Leipziger Lerche. Studentenzeitschrift des Studienganges Buchhandel/Verlagswirtschaft der HTWK Leipzig

April 19, 2017 | Author: Rüdiger Sachs | Category: N/A
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1 Besser digital?! Leipziger iger Lerche + Kein Interview mit Jeff Bezos + André He rmann präsentiert seinen...

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44 :: Frühling 2016

Der kuriose Blick auf die Branche

Leipziger Lerche Studentenzeitschrift des Studienganges Buchhandel/Verlagswirtschaft der HTWK Leipzig

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E-Reader

Spezial: Einfach anders - Kuriositäten aus der Branche Buchmarkt China Neue Lyrikverlage in Leipzig Ökologische Bilanz von E-Books

© Susanne Bez

WWW.PETERSEN-BUCHIMPORT.COM

Service von Nord nach Süd

WWW.UMBREIT.DE

Editorial :: 3

EDITORIAL LEIPZIGER LERCHE FRÜHLING 2016

Liebe Leserinnen und Leser, habt ihr euch vielleicht auch schon einmal gefragt, wie sich der chinesische Buchmarkt entwickelt oder was Bestseller-Titel gemeinsam haben? Was aus ungeliebten Büchern gebastelt werden kann, welche abgedrehten Verlage es gibt oder wie Medienunternehmen in unseren Alltag greifen? Was trinkt der Autor beim Schreiben seiner Werke oder welche ausgefallenen Buchtitel gibt es? In unserer aktuellen Lerche erfahrt ihr es. Neben Branchenthemen wie einer ökologischen Bilanz zwischen Print und E-Book oder dem Jubiläum der BücherFrauen, dreht sich unser Spezial diesmal um allerlei Kuriositäten aus der Buch- und Verlagswelt. Falls euch das nicht genügt, besucht unseren Blog leipzigerlerche.com oder unsere FacebookSeite mit wöchentlichen Artikeln und verschiedenen Themen aus der Branche. Viel Spaß mit der aktuellen Ausgabe wünschen Eure Leipziger Lerchen

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4 :: Inhalt

Inhaltsverzeichnis Editorial .........................................................................................................................................................................3

Nachgefragt ...............................................................................................................................................................5

Besucht uns auf unserem Blog leipzigerlerche. com und auf

für Hintergrundberichte zum aktuellen Heft, monatliche Spezialthemen und alles rund ums Buch.

Buchmarktforschung China .............................................................................................................................................................................6 Branche Bestsellerforschung .................................................................................................................................................8 Was macht eigentlich...? ......................................................................................................................................10 Best of Lerche-Blog ...............................................................................................................................................11 E-Book gegen Printbuch .....................................................................................................................................12 Bücherfrauen ..........................................................................................................................................................13 Netzwerke und Marktprobleme .......................................................................................................................14

SPEZIAL Einfach anders - Kuriositäten aus der Branche Game Brands, Poeten & 50 Jahre LSD ............................................................................................................16 Mythos Buchhandel ..............................................................................................................................................18 Aus einer anderen Welt .......................................................................................................................................19 Literatur und Rausch ............................................................................................................................................20 Die Geschichte des Herrn Bert ..........................................................................................................................22 Die absurdesten Buchtitel ..................................................................................................................................23 Bücher stärken den Charakter ..........................................................................................................................24 Kleines Bücherzerstörungseinmaleins ...........................................................................................................26 HTWK Leipzig Buchhandel? Verlagswirtschaft? ......................................................................................................................28 Leben und Studieren in Leipzig Thietmar von Merseburg ....................................................................................................................................30 Von Dichtern und Mördern ................................................................................................................................31 Rezensionen – Aufgeschlagen Verschlusssache .....................................................................................................................................................32 Alois Nebel ...............................................................................................................................................................32 Die Schule der Trunkenheit ................................................................................................................................33 The Wrath and The Dawn ...................................................................................................................................33 Gewinnspiel .............................................................................................................................................................34 Impressum ...............................................................................................................................................................34 Nachruf ......................................................................................................................................................................35

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Nachgefragt :: 5

Nachgefragt Wie sah euer peinlichster Kassenzettel aus?

Kassenzettel Rotwein Kondome DVD

Felix, 24 „Das war glaube ich, das Schlimmste das ich jemals gekauft habe. Es ist mir auch erst hinterher aufgefallen als mich meine Freundin ausgelacht hat. Naja, was soll man machen. (lacht) Ich muss zugeben, das ist mir immer noch total peinlich.“

Kassenzettel Gartengestaltungsratgeber Thriller

Yvonne, 19 „Du willst das sicher von Büchern her wissen oder? So richtig peinlich ist das jetzt nicht, aber mir ist es mal passiert, dass ich Geschenke gekauft hab‘ und ich nachher total froh war, dass niemand die Polizei gerufen hat. Meine Oma ist immer mit ihrem Garten beschäftigt. Da hab‘ ich ihr natürlich ein Buch über Gartengestaltung gekauft, ich glaub‘ es war irgendwas asiatisches, und für eine Freundin gab es einen Thriller. Im Nachhinein kann ich mir bessere Kombinationen vorstellen.“

Kassenzettel Schokolade Thunfisch Gurke Gleitgel

Juliane, 22 „Zu so einem Zettel kommt es eben, wenn man zu viel auf einmal erledigen will. Die Kassiererin hat mich auch angeguckt, als wäre sie sehr enttäuscht von mir. Das war so eine total süße ältere Dame. Das tut mir krass leid, aber es war einfach so lustig, ich bin vor dem Laden einfach so in Lachen ausgebrochen!“

Die Interviews führte Amelie Müller.

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6 :: Buchmarktforschung

China: Buchmarkt der Superlative? Zwischen Zensur und Liberalisierung China Hauptstadt: Peking Fläche: 9.596.960 km2 Einwohner: 1,37 Mrd. Anzahl offizieller Verlage: 582 Verbreitender Buchhandel: 120 000 Händler Jährliche Novitäten: 256 000 Alphabetisierungsrate: 95 Prozent

Bereit für einige Superlativen? Papier und Druck sind Erfindungen des alten Chinas. China ist aktuell der zweitgrößte Buchmarkt der Welt, hinter den USA. Mit jährlich rund 16 000 Buchtiteln ist das Reich der Mitte der weltweit größte Abnehmer ausländischer Lizenzen. Ende 2014 gab es fast 300 Millionen Leser von OnlineLiteratur in China. Die zehn reichsten Online-Autoren sind bereits Euro-Millionäre. Außerdem gibt es landesweit über 100 000 Buchhandlungen. Ist demnach anzunehmen, dass der chinesische Buchmarkt ausschließlich Größenordnungen der Superlative vorweist? Werden weitere wichtige Kennzahlen mit denen des deutschen Buchmarktes verglichen und setzt man diese in Relation zur Einwohnerzahl, zeigt sich ein deutlich bescheideneres Bild: 582 offizielle Verlage (Deutschland: über 2 000) veröffentlichten 2013 zusammen mit den „privaten Verlagen“ 256 000 Novitäten (93 600) und machten mit anderen buchhändlerischen Betrieben insgesamt rund 11 Milliarden Euro Umsatz (9,3 Milliarden). Der Buchmarkt Chinas wurde in den letzten Jahrzehnten deutlich liberalisiert, dennoch bleibt er einer der am stärksten vom Staat kontrollierten Märkte. Was sich nicht zuletzt an der Unterscheidung zwischen offiziellen und privaten Verlagen zeigt. Verlage und Buchhandlungen Alle 582 offiziellen Verlage sind staatlich. Private Verlage sind bis heute nicht erlaubt und können nur unter dem Decknamen einer „Kultur-Agentur“ existieren. Um Bücher zu veröffentlichen, sind die Agenturen auf eine Zusammenarbeit mit den offiziellen Verlagen angewiesen. Dennoch ist der Einfluss der privaten Unternehmen nicht gering: Sie weisen „ein hohes Maß an Professionalität und Marktorientierung auf und werden von

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kapitalstarken staatlichen Verlagsgruppen zum Teil aufgekauft“ (Buchmarkt China 2015). Durch die Öffnung des Marktes ist China auch für ausländische Verlagsgruppen interessant geworden. Den Anfang machte 2008 Penguin Random House (Bertelsmann). Mittlerweile sind auch Springer, Pearson, Reed Elsevier und eine Reihe weiterer international tätiger Medienhäuser in China vertreten. Im Buchhandel wird ebenfalls zwischen den staatlichen Xinhua Bookstores und den privaten Buchhandlungen unterschieden – hinzu kommen noch die Online-Buchhandlungen. 2013 waren die größten zehn allesamt Xinhua Bookstores. Wobei es sich bei diesen nicht um eine nationale Kette handelt: die Bookstores haben jeweils ihren eigenen Besitzer und Geschäftsleiter. Im Unterschied zu den Verlagen, ist im Bereich des Publikationshandels der Markt vollständig und in allen Bereichen geöffnet worden. Außerdem gibt es keine Preisbindung und die Buchpreise sind im Vergleich zu Deutschland häufig um ein Drittel günstiger, besonders bei Büchern für die breite Masse. Leseverhalten Die eine Hälfte der zehn größten chinesischen Verlage ist im Bereich Bildung aktiv, die andere Hälfte im Bereich Fachbuch. Das spricht für den Bildungshunger der wachsenden Mittelschicht. Besonders beliebt ist in China außerdem die eingangs genannte Online-Literatur. Es handelt sich dabei um online erhältliche Fortsetzungsromane, von denen jährlich rund 70 000 Werke veröffentlicht werden. Gelesen werden diese auf dem Smartphone: Für 242 Millionen der fast 300 Millionen Nutzer ist es das bevorzugte Lesegerät. Rund 60 Prozent der Leser sind zwischen 19 und 30 Jahre alt und bevorzugen Themen wie „City-Roman“ (Leben und Arbeiten in den Städten), Mystery-Fantasy und romantische Trivial-Literatur.

Buchmarktforschung :: 7

Wir führen Verleger- und Lektorenreisen und organisieren unterschiedliche Projekte sowie Veranstaltungen, mit denen deutsche Bücher und der Austausch zwischen den beiden Buchmärkten gefördert werden. Das sind nur einige Beispiele. Kurz zusammengefasst könnte man sagen, dass wir v. a. als Brücke zwischen der deutschen und der chinesischen Buchwelt agieren.

© Wikimedia Commons

Im Gespräch mit dem Buchinformationszentrum (BIZ) Peking Um Informationen aus erster Hand zu bekommen, führten wir ein Interview mit Yingxin Gong, Leiterin des BIZ Peking. Leipziger Lerche: Frau Gong, Sie sind Leiterin des BIZ Peking. Können Sie das BIZ und Ihre Arbeit bitte kurz vorstellen? Yingxin Gong: Das BIZ Peking ist seit 1998 als Vertretung der Frankfurter Buchmesse in China tätig. Unsere Aufgaben sind vielfältig: Wir sind Ansprechpartner für alle chinesischen Unternehmen, die an der Frankfurter Buchmesse teilnehmen möchten. Wir beobachten und analysieren beide Märkte, u. a. durch Teilnahme an den wichtigsten Buchmessen. Wir informieren über wichtige Entwicklungen – durch Veröffentlichung von Artikeln und durch Zusammenarbeit mit den wichtigsten Branchenzeitungen und chinesischen Medien. Wir beantworten Anfragen der deutschen Buchbranche, vermitteln bei Fragen sowie Problemen und unterstützen chinesische Verlage bei der Kommunikation mit deutschen Lizenzpartnern. Auch die Arbeit von Übersetzern mit den Ziel- und Ausgangssprachen Deutsch und Chinesisch unterstützen wir durch verschiedene Maßnahmen wie Workshops und die Instandhaltung einer Übersetzerdatenbank.

Leipziger Lerche: Welche Bedeutung hat deutsche Literatur in China? Yingxin Gong: Deutsche Klassiker haben eine große Bedeutung, von Goethe bis Grass sind viele deutsche Autoren auch unter chinesischen Lesern beliebt und bekannt. Neuere deutsche Literatur andererseits wird oft als etwas trocken wahrgenommen. Bestsellerzahlen werden am ehesten mit Kinderbüchern erzielt: Von Ich und meine Schwester Klara von Dimiter Inkiow wurden bereits mehr als eine Million Exemplare verkauft; Die 13-1/2 Leben des Käpt’n Blaubär von Walter Moers, dessen Lizenz 2002 an den chinesischen Verlag verkauft wurde, weist bisher mehr als 300 000 gedruckter Exemplare auf; von Michael Endes Momo wurden über 270 000 Exemplare verkauft. Der größte deutsche Bestseller am chinesischen Markt ist übrigens e. o. plauens Vater und Sohn! Leipziger Lerche: Wie wird sich der chinesische Buchmarkt in den nächsten fünf Jahren entwickeln? Welche Trends sehen Sie? Yingxin Gong: Der Markt wird weiterhin schnell wachsen, in den letzten zehn Jahren wuchs der Buchmarkt in der Regel etwas schneller als das BIP. Im Vergleich zu Europa und Japan wird pro Kopf immer noch sehr wenig gelesen! Ich denke, dass der Austausch zwischen China und dem Rest der Welt weiter zunehmen und der Markt offener und internationaler werden wird. Fabian Schwab

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8 :: Branche

Bestsellerforschung Auf der Suche nach dem Heiligen Gral der Verlage Alle wollen ihn, viele wünschen sich ihn, wenige bekommen ihn. Den Bestseller, den überdurchschnittlichen Verkaufserfolg, das literarische Phänomen. Die Bestsellerforschung, augenscheinlich ein zentrales Thema, wird innerhalb der Buchbranche zumeist stiefmütterlich behandelt. Obwohl sich bei näherer Betrachtung einige interessante Anhaltspunkte offenbaren.

