jahrhundert erhaltenen päpstlichen Schatzverzeichnisse, eine Gattung, der die von uns betrachteten Verpfändungsurkunden in gewisser Weise nahestehen, verzeichnen jeweils – oft mit präzisen Details – nur eine Tiara (corona, regnum), zählen andererseits aber, manchmal zu umfangreichen Gruppen vereint, eine Vielzahl von Mitren mit teilweise sehr hohen Schätzwerten auf. So nennt das große Schatzverzeichnis Papst Bonifaz’ VIII. vom Jahre 1295 unter dem Rubrum Corona et mitre ein regnum sive corona, reich mit Edelsteinen besetzt und von einem großen Rubin gekrönt, unten von einem Kranz von acht Schmelzen umrandet 56 . Im Perugianer Thesaurus Clemens’ V. von 1311 wird eine Tiara nicht genannt; vermutlich war sie in einem der von Kardinälen versiegelten Behältnisse im Papstgemach Bonifaz’ VIII. und Benedikts XI. verwahrt, die die Verzeichnenden ohne spezielle päpstliche Erlaubnis nicht zu öffnen wagten 57 . Das Nachlaßverzeichnis dieses Papstes von 1314–1316 belegt dann jedoch coronam, que vocatur regnum, cum 3 circulis aureis et multis lapidibus preciosis et perlis, vermerkt dazu allerdings: Deficit rubinus preciosissimus, qui consuevit esse in summitate, et plura alia 58 . Das Inventar des Papstschatzes beim Regierungsantritt Clemens’ VI. 1342–1343 erwähnt schlicht: Item tiaram papalem 59 . Im Verzeichnis Papst Innocenz’ VI. von 1353 dagegen heißt es: Item fuit reperta in camera dicti domini camerarii tiara pape cum 1 carboncle in cacumine cum aliis multis perlis et lapidibus preciosis 60 . Der verlorene Rubin der Spitze war inzwischen also durch einen Karfunkel (was immer darunter zu verstehen ist) ersetzt worden. Mitren kommen, wie gesagt, in allen Schatzverzeichnissen in großer Zahl vor. Bei den reicher ausgestatteten Objekten unterscheiden die Einzelbeschreibungen, den gegenständigen „Hörnern“ auf der Stirn- und der Nackenseite entsprechend, gerne zwischen dem Bild- bzw. Schmuckbestand der Vorder- und Rückseite 61 . So heißt es im Inventar Bonifaz’ VIII. von 1295 wiederholt: ex parte Anm. 1. Soweit es Quellenbelege hierfür gibt, stammen diese aus kurienfernen Zusammenhängen. 56 E. Molinier (Hg.), Inventaire du Trésor du Saint Siège sous Boniface VIII (1295), in: BECh 45 (1884) S. 48 f.: Item regnum sive corona … . In summitate autem habet unum rubinum grossum, in inferiori autem parte habet unum circulum cum esmalitis, …. 57 Inventarium thesauri ecclesiae Romanae apud Perusium asservati iussu Clementis papae V factum MCCCXI (= Regesti Clementis papae V ex Vaticanis archetypis … editi cura et studio monachorum ordinis s. Benedicti appendix 1) (Romae 1892) S. 512 f. 58 H. Hoberg (Hg.), Die Inventare des päpstlichen Schatzes in Avignon 1314–1376 (= Studi e testi 111) (Città del Vaticano 1944) S. 16. Vgl. erneut die Übersicht über das Gesamtgewicht der Gegenstände aus Edelmetall und der Gesamtzahl der Paramente ebd. S. 36: Item corona, que dicitur regnum sive tyara, cum 3 circulis auri et multis lapidibus preciosis. 59 Hoberg (Anm. 58) S. 77. 60 Ebd. S. 203. 61 Vgl. dazu Braun (Anm. 47) S. 473 f.

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anteriori, ex parte vero posteriori oder ex una parte, ex alia parte und ähnlich 62 . Die Aufzählung der Mitren in dem Verzeichnis des Thesaurus von Perugia 1311 beginnt mit einem Prunkexemplar, bei dem für die Anordnung der aufgezählten Edelsteine folgende Positionen genannt werden: … in parte anteriori … . Et in eadem parte … ; sunt enim in eadem parte … , … in parte vero posteriori dicte mitre … 63 . Bei weiteren Exemplaren treten dann Unterscheidungen auf wie: a parte anteriori, in dicta parte oder in eadem parte, in parte vero posteriori bzw. ut in alia parte, dazu ante et post sowie ante et retro 64 . Im Nachlaßinventar Clemens’ V. von 1314–16 ist die Rede von einer „mitra solempnis“ cum 16 zaphiris grossis in cruce ante et retro und 34 balaciis in cruce ante et retro 65 . Innocenz VI. übernahm 1353 nach seinem Regierungsantritt u. a. eine Mitra cum 2 esmaltis viridibus a parte ante et totidem a parte post 66 . In dem Verzeichnis der Papst Gregor XII. 1411 nach Gaeta überstellten Paramente heißt es zu einer Mitra in weißem Purpurgewebe mit Steinen von unterschiedlicher Farbe und Aufnähern nach Art von Perlen: Ante quinque figure, totidem retro 67 . Genau diese Unterscheidung von „vorne“ und „hinten“, die sich nur auf die getrennten Schmuckflächen von Mitren anwenden ließ, bei den einheitlich geformten Papstkronen aber sinnlos war, läßt sich auch in den Mitrenbeschreibungen der Jahre 1408 und 1412 ausmachen. Die dem Vertrag vom 16. April 1408 wenigstens mit ihrem Anfang inserierte descripcio der Mitra B enthält immerhin die Distinktion: in prima et anteriori parte bzw. supra frontem 68 . Die ausführliche Beschreibung von 1412 differenziert für die „Mitria Benedictina“ zwischen: in parte seu latere anteriori (danach mehrfach: in dicto latere) und: Ab alio latere (anschließend wiederholt: in dicto latere) 69 . In beiden Fällen handelt es sich also eindeutig um Mitren. Keine direkten Aufschlüsse dieser Art liefert die Beschreibung der „Mitra Gregoriana“ vom Jahre 1412 70 . Hier ist die Aufzählung stark systematisiert, führt tabellenförmig die Gattungen der jeweiligen Juwelen summenhaft vor, ohne sich um ihren Standort (vorne, hinten) im einzelnen zu kümmern. Dennoch ergibt sich auch für dieses Objekt, daß eine entsprechende Fülle von Perlen und Edelsteinen nicht auf einem Metallkörper angebracht vorzustellen ist. Ihre Grundlage kann nur ein versteifter Stoffträger gewesen sein, wie er für Mitren allgemein üblich war. Bleiben wir bei Gregor XII. Für ihn ist das Fazit unabweisbar: Um eine Tiara kann es sich bei keinem der behandelten Verpfändungsobjekte aus seiner Zeit gehandelt haben. Auch wenn sie von hohem Wert waren; es waren eindeutig

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Molinier (Anm. 56) S. 48 ff. Inventarium thesauri apud Perusium asservati (Anm. 57) S. 408. Ebd. S. 408 f. Hoberg (Anm. 58) S. 18. Ebd. S. 256. Mercati (Anm. 35) Beilage III S. 154. Vgl. oben Anm. 20. BAV, Barb. lat. 2668 fol. lviii v – lviiii r. Vgl. oben zu Anm. 41. Ebd. fol. lviiii v – lx r.

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Mitren. Papst Gregor XII. darf guten Gewissens aus der Liste der mittelalterlichen Monarchen, die ihre Hoheitszeichen verpfändeten oder veräußerten, gestrichen und von dem Makel, den Gregorovius damit verband, losgesprochen werden.

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Meine wissenschaftlichen Arbeiten als Rektor des Campo Santo Teutonico (1975–2010) Von ERWIN GATZ (†) Bei meiner Ernennung zum Rektor des Campo Santo Teutonico hatte ich nur sehr allgemeine Instruktionen über meine Aufgaben erhalten. Daher besaß ich einen großen Spielraum. Ich nutzte ihn, indem ich einen Teil meiner Zeit der kirchengeschichtlichen Forschung widmete. Über die von mir in den 35 Jahren meines Rektorates realisierten Großprojekte habe ich bereits berichtet 1 . Darüber hinaus arbeitete ich auf vielen Feldern. Als Ordinarius an einer Universität hätte ich das in diesem Umfang wohl kaum tun können. Manche Bekannte, so auch mein Habilitationsvater Prof. Eduard Hegel, hatten befürchtet, dass meine Berufung nach Rom das Ende meiner Aktivität als Kirchenhistoriker bedeutete. So ist es aber nicht gekommen. Zunächst waren meine Lebensverhältnisse im Kolleg und im Institut der Görres-Gesellschaft allerdings noch ungünstig, denn ich wohnte praktisch in einer Baustelle. Die Bibliothek war verschmutzt und kaum benutzbar. Erst acht Monate nach meiner Ankunft bezog ich meine definitiven Arbeits- und Wohnräume. Unmittelbar vor meiner Übersiedlung nach Rom im Februar 1975 hatte ich bei der Kommission für Zeitgeschichte in Bonn das Manuskript des Bandes „Akten der Fuldaer Bischofskonferenz I: 1871–1887“ übergeben. Ich hatte die Übernahme des Rektorates dieses Bandes wegen um Monate hinausgezögert, denn ich wollte meiner neuen, noch unbekannten Aufgabe nicht alles opfern, gab ich doch den Status eines Beamten auf Lebenszeit auf und erhielt eine rechtlich weniger abgesicherte, aber, wie sich im Laufe der Jahre zeigen sollte, viel kreativere Stellung. Mir lag jedenfalls daran, den ersten Band meiner mit so vielen Mühen erarbeiteten Edition zügig zum Druck zu befördern. Das war auch wichtig, weil meine Veröffentlichungen bis dahin vornehmlich regionalen Themen gewidmet waren. Den Ruf, vielleicht „nur“ ein Regionalhistoriker zu sein, wollte ich abstreifen. Der Band fand eine gute Aufnahme 2 . Dem Campo Santo Teutonico wäre es allerdings bekommen, wenn ich mich wegen der damals laufenden Restaurierungsarbeiten schon im Herbst 1974 nach Rom begeben hätte. Die Drucklegung war mit großen Schwierigkeiten verbunden. Das lag einmal an den noch ungünstigen Lebens- und Arbeitsbedingungen, die ich in Rom vorfand. Vorrangig war das Erlernen der italienischen Sprache, die ich zunächst nur rudimentär beherrschte. Dazu kam die Einarbeitung in das schwer durchschaubare Gebilde Campo Santo. Außerdem stand mir zunächst kein wissen-

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Aus meinem Leben (Regensburg 2010) 101–148, Schriftenverzeichnis 151–183. Akten der Fuldaer Bischofskonferenz, Bd. 1: 1871–1887, CXXIII, 789 S. (Mainz 1977).

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schaftlicher Apparat zur Verfügung. Erst im April 1976 erhielt ich mit Norbert Klinkenberg einen Assistenten. Aber auch seitens der Kommission fehlte es nicht an Schwierigkeiten. Es gab nämlich keine eindeutigen Direktiven für die Gestaltung der Edition, und über formale Einzelheiten gingen die Ansichten auseinander. Als Betreuer war mir Prof. Andreas Kraus zugewiesen worden. Er strich kräftig in meinem Manuskript herum. Ich empfand dies als unsympathisch und habe selbst später die Manuskripte meiner Mitarbeiter schonend behandelt. Kein Autor, der seinen Text mit Sorgfalt erarbeitet und ins Reine geschrieben hat, sieht es gern, wenn andere darin zu krass herumstreichen, auch wenn Korrekturen vor allem bei Beiträgen zu Handbüchern oder Lexika schon wegen der formalen Vereinheitlichung unvermeidlich sind. Als ich das Bischofslexikon und die Geschichte des kirchlichen Lebens begann, erhielt ich zunächst oft defizitäre Texte. Ich habe deren Bearbeitung stets persönlich vorgenommen, sie dann noch einmal stilistisch durchsehen und ins Reine schreiben lassen und sie erst dann dem Autor zur Überprüfung zugestellt. Seit Einführung des PC wurde dies natürlich einfacher. Ich hatte kaum je Schwierigkeiten mit meinen Autoren, da ich ihnen stets eine saubere Endfassung vorlegte. Bei der Drucklegung der Akten der Fuldaer Bischofskonferenzen erhielt ich meine Texte gräulich verwüstet zurück. Bezüglich der Edition galten die Bände von Bernhard Stasiewski als Norm. Dieser hatte eine meiner Meinung nach zum Selbstzweck gewordene Textkritik entwickelt. Der textkritische Apparat war aufgebläht, die sachliche Erschließung durch Fußnoten dagegen karg. Ich habe diesbezüglich mehr Erschließungsarbeit geleistet. Meinungsverschiedenheiten gab es auch bezüglich der Einleitung. Einige Mitglieder der Kommission für Zeitgeschichte hätten gern gesehen, wenn ich nur die reinen Texte ediert hätte. Auch Hubert Jedin meinte, durch eine Einleitung würden die Interpretation und die Rezeption präjudiziert. Ich wollte jedoch nicht nur die Kärrnerarbeit des Bearbeiters, sondern auch eine erste Auswertung vornehmen. Daher schrieb ich zu allen Bänden eine ausführliche Einleitung, faktisch eine knappe Geschichte der Bischofskonferenz für den jeweiligen Zeitraum. Stasiewski hatte früh damit begonnen, Material über den deutschen Episkopat und den Nationalsozialismus zu sammeln, dann aber die Publikation so verzögert, dass das Material während der sechziger Jahre, als die Diskussion um Kirche und Nationalsozialismus voll entbrannte, noch nicht zur Verfügung stand. Die damals festgeschriebenen Fehlurteile waren nur schwer zu korrigieren. Später nahm man ihm die Edition und ließ die letzten Bände durch P. Ludwig Volk SJ bearbeiten, der sie zügig zu Ende brachte. Der Name des persönlich sehr sympathischen Stasiewski löste in der Kommission und bei Eingeweihten noch lange Unmut aus. Im Herbst 1975 gingen die Korrekturfahnen endlich in Rom ein. Bei der Durchsicht unterstützte mich u. a. Mons. Norbert Kocholaty. Dieser Leitmeritzer Priester war nach seiner Vertreibung aus der Heimat Studienrat in Passau geworden und erfüllte sich nach der Pensionierung einen Jugendtraum, indem er einige Jahre in Rom verbrachte. Er wohnte bei den Addolorata-Schwestern in

