FABRIK RUND BRIEF. FABRIK-Flüchtlingshilfe. FABRIK-Erklärfilm. Vorderhaus außer Haus. Ein Animationsfilm erklärt die FABRIK in 3 Minuten

November 2, 2017 | Author: Mareke Beck | Category: N/A
Share Embed Donate


Short Description

1 No. 59 Winter 2015/2016 FABRIK RUND BRIEF FABRIK-Erklärfilm Ein Animationsfilm erklärt die FABRIK in 3 Minut...

Description

No. 59 | Winter 2015/2016

FABRIK RUND BRIEF

FABRIK-Erklärfilm

FABRIK-Flüchtlingshilfe

Vorderhaus außer Haus

Ein Animationsfilm erklärt ­die FABRIK in 3 Minuten

Zahlreiche Aktivitäten Immer öfter und immer spannend Patenschaft für das Flüchtlingsheim gibt es Kultur außer Haus, St. Christoph erstmals auch im Humboldtsaal

Impressum

Herausgeber FABRIK für Handwerk, Kultur und Ökologie e.V. Habsburgerstraße 9 79104 Freiburg Tel. +49 (0)761.50365-30 eMail: [email protected] Internet: www.fabrik-freiburg.de Redaktion Regina Leonhart, Ute Lingg, Karola Mohr, Hans Schmid, Martin Wiedemann © Fotos & Illustrationen Annika Becker (S.16-18), Thomas Bethmann (6, 12/13), ­Max Erb (7), EWS Schönau (9), Volker Gerling (31), Ole Husmann (28/29), Susanne Merkwitz (14), Karola Mohr (10), Dieter Pfeiffer (5), Pudels Kern (1/2, 24), Frank ­Ritschel (30), Joachim Schiffl (7), Albert Josef Schmidt (8), ­Sandra Schuck (34), Annette Schwarte (4, 26/27, 32, 36), übrige: ­FABRIK-Archiv Satz & Layout Regina Leonhart, Hans Schmid Druck schwarz auf weiss Papier 100% Recycling In wenigen Minuten vermittelt der Erklärfilm „Die FABRIK ist eine FABRIK ist keine Fabrik“ das Wichtigste über ein „Wirtschafts-, Kultur- und Sozialzentrum, das aus Freiburg nicht mehr wegzudenken ist“.

2

Auflage 2.500 Exemplare Erscheinungsweise halbjährlich (in der Regel Juli & Dezember)

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016



Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Inhalt

unser Rundbrief spiegelt wie immer, was uns in der FABRIK beschäftigt. In diesem Herbst geht es uns wie dem ganzen Land, wir beschäftigen uns mit der Hilfe für die Flüchtlinge. Im Augenblick steht die humanitäre Hilfe im Vordergrund. Dabei geht es um die praktische Solidarität mit Menschen, die zu Opfern geworden sind. Seit Jahrzehnten, seit Jahrhunderten profitieren die reichen Länder dieser Welt einseitig von den Ressourcen an Rohstoffen und Arbeitskraft in den armen Ländern, sichern die eigenen Arbeitsplätze mit Waffenlieferungen für beklagte, aber Teilen der Wirtschaft willkommene Kriege. Die große Hilfsbereitschaft gegenüber den Flüchtlingen ist ebenso ­beachtlich wie menschlich geboten. Unzählige Ehrenamtliche kümmern sich um die Erstversorgung und die Aufnahme von Menschen auf der Flucht. Es hat den Anschein, so die Presse, als ob „das Integrations­ ministerium, das bis heute nicht existiert, kommissarisch von Bürgern und Freiwilligenverbänden betrieben würde“. Gleichzeitig ist die politische Arbeit zum Thema Flüchtlinge von Abwehr gekennzeichnet: gegen Abschiebungen, gegen das Schließen von Grenzen, gegen Brandstiftungen, gegen Rechts. Auf lange Sicht stellt sich die Frage nach Integration, und es stellt sich die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. In einer offenen Gesellschaft mit allen dazu gehörenden, notwendigen Schwierigkeiten, Diskussionen und Reibungen? In einer Gesellschaft, die Menschen- und Bürgerrechte achtet, auch wenn immer wieder gestritten werden muss, wie diese Rechte aussehen? In einer Gesellschaft, die den demokratischen Aufwand – Argumentation, Rechtfertigung, Konfrontation, Mehrheitsentscheidungen bei Wahrung von Minderheitsrechten – nicht scheut, die sich gegen alle Formen totalitären Denkens wendet und die Staat und Religion weiterhin trennt? Um diese Auseinandersetzung werden wir nicht herum kommen. Die Helfer, die Flüchtlinge, die Politik und die kritische Öffentlichkeit. Mit unserem Rundbrief wollen wir ein Teil dieser Öffentlichkeit sein. Wir wollen berichten, hinschauen, aufzeigen und in Frage stellen. In ­diesem Heft, wenn es um Kultur geht, um die Rechte von Frauen im ­Arabischen Raum oder um die Wende bei der Energiewende. ­ Respekt, Toleranz, Solidarität: Nicht von ungefähr verweist unser neuer FABRIK-Erklärfilm auf diese Leitideen aus der Gründungszeit der FABRIK. Diesen Grundsätzen fühlen wir uns nach wie vor und uneingeschränkt verpflichtet. Wir hoffen und wünschen uns allen, dass das kommende Jahr davon geprägt sein wird. die Rundbrief-Redaktion

03 | Editorial 04 | Nachrichten 40 Jahre MCW | Kultur- und Kreativwirtschaft | Schülerpraktika | Kunst kommt von Kennen | ­FABRIK 2020 | Neue Stelle | Neues BHKW | Kleinkunstpreis | Bundessiegerin | Jahresspende | 09 | Hinkley Point 180.000 Beschwerden gegen den AKW-Neubau 10 | Nicht zuschauen, tätig werden! Die FABRIK engagiert sich in der Flüchtlingshilfe von Marion Klötzer 12 | Flüchtlingsheim St. Christoph Die FABRIK übernimmt Patenschaft von Marion Klötzer 14 | Eine WG der besonderen Art In unmittelbarer Nachbarschaft zur FABRIK leben Christen und Muslime gut zusammen von Susanne Merkwitz 16 | Geteilter Zorn Bericht von der AMICA-Konferenz in Amman von Gabriele Michel 19 | Trauer um Stefanie Zum Tod von Stefanie Betz 20 | Schreibwettbewerb für Jugendliche Preisverleihung 2015 1. Preis: „Nur ein Traum“ von Marie Frevert 24 | Die FABRIK in 3½ Minuten Der neue FABRIK-Erklärfilm hatte Premiere 26 | Kommunikation und Transparenz Die „FABRIK-Woche“ bot viele Einblicke 28 | Vorderhaus außer Haus Die Vorderhaus-Kultur ist viel unterwegs 30 | Großes Kino in 36 Bildern Eine Veranstaltung im Humboldtsaal von Dietrich Roeschmann 32 | Besetzt! Das Vorderhaus produziert ein eigenes Kindertheaterstück zum Thema Energie von Anja Schöne 34 | Richtig schick machen Kolumne von Frank Goosen 35 | Adressen & Kontakte

3

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

Nachrichten

Veranstaltete vor dem Clubraum des MCW einen Höllenlärm: Jak-Flugzeugmotor

Diese Themen waren den befragten Betrieben aus Kultur und Kreativwirtschaft am Wichtigsten.

40 Jahre alt ...

Kultur und Kreativwirtschaft

... und kein bisschen leise

40 Jahre Motorradclub Weingarten gab es im Oktober zu feiern. Ein stolzes Alter für eine Gruppe, die in die FABRIK gekommen ist, weil die Jungs auf ihren Bikes gerade dabei waren, aus dem Jugendzentrumsalter hinauszuwachsen. Ein runder Geburtstag ist natürlich immer ein Grund, bei einer kleinen Feier vor den Clubräumen gelassen Geschenke und die besten Wünsche von allen entgegen zu nehmen. Von der FABRIK kamen - nun ja, irgendwie war die „Flasch´Bier-Feier“ des MC Kuhle Wampe noch im Gedächtnis - 40 ausgesuchte Biere in der Flasche. Die „Wampen“ wiederum hatten sich etwas Besonderes ausgedacht. Ihr Geschenk kündigten sie an als ein immaterielles, als etwas, das man nicht mit nach Hause nehmen könne, das sich aber einprägen werde, kurz, sie verschenkten LÄRM. Dass das ganz ernsthaft gemeint war, zeigte sich, als ein unter der Decke versteckter, aber betriebsbereiter Flugzeugmotor angeworfen wurde. Eine technische Raffinesse, der 10 Zylinder Sternmotor einer russischen Jak. Robust, unkaputtbar und: laut, sehr laut! Auf ungläubige Blicke folgten zugehaltene Ohren, die „Wampen“ hatten ihr Versprechen gehalten. Und sich revanchiert für den roten Stern auf schwarzer Clubtür, den die „Weingärtner“ ihnen zum ihrem runden Geburtstag geschenkt hatten. Die Feier war lang, die 40 Flaschen haben nicht gereicht, während der Gesprächsstoff nicht ausgegangen ist, auch wegen eines wirklich nicht alltäglichen Geschenkes.

4

Die FWTM zeigt die starke wirtschaftliche Bedeutung dieser Bereiche für Freiburg auf Für die europäischen Städte war Kultur in engerem Sinne immer ein wichtiger Beitrag zur Identitätsfindung, nicht nur reine Unterhaltung und Zeitvertreib. Deshalb war Kultur immer auch eine öffentliche Aufgabe. Über die Kultur wurde ein demokratisches, am Menschen orientiertes Gesellschaftsverständnis diskutiert, austariert und überprüft. Seit den 1980er Jahren ist in den Städten die Bemühung um eine einheitliche Stadtidentität kontinuierlich gewachsen. Städte wollen sich profilieren, auch im Hinblick auf wirtschaftliche Konkurrenzsituationen, auf Attraktivität für Unternehmen und Einzelne. Dabei greifen sie zur Stärkung ihres Standortvorteils auch auf kulturelle Angebote zurück. Im Theater sieht man die Bühne, im Film die Leinwand, beim Konzert hört man die Musiker. Man sieht keine Beleuchter, keine Kameraleute, keine Drucker. Man sieht keine Caterer, keine Schneider, keine Maskenbildner. Man sieht keine Buchhaltung, kein Archiv, keine Redaktion. Und doch hängt das alles am Film, am Konzert, am Buch. Und zählt zur Kulturwirtschaft. Die Freiburg Wirtschaft Messe und Touristik beschäftigt sich lobenswerter Weise verstärkt mit beiden Bereichen, will deren ökonomische Bedeutung mit Zahlen belegen und öffentliche Wertschätzung seitens der Stadt zeigen. Dazu wurde ab Sommer eine stadtweite Branchenbefragung durchgeführt. Deren Ergebnisse wurden in einem öffentlichen Workshop im Dezember vorgestellt und diskutiert. Mit der Kulturwirtschaft wird die ökonomische Wirkung von ­Kultur in Freiburg sichtbar. Die freie Kultur hat daran einen erheblichen Anteil. Dass dies wahrgenommen wird, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass neben Vertretern anderer Sparten auch Martin Wiedemann von der F ­ ABRIK in den von der FWTM installierten Steuerkreis eingeladen wurde.

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

Nachrichten

Diese Ausrüstung wäre für ein Praktikum in der Kindertagesstätte etwas übertrieben.

Das marotte Figurentheater spielt „Klumpwisch und Lichtgeist im Zimmer von Paul Klee“.

Berufung? Karriere? Oder beides?

Kunst kommt von Kennen

Auch in der FABRIK sind Schulpraktika zur Berufsorientierung möglich Schülerinnen und Schüler machen - je nach Schulart zwischen dem 8. und 10. Schuljahr – in Betrieben ihrer Wahl ein Praktikum zur Berufsorientierung. In den Gymnasien z.B. nennt sich das „BOGY“, in den Werk-Realschulen „BORS“. Die Schülerinnen und Schüler sollen herausfinden, ob ihre persönlichen Interessen und Wünsche mit den zumeist ersten Erfahrungen in der Arbeitswelt in Einklang stehen und ob dieses Arbeitsfeld für sie eine berufliche Perspektive eröffnen kann. Auch in der FABRIK bieten zwar nicht alle, aber die meisten Betriebe und Einrichtungen interessierten jungen Leuten diese Möglichkeit, je nach dem ein paar Tage oder ein bis zwei Wochen lang in einen potentiellen späteren Beruf hineinzuschnuppern. Wer schon genau weiss, wo er/sie ein solches Praktikum machen will, kann sich direkt an die jeweiligen Betriebe wenden. Da die FABRIK ein breites Spektrum an Tätigkeiten versammelt, ist es auch möglich, das Praktikum aufzuteilen, also beispielsweise ein paar Tage in der Kindertagesstätte und ein paar Tage in einem Büro mitzuarbeiten. In einem solchen Fall übernimmt das Hausbüro der FABRIK die Koordination (Anfragen bitte an Karola Mohr: [email protected]). Auf alle Fälle ist es wichtig, schon frühzeitig anzufragen, damit das Praktikum gut geplant und vorbereitet werden kann.



fabrik-freiburg.de/index.php/ betriebe/betriebe-einrichtungen

Das neue Kulturpaket ist gut gestartet

Kunst kommt von Können, das ist allgemein bekannt. Aber vor Können kommt Kennen. Damit Kinder Kunst kennen lernen können, wird in der FABRIK seit Herbst diesen Jahres auch unter der Woche Kultur für Kinder angeboten. Wir haben ein Paket für Kinder­ tageseinrichtungen und Grundschulen geschnürt, das am 20. Oktober 2015 mit „Bakari und der Wind“ vom Cargo Theater startete. Im November folgte „Klumpwisch und Lichtgeist“ des marotte Figurentheaters aus Karlsruhe. Neben einer umfassenden theaterpäda­ gogischen Begleitung bieten wir gemeinsam mit der Keramikwerkstatt und der Schule für Kampfkunst und Meditation „Friedlicher Drache“, sowie der pädagogischen Ideenwerkstatt Bagage Workshops und Kurse an, die sich am Thema der Aufführungen orientieren. Die ersten Vorstellungen waren gut besucht, das ­begleitende Bildungsangebot wird zunehmend nach­ gefragt. Kinder und Pädagogen zeigten sich begeistert vom neuen Konzept und wir sind zuversichtlich, dass sich die neu entstandenen Kooperationen mit zahlreichen Einrichtungen für Kinder in den nächsten Monaten verstetigen werden.