© Wilhelm Amberg

Die Leiden des jungen Werthers gilt als einer der ersten Bestseller der deutschen Literatur. Der leidenschaftliche Briefroman machte den 25-jährigen Goethe auf einen Schlag europaweit berühmt. Ein Meisterwerk, in kurzer Zeit niedergeschrieben, ermöglicht vom Genie Goethes. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich war Goethe bereits in jungen Jahren mit verschiedenen Erzähltechniken vertraut. Die Form des Briefromans schaute er sich von Rousseau ab, zusammen mit Schiller studierte er die theoretische Literatur von Aristoteles bis Lessing und die Werke Shakespeares. Sind literarische Bestseller also mehr als reines Autoren-Genie? Gibt es Konzepte, Techniken und Regeln, die erfolgreichen Geschichten zugrundeliegen? Von Genies und Helden Das Parfum, Schlafes Bruder, Good Will Hunting – alle haben ihn. Den genial veranlagten Protagonisten. Ob olfaktorisches, musikalisches

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oder mathematisches Genie: Sie zogen ein Millionenpublikum an. Außergewöhnlich begabte Menschen haben als Hauptfigur literarischer Werke eine lange Tradition und eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Sie wecken das Interesse der Leser und sprechen deren Bedürfnisse auf besondere Weise an. Ein weiteres Beispiel sind die SuperheldenComics, die über verschiedene mediale Kanäle ebenfalls ein Millionenpublikum finden. Wer hätte gedacht, dass George Lucas‘ Meisterwerk Star Wars niemals ohne die Arbeiten eines gewissen Joseph Campbell hätte entstehen können? Der amerikanische Mythologie-Professor Campbell befasste sich in seinem Werk Der Heros in tausend Gestalten mit dem Heldenmythos als universellem Muster, das den Heldengeschichten verschiedener Kulturen zugrundeliegt. Das Konzept der Heldenreise war geboren, welches heute zum Grundwissen von Autoren und Filmemachern zählt. Elemente des Konzepts finden sich in Geschichten wie Harry Potter, Der Herr der Ringe, Avatar und vielen weiteren. Die Heldenreise und das Genie-Konzept können dem Aufbau einer fesselnden Geschichte dienlich sein – ein allgemeingültiges Erfolgsrezept für Bestseller lässt sich aus beiden jedoch nicht ableiten. Erfolgsfaktoren eines Bestsellers Bücher, die allein aufgrund ihrer Qualität zu Bestsellern werden, bilden heute die Ausnahme. Erfolgversprechende Titel der Verlage werden mit groß angelegten Marketingmaßnahmen platziert und im Medienverbund angeboten. Namhafter Autor, Gestaltung des Verkaufspreises, auffallender Titel, Cover und Ausstattung, mediale Inszenierung, der Zeitgeist und ein Skandal zur richtigen Zeit sind nur einige Faktoren, die den Verkaufserfolg eines Buches beeinflussen. Eine geschickte Vorgehensweise kann diesen durchaus steigern – die Garantie für einen Bestseller gibt es

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jedoch auch hier nicht. Das musste auch Volker Neumann feststellen, der als langjähriger Marketingchef von Random House wie kein anderer an Bestsellerstrategien feilte: „Mit unserem ganzen Marketing-Mix können wir das Gelände nur ebnen, mehr nicht. Ein Bestseller entsteht, weil die ersten Leser von dem Buch begeistert sind und es weitererzählen. Das ist das ganze Geheimnis.“ Bestsellerstrategie Würde man aus den Worten Neumanns eine Strategie ableiten wollen, könnte diese in etwa lauten: Für einen erfolgversprechenden Titel so lange werben, bis die gewünschte Mundpropaganda es zu einem Selbstläufer werden lässt. Dass diese Strategie bereits erfolgreich umgesetzt wurde, zeigt folgendes Beispiel. Mit über acht Millionen verkauften Exemplaren seines Buches Hühnersuppe für die Seele ist dem amerikanischen Autor Jack Canfield laut Time Magazine „das verlegerische Phänomen des Jahrzehnts“ geglückt. Canfield schreibt dieses Phänomen weniger einem glücklichen Händchen, als vielmehr dem Gesetz der Fünf zu. Sein Ziel war es, das Buch zu einem Bestseller zu machen. Zu Beginn fragte er deshalb erfolgreiche Autoren und Buchmarktexperten um Rat. Überwältigt von der Vielzahl an Möglichkeiten, ein Buch zu vermarkten, fing er an, jeden Tag fünf dieser Ratschläge in die Tat umzusetzen. Im ersten Jahr erschien das Buch auf keiner Bestsellerliste. Doch allmählich sprach es sich herum und die Verkäufe stiegen. Bis heute verkauften sich über 100 Millionen Exemplare der gesamten Hühnersuppe für die Seele-Buchserie. Die ewige Bestsellerliste Die erste der heute alltäglichen Bestsellerlisten publizierte im Jahr 1895 das Branchenmagazin The Bookman in den USA. Seit dieser Zeit haben sich nicht nur die Bestseller selbst,

sondern auch die Sicht auf diese verändert. Bücher mit hohen Auflagezahlen, die den Geschmack der Masse trafen, galten lange Zeit als Werke von mangelnder literarischer Qualität. In Deutschland haben sich die Spiegel-Bestsellerlisten durchgesetzt. Seit 1971 ermittelt das Fachmagazin buchreport für diese Listen die Hardcover-Rankings für Belletristik und Sachbuch. Verkaufslisten für Taschenbuch-, Kinder- und Jugendbuch- sowie Hörbuchbestseller kamen erst in den 2000er Jahren hinzu. Die Platzierungen ergeben sich durch elektronische Abfrage von Verkaufsdaten der Warenwirtschaftssysteme von rund 3 700 stationären Buchhändlern. Einige Bestseller finden sich allerdings nie auf diesen Verkaufslisten. Angeführt wird diese ewige Bestsellerliste vom „Buch der Bücher“, der Bibel. Die Absatzzahlen derselben können nur geschätzt werden: Ausgehend von den 180 Exemplaren, die Gutenberg 1456 in seiner Werkstatt druckte, nimmt man heute eine Gesamtauflage im niedrigen einstelligen Milliardenbereich an. Dicht gefolgt von Agatha Christie, der bislang erfolgreichsten Autorin aller Zeiten, deren Gesamtauflage ebenfalls in diesen Bereich einzuordnen ist. J. K. Rowling gelang mit über 450 Millionen Exemplaren der größte Bestseller-Erfolg unserer Zeit. Der erfolgreichste deutsche Autor dürfte mit mehr als 200 Millionen verbreiteten Exemplaren Karl May sein. Der Zauber der Bestseller Bestseller sind Phänomene ihrer Zeit. Sie können eine ganze Generation beeinflussen und werden noch Jahrhunderte später gelesen. Literarische Bestseller lassen sich - wenn überhaupt - erst in der Retrospektive erklären. Eines ist jedoch sicher: Auch in Zukunft werden sie ihre geheime Anziehungskraft auf uns ausstrahlen. Fabian Schwab

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Was macht eigentlich...? Laura Becker: Redakteurin beim Mitteldeutschen Rundfunk

© Laura Becker Laura Becker Geboren am 20. Mai 1990 in Torgau Von 2008 bis 2011 Ausbildung zur Medienkauffrau Digital und Print bei der Torgauer Verlagsgesellschaft Von 2011 bis 2014 Studium Buchhandel/ Verlagswirtschaft, Absolventenjahrgang 2014 Derzeit Videoreporter und Online-Redakteurin beim Mitteldeutschen Rundfunk.

Laura Becker hat ihr Studium Buchhandel/ Verlagswirtschaft im Sommer 2014 abgeschlossen. Nach kurzem Zwischenstop bei der GRAZIA in Hamburg arbeitet sie nun als Realisator Multimedia beim Mitteldeutschen Rundfunk in Halle (Saale).

Was genau sind deine Aufgaben beim MDR? Ich arbeite mittlerweile als Realisator Multimedia bei MDR JUMP. Das heißt, ich bin eine Art Video Journalist, drehe, texte, schneide und entwickle neue Formatideen, die man dann online finden kann.

Wie bist du auf ein Studium an der HTWK gekommen? Ich habe nach dem Abitur eine Ausbildung zur Medienkauffrau bei einer Tageszeitung gemacht. Für mich konnte das aber noch nicht alles sein. So habe ich also im Anschluss das Studium begonnen und 2014 abgeschlossen. Vom Studiengang versprach ich mir, wichtige betriebswirtschaftliche Kenntnisse zu erlangen und dennoch zu wissen, wie die Praxis funktioniert. Enttäuscht wurde ich nicht.

Das klingt aber nicht mehr nach den Lehrinhalten des Studiengangs. Auch wenn mein Beruf nicht den Anschein erweckt, so sind mir dennoch schon einige Schnittstellen begegnet. Das theoretische Wissen ist vielschichtig genug, um solche Jobs erledigen zu können. Die Praxiserfahrung für meine Tätigkeit beim MDR habe ich mir größtenteils autodidaktisch angeeignet. Den Rest erlerne ich durch bloßes Machen oder besuche Seminare. Seit einer Weile habe ich sogar Sprech- und Moderationstraining. Der sächsische Dialekt ist dann doch schwieriger abzustellen als gedacht.

Warum ausgerechnet der Studiengang Buchhandel/Verlagswirtschaft? Ich wollte eigentlich schon immer als Redakteurin im Printbereich arbeiten. Früher habe ich mich oft gefragt, warum eine Zeitung denn nun 1,50 Euro kostet oder wie zur Hölle es die Buchhandlung um die Ecke schafft, meine Bestellung schon am nächsten Tag zur Verfügung zu haben. Da schien mir der Studiengang die Antwort auf all meine Fragen zu sein. Wie ging es für dich nach dem Studium weiter? Die Kombination aus dem Studiengang und meinem Blog, den ich während des Studiums startete, verschaffte mir nach meinem Abschluss eine Stelle als Online-Redakteurin bei der GRAZIA in Hamburg. Doch leider kam dort schnell die Ernüchterung, sich nicht wirklich kreativ und eigenverantwortlich an eine Tastatur setzen zu dürfen. Glücklicherweise wurde ich nach einem halben Jahr vom Mitteldeutschen Rundfunk für ein Projekt angefragt.

Was rätst du den Studenten und Absolventen des Studiengangs? Ich glaube, dass das generelle Interesse an der Buch- und Pressebranche, das reine Hobby, gern zu lesen, übersteigen sollte. Ich habe während meiner Ausbildung von vielen Lehrinhalten bereits gehört und das konnte enorm helfen. Wenn ich das Studium noch einmal durchlaufen könnte, würde ich mich für die Zukunft nicht zu einseitig orientieren. Mir wurde erst nach dem Einstieg in die Praxis bewusst, wie vielseitig die Einsatzmöglichkeiten tatsächlich sind. Das Studium kann sogar dann sehr hilfreich sein, wenn man nicht direkt in der Buch- oder Pressebranche verankert ist. Ich habe meine große Leidenschaft in der digitalen Medienwelt und den modernen Publikationsformen gefunden. Trotz allem bin ich sehr froh zu wissen, wo diese ihren Ursprung haben.

Das Interview führte Cindy Schulze.

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Diogenes Autoren auf der Leipziger Buchmesse

Best of Lerche-Blog Papierherstellung – gar nicht mal so grün

Foto: © Bogenberger / autorenfotos

Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Kataloge, Prospekte, Kalender, Poster und Plakate – dies alles sind so alltägliche Gebrauchsgegenstände für uns, dass wir uns meist überhaupt keine Gedanken machen, wie das materielle Trägermedium, das Papier, produziert wird. Dabei ist die Papierherstellung ein spannendes Thema, besonders der Blick hinter die Kulissen beschert einige Augenöffner, denn dort ist nicht immer alles so blütenweiß wie das Endprodukt. Steigender Papierkonsum Seit den 70er Jahren hat sich der weltweite Papierkonsum verdoppelt – Tendenz weiter steigend. Der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland beträgt rund 250 Kilogramm pro Jahr. Damit liegen wir nur noch hinter den Finnen und Amerikanern, aber deutlich über dem weltweiten Durchschnittsverbrauch von 58 Kilogramm pro Kopf. Mit steigendem Papierverbrauch nimmt auch die ökologische Belastung weiter zu. Da die Deutschen zusätzlich einer der größten Papierproduzenten sind, haben wir an den entstehenden Umweltbelastungen einen nicht geringen Anteil.