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kärglichen Verhältnissen und erschien nur im Talar und im damals schon seltenen Capello romano. Er führte zahlreiche Pilgergruppen durch Rom sowie durch die Nekropole unter St. Peter und war der römische Verbindungsmann von Kardinal Frantisˇek Tomasˇek, mit dem er regelmäßig telefonierte. Als er älter wurde, zog er sich nach Passau zurück. Bei der Suche nach Quellen zur Geschichte der Bischofskonferenzen im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes stieß ich auf einen wertvollen Bestand über die Kirche in den preußischen Ostprovinzen. Noch reichhaltigeres Material dazu dürfte sich im Archiv des ehemaligen preußischen Kultusministeriums befinden. Dieses lag in Merseburg und war mir damals nicht zugänglich. Die Quellen im Archiv des Auswärtigen Amtes bezogen sich auf die höhere Personalpolitik, über die mit dem Hl. Stuhl verhandelt werden musste. Dabei begegnete ich wieder Kurd von Schlözer, den ich schon aus der Arbeit an den Akten der Bischofskonferenz kannte. Dieser preußische Gesandte beim Hl. Stuhl (1882–92) schrieb witzige und klarsichtige Berichte. Christoph Weber riet mir einmal zu einer Edition seiner Korrespondenz mit Bismarck. Rudolf Morsey riet dagegen ab, da es schon genug Editionen gäbe, die nicht rezipiert würden. Ich befolgte diesen Rat, brachte es aber immerhin auf vier Quellenbände bei der Kommission für Zeitgeschichte. Das genügte mir. Denn noch wichtiger und interessanter als die Edition von Quellen schienen mir ihre Interpretation und die synthetische Darstellung eines Themas. Ich ließ die zur Edition vorgesehenen Stücke im Auswärtigen Amt noch vor meiner Übersiedlung nach Rom fotokopieren und ins Reine schreiben. Als ich nach Rom ging, war der Band über die preußische Kirchenpolitik in den Ostprovinzen, zu dem ich wiederum eine große Einleitung schrieb, weit vorangeschritten. Ich fuhr während meiner ersten römischen Jahre gleich am ersten Ferientag unverzüglich, ohne anzuhalten und aus Zeitersparnis oft sogar mit dem Autoreisezug nach Deutschland, um mich schon am folgenden Tag ins Archiv zu begeben. Mein kommissarischer Vorgänger Herbert Michel und der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz Prälat Josef Homeyer waren möglicherweise mit meinem wissenschaftlichen Überschwang nicht glücklich. Das konnte ich aus ihrer Sicht verstehen. Die spätere Entwicklung hat mir aber Recht gegeben, denn ich konnte handfeste Veröffentlichungen vorlegen, die nicht nur für Spezialisten, sondern auch für das aktuelle kirchliche Leben von Bedeutung wurden. Durch die Beschäftigung mit der Problematik des preußischen Polen wurde ich mit dem Thema Kirche und Muttersprache sowie mit der Geschichte der Bistümer und ihrer Bischöfe in den Ostprovinzen vertraut. Das sollte noch von Bedeutung werden. Im Herbst 1975 waren die Arbeiten abgeschlossen und ich sandte das Manuskript an die Kommission für Zeitgeschichte. Diese wies mir Dieter Albrecht als Betreuer zu. 1977 lag der Band vor 3. Auch er fand im All3 Akten zur preußischen Kirchenpolitik in den Bistümern Gnesen-Posen, Kulm und Ermland 1885–1914. Aus dem politischen Archiv des Auswärtigen Amtes (Mainz 1977) XCV, 283 S.

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gemeinen eine positive Würdigung. Kritik äußerte nur der DDR-Historiker R. Mai, da ich die Rolle des Klerus zu positiv gewürdigt hätte. Schon vor meinem römischen Dienstantritt hatte ich mit der Arbeit am zweiten Band Akten der Fuldaer Bischofskonferenz für die Jahre 1888–1899 begonnen. Die wichtigsten Quellen fand ich im Historischen Archiv des Erzbistums Köln, teils auch in der Registratur, in die nicht leicht hineinzukommen war. Ihr Direktor Prälat Franz Schmelzer war jedoch ein Bruder meines früheren Religionslehrers Karl Schmelzer, und da wir beide aus Aachen stammten, kam er mir entgegen. Sein Stellvertreter, ein Herr Pohl, der sehnsüchtig auf die Leitung der Registratur wartete, gewährte mir aber keinen Einblick in das Findbuch. Ich musste ihm vielmehr meine Stichworte nennen, während er dann nach eventuellen Aktenbeständen suchte. Oft gab es Fehlanzeigen. Als aber das Eis gebrochen war und ich das Findbuch selbst konsultieren durfte, fand ich vieles, was zuvor als unauffindbar gegolten hatte, denn ich las natürlich mit geübtem Blick. Ich erhielt einen Arbeitsplatz in der Registratur und durfte schließlich sogar ins Magazin gehen, um mir meine Aktenbände zu holen. Sie befanden sich in einer Abteilung, die mittlerweile ins Historische Archiv überführt ist und sich damals in einem völlig verschmutzten Zustand befand. Offenbar hatte sich dort seit Kriegsende niemand mehr umgesehen. Während der erste Band der Akten der Bischofskonferenz vollständig von der Thematik des Kulturkampfes bestimmt war, enthält der zweite Band die Jahre bis 1899, als der Kölner Erzbischofs Kardinal Philipp Krementz, der kirchenpolitisch seinem Widerpart, dem Breslauer Fürstbischof Kardinal Georg Kopp, das Wasser nicht reichen konnte, den Vorsitz führte. Krementz vertrat den harten Flügel der Bischofskonferenz bei seinen Verhandlungen um den weiteren Abbau der Kulturkampfgesetze. Dabei standen die kirchliche Bindung der Volksschule und vor allem des Religionsunterrichtes im Vordergrund. Der kompromissbereitere Kirchenpolitiker Kopp unterhielt dagegen enge Kontakte zur römischen Kurie wie auch zur preußischen und zur Reichsregierung, die er, wenn nötig, gegeneinander ausspielte. Durch diesen Band wurde ich mit dem zeitgenössischen Episkopat gut vertraut. Am 25. August 1977 übergab ich das Manuskript der Kommission für Zeitgeschichte. Der Band erschien im Sommer 1978 4 . Er enthält das Register für die Bände I und II. Daran hatte ich vom April bis weit in den Sommer 1978 gearbeitet. Nachdem ich soviel Arbeit in die Erstellung der Texte investiert hatte, schien mir der Aufwand gerechtfertigt. M. E. kann die Erschließung eines solchen Bandes nicht weit genug gehen. Den ersten Band der Akten wollte ich ursprünglich Kardinal Julius Döpfner als Vorsitzendem der Deutschen Bischofskonferenz widmen, der mich als Rektor des Campo Santo Teutonico vorgeschlagen hatte. Da er noch vor der Drucklegung starb, dedizierte ich das Werk stattdessen dem neuen Vorsitzenden Kardinal Joseph Höffner, Döpfner dagegen den Band über die preußische Kirchenpolitik in den Ostprovinzen. Döpfner hatte während des Konzils maßgebenden Anteil an der Annäherung zwischen deutschem und polnischem Epis4

Akten der Fuldaer Bischofskonferenz II: 1888–1899 (Mainz 1979) LXXI, 567 S.

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kopat. So war die Widmung dieses Werkes, das eindrucksvoll dokumentiert, wie sehr die Kirche das Recht auf Muttersprache unterstützt hatte, passend. Den zweiten Band Akten der Bischofskonferenz widmete ich meinem Diözesanbischof Klaus Hemmerle. Seitdem hielt ich mich mit der Dedikation meiner Werke zurück. Lediglich die Biographie Anton de Waals habe ich 1980 dem Gedenken an meinen damals gerade verstorbenen Doktorvater Hubert Jedin gewidmet, und das große Werk über den Campo Santo 1987 Prof. Herbert Schambeck (Wien), der sich um unsere finanzielle Förderung verdient gemacht hatte. Die Kommission für Zeitgeschichte hatte 1977 auf die Ablieferung des zweiten Bandes der Akten der Bischofskonferenz gedrängt, da sie damals über mehr Geld als druckreife Manuskripte verfügte. Als ich ihr anbot, auch die Akten von 1900 bis 1919 zu bearbeiten, stimmte sie sogleich zu. Die Verwirklichung ließ dann aber noch einige Jahre auf sich warten. Anders liefen die Dinge bezüglich der Akten der Freisinger Bischofskonferenz. Ich plante nämlich, auch sie in meine Edition einzubeziehen. Dabei blieb offen, ob sie in chronologischer Reihenfolge denen der Fuldaer Akten in einem gemeinsamen Band eingegliedert werden, oder ob sie in einem eigenen Band veröffentlicht werden sollten. Davon nahm ich jedoch Abstand, als Dietrich Albrecht mir schrieb, die Kommission wolle sie durch Karl Josef Benz bearbeiten lassen. Dieser erhielt erhebliche DFG-Mittel, machte Massen von Fotokopien, die sich in seinem Raum in der Universität Regensburg aufreihten, aber es erschien dazu nur ein einziger Aufsatz, und zwar in der Römischen Quartalschrift 5 . Die von mir bearbeiteten Aktenbände führten als Nebenergebnis zu kleineren Studien aus Funden in den von mir besuchten Archiven. Für den Aufsatz „Zur Neubesetzung der Bistümer Limburg und Fulda 1885–1887“ 6 hatte ich Material aus dem Archiv des Auswärtigen Amtes, den Bistumsarchiven Limburg und Trier, dem Staatsarchiv Marburg und nicht zuletzt aus dem Archiv des Germanikums herangezogen. Dieses habe ich später nur noch selten konsultiert, obwohl es reiches Material enthält. Mit diesem Aufsatz machte ich den Auftakt zu meinen Veröffentlichungen in der Römischen Quartalschrift, deren federführender Herausgeber ich seit Sommer 1975 war. Nicht direkt mit der Edition der Akten der Bischofskonferenz hing der Aufsatz „Katholische Auslandsarbeit und deutsche Weltpolitik unter Wilhelm II. Zur Stiftung der Dormitio in Jerusalem (1898)“ zusammen 7 . Auslöser war der Fund einschlägiger Quellen im Archiv des Auswärtigen Amtes. Es ging dabei um eine Gründung von hohem Symbolgehalt. Ich arbeitete dafür den riesigen Aktenwust durch. Recherchen beim Deutschen Verein vom Hl. Land erwiesen sich dagegen als ergebnislos. Dieser große Mitgliederverein und Träger bedeu5 K. J. Benz, Auf dem Weg zur ersten Bayerischen Bischofskonferenz in Freising 1850. Ein Beitrag zur Biographie von Erzbischof Karl August Graf Reisach, in: RQ 82 (1987) 244–269. 6 RQ 71 (1976) 78–112. 7 RQ 73 (1978) 23–46.

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tender Einrichtungen im Hl. Land besitzt zwar eine Bibliothek, mir schien aber, dass dort mehr Geschäftigkeit und praktische Hilfsbereitschaft als wissenschaftliches Interesse herrschte. Der Aufsatz ist meines Erachtens einer meiner besten. Seine Thematik ging später in die Geschichte des kirchlichen Lebens ein. Auch ein anderes Archiv, das damals nur mit Einschränkungen zugänglich war, fand meine Aufmerksamkeit. Es war das der Kongregation für die außerordentlichen kirchlichen Angelegenheiten. Dafür war der überaus ängstliche P. Angelo Martini SJ zuständig. In einem Besucherraum des Staatsekretariates wurde mir das Findbuch vorgelegt. Die erbetenen Akten wurden dann in den Lesesaal des Vatikanischen Archivs gebracht. Damals waren sie nur bis zum Ende des Pontifikates Pius’ IX. (1878) zugänglich. Mittlerweile ist die Sperrfrist bis 1939 heraufgesetzt. Später trat an die Stelle von Martini der unkomplizierte Mons. Marcello Camisassa. Er erhielt einen eigenen Lesesaal im Turm Innozenz’ III. Ich brauchte ihn nur anzurufen, konnte dann gleich hinüberfahren und wurde dort so prompt bedient wie in keinem anderen römischen Archiv. Ich fand dort vor allem Gutachten für die mit der Bearbeitung der bischöflichen Anfragen beauftragte Kardinalskongregation. Mich überraschte, dass man in Rom in vielen Punkten flexibler und konzessionsbereiter war als der in seiner Art doch starre Kölner Erzbischof Paulus Melchers, Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenzen während des Kulturkampfes 8 . Zum Thema: „Kirchliche Personalpolitik und Nationalitätenprobleme im Wilhelminischen Deutschland“ schrieb ich ebenfalls einen Aufsatz. Ich veröffentlichte ihn im Archivium Historiae Pontificae, wo er erst 1980 herauskam, nachdem er dort zwei Jahre gelegen hatte 9 . Ich wollte in diesem Organ der Historischen Fakultät der Gregoriana, an der ich damals tätig war, auch einmal etwas veröffentlichen. Die Zeitschrift hat jedoch nur eine geringe Verbreitung. Ihre eigentliche Bedeutung liegt bei der Bibliographie zur Papstgeschichte, die P. Arató viele Jahre auf hohem Niveau hielt. Auch diese Thematik ließ ich später in die betreffenden Artikel des Bischofslexikons und in die Geschichte des kirchlichen Lebens eingehen. Außerdem hielt ich darüber dreimal eine Vorlesung, und zwar am 25. Oktober 1975 am Römischen Institut der Görres-Gesellschaft – damit stellte ich mich als neuer Direktor in Rom vor –, am 17. September 1976 vor dem Philosophisch-Theologischen Studium in Erfurt und am 22. Januar 1979 an der Theologischen Fakultät in Freiburg. Schließlich entstand noch ein weiterer Aufsatz als Nebenprodukt meiner Arbeit im Archiv des Auswärtigen Amtes: „Die Vorverhandlungen zur Gründung der katholisch-theologischen Fakultät an der Universität Straßburg (1898– 1902)“ 10 . Heute wäre zusätzlich das Archiv der Kongregation für die außerordentlichen kirchlichen Angelegenheiten zu konsultieren. Es war aber damals E. Gatz, Der preußisch-deutsche Kulturkampf in den Verhandlungen der Kongregation für die außerordentlichen kirchlichen Angelegenheiten, in: RQ 73 (1978) 217–254. 9 AHP 18 (1989) 353–381. 10 RQ 77 (1982) 86–129. 8