5

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

Nachrichten

Immer am Dienstag- und Donnerstagnachmittag im Hausbüro der FABRIK zur erreichen: Jeanette Bihlmaier

Arbeitsgruppen in Aktion Im Rahmen des Projekts „FABRIK 2020“ sind derzeit fünf AGs und eine Steuerungsgruppe aktiv Die AG Transparenz und Integration hat sich darum gekümmert, Schülerpraktikanten- und praktikantinnen, sofern sie es möchten, die Möglichkeit zu bieten, auf dem FABRIK-Gelände in verschiedene Einrichtungen reinzuschnuppern. Desweiteren beschäftigt sich die AG damit, die FABRIK außerhalb von Kultur und Gastronomie sichtbarer zu machen – ein Projekt, das sie gemeinsam mit der AG Öffentlichkeit in Angriff nehmen wird. Die AG Generationswechsel ist aktuell mit den Betrieben und Einrichtungen im Gespräch, um herauszufinden wie ihre jeweilige Altersvorsorge aussieht, wie sie sich den Generationswechsel in ihren Betrieben vorstellen und – wie junge Menschen auf das Gelände kommen. Die AG Öffentlichkeit hat eben ihr erstes Projekt zu Ende gebracht, den FABRIK-Erklärfilm (s. Seite 24). Als nächstes steht ein gemeinsames Logo für alle Betriebe und Einrichtungen an, damit von außen besser erkennbar ist, dass dieser Betrieb sich auf dem FABRIK-Gelände befindet. Dazu werden in der AG Ideen gesammelt, Grafiker angefragt, und zu guterletzt wird es ­gemeinsam mit allen Einrichtungen diskutiert werden. Die AG Soziales Miteinander bietet weiterhin gemeinsame Mittagessen an und möchte im Neuen Jahr verstärkt die Angebote nutzen, die auf dem Gelände vertreten sind. So möchte sie attac bitten, den FABRIKlerInnen ihre ­Arbeit vorzustellen. Angedacht sind weitere „fabrikinterne“ Informationsabende, private Reiseberichte oder Kursangebote. In der AG Synergien geht es darum, wie man sich das Know How auf dem Gelände besser zu Nutze macht. Jeder Betrieb und jede Einrichtung besitzt ein bestimmtes Wissen und Potential, das für andere Betriebe oder für einen Einzelnen nützlich sein kann. Im November fand ein gemeinsames AG-Treffen statt. Dabei brachten sich die Arbeitsgruppen auf den neuesten Stand, gleichzeitig konnten vier neue AG-Mitglieder gewonnen werden. Zum Dank für das anhaltende, ehrenamtliche Engagement waren alle anschließend zum Schnitzelessen in die Vorderhaus Gaststätte eingeladen. 6

Neue Stelle im Hausbüro Jeanette Bihlmaier koordiniert die FABRIK-Flüchtlingshilfe Seit November arbeitet Jeanette Bihlmaier in der FABRIK und koordiniert alle Tätigkeiten und Initiativen in der Flüchtlingshilfe. Die studierte Umwelt­ wissenschaftlerin, Jahrgang 1990, hat bereits in ­einem Praktikum beim Biosphärengebiet Südschwarzwald Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Partnern und bei der Koordination vielfältiger Tätigkeiten sammeln können. Sie hat sich schnell in die Patenschaft mit St. Christoph eingearbeitet und baut das entstehende Netzwerk in der FABRIK, im Stadtteil und mit anderen Engagierten in der Flüchtlingshilfe weiter aus. Jeanette arbeitet im Rahmen einer 450 EuroStelle, die von verschiedenen Betrieben aus der FABRIK und einer Krankengymnastik-Praxis im Stadtteil finanziert wird. „Für mich ist diese Stelle eine sinnvolle und schöne Aufgabe, mit der ich auch die Zeit zwischen Studium und ­Promotion über­ brücken kann. Es gibt ein gutes Gefühl mitzuerleben, dass die eigene Arbeit dazu beiträgt, das Leben von Menschen, die alles verloren haben, zu verbessern oder in gewisser Weise leichter zu machen.“ sagt Jeanette Bihlmaier.

Nachrichten

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

Schlichte Kiste mit faustischer Kraft: Mephisto G16 +

Pressesprecher Rudolf-Werner Dreier überreicht als ersten Preis den Preis des Rektors der Universität Freiburg an das Duo Chamäleon.

Blockheizkraft in 3. Generation

Kleinkunstpreis für Studierende

Die FABRIK nimmt ein neues Blockheizkraftwerk in Betrieb Seit 24. November 2015 versorgt ein neues Blockheizkraftwerk im Keller des Hauptgebäudes die FABRIK mit Strom und Wärme. Das erste BHKW der FABRIK – es war auch Freiburgs erstes BHKW überhaupt – hatte die ­FABRIK 1987 installiert, ein Prototyp, entwickelt von der damals noch in der FABRIK beheimateten Firma Energossa. Zu jener Zeit musste man das Prinzip der KraftWärme-Kopplung vielen noch erklären, heute ist es zum Glück den meisten hinlänglich bekannt. 12 Jahre später folgten, nun schon serienmäßig gebaut, zwei Senertec-“Dachse“. Die ersten fünf Jahre in Regie der Fa. Enersys aus Donaueschingen, dann in der Hand des FABRIK-Vereins liefen diese beiden Kleinkraftwerke stolze 16 Jahre lang und produzierten in dieser Zeit rund 1.000.000 kWh Strom, sowie das gut Zweifache an Wärme. Jetzt also die dritte Generation: dieses Mal ein ­„Mephisto G16 +“, gebaut von der Fa. kraftwerk (1996 von Elektrotechnikern und Maschinenbauern gegründet, heute 30 MitarbeiterInnen, Teil des ökologischen Gewerbehofs Hannover-Linden) und installiert von der Fa. Enertec aus Bahlingen („Ener-“ zum Dritten ...). Das neue BHKW ist um 40 % leistungsstärker als das Vorgängermodell, mit Brennwerttechnik ausgestattet und also noch ein bißchen ökologischer als das alte. Bei „bescheidenen“ Kosten von rund 40.000 EUR, die sich in wenigen Jahren amortisieren werden, stellt sich nur die Frage, warum solche dezentralen Blockheizkraftwerke nicht längst flächendeckend die Nummer Eins der ­Energieversorgung ausmachen.

Wettbewerb 2015 und Preisverleihung

Nach dem erfolgreichen Auftakt im letzten Jahr haben das Studierendenwerk Freiburg, das Vorderhaus und die Universität Freiburg zum zweiten Mal den „Freiburger Kleinkunstpreis für Studierende“ ausgelobt. Egal, ob Dichter, Rapper, Sänger, Kabarettisten, Zauberer oder Pantomimen, alle „kleinkünstlerisch tätigen Studierenden“ unter 30 konnten sich bewerben. Der Wettbewerbsabend mit anschließender Preisverleihung fand am 15. November auf der Bühne des Vorderhauses statt. Fünf Finalisten aus den Genres Comedy, Akrobatik und a cappella präsentierten sich und hatten jeweils 15 Minuten Zeit, die Jury und das Publikum für sich zu gewinnen. Mit viel Witz führte Simon Waldenspuhl das lebhafte Publikum durch den Abend. Trotz starker Konkurrenz war das Ergebnis am Schluss eindeutig. Das Duo Chamäleon (Johannes Berning und Johannes Jäck) überzeugte die Jury und das Publikum durch Bühnenpräsenz, musikalische Vielfalt und kabarettistisches Entertainment, gewann den ersten Preis (500 €) sowie den Publikumspreis. Besonders bemerkenswert war hierbei, dass das Duo kurzfristig für die krankheitsbedingt ausgefallene A-cappella-Gruppe einsprang und dennoch ein Gewinnerprogramm präsentierte. Der zweite Platz (300 €) ging an Fabian Bürkin. Mit überzeugender Mimik und Gestik und der Hilfe einer Schirmmütze spielte er die verschiedenen Charaktere einer humorvollen Version der Homer-Sage Zeus und Europa. Die Akrobatikaufführung „Emptyful“ erhielt den dritten Preis (200€). Miriam Kustermann und ihr Partner Julien zeigten eine spielerische Handstand-Nummer und nutzten die Bühne des Vorderhauses auf allen Ebenen bis an die Grenzen aus. Keinen Preis, aber viel Applaus gab es für Julian Limberger und Lars Lenius für ihre Comedy Acts. In der Jury saßen in diesem Jahr neben Vertretern vom Studierenden­ werk, der Universität und vom Vorderhaus auch die Studentin Laura Drzymalla von der Slam-Bühne in der MensaBar und mit SWR3-­ Comedian Andreas Müller sogar ein echter Bühnen-Profi. Die Gewinner/ innen erwartet zusätzlich noch ein Folgeauftritt in der MensaBar. 7

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016Nachrichten

So strahlen Siegerinnen: Ute Derksen

Zwei von zahlreichen Organisationen und Initiativen, die in Freiburg Flüchtlingen helfen

Meisterlich ...

FABRIK-Jahresspende

... auf zwei Rädern

Über Titel und sportliche Erfolge haben wir ja schon öfters berichtet. Da gab es selbstorganisierte Fußballturniere, Betriebs-Boulemeisterschaften oder gar einen Breakdance-Weltmeistertitel. Hier soll es um einen Titel gehen, den es ungerechterweise gar nicht gibt, nämlich den der Meisterin im Motorradgeschicklichkeitsfahren. In diesem Wettbewerb gibt es zwar Jugendtitel, Mannschaftstitel und Erwachsenentitel, aber dass Ute Derksen vom Motorradclub Weingarten weit und breit, nämlich in Südbaden und beim Bundes-Endlauf, jeweils die beste Dame war, das muss dann doch auch mal erzählt werden. Wenn es sich schon auf keiner Siegerliste findet. Es gab zwar einen Pokal für Ute als beste Fahrerin, aber ansonsten bisher keine öffentlich wahrnehmbare Wertschätzung. Und das im Motorsport, der wie keine andere Sportart von Zahlen, Tabellen, Pole Positions, schnellsten Runden und Sektoren­ zeiten lebt. Was daran liegen könnte, dass beim Veranstalter des Wettbewerbs wohl eher die älteren Herren den Ton angeben. Beim Geburtstagsfest der Weingärtner gab es deshalb von der FABRIK ein Extra-Geschenk, zum Anlass passend einen Liter Motorenöl. Das gute 5W-40 und damit ganzjährig und für jeden Motorradmotor verwendbar. Also, Ute, nochmal herzlichen Glückwunsch. Und nächstes Jahr wirst Du einfach die Allererste von Allen!

8

Die FABRIK unterstützt zwei Flüchtlingshilfe-Initiativen

Es lag dieses Jahr nahe, dass die Mitgliederversammlung des FABRIKVereins ihre jährliche Spende an Organisationen vergeben würde, die sich in Freiburg zu Gunsten von Flüchtlingen engagieren. So beschloss die MV am 7. ­Dezember 2015, die „Initiative | SCHLÜSSELMENSCH e.V.“ und das „fz * – ­feministische zentrum freiburg e.V.“ jeweils mit 1.000 € zu unter­ stützen. Die „Initiative | SCHLÜSSELMENSCH“ setzt sich seit 2011 für Flüchtlinge in Freiburg ein. Kern der Arbeit ist die Vermittlung von Patenschaften zwischen jungen Menschen, meist Studierenden, und Kindern bzw. Jugendlichen, die im Flüchtlingsheim St. Christoph leben. Über die aktuell 70 Patenschaften hinaus organisiert der Verein regelmäßige Sport- und Freizeit­aktivitäten wie z.B. Schwimmunterricht. Das feministische zentrum freiburg, kurz: fz*, ist ein Ort für feministischen Aktivismus und Austausch, für feministische Politik und Kultur, für feministisches Leben und Zusammensein. Im Rahmen der Flüchtlingshilfe bietet das Zentrum Unterstützung für geflüchtete Frauen_Lesben_ Trans_Inter und queere Menschen an. Aktuell wird ein unabhängiger Frauenraum für geflüchtete Frauen aus der Erstaufnahmestelle geschaffen.

➔ ➔

initiative-schluesselmensch.org fz-freiburg.de

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

Hinkley Point

Säckeweise wurde der Protest aus dem Foyer der Katholischen Akademie Freiburg auf den wartenden Laster geschafft. Mit angepackt haben Jochen Stay, ­.ausgestrahlt, Sebastian Sladek, EWS, Thomas ­Jorberg, GLS-Bank und Reinhard Uhrig, Global 2000/Österreich (v.l.n.r.)

180.000 Beschwerden gegen AKW-Neubau Hinkley Point Im letzten FABRIKRundbrief haben wir über die britischen Pläne zum Neubau des AKW ­Hinkley Point C berichtet. Nach einer durch die EWS ­Schönau ­angestoßenen ­Kampagne sendeten zehntausende Bürger Beschwerde­schreiben gegen die Subventionierung des ­geplanten AKWs an die EU-Kommission.

Rund 180.000 Menschen haben gegen die Subventionierung eines neuen Atomreaktors in Großbritannien protestiert. Auf Initiative der Elektrizitätswerke Schönau (EWS) reichten Bürgerinnen und Bürger aus ganz Europa und 30 Umweltverbände offiziell Beschwerde ein. „Hinkley Point C ist die Blaupause für eine europäische Atom­renaissance“, so Sebastian Sladek, Geschäftsführer der Elektrizitätswerke Schönau. „Obwohl die milliardenschweren Atomsubventionen gegen geltendes EU-Recht verstoßen, billigt die EU-Kommission die Förderung des vollkommen unwirtschaftlichen AKWs. Gemeinsam mit 180.000 Bürger­innen und Bürgern erhöhen wir nun den politischen Druck auf die Kommission und zeigen damit neuen AKWs in Europa die Rote Karte.“ „Die immensen und offensichtlich notwendigen Subventionen für den Reaktorneubau in Hinkley Point zeigen eindeutig, dass der Neubau von Atomkraftwerken im Vergleich zum Ausbau der Erneuerbaren vollkommen unwirtschaftlich

ist“, so Thomas Jorberg, Vorstand der GLS Bank und Aufsichtsratsvorsitzender der Netzkauf EWS eG. „Die Beschwerdeflut setzt ein klares Signal gegen den Ausbau der Atomenergie und für eine nachhaltige und kooperative Energiepolitik in Europa.“ „Während noch viele in Deutschland an die Unumkehrbarkeit des Atomausstiegs glauben, wird in Brüssel im Rahmen der Energie-Union massiv an einem Rollback der Atom­energie gearbeitet“, so Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt, die eben­falls die Beschwerde unterstützt. „Hinkley Point C öffnet weiteren AKW-Neubauten in Europa Tür und Tor. Deshalb freue ich mich, wenn 180.000 ­Beschwerden in der EU-Kommission nun klarmachen: Nicht mit uns!“ Selbst innerhalb der EU-Kommission ist die Bewilligung hoch umstritten. Aufgrund der hohen politischen Brisanz ver­weigerte das zuständige Wettbewerbskommissariat in Brüssel die persönliche Entgegen­nahme mit den Worten: „Wir lassen uns doch nicht öffentlich durch den Kakao ziehen!“. ­Daher wurden Ende November die 179.065 Beschwerdeschreiben in 80 Postsäcken ­ mit 1,8 Tonnen Gewicht in Freiburg auf Laster verladen und per Post nach Brüssel ­geschickt.

9

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016FABRIK-Flüchtlingshilfe

In kurzer Zeit produzierten sechs männliche Flüchtlinge in der FABRIK-Küche eine enorme Menge an Weihnachtsgebäck. – Bei der Stadtführung diskutierte die ­syrische Gruppe lange über die Qualität des Sandsteins im Vergleich von Freiburg und Aleppo, war sich aber einig, dass das Freiburger Münster wunderschön ist.

Nicht zuschauen, tätig werden! In der FABRIK hat sich ein vielfältiges Engagement für Flüchtlinge entwickelt, getragen von den Betrieben und vielen Einzelnen. Marion Klötzer berichtet davon.