Der mit Spannung erwartete neue Roman von Bestsellerautor Benedict Wells. Über das Überwinden von Verlust und Einsamkeit. Und vor allem: eine große Liebesgeschichte.

Papierherstellung ist ressourcen- und energieintensiv

Energie: Die Papierherstellung ist sehr energieintensiv. Der Wasserverbrauch ist sogar so groß wie in keiner anderen Industrie. Für die Herstellung von einem Kilogramm Papier werden 100 Liter Wasser benötigt, von denen laut deutschen Herstellern bis zu 90 Prozent wiederverwendbar sind. Warum allerdings der Wasserverbrauch in den Entwicklungsländern problematisch ist und was jeder Einzelne gegen die Umweltbelastung durch Papierkonsum unternehmen kann, erfahrt ihr auf unserem Blog leipzigerlerche.com. Fabian Schwab

368 Seiten, Leinen, € (D) 22.– Auch als Hörbuch

Foto: Philipp Rohner / © Diogenes Verlag

Rohstoffe: Über 40 Prozent (2 von 5 Bäumen) des weltweiten kommerziellen Holzeinschlags gehen in die Papierherstellung. Deutschland muss diese Rohstoffe zum Großteil importieren, besonders den Zellstoff. Woher diese im Einzelnen kommen, ist nicht immer ersichtlich. So gelangen letztlich Papiere, deren Holz zumindest zum Teil aus Raubbau und illegalen Einschlägen stammt, in den Handel. Damit ergibt sich das Hauptproblem: Überall auf der Welt, ob in Kanada, Russland, China, Indonesien und natürlich in Südamerika wurde und wird artenreicher Urwald flächenweise abgeholzt und in leblose Baum-Monokulturen umgewandelt. Eine Untersuchung des WWF aus dem Jahr 2012 belegt den Zusammenhang: Tropenholz aus Urwäldern war aller Wahrscheinlichkeit nach in jedem vierten untersuchten Kinderbuch enthalten. Die Bücher werden von deutschen Verlagen in Asien (hauptsächlich China) produziert und nach Deutschland importiert.

Ein bewegender und aberwitziger Roman über verlorene und wiedergewonnene Illusionen. Ein magisches Debüt mit Chuzpe und Tempo, mit Herz und Humor.

400 S., Leinen, € (D) 22.– Auch als E-Book und Hörbuch

12 :: Branche

E-Book gegen Printbuch Die Frage bleibt: Welches ist das umweltfreundlichere Produkt? In der Streitfrage, ob das gedruckte Buch oder seine elektronische Variante in Zukunft das Rennen macht, wird verständlicherweise häufig der ökologische Aspekt thematisiert. Während die Buchproduktion eine hohe Nachfrage nach Holz aufweist, werden E-Books für einen hohen Bedarf an Energie angeprangert. Doch welches Produkt ist umweltfreundlicher? Will man die beiden Produkte miteinander vergleichen, ist es wichtig zu berücksichtigen auf welchem Medium die E-Books gelesen werden. Muss für die E-Books nämlich zusätzlich noch ein E-Reader angeschafft werden, fällt die Bilanz deutlich ins Minus. Überraschenderweise ist dies gar nicht so häufig der Fall, wie eine Studie von Bitkom Research aus dem Jahr 2014 zeigt. Hier wurde das Nutzungsverhalten der deutschen Bevölkerung hinsichtlich E-Books untersucht. Dabei wurde unter anderem gefragt, welches Endgerät genutzt wird, um E-Books zu lesen. Überraschenderweise gaben 56 Prozent der Befragten an, ihren Laptop zu benutzen. 44 Prozent der Konsumenten laden E-Books auf ihr Smartphone. Je cirka 30 Prozent der Befragten lesen auf einem stationären PC oder einem Tablet und nur 27 Prozent gaben an, einen E-Reader zu nutzen. Aber kann man den gesamten ökologischen Fußabdruck der Produktion der genutzten Geräte mit der Produktion eines Buches vergleichen, wenn der Reader in diversen Alltagssituationen zum Einsatz kommt? Eine Frage der Abgrenzung Um den Sachverhalt zu verdeutlichen, stellen wir uns folgendes Szenario vor: Der Rechtsanwalt Max Mustermann lebt auf dem Land in einem kleinen Städtchen irgendwo im Nirgendwo Deutschlands. Er ist kein gediegener Leser, möchte aber in seinem Beruf auf dem

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neusten Stand bleiben. Er besitzt ein iPad, welches er beruflich und privat nutzt. Zudem besucht er seine Klienten in deren Wohnungen. Die örtliche Buchhandlung wird von einer älteren Frau betrieben, die eine Vorliebe für nordische Krimis besitzt. Erscheint ein neues Blatt für Herrn Mustermanns Loseblattsammlung, muss dieses von der Buchhändlerin bestellt werden.

© Tina Franklin

In diesem Zusammenhang muss man sich fragen, ob die Transportkosten und der damit verbundene CO2-Ausstoß geringer ist, als die Kosten für die Herstellung einer elektronischen Version des losen Blattes und dessen Download. Es wäre falsch in diesem Zusammenhang die Umweltbelastung, welche durch die Produktion des iPads entstand, mit der Produktion der Loseblattsammlung aufzuwiegen. Herr Mustermann setzt das Gerät nicht ausschließlich zum E-Book-Lesen ein, sondern auch, um sich zum nächsten Termin navigieren zu lassen oder abends noch ein paar lustige Katzenvideos zu schauen. Es sei also dahingestellt, wie hinreichend die bisherigen Untersuchungen waren und ob sich die Frage, welches Format umweltverträglicher ist, überhaupt objektiv beantworten lässt. Wenn ein Gerät vielseitig und lange genutzt wird, rentiert sich der Kauf. Ansonsten bleibt immer noch der Griff zum guten, alten Printbuch. Beatrix Dombrowski

Branche :: 13

25 Jahre BücherFrauen e. V. Frauenpower in der Buchbranche! In den letzten Jahren gab es viel Diskussion um die Frauenquote in vielen Unternehmen. Ein Unternehmenszweig ist davon aber überhaupt nicht betroffen – die Buchbranche. In diesem Metier liegt die Anzahl der Frauen deutlich über der der Männer. 1976 wurde deswegen die Gruppe Women in Publishing (WiP) in London gegründet. 1990 zog Deutschland dann mit der Vereinigung BücherFrauen e. V. nach. Wir sprachen mit den Vorsitzenden Stefanie Hanel und Jana Stahl. 25 Jahre BücherFrauen! In diesen Jahren haben sich über 900 Damen in eine BücherFrau verwandelt. Was denken Sie, ist das Erfolgsgeheimnis? Wir glauben gar nicht, dass eine Verwandlung der Frauen notwendig war. Sie arbeiten als Frauen in der Buchbranche oder steigen gerade neu ein und schätzen die BücherFrauen als das für sie geeignete Branchen-Netzwerk ein. Wir wissen aus Erfahrung, dass besonders unser Mentoring-Programm attraktiv wirkt und auch günstige Konditionen für Mitglieder gute Gründe sind, dabei zu sein. Auch der Austausch in den Regionalgruppen, bei dem Zusammenhalt und enge Freundschaften entstehen, und ebenso die Möglichkeit sich überregional und politisch zu engagieren, wirken anziehend. Wieso BücherFrauen? Ist das nicht eine Diskriminierung für das männliche Geschlecht? Haha, nein. Wir treten für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern vor allem in Hinsicht auf die Buchbranche, aber auch darüber hinaus, ein. Von einer Gleichbehandlung der beiden Geschlechter sind wir aber leider noch weit entfernt. Sie beide sind Vorsitzende der BücherFrauen. Wie kommt man zu diesem Posten? Wir sind beide langjährige BücherFrauen, hatten schon verschiedene Aufgaben und

© Heidi Wendelstein

Ämter inne, beispielsweise die Gestaltung des Messerundgangs oder die Webkoordination für Webseite und Blog. Wir wurden dann angesprochen, ob wir uns die Leitung der BücherFrauen vorstellen können. Ganz praktisch stellt frau sich bei der Jahrestagung zur Wahl, hält eine kurze Rede und sieht, was passiert! Was waren bisher Ihre schönsten Erlebnisse mit den BücherFrauen? Oh, das ist schwierig, da etwas auszuwählen – z. B. ausgelassenes Tanzen nach einem gelungen Arbeitstag bei der Jahrestagung oder gemütliches Beisammensitzen mit Frauen, die einem schon das ganze Arbeitsleben immer wieder über den Weg laufen. Besonders schön ist, wenn man gemeinsam etwas erreicht, gerade auch dann, wenn der Weg zum Ziel etwas holprig beginnt. Wir denken da an die Organisation einer Veranstaltung in Heidelberg, die anfangs nicht recht funktionieren wollte. Und auf einmal klappte alles wie am Schnürchen und die Veranstaltung bekam viel Aufmerksamkeit. Vielleicht noch ein kleines Schlusswort? Den größten Nutzen aus unserem Netzwerk werden immer die ziehen, die es aktiv nutzen und damit sich und die Gemeinschaft weiterbringen – neue Anregungen und Kreativität sind sehr erwünscht! Das Interview führte Melanie Uhlig.

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Netzwerke und Marktprobleme Diana Menschig: Autorin und Dozentin Diana Menschig ist Autorin bei Droemer Knaur und arbeitet als selbständige Dozentin. Wir sprachen über Autorenvereinigungen und Probleme der Branche aus Autorensicht und darüber, sich nicht verbiegen zu lassen.

© Norman Guy Diana Menschig 1973 geboren. Psychologie-Studium und in Marktforschung und im Personalmanagement tätig. Später eigener Spieleladen. Derzeit selbständige Dozentin und Autorin bei Droemer Knaur. Veröffentlichte u. a. So finster, so kalt, Hüter der Worte und Die Windprinzessin. www.seitenrauschen.de

Wie bist du Autorin geworden? Das hat sich 2009 zufällig ergeben. Es war ein extrem kalter Winter und ich kam nicht aus dem Haus. Und nachdem ich das ganze Internet auswendig kannte, habe ich mit dem Schreiben begonnen. Meine Nachbarin war davon begeistert, aber ich war nicht zufrieden. Etwas stimmte nicht. Also habe ich eine freie Lektorin aufgesucht. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich nicht vor, das Geschriebene zu veröffentlichen. Ich wollte eigentlich mit der ganzen Verlagsbranche nichts zu tun haben, hatte aber inzwischen viel Arbeit hineingesteckt. Meine freie Lektorin hat mich schließlich weiterempfohlen und so bin ich bei Knaur gelandet. Seit letztem Jahr planst du die Gründung eines Phantastikautoren-Netzwerks (kurz: PAN). Warum brauchen wir PAN? Zu praktisch jedem Genre gibt es eine entsprechende Autorenvereinigung: z. B. Das Syndikat für Krimis, HOMER für die historischen Romane oder DELIA für Liebesromane. Doch seit den 80ern hat es offenbar keine vergleichbare Organisation mehr für Phantastik-Autoren gegeben. Meine persönliche Initialzündung war das Engagement des Syndikats beim offenen Brief an Amazon, der für viel Aufsehen gesorgt hat. Als Organisation ist es einfacher, etwas zu erreichen und gehört zu werden. Somit ist es PANs Hauptziel, der phantastischen Literatur und ihren Autoren als Autorenvereinigung eine Stimme zu verleihen. Sowohl am Markt, als auch in der Literaturszene. Es geht um die Anerkennung des Phantastik-Genres mit all seinen Facetten – egal, ob ernst oder unter-

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haltend – und die Steigerung dieser. Denn gerade die deutsche Phantastik wird oft vernachlässigt. Was läuft deiner Meinung nach – also aus Autorensicht – gerade falsch seitens der Verlage? Zurzeit probieren die Verlage viel aus, nur leider, wie ich finde, sehr auf Kosten der Autoren. Zum Beispiel kaufen Verlage viel ein und übersetzen statt deutschen Phantastik-Autoren eine Chance zu geben. Dabei sollten sie ihr Augenmerk wieder auf den systematischen Aufbau von Autoren legen. Meiner Meinung nach lassen sich deutsche Verlage im Moment von dem leiten, was der Markt – angeblich – fordert. Doch sollten sie den Markt beeinflussen, nicht umgekehrt. Die Kernkompetenz von Verlagen sind Vertrieb und Marketing. Doch nach dem Prinzip „1000 Papierbötchen in einen Teich zu setzen“ werfen sie massig auf den Markt und gucken dann, was am Ende noch schwimmt. Auch die Filterfunktion durch das verlagsseitige Lektorat funktioniert nicht mehr richtig. Jeder Autor braucht einen Lektor, kein Text ist gut genug, dass er ohne Lektor schon perfekt ist. Hier haben Verlage Kompetenzen, die sie meiner Meinung nach zunehmend vernachlässigen. Was empfiehlst du Nachwuchsautoren? Intensiv am Schreibhandwerk zu arbeiten, sich aber trotzdem von dem leiten lassen, was man gern schreibt. Heute wird meiner Meinung nach zu viel Wert auf das Handwerk gelegt und nicht mehr auf das eigentliche intuitive Schreiben. Beim Schreiben sollten Herz und Handwerk ineinanderfließen. Also lernt das Handwerk, aber schreibt mit Herz und lasst euch nicht verbiegen! Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Christin Fetzer.

