Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit von virtuel- len Museen als Schlüssel zur Zielgruppe

September 11, 2016 | Author: Herbert Geier | Category: N/A
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Nutzerfreundlichkeit  und  Barrierefreiheit  von  virtuel-­‐ len  Museen  als  Schlüssel  zur  Zielgruppe   Die  aktuelle  Situation  der  Museen   Museen stehen heute in einem immer größeren Konkurrenzdruck zu anderen Freizeitaktivitäten. Obwohl die nicht beruflich genutzte Zeit der Menschen in den letzten Jahren stetig gestiegen ist, ist das Medium Museum einem stetig wachsenden Angebot von Konkurrenz ausgesetzt, welches das Plus an Freizeit abschöpft. Der potenzielle Museumsbesucher wird heute von einer Masse anderer mehr oder weniger kultureller Aktivitäten umworben, zu denen auch die in den letzten Jahren stetig gestiegene Nutzung von Fernseher und Computer gehört.1 Diese Problematik wird nun von der Konzeption des virtuellen Museums aufgegriffen. Virtuelle Museen wollen den verbesserten Medienzugang und vor allem den gesteigerten Medienkonsum der Bevölkerung dahin gehend nutzen, dass sie die Menschen für ihre Ausstellungen bzw. Präsentationen gewinnen wollen. Sie können dabei entweder als zusätzliches Angebot eines real existierenden Museums oder als rein virtuelles Konzept fungieren.2 Bestehende Museen erhoffen sich so mehr und besser vorbereitete Besucher sowie eine starke, öffentlichkeitswirksame Werbung für ihr Haus. Rein virtuelle Online-Museen nutzen die Möglichkeiten des World Wide Web, um aus technischen, finanziellen oder sonstigen Gründen nicht realisierbare Ausstellungen im Cyberspace zu verwirklichen. Dabei gelten für sie im Wesentlichen die gleichen Bedingungen und Anforderungen wie für Online-Angebote konventioneller

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Anja Wohlfromm, Museum als Medium. Neue Medien in Museen. Überlegungen zu Strategien kultureller Repräsentation und ihre Beeinflussung durch digitale Medien, Köln 2002, S. 44ff. Stefanie Samida, Wissensvermittlung im Zeitalter der Neuen Medien. Von ‚virtuellen Museen‘ und ‚virtuellen Rekonstruktionen‘ am Beispiel der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie, in: D. Burckhardt/R. Hohls/V. Ziegeldorf (Hrsg.), Geschichte und Neue Medien in Forschung, Archiven, Bibliotheken und Museen. Tagungsband. hist2003. Historisches Forum 7/II , Berlin 2005, S. 408ff.; Martin Villinger, Zur Virtualisierung von Museen – Angebots- und Organisationsformen, Konstanz 1999 S. 7ff.; Werner Schweibenz, Vom traditionellen zum virtuellen Museum. Die Erweiterung des Museums in den digitalen Raum des Internets. Reihe Informationswissenschaft der DGI, Bd. 11, Frankfurt a. M. 2008, S. 132ff.

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Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit von virtuellen Museen

Häuser, sodass man im Rahmen der Betrachtung ihrer Nutzerfreundlichkeit auf eine Differenzierung verzichten kann.3