V

Flüchtlinge können sich in der Fahrradwerkstatt der ­FABRIK ­geschenkte Fahrräder herrichten

10

on der Flüchtlingskatastrophe ist zur Zeit überall die Rede – ihre Opfer sind aber nicht die Millionen von Menschen, die alles verloren haben und versuchen ihr Leben zu retten – nein, die Schäublesche Lawine überrollt uns, die wir in warmen Wohnzimmern vor dem Fernseher sitzen und Politikern beim Zündeln und Taktieren zusehen: Das Asylrecht – ausgehöhlt, Waffenexporte – auf Höchststand, Unterkünfte brennen, in Sachsen kriegen Flüchtlingshelfer schon aufs Maul. Da hilft nur eins: Was machen! Eine beeindruckende Gegenbewegung formiert sich da in den letzten Monaten: Ein Strom der Empathie und Hilfsbereitschaft, ein breites Solidaritätsbündnis quer durch Generationen und Schichten. Gepackt wurden davon auch die Leute von der FABRIK. Das ist nicht neu: Seit vielen Jahren unterstützt die vielfach ausgezeichnete Hilfsorganisation AMICA e.V. Frauen und Mädchen in Krisenregionen und Nachkriegsgebieten. Bis der hier initiierte Vorläuferverein „Bosnienhilfe“ flügge wurde, stand ihm die FABRIK mit Rat und Tat, Geld und Infrastruktur zur Seite. In der Folge arbeiteten Menschen, die vor dem Balkankrieg geflohen waren, immer wieder in den hauseigenen Betrieben, der Punkt „Hilfe für bedürftige Personen“ ist schon lange in die Vereinssatzung aufgenommen. Schon im Mai letzten Jahres organisierte die FABRIK zusammen mit dem Bürgerverein Herdern und der Freiburger Bürgerstiftung ein Willkommensfest für die Flüchtlinge aus dem Schlangenweg. Irgendwann aber machten sich Zehntausende auf den Weg über die Balkanroute, die Bilder von den dramatischen Ereignissen am Budapester Bahnhof brannten sich ins kollektive Gedächtnis. Die Botschaft: Wir sind da, wir brauchen eure Hilfe! „Viele Leute, die unbedingt was machen wollten“ lässt sich auch die Stimmung der ersten FABRIK-Sitzung zum Thema Flüchtlinge zusammenfassen. Die Patenschaft

FABRIK-Flüchtlingshilfe

für das Flüchtlingsheim St. Christoph wird beschlossen, hier hat die FABRIK seit vielen Jahren Kontakt über Ex-Kita-Mutter und Sozialarbeiterin Doris Hoffmann. Beim ersten Treffen des wiederbelebten Freundeskreises auf St. Christoph im Oktober sitzen dann rund dreißig ganz unterschiedliche Menschen gemeinsam am Tisch, stecken voller Tatendrang, die Ideen sprudeln. „Das war wie früher zu Bürgerinitiativ-Zeiten – alle ziehen an einem Strang, unabhängig von Parteipolitik“, erzählt ­Martin Wiedemann. Das Ergebnis: Man will sich lokal und direkt engagieren, lange Wege für Unterstützer und Geflüchtete vermeiden. Trotzdem wird schnell klar, dass eine lebendige Patenschaft nur mittels kontinuierlicher Kommunikation funktionieren kann. Eine Aufgabe, die das Zeitbudget von Betrieben und Privatpersonen sprengt ... Ein Problem, das derzeit fast alle Institutionen und Vereine kennen: Unzählige Anfragen, Spenden- und Hilfsangebote landen auf ihren Schreibtischen, noch steckt die Infrastruktur dafür in den Kinderschuhen. Dauert die Antwort mit konkreten Einsatzmöglichkeiten zu lange oder bleibt gar aus, verpufft diese dringlich gebrauchte Unterstützung ungenützt. Wie aber Ehrenamtliche und Flüchtlinge sinnvoll zusammenbringen, wenn schon die Organisation des Nötigsten alle Zeit beansprucht? – Man kann die folgende FABRIKEntscheidung nicht positiv genug einschätzen: Die Betriebe legen zusammen und schaffen eine 450 Euro-Stelle. Seit 1. November laufen bei Jeanette Bihlmaier die Fäden zwischen Ehrenamtlichen, FABRIK und Flüchtlingsheim zusammen – in kurzer Zeit konnte sie schon erstaunlich viele Projekte und Aktionen begleiten. „Sehr schön und positiv“ erlebt die 25-Jährige ihre Arbeit „mit Gleichgesinnten“. Sie hat gerade ihr Studium mit dem Master in Umweltwissenschaften abgeschlossen und plant die Promotion. Jeden Tag bekommt sie nun Emails und Anrufe von motivierten Menschen, je konkreter die Angebote, umso besser kann sie vermitteln. „Es ist interessant, in wenigen Wochen hat sich schon viel verändert: Deutschkurse haben für die Flüchtlinge nicht mehr oberste Priorität, der Bedarf scheint erst einmal abgedeckt. Groß aber ist das Bedürfnis nach Anschluss und Kontakt“, so ihre Erfahrungen. Dabei kann ein Stück geteilter Alltag vieles sein: Ein Bummel über den Münstermarkt, eine Stadtführung, eine Schachpartie oder Tischkickerrunde, jemanden in eine Ausstellung mitnehmen, zum Fußballglotzen oder mit seiner Familie auf den Spielplatz einladen. – Alltags- und Freizeitaktivitäten eben, die einen Geflüchteten zum Mitbürger und zur Mitbürgerin machen, die einen Newcomer eine fremde Kultur erst verstehen lassen und das Ankommen erleichtern. Jeanette Bihlmaier teilt diese Angebote dann Doris Hoffmann vom St. Christoph mit – die überlegt, ob und wie sie umsetzbar sind und sucht die passenden Interessenten. So entsteht ein Netzwerk aus einmaligen Aktionen und längerfristigen Projekten, aus Begegnungen und Ansprechpartnern, vielleicht sogar aus neuen Freunden ... So kam es zu einer großen Plätzchen-Backaktion in der FABRIK-­Küche, viele aus dem Flüchtlingsheim waren begeistert von dieser Idee. Zum Einsatz kam das Backwerk dann beim WeihnachtsLichterfest, das die Eltern und Schüler vom Droste-Gymnasium auf St. Christoph organisiert haben: Die Lehrerschaft ist mit im

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

BAGAGE hat schon erste Entwürfe für den Spielplatz gezeichnet, den sie zusammen mit den Flüchtlingen beim neuen Wohnheim im Hochdorfer Gewerbegebiet gestalten und bauen wollen.

Freundeskreis, die FABRIK unterstützte das Event mit ihrem FestEquipment. Und auch die Liste geplanter Aktionen der FABRIK- Betriebe kann sich sehen lassen: BAGAGE ist derzeit mit der Stadt im Gespräch, beim Containercamp im Gewerbegebiet Hochdorf in einer 72-Stunden Aktion Anfang 2016 einen Spielplatz mit vielen Bewegungsmöglichkeiten zu schaffen. Das Material ist Spende, gearbeitet wird mit Bewohnern und Ehrenamtlichen gemeinsam. Parallel sammelt BAGAGE unter dem Motto „Ein Stuhl ist kein Stuhl, wenn niemand darauf sitzt“ Kinder- und Erwachsenenstühle für das geplante Begegnungscafé im Neubau von St. Christoph, jeder Stuhl wird künstlerisch „upgecycelt“ und ist am Ende ein Einzelstück. Und auch die Fahrradwerkstatt sammelt – natürlich Fahrräder: Wöchentlich werden zwei davon zusammen mit ihren neuen Besitzern wieder flott gemacht. Die Schreinerei wird ein Projekt für Flüchtlinge und Ehrenamtliche anbieten, bei dem Holzspielgeräte gebaut werden. Und das Vorderhaus kooperiert mit dem Theater Freiburg: Am 24. Januar werden Georg Schramm und Matthias Deutschmann einen „Kabarettistischen Abend für eine offene Gesellschaft“ im Großen Haus bestreiten. Der Abend ist auch als Dank für viele Ehrenamtliche und ihr Engagement gedacht, deswegen wird über die Träger ein Kontingent Karten zur Verfügung gestellt. Der Erlös des Abend fließt in die Flüchtlingspatenschaften des Theaters und der FABRIK. Hut ab!

11

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

St. Christoph

Nie vergessen: die Solidarität! Die FABRIK hat die Patenschaft für das Flüchtlingsheim St. Christoph übernommen. Marion Klötzer stellt das Heim und seine Leiterin Doris Hoffmann vor.

I

m Sommer hängen in der Hermann-Mitsch-Straße 13 immer viele Teppiche über dem Zaun, ansonsten kann man kaum glauben, dass hier draußen im Nirgendwo zwischen Messe, Recyclinghof und Sportflugplatz rund 230 Menschen leben, die meisten von ihnen als Familien. Dabei ist St. Christoph das zweitgrößte, städtische Flüchtlingsheim in Freiburg: Seit 1991 wohnen in den ehemaligen, zweistöckigen Kasernengebäude Asylbewerber aus fast zwanzig Nationen, lange Zeit waren es vor allem Roma aus der Balkanregion. Nachbarn gibt es hier keine, seit der IKEA-­ Eröffnung aber immerhin eine Bushaltestelle. Ansonsten verirrt sich selten jemand in dieses Dorf hinter der eleganten Messe. Es gibt wenige Orte in Freiburg, an denen einem die gerade vier Kilometer entfernte Innenstadt so sehr als Paralleluniversum erscheint ...

in „Satelliten“-Wohnungen im Stadtgebiet. Der Stellenschlüssel von 1:100 wird deutlich überschritten. St. Christoph ist auch das kinderreichste Wohnheim Freiburgs: 150 Minderjährige leben hier, die meisten schon seit vier bis fünf Jahren. In den letzten Wochen wurden alle Balkanländer als sichere Herkunftsländer eingestuft, nun haben die betroffenen Familien Sorge abgeschoben zu werden. Seit 2014 kam eine große Gruppe geflüchteter Familien aus Syrien, dem Irak, Eritrea und Nigeria dazu. „Wir brauchen jetzt zu jeder Sprechstunde einen ArabischDolmetscher“, erzählt Doris Hoffmann. Seit 1993 arbeitet die ausgebildete Sozialpädagogin in St. Christoph, doch gerade macht sie statt Sozial- vor allem Verwaltungsarbeit, schreibt Anträge, organisiert Arzttermine ... „Verwaltungsschritte abbauen!“, so auch ihr dringlicher Appell an die Politik, ist doch vor allem die

Der Neubau wirkt da mit seinen bunten Fassaden wie ein hoffnungsvoller Fremdkörper: Er beherbergt Wohnungen in unterschiedlichen Größen, den Verwaltungstrakt und Räume für Betreuungs- und Schulungsangebote. Noch steht auf dem Hof der Baufirmen-Fuhrpark, aber einige Wohnungen sind schon belegt, zeigt Doris Hoffmann vom Sozialdienst durch das Fenster ihres Büros. Demnächst werden sie und ihr Kollege auch in den Neubau ziehen, trotzdem entschuldigt sie sich für ihren voll gestapelten Schreibtisch – es ist furchtbar viel zu tun zur Zeit. Dazu sind sie seit längerem unterbesetzt, es fehlt eine Stelle, weil sich kein Bewerber findet – „der Markt ist leer“, so Hoffmann. Ist der Neubau voll belegt, ist der Sozialdienst hier für 310 Menschen zuständig, dazu kommt noch die Betreuung von 50 bis 60 Personen

Bürokratie schuld an den aktuellen, oft aberwitzigen Situationen: Zeltunterkünfte auf dem Mundenhof. Menschen, die monatelang in der Erstaufnahme geparkt werden, ohne das etwas passiert und die dann nur hin und her geschoben werden ... Umso wichtiger, in diesem kleinen Dorf weiterhin einen sinnvollen Tagesablauf zu gestalten, mit Begleitung, Beratung, Freizeitangeboten, Sprachkursen, Kinder- und Hausaufgabenbetreuung. „Da gibt´s noch soviel schöne Sachen, die ich machen möchte ...“ meint Hoffmann. So wie die Dschungelbuch-Ferienaktion mit Film und riesigen Pappmachéfiguren – der dicke Balu steht immer noch zwischen Kinderbibliothek und Spielzeugkisten im Besprechungsraum. Seit vielen Jahren leiten im St. Christoph auch ­Ehrenamtliche feste Angebote wie eine Mädchen-Tanzgruppe,

12

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

St. Christoph

Doris Hoffmann leitet seit 21 Jahren das Flüchtlingsheim St. Christoph. Fotos auf der linken Seite: In den alten Baracken leben derzeit rund 230 Menschen aus 20 Nationen. 80 weitere Menschen werden in diesen Tagen in den wesentlich freundlicheren Neubau einziehen.

Trommeln oder Fußball. Studierende bieten mit dem „Lese­karussell“ regelmäßige Leseförderung, der Verein „Schlüsselmensch“ ist kontinuierlich gewachsen und pflegt mittlerweile siebzig Patenschaften, nimmt seine Schützlinge mit zum Eisessen, Schwimmkurs oder Fußballtraining. All das sind wichtige Bausteine in punkto Förderung und gesellschaftlicher Teilhabe. Da ist die neue Patenschaft mit der FABRIK und dem ­wiederbelebten Freundeskreis St. Christoph eine große Hilfe: Viele Aktive des in den 90er Jahren gegründeten Freundeskreises sind mittlerweile in Rente – nun bekommt ihre Arbeit eine Zukunftsperspektive. „Mit der FABRIK haben wir einen verlässlichen Partner an unserer Seite, einen Partner, hinter dem viele Menschen stehen“, so Doris Hoffmann, die sich der FABRIK seit Jahrzehnten verbunden fühlt. Überhaupt findet Hoffmann das derzeitige Engagement toll: „Eine offene und hilfsbereite Gesellschaft – in so einer Gesellschaft will ich leben!“. Da ist es für alle Beteiligten doppelt frustrierend, wenn täglich Leute anrufen und sagen „Ich will mich engagieren“. Denn ehrenamtliche Hilfe funktioniert gerade nur mit viel Eigeninitiative. Umso wichtiger, dass Jeanette Bihlmaier nun mit der von den FABRIK-Betrieben geschaffenen 450 Euro-Stelle zuarbeiten kann: Sie beantwortet in ihren Bürozeiten die vielen Anfragen, konkretisiert die Hilfsbereitschaft zu Ideen und Aktionen, übernimmt deren Vermittlung und Koordination. Eine wichtige Unterstützung ist auch, dass die Schulgemeinschaft des ­Droste-Hülshoff-Gymnasiums die Aufgabe übernommen hat, Kleiderspenden zu sammeln und vorzusortieren. Und auch wenn Flüchtlinge umziehen und Möbel brauchen, hat Doris Hoffmann dort ihre Ansprechpartner. Ein besonderes Herzstück aber wird das Begegnungscafé im Neubau von St. Christoph, das im Januar 2016 starten soll: Ein lebendiger Treffpunkt von Stadtgesellschaft und Bewohnern soll es werden, ein Raum für Gespräche, Feste und Aktivitäten. Den Betrieb übernehmen Ehren­amtliche und Flüchtlinge gemeinsam, erst einmal wird an einem Tag in der Woche geöffnet. Die Caféstühle, die gerade von BAGAGE beim Samstagsmarkt vor der FABRIK gesammelt und dann künstlerisch umgearbeitet werden, hat Hoffmann noch gar nicht ­gesehen. Aber sie freut sich sehr darüber, genauso wie über all die anderen Projekte wie Plätzchenbacken, Stadtführungen oder Fahrradreparieren. - Große Aufgaben brauchen viele Menschen, die Ideen haben und anpacken ... Hier wird angepackt!



➔ ➔

„Ein Stuhl, auf dem niemand sitzt, ist kein Stuhl.“ — BAGAGE sammelt Kinder- und Erwachsenenstühle, jeden Samstag auf dem ­FABRIK-Wochenmarkt ¬ Dagmar Schulz-Stadelmann [email protected] „Ein Fahrrad, auf dem niemand fährt, ist kein Fahrrad.“ — Die Fahrradwerkstatt sammelt Fahrräder zum Reparieren ¬ Ally Dolle [email protected] Koordinationsstelle der ­FABRIK-Flüchtlingshilfe ¬ Jeannette Bihlmaier [email protected] Tel. 0761/ 50365-30 Bürozeiten: Di+Do 13-17 h

Marion Klötzer ist freischaffende Journalistin und Autorin. Sie lebt in Freiburg.

13

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016Nachbarschaft

Leben gut als Wohngemeinschaft zusammen: Helen mit Betelihen, Zahaa, Salah mit Ammar und Salomon (von links nach rechts)

Eine WG der besonderen Art Ein Bericht von Susanne Merkwitz Gleich um die Ecke der FABRIK leben zwei Flüchtlingsfamilien zusammen, die ­unterschied­licher kaum sein könnten – und trotzdem bestens miteinander ­auskommen. Wir durften sie in ihrem Zuhause besuchen.

14

W

ie können Menschen aus völlig verschiedenen Kulturkreisen im Alltag zusammenfinden? Kann es unter den aktuellen Bedingungen klappen, das konfliktfreie und respektvolle Miteinander von Muslimen und Christen? Was, wenn es sich zudem um Menschen handelt, die Schlimmes erlebt und alles verloren haben? Seitdem Flüchtlinge in großer Zahl nach Deutschland kommen, wird diese Frage in der Öffentlichkeit viel diskutiert, inklusive düsterer Prognosen, sorgenvoller Analysen und dumpfer Befürchtungen. Da ist es schön zu sehen, wie einfach es im Alltag gehen kann. Zum Beispiel direkt um die Ecke der FABRIK. Wer das Gelände durch den Hinterhof verlässt, steht nach wenigen Schritten vor einem nicht sonderlich ansehnlichen Mehrfamilienhaus, in dem Flüchtlingsfamilien untergebracht sind. Hier hat sich eine ganz besondere WG zusammengefunden: In einer der etwas größeren Wohnungen leben eine christliche Familie aus Eritrea und eine muslimische aus Syrien zusammen – nicht etwa, weil dies von Amts wegen angeordnet wurde, sondern auf eigenen Wunsch.