Einfach anders

Kuriositäten aus der Branche

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Game Brands, Poeten & 50 Jahre LSD Die Gesichter skurriler Kleinverlage Die zunehmende Zergliederung von in konvergenter Wechselwirkung stehenden Zielgruppen, bildet durch immer minuziöser ausgestaltete Interessenströmungen neue Nischen im Markt. Oft dauert es nicht lange bis ein kleiner Verlag entsteht, um eben diese Interessen und die daraus entstehende Nachfrage zu befriedigen. Doch wie sieht ein solcher Verlag aus? Mit der steigenden Zahl dieser IndependentVerlage wird es zwar anscheinend zunehmend eng in der Nische. Nichtsdestotrotz entstehen aber auch außergewöhnliche, gar skurrile Verlage, deren Ausrichtung den interessierten Branchenteilnehmer zum Stutzen, Fürchten aber auch zum Lachen bringt. Ist einem Leser beispielsweise das fiktive Verbrechen im handelsüblichen Krimi, Thriller oder Horror zu langweilig, stupide oder gar humorlos, kann er bei Titan Books (London) einen Blick in etwas differenziertere Gänsehautschwarten und Actionthriller werfen. Titel wie Futuristic Violence & Fancy Suits verleihen diesem irisierenden Verlag seinen Charme. Auch Gamer die ihren liebsten virtuellen Spielplatz in Form eines Buches oder Graphic Novels in den Händen halten wollen, sind hier an der richtigen Adresse: Bioshock, Assassins Creed, Crysis, Guild Wars – eine ellenlange Markenliste. Was auf den ersten Blick etwas einfallslos wirkt, entpuppt sich jedoch als ein funktionierendes Contentkonzept. So wird versucht,

© Geralt/Pixabay

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dem Rezipienten nach Stunden des Eintauchens in die Welt des durchgezockten Spiels, einen Anknüpfpunkt zu geben, sodass dieser sich nicht unmittelbar wieder davon distanzieren muss. Wer mit dem Protagonisten eines solchen Spiels zahllose Abenteuer durchgestanden oder sich mit ihm identifiziert hat, der möchte auch wissen, wie dessen Geschichte weitergeht und wird an dieser Stelle durch die zugehörige Belletristik abgeholt. Dichter und Denker Wem das nicht „Indie“ ist, der möge sich an einen der zahlreichen deutschen Poesie- und Lyrikverlage wenden. Poetenladen (Leipzig) oder Kookbooks (Berlin) sind inzwischen etablierte Verlagshäuschen, welche ein ausgiebiges Angebot in dieser Literaturgattung pflegen und dem zeitgenössischem Dichter eine Plattform bieten. Dabei zeichnen sich diese beim Publikum vor allem durch ein sorgfältig ausgewähltes Verlagsprogramm aus und schaffen somit eine Abgrenzung in Bezug auf publikumsorientierte Massenware. Dem Leser wird das Gefühl gegeben, hier etwas Besonderes gekauft zu haben und er liegt damit auch keineswegs falsch. Aufwendig künstlerisch gestaltete Einbände mit Unikatcharakter, kleine Auflagenzahlen und zum Teil sogar experimentelle Typografie erzeugen im Kontext des demonstrativen Verlagsrenommees genau dieses Alleinstellungsmerkmal. Wichtigste kommunikationspolitische Komponente stellen für diese Lyrikherbergen Veranstaltungen wie Lesungen, Poetry Slams, Lektürebesprechungen, experimentelle Performances oder Buchvernissagen dar, welche den direkten Kontakt zwischen Künstler und Rezipient vorantreiben. Als ein essentieller kommunikativer Zwischenschritt sind die Social Media Kanäle zu nennen, über welche die meisten Interessenten auf die Veranstaltungen aufmerksam werden. Auf diese Weise gehen Independent und Hype Hand in Hand.

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Schmetterlingszucht und Zauberpilze Eine weitere, etwas ausgefallenere Branchennische stellt die Sparte Autokratie und Selbstversorgung dar, welche nicht selten mit der Kategorie Kräuter und Drogen einhergeht. Beim Packpapier Verlag (Osnabrück) findet dieses Konzept neben Kinder-, Musik- und Politikbüchern, Anwendung. Dem versierten Stöberer eröffnen sich im Verlagsprogramm beispielsweise ökologische Agrarbücher, welche praktischerweise oft mit kategorischen Rezeptideen ausgestattet sind. Aber auch Kleinstwerke in Form von Heftchen, beispielsweise Ratgeber für Schmetterlingszucht, Gärtnereianleitungen und vegetarische bzw. vegane Lebenshaltungen, sind enthalten. Für experimentelle Köche werden Lektüren wie Das Haschischkochbuch nahegelegt und wem

dies noch nicht psychedelisch genug ist, für den hält das Verlagssortiment ausgesuchte Werke wie Zauberpilze oder, hier etwas konkreter, 50 Jahre LSD bereit. Der „Was es nicht alles gibt-Effekt“ tritt häufig in der, von manchen zu Unrecht als verstaubt bezeichneten, Verlagsbranche auf und ist vor allem für Jungunternehmer Anreiz, jede kleinste vermeintliche Marktlücke auszufüllen. Auch die Gefahr der zu eng werdenden Nische ist streitbar, da sich der Markt kontemporär zu den kulturellen- und gesellschaftlichen Strukturen entwickeln und immer neue Lücken im Branchencluster schaffen wird, die es zu füllen gilt. Ob die daraus resultierenden Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg erzielen werden, wird sich ganz individuell zeigen. Tankred Hielscher

Die Branche ist weiblich! Das Netzwerk für Frauen aus Buchhandel, Verlagen, Agenturen und allen anderen Arbeitsbereichen rund ums Buch

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Mythos Buchhhandel „Haben Sie hier auch Bücher?“ Der Buchladen – unendliche Weiten des kulturellen Hochgenusses. Meter um Meter braun-gelbliche Buchrücken mit nie gehörten Titeln; über allem liegt ein leichter Geruch von Kaffee und altem Papier. Staubflocken tanzen im gelben Licht um einen leicht schrulligen Kunden, und inmitten dieser Szenerie, natürlich lesend: Der Ladeninhaber. So wie eben beschrieben, ist das Bild vom Buchhändler im Kopf vieler Menschen, auch zahlreiche Romane zeichnen dies so oder ähnlich. Lasst mich euch, als ausgebildeter Vertreter jenes Berufsstandes der Literaturverkäufer, sagen: Jenes idyllische Bild mag vielleicht tatsächlich irgendwo Realität sein, aber wirklich in einem Buchladen zu arbeiten, ist alles, nur nicht das. So folgt mir, auf eine Reise voller Wahnsinn und Glückseligkeit, der Weg gepflastert mit kübelweise Pessimismus, hinein in einen Beruf mit Suchtpotenzial. Wenn ihr eine Ausbildung im Buchhandel beginnen wollt, werdet ihr nie im Geld schwimmen, und eine Null auf dem Konto gilt in den ersten Gründungsjahren als Erfolg. Freizeit entschädigt nicht, denn an Samstagen, abends, zuweilen auch an Fest-, Feier- und Sonntagen auf Arbeit zu erscheinen, bis zu neun Stunden täglich – das ist selbstverständlich. Ebenso verbringt ihr die meiste Zeit stehend und natürlich gehört auch das Tragen schwerer Bücherkisten dazu. Die Zukunftsaussichten sind nicht die besten, unbefristete Stellen Mangelware und die Branche seit Jahren im Umbruch. Und damit wurden noch gar nicht die zwei schwierigsten Dinge angesprochen. Das Buch und der Kunde Wer mit Büchern arbeitet, liest nur wenig. Zumindest im Laden, denn lesende Mitarbeiter haben vermutlich zu wenig Kundschaft und damit bald ein gravierendes Problem. Dennoch wird erwartet, dass ihr euch mit eurer

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© Alex/Piqs

Ware auskennt. Hier hilft nur Neugier auf alle möglichen Themengebiete, zuweilen auch eine gute Fantasie, denn wie oft musste ich ein gänzlich unbekanntes Buch empfehlen. Bevor jemand nun Betrug wittert: Die meisten Kunden wissen genau so wenig, und es ist ihnen auch nicht übermäßig wichtig. Denn sie suchen oft nur ein Geschenk für jemanden, den sie kaum kennen, womit wir beim zweiten Punkt wären: Kunden – sie werden euch in den Wahnsinn treiben, ob sie euch für eine Bibliothek halten, 20 Jahre alte obskure Werke suchen oder mit unglaublicher Dreistigkeit Rabatte verlangen. Also, ganz wichtig: Frustrationstoleranz heißt der wichtigste Verbündete, vor allem im Ausnahmezustand des Weihnachtsgeschäfts. Warum nun also überhaupt etwas so belastendes machen, wenn auch ein gemütlicher Bürojob in Aussicht ist? Weil es nichts schöneres auf der Welt gibt, jeden Tag neue Bücher zu Gesicht zu bekommen, das leichte Grinsen, wenn ihr tatsächlich einmal genau das Buch mit einem Griff gefunden habt, welches der Kunde schon so lange sucht, oder das überschwängliche Lob nach einer halben Stunde Recherche für die genau passende Radwanderkarte. Seid versichert: Ihr werdet euch, trotz allen Widrigkeiten, verlieben und nie wieder davon loskommen.

Niklas Gaube

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Aus einer anderen Welt Wenn Comics zum Leben erwachen Spätestens am Samstag ist es auf der Buchmesse wieder soweit. Besucher sehen Sailor Moon und Naruto an der Garderobe, gleich gefolgt von Harry Potter in seinem Zaubererumhang. Der ein oder andere wird sich dabei sicher fragen, ob denn schon wieder Fasching ist.

meist in aufwendiger Kleinarbeit per Hand gefertigt, denn im Ursprungsland Japan gelten gekaufte Kostüme oft als verpönt. Nicht selten passiert es, dass sich über das Internet ganze Gruppen zusammenfinden und die Charaktere, zum Beispiel einer Serie, gemeinsam darstellen.

Aber nein, diese nicht nur auf den Buchmessen sehr beliebte Form des Verkleidens nennt sich Cosplay und wird seit mehr als einem Jahrzehnt von tausenden begeisterten Fans betrieben. Der Begriff Cosplay setzt sich aus den Wörtern costume und play zusammen und steht damit für eine Art Kostümspiel.

Geeks unter sich

Wenn über Außergewöhnliches der Buchbranche gesprochen wird, dürfen die Nachahmer beliebter Figuren mit ihren meist sehr aufwendigen und originalgetreuen Kostümen nicht außen vor gelassen werden. Als ihre Vorbilder gelten meist Charaktere aus Videospielen, TV Shows, Comics und natürlich Büchern und japanischen Manga, bzw. Anime. Ein Kult entsteht Geprägt wurde der Name Cosplay durch den japanischen Verleger Nobuyuki Takahashi, der den Begriff 1983 zum ersten Mal in einem seiner Artikel verwendete. In den 90er Jahren kam die Verkleidungswelle dann durch den Boom von Manga und Anime aus Japan nach Europa und Amerika. Der schnelle Anstieg der Anzahl von Cosplayern geht dabei wohl auch auf die leichte Vernetzung der Teilnehmer über das Internet zurück. Eine der größten Websites für Manga, Anime und Co. in Deutschland ist Animexx.de. Das Portal dient Cosplayern und Anhängern der japanischen Kultur zum Austausch mit Gleichgesinnten über Lieblingscharaktere, bevorstehende Veranstaltungen und natürlich auch ihre Kostüme. Diese werden

Der Zusammenhalt innerhalb der Szene gilt als einer der Gründe, weshalb Cosplay immer mehr Anklang findet. Teilnehmer nutzen die Veranstaltungen, um dem Alltag zu entfliehen und der Lieblingsfigur Leben einzuhauchen. Das gemeinschaftliche Hobby wird sogar als Performance Art wahrgenommen, eine Chance zu sehen und gesehen zu werden, Aufmerksamkeit zu erhaschen und Beachtung zu finden.