Konventionelles  Museum  =  benutzerfreundliches  Museum?   Betrachten wir zunächst das herkömmliche Museum in Bezug auf seine Barrierefreiheit bzw. erst einmal grundlegend auf seine Benutzbarkeit durch alle Besucher. Konventionelle Museen haben das große Problem, dass sie ihre Objekte nicht nur sammeln, erhalten und erforschen, sondern eben auch dem Publikum präsentieren müssen. Dabei ist ein Museum immer an die Räumlichkeiten gebunden, in denen es seine Ausstellung zeigen möchte. Nicht nur die Tatsache, dass viele Museumsgebäude gar keine konzipierten Museumsbauten sind – sondern umgebaute Schlösser, Rathäuser oder Kirchen – macht den Kuratoren und Ausstellungsgestaltern dabei zu schaffen. Wer eine Ausstellung plant, muss permanent die Bedürfnisse von Besuchern und Museumspersonal, aber auch die Eigenheiten der ausgestellten Objekte und die der zur Verfügung stehenden Räume beachten und in Einklang bringen. Lassen wir technische Vorschriften und Grundvoraussetzungen wie Brandschutzverordnungen und konservatorische Idealbedingungen außer Acht und wenden uns den Wünschen und Bedürfnissen der Besucher zu. Heutige Besucher wollen stärker noch als früher unterhalten werden, sie möchten fasziniert und gleichzeitig informiert werden. Schon dieser inhaltliche Spagat macht eine Ausstellungskonzeption hoch komplex. Eines jedoch wollen alle Besucher: den bestmöglichen Zugang zu den Exponaten. In diesem Punkt stellen Barrierefreiheit und Nutzerfreundlichkeit eine untrennbare Einheit dar. Barrierefreiheit beginnt schon bei der Einsehbarkeit von Vitrinen sowohl für groß gewachsene Personen in Verbindung mit niedrigen Sichthöhen für Kinder und Rollstuhlfahrer. Der Zugang zu allen Räumen und Objekten soll für alte und gebrechliche Menschen sowie für Personen mit Behinderungen ebenso möglich sein wie kindgerechte Führungen mit Schulklassen durch dieselben Räume. Eine Patentlösung dazu kann es natürlich nicht geben. Wo dem Rollstuhlfahrer mit einem Lift der Besuch einer Etage ermöglicht wird, steht der Museumsführer ratlos mit seiner dreißigköpfigen Kindergartengruppe und weiß nicht, wie er die Gruppe zu den Ob-

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Werner Schweibenz differenziert die unterschiedlichen Ausprägungen virtueller Museen ausführlicher, s. Schweibenz, Vom traditionellen zum virtuellen Museum, S. 163ff.

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jekten bringen soll, ohne sie zu trennen. Intelligentes, universelles4 Ausstellungsdesign von Anfang an kann dazu jedoch eine Lösung sein. Werner Schweibenz brachte hierzu das Bonmot, dass eine für Rollstuhlfahrer gedachte Rampe auch gerne von Eltern mit Kinderwagen und Besuchern mit Rollator verwendet wird.5 Darin liegen der Kernpunkt und die Lösung unseres Problems. Mit einem gut durchdachten – und eben nur mit einem solchen – barrierefreien Ausstellungskonzept kann man behindertengerecht und zugleich komfortabler für alle Besucher werden. Spezielle und umständliche Sonderwege für Menschen mit Behinderungen sind nämlich nicht nur diskriminierend, sondern auch ineffizient und teuer. Der Leitfaden für Ausstellungen im Deutschen Technikmuseum Berlin mit dem Titel „Barrierefrei Konzipieren und Gestalten“6 enthält praxisnahe und leicht umsetzbare Leitlinien, die eine größtmögliche Zugänglichkeit der Objekte und Information für die Besucher umsetzen wollen und Barrierefreiheit mit Nutzerfreundlichkeit verbinden. Als Grundlage dient dabei das Behindertengleichstellungsgesetz (§ 4 BGG) und das Landesgleichberechtigungsgesetz des Landes Berlin (§4a LGBG), die beide mit – für Gesetzestexte erstaunlicher – Präzision definieren, was man unter Barrierefreiheit zu verstehen hat: „Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“7 Gerade die Punkte „in der allgemein üblichen Weise“, „ohne besondere Erschwernis“ und „ohne fremde Hilfe“ sind hier wichtig, werden sie doch im Alltag allzu oft vergessen. Rollstuhlfahrer müssen zum Beispiel oft einen

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Svenja Gaube, Barrierefrei Konzipieren und Gestalten. Leitfaden für Ausstellungen im Deutschen Technikmuseum Berlin, Berlin 2008, S. 68. Schweibenz, Vom traditionellen zum virtuellen Museum, S. 203f. S. Fußnote 4. Bundesministerium der Justiz, Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG), (30.09.2011); Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderung, Gesetz über die Gleichberechtigung von Menschen mit und ohne Behinderung, (30.09.2011). In §4a LGBG wird noch ergänzt: „Eine besondere Erschwernis liegt insbesondere auch dann vor, wenn Menschen mit Behinderung die Mitnahme oder der Einsatz benötigter Hilfsmittel verweigert oder erschwert wird.“