Nachbarschaft

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

Kennengelernt haben sie sich in einem Wohnheim in der Kaiserstuhlstraße. Den ersten Schritt haben dabei die Frauen getan: „Ich habe Helen öfter auf einer Treppe sitzen sehen und habe sie gleich gemocht“, erzählt Zahaa, die Frau des syrischen Ehepaares. Dass Helen und ihr Mann Salomon aus Eritrea stammten, spielte für sie keine Rolle. Die beiden Frauen lernten sich kennen und waren sich tatsächlich sympathisch, bald wuchs auch zwischen ihren Ehemännern eine Freundschaft. „Dann hörten wir, dass in der Okenstraße eine Wohnung frei wird, wir die aber nicht haben können, weil sie zu groß für uns ist. Da kam uns die Idee, die Wohnung zusammen mit unseren Freunden aus Eritrea zu beziehen“, erzählt Zahaas Ehemann Salah.

Wenn sie über ihr verlorenes Leben in Syrien sprechen, werden Salah und Zahaa wehmütig. „Uns fehlen unsere Freunde, das Essen und die Atmosphäre dort; bei uns ist es so, dass alle Familien in einer Straße sich gut kennen und viel miteinander zu tun haben“, erzählt Salah. An das deutsche Wetter haben sie sich auch noch nicht so recht gewöhnt. „Wenn Syrien ein demokratischer Staat wäre, würden wir gerne dort leben“, stellt Zahaa klar. Da dies nicht in Aussicht steht, nehmen die beiden ihr Leben in Deutschland in die Hand. Ihre Träume? Salah würde am liebsten studieren, das hätte er in Syrien schon gerne getan, als konkreten Berufswunsch hat er sich aber erst einmal Krankenpfleger überlegt, seine Frau möchte Erzieherin werden.

Das Experiment wurde ermöglicht und nun leben sie zusammen: Salomon, Helen und die neugeborene Betelihen aus Eritrea sowie Salah mit Frau Zahaa und ihrem kleinen Sohn Ammar, bald werden Zwillinge auf die Welt kommen. Bei einem Besuch der beiden Familien fällt als erstes die ruhige und gelassene Atmosphäre in ihrem Zuhause auf. Trotz der einfachen Ausstattung wirkt die Wohnung gemütlich, auf dem Küchentisch steht selbstgebackener Blechkuchen mit Mandelblättchen, auf dem Herd kocht aufregend duftendes Essen vor sich hin. Stühle werden zusammengeholt, alle versammeln sich samt Kindern in einem Raum und erzählen bereitwillig von ihrem Leben.

Und wonach haben Helen und Salomon Sehnsucht? Plagt sie das Heimweh? Auf diese Frage können die beiden keine Antwort geben – weil sie sie schlicht nicht verstehen. Helen wurde ­– wie alle Frauen in ihrem Land – mit 16 zu einem fünfjährigen Militärdienst eingezogen, in dieser Zeit wurde eine ihre Hände zerschossen. Zudem war sie von familiären Erfahrungen abgeschnitten, sodass sie heute wenig über Dinge wie Kochen oder Babypflege weiß; sie ist froh, dass Zahaa ihr beim ersten Kind zur Seite steht. Auch Salomon kann der Zeit in seinem Land nicht nachtrauern: „Außer dem Militärdienst habe ich nur die Arbeit als Straßenarbeiter kennengelernt, wir wurden sehr schlecht behandelt“, erzählt er.

Wie es ist, trotz unterschiedlicher Religionen den Alltag zu teilen? Salomon und sein syrischer Freund sitzen nebeneinander auf dem Sofa und diskutieren die Frage kurz. „Wenn Salah dem falschen Glauben anhängt, wird mein Gott ihn bestrafen, wenn ich dem falschen Glauben anhänge, wird sein Gott mich bestrafen“, erklärt Salomon – und dann lächeln die beiden Männer breit und scheinen sehr zufrieden, das Problem damit abgehandelt zu haben. Sie seien Freunde, Religion ließen sie dabei außen vor, setzt Salah auseinander. Wenn besondere Feste wie das muslimische Bayram oder das christliche Weihnachten anstehen, lädt man sich gegenseitig zum Essen ein und begeht den besonderen Tag miteinander. „Bevor wir zusammengezogen sind, hatte ich keine Ahnung von christlichen Ritualen, alles, was ich darüber weiß, habe ich von Salomon erfahren“, sagt Salah. Er freut sich auf die große Feier, die fällig wird, wenn seine Zwillinge auf die Welt kommen. „Dann werden wir zwei Schafe schlachten, für jedes Kind eines. Wichtig ist, dieses Essen mit vielen anderen Menschen zu teilen“, erklärt seine Frau. Im Hier und Jetzt setzen die Sechs auf das, was sie verbindet: Die beiden Männer besuchen täglich gemeinsam einen Deutschkurs, gehen zusammen aus, zum Beispiel zum syrischen Abend. Die beiden Frauen tauschen sich über die Details der Babypflege aus, schenken sich selbst gebackenes Brot. Wie weit die Lebens- und Denkwelten der beiden Familien eigentlich auseinanderliegen, zeigt sich erst, wenn es um Vergangenheit und Zukunft geht.

Sich ein schönes Leben zu erträumen, ihren persönlichen Interessen nachzuspüren –­ soweit ist das Paar noch nicht. Im Moment sind sie erfüllt von der Erleichterung, den Zuständen in ihrem Land entronnen zu sein und dem Wunsch, nicht dorthin zurückkehren zu müssen. Arbeiten möchten sie auf jeden Fall gerne, das steht für sie fest. „Mir ist langweilig, ich möchte etwas tun – was, ist mir erst mal egal“, sagt Salomon. Es ist zu spüren, dass er froh ist, Anschluss zum zielstrebigen Salah gefunden zu haben, der ihm dabei hilft, sich im deutschen Alltag besser zurechtzufinden. Beide Familien haben sich mit der Situation arrangiert und dürfen hoffen: ihre Aussichten, bleiben und bald auch arbeiten zu dürfen, sind gut. Und so herrscht eine stille Zufriedenheit in der christlich-muslimischen Muster-WG. Die Sechs haben im Kleinen eine ganz einfache Antwort auf die Frage gefunden, wie man religiöse, soziale und kulturelle Unterschiede bewältigt: indem man auf das Verbindende blickt. Susanne Merkwitz ist freie Journalistin und Textchefin in Freiburg

15

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016AMICA

Geteilter Zorn In Jordaniens Hauptstadt Amman veranstaltete AMICA eine Konferenz über Rechte für Frauen in Krisenregionen. Ein Bericht von Gabriele Michel

A

mman, die Hauptstadt des Königreichs Jordanien, ist derzeit der Ruhepol in der Region. Hier führen der amerikanische Außenminister Kerry und Palästinenserpräsident Abbas ihre Friedensgespräche, hier treffen sich Nichtregierungsorganisationen, die im Nahen Osten arbeiten, nach Amman flüchten auch ehemalige Mitglieder von Baschar al-Assads Geheimpolizei, die ausgestiegen sind. Dabei ist die Stadt mit ihren 2,3 Millionen Einwohnern alles andere als ruhig und gemächlich: Stundenlanges Taxifahren im Stau vermittelt eher das Gefühl, aufgesogen zu werden von diesem Brodeln aus Menschen, Häusern und hupenden Autos, es ist laut, voll, chaotisch – und doch entspannt. Kein Park, kein Fluss, nirgends Grün – aber sie wirken freundlich, die zahllosen, eng aneinander gebauten Sandsteinhäuser, die in der Ferne hell gen unendlich ansteigen. Und wenn der Muezzin in der Morgen- und Abenddämmerung seinen Ruf über die Stadt schickt, öffnet sie sich dem Himmel entgegen. Auch für unsere Konferenz zum Londoner Protokoll, die wir zusammen mit unserer jordanischen Partnerorganisation Mizan for Law – Recht im Gleichgewicht – veranstal-

Blick in den Konferenzraum in Amman

16

ten, ist Amman der richtige Ort. Weil hier Fachleute aus der arabischen Welt gefahrlos hinreisen können. Dennoch erschien mir die Liste der Teilnehmer und Teilnehmerinnen während der Planung mitunter wie ein Wahnwitz: Ägypten, Nord-Irak, Jemen, Jordanien, Kurdistan, Libyen, Libanon, Syrien, Westjordanland. Bei jedem der Namen, außer unserem Gastgeberland Jordanien, sah ich brennende Häuser vor mir, zerbombte Städte, Verwundete, Tote. Als die gut 50 Frauen und Männer in dem großen Konferenzsaal versammelt sind, verschwinden die Bilder. Stattdessen erfüllt ein Wuseln unterschiedlichster Menschen, Farben, Stimmen und Temperamenten den Raum. Farbintensive Jalabiyas und gedeckt-gediegene Anzüge, Kopftuch und High Heels, Rasta-Locken und Epauletten-Uniformen, schon die Outfits machen deutlich, dass hier Welten aufeinandertreffen. Und das bei jedem Podium, jeder Diskussion, jedem Workshop aufs Neue. Lamya Jabrin zum Beispiel, die in der Westbank als Menschenrechtsaktivistin und Expertin für „Schutz von Frauen unter internationalen Gesetzen“ arbeitet, könnte, so wie sie konzentriert, quasi auf der Stuhlkante sitzend der Diskussion folgt, auch eine deutsche Aktivistin sein. Doch wenn Lamya zum Mikro greift, packt sie eine ganz eigene Energie. Sie spricht nicht einfach, sondern jagt mit atemloser Dringlichkeit von Argument zu Argument. Die Enttäuschung und Erbitterung über den fruchtlosen jahrzehntelangen Kampf

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

AMICA

Blick auf Amman mit Rhagadan-Fahnenmast

gegen die Besetzung der Israelis verdichten sich in ihren Beiträgen zu einem sprachlichen Feuerwerk. Faszinierend, überzeugend – aber auch bestürzend. Die Übersetzerin, die an diesen Tagen unerschrocken auch lange und heftige Wortmeldungen meistert, verlässt bei Lamyas Beiträgen mehrfach kopfschüttelnd ihre Kabine: Sie spricht zu schnell! Shwan Saber, Vorsitzender des „Justice Network for Prisoners“ und mehrerer anderer NGOs in Nordirak, hat eine ganz andere Art, seinen Anliegen Nachdruck zu verleihen. Der auf den ersten Blick eher gemütlich wirkende Menschenrechtler spricht zwar bedächtig – aber mit explosiver Ironie: „Wenn man nichts unternehmen will, bildet man ein Komitee oder man bittet die UN, sich darum zu kümmern. Warum dauern die Beschlüsse bei den Vereinten Nationen so unendlich lang? Sie beginnen mit einer Konvention, dann sprechen sie über diese Konvention und so geht es ewig weiter.“ Man hört nach jedem Satz ein Ausrufezeichen, zähneknirschenden Zorn. In der Tat macht Saber auf einen grundsätzlichen Missstand aufmerksam, der in diesen Tagen immer wieder diskutiert wird: dass viele Beschlüsse und Entscheidungen auf höchster politischer Ebene nicht dort ankommen, wo sie am meisten gebraucht werden in diesen Tagen. Die UN-Resolution 1325 beispielsweise, die sich für „Frauen, Frieden und Sicherheit“ starkmacht, hat weder die Jesidinnen vor dem Terror des IS bewahrt, noch schützt sie die Frauen in Syrien vor den Verheerungen des Bürgerkriegs. Shwan Saber wurde selbst als Jurist wegen kritischer Stellungnahmen 2014 in Erbil inhaftiert. Er kam zwar gegen eine Kaution wieder frei, die Anklage wurde jedoch nicht aufgehoben. Vorsichtig oder gar ängstlich ist er dadurch allerdings nicht geworden. Im Gegenteil – Shwan Saber hat es eindeutig satt, beschwichtigt, vertröstet, belogen zu werden. Die heftigsten, aufrüttelndsten Statements kommen in diesen Tagen allerdings von Frauen. Frauen wie Nisreen Ahmeer.Die junge Juristin ist Leiterin des arabisch-europäischen Zentrums für Menschenrechte und Internationales Recht in Libyen und gehört zur jüngeren Generation der Konferenz teilnehmenden.



Die Konferenz in Amman Kriegsgewalt gegen Frauen beenden – unter diesem Motto stand im Jahr 2014 ein globales Gipfeltreffen in London. Dort wurde ein internationales Protokoll vorgestellt, das die Notwendigkeit ­hervorhebt, Beweise und ZeuginnenAussagen zu sexualisierter Gewalt in Kriegen zu sammeln und die Verbrechen zu dokumentieren. Weil die Einstufung von Vergewaltigung im Krieg als Kriegsverbrechen und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit nur so strafrechtlich ­verfolgt werden kann. Um dieses Protokoll in die Praxis um­ zusetzen, führt AMICA e.V. ein Projekt durch, in dem männliche und weibliche Juristen, Psychologen und Sozial­arbeiter im arabischen Raum beginnen, die Grundsätze des Protokolls von London für die eigene Praxis zu übersetzen und handlungsleitend zu machen. Dazu fand im Oktober 2015 ein Expertentreffen in Amman statt.

17

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016AMICA

Konferenz-Gruppenbild. In der vorderen Reihe die Vertreterinnen von AMICA e.V.: Heide Serra (ganz links), Gabriele Michel und Dagmar Ihlau (3. und 4. von links)

Das kopftuchgerahmte Gesicht fasziniert mit seiner blitzwachen Anmut – ihre Gestik, der ganze Körper strahlen Entschiedenheit aus, wenn sie berichtet, wie schwierig sich die Situation für Frauen in Libyen auch nach Gaddafis Tod und bis heute darstellt: Das muss sich ändern, das werden wir ändern! Die Wortmeldungen folgen nahtlos, manchmal auch aufgeregt aufeinander. Dass die Konferenzsprache Arabisch ist, erweist sich als gute Entscheidung. So können die, auf deren Arbeit und Erfahrungen dieses Projekt aufbaut, sich in ihrer eigenen Sprache, mit der ihnen eigenen Vitalität dem Thema nähern, Ergebnisse und Forderungen herausarbeiten. Dabei wird auch immer wieder deutlich, warum die Präsenz von Männern – rund ein Drittel der Teilnehmenden ist männlich – so wichtig ist. Durch ihren Respekt und ihre Diskretion verkörpern sie die Möglichkeit des gemeinsamen Arbeitens über die Geschlechtergrenzen hinweg – auch bei dieser Problematik. Und es wird deutlich, dass es bei dem Thema sexualisierte Gewalt nicht um Sexualität oder „Geschlechterkampf“ geht, sondern um eine Kriegswaffe und die Verletzung grundlegender Menschenrechte. Eine Waffe, die sich auch gegen Männer und Jungen richtet. Aber Frauen sind, wie die jordanische Journalistin Lima Nabeel in ihrem Schlussreferat auf beklemmende Weise anhand von zahlreichen Beispielen belegt, ungleich stärker betroffen. Eindrucksvoll ist auch, wie sachorientiert und fair diskutiert wird. Hier fällt niemand der oder dem anderen ins Wort. Keine Selbstdarstellungen, keine Eitelkeiten, keine ideologischen Hickhacks. Frauen und Männer, Christen und Muslime, Personen, die gewohnt sind, im Rampenlicht zu stehen und solche, die ihre ganze Energie in die Feldarbeit stecken, sie alle ringen um ein gemeinsames Ziel. Was an Spannung spürbar ist, sind Momente des Entsetzens, ist geteilter Zorn – und die Entschiedenheit, sich nicht beirren, nicht entmutigen, durch nichts und niemand von der selbstgesetzten Aufgabe abbringen zu lassen. Obwohl jede und jeder hier im Raum sehr wohl weiß, dass es schwer sein und einen langen Atem brauchen wird, um die Politik der Straflosigkeit zu beenden. Den langen Atem werden sie haben – und sofort mit der Arbeit beginnen: Noch in diesem Jahr sind Runde Tische in allen teilnehmenden Ländern vereinbart. Außer in Syrien und im Yemen. Bei diesen Zusammentreffen wird es darum gehen, das Londoner Protokoll auf die konkrete Situation in den einzelnen Ländern anzuwenden. Die länderspezifischen Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt 18

– die in Syrien ganz anders sind als beispielsweise im Westjordanland oder in Ägypten – sollen analysiert und ein Trainingsprogramm erarbeitet werden, mithilfe dessen Vertreter von Behörden und Nichtregierungsorganisationen für den Umgang mit Opfern sexualisierter Gewalt geschult werden. Woher nehmen die Frauen und Männer hier die Kraft und den Mut, so hartnäckig zu kämpfen? Sabah Hallak, seit 1985 Mitglied des syrischen Frauenverbands und in unzähligen Initiativen, Projekten, Forschungen und praktischen Trainings zur Verbesserung der Situation der Frauen in Syrien und in der Region aktiv, gibt am Ende der Konferenz eine Art Antwort: „Wir sollten uns durch Hoffnung leiten lassen. Anders können wir unsere Arbeit nicht tun.“ Beim Weg zum Flughafen nochmal ein Blick zum Rhagadan-Fahnenmast, der – mit 126,8 Metern der siebthöchste freistehende Mast der Welt – mitten in der Stadt aufragt. Stoßgebet, dass hier niemals die schwarze Fahne des IS aufgezogen wird! Gabriele Michel ist Vorstandsvorsitzende von AMICA e.V.



www.amica-ev.org Spendenkonto: IBAN: DE15 6809 0000 0002 1001 00 BIC: GENODE61FR1

Trauer um Stefanie

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

Stefanie Betz war von 1993 bis 2012 Erzieherin in der Kindertagesstätte. Verbunden war sie der FABRIK allerdings von ­Anfang an. Sei es als Sängerin verschiedener Freiburger Bands, die in den frühen 80-er Jahren im „Alten Saal“ auftraten, oder als Auszubildende bei network electronic. Sie pflegte viele Kontakte auf dem Gelände, auch jenseits der Kita und war, als ihr das Arbeiten schon nicht mehr möglich war, noch oft zu Besuch. Stellvertretend für uns alle denkt Gertrud Schröder vom „Friedlichen Drachen“ zurück an Stefanie.

