Michèle Amacker I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

June 25, 2017 | Author: Kristin Hochberg | Category: N/A
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1 2 Ich komme mir sehr sehr wertlos vor. Lebensführung von Haushalten in prekären Lagen Frauenkonferenz Leben ...

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I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

Michèle Amacker | 29.10.2012

I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

„Ich komme mir sehr sehr wertlos vor.“ Lebensführung von Haushalten in prekären Lagen Frauenkonferenz | Leben in Unsicherheit | sek - feps [email protected]

Michèle Amacker | 29.10.2012

I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

Dementer in Indien ausgesetzt 24 Monate bedingt für Partnerin (NZZ, 4.4.2012) Bankerin „entsorgt“ pflegebedürftigen Partner in Indien (Südkurier, 4.4.2012)

Invaliden nach Indien abgeschoben (NZZ, 5.4.2012) Michèle Amacker | 29.10.2012

I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

Prekarität Prekärer Wohlstand (Hübinger, 1996)

Armut

prekärer Wohlstand

Armutsgrenze

gesicherter Wohlstand

Wohlstandsschwelle

60-80 % Äquivalenzeinkommen Michèle Amacker | 29.10.2012

I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

Kritik Erosion Normalarbeitsverhältnis … Situationen potenzieller Armut … 

Klassische Prekaritätsforschung: Fokus Erwerbsarbeit, Orientierung am Idealbild ‚männlicher Familienernährer‘ im ‚Normalarbeitsverhältnis‘



Erweiterter Prekaritätsbegriff: Einbezug weiterer Lebensbereiche, des gesamten Lebenszusammenhangs (Haushalt anstatt Individuen): bezahlte + unbezahlte Arbeit

Michèle Amacker | 29.10.2012

Prekarität



I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

Ausweitung des klassischen Prekaritätsbegriffs: Bezahlte Arbeit: ^ Geschlechtstypische Besetzung von Berufen, Branchen, Hierarchieebenen (in Tieflohnbranchen arbeiten viele Frauen, z.B. Detailhandel) ^ Geschlechtsspezifisch ausdifferenzierte Berufsverläufe (Unterbruch durch Mutterschaft und dadurch erhöhte Erwerbslosigkeit; Teilzeitpensen etc.) und geschlechtstypisch ausdifferenzierte Lebensmuster und Lebensläufe Unbezahlte Arbeit: ^ Organisation von unbezahlter Arbeit (Care) muss mitgedacht werden: geschlechtsspezifische Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit

Michèle Amacker | 29.10.2012

I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

Prekarität 

Analysedimensionen Prekarität im Lebenszusammenhang

unbez. Arbeit Erwerbsarbeit Einkommen

Bildung

Gesundheit

Soziales Netz

1 Individuelle Lebenslage 2 Kontextualisierung: Haushalt 3 Temporalisierung: Lebenslauf 4 Lebensführung Michèle Amacker | 29.10.2012

Wohnen

Prekarität

I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

„Die grösste Schwierigkeit … ja, alles unter einen Hut bringen. Ich arbeite im Schichtbetrieb und jetzt gerade mit den Kindern und der Schule ist das jeweils schwierig, wenn ich Spätdienst habe, weil mein Mann da wirklich nicht viel helfen kann aufgrund seiner Ausbildung und auch vom Deutsch her. (…) Ja und dieses Existenzielle … ich bringe den Hauptlohn heim, und was wäre, wenn ich nach diesem Bandscheibenvorfall nicht mehr auf diesem Job arbeiten könnte? (…) da haben wir nicht viel Spielraum. (…) Weil wir immer gerade so rauskommen Ende Monat.“ Marianne Dubois, Pflegefachfrau, 45 J., dreifache Mutter Michèle Amacker | 29.10.2012

I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

Kontext Staat

Familie/ Gemeinschaft

Unsicherheit * Wohlergehen

Markt

(Mary Daly: 2000)

Michèle Amacker | 29.10.2012

Kontext: Staat 

I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

CH: liberal-konservativer Wohlfahrtsstaat: ^ Care-Arbeit wird von privaten Haushalten getragen: Benachteiligung für Haushalte mit tiefen Einkommen (resp. für Frauen mit tiefen Einkommen) ^ Zahlen zu Haushalten mit tiefen Löhnen und Kinderbetreuung (Baghdadi 2010): • 90% der Kinder sind privat betreut (Eltern und Verwandte, Bekannte) • Haushalte mit tiefen Einkommen nehmen weniger familienexterne Hilfe in Anspruch • Gründe für Nicht-Inanspruchnahme formaler Kinderbetreuung: – Hohe Kosten, falsche Öffnungszeiten, keine Angebote vorhanden

Michèle Amacker | 29.10.2012

Kontext: Staat

I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

^ Care-Arbeit/Betreuungsleistungen sind ungenügend sozial abgesichert: Sozialversicherungen sind ausgerichtet auf Erwerbstätigkeit/Normalarbeit (Stutz und Knupfer 2012): • Z.B. Verdoppelung der Hilflosenentschädigung bei Pflege zu Hause • Z.B. Ausdehnung der Betreuungsgutschriften (Unverheiratete, nahestehende Personen) • Pensionskassen: Verbesserte Absicherung tiefer Einkommen (Teilzeit!) • Verbesserte Einkaufsmöglichkeiten für Personen mit Carebedingten Lücken Michèle Amacker | 29.10.2012

