DEUTSCHLANDS WIRTSCHAFTS- UND FINANZZEITUNG. Die Wahrheit

October 22, 2016 | Author: Sigrid Jutta Gerhardt | Category: N/A
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G 0 2531 NR. 185 / PREIS 2,30 ¤

DEUTSCHLANDS WIRTSCHAFTS- UND FINANZZEITUNG

FREITAG / SAMSTAG 23. / 24. SEPTEMBER 2011

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Belgien 2,90 ¤ Frankreich 3,40 ¤ Großbritannien 3,00 GBP Luxemburg 2,90 ¤ Niederlande 2,90 ¤ Österreich 2,90 ¤ Polen 18,40 PLN Schweiz 5,00 CHF Tschechien 115,00 CSK Ungarn 950,00 FT Slowakei 2,90 ¤

Die Wahrheit

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La Verità. Il debito nazionale ufficiale ammonta a duemila miliardi di euro. Ma una gran parte dei diritti legali dei pensionati, Die offizielle Staatsschuld beträgt zwei Billionen della spesa sanitaria e per i Euro. Doch ein Großteil der Rechtsansprüche bisognosi non sono inclusi in von Rentnern, Kranken und Pflegebedürftigen questa cifra. Recenti calcoli ist in dieser Zahl nicht berücksichtigt. Neueste imputano allo stato una Berechnungen beziffern die heimliche Staatsschuld somma nascosta di ulteriori cinquemila miliardi di euro. auf zusätzliche fünf Billionen Euro. La Germania si SEITEN 35 bis 39 sopravvaluta Con il migliore rating sul HANDELSBLATT-EXTRA: credito e i tassi più bassi, la Das große Schulden-Poster Germania è la prima della classe della zona euro. Le apparenze però ingannano. I cambiamenti demografici aumentano il fardello della sicurezza sociale con un'ipoteca dell'ordine delle migliaia di miliardi e rischi per il salvataggio dell'euro. I tedeschi devono dunque affidarsi di più alla previdenza privata per la loro vecchiaia. Dirk Heilmann Düsseldorf

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Kunst-Spezial: Die attraktivsten Kunstwerke – auf acht Sonderseiten Klassische Moderne

Alte Kunst

Zeitgenössische Kunst

Die besten Adressen zum Kauf von Werken des Expressionismus. Wie sich ein Preis bildet. SEITEN 60, 61

Was ein Sammler wissen muss. Warum alte Kunst oft weniger kostet als moderne Kunst. SEITEN 62 bis 63

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34 DIE DEUTSCHE VERSORGUNGSLÜCKE

35

FREITAG / SAMSTAG, 23. / 24.09. 2011, Nr. 185

Deutschland übernimmt sich

ten auf künftige Generationen zu verteilen. Denn die sind ja noch nicht wahlberechtigt. Es ist vertretbar und richtig, sich in Krisen zu verschulden und die Schulden im nachfolgenden Boom wieder abzutragen. Aber die Erfahrung zeigt, dass die Politik immer gerne bereit ist, sich mit irgendwelchen Ausreden um den zweiten Teil zu drücken.