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für den fraglichen Zeitraum noch nicht zugänglich. So stützte ich mich auf die Akten des Auswärtigen Amtes und auf die einschlägige Literatur. Die Fakultätsgründung hatte im Vorfeld des Integralismusstreites grundsätzliche Bedeutung, weil sie einen Sieg des liberalen und offenen gegen den integralistischen Katholizismus bildete. Diese Studie ging später in den Band Klerusgeschichte ein. Dem Aufsatz „Domkapitel und Bischofswahlen in Preußen von 1821 bis 1945“ 11 war zwar ein Dokument aus dem Archiv des Auswärtigen Amtes angehängt, aber er war schon aus der Arbeit am Bischofslexikon 1803–1945 hervorgegangen. Die bisher genannten Arbeiten und Publikationen, zu denen später noch der dritte Band der Akten der Fuldaer Bischofskonferenzen 1900–1919 hinzukam, hatte ich in Bonn begonnen. Vom Anfang meiner römischen Zeit an wandte ich mich aber auch römischen Themen zu. Sie standen allerdings zunächst hinter den oben geschilderten zurück, denn meine Position im Institut der Görres-Gesellschaft war zunächst noch unklar. Erst später führte ich es straffer, veranstaltete Symposien zu meinen Projekten, versorgte dadurch die Quartalschrift mit Beiträgen und betonte schließlich auch die Institutsprojekte stärker. Schon im September 1974, als ich noch nicht meine erste Erkundungsreise nach Rom angetreten hatte und meine Kandidatur noch nicht publik war, dachte ich an eine Veröffentlichung über den Campo Santo Teutonico. Ich hatte über meine Pfarreien Grefrath 12 und St. Anna in Düren 13 je ein Buch veröffentlicht. Warum also nicht auch eines über meine neue Wirkungsstätte? Schon bald trat im Hinblick auf das 100jährige Bestehen des Kollegs Ende 1976 der Gedanke an eine Festschrift in den Vordergrund. Ein angemesseneres Memento konnte es für ein wissenschaftliches Kolleg nicht geben. Bald war auch klar, welchen Beitrag ich selbst dazu liefern würde. Er sollte in Fortsetzung einer Studie von Emmerich David 14 die Geschichte von Erzbruderschaft und Kolleg seit dem Tode Anton de Waals (1917) schildern. Den roten Faden für meine Darstellung lieferte mir das Protokollbuch des Verwaltungsrates der Erzbruderschaft. Aber auch anderes Material aus unserem Archiv sowie aus den Archiven der Erzbischöfe von Köln, München und Salzburg zog ich heran. Das Archiv des Campo Santo befand sich bei meinem Amtsantritt in einem desolaten Zustand. Wegen der seit Jahren dauernden Umbauarbeiten war es verpackt und wie ein Teil der Bibliothek wiederholt umgelagert worden. Am schlimmsten stand es mit dem Nachlass von Rektor Hermann M. Stoeckle (1931–54). Stoeckles Eigentum war 1955, als er keine Anstalten machte, seine Wohnung im Priesterkolleg für seinen Nachfolger August Schuchert freizugeben, an einem frühen Morgen, während er wie stets in unendlicher Langsamkeit die Messe zelebrierte, unter Leitung des damaligen Vizerektors, der Oberin und RQ 78 (1983) 101–126. Geschichte der Pfarre und Gemeinde Grefrath (Mönchengladbach 1964). 13 St. Anna in Düren (Mönchengladbach 1972). 14 E. David, Vorgeschichte und Geschichte des Priesterkollegiums am Campo Santo (Freiburg 1928). 11 12

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mehrerer Kollegsmitglieder innerhalb einer Stunde in seine neue Wohnung in der Canonica von St. Peter hinübergetragen worden. Bei diesem Zwangsumzug waren auch Amtsakten mitüberführt worden. Nach dem Tod von Stoeckle sorgte mein kommissarischer Vorgänger Herbert Michel dafür, dass sie in das Kolleg kamen. Ich sah den riesigen Wust durch, kassierte alles Überflüssige und gliederte ca. 15 % in unser Archiv ein. Im November 1975 wurde unser Archivraum hergerichtet. Dabei zeigte sich, dass wir auch zur Geschichte des Görres-Instituts beachtliches Material besaßen. Ich erwog damals, eine Geschichte des Instituts zu schreiben, habe mich dann aber zum Hundertjährigen auf eine knappe Skizze beschränkt 15 , weil für mich inzwischen größere Themen in den Vordergrund getreten waren. Entgegenkommender Weise machte mir der damalige deutsche Botschafter beim Hl. Stuhl, Dr. Alexander Böker, die Akten der Botschaft zum Campo Santo zugänglich. Sie setzten mit der Wiedereröffnung der Botschaft nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahre 1954 ein 16 . Es war das gleiche Jahr, in dem Schuchert als neuer Rektor begonnen hatte. An der Botschaft hatte dagegen kurz zuvor der Paderborner Priester Prof. Dr. Josef Höfer, zuvor Direktor des Leo-Konviktes in Paderborn und Professor für scholastische Philosophie, seine Stelle als Geistlicher Botschaftsrat angetreten. Für mich waren weniger die Fakten interessant, die ich aus dem Botschaftsarchiv erhob, als das Auftreten der Diplomaten gegenüber dem Campo Santo und wohl auch gegenüber anderen kirchlichen Einrichtungen. Ganz unbekannt war es mir natürlich nicht, denn ich hatte seit Jahren im Auswärtigen Amt gearbeitet und hinter die historischen Kulissen schauen können. Daher war mir der Usus von Aktennotizen geläufig. Das 19. und frühe 20. Jahrhundert, in dem ich überwiegend gearbeitet habe, verfügte noch nicht über die Schreibmaschine. Infolgedessen wurde weniger geschrieben und berichtet als nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch verfügte die preußische Gesandtschaft vor dem Ersten Weltkrieg als Mitarbeiter nur über einen einzigen Sekretär, während das Personal an der Deutschen Vatikanbotschaft heute auf ca. 25 angewachsen ist. Das zahlreichere Personal schreibt natürlich mehr. Das eigentlich Interessante für mich waren also die Aktennotizen, und diese kamen folgendermaßen zustande: Der Geistliche und der Weltliche Botschaftsrat fertigten über ihre Gespräche mit kirchlichen Persönlichkeiten mehr oder minder ausführliche Aktennotizen an. Nun stehen und fallen solche Notizen mit der Sachkompetenz und dem analytischen Vermögen des jeweiligen Berichterstatters. Diesbezüglich war der Geistliche Botschaftsrat in einer besonderen Lage. Als Theologe und Priester stand er der Welt des Vatikans und den kirchlichen Einrichtungen nahe wie kein anderer Diplomat. Er befand und befindet sich jedoch in einer Doppelfunktion, die ein großes Maß an Fingerspitzengefühl verlangt. Er muss als Staatsbeamter seinem Arbeitgeber gegenüber loyal sein, Das Römische Institut der Görres-Gesellschaft 1888–1988, in: RQ 83 (1988) 3–18. E. Gatz, Zur Geschichte der deutschen Vatikanbotschaft seit 1920, in: P. Hermes (Hg.), Deutsche diplomatische Vertretung beim Hl. Stuhl (Rom 1984) 41–47. 15 16

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darf aber zugleich seine kirchliche Loyalität nicht verleugnen. Prälat Dr. Josef Höfer spielte in kirchlicher Hinsicht eine Rolle als Mitherausgeber des Lexikons für Theologie und Kirche. Seine große Zeit war die des Zweiten Vatikanischen Konzils, als er viele Gäste empfing und Kontakte vermittelte. Da ich mich lange mit Quellen aus dem Auswärtigen Amt befasst hatte, die Materie also einigermaßen kannte, erwog ich in den ersten Jahren meines Romaufenthaltes eine Geschichte der preußischen Gesandtschaft und später deutschen Botschaft beim Hl. Stuhl zu schreiben. Dazu gibt es bisher nur eine kursorische Darstellung von Franziscus Hanus. Das Material dafür liegt an erster Stelle im Auswärtigen Amt. Ich habe mich dann aber allmählich von der Politikgeschichte abgewandt. Als 1984 das neue Gebäude der Deutschen Botschaft beim Hl. Stuhl bezogen wurde, beteiligte ich mich jedoch an der von Botschafter Dr. Peter Hermes herausgegebenen Festschrift 17 . 1975 fand sich in unserem Archiv das lange vermisste Tagebuch de Waals, eigentlich eine Chronik, die er von 1873 bis zu seinem Tode 1917 geführt hatte, eine erstrangige Quelle zur Geschichte des Campo Santo dieser Zeit. Im Frühjahr 1976 war ich jedoch unschlüssig über meine weiteren Vorhaben. Ich sah damals unsere Zeitschriftenbestände durch und ließ mich durch ihren Reichtum faszinieren. Letztlich fehlte es mir aber an einem überzeugenden Thema. Ich bedauerte nun fast, dass ich seinerzeit das Angebot Eduard Hegels, den dritten Band der Kölner Kirchengeschichte für die Zeit der Reformation und der Katholischen Reform zu übernehmen, nicht angenommen hatte. Wegen der Verbindung zur Kölner Nuntiaturforschung wäre Rom kein schlechter Platz dafür gewesen. Später übernahm Hansgeorg Molitor diese Aufgabe und brachte sie vorzüglich zu Ende. Eine neue Situation trat für mich im April 1976 mit dem Eintreffen von Norbert Klinkenberg ein. Nun hatte ich endlich den ersehnten Assistenten. Er half bei den Editionen, ordnete das Archivgut aus der Zeit seit dem Tode de Waals und legte darüber ein Findbuch an. Dies ermöglichte mir später die eingehende Beschäftigung mit Anton de Waal, die 1980 zur Veröffentlichung seiner Biographie führte 18 . Leitfaden war mir die Chronik de Waals. Neben der Biographie de Waals, die mir einen Einblick in die komplizierte Vorgeschichte des Priesterkollegs vermittelte, bezog ich die Geschichte der Deutschen in Rom in mein Interessengebiet ein. Prof. Erwin Iserloh meinte damals, ich solle dem Vorstand der Görres-Gesellschaft ein entsprechendes Projekt vorlegen. Man könne dann an die Anwerbung von Stipendiaten herangehen. Prof. Paul Mikat lehnte jedoch ab. Dennoch hielt mich das Thema gefangen. 1991 veranstaltete ich ein Symposion über „Deutsche in Rom“ 19 . Meinen letzten einschlägigen Beitrag zu diesem Themenbereich bildet der kleine Campo Santo17 18 19

Vgl. Anm. 16. Anton de Waal (1837–1917) und der Campo Santo Teutonico (Freiburg 1980). Deutsche im Rom des 15. und 19. Jahrhunderts. Ein Symposion, in: RQ 86 (1991) 1–201.

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Führer, der 1991 in der Reihe des Verlages Schnell & Steiner herauskam. Den Text hatte Albrecht Weiland mir seit Jahren versprochen. Wir einigten uns, dass ich über die Geschichte, die Erzbruderschaft, das Kolleg und das Institut der Görres-Gesellschaft schrieb, er dagegen über Kirche und Friedhof 20 . Die 10.000 Stück umfassende Auflage war 2002 vergriffen und erschien später mit leichten Korrekturen in weiteren Auflagen. Gewichtige Untersuchungen zur Geschichte des Campo Santo bzw. der Deutschen im Rom des 15./16. Jahrhunderts legten später Knut Schulz und seine Frau Christine Schuchard als Supplementhefte der Römischen Quartalschrift vor. Obwohl mir in den siebziger Jahren das große Thema noch fehlte, gebrach es mir keineswegs an Arbeit. So musste ich mich um die Römische Quartalschrift kümmern, und 1976 begann die Arbeit an der riesig anschwellenden Festschrift für Hermann Hoberg 21 . Viel Arbeit machte mir auch der Beitrag über Caritas und kirchliche Hilfswerke im Handbuch der Kirchengeschichte. Diesen hatte ich 1975 zugesagt. Der Band wurde wegen des Ausfalls des Bearbeiters für Südamerika erst 1979 veröffentlicht 22 . Ich habe dort Caritas mit „K“ geschrieben, bin aber später wegen der internationalen Schreibweise zum „C“ zurückgekehrt. Auch für das von Anton Rauscher 1982 herausgegebene Werk über den politischen und sozialen Katholizismus schrieb ich den Beitrag über Caritas und soziale Dienste 23 . Schon damals erwog ich, das Thema weiter zu verfolgen. Obwohl ich daran zunächst nicht mehr viel tat, galt ich seitdem als Kenner der Caritasgeschichte, zumal sich sonst kaum jemand damit beschäftigte. So wurde ich auch, als der Deutsche Caritasverband seit 1987 in Freiburg im Hinblick auf sein hundertjähriges Bestehen 1997 eine Gesamtdarstellung plante und entsprechende Tagungen veranstalte, eingeladen. Später schlug ich Dr. Manfred Eder, einem Schüler Karl Hausbergers, vor, seine Habilitationsschrift über die Geschichte der Caritas in Bayern zu schreiben. Mit meinem Vorschlag, in das Handbuch der Kirchengeschichte auch eine Darstellung der Kirchenfinanzierung aufzunehmen, hatte ich keinen Erfolg. Angeblich ließ sich dafür kein Bearbeiter finden. Dieses Thema lag mir seit langem am Herzen. Es wurde später in einem Band der Geschichte des kirchlichen Lebens wenigstens für den deutschen Sprachraum behandelt 24 . Ende 1978 ging ich an die Erfassung der für die deutschen Bistümer im Vatikanischen Archiv vorhandenen Statusberichte. Daraus wurde ein Aufsatz in der 20 E. Gatz – A. Weiland, Der Campo Santo Teutonico in Rom (München-Zürich 1991, 4. neu bearb. Auflage Regensburg 2006). 21 Römische Kurie. Kirchliche Finanzen. Vatikanisches Archiv. Studien zu Ehren von Hermann Hoberg, 2 Bde. (Rom 1979). 22 Kirche und kirchliche Hilfswerke, in: Handbuch der Kirchengeschichte 7 (Freiburg 1979) 437–458. 23 Caritas und soziale Dienste, in: A. Rauscher (Hg.), Der soziale und politische Katholizismus 2 (München-Wien 1982) 312–351. 24 Die Kirchenfinanzen (Freiburg i. Br. 2000).