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Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit von virtuellen Museen

Umweg fahren, weil sich die behindertengerechten Toiletten in einem anderen Stockwerk befindet als die gewöhnlichen. Gut gemeinte Rampen helfen da wenig, wenn sie so steil sind, dass keine Mutter den Kinderwagen allein hochschieben bzw. kein Rollstuhlfahrer ohne zusätzliche Hilfe hinauf fahren kann. Doch Benachteiligungen und Behinderung fangen auch bereits im Kleinen an. Der Begleittext im Katalog sollte auch für ältere Menschen gut lesbar geschrieben sein, ohne das sie eine Lupe zur Hilfe nehmen oder auf einen Audioguide ausweichen müssen. Auch sollte die Farbigkeit von Text und Untergrund kontraststark sein und dabei auch farbfehlsichtige Personen berücksichtigen. Untertitel bei Videoinstallationen helfen nicht nur tauben, sondern auch schwerhörigen oder schlecht deutsch sprechenden Menschen beim Verständnis. Das Deutsche Technikmuseum Berlin fasst seine Mindestanforderungen für barrierefreie Ausstellungen dabei in zehn Punkten zusammen, die eine Basis für alle Ausstellungen darstellen sollten: „1. Die Ausstellung spricht in ihrer Gesamtheit mehrere Sinne an. 2.

Zentrale Ausstellungsinhalte, Objekte und Vermittlungsmittel sind immer über mindestens zwei oder drei der Sinne Sehen, Hören oder Tasten erfahrbar und mit dem Rollstuhl zugänglich bzw. einsehbar.

3.

Es gibt zumindest eine Rundgangsmöglichkeit durch die Ausstellung, die inhaltlich und gestalterisch barrierefrei ist.

4.

Die Texte sind kurz und sowohl nach inhaltlichen als auch gestalterischen Kriterien leicht zu lesen.

5.

Die Ausstellung bietet Möglichkeiten der Interaktion an, die unterschiedliche Sinne an sprechen.

6.

Angebote für Kinder (speziell geeignete Objekte, Hands-on, Texte, didaktische Stationen, etc.) sind in die Ausstellung integriert und deutlich gekennzeichnet.

7.

Technik, die von den Besucherinnen und Besuchern genutzt werden soll (beispielsweise Audioguides, Bedienknöpfe, Hands-on-Angebote), berücksichtigt die Ansprüche eines universellen Designs [...].

8.

Die Ausstellungsgestaltung berücksichtigt Kriterien der Barrierefreiheit insbesondere in Bezug auf Textgestaltung, Farb- und Beleuchtungskonzept, Sichthöhen und Bewegungsfreiheit.

9.

Im Begleitprogramm gibt es Angebote, die (auch) für Menschen mit Behinderungen geeignet sind. Diese Angebote werden in Informationsmaterialien als barrierefrei

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gekennzeichnet. Die Kommunikationsarbeit richtet sich gezielt auch an Menschen mit Behinderungen. 10. Die Kolleginnen und Kollegen in den Ausstellungen und im Servicebereich sind auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Gäste vorbereitet und stellen sich darauf ein.“

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Mit diesem Programm könnten nicht nur Behinderte als Zielgruppe gewonnen, sondern auch allen anderen Gästen mehr Besuchskomfort eingeräumt werden.