Mit Topbonitätsnoten und extrem niedrigen Zinsen ist Deutschland der Musterschüler im Euro-Raum. Doch der Schein trügt: Der demografische Wandel belastet die Sozialkassen mit einer Hypothek in Billionenhöhe und die Risiken der Euro-Rettung steigen. Darum müssen die Deutschen mehr private Vorsorge für das Alter treffen. drückt: „Allen Lösungen ist eines gemeinsam: Letztlich wird das Geld des deutschen eutschland, so scheint es, ist eine Steuerzahlers dazu genutzt, die SchuldenInsel der Seligen in der globalen krise in anderen Ländern zu beenden.“ Schuldenkrise. Gerade erst hat die Hat sich Deutschland also übernommen? Ratingagentur Fitch die Bestnote Selbst wenn die Lösung der Euro-Krise ge„AAA“ für die wirtschaftliche Führungs- lingt, ohne dass ein großer Teil der Garanmacht der Euro-Zone bekräftigt. Sie lobt tien fällig wird, bleiben genug langfristige das ambitionierte Konsolidierungspro- Probleme für die Staatsfinanzen. „Deutschgramm der Bundesregierung und die Stärke land hat sich weit mehr überdehnt als es die der deutschen Wirtschaft. meisten Leute wahrhaben wollen“, warnte Deutschland – ein sicherer Hafen. So se- Harvard-Professor Kenneth Rogoff im Gehen es die internationaspräch mit dem Handelslen Investoren. Darum blatt. Die steigenden AusSCHULDEN-KANZLER konnte der Bund auch gaben für die alternde am Mittwoch eine zehnBevölkerung seien in Helmut Schmidt: In seiner Amtsjährige Anleihe mit eiden Sozialsystemen zeit brachen die Dämme. Der nem Zinskupon von nicht wirklich finanziert. Schuldenstand vervierfachte nur 1,8 Prozent an die Sein Fazit: „Deutschland sich in den Jahren 1974 bis 1982 Anleger bringen. 4,2 kann sich keineswegs beinahe und stieg auf umgerechMilliarden Euro gingen den Luxus leisten, für net über 300 Milliarden Euro. zur niedrigsten Verzinganz Europa zu garantiesung aller Zeiten proren.“ Helmut Kohl: 1982 als Sanierer blemlos weg. Der Freiburger Finanzder Finanzen angetreten, finanDoch die Wahrheit wissenschaftler Bernd zierte er die Wiedervereinigung ist, dass Deutschland Raffelhüschen bringt die über Schulden und über die Sozinicht mehr ist als der Dimension des Problems alkassen. Er vervierfachte die offisprichwörtliche Einäuin seinen jährlichen Stuzielle Staatsschuld auf 1,2 Billiogige unter Blinden. Die dien zur Nachhaltigkeitsnen Euro und ließ eine NachhalStaatsverschuldung hat lücke der deutschen tigkeitslücke von zehn Billionen erstmals die Grenze Staatsfinanzen auf den Euro aufklaffen. von zwei Billionen Punkt. Dabei fasst er die Euro überstiegen und expliziten, also offen ausGerhard Schröder: Er kritisierte liegt mit zuletzt mehr gewiesenen Staatsschul1998 die finanzielle Erblast Kohls als 83 Prozent des Brutden und die impliziten und versprach Sparsamkeit. Er ertoinlandsprodukts weit Schulden, die sich aus höhte den Schuldenberg binnen über der Grenze des der Unterdeckung der sieben Jahren auf 1,5 Billionen Maastrichter Vertrags Sozialkassen und den Euro, senkte aber durch Reforvon 60 Prozent. Pensionslasten ergeben, men die implizite Verschuldung Die Bundesregierung zu einer schockierenden auf die Hälfte. peilt in ihrer mittelfristiZahl zusammen: Zu den gen Finanzplanung an, zwei Billionen Euro offiAngela Merkel: In der Großen sie bis 2015 auf 71 Proziellen Schulden komKoalition 2005-09 schaffte sie zent zurückzuführen. men fünf Billionen verzweimal kleine HaushaltsüberDoch damit das gelingt, deckte Schulden hinzu. schüsse, doch die globale Finanzmuss alles gut laufen: Umgerechnet heißt das, krise fegte alle Pläne vom Tisch. Die Wirtschaft muss dass jeder jetzt lebende Die Bilanz bis heute: 500 Milliarweiter ordentlich wachDeutsche bis an sein Leden Euro mehr Schulden. sen, die Steuereinnahbensende zusätzlich 307 men müssen sprudeln Euro im Monat an den und vor allem muss sich die Schuldenkrise Staat abführen müsste, um die Schuldenlast in der Euro-Zone bald beruhigen. abzutragen. Der Staat wird sich also bei einer alternDoch danach sieht es im Moment nicht aus. Die Haftungsrisiken für Deutschland den und schrumpfenden Bevölkerung imaus der Euro-Krise sind nach Berechnungen mer weniger soziale Wohltaten leisten köndes Münchener Ifo-Instituts schon auf 465 nen. Das Rentenniveau hat er schon empMilliarden Euro angewachsen. Und diese findlich abgesenkt: Bekamen Rentner vor Zahl gilt nur, wenn sich ein Zahlungsausfall zehn Jahren noch 53 Prozent des letzten auf Griechenland, Portugal und Irland be- Bruttoeinkommens als Rente ausbezahlt, grenzen lässt. Wenn Italien fällt, dann sind sind es heute nur noch 48 Prozent und 2035 werden es weniger als 40 Prozent alle Prognosen Makulatur. Trotz Bestnote „AAA“ hätten die interna- sein, schätzt Raffelhüschen. Der Bedarf an tionalen Anleger die Gefahr bereits er- zusätzlicher privater Vorsorge steigt also. kannt, warnt Ifo-Präsident Hans-Werner Hinzu kommt, dass die NachhaltigkeitslüSinn. Er weist darauf hin, dass die Prämie cke in der Gesundheits- und Pflegekasse für eine Versicherung deutscher Staatspa- einschneidende Leistungskürzungen erforpiere gegen einen Zahlungsausfall in den dern wird. Die Versorgungslücke wächst also. In den vergangenen Wochen deutlich gestiegen ist. Sie betrage jetzt für zehnjährige Anleihen kommenden zwei Wochen werden wir deshalb im Zuge der großen Handelsblatt-Serie ein Prozent – wie in Großbritannien. Nun rächt sich, dass sich bei jeder neuen „Die deutsche Versorgungslücke“ analysieWendung der Schuldenkrise sofort begehrli- ren, welche Lücken drohen, was die Deutche Blicke auf Deutschland richten. US-Öko- schen schon getan haben, um sie zu schlienom Nouriel Roubini hat das treffend ausge- ßen, und was sie noch tun können.