Trauer um Stefanie Betz

* 18.04.1956 † 16.11.2015

Kennengelernt habe ich Stefanie erst, als sie nicht mehr in der FABRIK arbeiten konnte. Vorher blieb es bei Einladungen zum Training und den üblichen Hallos en passant. Ich erinnere mich noch gut an den Mittag im August 2012, ihren letzten Arbeitstag, als sie zu mir sagte: „Jetzt hab ich Zeit, mit Dir zu trainieren.“ Aus den wöchentlichen Trainingseinheiten entstand eine schöne Freundschaft und Verbundenheit. Wir entwickelten das Übungsprogramm den jeweiligen Möglich­keiten angepasst. Bei allen Vorführungen und größeren ­Veranstaltungen war sie dabei, und wir präsentierten unser Training. Was für ein großartiges Vorbild wurde sie durch diese Aktionen für viele Menschen aus meinem Kreis. Sätze wie „wissen, dass ich Geduld in den alltäglichen K ­ leinigkeiten bewahren kann“ und „Komplimente annehmen, aber auch mich abgrenzen können vor mitleidigem G ­ etue und trotzdem Verständnis für die Schwächen und Hilflosigkeit des Gegenübers haben“, hatten in ihrem ­Lebensalltag eine besondere Bedeutung. Durch Präsentationen auf meinen Seminaren in Deutschland und Österreich nahmen viele Menschen an ihrem Schicksal teil und bewunderten sie für ihre Stärke. Viele besondere Momente bleiben in Erinnerung wie z.B. Kinder aus meiner Gruppe, die Stefanie noch als Erzieherin erlebten. „Was für tolle Muffins hat sie für uns gebacken!“, „Wie lieb und geduldig sie immer war“ – mit diesen Kindern waren wir diesen Sommer in der Vaubanaise, um der WG und vor allem Stefanie unser Training vorzuführen. Belohnt wurden wir mit Gummibärchen, Bionade und Muffins, die eine Bewohnerin backte. Berührungsängste wurden schnell abgebaut. Oder als ich diesen Sommer einen Unfall hatte und mich selbst nicht mehr bewegen konnte, bekam ich eine sms von Stefanie „Wenn ich für Dich da sein kann, lass es mich wissen!“ Sie selbst konnte sich kaum mehr bewegen und kaum noch sprechen und doch war sie, solange es ihr möglich war, für mich und andere da, hörte zu und gab Impulse zum nachdenken. Und auch Zeit miteinander zu lachen hatten wir oft! Sie teilte für eine Weile auf eine besondere Weise Lebensmomente mit mir. Danke Stefanie ... Gertrud

19

FABRIK-Rundbrief |Winter 2015/2016Schreibwettbewerb

Die zehn besten Stories Wieder einmal wurden junge Autoren und Autorinnen für ihre Geschichten geehrt Wie wir im letzten FABRIK-Rundbrief schon berichtet hatten, wurde der „Schreibwettbewerb für Jugendliche 2015“ ausschließlich von Jugendlichen selbst gestaltet. Einige TeilnehmerInnen einer Schreibwerkstatt, die vom Literaturbüro organisiert worden war, dachten sich ein Thema aus. Sie bestimmten die grafische Darstellung des flyers und übernahmen zu guter Letzt auch die Jurorentätigkeit, das hieß lesen, bewerten, diskutieren. Zum Thema „grenzenlos“ wurden rund 70 Texte eingereicht, die aus Geschichten, Gedichten und Essays von Flüchtlingen, Vorurteilen, die Begrenztheit des grenzenlosen und einigem mehr beschäftigten. Die Jury, die aus sechs Jugendlichen bestand, hatte die schöne Aufgabe, die zehn besten Stories auszuwählen. In diesem Jahr waren sieben Mädchen und drei Jungen unter den ersten Zehn. Siegerin wurde Marie Frevert aus Freiburg, 16 Jahre alt, mit ihrer Geschichte „Nur ein Traum“. Sie handelt von einem Flüchtlingsjungen aus Syrien. Platz 2 belegte Marius Müller, 14 Jahre, mit einer Erzählung und Platz 3 ging an Caitlin Arnold, 14 Jahre, mit einem Gedicht. Auf Platz 4 landete Helena Köster, 17 Jahre, mit ihrem Gedicht „165 Wörter und 10 Buchstaben“. Sie nahm zum zweiten Mal am Schreibwettbewerb teil. Steen Willms reichte einen Roman­ auszug ein und war mit 13 Jahren der jüngste Schreibende unter den Preisträgern. Die Preisverleihung fand, wie im letzten Jahr schon, an einem Sonntagmittag im josfritzcafé statt. Die PreisträgerInnen kamen vollzählig mit ihren Familien und Freunden. Moderiert wurde die Veranstaltung zum wiederholten Male von dem Kabarettisten und Autor Jess Jochimsen, der es durch seine lockere Art verstand, den jungen Menschen etwas die Aufregung zu nehmen. Denn auf die Bühne mussten sie alle, um ihre Urkunden und Preise entgegen zu nehmen. Der Siegertext wurde traditionell vorgelesen und bei der Geschichte von Marie Frevert musste man schon die eine oder andere Träne wegwischen. Aber so soll es ja auch sein. Geschichten sollen bewegen und berühren, dann sind sie gut und werden, wie bei dieser Preisverleihung, auch prämiert.

20

Schreibwettbewerb

Nur ein Traum von Marie Frevert

Fünf Tage schon sind wir unterwegs. Wohin ich auch schaue, überall Wasser. Aneinander gepfercht wie Tiere siechen wir dahin, während das Boot, kaum eine Walnussschale, durch die endlose Wüste aus Wasser schaukelt. Meine Schwester liegt auf meinem Schoß, sie redet in einem Fiebertraum zu mir: „Komm Karim, lass uns etwas spielen. Die anderen Kinder sind schon draußen ... Riechst du das? Mama hat bestimmt wieder einen Kuchen gebacken. Sag Karim, wo ist Papa? Wollte er nicht zum Abendessen wieder zu Hause sein? …Wie blau der Himmel heute ist. Blau ist eine schöne Farbe, nicht?“ „Ja, blau ist eine schöne Farbe.“ Blau ist der Himmel, der uns erdrückt. Blau ist das Wasser, das bedrohlich funkelt. Blau waren die Augen meines Vaters. Blaue Augen sind in unserem Land etwas Besonderes, sogar große Staatsmänner haben davor Angst. Leider habe ich meine Augen nicht von ihm, sondern von meiner Mutter. Meine Mutter ... Meine Augen brennen, doch ich halte die Tränen zurück. In letzter Zeit sind zu viele von ihnen geflossen, außerdem werde ich die Flüssigkeit noch brauchen. Vor zwei Tagen haben wir die Wasserreserven aufgebraucht, seitdem sitzen wir nur noch da und schweigen wie verdurstende Kamele. Meine Schwester hat sich am Anfang beschwert und nach Wasser verlangt, oder irgendetwas, um ihren Durst zu stillen. Als ich sie dann daran gehindert habe, das Meerwasser zu trinken, ist sie ganz ruhig geworden. Gestern fing es dann an mit dem Fieber. Erst stöhnte sie und redete wirres Zeug, aber inzwischen lächelt sie nur noch vor sich hin. Wie ein Engel.

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

Ich habe Angst, dieser verheißungsvollen Traumwelt zu verfallen, die so viel schöner sein muss als unsere blaue Hölle. Und ich habe Angst, dass ich dann nie wieder zurück will, in die wirkliche Welt. „Schau doch, Karim, wie Mama schwimmt! Hallo Mama! ... Da bist du ja, Papa. Mama hat etwas Leckeres gekocht! Aber warum sind da Männer im Flur? Willst du nicht zum Abendessen bleiben? Das Essen wird sonst kalt! … Willst du auch schwimmen? Mama ist schon im Wasser!“ Ich wünschte, ich könnte so unbeschwert reden wie sie. Aber sie ist noch jung, sie hat das ganze Leben vor sich. Sie hat nicht mit angesehen, wie unser Vater verhaftet wurde. Oder wie unsere Mutter ertrunken ist. Für sie ist das alles nur ein Spiel gewesen, und Mama und Papa haben es verloren. So einfach ist das. Wie gerne würde ich die Welt aus ihren Augen sehen. Aber ich kann das nicht mehr, ich habe meine Kindheit in den letzten Tagen wie ein zu klein gewordenes Hemd abgelegt, um in ein viel größeres zu schlüpfen, in das ich seither schwimme. Samira, mein kleiner Engel, hat aufgehört zu reden. Sie schaut zu mir hoch, aber eigentlich ist sie nicht mehr hier. Sie ist schon woanders, an einem schöneren Ort. Dort sind wir alle vereint, die ganze Familie. Ich rede auf sie ein, versuche sie zu überzeugen, mich nicht im Stich zu lassen. Nicht auch sie. Sie ist mein Anker, die letzte Kraft, die mich hier festhält. Aber ich kann sie nicht halten, kann sie nicht davon überzeugen, dass es ihr hier besser gehen wird. Sie ist schon weit weg, während ich mich an ihren ausgemergelten Körper klammere. Aber meine Tränen sind schon längst versiegt, fortgerissen von diesem brennenden Durst. Der kleine Körper wird mir entrissen, landet bei den anderen Körpern im Wasser. Still beobachte ich, wie das Meer ihn verschlingt und mit einer nassen Decke überzieht. Es ist mitten in der Nacht und die Sterne funkeln uns aus einem klaren Himmel an. Es sind die Sterne der Verstorbenen und Ertrunkenen. Es sind viele Sterne. Zu viele. Ich will nicht mehr darüber nachdenken, wie lange ich noch leben werde und wie viel Leid schon dieses Meer gesehen hat. Ich will einfach nur schlafen und alles vergessen. Und hoffen, dass alles nur ein Albtraum war. Aber ich schlafe nicht ein, denn jedes Mal, wenn ich es versuche, sehe ich sie. Sie trägt ein rotes Kleid und strahlt mich an. Ihr Kinderlachen hallt in meinen Ohren wider, während sie mir etwas zuruft. Ich verstehe sie nicht, aber instinktiv muss ich lächeln. Sie sieht nicht so aus wie vor ihrem Tod. Sie sieht aus wie früher, vor dem Ganzen. Verändert. Glücklich. Ihre Züge verblassen, machen einem anderen Bild Platz: Meine Mutter kocht, es duftet in der gesamten Wohnung. Ich sehe sie in der Küche stehen. Mein Vater kommt herein und umarmt sie von hinten. Er flüstert ihr etwas ins Ohr, woraufhin sie beide lachen. 21

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016Schreibwettbewerb

Plötzlich donnern Fäuste gegen die Haustür. „Polizei! Aufmachen!“ Mein Vater drückt meiner Mutter leicht die Hand. Sie verstehen sich auch ohne Worte. Sie schaut ihm lange in die Augen, dann nickt sie. Auch dieser Augenblick verblasst unter den vielen Erinnerungen und ich öffne die Augen. Inzwischen ist es morgen und der Himmel leuchtet rötlich auf. Meine Lippen haben ein Lächeln geformt. Es schmerzt und ich schmecke Blut. Sie waren wahrscheinlich so trocken, dass sie gerissen sind. Den ganzen Tag über verbringe ich damit, Wolken und Wellen zu zählen, damit ich nicht an diesen unbändigen Durst erinnert werde, der meine Kehle austrocknet und uns alle am Reden hindert. Viele schon sind der Versuchung erlegen, ihren Durst mit ihren Ausscheidungen zu stillen, ich noch nicht. Wir wissen aber alle, dass wir nicht mehr lange durchhalten können. Wenn es nicht der Durst ist, der uns tötet, dann ist es die pralle Sonne oder das Wasser, das bei jeder größeren Welle ein paar Unglückliche mit sich reißt, während wir anderen darauf hoffen, dass das Boot nicht kentert. Ich habe aufgehört in den Himmel zu schauen. Stattdessen versuche ich den Grund des Meeres zu erraten. Ich sehe ihn, ein tiefer Abgrund. Da unten sehe ich sie alle, meine ganze Familie. Vereint. Ich brauche nur den Arm auszustrecken, dann kann ich sie erreichen. Sie winken mir zu, rufen mich zu sich. Ich beuge mich vor, bin bald wieder daheim. Aber etwas hält mich am Arm fest. Oder besser gesagt jemand. Der Fremde reicht mir seine Hand: „Yusuf.“ Er sieht mich mit seinen stechenden Augen an, als könnte er jeden meiner Gedanken erraten. Er weiß, was ich vorhatte, aber er sagt nichts, vielleicht, weil er nicht genügend Speichel dafür hat. Seine Haltung verströmt eine ungewöhnliche Ruhe, dabei muss er ungefähr so alt sein wie ich. Er wirft mir immer wieder rasche Blicke, um sicherzugehen, dass ich nichts Unüberlegtes tue. Jetzt habe ich einen Beschützer, und irgendwie beruhigt mich das. 22

Bald schon breitet sich die Nacht erneut über unseren Köpfen aus. Wie ein Cocon umschließt sie uns und gibt uns Sicherheit. Leider währt der Frieden nicht lange. Auf einmal bleibt das Boot stehen. Zwei Lichter stechen durch die Nacht. Gemeinsam versteifen wir uns gegen die bevorstehende Gefahr. Gebannt lauschen wir auf das näher kommende Brummen der Motoren. Aus den Tiefen des Kahns kommt ein Wispern: „Grenzer! Sie haben uns gesehen. Wir sind verloren!“ Hundert entsetzte Gesichter halten den Atem an, aus Angst, die Grenzer könnten auf sie aufmerksam werden, während sie versuchen, die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Hundert offene Münder formen stumm ein Gebet, während das schemenhafte Grenzboot ähnlich einer Erscheinung vorüber gleitet. Hundert Lungen füllen sich im allgemeinen Aufatmen. Als die, alles verschlingende Stille wieder einsetzt und allen bewusst wird, wie knapp sie einer Entdeckung entronnen sind. Hundert Menschen schreien im Chor auf, als das Boot sich durch die Kraft einer Welle zur Seite neigt und sie alle in das hungrige Nass geworfen werden. Das ganze Schauspiel dauert knapp eine Stunde, dann sind diese hundert elenden Menschen von ihren Qualen befreit. Auch ich werde in die Tiefe gezogen und ich sehe mich schon mit den anderen Sternen den Himmel erleuchten. Aber eine Kraft, ein Urinstinkt jedes Lebewesens, lässt mich strampeln und mich gegen das Wasser ankämpfen. Mit Mühe schaffe ich es, ein letztes Mal aufzutauchen. Der Himmel ist schön heute, denke ich noch, ehe das Wasser in meinen Mund dringt. Ertrinken ist kein schöner Tod. Erst füllen sich die Lungen mit diesem scheußlichen Meerwasser, es erdrückt einen von innen. Dazu kommt, dass die Tiefe einen zu sich zieht und währenddessen das ganze Leben wie ein Farbfilm vorm inneren Auge abgespielt wird. Aber ehe ich der Welt Lebewohl sagen kann, hat mich auch schon jemand am Arm gepackt und zieht mich Richtung Luft. Yusuf. Nachdem er mich zu den anderen ans umgedrehte Boot gebracht hat schaut er mir dabei zu, wie ich huste und mich mehrmals übergebe. Ich schaffe es noch, ihm für seine Rettung zu danken, da dringt ein allzu vertrautes Geräusch zu uns.