© Lisa Kirsten

World Cosplay Summit Wem der Auftritt auf Messen und Conventions nicht ausreicht, kann auf Wettbewerben mit anderen konkurrieren. So wird jedes Jahr die Weltmeisterschaft im Cosplay, der World Cosplay Summit, im japanischen Nagoya ausgetragen. Auch eine deutsche Qualifikation dafür findet regelmäßig statt. Um die japanische Kultur zu verbreiten, wird die Veranstaltung sogar vom Außenministerium in Japan unterstützt. Vielleicht findet der ein oder andere es seltsam, sich die Informationen an den Ständen der Buchmesse mit Mystique aus X-Men oder einem der Hobbits zu teilen. Trotzdem kann davon ausgegangen werden, dass dieser Teil der Popkultur mit den Jahren nur größer, interessanter und bunter werden dürfte.

Cindy Schulze

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Literatur und Rausch Warum Drogen und Kunst so gut zusammen passen Baudelaire, Trakl, Huxley – alle sind sie Teil der Literaturgeschichte. Jeder von ihnen begab sich mit seinen Werken in neue Sphären und entwickelte eine ganz eigene Art die Welt nicht nur zu sehen, sondern auch zu beschreiben. Außerdem konsumierten alle drei Drogen und waren damit nicht allein in ihrem Metier.

© Byrev/Pixabay

Das Geschäft mit der Kreativität ist eine schwierige Sache. Der Künstlerstand genießt im europäischen Kulturraum seit dem Mittelalter einen zweifelhaften Ruf und das nicht immer zu Unrecht. Künstler bewegen sich schon seit jeher im Spannungsfeld zwischen Gesellschaft und Individuum. Sie sahen sich daher immer mit gesellschaftlichen Normen konfrontiert, die zu brechen oder wahren sie selbst zu entscheiden hatten. Literaten bilden da natürlich keine Ausnahme, da sich vor allem in ihrer Kunst häufig Unterhaltung, Philosophie und Politik schneiden. Um sich den Normen der Zeit zu widersetzen, bedarf es einer starken Persönlichkeit. Es ist also kaum eine Überraschung, dass viele der ganz Großen dafür bekannt waren, egozentrisch, eigenbrötlerisch oder gar verschroben zu sein. Häufig pflegten Künstler auch exzessive Lebensstile, die sie von der bourgeoisen Gesellschaft trennten. „Le club des Hashischins“ Mitte des 19. Jahrhunderts gründete sich in Paris der Club des Hashischins (dt. „Klub der Haschischesser“). Die Mitglieder trafen sich regelmäßig um gemeinsam Selbstversuche durchzuführen, die sich meist um Haschisch als Hauptkomponente drehten. Neben Victor Hugo und Alexandre Dumas, waren viele der Mitglieder Vertreter der Zweiten Französischen Romantik z. B. Baudelaire oder Gautier. Sie teilten die Frustration und die Verachtung gegenüber der Gesellschaft und prägten durch ihre Ablehnung ihres bourgeoisen Hin-

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tergrunds den Begriff der Boheme bedeutend mit. Während Baudelaire sich literarisch äußerst kritisch mit der Gesellschaft auseinandersetzt (bspw. in „Les fleurs du mal“), lehnt Gautier dies kategorisch ab. Er etabliert die sog. „théorie de l’art pour l’art“, die Kunst als Selbstzweck. Ob ihr Konsum unmittelbar Einfluss auf ihre literarischen Werke ausübte ist nicht eindeutig, doch es lässt sich feststellen, dass er Gleichgesinnte noch weiter zusammenbrachte. Beide lösten sich von der klassischen Romantik und entwickelten die romantische Dichtung maßgeblich weiter. Drogenkonsum als Mittel um neue emotionale Blickwinkel zu erschließen und die Welt auf eine andere Weise zu erfahren, wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer verbreiteter. Das Aufkommen neuartiger als Arzneimittel gedachter und daher absolut legaler Substanzen, ermöglichte völlig andersartige Erfahrungen. Morphium, Kokain und Co. Viele Schriftsteller der Jahrhundertwende und des frühen 20. Jahrhunderts versuchten sich an den neuen Wundermitteln. Der österreichische Lyriker Georg Trakl prägte den deutschen Expressionismus. Er war für reiche, oft düstere, blaulastige Farbmetaphorik und freie Rhythmen bekannt. Außerdem war er Zeit seines Lebens stark morphium-, opium- und alkoholabhängig. Er starb mit nur 27 Jahren an einer Überdosis Kokain. Auch sein Zeitgenosse der Autor Hans Fallada, dessen Werke zu großen Teilen der neuen Sachlichkeit zuzuordnen sind, hatte Probleme mit seiner Morphium- und Alkoholsucht. Er wurde unter anderem deshalb in diverse Sanatorien, Entzugsanstalten und psychiatrische Kliniken eingeliefert. Seine Kunst wurde allerdings weniger vom Rausch, sondern mehr von seiner Umwelt und den Konsequenzen der Sucht wie beispielsweise Gefängnisaufenthalten beeinflusst.

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Der Amerikaner William S. Burroughs hatte ebenfalls mit seiner Sucht nach Opiaten zu kämpfen. Er behandelte diese jedoch im Gegensatz zu Fallada ausgiebig in mehreren Romanen. Sein Debütroman musste anfangs allerdings unter einem Pseudonym veröffentlicht werden, da die Beschäftigung mit Drogen und seine sexuelle Orientierung zu heikel für die 50er Jahre waren. Und dann kam LSD Das Jahr 1943 gilt als das Jahr der Entdeckung von LSD. Einer der bekanntesten Verfechter halluzinogener Drogen unter den Literaten war Aldous Huxley. Er führte mehrmals betreute Experimente mit Meskalin durch und prägte den Begriff „psychedelic“ maßgeblich mit. Seine Trips verarbeitete Huxley weitest-

gehend in gesonderten Werken. Es ist anzunehmen, dass die Rauscherfahrungen Einfluss auf seinen Roman Island hatten, da es sich dabei, im Gegensatz zu seinem bekanntesten Werk Schöne Neue Welt, um eine Utopie handelt. Auf seinem Totenbett ließ er sich auf ausdrücklichen Wunsch LSD verabreichen. Aber ist Drogenkonsum denn nun eine Bedingung, um gute Literatur zu machen oder neue Wege zu beschreiten? Die Antwort ist ganz klar: Jein. Jeder Mensch braucht etwas Anderes, um kreativ werden zu können. Der eine liebt es sich zu berauschen, der andere bevorzugt es nüchtern zu sein. Diese Entscheidung zu fällen oder sich einen Mittelweg zu suchen, ist unsere persönliche Freiheit und das ist auch gut so. Amelie Müller

Eure Droge

Wir dealen mit den richtigen Stoffen! Der Blog der Leipziger Lerche

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Die Geschichte des Herrn Bert Wie Medienunternehmen in unser Leben eingreifen Die Verlagswelt ist im Wandel. Vor allem viele große Medienhäuser fahren Gewinne nicht nur durch haptische Produkte, wie Bücher oder Zeitschriften, ein. Sie haben ebenso wie viele andere Firmen erkannt, dass es sinnvoll ist mit dem digitalen Wandel zu folgeb. Das äußert sich unter anderem in ihren Tochtergesellschaften oder Firmen, an denen sie zuweilen einen beträchtlichen Anteil haben. Um zu verdeutlichen wie sehr diese Medienhäuser in den Alltag eines normalen Menschen eingreifen, folgt hier nun eine kleine Geschichte. Ein Tag im Leben von Harry Bert Herr Bert steigt aus seinem spottbillig erworbenen Bett (kalaydo GmbH & Co. KG, Rheinisch-Bergische Verlagsgesellschaft mbH) und schlurft die Treppe der Wohnung (Immonet GmbH, Axel Springer SE) herunter. In der Küche wartet schon Fiffi, sein Jack Russel Terrier, und verlangt lautstark nach Fressen (Zooplus, Burda Digital Ventures), das er dann auch bekommt. Herr Bert schaltet das Licht an (Fernwärme, Verlagsgruppe Random House GmbH) und bereitet für sich und seine Frau das Frühstück zu (lecker.de, Bauer Media Group). Danach packen die beiden noch den Rest ihrer Koffer, geben Fiffi an die nette Frau in dem Haus nebenan (Grundstücksgesellschaft Vorsetzen 2 mbH, Bertelsmann & Co. KGaA) und fahren mit ihrem Auto (autohaus24 GmbH, Axel Springer SE) zum Flughafen. Nach einer Stunde Wartezeit steigen die beiden in ein Flugzeug (billigflieger.de, Bauer Media Group) Richtung Madeira. Den Tipp hat er von einem Freund (XING AG, Burda Digital Ventures) bekommen, der dort schon einmal Urlaub gemacht hatte (4trips.de, MairDumont GmbH & Co. KG). Das Flugzeug landet, und Herr und Frau Bert fahren mit ihrem Mietwagen (happycar GmbH, Nordwest-Zeitung Verlagsgesellschaft mbH &

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Co. KG) zu ihrer Ferienwohnung. Dort angekommen, packt Herr Bert seine Badetasche und geht zum Strand schnorcheln (Taucher. net GmbH, Bertelsmann SE & Co. KGaA). Seine Frau muss krankheitsbedingt (scheidenpilz. com, Funke Mediengruppe GmbH & Co. KGaA) in der Wohnung bleiben. Nach dem Tauchen holt Herr Bert seine Frau, die währenddessen ferngesehen hat (southpark.de, Ebner Verlag GmbH & Co KG), ab und die beiden gehen in die Stadt (Smart Shopping and Saving GmbH, Verlagsgruppe Random House GmbH). Später am Abend besuchen sie die angesagteste Disko der Insel. Die geschossenen Fotos werden natürlich sofort online gestellt (partyarea24, Mediengruppe Oberfranken - Digital GmbH & Co. KG). Danach fallen die beiden sehr müde ins Bett.

© Jasmin Schüller

Das Fazit Vor allem große Medienunternehmen besitzen Teile von Firmen, die im Alltag eine Rolle spielen. Die Medien grundsätzlich zu boykottieren, verhindern diese kaum sichtbaren Beziehungen. Selbst Menschen, die keine Bücher lesen und nie eine Zeitschrift in die Hand nehmen, sind jeden Tag mit einem Teil der Verlagswelt in Verbindung, obwohl sie es gar nicht wissen. Doch sich darüber Gedanken zu machen, wäre verschwendete Zeit. Melanie Uhlig

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Die absurdesten Buchtitel Bücher, die wir vielleicht (nicht) lesen sollten Dass der Buchtitel beim Kauf ein ausschlaggebender Faktor sein kann, ist nun wirklich nichts Neues. Doch manche Bücher müssen wir nicht lesen, weil der Titel eigentlich schon alles über das Werk sagt und wir uns nur ernsthaft nach der Intention des Autors fragen. Oder sollten wir sie vielleicht gerade deswegen lesen? Mit dem Oddest Title of the Year (im Deutschen auch Diagram-Preis) werden in England seit 1978 die Bücher mit den kuriosesten Titeln geehrt. Bei dieser populären Auszeichnung handelt es sich um einen undotierten Literaturpreis, der seit 1979 vom britischen Branchenmagazin The Bookseller gestiftet wird. Auch auf der Leipziger Buchmesse wurde 2014 erstmalig der ungewöhnlichste Buchtitel des Jahres ausgezeichnet. Einfach nur aus Langeweile Die Idee zum Preis stammt ursprünglich von Bruce Robertson (1934 – 2014), als dem Buchhändler der Diagram Group auf der Frankfurter Buchmesse 1978 schlichtweg langweilig gewesen war. Erster Preisträger wurde die medizinische Studie Proceedings of the Second International Workshop on Nude Mice von Tatsuji Nomura (University of Tokyo Press). An der Auswahl der Shortlist beteiligt sind Buchhändler, Verleger, Bibliothekare und seit 1993 auch Leser. Humoristische Bücher sind allerdings von der Wahl ausgeschlossen, um den Wettbewerb spannender zu gestalten. Bis 1999 erfolgte die Abstimmung durch eine Jury, die hinter dem wohlklingenden Pseudonym Horace Bent stand. Seither wird über den Siegertitel online abgestimmt. Dem neuen Trend folgend, werden seit 2014 auch Selfpublishing-Titel nominiert. Aktuelle Preisträgerin ist die US-amerikanischen Selfpublisherin und Vollzeitreisende Margaret Meps Schulte mit dem Titel Strangers Have the Best Candy.