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Römischen Quartalschrift 25 . Kirchenpolitik und Diplomatiegeschichte interessierten mich dagegen immer weniger. Auch Prälat Hermann Hoberg, Vizepräfekt des Vatikanischen Archivs, plädierte für innerkirchlich relevantere Themen. Er wies auf die Konzilskongregation hin, die durch ein Register gut erschlossen war. Dies gab ich 1991 an Prof. Richard Puza weiter, der auf der Suche nach einem Thema war. Seit Februar 1978 nahm mich dann aber das Bischofslexikon immer mehr in Anspruch 26 . Im Sommer 1978 kam für ein halbes Jahr Dr. Annelene Fenger nach Rom. Sie war Schülerin von Prof. Bernhard Kötting und sollte die Inschriften unseres Friedhofes inventarisieren, dessen Aufnahme nach jenen Maßstäben, wie sie die deutsche Denkmalpflege seit Paul Clemen entwickelt hatte, mir ein Anliegen war. Diese Frage hatte 1977 ein kleiner Kreis von Experten diskutiert, an dem namhafte Denkmalpfleger, darunter Albert Verbeek aus Bonn und Wolleser aus Stuttgart, teilnahmen. Letzterer vermittelte mir Walter Haas, Architekturhistoriker und Denkmalpfleger beim bayerischen Amt für Denkmalpflege in München und später Professor für Architekturgeschichte in Darmstadt. Dieser sympathische Mann kam gegen Erstattung der Reisekosten, z. T. mit seinem Sohn, als Gast unseres Hauses fünf Jahre lang nach Rom, um unseren Friedhof minutiös zu vermessen. Seine vorzüglichen Pläne wurden in dem Werk über den Campo Santo veröffentlich. Später offenbarte Haas mir, er habe alles in die Länge gezogen, um nur immer wieder nach Rom reisen zu können. Er hatte in seinen Plänen sogar jede Steckdose ausgewiesen. Wir haben dies später eliminiert. Haas war ein frommer evangelischer Christ und jeden Morgen in unserer Messe. Er wagte es allerdings nie, zur Kommunion zu kommen. Ich hätte sie ihm nicht verweigert. Im Gegensatz zu Haas blieb Frau Fenger der Erfolg versagt. Sie war mit der komplizierten Aufgabe, die ich ihr zugedacht hatte, überfordert. Im Grunde hatte ich selbst nur eine dunstige Vorstellung von dem, was zu geschehen hatte. Erst Albrecht Weiland stellte sich seit 1982 der anspruchsvollen Aufgabe und löste sie meisterhaft 27 . Ich selbst war mittlerweile mit anderen Arbeiten voll ausgelastet, denn die Zeit der Unsicherheit war längst vorbei. Obwohl ich mit der Arbeit am Bischofslexikon begonnen hatte, begann ich 1980 mit der Arbeit am dritten Band Akten der Fuldaer Bischofskonferenz 1900–1919. Dazu ermunterten mich zwei Umstände. Meine Akteneditionen wurden zwar nur in kleiner Zahl abgesetzt, in der Fachwelt aber sehr wohl zur Kenntnis genommen, bestens rezensiert und rezipiert. Außerdem sollten die Konferenzteilnehmer auch im Bischofslexikon behandelt werden. Band 3 der Akten unterscheidet sich bezüglich der Quellenlage vollständig von seinen Vor25 Das Bischofsideal des Konzils von Trient und der deutschsprachige Episkopat des 19. Jahrhunderts: Zum Quellenwert der relationes status, in: RQ 77 (1982) 204–228. 26 Zum Abschluß des Bischofslexikons 1198–1945, in: RQ 95 (2000) 1–19. 27 A. Weiland, Der Campo Santo Teutonico in Rom und seine Grabdenkmäler (Freiburg i. Br. 1988).

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gängerbänden. Im Gegensatz zu der Zeit unter den Vorsitzenden Melchers (1867–1885) und Krementz (1886–1898) waren nämlich die Handakten der Konferenzvorsitzenden Georg Kopp (1899–1914) und Felix von Hartmann (1915– 1919) vernichtet bzw. verschollen. Kopp hatte einige Jahre vor seinem Tod während einer schweren Erkrankung sein Archiv dem Kamin übergeben. Das war angesichts seiner oft delikaten Geheimverhandlungen und seines Agierens zwischen den Fronten nur allzu verständlich. Der Verbleib der Akten aus der Ära Hartmann ließ sich nicht feststellen. Es gab davon nur Fragmente. Ich musste mich also im wesentlichen auf die als Manuskript gedruckten Konferenzprotokolle mit ihren zahlreichen Anlagen stützen, hatte jedoch in einer Reihe von Archiven, neben Köln vor allem Limburg und Trier, ergänzende Stücke gefunden. Soweit die Originalprotokolle vorhanden waren, legte ich sie und nicht die Drucke der Edition zugrunde. Den Großteil der zahlreichen Anlagen publizierte ich als Regesten. Mit deren Anfertigung brachte ich die Sommerferien 1980 zu. Dennoch zog die Fertigstellung sich bis 1984 hin 28 . Auf die später einmal zur Debatte stehende Bearbeitung der Akten der Fuldaer Bischofskonferenz 1920– 1932 ging ich nicht ein, da ich mittlerweile die „Geschichte des kirchlichen Lebens“ begonnen hatte. Als Papst Johannes Paul II. zu Weihnachten 1978 den Pontifikat Leo XIII. für die Erforschung freigab, schlug mir Konrad Repgen vor, die Vorgeschichte der zahlreichen Enzykliken dieses Papstes zu erforschen. Ich ging jedoch darauf nicht ein und arbeitete überhaupt verhältnismäßig wenig im Vatikanischen Archiv, denn meine Präsenz im Kolleg, und damit am eigenen Schreibtisch, war erwünscht. Dort war ich für Anrufe, Besucher und Beratungen fast immer erreichbar. Die Arbeit am Bischofslexikon 1803–1945 und an der Geschichte des kirchlichen Lebens nahmen mich immer mehr in Anspruch. Aber auch römische Themen vergaß ich nicht ganz. So referierte ich am 23. September 1981 in Wien, am 9. Februar 1982 an der Universität Mainz und am 12. März 1982 an der Universität Lecce über die Entstehung und Entfaltung des christlichen Romgedankens. Während die Veranstaltung der Deutsch-Österreichischen Gesellschaft in Wien von deren Präsident Prof. Dr. Herbert Schambeck groß aufgezogen wurde, war die Veranstaltung in Mainz eine normale Gastvorlesung. Aufregend ging es aber in Lecce zu. Ich hatte diesen Vortrag Prof. Mario Signore zugesagt und fuhr mit drei Freisemestern dorthin, nicht ahnend, dass ein gesellschaftliches Ereignis bevorstand. Ich hielt meinen Vortrag in der Universität und daran schloss sich eine lebhafte Debatte an, die das eigentliche Thema bald verließ und zu Hassausbrüchen gegen „Rom“ führte. Damit waren sowohl das Rom der Republik wie des Papsttums gemeint. Die Hauptstadt, so der Tenor, unterdrücke und demütige permanent die Provinzen. Im Anschluss sollte ich noch einen weiteren Vortrag vor der „Associazione culturale Salentina Italo-Tedesca Lecce“ halten. 28

Akten der Fuldaer Bischofskonferenz III: 1900–1919 (Mainz 1985).

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Man hatte mir nur Vages angedeutet und ich war in keiner Weise vorbereitet. Da stand ich nun plötzlich vor einem erwartungsvollen Publikum. Die freundliche Präsidentin, die kein Wort Deutsch sprach, gab mir zu erkennen, dass ich mit meinem Vortrag die Aktivität der neugegründeten Gesellschaft eröffnete. Sie hatte mir zugedacht, über „La presenza tedesca a Roma“ zu sprechen. So blieb mir nichts übrig, als dies auch zu tun. Da ich kurz zuvor die Biographie de Waals abgeschlossen hatte, gelang es mir, das Publikum über eine Stunde zu diesem Thema zu unterhalten. Nachher begrüßten mich die wenigen nach Apulien verschlagenen Deutschen. Nach dem Vortrag nahm mich der Dekan der Fakultät mit in sein Amtszimmer. Ich ahnte immer noch nicht, was uns erwartete. Alles zog sich in die Länge, und als es schließlich gar nichts mehr zu erzählen gab, lud er mich ein, Telefonate zu führen. Er drängte so lange, bis ich schließlich meine Mutter anrief und aus dem fernen Lecce grüßte. Mit dem Telefonieren auf Staatskosten hatte es in Italien eine besondere Bewandtnis. Wir hatten einmal im Kolleg einen Priester aus dem Trentino, aus dessen Heimatdorf ca. 30 Personen in Rom lebten. Einer davon arbeitete in einem Ministerium. Er wusste, was er seinen Landsleuten schuldig war. Wenn sie nämlich – damals noch – teure Ferngespräche führen wollten, gingen sie zu ihm, und er ließ sie das auf Staatskosten auch tun. Mittlerweile ergab sich in Lecce folgendes: Die Präsidentin des Vereins war eine reiche Großgrundbesitzerin, und ziemlich spät am Abend fuhren wir vier Römer mit dem Dekan der Fakultät endlich vor ihrer Villa vor. Dort gab es eine vornehme Gesellschaft mit einem vorzüglichen Buffet. Meine Studenten waren begeistert, aber sie spürten, dass sie für diesen feinen Anlass – ganz ohne böse Absicht – nicht ausreichend kostümiert waren. Am nächsten Tag fuhren wir, im besten Sinne des Wortes reich beschenkt, nach Rom zurück. Der Besuch in Lecce war eine Ausnahme. Einladungen zu Vorträgen außerhalb Roms nahm ich sonst nur selten an. So referierte ich 1985 vor dem Domkapitel in Chur über die Geschichte der Domkapitel und der Bischofswahlen im deutschsprachigen Mitteleuropa. Ich war jedes Jahr bei der Generalversammlung der Görres-Gesellschaft und referierte auch dort gelegentlich. Ansonsten nahm ich Einladungen zu Vorträgen nur dann an, wenn nicht viele Reiseumstände damit verbunden waren. 1989 sollte ich auf dem Internationalen Historikertag in Madrid bei der kirchengeschichtlichen Sektion durch Vermittlung von Prof. Kaspar Elm einen Vortrag halten. Alles war schlecht organisiert, so dass ich lange nichts erfuhr, und als man mich schließlich kurzfristig anschrieb, war mir der letzte Vortrag zugedacht. Jeder weiß, dass sich dann schon alles auflöst und der letzte Referent wenig Aufmerksamkeit findet. So lehnte ich ab. Seit 1982 veranstaltete ich dagegen fast jedes Jahr ein, gelegentlich sogar zwei Symposien, meist zu den von mir selbst betriebenen Projekten, aber auch zu Themen der Römischen Quartalschrift. An geistigem Austausch fehlte es also nicht. Im übrigen musste ich mich angesichts meiner großen Vorhaben konzentrieren, denn die Gefahr der Zersplitterung war immer gegeben. Einige Vorträge hielt ich in den ersten römischen Jahren während der Ferien auch vor dem Dürener und dem Burtscheider Geschichtsverein, meist vor großem Auditorium, teilweise 250 Personen. Ich meinte, dass ich dies meiner Hei-

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noch teil, veröffentlichte jedoch gelegentlich kleinere Beiträge in ihren Zeitschriften 31 . Eine besondere Rolle spielte die Arbeitsgemeinschaft der deutschsprachigen Kirchenhistoriker. Ihr gehörten zunächst nur Ordinarien an. Dadurch blieb die Zahl der Teilnehmer begrenzt und infolgedessen trugen die alle zwei Jahre stattfindenden Treffen einen sehr familiären Charakter. Die Arbeitsgemeinschaft tagte 1976 anlässlich des 100jährigen Bestehens unseres Kollegs in Rom, damals noch unter dem Vorsitz von Bernhard Kötting. Auf seinen Vorschlag wurde ich als einziger Nichtordinarius wegen der Bedeutung unseres Kollegs für die kirchengeschichtliche Forschung kooptiert. Zu den Treffen fuhr ich allerdings selten. Ich war 1986 in Brixen, 1988 in Linz, später in Innsbruck und in Passau. Das wurde durch andere Tagungen und durch Besuche so mancher Kirchenhistoriker in Rom aufgewogen. Neben Klaus Ganzer und Walter Brandmüller betrieb unter den Fachleuten für Mittelalter und Neuzeit, abgesehen von der Kommission für Zeitgeschichte, damals nur ich größere Unternehmen. Ganzer wurde 1976 in Rom anstelle von Kötting zum Vorsitzenden gewählt und seitdem wiederholt bestätigt, ehe ihm Theofried Baumeister folgte. Beide leiteten die Arbeitsgemeinschaft souverän. Bessere Vorsitzende hätte sie nicht haben können. Später ließ man auch Nichtordinarien zur Arbeitsgemeinschaft zu, wodurch diese ziemlich anwuchs. 1979 trat ich der Arbeitsgemeinschaft italienischer Kirchenhistoriker bei. Diese veranstaltet alle drei Jahre einen Kongress. 1991 fand dieser in Grado statt 32 . Mitglieder waren vor allem Professoren an Priesterseminaren und Inhaber von Lehrstühlen der Geschichte des Christentums an Staatsuniversitäten, die sich großenteils von der Gregoriana her kannten. Für mich waren die Treffen auch deshalb interessant, weil ich dort Mitarbeiter für das Lexikon für Theologie und Kirche gewann. Es waren dies Maria Lupi (Rom) Salvatore Palese (Molfetta), Ugo Dovere (Neapel) und Gaetano Zito (Catania), alle Fachleute für ihre regionalen Themen. Die Kontakte waren für mich wichtig, brachten aber entgegen meiner Hoffnung keine Beiträge für die Römische Quartalschrift. Meine Interessen pendelten also zwischen Deutschland und Italien bzw. Rom. Und das lag ja auch nahe, denn es gab eine lange Tradition von Kontakten sowohl des Campo Santo wie auch des Römischen Instituts zu Gelehrten beider Länder. Das Bischofslexikon und die Geschichte des kirchlichen Lebens waren ganz auf den deutschen Sprachraum bezogen, aber wohl nur in Rom mit seinen vielen Kontaktmöglichkeiten realisierbar. Mit Hilfe guter Mitarbeiter gelang es mir jedoch, auch aus deutschen Quellen einiges zu erarbeiten. 1982 hatte mich Prälat Anton Wäckers (Aachen) auf den Quellenwert der kirchlichen Amtsdrucke hingewiesen. Auch P. Angelus Häußling OSB von Maria Laach interessierte sich 31 Paulus Melchers als Seelsorger, in: AHVN 177 (1975) 144–163. – Zur Vorgeschichte des zweiten Bistums Aachen. Ein Schriftwechsel 1899–1902, in: ZAGV 83 (1976) 143–158. 32 Vgl. E. Gatz, in: RQ 86 (1991) 298 f.