Schreibwettbewerb

Dieses Mal aber ist es kein Entsetzen, das wir verspüren, sondern unermessliche Freude, als die Grenzpolizei auf uns zukommt. Jeder einzelne Überlebende verbraucht seine letzte Kraft, um Hilfe zu rufen. Es sind wenige Stimmen, die meisten von ihnen nur ein heiseres Krächzen als Beweis unserer tagelangen Austrocknung. Was ist, wenn uns die Grenzer nicht hören? Was, wenn sie einfach vorbeifahren oder, schlimmer, uns mit ihrem Schiff rammen? Yusuf neben mir muss das gleiche gedacht haben, nur dass er jetzt gegen das umgekippte Boot schlägt wie ein Verrückter. Wir alle machen es ihm nach. Da, endlich, hält das Boot an. Es leuchtet uns an, hat uns endlich entdeckt. Danach geht alles blitzschnell. Ich kann den Grenzern anmerken, dass so etwas für sie Routine ist und dass diese Routine sie langweilt. Allerdings haben sie die Geistesgegenwertigkeit, uns etwas zu trinken zu geben, bevor sie uns näher unter die Lupe nehmen. Ein Polizist bleibt vor mir stehen und stellt mir lauter Fragen. Ich sage ihm, dass ich ihn nicht verstehe. Yusuf übersetzt für mich. Wir erfahren, dass wir in Italien gelandet sind. Das ist gut, denn von hier aus können sie uns nicht einfach zurückschicken. Der Polizist schaut in seine Papiere, sieht wieder hoch, durch mich hindurch und wiederholt seinen Text: „Name?“ - „Karim Yesir“ - „Alter?“ - „16“ „Staatsangehörigkeit?“ - „Syrisch“ -„Angehörige?“ … Ich schweige. Er fragt mich erneut. Was will er von mir hören? „Keine“, probiere ich. Er schreibt sich etwas auf. „Du bleibst hier, bis wir die Daten geprüft haben. Dann werden wir sehen, ob du bleiben darfst oder nicht.“ Habe ich mich verhört? Kann es sein, dass ich wieder nach Syrien geschickt werde? Nach allem, was ich verloren habe? War das ganze Leid, der Tod meiner Familie - war das alles umsonst? Um jetzt wieder an den Ort gebracht zu werden, von dem ich geflohen bin? Von Yusuf erfahre ich, dass Minderjährige eine größere Chance haben, zu bleiben, als Erwachsene. Er sieht mich traurig an mit seinen durchdringenden Augen. Er ist gerade 18 geworden.

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

Es kann eine Weile dauern, bis wir wissen, ob wir bleiben dürfen oder nicht. Solange sind wir draußen, zu mehreren Dutzend eingeengt, wie auf dem Boot. Aber wenigstens kann ich hier noch meine Beine bewegen. Ich schaue starr geradeaus. Hinter den Gittern und Zäunen sehe ich das Meer silbern glänzen. Irgendwie vermisse ich es. Vom Strand führt eine Straße in die Stadt. An dieser Straße steht ein Schild, fest verwurzelt im Asphalt. Es ist blau und darauf prangen viele Sterne. Es steht etwas geschrieben. „Willkommen in der Europäischen Union“, liest Yusuf. Er lacht. Ich muss unwillkürlich mitlachen, aber es klingt eher wie ein Schnauben. Wie etwas, was Menschen von sich geben, die schon zu viel gesehen haben. Ich kneife die Augen zusammen. Das Schild verschwimmt langsam vor meiner Sicht, wird zu einem blauen Fleck, so als gäbe es keine Grenzen, nur dieses undurchdringliche Blau. Aber das ist wahrscheinlich nur ein Traum. Marie Frevert ist 16 Jahre alt. Mit ihrer Kurzgeschichte „Nur ein Traum“ gewann sie den ersten Preis beim Schreibwettbewerb für ­Jugendliche 2015.

Wir landen zusammen in einer Auffangstation, ein anderes Wort für Gefängnis. Ich bleibe immer in der Nähe von Yusuf. 23

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016FABRIK-Erklärfilm



Die FABRIK in 3½ Minuten So war die Einladung zur Premiere des neuen FABRIK-Films überschrieben. Nach der Aufführung waren sich alle einig, dass das nicht geflunkert war. Premieren sind im Vorderhaus ja nichts seltenes. Die nächste, die ansteht ist die Premiere des neuen Programms von Matthias Deutschmann. Und dann im Februar die unserer Eigenproduktion „Besetzt!“. Natürlich ist jede Premiere spannend und einzigartig, aber die Uraufführung eines Films, zumal über die FABRIK, hatten wir schon lange nicht mehr. Seit 2003 genau genommen, dort lief „Ich arbeite gerne in der FABRIK, weil ...“. Und der legendäre Streifen „FABRIK – der Film“ ist ja fast genauso alt wie die FABRIK selbst. Dementsprechend groß war die Neugier auf „Die FABRIK ist eine FABRIK ist keine Fabrik“. Rund 100 Leute waren voller Vorfreude und Neugier in den Saal des Vorderhaus gekommen, zur wohl kürzesten Vorführung, die je auf der Vorderhausbühne zu sehen war. 3½ Minuten dauert ein guter Popsong, hatte es in der Einladung geheißen, und mehr braucht es tatsächlich nicht, um einen Bogen von 1978 bis 2015 zu schlagen. Ein ehrgeiziges Unterfangen. Der Beifall und Zuspruch nach dem Ende des Films hat gezeigt, dass der Anspruch eingelöst wurde. Das Team von „Pudelskern“, einer Berliner Produktionsfirma, hat unsere gemeinsam erarbeiteten Ideen richtig schön in eine sehr moderne Bildsprache umgesetzt. „Pudelskern“ ist bekannt dafür, komplexe Inhalte weit herunterbrechen zu können, ohne dass die Botschaft verloren geht. Entstanden war die Idee, einen kurzen Imagefilm zu machen, in der AG ­Öffentlichkeitsarbeit. Kurzweilig und unterhaltsam sollte die Geschichte der

24

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

FABRIK-Erklärfilm

­ ABRIK erzählt werden. Vor allem aber sollten die Werte und gesellschaftlichen F Zielsetzungen transportiert werden, die uns seit 37 Jahren antreiben und die die Grundlage aller Arbeit auf dem Gelände sind. Nach den ersten Kontakten Ende Sommer wurde mit Pudelskern ein Konzept für den Film erstellt, im Lauf des Herbstes wurde der Text immer mehr eingedampft, immer prägnanter. Für uns war es ein Lernprozess, wie Worte durch Bilder nicht nur begleitet, sondern ersetzt werden. Eine schöne Erfahrung! Wir haben uns immer gefreut auf die neueste Email aus Berlin mit dem jeweils aktualisierten Storyboard aus 17 Panels und Texten. Und dann war er fertig, unser kurzer FABRIKFilm. Und siehe da, es brauchte keine 3½ Minuten. In 2Minuten41 ist alles erzählt, in 2Minuten41 ist ein zufriedenes Lächeln in die Gesichter der Zuschauer gezaubert. Der Film findet sich auf der Website der Fabrik: http://fabrik-freiburg.de/index. php/aktuell/news – schaut ihn an und schickt ihn weiter! Wir haben das schon gemacht und wirklich von allen Seiten nur Lob erhalten. Danke!



Ein großer Dank an alle, die am Film beteiligt waren:

Idee: AG Öffentlichkeitsarbeit Projektleitung: Regina Leonhart und Karola Mohr Sprecherin: Sybille Denker Tonaufnahmen: acousticmedia, Freiburg Rainer Lenz und Michael Summ Musik: Pudelskern, Berlin Filmproduktion: Pudelskern, Berlin Mo Aufderhaar und Oliver Eberhardt

Einmal abgesehen von einigen filmischen ­Medienberichten, zumeist in Zusammenhang mit FABRIK-Jubiläen oder besonderen ­Ereignissen, kann die FABRIK noch mit mindestens zwei nennenswerten Eigenproduktionen aus früheren Jahren aufwarten: FABRIK 1984 – Der Film Mehr ambitioniert als professionell wurde 1984 der Versuch unternommen, die FABRIK zum Dreh- und Angelpunkt eines Spielfilms zu machen, dessen Drehbuch sich bis zum ­Abbruch der Filmproduktion nie zwischen selbstironischer Dokumentation und avan­ gardistischem Experimentalfilm entscheiden konnte. Letztlich blieb der Film unvollendet, bietet aber mit seiner immerhin auf 52 Minuten geschnittenen Rohfassung durchaus einiges an Reiz: nach 30 Jahren sind die dokumentierten Räumlichkeiten nur mit Mühe wieder­zuerkennen. Ähnliches gilt für die meisten der Mitspielenden. Die Impressionen aus der FABRIK überwiegen die Informationen, um so mehr manifestiert sich in diesem Film den damalige Zeitgeist des links-alternativen Milieus. Ich arbeite in der FABRIK weil ... Wesentlich persönlicher, aber gerade deshalb auch mehr über die FABRIK aussagend kommt diese mit 8 Minuten eher kleine Dokumen­tation daher. Anlass dafür war das 25-jährige ­Jubiläum der FABRIK, das im Jahr 2003 denkwürdig gefeiert wurde. In diesem kurzen Filmbeitrag erzählen 25 sehr verschiedene Menschen ernsthaft, ironisch und witzig, vor allem aber kurz und bündig, warum sie in der ­FABRIK arbeiten.

25

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016FABRIK-Woche

Kommunikation und Transparenz Die „FABRIK-Woche“ bot – ähnlich wie schon die „FABRIK-Tage“ in den Vorjahren – zahlreiche Möglichkeiten zum hausinternen Austausch Die Idee

Montag

Dienstag

Als Fortsetzung der „FABRIK-Tage“ in 2013 und 2014 gab es in diesem Jahr gleich eine ganze „FABRIK-Woche“. Standen bei den FABRIK-Tagen noch die privaten Leidenschaften der FABRIK-Beschäftigten im Fokus, so ging es dieses Mal um die unterschiedlichen Arbeitsfelder der in der ­FABRIK ansässigen Betriebe. Die Grundidee dabei war, dass innerhalb einer Woche reihum jeder Betrieb interessierte MitarbeiterInnen der anderen Betriebe für ein bis zwei Stunden zu sich einladen sollte, um sich jenseits des üblichen Alltags kennenzulernen, um Fragen zu stellen und um, meist gut verköstigt, miteinander zu plaudern. So sollte also die Pädagogin erfahren können, warum die Schreinerei die Rotbuche liebt, und der Motorradfahrer, was bei The Move so alles getanzt wird. Im Vorfeld fand die Idee großen Anklang auf dem Gelände, aber die Umsetzung war dann doch etwas schwierig. Mit etwas Anschubhilfe und Anregungen durch das Hausbüro fanden aber schließlich alle Betriebe reizvolle Ideen für ihre Einladungen, und so kam für die Woche vom 28. September bis zum 1. Oktober ein durchaus spannendes und abwechslungsreiches Programm zustande.

Zum Auftakt lud morgens das Hausbüro zu einem französischen Frühstück und zu einer Büchertauschbörse. Das große Bücherregal im Tagungsraum des Hauptgebäudes wurde denn auch die ganze Woche über eifrig zum Holen und Bringen genutzt. Am späten Vormittag stellte BAGAGE ihre Atelier- und Werkstattpädagogik vor. Und passend zum Konzept gab es unter der Anleitung von Udo Lange für die FABRIKGäste auch gleich eine praktische Übung im „blinden“ Zeichen. Für eine nette Episode sorgte ein ­FABRIKler (Name der Redaktion bekannt), der versehentlich in einem regulär stattfindenden Kurs landete und sich dort bis zum Ende der Stunde mit Vergnügen am Filzen beteiligte. Echte Zweifel, am falschen Ort zu sein, befielen ihn nicht, obwohl, ein bisschen seltsam war ihm schon, dass so viele fremde Gesichter da waren ... Am Nachmittag wurde es wild: die Tiere waren los – im Friedlichen Drachen von ­Gertrud Schröder, die einen Einblick in ihr Training mit Kindern bot. Der Montagabend stand im Zeichen der Vergangenheit. Die FABRIK-Veteranen Hans Schmid, Martin Wiedemann und Ludwig Dörr erzählten in Wort und Bild von den Anfangsjahren der FABRIK, in denen so manche, die heute in der FABRIK arbeiten, gerade erst geboren wurden.

Vormittags öffnete die Naturschule ihre Türen und überraschte mit der Aktion Brennessel. Man glaubt es kaum: Brennnesseln können viel mehr als britzeln, man kann sie essen, trinken oder stabile Schnüre daraus anfertigen – alles war geboten. ­Der Nachmittag bot die Gelegenheit, endlich einmal im Rampenlicht zu stehen. Und zwar im Vorderhaus-Saal. Das Kulturbüro weihte in die hauseigene Licht- und Tontechnik ein und ließ nachfühlen, wie es so ist, als Künstler, allein auf der Bühne und im Rampenlicht. Catering, ganz nebenbei, natürlich inklusive. Als Beitrag zur FABRIK-Woche steuerte die friga – Sozialberatung Beratungstermine bei. Was immer gefragt war, von A wie Abfindung bis Z wie Zuzahlung, die friga konnte weiterhelfen. Am Abend war Töpfern in der Keramik­ werkstatt angesagt. Es gab Ton und Engoben zum Bemalen, reichlich Rotwein und Knoblauchdips. Und die entstandenen Kunstwerke wurden auf Wunsch später auch gebrannt. Anschließend lud die Fahrradwerkstatt zu Sekt, Saft, Musik und Film ein. Dabei wurde mehr Sekt als Saft getrunken, und so ergab sich denn ein sehr geselliger Abend.

26

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

FABRIK-Woche

Mittwoch

Freitag

Fazit

Nach so viel leiblichem Wohl hieß es am Mittwoch morgen erst einmal in Bewegung kommen. Gertrud Schröder vom Friedlichen Drachen brachte auf Trapp und schulte die Beweglichkeit, wie auch das Gleichgewicht. Am späten Nachmittag war AMICA die Gastgeberin. Heide Serra berichtete über die Entstehung von AMICA, über das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe und über Syrien, wo sich AMICA schon seit Jahren engagiert, lange bevor sich die Öffentlichkeit für Syrien interessierte. Der Tag klang in der Vorderhaus-Gaststätte aus. Verhandelt und getestet wurden neue Essenstrends wie etwa „Schwarzwaldtapas“, zu denen Christian Miess allerdings bewährte Getränke kredenzte.