Das  virtuelle  Museum  als  Lösung?   Im Bereich der Barrierefreiheit sollte ein virtuelles Museum seine Vorzüge ausspielen können. Es gibt zwar keinen direkten Zugang zu den Objekten, keine Hand-Ons und auch Walter Benjamins „Aura des Originals“9 fehlt, aber die Benutzung einer virtuellen Ausstellung sollte prinzipiell jeder Person weltweit möglich sein. Allerdings ist dies auch nur eine Utopie. Es beginnt bereits mit der technischen Umsetzung: Nicht jeder hat einen internetfähiges Gerät zur Verfügung, die Qualität der Internetverbindung ist nicht überall ausreichend und vor allem hat nicht jeder potenzielle Besucher das technische Wissen, eine Online-Ausstellung zu besuchen. Werner Schweibenz erläutert in seinem Werk „Vom traditionellen zum virtuellen Museum: Die Erweiterung des Museums in den digitalen Raum des Internets“ zutreffend die Probleme, die sich dabei ergeben:10 Der Ausstellungsgestalter versucht eine grafisch ansprechende Seite mit vielen interaktiven Features zu gestalten, die vernetztes Lernen ermöglichen und Spaß machen sollen. Der Besucher scheitert hingegen an seiner veralteten Hardware sowie nicht installierten oder nicht aktualisierten Programmen – hier sei vor allem an BrowserErweiterungen wie Flash usw. gedacht – oder er ist technisch nicht versiert genug, diese Angebote zu bedienen.11 Der von Schweibenz noch postulierte „Flaschenhals Internet“12 wird zwar durch besseren Netzausbau und den technischen Fortschritt immer breiter, dieser Geschwindigkeitsgewinn wird zum Teil jedoch durch immer aufwendigere Internetseiten mit immer größeren Datenvolumina zunichtegemacht.

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Gaube, Barrierefrei Konzipieren und Gestalten, S. 6f. Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie, Frankfurt a. M. 1963, S. 16. Schweibenz, Vom traditionellen zum virtuellen Museum, S. 179ff. Ebd., S. 203f. Ebd., S. 203.

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Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit von virtuellen Museen

Auch die heute aktuelle Vernetzung von Mobiltelefonen und anderen Kleingeräten ist noch auf möglichst geringe Datenströme angewiesen, da die Nutzung sonst zu große Kosten mit sich bringt oder technisch nicht umsetzbar ist. Hier liegt ein großes Problem, aber auch ein Potenzial der virtuellen Museen. Zum Einen fehlt der in herkömmlichen Museen stark vertretenen Zielgruppe der Senioren immer noch der Zugang zu modernen Medien, auch wenn sich der Trend hin zum multimedialen vernetzten „Silver Ager“ entwickelt.13 Auf der anderen Seite steht zum einen die Zielgruppe junger, technikbegeisterter Menschen, denen konventionelle Museumsangebote meist zu „langweilig“ sind. Außerdem lassen sich Menschen mit speziellen Handicaps, wie etwa Gehbehinderungen, besser durch Online-Angebote erreichen. Durch die immer stärkere Mediatisierung unserer Gesellschaft und die nahezu flächendeckende Verbreitung von Informationstechnik stellt sich also trotz aller Kritik nicht die Frage, ob Online-Museen sinnvoll sind, sondern wie sie möglichst viele Menschen erreichen.

Barrieren  im  Netz   Wie im konventionellen Museum auch, haben Besucher eines virtuellen Museums oft Probleme mit der Schriftgröße von Texten. Hier bietet das Web die Möglichkeit zur Vergrößerung der Begleittexte, schafft darüber hinaus jedoch auch die Möglichkeit Objektdetails, etwa Bildausschnitte zu vergrößern, was im realen Museum nur mit erheblichem technischen Aufwand möglich wäre. Doch gerade bei der Umsetzung selbst der einfachsten Zugriffshilfen hapert es noch. Jan Eric Hellbusch zitiert in seinem Aufsatz „Barrierefreie Webauftritte der Museen: Eine Einführung“ eine Studie von 2004, nach der von 300 englischen Museen 59% gegen die elementaren Kriterien für barrierefreien Zugang verstoßen und nur ein einziger Webauftritt nahezu komplett barrierefrei war.14 Aktuelle Daten liegen nicht vor. Allerdings dürfte sich die Situation nicht

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Im Jahr 2010 waren 17 Prozent der Deutschen noch niemals online gewesen, in der Altersklasse von 55 bis 74 Jahren liegt der Anteil bei 42 Prozent. S. Statistisches Bundesamt Deutschland, Pressemitteilung Nr.319, (29.09.2011). Jan Eric Hellbusch, Barrierefreie Webauftritte der Museen: Eine Einführung, in: Patrick S. Föhl/ Susanne Erdrich/ Hartmut John/Karin Maaß (Hrsg.), Das barrierefreie Museum. Theorie und Praxis eine besseren Zugänglichkeit. Ein Handbuch, Bielefeld 2007, S. 205–226, hier: S. 205f.