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für diese Quellengattung. Als Bibliothekar seiner Abtei versuchte er einmal, die kirchlichen Bibliotheken für eine Bibliographie der kirchlichen Amtsdrucksachen zu gewinnen, aber es wurde nie etwas daraus. Ich ließ nun durch Wolfgang Schaffer und Studenten die Kirchlichen Anzeiger von Köln, Münster, Paderborn, Trier und Fulda durcharbeiten und die Hirtenbriefe in Regesten erfassen. Auch erstellte ich ein Verzeichnis aller kirchlichen Amtsblätter und diözesanen Rechtssammlungen. Hauptfundstelle war die Kölner Diözesanbibliothek, die seit November 1983 im Maternushaus ein großzügiges Domizil besaß. Von Köln aus ließ ich später durch Herbert Koch, einen arbeitslosen Akademiker, alle erreichbaren Pastoralzeitschriften auf für mich interessante Beiträge durchsehen. Dieses Material habe ich allerdings nie ausgewertet und später an P. Martin Leitgöb CSsR abgegeben. Seit 1984 interessierten mich ferner Diözesansynoden als Quellen zum kirchlichen Leben. Im Laufe der Zeit sammelte ich fast alle Diözesansynoden der deutschen Bistümer seit dem 19. Jahrhundert. Darüber veröffentlichte ich 1987 in der Römischen Quartalschrift einen Aufsatz, dem ich ein Verzeichnis aller Synoden anhängte 33 . Seit 1983 vergab ich ferner als Honorarprofessor in Bonn mehrere Diplomarbeiten aus dem Gebiet der Seelsorgsgeschichte. Die frühen achtziger Jahre waren vom Abschluss des Bischofslexikons 1803– 1945, des dritten Bandes der Akten derBischofskonferenz und einer Annäherung an das Projekt Geschichte des kirchlichen Lebens beansprucht. Vor allem das Jahr 1984 erweist sich im Rückblick als entscheidend. Ich erarbeitete damals in vielen Bistumsarchiven und -bibliotheken Artikel über die Pfarreientwicklung, die Priesterausbildung und die historischen Statistiken und sammelte ein beachtliches Material. Daneben arbeitete ich Liegengebliebenes auf, so die Quellen zur Rezeption des Ersten Vatikanischen Konzils im Bistum Breslau, die ich 1973 in Breslau entdeckt hatte und nun mit einer Einleitung in der Quartalschrift veröffentlichte 34 . Dies war eine der besten unter meinen Veröffentlichungen. Am 28. August 1984 bat der Aachener Generalvikar Karl Heinz Collas mich ferner um eine Geschichte des Bistums Aachen. 1990 erfolgte die Gründung eines Vereins für Kirchengeschichte im Bistum Aachen, dem ich beitrat, zumal Ingrid Doerenkamp, meine Aachener Korrektorin, dessen Schriftführerin wurde. Vorsitzender wurde Professor Johannes Erger von der Technischen Hochschule in Aachen, später Dr. Wolfgang Löhr aus Mönchengladbach. Der Verein konzentriert sich auf die Breitenarbeit und gibt ein Jahrbuch heraus, obwohl sogar alteingeführte Zeitschriften Mühe haben, ihre Seiten zu füllen. Collas bat mich jedenfalls um eine Geschichte des Bistums, und darauf ging ich ein. Ich dachte an ein Buch nach der Art des von Eduard Hegel für das

33 Synodale Bewegungen und Diözesansynoden in den deutschsprachigen Ländern von der Säkularisation bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil, in: RQ 82 (1987) 207–243. 34 Die Auseinandersetzungen um das Erste Vatikanische Konzil im Bistum Breslau, in: RQ 79 (1984) 189–206.

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Bistum Essen verfassten 35 . Darin wollte ich selbst die Zeit ab 1648 darstellen. Für das Mittelalter sprach ich Odilo Engels, für das späte Mittelalter und die frühe Neuzeit Heribert Smolinsky an. Über Vorbesprechungen kam es jedoch nicht hinaus, weil ich selbst nie etwas zu Papier brachte. Stattdessen schrieb ich 1985 eine „Geschichte des Bistums Aachen in Daten“. Die Anregung dazu kam von Bernhard Polls Band über die Stadt Aachen 36 . Mein eigenes Buch behandelt die Jahre von der Gründung des zweiten Bistums Aachen (1930) bis in die Gegenwart 37 . Ich erarbeitete das Manuskript im regenreichen Sommer 1985, den ich weithin in der Diözesanbibliothek verbrachte. Dort sah ich den Kirchlichen Anzeiger und die Kirchenzeitung für das Bistum Aachen durch. Sie lieferten mir gewissermaßen den roten Faden. Natürlich arbeitete ich auch Literatur sowie Bonner Diplomarbeiten und Archivfunde ein. In Rom gab ich dem Text mit Hilfe von Marcel Albert die letzte Fassung. Danach suchte ich im Januar 1986 im Archiv der Kirchenzeitung das Bildmaterial zusammen. Im Sommer lag das kleine Buch in einer Auflage von 5000 vor. 1988 gab ich ferner auf das Bistum Aachen bezogene „Erinnerungen rheinischer Seelsorger“ heraus 38 . Bei der Arbeit an der Geschichte des kirchlichen Lebens war mir nämlich aufgefallen, dass nur wenige Priester ihre Lebenserinnerungen veröffentlichten. Nachdem ich mit den Erinnerungen von Altcamposantinern, um die ich anlässlich des einhundertjährigen Bestehens der Zeitschrift 1987 gebeten hatte, Interesse gefunden hatte 39 , wollte ich das Gleiche für die Bistümer Aachen und Köln unternehmen. Es kamen zwölf Beiträge zusammen. Einige waren gut geraten, andere schwach und einzelne mussten stilistisch noch überarbeitet werden. Die besten Beiträge stammten von Dr. Rudolf Besouw, Wilhelm Nusselein und Viktor Gielen. Dieser einfache Landpfarrer hatte sich als Heimatforscher einen guten Namen gemacht. Leider versagte sich der Kölner Klerus fast ganz, obwohl Köln reich an bedeutenden Figuren war. Aber die meisten der von mir Angesprochenen waren schon alt und hatten keine Kraft mehr, etwas zu Papier zu bringen. Die geplante Aachener Bistumsgeschichte brachte mich auf den Gedanken, eine Reihe von Diözesangeschichten nach dem Vorbild der „Diocèses de France“ zu organisieren. Ich wusste von mehreren Bistümern, dass sie eine solche Darstellung wünschten und ein solches Unternehmen unterstützt hätten. Statt dessen gab ich nach Abschluss des Bischofslexikons das Bistumslexikon heraus 40 . Des Anliegens der Bistumsgeschichte nahm sich später der Verlag Du E. Hegel, Kirchliche Vergangenheit im Bistum Essen (Essen 1960). B. Poll u. a., Geschichte Aachens in Daten (Aachen 5 1965). 37 Geschichte des Bistums Aachen in Daten 1930–1985. Der Weg einer Ortskirche (Aachen 1986). 38 Erinnerungen rheinischer Seelsorger aus den Diözesen Aachen, Köln und Lüttich (1933– 1986) (Aachen 1988). 39 RQ 82 (1987) 2–121. 40 Die Bistümer des Heiligen Römischen Reiches von ihren Anfängen bis zur Säkularisation (Freiburg 2003); Die Bistümer der deutschsprachigen Länder von der Säkularisation bis zur Gegenwart (Freiburg 2005). 35 36

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Signe in Strasbourg/Kehl mit seinen Heften an, die von höchst unterschiedlicher Qualität waren, aber gut verkauft wurden. Alle anderen übertraf an Qualität die von Prof. Toni Diederich organisierte Reihe über das Erzbistum Köln. Bei all diesen Arbeiten halfen mir aus dem Kolleg neben den Stipendiaten bzw. Assistenten auch einige Freisemester. Michael Langenfeld sah z. B. alle deutschen Synoden durch und half mir bei der Vorbereitung des Aufsatzes darüber. Diese Thematik ging später in den Band Weltklerus ein. Alois Knoller arbeitete an der Bibliographie zur Geschichte der Seelsorge, Marcel Albert am Buch über das Bistum Aachen und bei der Aufstellung der Listen für das Bischofslexikon 1648–1803 mit. Joachim Hacke erstellte das Verzeichnis der Alt-Camposantiner und Alt-Animalen, das ich überprüfte und zusammen mit einer Einleitung in der Römischen Quartalschrift veröffentlichte 41 . Einen tiefen Einschnitt brachte 1988 die Einführung des Personal-Computers. Ich sträubte mich zunächst dagegen. Schließlich überzeugte mich aber sein Siegeszug. Am 11. Juli 1988 tat ich unter Anleitung unseres Bibliothekars Marjan Rebernik die ersten Schritte. Der PC erspart mir mindestens ein Drittel meiner früheren Arbeitszeit und außerdem die Schreibkraft. Mit dem Bischofslexikon, das entgegen der ursprünglichen Planung auf fünf Bände anwuchs, und der Geschichte des kirchlichen Lebens hatte ich genug zu tun. Daher einigte ich mich am 17. Dezember 1991 mit Clemens Brodkorb aus Erfurt darauf, dass er mein ständiger Mitarbeiter wurde. Er stammte aus Jena, war vom DDR-Regime wegen Mitarbeit in der katholischen Jugend zum Besuch der Oberschule nicht zugelassen worden, hatte den Beruf eines Elektrikers ergriffen, das Abitur nachträglich am Norbertinum in Magdeburg abgelegt und dann in Erfurt als Priesteramtskandidat studiert. Nach der Wende kam er durch Vermittlung von Josef Pilvousek als Freisemester in unser Kolleg. Da er seine Absicht, Priester zu werden, aufgegeben hatte, nahm er das Angebot gern an. Er wurde einer meiner wichtigsten Mitarbeiter. Nicht alles, was ich erwog, ließ sich – wenigstens zunächst – realisieren. So sondierte ich 1992 wegen eines Bandes über die Wappen der Diözesanbischöfe der Jahre 1648–1803. Zur Verwirklichung kam es erst Jahre später 42. Ferner erwog ich eine Quellensammlung zu Leben und Arbeitswelt der Priester. Ich arbeitete daran parallel zum Band über den Diözesanklerus (1994). Schon 1993 übergab mir Alois Schmid eine Zusammenstellung von Quellen zum Kapitel „Priester und Landwirtschaft“. Seitdem trug ich aus Tagebüchern, Autobiographien und Biographien reiches Material dazu zusammen. Dann aber trat das Projekt zurück, weil ich am Lexikon für Theologie und Kirche als Fachbereichsleiter für Europa und Nordamerika mitarbeitete. Dies brachte mich mit vielen Gelehrten zusammen. Es beanspruchte neben dem Bischofslexikon und der Geschichte des kirchlichen Lebens viel von meiner Zeit. Rom als Studienplatz deutscher Kleriker im 19. Jahrhundert, in: RQ 86 (1991) 160–201. Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648–1803 (Regensburg 2007). 41 42

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Lange hatte ich in Dr. Wilhelm Dörr einen guten Korrektor. Dieser hochgebildete Mann war mehrere Jahre lang Botschaftsrat der Deutschen Botschaft beim Quirinal und Mitglied des Verwaltungsrates der Erzbruderschaft. Nach seiner Pension ließ er sich mit seiner Frau in Kappel bei Freiburg nieder, wo sie ein Haus in schönster Lage besaßen. Dieser Bücherfreund korrigierte mehrere Jahre lang meine Texte und fischte mit scharfem Blick noch manchen Fehler heraus. Damals fuhr ich noch jeden Sommer mit dem Wagen in meinen Urlaub. Da war das gastliche Haus Dörr meine Station auf dem Weg in die Heimat. Auch brachte ich seit dieser Zeit jährlich die eine oder andere Woche im Albertinum zu, um die Universitätsbibliothek und Institutsbibliotheken zu konsultieren. Dabei beschaffte mir der Bibliothekar Andreas Schmitz durch die Fernleihe alle gewünschten Titel. Wenn ich nach Bonn kam, stand dort alles für mich bereit. Ich hatte in Bonn Freunde und Kollegen, z. T. aus der Fakultät, mit denen ich mich dann traf. Bis in sein letztes Lebensjahr besuchte ich auch immer wieder meinen Habilitationsvater Eduard Hegel, der an meinen Arbeiten interessiert Anteil nahm. Auch die Aachener Diözesanbibliothek war nicht zu verachten. Es war beachtlich, was dort nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut worden war. Meine Ferien bestanden also stets aus einem Gemisch von Arbeit, Ausflügen und Besuchen. Neben die Bonnaufenthalte, die ich zweimal im Jahr von meinem Urlaub abzweigte, traten später regelmäßige Aufenthalte in München, wo ich im Georgianum wohnte und Clemens Brodkorb und Rainald Becker mir manche Unterstützung leisteten. Das traf z. B. für das Atlas-Projekt zu. Nach Wien, wo ich bei Martin Leitgöb im Kloster der Redemptoristen in der Salvatorgasse wohnte, ging es dagegen seltener, denn Wien bot mir für meine Vorhaben weniger als Bonn und München. Während die Idee eines Wappenbandes in den Hintergrund trat, plante ich 1992 eine Karte als Anhang zum Bischofslexikon 1448–1648. Für die Realisierung boten sich Prof. Hermann Josef Busley und Prof. Peter Mellmann, beide München, an. Busley hatte einschlägige Erfahrungen vom LThK her. Die Zusammenarbeit gestaltete sich problemlos. Sie fand ihren Niederschlag in den Bänden 1448–1648 und 1198–1448 des Bischofslexikons. Neben meinen großen Werken wollte ich auch noch einmal etwas für meine Heimat tun. Seit 1984 wohnte ich ja wieder in Burtscheid, wo ich gut Fuß gefasst hatte. Dort wurde 1997 das 1000jährige Ortsjubiläum begangen. Dazu gab Helmut Doerenkamp, Vorsitzender der Gesellschaft Burtscheid für Geschichte und Gegenwart, eine Festschrift heraus, an der ich mich mit einem Beitrag beteiligte 43 . Mein umfangreiches Arbeitsprogramm konnte ich nur realisieren, weil ich vorzügliche Mitarbeiter hatte. Natürlich gab es nicht nur Erfolge, zumal beim Bischofs- und beim Bistumslexikon sowie bei der Geschichte des kirchlichen Lebens. Es wurde fast mein tägliches Brot, die Ablieferung von Beiträgen an43 Zur Gründung des Burtscheider Marienhospitals (1850) auf dem Hintergrund der katholischen Erneuerungsbewegung des 19. Jahrhunderts, in: H. Doerenkamp (Hg.), Beiträge zur Geschichte Burtscheids (Aachen-Burtscheid 2003) 141–147.