Kurioses aus dem Land der Kuckucksuhren Auch in Deutschland kommen kuriose Buchtitel nicht zu kurz. Seit 2008 wird der Preis Kuriosester Buchtitel des Jahres durch den Börsenverein des Deutschen Buchhandels im Rahmen der Frankfurter Buchmesse vergeben und von Schotts Sammelsurium gestiftet. Die Titel werden von Lesern und Buchhändlern vorgeschlagen, ehe anschließend online über eine Shortlist von 6 Titeln abgestimmt wird. Der Sieger wird von einer dreiköpfigen Jury bestimmt. Neben einer Urkunde und einer Flasche Champagner erhält der Sieger einen auf den Buchtitel zurechtgeschnittenen Sachpreis wie Spülmittel oder eine Eieruhr. 2013 übernahm das Buch-Magazin bzw. die Community Was-liest-du? der Mayerschen Buchhandlung das Ruder. Insgesamt 1 123 Titel wurden im Jahr 2014 vorgeschlagen, darunter auffällig viele (Independent-)Titel von Poetry Slammern. Zur Leipziger Buchmesse 2015 wurde der Gewinner gekürt: Thomas Spitzer mit Wir sind glücklich, unsere Mundwinkel zeigen in die Sternennacht wie bei Angela Merkel, wenn sie einen Handstand macht (Periplaneta Verlag).

© Periplaneta Verlag

Weiteres Außergewöhnliches Mit 16 Prozent aller Stimmen lag Thomas Spitzer jedoch nur knapp vor weiteren Perlen, wie Wenn das die Lösung ist, will ich mein Problem zurück von Nelly Arnold (Diana Verlag) und Jan Philipps Henry Frottey - Sein erster Fall: Teil 2 - Das Ende der Trilogie: Ein Roman in Schwarzweiß (Lektora Verlag). Der Siegertitel aus dem Jahre 2013 ist natürlich auch nicht zu verachten: Das Mädchen mit dem Rohr im Ohr und der Junge mit dem Löffel im Hals von Volker Strübing (Voland & Quist). Wenn das nicht die ultimativen Vorschläge für die Bücher-Einkaufsliste sind! Christin Fetzer

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Bücher stärken den Charakter Wie aus Buchkindern junge selbstbewusste Menschen werden Der Verein Buchkinder e. V. ermöglicht es Kindern eigene Bücher herzustellen. Neben dem Erwerb von zahlreichen fachlichen Kompetenzen unterstützt dieses Angebot auch die Persönlichkeitsentwicklung. Ein Erzieher hat das außergewöhnliche Vergnügen zahlreiche spannende und interessante Ausflüge zu begleiten. Ein Redaktionsmitglied der Lerche hat anschließend die Chance darüber zu berichten. Seit 2001 bietet der Verein Jungen und Mädchen zwischen vier und 18 Jahren die Gelegenheit, ihre Fantasien und Geschichten in eigens hergestellten Büchern zu verewigen. Der Prozess findet in Eigenregie statt. Betreuer im Raum erklären lediglich Arbeitstechniken und Abläufe, ausgeführt wird jeder Handgriff von den Kindern. Am Anfang steht eine Idee für eine Geschichte. Diese wird ausgetauscht, diskutiert und modifiziert. Sie wird anschließend aufgeschrieben, illustriert, gesetzt und gedruckt – fast wie bei den Profis. Die Kinder dürfen nachfolgend stolz ihr Erstlingswerk präsentieren. Doch welche Auswirkungen hat das Angebot auf die teilnehmenden Kinder? Eines sei vorweg bereits betont: Es handelt sich nicht um bloßen Zeitvertreib. Physische und psychische Narben Wer geboren wird, begibt sich in Lebensgefahr. Mensch zu sein bedeutet auch, im Leben das eine oder andere Trauma bewältigen zu müssen. Manchmal ist es etwas offensichtlich Physisches wie aufgeschürfte Knie. Wir spüren den Schmerz und versorgen die Wunde. Die Heilung kann Tage bis Wochen dauern und es bleibt vielleicht eine kleine Narbe zurück. Andere Ereignisse können jedoch lange Zeit, sogar lebenslang, psychische Spuren hinterlassen. Beim Einen mehr, beim Anderen weniger. Doch warum scheinen manche Kinder sensibler für bestimmte Ereignisse zu sein, manche robuster? Warum bewirken einige Ereignisse

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Veränderungen im Erleben und Verhalten, andere aber nicht?

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Resilienz und Bewältigungsstrategien In der Psychologie bezeichnet Resilienz die Widerstandsfähigkeit gegenüber schlimmen und traumatischen Ereignissen und die Fähigkeit, diese außergewöhnlichen Lebenssituationen ohne psychischen Schaden zu überstehen. Dabei helfen Bewältigungsstrategien: Mittel zur Linderung von Sorgen und Leiden oder Methoden, um Problemen aktiv zu begegnen und sie zu lösen. Um einen resilienten Menschen zu charakterisieren, sind u. a. Worte wie “hohes Selbstwertgefühl” nötig. Ein Teil der Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher ist der Erwerb von Grundkenntnissen im Bereich Psychologie: Wie entsteht Suchtverhalten? Wie wird man Opfer von Mobbing? Wie entwickeln sich Rivalitäten zwischen Geschwistern? Ein niedriges Selbstwertgefühl ist Teil der Antwort auf diese drei Fragen. Dieser spezielle Bereich der Persönlichkeit ist jedoch keine Konstante. Es gibt Möglichkeiten dieses Gefühl zu stärken. Selbstwirksamkeit erfahren „Guck mal Papa, das hab’ ich gemacht!” – so oder so ähnlich könnte es am Nachmittag in einem Leipziger Wohnzimmer erklingen, wenn die Tochter oder der Sohn stolz das

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selbst gebastelte Krokodil aus Salzteig präsentiert. Diese Kinder erfahren etwas, das unschätzbar wertvoll sein kann. Sie haben etwas geschaffen und waren damit selbst wirksam. Andere Menschen können es sehen und anfassen. Kinder, die regelmäßig eigene Ideen und Projekte umsetzen und dafür Wertschätzung erfahren, entwickeln ein höheres Selbstwertgefühl, ein positiveres Selbstbild und ein stärkeres Gefühl ihrer Selbstwirksamkeit. Stellen sie sich sich selbst die Frage „Kann ich das schaffen?”, beantworten sie diese Frage häufiger mit: „Ja, das kann ich“. Aufgaben erscheinen eher machbar, schwierige Problemstellungen werden als Herausforderungen wahrgenommen, die fordern und fördern, weniger als unüberwindbare Hürden. Das Buch als Medium für die kindliche Kreativität hat noch einen weiteren Vorteil. Aktu-

elle Themen aus der Gedankenwelt der kleinen Autoren können mit sprachlichen Mitteln verarbeitet werden. Ob Trauer oder Euphorie, die eigenen Emotionen lassen sich leicht auf Protagonisten einer Geschichte übertragen, innere Konflikte werden dadurch offenbart und es folgt ein Gefühl der Entlastung. Das strukturierte und angeleitete Verfassen eines Textes kann auch dabei helfen, die eigenen Gedanken zu ordnen und bislang verdrängte Erfahrungen mitteilbar zu machen. Diese Idee ist nicht neu. Seit den 1970er Jahren wird Poesie- und Bibliotherapie in vielen sozialen Einrichtungen Deutschlands genutzt. Empirische Studien aus dem letzten Jahrzehnt dokumentierten erstmals das Erfolgspotenzial dieser besonderen Therapieformen. Chris Wolf

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Kleines Buchzerstörungseinmaleins Aus alt wird neu Vermutlich werde ich mir mit einem Artikel, der sich mit der Kunst der Buchzerstörung beschäftigt, nicht besonders viele Freunde machen, aber ungeliebte Bücher auf dem Dachboden einstauben zu lassen, ist nicht unbedingt die feine englische Art. Aus diesem Grund möchte ich zwei kreative Möglichkeiten vorstellen, um diesen Leichen neues Leben einzuhauchen. Book Sculpturing macht aus Büchern kleine Kunstwerke, denn durch Falten der Seiten werden Schriftzüge oder geometrische Muster modelliert. Voraussetzung bildet ein Buch mit entsprechender Seitenzahl. Durchhaltevermögen ist gefragt Um ein komplexes Muster zu falten, ist eine Vorlage von Nöten. Orimoto.de ist ein bekannter Anbieter, bei dem sich im Gegenzug einer kostenlosen Mitgliedschaft beispielsweise Vorlagen für Schriftzüge einer limitierten Anzahl von Zeichen erstellen lassen. Für meine Buchskulptur HTWK habe ich 400 Seiten verwendet und habe die Seitenanzahl zum Schluss entsprechend angepasst. Nachdem ich die Vorlage vorbereitet hatte, habe ich auf der Ober- und Unterseite des Buchblocks drei Zentimeter vom Buchrücken entfernt eine Markierung angebracht, sodass eine einheitliche Ober- und Unterkante entsteht. Danach habe ich, untermalt von einem Hörbuch,

sechs Stunden lang gefaltet, gefaltet und gefaltet. Wichtig ist es dabei, die Faltkanten zum Beispiel mit einem Lineal möglichst flach zu pressen, damit das gewünschte Muster richtig zu erkennen ist. Junk Journal oder Kunstwerk? Vom Book Sculpturing ist es auf YouTube nicht weit entfernt bis zu meinem zweiten Projekt: Alternated Books. Hierbei werden Bücher so verändert, dass sie zwar nicht mehr zum Lesen zu verwenden sind, aber im Buchregal oder im Schaufenster zu echten Hinguckern werden. Da Pop-up-Bücher meine handwerklichen Fähigkeiten bei weitem übersteigen, habe ich mich für ein sogenanntes Junk Journal entschieden. Hierfür habe ich mir einen Hardcovertitel gesucht und jede Menge Junk in Form von Bastelpapier und Aufklebern. Zuerst wird der gesamte Buchblock vom Einband getrennt, einen Akt für den mich wohl jeder Buchbinder verteufeln wird. Danach werden aus Bastelpapier Buchseiten für die neuen Buchblöcke zugeschnitten. Hierbei habe ich einfach die originalen Buchseiten ausgemessen. Für einen Buchblock werden mindestens fünf Lagen benötigt. Die Anzahl der Blöcke richtet sich nach der Stärke des Einbands, ich habe mich für drei entschieden. Für Lagen mit Taschen werden zu der Länge des Papiers noch vier Zentimeter dazu addiert und diese dann entsprechend umgeschlagen. Zusätzlich habe ich noch Geschenkkarten oder Lagen mit einer geringeren Höhe oder Länge verwendet. Schneiden, Kleben und Gestalten

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Handwerkliches Können ist ab diesem Schritt gefragt. Nachdem ich die einzelnen Blöcke aus den Lagen zusammengestellt hatte, habe ich mit einem Zirkel Einstiche im Einbandrücken und in den neuen Buchblöcken angebracht, welche das Zusammenfügen erleichtern.

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Eine Alternative ist die Verwendung von Stoff oder Leinwand. Der Stoff wird in Höhe des Buchrückens ausgeschnitten, bei der Breite werden ein paar Zentimeter addiert, sodass er später sicher eingeklebt werden kann. Nun werden auch hier mit einer Vorlage die späteren Einstichlöcher markiert. Dann beginnt die Feinarbeit. Mit Nadel und Faden bewaffnet, habe ich jeden der drei Blöcke an den Einband genäht. Klammern helfen die Blöcke zusammenzuhalten, sodass sie während des Nähens nicht verrutschen und später schief heraushängen. Anschließend entstehen die Taschen. Dafür werden die überstehenden Blätter auf die eigentliche Seitenbreite umgeknickt, sodass eine Tasche entsteht. Diese wird entweder unten und oben mit Leim befestigt oder mit einer Nähmaschine genäht.

Nun kann das Verzieren beginnen. Ich habe Formen aus dem übrig gebliebenen Restpapier ausgeschnitten und auf den Buchseiten verteilt sowie eine Vielzahl an Aufklebern verwendet. Zudem habe ich ein paar der originalen Seiten mithilfe von Kaffee eingefärbt. Entstanden ist ein Journal, in dem ich Bilder, Zitate und andere Kleinigkeiten aufbewahren kann. Der Arbeitsumfang betrug etwa ein Wochenende. An diesen zwei Bastelprojekten möchte ich zeigen, dass veraltete Fachbücher und ungeliebte Romane nicht im Altpapier landen oder die Regale der örtlichen Stadtbibliothek bewohnen müssen, denn sie können einen neuen Mehrwert bringen und Privathaushalte sowie Schaufenster schmücken.