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merklich verbessert haben, da beim Wandel von HTML-Standards und der damit verbundenen Neugestaltung von Seiten in der Regel eher auf Massenkonformität und -kompatibilität als auf Barrierefreiheit Rücksicht genommen wird. Hellbusch spricht als Lösung vor allem die Aspekte Textorientierung, Kontraste und Farben, Skalierbarkeit, Linearisierbarkeit, Geräteunabhängigkeit und Dynamik, Verständlichkeit, Navigation und Orientierung sowie die Strukturierung der Inhalte an. So sollen beispielsweise Texte auch für Sehbehinderte durch Bildschirm-Vorlese-Programme (sog. „Screenreader“) hörbar gemacht werden können.15 Dabei ist jedoch zuvor eine gewissenhafte Gestaltung der Website nötig. Auch an beschreibende Texte, die sehbehinderte Personen anstatt Bildern vorgelesen bekommen, sollte gedacht werden.16 Die anderen Aspekte kommen dabei auch jedem nichtbehinderten WebsiteBesucher zugute, da eine logische und einfache Strukturierung mit gut lesbaren Texten im inhaltlichen wie grafischen Sinne jedem Leser angenehmer ist.17 Jedoch bedeutet eine solche benutzerfreundliche und barrierearme Gestaltung vor allem auch eine viel aufwendigere Konzeption und Pflege des Webauftrittes, was erhöhten Arbeitsaufwand und Kosten mit sich zieht. Daher wird gerade im Online-Bereich immer noch die Vermeidung großer Hindernisse für hilfsbedürftige Nutzer unterlassen, obwohl technische Lösungen bereits seit Langem zur Verfügung stehen. Screenreader sind heutzutage als einfache Browser-Plug-ins nahezu problemlos zu verwenden, jedoch mangelt es immer noch an lesefreundlichen Seiten für diese Programme. Konventionell programmierte Webseiten mit vielen Grafiken bieten hier Schwierigkeiten, da die Screenreader sie zum Teil falsch interpretieren und so für Menschen unnötigen Quelltext vorlesen und die Bildinhalte nicht ersetzen können, da es an adäquatem Metatext mangelt. Auch Abkürzungen im Text sollten mit zusätzlichen Metadaten versehen werden.18 Gerade hier scheuen sich aber viele Museen benutzerfreundlicher zu werden, da ein mehr an Metadaten wohl in einem zu geringen Kosten-NutzenVerhältnis für die Anbieter steht, sofern diese nicht gesetzlich zur Barriere-

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Hellbusch, Barrierefreie Webauftritte der Museen, S. 208ff. Differenzierte Anforderungen finden sich in: Jan Eric Hellbusch, Umsetzung eines barrierefreien Webauftritts für Museen, in Patrick S. Föhl/Susanne Erdrich/Hartmut John/Karin Maaß (Hrsg.), Das barrierefreie Museum. Theorie und Praxis eine besseren Zugänglichkeit. Ein Handbuch, Bielefeld 2007, S. 227–253, hier: S. 230ff. Vgl. Gaube, Barrierefrei Konzipieren und Gestalten, S. 54f. Hellbusch, Umsetzung eines barrierefreien Webauftritts für Museen, S. 248ff.

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Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit von virtuellen Museen

freiheit gezwungen werden. Dies mag auch damit zu tun haben, dass diese Mehrarbeit im Bereich der Metadaten für den „normalen“ Besucher größtenteils unsichtbar bleibt und daher auch weniger im Fokus der Öffentlichkeit präsent zu sein scheint.