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zumahnen. Fast alle von mir herausgegebenen Bände erschienen mit Verzögerung, weil einzelne Autoren ihre Zusage nicht einhielten bzw. einhalten konnten. Oft musste ich nacharbeiten. Es gab immer wieder Enttäuschungen, aber auch positive Überraschungen. Die Säumigen oder wenig Qualifizierten bat ich nicht mehr um Mitarbeit. Beim Atlas war ich später bemüht, so viele Karten wie möglich selbst zu entwerfen. Ich ließ sie durch regionale Kenner überprüfen. Dafür beschaffte Clemens Brodkorb mir aus der Münchener Staatsbibliothek manche Kopie. Als außerordentlich nützlich erwiesen sich Autorenkonferenzen, die ich in Brixen, Freising, Bonn und später in Rom durchführte. Sie begleiteten nicht nur meine Projekte, sondern dort wurden auch neue Ideen entwickelt. Seit 2002 bot ich den Teilnehmern im Anschluss eine dreitägige Studienfahrt durch Mittelitalien an. Sehr hilfreich waren ferner die Seminare, die ich etwa 20 Jahre lang als Gastprofessor an der Gregoriana für deutschsprachige Freisemester hielt. Dort wurden zahlreiche Referate zur Geschichte des päpstlichen Rom, aber auch zur Geschichte der Seelsorge gehalten. Parallel dazu lief die Arbeit am Klerusband, den ich als eines meiner besten Bücher ansehe, dessen Absatz aber hinter meinen Erwartungen zurückblieb. Das könnte an dem Titel mit dem eher negativ besetzten Begriff „Klerus“, vielleicht aber auch am nachlassenden Interesse am Priesterberuf gelegen haben. Um diesen Band nicht übermäßig anschwellen zu lassen, entschloss ich mich 1993, ihn in zwei Teile aufzugliedern. Der mit der geschichtlich Darstellung erschien 1994 44 . Daneben veröffentlichte ich im gleichen Jahr einen Band über die Priesterausbildungsstätten als Supplementheft der RQ 45 . 1994 schlug mir Manfred Lütz eine Kirchengeschichte für weitere Kreise vor, denn der Ertrag der Wissenschaft müsse weitergegeben werden. Darauf ging ich jedoch nicht ein. Ich wollte bei meinem Genus bleiben. Lediglich zwei meiner Bücher waren von diesem Zuschnitt und fanden große Verbreitung, nämlich die Geschichte des Bistums Aachen (5000) und der Romführer (bis 2010: 22.000). Auch andere Bände wurden gut verkauft, von vielen deutlich über 1000, was für wissenschaftliche Werke beachtlich ist. Bei Duncker & Humblot, Herder wie auch bei Schnell & Steiner galten meine Werke als Longseller. Noch wichtiger aber war, dass meine Bücher gut rezipiert wurden. Mir kam zugute, dass für meine Projekte, die ich streng von denen der Görres-Gesellschaft trennte, keine Finanzierungsprobleme bestanden, denn ich wurde kontinuierlich von einer Stiftung und einem Sponsor unterstützt. Auch reduzierte ich die Kosten, indem ich in späteren Jahren viele Bände auf meine Kosten herstellen ließ und sie dann dem betreffenden Verlag in Kommission gab. Finanzbedarf gab es seitdem nur

Der Diözesanklerus (Freiburg i. Br. 1994). Priesterausbildungsstätten der deutschsprachigen Länder zwischen Aufklärung und Zweitem Vatikanischen Konzil. Mit Weihestatistiken der deutschsprachigen Diözesen (Freiburg i. B. 1994). 44 45

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noch für Autorenhonorare und -konferenzen, Organisation und Redaktionsassistenz. Das größte Echo fand ich mit dem Bischofslexikon, dem Romführer und dem Atlas. Dabei war die Werbung von sehr unterschiedlichem Zuschnitt. Duncker & Humblot war ein alteingeführter nobler, wenn auch kleiner Verlag. Sein Inhaber, Prof. Norbert Simon, lehnte Buchpräsentationen als ineffektiv ab, ganz im Gegensatz zu Dr. Albrecht Weiland, der z. B. 1998 den Romführer im Münchener Literaturhaus mit großem Aufwand und vor zahlreichen Teilnehmern durch Prof. Hans Meier vorstellen ließ. Prof. Simon vertrat den Standpunkt, gute Bücher verkauften sich auch ohne Präsentation, allerdings langsamer. Stattdessen stellte er viele Rezensionsexemplare zur Verfügung. Dies habe, selbst wenn die Rezensenten nicht ausführlich schrieben, eine größere Wirkung. Letztlich hing aber vieles von der gezielten Werbung ab. Über die unmittelbar Interessierten konnte sich nur der Autor ein Bild machen. Präzise Direktwerbung praktizierte vor allem Schnell & Steiner, während die meisten Verlage bezüglich der Werbung mehr versprachen, als sie halten konnten. Dr. Weiland machte die bei weitem besten Prospekte. Herder setzte für das Bistumslexikon immerhin Anzeigen in seine weit verbreiteten Zeitschriften. Es mag sein, dass ich wie viele andere Autoren zu große Absatzerwartungen hatte. Auch der hohe Preis meiner Bücher mag den Verkauf gebremst haben. Insgesamt konnte ich aber doch zufrieden sein. Meine Kontakte pflegte ich nicht nur von Rom, sondern auch von Deutschland aus. Ich arbeitete ja nicht nur selbst an meinen Projekten – dies gab ich nie auf – sondern kontaktierte auch ständig meine Autoren und Mitarbeiter. Dazu gehörten auch die Korrektoren. Ich ließ nämlich alle Bücher, bevor sie in den Satz gingen, stilistisch und auf ihre Interpunktion hin von Ingrid Doerenkamp und später von Dr. Josef Ammer und Petra Fugazzola überprüfen. Die Sachregister fertigte ich meist selbst an. Orts- und Namensregister ließ ich durch Mitarbeiter erstellen. Seit dem zweiten Band des Bischofslexikons (1648–1803) setzte ich die Namen der engsten Mitarbeiter mit auf das Titelblatt. Damit sollte ihr Anteil zum Ausdruck kommen. Ich ging immer mehr zur Teamarbeit über. Das Mühsamste bei all meinen Unternehmungen waren neben der Ausarbeitung der eigenen Texte die Überarbeitung sachlich oder stilistisch unzulänglicher Manuskripte und das Eintreiben ausstehender Manuskripte. Damit hatte ich in den meisten Fällen Erfolg. Soweit es sich um Lexika handelte, musste ja Vollständigkeit gegeben sein. Fast dramatisch verlief die letzte Ablieferung für das Bischofslexikon 1448–1648. Ein Autor hatte seinen Beitrag immer wieder zugesagt, aber nicht geliefert. Erst am Heiligabend 1994 traf er per Fax ohne Adressaten-Angabe bei der Vatikanischen Post ein, die mich anrief und ihn mir aushändigte, obwohl ihre Dienststelle bereits geschlossen war. So musste ich Weihnachten mit der Bearbeitung zubringen, damit Clemens Brodkorb am 30. Dezember alles in seinem Wagen mit nach Deutschland nehmen konnte. 1997 entschloss ich mich, über meine wissenschaftlichen Arbeiten zu schreiben. Tagebuch führte ich seit 1967. Dazu kamen die Akten der verschiedenen

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Projekte, auf die ich mich stützte. Prof. Mikat erklärte mir einmal, seitens der Görres-Gesellschaft würden lediglich die Finanznachweise fünf Jahre lang aufbewahrt. Alles andere Schriftgut werde nach einiger Zeit vernichtet. Ich hielt es anders: Manuskripte, Korrekturabzüge etc. wurden bald nach dem Erscheinen des jeweiligen Buches vernichtet. Die wichtigeren Stücke des Schriftverkehrs, insbesondere zum Konzept, gab ich ins Archiv des Priesterkollegs. Auf diese Aktenbasis und auf meine Erinnerung gestützt, schrieb ich also meine Lebenserinnerung bis zur Berufung an den Campo Santo. Sie erschienen 2010 anlässlich meines 50jährigen Priesterjubiläums als Buch 46 . Mit den Verlagen machte ich unterschiedliche Erfahrungen. Meine Habilitationsschrift hatte ich 1972 bei Schöningh veröffentlicht. Ich war an diesen Verlag gelangt, weil Jedin mich an Prof. Anton Rauscher verwiesen hatte, der dort mit Prof. Wilhelm Weber eine Reihe herausbrachte. Rauscher verlangte aber so viele formale Angleichungen an seine Reihe, dass ich mich dazu nicht bereit fand. Ich einigte mich daraufhin mit Schöningh, dass er das Buch als Einzelwerk in Verlag nahm und war damit zufrieden 47 . Es war das einzige Mal, dass mir ein Verlag nach Abschluss des Druckes erklärte, der ursprünglich geforderte Zuschuss könne reduziert werden. Erfreuliche Erfahrungen hatte ich auch mit Duncker & Humblot, der zwar hohe Zuschüsse forderte, aber auch erstklassige Qualität lieferte. Um meine Kosten zu senken, gab ich ihm den letzten Band des Bischofslexikons in Kommission. Mit Herder ging es so: Um 1990 hatte ich mit Lektor Franz Johna ein Gespräch über den geplanten Romführer. Er sollte dem Buch Filippo Coarellis über die römische Archäologie ähnlich sein. Aber der Verlag zeigte kein Interesse. Auch bezüglich der „Geschichte des kirchlichen Lebens“ gab er sich reserviert. Johna schlug mir schließlich vor, das Werk dem Verlag in Kommission zu geben. Ich ging darauf ein. Seitdem ab Band 4 alles bei einer Druckerei meiner Wahl hergestellt wurde, war ein Druckkostenzuschuss nicht mehr nötig. Auf die gleiche Formel einigte ich mich auch mit Schöningh für das Werk „Kirche und Katholizismus seit 1945“. Ich war im Hinblick auf das Ende meiner römischen Amtszeit darauf bedacht, meine z. T. weit voran geschrittenen Werke zum Abschluss zu bringen, keine Wissenschaftsruinen zu hinterlassen und keine größeren Werke neu zu beginnen. Dennoch ging ich im November 2008 auf einen Vorschlag von Prof. Rupert Klieber aus Wien ein, mit ihm zusammen ein Bischofslexikon für die Habsburger Monarchie 1806–1918 herauszugeben. Ich übernahm dabei die Verantwortung für die Kirchenprovinzen Salzburg, Wien und Görz. 2009 und 2011 fanden in Wien Konferenzen mit den Länderverantwortlichen statt. Von den deutschen wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen in Rom war für mich das Deutsche Historische Institut von besonderer Bedeutung. Zu S. Anm. 1. Kirche und Krankenpflege im 19. Jahrhundert. Katholische Bewegung und karitativer Aufbruch in den preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen (Paderborn 1971). 46 47

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seinen Direktoren Reinhard Elze, Arnold Esch und Michael Matheus unterhielt ich ein ausgezeichnetes Verhältnis. Häufig konsultierte ich ihre Bibliothek und an vielen Vorträgen nahm ich teil. Unser kleines Görres-Institut war daneben ein Winzling. Seine Effizienz konnte sich aber durchaus sehen lassen. Die Bibliotheca Hertziana, das deutsche kunsthistorische Institut mit seiner vorzüglichen Bibliothek und Fotothek, frequentierte ich für meine Seminare und bei der Erarbeitung des Romführers. Zu ihrer Direktorin Elisabeth Kieven hatte ich ein freundschaftliches Verhältnis. Sie wurde Mitglied unserer Bruderschaft. Als sich seit 2009 das Ende meiner Amtszeit als Rektor abzeichnete, begann ich mit dem Abbau meiner Bibliothek und meines Archivs. Große Teile der Bücher gingen an die Erzabtei St. Peter in Salzburg und an die Abtei Gerleve, ein kleiner Teil in meine Aachener Wohnung. Die Begleitakten zur Entstehung meiner Projekte befanden sich schon im Archiv des Kollegs. Der größte Teil meiner Projekte war abgeschlossen. Als letztes schloss ich Ende 2010 die Quellensammlung „Wie Priester leben und arbeiten“ ab 48 . In Vorbereitung sind noch ein „Atlas zur Kirche in Geschichte und Gegenwart – Nordrhein-Westfalen“ und das Bischofslexikon der Habsburgermonarchie 1806–1918.