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Beatrix Dombrowski

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28 :: HTWK Leipzig

Buchhandel? Verlagswirtschaft? Wenn ein Studiengang Fragen aufwirft Messe für Messe wird unsere Leipziger Lerche gelesen und vielleicht auch mit dem beliebten Gebäck verwechselt. Studentenzeitschrift des Studiengangs Buchhandel/Verlagswirtschaft der HTWK Leipzig prangt auf ihrem Titel und deutet schon an, dass sie ein rein studentisches Werk ist. Was sich aber genau hinter dieser Studienrichtung verbirgt, ist vielen bis heute ein Rätsel. „Und was macht ihr da? Bücher lesen und verkaufen? Muss man dafür studieren?“ Diese oder ähnliche Fragen kennt wahrscheinlich jeder Student im Studiengang Buchhandel/Verlagswirtschaft, kurz BV, an der HTWK Leipzig. Dabei verlangt genau diese Branche doch so viel mehr, als man denkt. Selbst als Student überrascht es oft, dass vielleicht eher Generalisten mit dem Hang zur Medienbranche gesucht werden, um die Herausforderungen des Studiums in ihrer Gänze zu bestehen. BV Studenten kommen üblicherweise aus fast ganz Deutschland zusammen. Als Voraussetzung der Zulassung dient, wie üblich, die Allgemeine oder Fachhochschulreife. Doch gerade Ausbildungen oder vorangegangene Tätigkeiten in der Branche können sehr behilflich sein, vor allem in den ersten Monaten des Studiums, wenn es darum geht, einen allgemeinen Überblick zu gewinnen. Welche Verlagserzeugnisse gibt es eigentlich, wie entstehen sie? Diese Dinge müssen geklärt und verstanden werden. Doch natürlich gehören dazu auch Fähigkeiten, die über Medien hinausgehen. BWL und VWL spielen eine ebenso große Rolle, wie Buchführung und der Umgang mit Programmen wie Adobe Photoshop. Eine der größten Rollen spielt im Studiengang aber der Praxisbezug, welcher von uns Studenten sehr geschätzt wird. Ab dem 2. Semester arbeiten wir, zusätzlich zu den normalen Modulen, in vier Schwerpunkt-

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gruppen. Jeder Schwerpunkt hat dabei seine eigenen, festen Aufgaben. Organisation ist (nicht) alles! Das Glanzstück des Kommunikationsmanagements ist der alljährlich stattfindende Kleinverlegertag, bei welchem mit geladenen Gästen über ein ausgewähltes Thema der Branche diskutiert und sich ausgetauscht wird. Außerdem organisieren sie Alumnitreffen auf den Buchmessen, besuchen Berufsschulen um über den Studiengang aufzuklären und führen die BV Social Media Kanäle. Wer sich auf den Buchmessen an dem Infostand der HTWK umgesehen hat, konnte dabei die Arbeit des Schwerpunktes Veranstaltungsmanagement betrachten. Sie sind für Standdesign, die Kommunikation und Zusammenarbeit mit der Messe, Sponsoren und anderen Studiengängen ebenso zuständig, wie für Lesungen, Poetry Slams und Gewinnspiele. Die Arbeit des Buchhandelsmanagements dreht sich um die hauseigene Lehrbuchhandlung BuMerang. Diese wird eigenständig geführt, inklusive Warenwirtschafts- und Kassensystem. Zusätzlich werden kleine Veranstaltungen organisiert. So zum Beispiel Büchertische zu Events oder der Genießertag,

© Ruth Aigner

HTWK Leipzig :: 29

welcher im Wintersemester 2015 in Kooperation mit Dr. Oetker stattfand und aus den Backbüchern der Sponsoren inspirierte Gebäcke bot.

die in der Praxis sehr viel mehr wert sind, als pure Theorie. Wir sammeln Erfahrungen und nutzen die Chance, noch Fehler machen zu dürfen und aus ihnen zu lernen.

Last but not least hält der Leser der Leipziger Lerche das Projekt des vierten Schwerpunktes, dem Pressemanagement, in der Hand. Von der Planung, dem Schreiben und Lektorieren von Artikeln, der Anzeigenakquise, dem Layout, der PR, bis hin zum Vertrieb finden alle Schritte in Eigenregie statt. Als Ergänzung betreiben wir die Website leipzigerlerche.com, wo sich auch unser wöchentlich geführter Blog findet. Schlussendlich führen alle Schwerpunkte des Studiengangs zu einem Ziel: Dem Projektmanagement. Wir stellen uns Aufgaben,

Wohin mit den Erfahrungen?

Weitere Infos gibt‘s hier:

Der Name einer Studienrichtung ist nicht unbedingt auch das Ziel eines Jeden. Natürlich stehen Marketing und Co., auch dank des beliebten Moduls, ziemlich weit oben auf unseren Listen, doch unter den Zielen der Studenten finden sich durchaus auch die Eventund Videospielbranche. Da wir weitaus mehr lernen, als Bücher zu lesen und zu verkaufen, steht dem sicher nichts im Weg. Cindy Schulze

Leipziger Leipziger Lerche Lerche 4439| Frühling | Herbst 2016 2013

30 :: Leben und Studieren in Leipzig

Thietmar von Merseburg Eine Annale, die in die Geschichte einging 2015 war das 1 000. Jahr der Stadt Leipzig. Zumindest wenn es nach Thietmar von Merseburg geht. Er erwähnte im Jahr 1015 erstmals eine „urbe Lipzi“, die im Nachhinein mit der „Burg Leipzig“ übersetzt werden kann.

© Wikipedia

Just in diesem Jahr, exakt am 20. des Dezembers verstarb Bischof Eido I., seinerzeit Bischof von Meißen. Seine letzte Ruhestätte war eben jene „urbe lipzi“. Sie ist der Ausgangspunkt für die Stadtwerdung Leipzigs. Kluge Köpfe vermuteten den ehemaligen Standort der Befestigung im Nordwesten der Innenstadt, doch es dauerte viele Jahre bis dieser gefunden wurde. Erst in den Jahren 1950 bis 1956 konnten nach gezielten Ausgrabungen auf dem Matthkäikirchhof die Überreste der Burg ausfindig gemacht werden. Sonst hätte es letztes Jahr die 1 000-Jahr-Feier nicht gegeben, denn erst 150 Jahre danach, also im Jahr 1165 gab es die erste urkundliche Erwähnung der Stadt Leipzig. Thietmar von Merseburg und seine Chronik Diese Analen umfassen acht Bücher, die auf Latein verfasst wurden und die Zeit zwischen 908 und 1018 beschreiben. Sie befassen sich vorrangig mit der Stadtwerdung von Merseburg, aber auch mit den damals herrschenden Königen in Sachsen. Die ersten vier Bücher erzählen die Geschichte von je einem dieser Könige, die letzten vier widmen sich umfassend der Regentschaft König Heinrichs II. Thietmar selbst wurde am 25. Juli 925 in einem adeligen Elternhaus geboren. Er erhielt seine erste Erziehung in der Kirche St. Servatius in Quendlinburg und ab Dezember 1004 war er offiziell Bischof von Merseburg. 997 verstarb seine Mutter und er erbte mehrere Höfe, unter anderem einen in Eisdorf und einen in Teuchern.

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Eisdorf und Teuchern In seiner Chronik berichtet er, dass er im Jahr 1009 nach Eisdorf reiste. Dieser Ort südwestlich von Leipzig wurde bis zu diesem Zeitpunkt in noch keiner bedeutenden Quelle genannt. Erst durch Thietmar von Merseburg konnte es als ein wichtiger herrschaftlicher Handelspunkt identifiziert werden. In den Jahren 2010 bis 2013 wurden aufgrund dieser Chronik bedeutende Ausgrabungen getätigt. Wichtig sind hier vor allem Funde mit religiöser Bedeutung. Damit konnte nachgewiesen werden, dass sich das Christentum in dieser Region im 11. Jahrhundert noch nicht so etabliert hatte wie angenommen. Ihr Bischof Thietmar konnte im Jahr 1009 nur wenige Dorfbewohner taufen. Die meisten gehörten damals noch dem heidnischen Glauben an. 2012 wurden erstaunliche Mengen an archäologischen Stücken gefunden, die in dieser Qualität in Sachsen bisher einmalig waren. Ein anderer von seiner Mutter vererbter Hof liegt ebenfalls südwestlich von Leipzig. Damals gehörte Teuchern noch zum Bistum Zeitz. Im dritten Buch seiner Chronik berichtet Thietmar über Otto II. und über die Auflösung des Bistums Merseburg. Dieses wurde unter den Bistümern Zeitz und Meißen sowie dem Erzbistum von Magdeburg gespalten. Thietmar sieht die Hauptschuld dieser Auflösung bei Giselher, dem Bischof von Merseburg. Dieser verschuldete sich erheblich, indem er viele hohe Adelige bestach, damit er nach dem Tod des alten Erzbischofs seinen Platz einnehmen konnte. Im Gerichtsverfahren wegen Anklagepunkten wie Korruption, Bestechung und Hochmut war die Chronik Thietmars die entscheidende Quelle. Giselher wird des Eitelkeit bezichtigt, in dieser Zeit die schlimmste Sünde. Sieben Jahre nach diesem Vorfall gab es zwei Mordversuche an Giselher, denen er nur knapp entkam. Melanie Uhlig

Leben und Studieren in Leipzig :: 31

Von Dichtern und Mördern Leipzigs bunte Kleinverlagswelt Knapp 36 Verlage machten Leipzig vor der deutschen Wiedervereinigung zu einem Zentrum der Buchhandelsbranche. Übrig geblieben sind davon heute jedoch nur die Leipziger Buchmesse, eine reiche Off-Kultur und viele kleine, oft spezifische Verlage, deren Kreativität in Tätigkeit und Ausrichtung oft unterschätzt wird. Trotz der konstant geringen Umsatzzahlen von reinen Lyrikwerken lässt sich in Deutschland ein deutlicher Anstieg an Poetry Slams und Lyrikveranstaltungen verzeichnen. Dabei vergeht selbstredend auch in Leipzig kaum ein Tag ohne eine solche Veranstaltung, da sich eine Vielzahl an diversen Lesezirkeln und Autorenensembles organisiert hat und immer neue hinzukommen. Während marktstarke Verlagshäuser ganze Lyrikproduktionen aus dem Programm streichen, setzen oft neu gegründete Kleinstverlage genau dort an, um diese Lücke zu füllen. So auch der 2015 ins Leben gerufene Verschlag-Verlag aus Leipzig. Das von Christoph von Borell gegründete Verlagshäuschen, führt bisher zwar lediglich den Gedichtband seines Initiators„Was fällt dir zum Wort Sack ein?“, doch fußt dies auf der Zielsetzung des Verschlag-Verlags, welcher in keiner Weise auf kommerziellen Erfolg ausgerichtet ist, sich also ganz der Lyrik verschrieben hat. Im Zuge dessen bezeichnet der 26 Jahre junge Literat seinen Projektentwurf als „Verlag für leistungsverweigernde Maßnahmen“ und erzeugt damit eine sympathisch-kokette Selbstironie. Diese bleibt auch in Borells Publikation erhalten, welche sich in eben dieser Weise mit dem Thema Autorität auseinandersetzt. Natürlich findet sich in der Stadt an der Elster nicht nur eine einzige Plattform für Poeten. So existiert neben der von der Connewitzer Verlagsbuchhandlung etablierten Edition Wörtersee auch das Verlagshäuschen Poetenladen, in dem Reimschmiede und Wortjongleure einen Vertriebskanal für ihre Machwerke gefunden haben.

© Takeaway/Wikimedia

Monatlicher Mord im Café Waldi Ein nicht minder einfallsreiches Konzept wird vom fhl-Verlag Leipzig vertreten. Das seit 2010 bestehende Verlagshaus hat sich auf Krimiliteratur und Thriller spezialisiert, soweit nichts außergewöhnliches, möchte man meinen. Jedoch ist dem kleinen Gänsehautverlag die steigende Tendenz von lokal verorteter Kriminalliteratur nicht entgangen und neben eingängigen Editionen wie Tatort Leipzig oder Tatort Dresden, existiert ein weiteres, interessantes Konzept: die sogenannten Stammtischmorde. Diese, aus munter-blutigen Kurzkrimis bestehenden Anthologien, entstehen bei den gleichnamigen monatlichen Treffen im Café Waldi, einer Kultkneipe der Leipziger Südvorstadt. Die teilnehmenden Autorinnen und Autoren, unter anderem Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz, plaudern dabei zwischen Bier und Wein über Mord und Totschlag, diskutieren kriminalistische Neuheiten und tauschen sich über aktuelle, mörderische Ideen aus. Die Werke wurden in drei Sammelbänden publiziert. Die Kurzgeschichten zeichnen sich durch eine erfrischende Diversität aus, schließlich hat jeder Verfasser seinen ganz eigenen Fingerabdruck hinterlassen. Durch diese vielseitige Buchkonzeption ist es totsicher, dass für jeden Geschmack etwas dabei ist – in diesem Sinne: Kill Local! Tankred Hielscher

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32 :: Rezensionen

Aufgeschlagen Unser Buchtipps © ohneohren Verlag

„Verschlusssache“ von Ingrid Pointecker und Fabian Dombrowski

ohneohren Verlag 14,99 € 286 Seiten ISBN 978-3-903-00629-4

„Unsere Experten vom MIT haben Hitler geklont […]. Leider ist er ihnen entkommen und jetzt läuft er frei in Texas herum“ (S. 25, Bigfoot-Kult will Stalin klonen von Markus Cremer) heißt es in der ersten Kurzgeschichte aus „Verschlusssache“ des ohneohren Verlags. Eine Anthologie voller überdrehter, aber tiefgreifender Verschwörungstheorien rund um den Globus und darüber hinaus. Selbst vor dem Erdinneren wird nicht halt gemacht. Aber wer sagt, dass an den von der US Air Force gezüchteten Drachen (Der Ruf nach Wahrheit von Luisa Meißner) oder den gottgleichen Amikäfern aus dem All (Die verpatzte Mondlandung von Diana Menschig) nichts dran ist? Katzen agieren als organisierte Saboteure von Kriegsschiffen, ein Wald nördlich des Fuji (Japan) frisst Menschen und verwunschene Mädchen verbringen ihr Leben in Schaufen-

stern, während verschiedene Bücher urplötzlich in Vergessenheit geraten und das Alte Testament nur eine Abschrift altorientalischer Tafeln ist. Magier verstehen offenbar nichts von Katzenhaltung und selbst ägyptische Götter, Mutter Natur, Slenderman, und der Teufel höchstpersönlich verschwören sich gegen die Menschheit. Bei ohneohren handelt es sich um einen Wiener Fantasy-Verlag, der seit 2013 elfenfrei publiziert. Die mit einem Vorwort von Sebastian Bartoschek eingeleitete Anthologie Verschlusssache umfasst 17 Kurzgeschichten deutschsprachiger Autoren zum Thema Verschwörungstheorien. Ein gelungenes Werk in dem Normalität nur eine Fassade ist.