Handelsblatt: Doch wann sind Schulden zu hoch? Hat die von den US-Ökonomen Rogoff und Reinhart genannte Grenze von 90 Prozent des BIP, ab der Schulden das Wachstum lähmen, ihre Berechtigung? Sinn: Ja, ich denke schon. Bei Italien dachte man lange, eine Schuldenlast von 120 Prozent des BIP sei verkraftbar. Nun merken wir, dass das nicht stimmt. Italien hat lange Zeit davon profitiert, dass sich die Zinsen im Euro-Raum angenähert hatten, hat aber den gesamten Zinsvorteil verfrühstückt. Das macht Deutschland derzeit genauso, denn obwohl die Krise die Zinsen für den deutschen Staat auf einen historischen Tiefpunkt getrieben hat, spart der Staat nicht, sondern macht neue Schulden. Summa summarum zeigt die Erfahrung, dass Schuldenregeln gar nicht strikt genug sein können. Seien wir froh, dass es die vorige Bundesregierung geschafft hat, die Schuldenbremse ins Grundgesetz aufzunehmen. Das war ein großer Erfolg.

Dirk Heilmann Düsseldorf

D

HANS-WERNER SINN

„Es kommen große Lasten auf Deutschland zu“

Der Wissenschaftler Hans-Werner Sinn hat 1999 das Ifo-Institut in München als Präsident übernommen und hat es vom Problemfall zum wohl einflussreichsten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitut gemacht. Er gilt als einer der international renommiertesten deutschen Ökonomen und hat seine Bereitschaft erkennen lassen, noch fünf Jahre an der Institutsspitze dranzuhängen.

Der 1948 in Brake geborene Sinn ist ein streitbarer Westfale. Er sieht es als seine Pflicht als Ökonom an, sich zu großen politischen Fragen zu Wort zu melden. So kritisierte er die handwerklich missglückte wirtschaftliche Wiedervereinigung und behielt in vielen Punkten Recht. So könnte es ihm auch im Streit um die Euro-Schuldenkrise gehen, bei der er früh für eine Umschuldung Griechenlands warb. Damit verscherzte er es sich allerdings mit der Bundesregierung, die in früheren Jahren oft seinen Rat gesucht hatte.