48 Wie Priester leben und arbeiten. Quellen zur Lebenskultur und Arbeitswelt des deutschen Seelsorgeklerus seit dem Ende des 18. Jahrhunderts (Regensburg 2011).

Rezensionen Jeffrey Spier, Late Antique and Early Christian Gems (= Spätantike, frühes Christentum, Byzanz. Kunst im ersten Jahrtausend, Reihe B, Studien und Perspektiven, 20). – Wiesbaden: Reichert 2007. VII, 221 S., 155 Taf. – ISBN 978-3-89500-434-6. Diese Arbeit erschließt eine bisher weitgehend unbekannte Gattung. Während für kaiserzeitliche Gemmen zahlreiche Kataloge und Studien vorliegen und die so genannten magischen Gemmen in den letzten Jahren von Simone Michel in mehreren Publikationen bearbeitet wurden, fanden die christlichen Gemmen weniger Beachtung. Bedauern wird man noch heute, dass der wichtigste Fund spätrömischer Gemmen zu früh gemacht und in alle Winde zerstreut wurde: Als beim Abriss von St. Peter am 4. Februar 1544 in der Petronilla-Rotunde der Sarkophag der Maria, Frau des Kaisers Honorius, gefunden wurde, fand man ein Schmuckkästchen mit etwa 150 Ringen mit Gemmen. Die reichen Funde sollen verkauft worden sein, um den Neubau von St. Peter zu finanzieren (S. 1 f.). Ein Grund für das geringe Interesse an frühchristlichen Gemmen lag nicht zuletzt an ihrer kleinen Menge: Mehr als 100.000 Gemmen, die nach der Schätzung des Verfassers aus der Zeit von der Herrschaft des Augustus bis in die Mitte des 3. Jhs. erhalten sind, stehen weniger als tausend spätrömische Stücke gegenüber. Das nachlassende Interesse an geschnittenen Steinen war sicher durch verschiedene Faktoren bestimmt, zu denen auch der Wandel der Mode gehört haben dürfte. So wurden seit dem Ende des 3. Jhs. große und oft mit Münzen besetzte Ringe modern; man siegelte nicht mehr mit Ringen auf Ton, sondern auf Blei mit speziell hergestellten Siegeln. Eine intensive Produktion von Gemmen setzt dagegen seit dem späten 3. Jh. im Sassanidischen Reich ein und erreicht einen Höhepunkt im 5. und 6. Jh. Die Bilder widmen sich meist Themen der persischen Ikonographie, in der Tiere besonders beliebt sind (S. 11), aber es kommen auch Gemmen mit christlichen Themen vor (S. 143–150). Ein beschränktes Wiederaufleben der Gemmenschneidekunst findet im späten 5. und 6. Jh. in einigen Werkstätten des byzantinischen Ostens statt (S. 12). Kriterien der Einordnung der Gemmen sind ihre Form und ihr Material, die Art und Weise ihrer Fassung (falls die Gemme nicht ein zweites Mal oder auch häufiger neu gefasst wurde), die Qualität der Gravur (oft nachlässig, es lässt sich ein Verlust traditioneller Technik beobachten) und auch die Wahl des Bildthemas (S. 12 f.). Gemmen mit Porträts lassen sich in der Regel leichter einordnen. Spier nimmt an, dass wohl mehr Gemmen in Syrien und Kleinasien als im Westen hergestellt wurden (S. 13). Von den zahlreichen Aspekten des Buches sollen nur einige hervorgehoben werden. Besonders interessant ist der Abschnitt zu den Gemmen des 3. und 4. Jhs. Zu den bekannten Äußerungen des Klemens von Alexandria (paed. 3,59,2–3,60,1) über die von Christen auszuwählenden Gemmenbilder liest man mit großem Interesse, wie es mit dem Verhältnis dieses Textes zu den erhaltenen

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Denkmälern bestellt ist: Von den von Klemens zur Verwendung durch Christen vorgeschlagenen Bildern Taube, Fisch, Schiff, Lyra, Anker und Fischer ist nur der Fisch ein verbreitetes Motiv auf christlichen Gemmen. Der Anker erscheint nur in Verbindung mit weiteren Symbolen, und zwar vorwiegend mit Fischen. Die Taube dagegen, ein beliebtes Symbol in der frühchristlichen Kunst, kommt vor dem späteren 4. Jh. auf Gemmen nur selten vor, begegnet aber auf gravierten Bronzeringen (S. 50). Das Schiff, ein beliebtes Motiv auf heidnischen Gemmen, konnte daher ohne weiteres von Christen weiterverwendet werden; es ist auf neu geschnittenen christlichen Gemmen selten (S. 52). Die Lyra und der Fischer sind auf christlichen Gemmen überhaupt nicht belegt. Nach den erhaltenen Stücken zu urteilen, sind der Anker, von zwei Fischen flankiert, der Schafträger und das Chi-Rho-Monogramm die bevorzugten Motive im 3. Jh. (S. 15). Besondere Aufmerksamkeit verdienen eindeutig christliche Gemmen, die aufgrund ihrer Form in das 3. Jh. datiert werden können: Sie sind durch die Inschrift IHSOU und/oder CRISTOU eindeutig ausgewiesen (S. 29–31). Diese Stücke zeigen, dass Christen nicht nur rezipieren und adaptieren, sondern auch spezifisch christliche Elemente in die Gattung der Gemmen einbringen. Durch das Tragen eines Ringes, dessen Inschrift die Zugehörigkeit zu Jesus Christus ausdrückt, findet ein öffentliches Bekenntnis statt. Die meisten dieser Stücke sollen aus Kleinasien oder dem östlichen Mittelmeerraum stammen (S. 46); angesichts früher Zeugnisse einer christlichen Epigraphik und fast vollständig christianisierter Städte im 3. Jh. kann diese Provenienz nicht verwundern (vgl. dazu S. Destephen, La christianisation de l’Asie Mineure jusqu’à Constantin: le témoignage de l’épigraphie, in: H. Inglebert/S. Destephen/B. Dumézil, Le problème de la christianisation du monde antique [Paris 2010] 159–194). Bei der Besprechung der Gemmen mit Darstellungen des Schafträgers trennt der Verfasser zwischen einer Gruppe, in der dem Schafträger weitere christliche Symbole beigegeben sind (Nr. 317–344, S. 54–56) und einer Gruppe, in der er ohne christliche Inschriften oder Symbole (Nr. 345–397, S. 57–59) erscheint. Da dem Autor die Diskussion bekannt ist, wäre es wünschenswert, konsequenterweise in der ersten Gruppe von dem „Guten Hirten“ und in der zweiten vom „Schafträger“ zu sprechen, denn dadurch, dass man es offensichtlich für notwendig hält, den Schafträger durch christliche Inschriften und Symbole (unter denen auch die Taube mit Zweig erscheint, die wohl auf Noach in der Arche verweist) als Guten Hirten zu kennzeichnen, wird der „pagane“ oder „neutrale“ Charakter des Schafträgers deutlich. Die Gruppe mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, die von Spier dem 3. bis 5. Jh. zugewiesen wird, ist überschaubar. Das beliebteste Bildthema sind Jonas-Szenen (S. 66–68). Die Gemme Nr. 417 zeigt Meerwurf, Ausspeiung, Ruhe des Jonas und noch eine weitere, sonst unbekannte Szene, in der ein geflügeltes Wesen Jonas ein Gewand bringt: Für den Einfluss von verlorener Buchmalerei, den der Verfasser hier zu erkennen glaubt (S. 67), spricht nichts. Es verwundert sehr, in den Fußnoten (Nr. 39) zu lesen, der Jonas-Zyklus sei in Rom über östliche illustrierte Bücher eingeführt worden, ist doch inzwischen Einigkeit darüber erreicht, dass die christliche Kunst in den verschiedenen Re-

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gionen der Oikumene ungefähr gleichzeitig einsetzt (s. zuletzt F. Bisconti, RACr 85, 2009, 51 f.). Die berühmte Stelle in der um 178 geschriebenen Streitschrift des Kelsos (Origenes, Contra Celsum 7, 53 f.), die nach übereinstimmender Interpretation als Hinweis auf bildliche Darstellungen des Jonas und des Daniel zu verstehen ist, setzt die Bekanntheit dieser Bilder voraus, um als Argument verwendet werden zu können. Das Alter dieser Bilder lässt die Frage nach ihrer Verbreitung als überflüssig erscheinen. Neben Jonas hat sich eine Gemme mit der Darstellung von Adam und Eva (S. 64 Nr. 410), von Noach (S. 64 f. Nr. 411), dreimal mit Abraham und Isaak (S. 65 f. Nr. 412–414) und mit Daniel zwischen den Löwen (S. 68 Nr. 425–427) erhalten. Eine kleine Gruppe von Gemmen stellt Noach, Jonas, Daniel und den Guten Hirten zusammen mit Fisch, Taube, Anker, Kreuz und anderen Symbolen dar (S. 69–71 Nr. 428–438). Für den Cornelian Nr. 436, den Daniel in der Löwengrube und darüber den Guten Hirten zeigt und der sich in einem silbernen Ring befindet, schlägt Spier aufgrund der Gestalt des Ringes eine Datierung in die Mitte des 3. Jhs. vor (S. 71). Ein Serpentin im Britischen Museum, der beidseitig mit christlichen Szenen und mit Pseudo-Schriftzeichen verziert sowie mit einer Lochung versehen ist, diente wohl als christliches Amulett (S. 70 Nr. 437, S. 71, s. auch S. 81–86 zu christlichen magischen Gemmen, S. 109–114 zu christlichen Amuletten). Einer zeitlichen Einordnung der gesamten Gruppe in das späte 3. und das frühere 4. Jh. steht nichts entgegen, zumal Hirten- und Jonasbilder seit der Mitte des 4. Jhs. selten werden. Szenen aus dem Neuen Testament sind auf diesen frühen Gemmen selten; es werden nur die Anbetung der Magier, die thronende Maria mit dem Jesuskind, die Taufe Christi und die Auferweckung des Lazarus und die Kreuzigung Christi dargestellt (s. zu letzterer J. Dresken-Weiland, Passionsdarstellungen in der frühchristlichen Kunst, in: T. Nicklas/A. Merkt/J. Verheyden [Hg.], Gelitten, gestorben, auferstanden. Passions- und Ostertraditionen im antiken Christentum [Tübingen 2010] 33– 35). Die Gemmen folgen somit der auch in anderen Gattungen christlicher Kunst festzustellenden Vorliebe für Szenen aus dem Alten Testament. Ein eigener Abschnitt behandelt christliche magische Gemmen. Interessanterweise lässt sich nur bei sehr wenigen magischen Gemmen zeigen, dass sie für Juden oder Christen gemacht wurden (S. 81–86). Insgesamt sind die in dieser Arbeit präsentierten Gemmen meist in ihrer Zahl überschaubare Gruppen, die sich durch Material oder besondere Technik zusammenschließen. Spätere Gemmen aus Almandin und Glas (spätes 5. Jh.) bieten weniger ikonographische Abwechselung. Sie bilden sehr häufig Tauben ab, auch Delphine oder Hasen. Hinzuweisen ist auf zwei Almandine mit der Darstellung einer stehenden und einer sitzenden weiblichen Orans (S. 89 Nr. 521– 522), die nach Meinung des Verfassers eher die Jungfrau Maria als eine weibliche Heilige darstellen (S. 92). Eine weitere Gruppe umfasst „Qualitätsgemmen“ des 5. bis 7. Jhs., eine andere Stücke aus Hämatit, aus Bleikristall oder aus Jasper und Cornelian. Christliche Themen tauchen in diesen Gruppen wieder auf. Von diesen Gruppen dürften auch einem archäologisch versierten Publikum die Gemmen aus Bleikristall wenig geläufig sein, die laut Spier mit Goldfolie

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ausgekleidet, von einem weiteren, gleich großen Bleikristall abgedeckt, von einer Fassung zusammengehalten und als Anhänger getragen wurden (S. 115). Sie müssen also ursprünglich recht bunte Schmuckstücke abgegeben haben. (Dass für diese Stücke wie auch überhaupt auf farbige Abbildungen verzichtet wurde, erklärt sich wohl aus den Kosten für dieses aufwendige Buch.) Da sie eine recht homogene, auf neutestamentliche Szenen konzentrierte Gruppe bilden, darf vermutet waren, dass sie vielleicht nur über einen kurzen Zeitraum, wohl nur Jahrzehnte, hergestellt wurden und ein besonders modischer Schmuck gewesen sein könnten. Die genannte Datierung in das 6.–7. Jh. wäre dann auf einen kürzeren Zeitraum innerhalb dieser beiden Jahrhunderte zu beschränken. Der Verfasser weist diese Stücke einer syrischen Werkstatt zu, weil eine Reihe von Stücken aus Syrien stammen soll. Es ist selbstverständlich legitim, die Lokalisierung von Werkstätten anhand von Fundorten vorzuschlagen. Allerdings werden auch andere Provenienzen genannt, so dass diese Zuweisung nicht gesichert werden kann. Im Falle Syriens, das 638 bereits von den Arabern erobert war, würde man eine Entstehung dieser Bleikristall-Gemmen vor diesem Zeitpunkt, möglicherweise noch im 6. Jh. vermuten. Die Probleme der Gattung illustriert die kleine Gruppe von Steinen aus Jasper und Cornelian, die alle in einer Werkstatt hergestellt wurden (S. 127 f.). Sechs von zehn Stücken stellen den Einzug Christi in Jerusalem dar. Kein Stück stammt aus einem datierenden Kontext; Spier schlägt aus ikonographischen Gründen das 6.–7. Jh. als Entstehungszeitraum vor, weil sich Vergleiche in frühbyzantinischen Zyklen zum Leben Jesu finden ließen. Da der Einzug in Jerusalem auf stadtrömischen Sarkophagen des späten 4. Jhs. ikonographisch ähnlich gestaltet wird, ist eine Entstehung dieser Gemmen bereits im 5. Jh. meines Erachtens nicht auszuschließen. Bei einer so homogenen Gruppe wie dieser wird man auch an eine Herstellung innerhalb eines kurzen Zeitraumes denken. Ein weiterer Abschnitt behandelt Kameen, darunter auch eine kleine Gruppe mit mythologischen Szenen (S. 139), christliche Gemmen im Sassanidenreich (S. 143–157) und jüdische Siegel (S. 159–170), das Schlusskapitel umstrittene Zuschreibungen, Fälschungen und Unsicheres. Für die Darstellung der „eucharistischen Fische“ in der Kallixtus-Katakombe sind zwei Gemmen in Split und in einer Privatsammlung von Interesse (S. 171), die einen Delphin bzw. einen Fisch über einem dreibeinigen Tisch zeigen. Anhänge zu gravierten Ringen, Bleisiegeln und Jasper-Gemmen mit Monogrammen beschließen das Werk. Dem Verfasser gebührt das uneingeschränkte Verdienst, die christlichen Gemmen in ihrer Vielzahl und in ihren Problemen der wissenschaftlichen Forschung zugänglich gemacht zu haben. Jutta Dresken-Weiland