Morgens standen in der Kita Rhythmik, Musik und Bewegung auf dem Programm. Kinder, Erzieher und Gäste schlängelten sich im Alten Saal und auch hier hieß es: lieber mitten drin statt nur dabei – also mitmachen! Am Nachmittag gab es eine Führung durch die Freie Holzwerkstatt. Zu testen und zu bewundern waren neben diversen Ausstellungsstücken auch eine fast fertiggestellte, wunderschöne Apothekentheke. Und ganz nebenbei erfuhr man viel über die besonderen Herausforderungen, in den Kellerräumen der FABRIK eine Schreinerei zu betreiben. Anschließend war die Druckerei schwarz-auf-weiss zu besichtigen. Zu verfolgen war der Weg eines Produktes vom Auftragseingang bis zur Fertigstellung. Als Schmankerl hatten sich die Drucker ein Ratespiel mit drucktechnischen Fragen ausgedacht – die besten Teilnehmer wurden, standesgemäß, mit alkoholischen Getränken ausgezeichnet. Zum Abschluss der FABRIK-Woche gab es ein Fest bei den Motorradclubs. Der MC Weingarten feierte nämlich seinen 40. Geburtstag, aber darüber wurde in diesem Rundbrief weiter vorne schon berichtet.

Die Idee war gut, das angebotene Programm vielseitig und spannend, aber die Nachfrage, sprich: die Teilnahme eher enttäuschend schwach. Selten kamen mehr als zehn Personen zu den Terminen, manchmal waren es nur drei oder vier. Offensichtlich schafften es nur wenige FABRIKler, sich während ihrer normalen Arbeitszeit für ein bis zwei Stunden vom Alltag frei zu machen, um die Kollegen und Kolleginnen vom Nachbarbetrieb zu besuchen. Trotzdem: das Interesse, mehr voneinander zu erfahren, ist auf dem Gelände immer präsent und spürbar groß. Also gilt es, weiter über geeignete Formen und Formate nachzudenken. Für nächstes Jahr jedenfalls gibt es schon Pläne für thematische Nach-der-Arbeit-Treffen.

Donnerstag Der neue Tag begann mit Kaffee und Kuchen und viel Information bei der Freiburger Kinderhaus-Initiative, unter anderem zur neuen, aktuellen Herausforderung, zunehmend auch Flüchtlingskinder in den Kindergärten zu integrieren. Am Nachmittag konnte man ein weiteres Mal aktiv werden. The Move im Alten Saal zeigte eine Kurzaufführung, bevor es dann hieß: mitmachen!

27

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

Vorderhaus außer Haus

„Vorderhaus außer Haus“ – das klingt griffig und ist inzwischen ein etablierter Titel für die Veranstaltungen, die vom Kulturteam des Vorderhauses geplant werden, aber nicht im ­Theatersaal der FABRIK stattfinden. „Vorderhaus außer Haus“, das war lange nicht selbstverständlich. Der Saal an der Habsburgerstraße war und ist Heimathafen: Zuhause, Basis, Grundlage und Ausgangspunkt. Dass immer wieder Veranstaltungen an den verschiedensten Orten außerhalb organisiert werden, hat vielfältige Gründe. Da gibt es eine große Neugier auf Orte mit besonderem Flair, mit einer ganz eigenen, nur dort zu findenden Atmosphäre. In der Regel finden hier weniger Zuschauer Platz als im Vorderhaus, aber im Saal des Vorderhauses wurden auch noch nie Klaviere oder wertvolle Weine gelagert, es wurde noch nie übernachtet und am Morgen beim weiten Blick hinüber zu den Vogesen gefrühstückt. Nie hat es im Vorderhaus einen Blick in die unendlichen Weiten des Weltalls gegeben oder den in Augenhöhe zu einer Ziergiebel-Statue an der Kaiser-Joseph-Straße.

Aber der Reihe nach

Vorderhaus außer Haus Das Vorderhaus ist mit s­ einen ­Veranstaltungen gerne in ganz F ­ reiburg unterwegs, aber ­schlussendlich ist es zuhause doch am Schönsten

Das Alte Klavierdepot des Pianohaus Sanwald war einstmals bis unter die Decke gefüllt mit Klavieren. Jetzt ist es leergeräumt, liebevoll neu eingerichtet und wird von Petra Gack bespielt und mit neuem Leben gefüllt. Hier sind wir zu Gast im Rahmen des freiburg-grenzenlos-festival genauso wie im Weintunnel des Schwarzen Adler in Oberbergen. Gelagert werden hier keine Klaviere, sondern, ebenfalls bis zur Decke hoch, beste Bordeaux-Weine. Das kann man nicht nur sehen, sondern auch riechen! Einmal im Jahr wird für einige Tage eine Bühne vor kleinen Barriquefässen aufgebaut und für verschiedenste Veranstaltungen genutzt. Wir haben in diesem besonderen Ambiente meist Lesungen organisiert, mit Hannelore Hoger etwa oder Joachim Król. Etwas verwunschen liegt das alte Berghotel auf dem Schauinsland am Ende eines kleinen Sträßchens unter dem Gipfel. Im ehemaligen Speisesaal, den wir jetzt als Bühne nutzen, kann man weit nach Westen blicken. Und manchmal mannshohe Eiszapfen vor den Fenstern bestaunen, wenn Ende Januar extra für unser Publikum die Schauinsland-Bahn in Bewegung gesetzt wird. Der Platz verlangt nach etwas Bodenständigen, wir bespielen ihn meist mit einem „Schwarzwälder“ Thema. Im Planetarium Freiburg bietet sich eine eigenwillige Verschränkung von Hören und Sehen. Die schräge Musik und ganz besondere Humor der Ars Vitalis-Nachfolgruppe „Das wüste Gobi“ wurde begleitet von einem opulenten ­optischen Ausflug in interstellare Welten. Ein Abend, an dem man beispielhaft erklären könnte, wie viel Vor-Arbeit und Organisation mit einem Theaterabend verbunden ist, der nicht auf einer „normalen“ Bühne stattfindet und der dann doch so leicht, locker und lebendig daherkommt … Neu entdecken wollen wir zusammen mit unserem Publikum beim grenzenlosfestival im kommenden Februar den Humboldt-Saal in der Freiburger Stadtmitte. Dietrich Roeschmann hat den Saal schon vorher besucht und beschreibt seine Eindrücke weiter hinten im Heft. Alle diese Orte und Bühnen zeichnen sich durch ihre eigene unverwechselbare Atmosphäre aus. Das gilt natürlich auch für die Innenhöfe, in denen wir im Lauf der Jahre mit der Vorlesereihe „unter sternen“ zu Gast waren. Nachdem der Innenhof des Adelhauserklosters wegen Umnutzungen nicht mehr bespielt werden konnte, sind wir für zwei Jahre in das Haus zur Lieben Hand gezogen. Lauschig und intim war der Hof dort, aber leider viel zu klein. So finden die sommerlichen Lesungen inzwischen seit sieben Jahren im Hof der Spechtpas-

28

Vorderhaus außer Haus

sage statt, auch einer der Freiburger Plätze mit ganz eigenem Flair. Für das breite Publikum sind alle diese „kleinen Bühnen“ eine Entdeckung, etwas Besonderes sind sie auch für uns als Veranstalter. Wird hier doch erfahrbar, woher der Begriff „Kleinkunst“ kommt, nämlich von kleinen Theatern, in denen schon die räumliche Nähe zwischen Publikum und Bühne dafür sorgt, dass aus einer Kabarettvorstellung kein Weihe-Spiel wird. Dieter Hildebrandt etwa wollte nie in einen größeren Raum, er hat die Intimität des „kleinen“ Vorderhauses sehr geschätzt. So, wie das Matthias Deutschmann oder Bea von Malchus, die oft bei uns auftreten, heute tun.

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

nen Charakter. Im Großen Haus etwa mit seinen über 800 Plätzen herrscht eine ganz intime Beziehung zwischen Künstlern und Publikum, das ist spürbar bis auf den letzten Sitz im zweiten Rang. Hier sind alle Zuschauer dicht dran, denen auf der Bühne fällt es leicht, alle Zuschauer mit einzubeziehen, es gibt keine Distanz, alles ist nah und direkt. Das spürt man, wenn man das Vergnügen hat, selbst einmal auf dieser Bühne zu stehen, wie das Vorderhaus-Team beim Jubiläumsakt zum 25. Geburtstag.

Oder der Paulussaal, das gute alte „Dickschiff“ der Freiburger Veranstaltungsorte, mit seinem Charme und seiner Patina. Ein Ort mit Viele wollen kommen … allen Vor- und Nachteilen, die es so gibt. Keine Parkplätze, dafür Atmosphäre ist das eine, Zuschauerzuspruch das andere. Seit der nahe der Innenstadt. Keine Lademöglichkeiten, jeder ScheinwerGründung des Vorderhauses vor 27 Jahren hat sich vieles geänfer, jede Box, jedes Kabel und jede Flasche Sekt müssen über die dert in der öffentlichen Außentreppen auf die Rezeption von Kabarett, Bühne getragen werComedy und Co. Die den. Wir sperren ganze Kleinkunst hat die KelSitzreihen wegen Sichtlerbühnen verlassen, ist behinderungen und die breit im Fernsehen oder Bestuhlung ist schon auf YouTube und damit sichtbar in die Jahre auch in Messehallen gekommen. Und trotzund Fußballstadien andem, der Paulussaal ist gekommen. Eine solche fest verankert im kultuGrößenordnung funktiorellen Bewusstsein der niert natürlich nur, wenn Stadt. Die Freiburgerinder Mainstream bedient nen und Freiburger sind wird - mit flachen Witzen mit ihm aufgewachsen, und harmlosen Pointen. sie kommen gerne und Dass es auch anders zahlreich dort hin. So geht, zeigt sich bei wie auch das KulturVorderhaus-Gastspielen team und die Gastroin „großen“ Räumen. nomie des Vorderhaus Marc-Uwe Kling im Bürden Saal mögen, allein gerhaus Seepark, Haschon wegen des netgen Rether oder Jochen ten und unkomplizierMalmsheimer im Konten Paulussaal-Teams! zerthaus, Frank-Markus Der Saal und die Bühne Barwasser, Gerhard wie auch die FunktionsPolt oder Gogol & Mäx räume werden ab Frühim Paulussaal, Georg jahr 2016 grundlegend Schramm, Max Uthoff erneuert, das wird rund oder Matthias Brandt im anderthalb Jahre dauGroßen Haus des Theaern. Ausreichend Zeit, ter Freiburg – an solchen um die Vorfreude auf Abenden zeichnet sich die Wiedereröffnung Der Paulussaal, noch so, wie wir ihn kennen. Das wird sich ändern: ab April 2016 wird das Größe und Qualität von wachsen zu lassen. ­Traditionshaus grundlegend renoviert und saniert Kabarett und Kleinkunst durch Konsequenz, Kompromisslosigkeit und Haltung aus und eben Wir sind gerne außer Haus mit dem Vorderhaus. Keine Frage, Ausnicht durch Zugeständnisse an den Massengeschmack. flüge würzen das Leben. Aber wie gesagt, der Saal des Vorhauses mit seinen knapp 200 Plätzen, mit der Gastronomie daneben als Ort Es ist allerdings nicht allein die Größe eines Raumes, auf die es zum Treffen und Diskutieren, zur Nachbereitung und Aufarbeitung: ankommt. Bühnen haben oft ihre eigenen Qualitäten, ihren eigedas ist unser Heimathafen, ohne den für uns alles nichts wäre!

29

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

grenzenlos im Humboldtsaal

Volker Gerling – Daumenkinograph

Großes Kino in 36 Bildern Eine beeindruckende „grenzenlos“-Veranstaltung an einem beeindruckenden Ort, vorgestellt von Dietrich Roeschmann

M

anchmal reicht ein kurzer Abstecher in eine Seitengasse und ein Trip im Fahrstuhl, um dann staunend aus einem Fenster im Dachgeschoss zu schauen und sich zu fragen: Hey, ist das wirklich meine Stadt? Kenne ich diese Straßen? Diese Giebel und Gauben gegenüber mit ihren irren Verzierungen und diese riesigen Dachterrassen mit Blick über die Stadt, auf denen sich vermutlich nie jemand länger aufhält als für eine Zigarette? Einer dieser Orte, von denen aus man Freiburg kaum wiedererkennt, ist der Humboldtsaal im frisch renovierten Dachstuhl des Freiburger Hofes an der Humboldtstraße. Geht man die bodentiefen Fenster ab, ist das wie ein Spaziergang durch die Freiburger Architekturgeschichte. Angefangen beim überladenen Historismus des Martinstor-Ensembles aus dem 19. Jahrhundert schiebt sich bald die coole, technizistische Fassade des 1972 erbauten „Radio Bastian”Hauses in den Blick. Dahinter duckt sich die heutige „Mehlwaage”, 1767 als Stechhäusle des ehemaligen Schlachthauses

30

fertig gestellt, in den Schatten des KG III, das zu den gelungenen Beispielen des Brutalismus der späten Sechzigerjahre in Freiburg gehört. Im Sommer 2014 vom Ticket-Service Reservix angemietet, der mittlerweile auch vier weitere Etagen des denkmalgeschützten Freiburger Hofes belegt, schließt der helle Saal mit seiner moderaten Größe für knapp 100 Personen eine Lücke im Angebot der Veranstaltungsräume in Freiburg. Mitten in der Altstadt, aber hoch über den Dächern, überschaubar, aber weitläufig dank freitragender Dachkonstruktion, bietet er ein ideales Format für Kammermusik, für Talks, Kleinkunst und andere Performances, denen ein intimer Rahmen gut tut. So gesehen war es nur eine Frage der Zeit, bis die Veranstalter des freiburg-grenzenlos-festivals auf den Raum aufmerksam wurden. Als Martin Wiedemann vom Vorderhaus – Kultur in der F ­ ABRIK

grenzenlos im Humboldtsaal

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

Mädchen mit langen und mit kurzen Haaren, Jena, 2003 „Als ich Antonia auf der Straße nach dem Weg frage, sucht sie gerade eine Steckdose für ihre Haar­­­ schneide­maschine. Antonia hat beschlossen, sich die Haare von ihren Freundinnen abschneiden zu lassen. Jetzt hat sie keine Zeit zu verlieren, weil sie Angst hat, es sich doch noch anders zu überlegen. Antonia schließt die Augen. Erst wenn die Haare ab sind, will sie sich wieder anschauen.“

den Raum im vergangenen Sommer das erste Mal betrat, war er begeistert und hatte sofort einen Künstler im Kopf, dessen Programm nirgendwo besser aufgehoben wäre als hier, wo es so sehr um Blicke und Perspektiven geht und um das seltsam entrückte, staunende, glückliche Gefühl, mitten im Alltag trotzdem über den Dingen zu schweben. Der deutsche Filmemacher und Fotograf Volker Gerling produziert ein solches Glück seit Jahren mit denkbar einfachen, günstigen und ziemlich eigenwilligen Mitteln: Seine Kunst ist das Daumenkino, dieses bewegte Bildgedicht mit seiner stummen Fokussierung auf einen winzigen Augenblick, den man wie im Rausch wieder und wieder durchblättert und in dessen unendlicher Wiederholung Gegenwart und Vergänglichkeit auf wundersame Weise zusammenfallen. 2002 baute sich Gerling aus einem Küchenblech einen Bauchladen, legte sechs selbst fotografierte Büchlein darauf aus und tourte mit dieser Mikro-Ausstellung einen Sommer lang zu Fuß durch das Land. Aus den Begegnungen mit den Menschen, die er dabei auf Dorffesten, in Fußgängerzonen oder Eckkneipen kennenlernte, entstanden wiederum neue Fotoserien, die er zu neuen Daumenkinofilmen verarbeitete. Keiner umfasst mehr als 36 Bilder, in 12 Sekunden fotografiert. Weil die Menschen oft nicht ahnen, dass die Kamera in dieser Zeit drei Dutzend mal belichtet, fangen Gerlings Porträts auch ihr stilles Aus-der-Pose-Rutschen ein und halten so die unmittelbare Schönheit eines flüchtigen Moments fest. „Bilder lernen laufen, indem man sie herumträgt” heißt das Programm, in dem Gerling seine von Sommerwanderung zu Sommerwanderung wachsende Filmografie bei Live-Auftritten vorstellt. Im Februar ist er damit im Rahmen des „GrenzenlosFestivals” nun erstmals auch in Freiburg zu Gast. „Auf der Bühne blättere ich die Daumenkinos unter einer Videokamera ab, projiziere die Bilder auf die Leinwand und lasse meine Protagonisten so für einen Moment lebendig werden“, sagt Gerling. Durch ihre Geschichten, die er zu den Bildern erzählt, mutieren seine Daumenkinos zu großem Kino. Es sind poetische Dokumentarminiaturen, witzig, überraschend und oft zutiefst berührend. Sie handeln von Menschen, die unerwartet in ein neues Leben stolpern, von einer jungen Obdachlosen etwa, die auf der Suche nach ihrer gestohlenen Kindheit ist, oder von einem alten Mann, der die Welt verbessern wollte und daran beinahe zugrunde ging. Dass Gerlings bewegte Porträts jetzt den Weg nach Freiburg gefunden haben, ist übrigens auch das Resultat einer ziemlich unmittelbaren Begegnung. Margrit Müller, die als freischaffende Fotografin unter anderem für die FABRIK arbeitet, hatte die Daumenkinos des in Berlin lebenden Regisseurs erstmals 2012 an der Hamburger Triennale der Photographie gesehen. „Ich war von Anfang an hin und weg”, sagt sie. Wo auch immer Gerling gerade auftrat, schickte Müller ihre Freundinnen und Freunde hin – und infizierte schließlich auch das Kulturbüro der FABRIK und das grenzenlos-Team mit ihrer Begeisterung für seine große Poesie der kleinen Form. Dietrich Roeschmann ist freier Journalist und lebt in Freiburg

31

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016Besetzt!