Handelsblatt: Und der nächste große Schub war die Wiedervereinigung. Sinn: Genau. Helmut Kohl hat versprochen, dass für die Wiedervereinigung keine Steuern erhöht würden. So stieg die Schulden-

Handelsblatt: Mal von diesem außerordentlichen Ereignis abgesehen – warum steigt die Schuldenlast so unaufhaltsam? Sinn: Demokratische Regierungen neigen dazu, Schulden zu machen und so die Las-

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Hans-Werner Sinn macht sich Sorgen um die Zukunft der deutschen Staatsfinanzen. Die Lasten der Wiedervereinigung und der Finanzkrise haben den Schuldenberg wachsen lassen und eine schrumpfende Bevölkerung muss nun die Lasten tragen, sagt er. Noch dazu kommen die kostspieligen Rettungsaktionen für Krisenländer der Währungsunion.

Handelsblatt: Auf jeden Fall zeigen die impliziten Schulden, welcher Reformbedarf noch besteht. Lassen sich die Renten sichern, ohne dass uns die impliziten Schulden über den Kopf wachsen? Sinn: Es gilt die einfache Weisheit: Eine Gesellschaft, die im Alter gut leben will, muss entweder Kinder haben oder sparen. Wenn sie beides nicht tut, muss sie hungern. Da die Deutschen eine extrem niedrige Geburtenrate haben, müssen sie das, was sie nicht in die Erziehung ihrer Kinder investieren, am Kapitalmarkt anlegen. Aber Vorsicht: Man kann nicht in ausländischen Staatspapieren sparen. Das Geld kriegt man im Zweifel nicht zurück.

Thorsten Jochim für Handelsblatt (3)

last wegen der Vereinigung um ein bis eineinhalb Billionen Euro. Es war ja nicht ganz irrational, zu sagen, dass man eine solche einmalige Last per Kreditaufnahme auf mehrere Generationen verteilen sollte. Aber es war trotzdem falsch, denn es war bekannt, wie sich die demografische Lage in Deutschland entwickeln würde. Es wird den kleineren künftigen Generationen schwerfallen, die bei der Wiedervereinigung aufgebauten Schulden zu bedienen. Hätte man stattdessen die Steuern erhöht, dann wäre auch nicht so viel Geld für überflüssige Subventionen verschwendet worden.

Handelsblatt: Außer dass eine Staatsanleihe auf einem privatrechtlichen Vertrag beruht und ihr Wert nicht durch politische Entscheidungen änderbar ist. Sinn: So groß ist der Unterschied nicht. Eine Regierung kann Staatsanleihen durch Inflation entwerten oder die Vermögen besteuern. Ein Staat hat viele Möglichkeiten, Schulden loszuwerden. Auch der Konkurs gehört dazu. Die Märkte erwarten heute, dass Deutschland innerhalb von zehn Jahren mit bis zu zehn Prozent Wahrscheinlichkeit in Konkurs geht, denn die Versicherungsprämie für zehnjährige Staatsanleihen ist auf ein Prozent pro Jahr gestiegen. Die Rettung steckt also auch die bisher gesunden Staaten an.

Der Debattierer

Der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, warnt im Gespräch mit Handelsblatt-Redakteur Dirk Heilmann vor enormen Risiken für den deutschen Staatshaushalt aus der Euro-Schuldenkrise. Er fürchtet, dass Europas Politiker dem guten Geld schlechtes hinterherwerfen und die Lösung der wirklichen Probleme der nachfolgenden Generation hinterlassen werden. Handelsblatt: Herr Professor Sinn, die Bundesrepublik ist praktisch schuldenfrei durch das Wirtschaftswunder gekommen. Wer hat den Grundstein für unser heutiges Schuldenproblem gelegt? Hans-Werner Sinn: Das war ab 1969 die sozialliberale Koalition. In der Amtszeit von Helmut Schmidt verdoppelte sich die Staatsverschuldung von 20 auf 40 Prozent des BIP, obwohl die Wirtschaft stürmisch wuchs. Damals sprach man von öffentlicher Armut und privatem Reichtum und baute überall Schwimmbäder. Die FDP blockierte Steuererhöhungen, also machte man Schulden.