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Michael Matheus (Hg.), S. Maria dell’Anima. Zur Geschichte einer „deutschen“ Stiftung in Rom (= Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts Rom 121). – Berlin/New York: De Gruyter 2010). 432 S. ISBN 978-3-11-023102-1. Der zu besprechende Band vereint deutsch- und italienischsprachige Beiträge des internationalen Symposions zum 600-jährigen Jubiläum von Santa Maria dell’Anima in Rom aus dem Jahr 2006, die verschiedene Aspekte der altehrwürdigen Geschichte der „deutschen Nationalkirche“ beleuchten. Dem Anlass entsprechend legt die ausgewiesene Anima-Spezialistin Christiane Schuchard in der ersten Studie eine kritische Neuedition des päpstlichen Exemtionsprivilegs für das Hospital vom 21. Mai 1406 vor und stellt fundierte Überlegungen zur Frühgeschichte von Hospiz und Gemeinde an. Auf der Grundlage der Exemtion konnte die Anima seit dem 15. Jahrhundert vor allem durch bedeutende Förderer wachsen. Einem besonders prominenten unter ihnen, Kardinal Nikolaus von Kues, seinen Stiftungen und seinen Familiaren, trägt Michael Matheus Rechnung. Das römische Vermächtnis eines weiteren illustren Prälaten der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die sog. Markgrafenkapelle Kardinal Albrechts von Brandenburg, wurde ebenso von Familiaren des Stifters organisiert, die den florentinischen Maler Salviati zur künstlerischen Ausgestaltung der Kapelle gewannen, während Albrecht den Ort seiner Memoria, die Ewige Stadt, im Unterschied zu dem Kusaner nie betrat. Dies verdeutlicht Nicole Hegener detailliert und kenntnisreich. Schon in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts war die Anima eine prosperierende Gemeinde – mit internationalem Zulauf, wie Kirsi Salonen anhand des bemerkenswerten Beispiels der Skandinavier aufzeigt, die über keine eigenen Gemeinden in Rom verfügten, denen aber die „Deutschen“, auch aufgrund sprachlicher Nähe, Ansprechpartner waren und im Sinne der Stiftung halfen. Einem weiteren Aspekt der stiftungsintentionalen Fürsorge widmet sich Anna Esposito in ihrer Untersuchung zur Unterstützung von Frauen durch die Anima im 15. und 16. Jahrhundert und gewinnt daraus hochinteressante Aufschlüsse zu deren sozialer Realität und zur urbanen Assistenz im Rom der Renaissance. Ausdruck der Prosperität der Gemeinde war auch eine signifikante Vermehrung des Häuserbesitzes, den Luciano Palermo und Silvia Puteo analysieren. Hier, wie auch in anderen Beiträgen, sind Bildmaterialien großzügig und funktional sinnvoll beigegeben 1 . Am Beginn des 16. Jahrhunderts ließ die Gemeinde eine neue – die heutige – Kirche bauen, deren für Italien besonderen Bautypus der Hallenkirche Eva Hanke unter dem Gesichtspunkt der Architekturwahrnehmung vergleichend in den Blick nimmt. Der Kirchenraum wurde seit dem 16. Jahrhundert gleichsam zur „nationalpolitischen Schaubühne“, so Rainer Heyink in seinem Aufsatz, und insofern erstaunt kaum, dass Musiker wie der Farbreproduktionen, u. a. des Exemtionsprivilegs, aus dem Bruderschaftsbuch, der Häuserkarte von 1586, auch einer eigenhändigen Notiz seiner Heiligkeit Benedikts XVI. zu seinem Aufenthalt in der Anima finden sich in der Festschrift zum Jubiläum von Santa Maria dell’Anima, hg. von dem päpstlichen Institut S. Maria dell’Anima (Rom 2006).

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Brabanter Sänger und Komponist Christiaan van der Ameijden († 1605), dessen Karriere in der Capella Sistina Michiel Verweij mit bemerkenswerten Archivalien nachzeichnet, der Anima nahe standen. Im 19. Jahrhundert war die Anima Drehscheibe der „ultramontanen“ Massenpilgerzüge nach Rom, die Rupert Klieber darlegt. Rektor Alois Hudal machte sie in der Zeit der Weltkriege in besonderem Maße auch zu einem Gedächtnisort Gefallener. Dies beschreibt der Archivar der Anima, Johan Ickx, in seiner Arbeit zur Kriegergedächtniskapelle und gibt zugleich Einblicke in die Persönlichkeit Hudals. Eine neue Gesamtgeschichte der Anima war mit dieser Publikation, die einen Schwerpunkt auf dem 15. und 16. Jahrhundert erkennen lässt, nicht angestrebt. In ihrer anregenden Vielfalt zeigen die durchweg instruktiven, auf ertragreichen Archivstudien aufbauenden Beiträge, dass eine weitere Aufarbeitung der Geschichte der Anima und ihrer reichen Bestände lohnend ist. Gespannt sein kann man in diesem Sinn auf angekündigte Editionen (S. XIV), insbesondere auf die Neuedition des Bruderschaftsbuchs, wobei zu hoffen steht, dass auch die nicht immer leicht lesbaren, wichtigen Einnahmen- und Ausgabenbücher der Bruderschaft in Zukunft ediert werden. Tobias Daniels Karl Josef Rivenius, Im Spannungsfeld von Mission und Politik: Johann Baptist Anzer (1851–1903). Bischof von Süd-Shandong. Steyler Verlag (2010). 971 Seiten. ISBN 0562-2816. Unter den vielen Berühmtheiten, die ihre letzte Ruhe auf dem Campo Santo Teutonico gefunden haben, befindet sich auch Johann Baptist Anzer, der zu seinen Lebzeiten umstrittene erste Missionar und erste Bischof der 1875 von Arnold Janssen gegründeten Missionsgesellschaft vom Göttlichen Wort. Seine von K. J. Rivinius vorgelegte monumentale Biographie bildet das Resumee seiner in vielen Jahren entstandenen Detailuntersuchungen. Zur Person Anzers und zur Frühgeschichte der wichtigsten deutschen Missionsgesellschaft dürfte damit das abschließende Urteil gesprochen sein. Denn über die Fülle jener Quellen, die der Verfasser herangezogen, ausgewertet und ausgiebig zitiert hat, hinaus, dürfte sich kaum noch etwas finden lassen. Außer der Person Anzers behandelt der Verfasser die Beteiligung der Steyler an der höchst problematischen deutschen „Kolonialmission“. Sie hatten seit 1881 in China ihren ersten Missionssprengel, der 1996 zum Apostolischen Vikariat erhoben wurde. Erster Apostolischer Vikar im Bischofsrang wurde der damals 38jährige Anzer. Zwischen ihm und dem bedächtigeren Arnold Janssen kam es schon bald zu Spannungen. Diese wurzelten u. a. in den Rahmenbedingungen des jungen „deutschen“ Missionsspengels. Dieser unterstand nämlich dem französischen Missionsprotektorat, neben dem sich allmählich der Anspruch des Deutschen Reiches auf Schutzherrschaft über das „deutsche“ Missionsgebiet in den Vordergrund schob. Anzer unterstützte das. Die Angelegenheit spitzte sich zunächst in der Passfrage zu. Die Schutzpässe der Missionare aller Nationen wurden nämlich traditionell vom französischen Botschafter in Peking ausgestellt. Die römische

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Kurie wollte daran mit Rücksicht auf Frankreich nichts ändern, ließ Anzer aber freie Hand. Dieser stellte sich 1890 nach einigem Lavieren unter den Schutz des Deutschen Reiches, von dem er eine aktivere Unterstützung der Mission erhoffte und schließlich sogar einforderte. Sein Auftreten war jedoch präpotent und für die chinesische Seite demütigend, da er das System der ohnehin fragwürdigen Kolonialmission auf die Spitze trieb. Auch sein Verhältnis zu Janssen, der seinen Sprengel nach seiner Meinung personell und finanziell nicht ausreichend unterstützte, wie auch zu anderen Missionaren war belastet. Ihm wurde insbesondere übergroße Strenge, autoritäres Gehabe und eine überzogene Hervorhebung seiner bischöflichen Würde vorgeworfen. Als 1897 auf dem Hintergrund wachsenden Fremdenhasses, der auch mit den forschen Missionsmethoden zusammenhing, zwei Missionare ermordet wurden, lieferte dies dem Deutschen Reich den Vorwand zu der von Wilhelm II. persönlich angeordneten Besetzung der KatschBucht als künftigen Flottenstützpunkt. Bereits im gleichen Jahr wurde es „Pachtgebiet“ des Reiches und 1898 auf Drängen Anders seinem Missionsgebiet zugewiesen. Damit rückte die Mission in eine bedenkliche Nähe zu den imperialistischen und wirtschaftlichen Bestrebungen des Reiches. Damit wuchs aber auch die Feindseligkeit der chinesischen Bevölkerung gegen die als Eindringlinge angesehenen Missionare, ihre Einrichtungen und generell gegen die Christen. Die Missionsgesellschaft forderte dagegen Genugtuung für die gegen sie gerichteten Gewaltakte und suchte diese mit militärischer Hilfe zu erzwingen. Die Spannungen steigerten sich schließlich auf dem Hintergrund von Missernten und sozialen Spannungen zur Bandenbildung, zu Ausschreitungen gegen die Christen, die die Regierung nicht zu schützen vermochte, und schließlich zum Boxeraufstand, der von den Kolonialmächten militärisch niedergeschlagen wurde und China demütigende Friedensbedingungen brachte. Die Intervention hatte im Deutschen Reichstag und in der Öffentlichkeit noch ein Nachspiel, bei dem die umstrittenen Missionsmethoden zur Sprache kamen, als deren Exponent Anger galt. Nach dem Desaster des Boxeraufstandes bemühte Anger sich um eine Modernisierung der Mission und insbesondere den Ausbau der Schule. Dennoch ließen die alten Klagen über ihn nicht nach. Dazu kam Kritik an seinen als exzessiv empfundenen Baumaßnahmen. Schließlich kam es sogar zu Bemühungen um seine Amtsenthebung. Diese wurde gegenstandslos, als er 1903 in Rom völlig überraschend starb. Die ganz außerordentliche Leistung Anders beim Aufbau christlicher Gemeinden steht außerhalb jedem Zweifel und wird vom Verfasser gebührend hervorgehoben. Aus heutiger Sicht waren die Chinamissionare wie auch die damaligen Mitglieder anderer Missionsgesellschaften in den deutschen „Schutzgebieten“ für ihre anspruchsvolle Aufgabe nicht ausreichend ausgebildet. Am problematischsten war aber jener Aspekt, den die Zeitschrift „Die katholischen Missionen“ nach dem Tod Anders hervorhob, indem sie schrieb, er habe „an der Begründung der deutschen Machtstellung in China einen hervorragenden Anteil genommen“. Dem Autor ist für seine vorzügliche Arbeit zu danken. Erwin Gatz (†)

EINGEGANGENE BÜCHER 2011

Bollettino dell’Istituto storico Ceco di Roma, VII. Hg. von Z. Hledikova/ K. Bobkova-Valentova. – Prag: Commissione dell’Istituto storico Ceco di Roma, 2010. 159 S. C. Cristellon, La carità e l’eros. Il matrimonio, la Chiesa, i suoi giudici nella Venezia del Rinascimento (1420–1545) (= Annali dell’Istituto storico italogermanico in Trento. Monografie, 58) – Bologna: Il Mulino, 2010. 317 S. N. Duval/V. Popovic´ (Hg.), Caricˇin Grad. III. L’acropole et ses monuments (cathédrale, baptistère et bâtiments annexes) (= Collection de l’Ecole française de Rome, 75/3). – Belgrad : Institut Archéologique de Belgrade, 2010. 661 S. J. Desanges/N. Duval/C. Lepelly/S. Saint-Amans (Hg.), Carte des routes et des cités de l’est de l’Africa à la fin de l’antiquité. Nouvelle édition des ‚Voies romaines de l’Afrique du Nord‘ conçue en 1949, d’après les tracés de Pierre Salama (= Bibliothèque de l’Antiquité tardive, 17) – Turnhout: Brepols, 2010. 345 S., 7 Karten. E. Castelli, Un falso letterario sotto il nome di Flavio Giuseppe: ricerche sulla tradizione del „peri toy pantos“ e sulla produzione letteraria cristiana a Roma nei primi decenni del III secolo (= Jahrbuch für Antike und Christentum, Erg.-Bd., Kleine Reihe, 7) – Münster: Aschendorff, 2011. 115 S. Ch. Jacob, Das geistige Theater: Ästhetik und Moral bei Johannes Chrysostomus.– Münster: Aschendorff, 2010. 263 S. B. Schneider (Hg.), Kirchenreform und Konfessionsstaat 1500–1801. Geschichte des Bistums Trier, 3 (= Veröffentlichungen des Bistumsarchivs Trier, Bd. 37). – Trier: Paulinus-Verlag 2010. 836 S., Abb. U. Paoli, Processi informativi per la nomina dei vescovi di Trento nell’Archivio Segreto Vaticano (secoli XVII–XVIII) (= Annali dell’Istituto storico italogermanico, Fonti, 10) – Bologna: Il Mulino, 2010. 771 S. C. Giovanni (Hg.), Epistolario Clemente Rebora (= Pubblicazioni dell’Istituto di Scienze Religiose in Trento, Series maior). – Bologna: EDB, 2010. VII, 634 S.

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