Kontext: Unbezahlte Arbeit 

I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

Zahlen zu Care-Arbeit in der Schweiz: ^ ^ ^ ^ ^

80% der in der Schweiz geleisteten Care-Arbeit ist unbezahlt 4/5 davon für Betreuung von Kindern 1/5 Pflege von erwachsenen Menschen Ein Grossteil der Care-Arbeit wird von Frauen geleistet Grosseltern, insbesondere Grossmütter, leisten einen grossen Anteil an unbezahlter Kinderbetreuung ^ Umbau Gesundheitssystem: immer mehr wird auf die privaten Haushalte abgeschoben, zum Beispiel bei früheren Entlassungen aus dem Krankenhaus

Michèle Amacker | 29.10.2012

Kontext: Erwerbsarbeit 

I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

Frauen und Männer sind unterschiedlich in den Arbeitsmarkt integriert: ^ Prekarisierte Tieflohnbranchen, in denen viele Frauen arbeiten: • • • •

Gastgewerbe, Reinigung, persönliche Dienstleistungen (z.B. Coiffeuse) Detailhandel: zu 2/3 Frauen tätig, praktisch alle Teilzeit Pflegeberufe sind betroffen von Sparmassnahmen Frauen sind deshalb überdurchschnittlich von prekärer Erwerbsarbeit betroffen

^ Benachteiligung durch Teilzeitarbeit: Teilzeitarbeit als weibliches Phänomen: • Qualität der Teilzeitarbeitsstellen: z.B. hohe Verfügbarkeit, wenig Lohn • Nicht existenzsicherende Löhne, fehlende Sozialversicherungsbeiträge • Zwangsteilzeit? Oder freiwillig gewählt? (etwa im Detailhandel) Michèle Amacker | 29.10.2012

I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

Kontext: Erwerbsarbeit 

Erwerbstätige nach Beschäftigungsgrad in % ^ Vollzeit (90 %+): • Männer: • Frauen:

86 % 42 %

^ Teilzeit I (50-89 %): • Männer: • Frauen:

8% 32 %

^ Teilzeit II (< 50 %): • Männer: • Frauen: 2012, 2. Quartal (SAKE) Michèle Amacker | 29.10.2012

6% 26 %

Konstellation 1: Familienernährerin

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Marianne Dubois (42 J.) „Mein Mann hat nicht viel größere Möglichkeiten um … also es wird nicht so sein, dass er die Familie ernähren könnte (…), weil er halt keine Ausbildung hat. Er wird immer Hilfsarbeiterjobs machen müssen“. „Es hat sich verschlechtert, weil ich mehr Schicht arbeiten muss. Ich bin oft am Abend nicht zu Hause (…) und mein Mann kann nicht so gut Deutsch und dann kann er den Kindern nicht gut bei den Hausaufgaben helfen und wenn ich jetzt vier oder fünf Spätdienste am Stück habe, dann sehe ich die Kinder auch fast nie. (…) dann habe ich das Gefühl, ich habe irgendwie den Überblick nicht mehr“.

Michèle Amacker | 29.10.2012

Konstellation 2 Mehrgenerationenhaushalt

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Elma Celik (44 J.) „Ich habe keine Betreibung. Aber ich warte immer, bis die erste Mahnung oder zweite Mahnung kommt, dann nehme ich Minus von der Bank und dann zahle ich“. „Ich würde jede Arbeit machen“. „Ich bin zum Arzt gegangen. Er hat gesagt: nicht arbeiten. Aber ich muss“. Michèle Amacker | 29.10.2012

Konstellation 3 Unsichtbare Care-Arbeit

I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

Martha Gut (58 J.): „sehr eintönig. Weil ich bin alleine mit der Katze (…) mein Mann ist gestorben vor zwei Jahren. Hat sehr leiden müssen. Darum musste ich aufhören zu arbeiten“. „Aber es ist chancenlos: (…) Sie sind zu alt, Sie sind zu teuer“. „Man kommt sich sehr sehr wertlos vor“. Michèle Amacker | 29.10.2012

Konstellation 4: unsichtbar sein

I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

Felicia Lang (51 J.) „Ich komme mir langsam, wie soll ich sagen, wie eine Randständige vor, (…). Auch finanziell kann ich mit meinen Leuten nicht mehr mithalten, oder. Und einfach so damit fertig zu werden, das ist extrem schwierig. Und ich habe auch noch nie in meinem Leben gerade quasi alle Stuhlbeine fast ab. Das Gesundheitsstuhlbein ist bei mir immer ein bisschen wacklig gewesen, aber jetzt sind fast alle ab, oder." „Weil die Arbeit ist natürlich für mich sehr wichtig gewesen. Eben meine Klienten, die Beziehungen dort, das Team, ich habe keine Familie, dann ist für mich das Arbeiten ein Schwer-, ein grosser, eigentlich der grösste Schwerpunkt gewesen, oder, weil ich auch keine feste Partnerschaft mehr gehabt habe“. Michèle Amacker | 29.10.2012

Schluss



I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

Fazit der 4 Konstellationen: ^ Zeitprekarität bei Familienhaushalten zentral: Verschränkung von Erwerbs- und Familienarbeit ^ Dominanz der Erwerbsarbeit: Gibt sowohl den Lebensrhythmus vor und ist gleichzeitig zentral für soziale Anerkennung, Status ^ Materielle und nicht materielle Faktoren spielen zusammen ^ Erwerbsarbeit allein ist nicht verantwortlich für Unsicherheit im Haushalt: unbezahlte Arbeit mitbetrachten

Michèle Amacker | 29.10.2012

Schluss



I Prekarität II Kritik III Kontext IV Fallbeispiele

Auslagerung von Care-Arbeit? „Ich habe Probleme mit der Kinderbetreuung, ich habe nachher drei [Kinder] oder ((zeigt lachend auf ihren Bauch)). Wer schaut dann? Es muss einer von uns [sie oder ihr Mann], oder. Aber ein Lohn reicht nicht.“ Alva, Pflegefachfrau, 35 J.

Michèle Amacker | 29.10.2012

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