Das frisch gegründete Ensemble Vorderhaus spielt „Besetzt!“ – Premiere ist am 27. Februar 2016

Neuland Eigenproduktion Mit „Besetzt!“ zeigt das Vorderhaus ein eigenes Kindertheaterstück

A

b Februar erweitert das Vorderhaus sein Kinderkulturprogramm um ein besonders Projekt: neben den zahlreichen KindertheaterGastspielen wird es nun auch eine erste Eigenproduktion geben. „Besetzt!“ ist der Titel des spannenden Theaterstücks mit Musik für Menschen ab 5 Jahren aus der Feder der Kölner Autorin und Regisseurin Anja Schöne, die ihr Auftragswerk für das Vorderhaus auch selbst inszeniert. Unterstützt wird sie dabei von den beliebten Freiburger Schauspielern Veronika Sautter-Bendiks und Peter HaugLamersdorf, die allen Kindertheaterfans in der Region sicherlich ein Begriff sind. Die Idee für diese Eigenproduktion entsprang dem Wunsch, sich auf der Bühne mit wichtigen Fragen rund um das Thema Umweltschutz und Klimawandel auseinanderzusetzen. Was zunächst ein wenig theoretisch klingt, macht das Stück mit einem spannenden Setting und einer Vielzahl an schrägen Protagonisten zu einem Theatererlebnis für die ganze Familie, bei dem Energiesparen zu einem regelrechten Abenteuer wird: den Tieren reicht es endgültig – sie wollen nicht länger unter den Folgen des menschengemachten Klimawandels leiden. Als Abgeordnete besetzen Siebenschläferdame Selma und Eisbär Elvis ein Kraftwerk und legen damit eine ganze Stadt lahm. Ihre Forderung: glaubwürdige Beweise, dass die Menschen ihr Energieverhalten in Zukunft ändern wollen. Da Elvis ein riesiger Musikfan ist, wird der Appell an die Menschen nicht nur zu einem alarmierenden Report, sondern gleichzeitig zu einer mitreißenden Musiknummer, die alle sofort für die Belange der Tiere einnimmt. Alle - außer dem uneinsichtigen Leiter des Kraftwerks, der seinen Angestellten Florian verdonnert, den stromlosen Zustand zu ändern – und zwar schnell. Florian erkennt allerdings sofort, dass er sich um Alternativen zum verschwenderischen Umgang mit dem Kraftwerksstrom kümmern muss, um den Forderungen der Tiere

32

gerecht zu werden und damit die Lichter in der Stadt wieder angehen zu lassen. Unterstützt von seiner Tochter Lina macht er sich auf eine spannende Entdeckungsreise zu möglichen Alternativen und gemeinsamen Perspektiven von Mensch und Tier. Ohne pädagogischen Zeigefinger zeigt „Besetzt!“ wie sehr unser Leben von der Stromproduktion abhängt und wie aufmerksam wir gleichzeitig mit der Art der Stromerzeugung und -nutzung umgehen müssen, um die Welt für uns und alle anderen Lebewesen zu erhalten. Die beiden Protagonisten springen dafür in temporeichen Wechseln von einer Rolle in die nächste, sind eben noch Vater und Tochter und im nächsten Moment schon die Abgeordneten der Tiere. Der Welt der vermeintlichen eigenen Bedürfnisse wird die Welt der Tiere und Pflanzen gegenübergestellt, die nicht wegen menschlicher Bedürfnisse zerstört werden darf. Humorvoll und gleichzeitig informativ erläutert das Stück, wie sehr ein ausufernder Energieverbrauch die Grundlagen unserer wichtigsten Bedürfnisse zerstört und wie jeder dazu beitragen kann, verantwortungsvoller mit Energie umzugehen und gegen die Klimaerwärmung anzusteuern. Die jungen Zuschauer werden dabei zu Komplizen im Bemühen um einen aktiven

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

Besetzt!

Anja Schöne Regisseurin und Autorin, Köln Anja Schöne, 1978 in Krefeld geboren, studierte nach dem Abitur Theaterwissenschaften, Germanistik und Anglistik. Danach arbeitete sie am Staatstheater Stuttgart sowie am Schlosstheater Moers. Seit 2007 ist Anja Schöne freiberuflich als ­Regisseurin, Autorin, Theaterdozentin und ­Festivalleiterin unterwegs. Sie arbeitet regelmäßig für verschiedene Theater (u.a. Junges Schauspielhaus Bochum, Comedia Köln, Kammeroper Köln). Seit 2013 ist sie Hausregisseurin am Horizont Theater Köln. Außerdem ist sie im Bereich der kulturellen Bildung aktiv, entwickelt Theaterproduktionen mit Jugendlichen und leitet Schreibwerkstätten. Das so entstandene Stück „Just do it“ ist Preisträger des Wettbewerbs Kinder zum Olymp! der Kulturstiftung der Länder. Auch ihre eigenen Stücke und Inszenierungen sind vielfach ausgezeichnet. 2011 ­erhielt sie für ihre Geschichte „septembermädchen“ den Moerser Literaturpreis.

Peter Haug-Lamersdorf Schauspieler und Sprecher, Freiburg

Schutz unserer Welt gemacht. So entsteht ein Theatererlebnis, das allen ebenso viel Freude machen wie auch zu einem bewussteren Handeln im eigenen Alltag inspirieren soll. Anja Schöne

Eine möglichst umweltschonende Energie­ versorgung und -nutzung ist von zentraler ­Bedeutung, nicht nur in ökologischer Hinsicht. Energieerzeugung hat auch mit Demokratie zu tun. Aus zentralistischen Strukturen ent­ steht kein demokratischer Umgang mit einem wichtigen Thema unserer Gesellschaft, der ­Energieversorgung. Der „Förderverein für umweltfreund­ liche Stromverteilung und Energieerzeugung Schönau im Schwarzwald“, kurz FuSS, hat sich zum Zweck gesetzt, darüber Informatio­ nen insbesondere an Entscheidungsträger im politischen und wirtschaftlichen Bereich zu verbreiten. In der Geschichte des Vereins und seiner Informationsarbeit wurde immer auch Kultur gefördert. Wir bedanken uns ganz herzlich beim FuSS e.V. für die große finanzielle Unter­ stützung bei der Produktion von „Besetzt!“. Als ein Zeichen des Danks und der Verbun­ denheit wird das Stück auch an Schönauer Schulen aufgeführt werden.

Peter Haug-Lamersdorf wurde 1961 in VillingenSchwenningen im Schwarzwald geboren. Nach der Schauspielausbildung folgten für ihn Engagements in vielen Städten. Auch in der Freien Szene ist er zuhause, so verbrachte er einige Zeit in Berlin und in Zürich. Seit 1992 spielt er regelmäßig am Wallgraben Theater und am Theater Freiburg. ­Außerdem ist er Mitglied beim Freiburger Ensemble RadiX. Darüber hinaus tritt er mit eigenen Programmen auf, wie zum Beispiel der preis­ gekrönten Inszenierung von „Wer hat meinen kleinen Jungen gesehen?“. Und nicht zu vergessen: Lange Jahre war er die Stimme in den Straßenbahnen Freiburgs. Ganz charmant und zuverlässig sagte er täglich alle Haltestellen von Breisach bis Gundelfingen an. Und wie seine sehr angenehme, geschulte Stimme vermuten lässt, ist er auch als Sprecher sehr gefragt, etwa bei ARTE und beim SWR.

Veronika Sautter-Bendiks Schauspielerin, Sprecherin und Theaterpädagogin, ­Freiburg Veronika Sautter-Bendiks, geboren 1983 in ­Tübingen, besuchte von 2008 bis 2012 die ­Freiburger Schauspielschule. Davor studierte sie Musik, Kunst und Deutsch an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Während des Studiums ­absolvierte sie die Ausbildung zur Theater­ pädagogin im SpielRaum Freiburg. Seit 2012 ist Veronika Sautter-Bendiks als frei­ berufliche Schauspielerin, Sprecherin und Theaterpädagogin tätig. Zu sehen ist sie in den verschiedensten Produktionen am Wallgraben Theater, im E-Werk, bei den ­Immoralisten. Seit 2008 ist sie festes Ensemble-Mitglied beim Theater RadiX. Im Jahr 2014 gründete sie das KinderTheaterRadieschen, die Premiere des ersten Stücks „Lenchens Geheimnis“ fand im September 2014 im Vorderhaus statt.

33

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

Kolumne

Richtig schick machen Für Frank Goosen müssen Künstler und Publikum schon zusammenpassen

B

ei meinen Bühnenveranstaltungen kommt es bisweilen zu Missverständnissen. Manchmal passen Künstler und Publikum nicht so recht zusammen. In klassischen Kabarett-Theatern kann es sein, dass die Menschen vor allem Politisches erwarten, also dass der Protagonist auf der Bühne in zwei Stunden sämtliche Probleme des Landes anspricht, durchdiskutiert – und löst. Da haben dann die Männer das Jackett wie Rolf Hochhuth nur mal schnell über die Schultern geworfen und balancieren ein Glas Rotwein in den Saal. Da weiß ich dann: Das wird schwer! Für mich - und für die! Im Hofgarten-Theater in Aschaffenburg hatte ich jedoch mal eine Vorstellung, da saßen in der ersten Reihe keine Jackett-Träger, sondern drei Jungs in Trikots des FC Schalke. Statt „Guten Abend“ sagte ich: „Ich kann so nicht arbeiten!“ – und ging wieder ab. Darauf sangen die drei: „Schalke ist der geilste Club der Welt!“ Das konnte ich so natürlich nicht stehen lassen, ging zurück und lieferte mir mit den Drei einen etwa fünfminütigen verbalen Schlagabtausch, nach dem dann auch den Rotweinsäufern im Publikum klar war, in welche Richtung sich dieser Abend entwickeln würde. Bei meinem nächsten Auftritt im selben Theater waren nicht nur die drei Schalker wieder da, sondern auch ein schon vor der Vorstellung herzhaft betrunkener Bochumer, außerdem Anhänger von Eintracht Frankfurt, Kickers Offenbach, Mainz 05 und sogar Darmstadt 98 und Hessen Kassel. Alle in Trikots!



Frank Goosen ist Autor, ­Kabarettist, Fußballfan und außerdem Präsidiumsmitglied beim VfL Bochum. 1997 gastierte er zum ersten Mal im Vorderhaus, damals noch im Duo „Tresenlesen“. Sein nächster Auftritt mit dem Programm „Förster, mein Förster“ ist am 1. März 2016.

Oder nehmen wir Heidelberg: Da hatte der Veranstalter für alle Anwesenden zur Voraussetzung gemacht, dass sie in Fußballtrikots erscheinen. Hatten auch alle brav gemacht. Bis auf einen, den ich dann irgendwann von der Bühne herunter fragte, wieso er denn von der Kleiderordnung abweiche. Er gab zurück, dass er Fan des 1.FC Kaiserslautern sei und nur ein einziges Trikot gehabt habe, nämlich eines aus der Saison, in welcher der FCK als Aufsteiger direkt deutscher Meister geworden sei. Und genau dieses Trikot habe die Frau, von der er sich kürzlich getrennt habe, als Racheakt verbrannt! Die Empörung im Saal schlug hohe Wellen. Es wurde erwogen, dieser Frau jetzt sofort einen Besuch abzustatten. Ich fragte den Trikotlosen, wie er denn auf diesen niederträchtigen Akt reagiert habe. Darauf sprach er breit grinsend: „Ich habe alle ihre anderen Klamotten verbrannt!“ Nach der Vorstellung kam es dann noch zu einem regelrechten Bambi-Moment. Ein anderer Lauterer-Anhänger stellte sich vor und eröffnete dem Brandstiftungsopfer, er habe noch ein Trikot aus jener Saison, das könne der Andere gerne haben. Gleich darauf lagen sich zwei Männer weinend vor Glück in den Armen und bewiesen mal wieder, dass das Frauen-Vorurteil, Männer könnten keine Gefühle zeigen, nicht stimmt. Sie sprechen uns nur oft auf die falschen Dinge an. Angeblich werden ja die Männer abends immer nur von ihren Frauen gezwungen, ins Theater zu gehen. Für meine Veranstaltungen gilt aber wohl das Argument: Komm mal schön mit, bei dem kannst du dich auch richtig schick machen! Auch in Freiburg!

34

FABRIK-Rundbrief | Winter 2015/2016

Adressen

FABRIK für Handwerk, Kultur und Ökologie e.V. Habsburgerstraße 9 | 79104 Freiburg | Tel. 0761.50 365-30 | Fax 0761.50 365-55 | www.fabrik-freiburg.de Hausbüro 50 365-30 Vorderhaus-Kulturbüro 50 365-40 Veranstaltungsinfo 50 365-44 Keramik-Werkstatt der FABRIK 50 365-56 Offene Werkstatt Di 16-20, Fr 17-21

www.fabrik-freiburg.de www.vorderhaus.de

AMICA 556 92 51 BAGAGE – Pädagogische Ideenwerkstatt 55 57 52 bagageArt 55 57 31 Mo-Fr 8.30-12, 13-17 Fahrradwerkstatt 5 27 29 Mo-Fr 10-13, 15-18.30 Reparatur in Selbsthilfe Mo-Fr 15-18.30, Sa 10-14 Die Radgeber & Tandemladen (Spechtpassage) 292 76 70 Freiburger Kinderhaus-Initiative 707 68 22 Freie Holzwerkstatt 5 45 31 Mo-Fr 8.30-12.30, 13.30-17 Friedlicher Drache Gertrud Schröder 47 14 85 friga – Sozialberatung 090010-37442 Di-Do 10-15 Kindertagesstätte FABRIK 55 35 95 Mo-Fr 7.30-16 Markt & Strategie Eckhard Tröger 557 46 01 Medien Service Siegfried Wernet 514 57-16 Motorradclub Kuhle Wampe Mi 20.30 Motorradclub Weingarten Fr 20 Naturschule Freiburg 2 44 08 Di, Mi, Fr 9-12 Do 13-16 Probe — Projektberatung in der FABRIK 27 28 39 schwarz auf weiss Druck & Litho 514 57-0 The Move — Neuer Tanz im Alten Saal 707 85 33 Vorderhaus Gaststätte 557 70 70 Mo-Sa ab 12, So ab 10 Wochenmarkt in der FABRIK 590 09 83 Sa 9-13 Zett [di’zain] Günther Zembsch 514 57-18

www.amica-ev.org www.bagage.de www.bagageArt.de www.fahrradwerkstatt-freiburg.de

www.fabrik-keramik.de

N E R U FIG R E T A E H T TAGE

www.radgeber-freiburg.de www.freiburger-kinderhausinitiative.de www.wir-machen-moebel.de www.friedlicherdrache.de www.friga-freiburg.de www.marktundstrategie.de www.freiburg.kuhle-wampe.de www.mcw-freiburg.de www.naturschule-freiburg.de www.sawdruck.de www.move-freiburg.de www.vorderhaus-restaurant.de

K U LT U R I N D E R FABRIK

2016 . 2 0 . 6 20 .-2

35

View more...

Comments

Copyright � 2017 SILO Inc.