Zur  Erreichung  der  Zielgruppen  mittels  Nutzerfreundlichkeit   Die angestrebten Zielgruppen von konventionellen wie virtuellen Museen müssen erst angeworben werden, das heißt, ihr Interesse muss geweckt werden und diese Aufmerksamkeit muss erhalten werden, um Inhalte auch langfristig vermitteln zu können.19 Gerade für virtuelle Museen gilt es daher, die Nutzer nicht nur zum Besuch der eigenen Seiten zu bewegen, sondern sie auch zu faszinieren, ihnen ein zufriedenstellendes Angebot zu bieten und sie eventuell auch zum mehrmaligen Besuch des Online-Angebots zu bewegen. Gegenüber konventionellen Museen haben virtuelle Angebote zwar den Vorteil, dass sich potenzielle Nutzer viel leichter dazu bringen lassen, ein solches Angebot zu Besuchen, da dazu in der Regel schon das Eintippen der Adresse des Museums oder – noch einfacher – das Anklicken eines entsprechenden Hyperlinks genügt, während sich der konventionelle Museumsbesucher über An- und Abreise, Eintrittspreise und nicht zuletzt auch um die Öffnungszeiten kümmern muss. Doch so schnell die Aufmerksamkeit des Besuchers gewonnen ist, so schnell wird sie auch von den nächsten Links zu anderen Angeboten des World Wide Webs erlangt und mit einem Klick ist der eben geworbene Besucher entschwunden – während kaum ein Museumsbesucher, der seinen Besuch geplant, sich passend angezogen und gegebenenfalls Eintrittsgeld gezahlt hat, sich auf der Türschwelle des Museums wieder umdreht und dieses zu Gunsten eines Kinos verlässt. Der Schlüssel zur Bindung der Besucher ist – im virtuellen wie im konventionellen Museum – die Nutzbarkeit der bereitgestellten Angebote durch die Besucher. Schwierigkeiten bestehen hier, wie bereits erwähnt, schon für konventionelle Ausstellungen: Wenn die Besucherführung durch die Ausstellung schlecht ist, die Texte der Wandtafeln zu klein geschrieben sind, die Beleuchtung zu schwach ist oder mediale Zusatzangebote wie Audioguides und Computerterminals die Besucher durch ihre technischen Anforderungen überfordern.

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Wohlfromm, Museum als Medium, S. 33ff.

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Bei Online-Angeboten gilt dies noch verstärkt. Wenn ein konventioneller Museumsbesucher von der Ausstellungskonzeption überfordert ist, besucht er das Museum nicht wieder und teilt eventuell seine schlechten Erfahrungen in Form von negativer Mundpropaganda anderen potenziellen Besuchern mit. Ein virtueller Museumsbesucher tut dies alles auch, doch ist er schon binnen weniger Sekunden verloren, während sich der konventionelle Besucher meist doch noch durch alle Ausstellungsräume „quält“. Dabei bieten virtuelle Museen gerade durch ihre Virtualität die Chance, viel breitere Zielgruppen anzusprechen, als konventionelle Ausstellungshäuser dies vermögen. Hierbei sei vor allem an breitere Altersgruppen zu denken, als auch an behinderte Menschen und Personen, die aus räumlichen Gründen ein vergleichbares reales Museum nicht betreten wollten oder könnten.

Ausblick   Eine barrierefreie Gestaltung von Ausstellungen im virtuellen wie realen Museum ist wünschenswert, möglich und dringend notwendig, um behinderte Menschen, die einen beachtlichen Anteil an unserer Gesellschaft ausmachen, nicht zu diskriminieren. Der zusätzliche Aufwand und die Kosten sollten nicht gescheut werden, da man durch das sogenannte universelle Design in der realen wie der virtuellen Welt mehr Nutzerfreundlichkeit – die heute viel gerühmt „Usability“ – für alle Besuchergruppen erreichen kann. Durch das universelle Design können auch viele spezielle Nachrüstungen für Behinderte wegfallen, wenn man nur konsequent von Beginn der Ausstellungsplanung die größtmögliche Zugänglichkeit im Blick behält. Die Besucher werden es einem danken.

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