Christin Fetzer

© Voland & Quist

„Alois Nebel“ von Jaroslav Rudiš und Jaromír 99

Voland & Quist 24,90 € 360 Seiten ISBN 978-3-863-91012-9

Altvatergebirge, Tschechoslowakei, Ende der achtziger Jahre. Am kleinen Bahnhof Bílý Potok steht ein Eisenbahner Anfang Vierzig einsam am Gleis und liest immer wieder die immer gleichen Fahrpläne, das beruhigt ihn. Doch manchmal durchbricht ein außerplanmäßiger Zug die Ruhe des friedlichen Kurortbahnhofs und dann wird besagter Eisenbahner mit Namen Alois von einem Nebel erfasst und er sieht Züge aus längst vergangenen, erschütternden Zeiten einfahren. Im selben Augenblick flieht ein Stummer, er hat soeben eine Frau vergraben, über die polnische Grenze in die Richtung des Altvatergebirges, ehemaliges Sudetendeutschland. Doch er hat Verfolger. Einige Wochen später begegnen sich beide im Sanatorium und so beginnt ein außergewöhnlicher Graphic Novel in drei Teilen.

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Der Autor Jaroslav Rudiš sowie der Comiczeichner Jaromír 99 sind keine unbekannten Größen mehr. Die ausgefeilte Story zeichnet ein einzigartiges Portrait der späten Tschechoslowakischen Republik, während mittels Rückblenden in die nahe Vergangenheit des Landes ein Aufbereitungsprozess entsteht. Mit originellen, authentischen Charakteren, unterstützt von einem prägnanten, zu diesem Werk herausragend gewählten Zeichenstil, wird hier eine Geschichte von Liebe, Abschied und Verdrängung erzählt, deren nebeldichte Atmosphäre ihresgleichen sucht. Wer auf diesen Seiten allerdings eine actiongeladene Comichandlung erwartet, ist, bei diesem bei Voland & Quist gut platziertem Werk, schlichtweg in den falschen Zug gestiegen. Tankred Hielscher

Rezensionen :: 33

Was steckt eigentlich hinter unseren Lieblingsspirituosen? Wo liegt der Unterschied zwischen Brandy und Cognac? Warum ausgerechnet Gin `n‘ Tonic? Und was macht Champagner so besonders? Auf diese und viele andere Fragen findet der Interessierte in Der Schule der Trunkenheit Antworten, denn Alkohol ist mehr als nur Rauschmittel. Alkohol ist Kulturgut. Diesen Standpunkt vertritt auch das Team der Victoria Bar in Berlin. Seit 2003 bietet die Victoria Bar bereits Vorträge rund um das Thema Barspirituosen an, doch erst einige Jahre später konnten sich Chef Stefan Weber und seine Compagnons Beate Hindermann und Gonçalo de Sousa Monteiro dazu durchringen ihre Vortragsreihe in einem Buch zusammenzufassen. 2013 veröffentlichten sie Die Schule der Trunkenheit und schufen damit einen Rei-

© Metropolit

„Die Schule der Trunkenheit“ von der Victoria Bar seführer durch die Spirituosen-Geschichte und ein Must-Have für jeden Freund des gepflegten Rausches. Anekdoten, historische Fakten und alles Wissenswerte über Wodka, Gin und Co. findet ihr hier sprachlich schön verpackt und liebevoll illustriert von Kerstin Ehmer. Wer möchte, genießt die einzelnen Kapitel mit etwas Zeit in illustrer Gesellschaft während man sich synchron durch die im hinteren Teil des Buchs vorgestellten Drinks probiert. Metropolit 20 € 208 Seiten ISBN 978-3-849-30323-5

Amelie Müller

© G.P. Putnam‘s Sons Books for Young Readers

„The Wrath and The Dawn“ von Renée Ahdieh Nur noch eine Nacht bleibt Shahrzad zu leben. Zumindest theoretisch, denn sie hat sich auf eine Ehe mit dem frauenmordenden Kalifen Khalid eingelassen. Tag um Tag heiratet er eine neue Frau und bei Morgengrauen verliert jede ihr Leben. Als Shahrzads beste Freundin zum Opfer des Regenten wird, schwört sie Rache. Sie meldet sich freiwillig mit dem Ziel, nicht nur die Nacht zu überstehen, sondern dem Treiben des Herrschers ein Ende zu setzen. Nacht für Nacht erzählt sie Khalid Geschichten und überzeugt ihn auf diese Weise, sie zu verschonen. Sie kommt nicht umhin sich zu fragen, was sich hinter der gefassten und kühlen Fassade des Herrschers verbirgt. Ist er das Monster, das dem Volk bekannt ist? Und warum wirkt es so, als wäre er der letzte Mensch im Palast, der Shahrzads Tod wünscht?

Mit The Wrath and The Dawn hat Renée Ahdieh eine Welt im Stile von 1 001 Nacht erschaffen. Einige bekannte Geschichten aus dem Klassiker der morgenländlichen Welt haben sich in Form von Shahrzads nächtlichen Erzählungen in das Buch eingeschlichen. Ahdiehs Schreibstil ist sehr detailreich. Besonders viel Aufmerksamkeit lässt sie der Beschreibung der aromatischen und ausgedehnten Mahlzeiten zukommen. Ein absoluter Blickfang ist die Gestaltung des Buches. Die rauen Seiten sind ähnlich wie Büttenpapier unbeschnitten und machen The Wrath and The Dawn zu einem Hingucker in jedem Bücherregal.

G.P. Putnam‘s Sons Books for Young Readers 13,96 € 388 Seiten ISBN 978-0-399-17161-1

Beatrix Dombrowski

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34 :: Gewinnspiel

Gewinnspiel Gewinne eins von drei spannenden Büchern 1. Austragungsort der Cosplay WM 2. Womit lesen die meisten Deutschen E-Books? 3. Staatlicher Buchhandel China 4. Grundkonzept einer Heldengeschichte 5. An einer Überdosis welcher Droge starb Georg Trakl? 6. Wie viele Medienunternehmen greifen in Harry Berts Tag ein? 7. Titel von Huxleys Utopie-Roman 8. Vervollständige: Strangers have the best… 9. Unter welchem Namen wurde Leipzig erstmals erwähnt? 10. In welcher Leipziger Kneipe entstehen die Stammtischmorde? Eine E-Mail mit der Lösung und eurem vollständigen Namen und Anschrift sendet ihr bitte an [email protected]. Die Gewinner werden aus allen richtigen Einsendungen ausgelost und von uns per E-Mail benachrichtigt sowie auf unserer Homepage www.leipzigerlerche.com bekanntgegeben. Einsendeschluss ist der 15. 07. 2016. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Den Gewinnern unseres Rätsels der Lerche 43 gratulieren wir herzlich. Das Team der Leipziger Lerche Impressum „Leipziger Lerche“ ISSN:

1430-0737

Anzeigen: Melanie Uhlig, Tankred Hielscher

Auflage:

3 500 Exemplare

Layout-Chef: Beatrix Dombrowski

Herausgeber:

Hochschule für Technik, Wirtschaft und

Layout: Cindy Schulze, Beatrix Dombrowski, Fabian Schwab

Kultur Leipzig, Fakultät Medien,

Titelbild:

© Beatrix und Elke Dombrowski

Studiengang Buchhandel/Verlagswirtschaft,

Editorial:

© Christin Fetzer

Karl-Liebknecht-Str. 145, 04277 Leipzig

Titelbild Spezial:

© Obj Owl

www.fbm.htwk-leipzig.de

Reproduktion/Druck:

Anke Schlegel, Roger Troks,

Internet:

Hausdruckerei der HTWK,

www.leipzigerlerche.com E-Mail:

[email protected]

V. i. S. d. P.:

Prof. Gunter Janssen

Chefredakteur:

Christin Fetzer

Redaktion:

Beatrix Dombrowski, Cindy Schulze, Fabian

Schwab, Tankred Hielscher, Melanie Uhlig, Christin Fetzer, Amelie Müller, Chris Wolf, Niklas Gaube

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Gustav-Freytag-Str. 40, 04277 Leipzig Weiterverarbeitung:

Schwarz auf Weiß Werbe- u. Folientechnik, Hauptstraße 17, 04509 Krostitz

Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung bei der Papierfabrik Schleipen und der Lehrbuchhandlung Bumerang.

Nachruf :: 35

Herbert Paulerberg Nachruf auf einen engagierten Dienstleister für Medienpräsentation Die Nachricht vom Tode Herbert Paulerbergs im November 2015 hat mich sehr berührt. Damit ist ein buchhändlerisches Marketing-Original von uns gegangen. Insbesondere Schaufenster hatten es ihm angetan, und er entwickelte immer wieder neue Gestaltungsideen. HPA nannte sich „Trainer und Dienstleister für Medienpräsentation“. Es ging ihm um die Inszenierung von Büchern – Medien, um das Publikum anzusprechen. Dabei betonte er immer wieder, dafür brauche man nicht viel Geld, aber Ideen. Und seine anwendungsorientierten Bücher sollt man auch nicht vergessen. Schon gleich nach der Wende hatte er Kontakte zur Vorgängereinrichtung der HTWK in Leipzig geknüpft. Wir begegneten uns erstmalig auf der Leipziger Buchmesse 1992. Damals waren wir dabei, im neu gegründeten Studiengang „Buchhandel/Verlagswirtschaft“ eine Lehrbuchhandlung - heute „Bumerang“ - einzurichten, um den Praxisgehalt des buchhändlerischen Studiums zu erweitern. Der Plan wurde realisiert und HPA war begeistert, seine Ideen mit den Studierenden umzusetzen. Ich sehe ihn noch mit Schere, Lineal und Kleistertopf herumlaufen, um ein ideales Umfeld für die Buchpräsentation zu schaffen. Auf jeder Buchmesse war er präsent. Er wird nun fehlen! Prof. em. Dr. Christian Uhlig 1992 - 1997 Gründungsprofessor des Studiengangs „Buchhandel/Verlagswirtschaft“ der HTWK Leipzig

Die nächste Leipziger Lerche erscheint pünktlich zur Frankfurter Buchmesse. Bis dahin sind wir rund um die Woche und bei Wind und Wetter online verfügbar. Bald auf unserem Blog leipzigerlerche.com: Berichterstattung zur London Book Fair 2016 Digitalisierung Lieblingsbücher

Außerdem freuen wir uns auf einen Nachschub an Neulerchen, die uns ab April tatkräftig unterstützen werden!

Schleipen Papier zum Lesen Papierfabrik Schleipen Kaiserslauterer Straße 403 67098 Bad Dürkheim Telefon 0 63 22 / 6 00 80 Fax 0 63 22 / 6 17 02

Die LEIPZIGER LERCHE wurde gedruckt auf Schleipen Fly 07 Schneeweiß 1,2-faches Volumen 115 g/qm

Ein Unternehmen der Cordier Spezialpapier GmbH www.cordier-paper.de

Studiengang Buchhandel / VerlagSwirtSchaft fakultät medien Regelstudienzeit: 6 Semester (inkl. Praxissemester) Voraussetzungen: allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife Studienabschluss: Bachelor of Arts » Buchhandel / Verlagswirtschaft «

HTWK Leipzig Dezernat Studienangelegenheiten Postfach 30 11 66 04251 Leipzig www.htwk-leipzig.de

Studium rund umS Buch Besuchen Sie den Gemeinschaftsstand der Hochschulen auf der Frankfurter Buchmesse 2016.

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