Handelsblatt: Solche Konzepte berücksichtigen allerdings nicht die impliziten Staatsschulden, die in den Zahlungsversprechen der Sozialkassen lauern. Sinn: Das ist richtig. Implizite Schulden sind zweifellos Staatsschulden, denn wer etwa in die Rentenversicherung eingezahlt hat, der hat Ansprüche. Aber es ist gar kein Geld vorhanden, um diese Ansprüche zu decken, denn die Beiträge werden ja jeweils von der aktuellen Rentnergeneration aufgezehrt. Der Anspruch richtet sich also an künftige Generationen, die der Staat dafür zur Kasse bitten wird – genauso wie bei einer Staatsanleihe.

Handelsblatt: Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat unsere Schuldenlast weiter in die Höhe getrieben und die Euro-Schuldenkrise bürdet uns zusätzliche Risiken auf. Wie nachhaltig sind die deutschen Staatsfinanzen? Sinn: Es kommen noch große Lasten auf Deutschland zu. Wenn überhaupt, so werden die südlichen Länder ihre Schulden mit dem Geld zurückzahlen, das wir ihnen vorher als Transfers haben zukommen lassen. Und die

390 Milliarden Euro, die die Bundesbank den peripheren Ländern über die EZB in den letzten drei Jahren zu einem negativen Realzins geliehen hat, kommen bestimmt nicht mehr zurück. Wenn der Euro kollabiert, sind sie weg. Wenn nur die Südländer pleitegehen, verlieren wir ein Drittel davon. Jedes Jahr, in dem wir die Leistungsbilanzdefizite der südlichen Länder durch das EZB-System oder die Rettungsschirme weiter finanzieren, erhöht sich die Schuldenlast dieser Länder um etwa 100 Milliarden Euro. Und je größer diese Schulden werden, desto unwahrscheinlicher wird es, dass sie zurückgezahlt werden. Es wird für die Politiker immer schwerer, einen Kurswechsel durchzusetzen. Sie werfen immer mehr gutes Geld dem schlechten hinterher und überlassen das Problem der jeweils nachfolgenden Politikergeneration. Handelsblatt: Was müsste jetzt im Fall Griechenland getan werden? Sinn: Im Falle Griechenlands ist im Grunde Hopfen und Malz verloren. Seit über drei Jahren wird deren Leistungsbilanzdefizit vollständig von der Zentralbank finanziert. Das Beste wäre, die nächste Tranche an Gemeinschaftskrediten nicht auszuzahlen. Dann wird Griechenland zur Abwendung des Konkurses aus dem Euro austreten und seine Staatsschulden in Drachmen umwandeln. Austritt, Abwertung und automatischer Schuldenschnitt durch Abwertung sind heute die einzigen Möglichkeiten, das Land wieder auf die Beine zu stellen. Je mehr Geld aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) fließt, desto länger bleiben die Außenhandelsdefizite erhalten. Die Südländer müssen sich gesundschrumpfen, also relativ zu anderen Ländern billiger oder ärmer werden oder beides, denn anders können sie ihren Importüberhang nicht wegbringen. Die Politik redet immer davon, dass man aus den Problemen herauswachsen könne. Das macht mich als Volkswirt nervös. Wenn man über seine Verhältnisse lebt, kann man sich nur gesundschrumpfen. Handelsblatt: Was fehlt dem ESM? Sinn: Ein richtiger Krisenmechanismus, der regelt, wie ein Land behandelt wird, das Zahlungsschwierigkeiten hat, und zwar in verschiedenen Abstufungen von der Liquiditätskrise über die drohende Insolvenz bis zur vollen Insolvenz. Ein Land, das in eine Liquiditätskrise kommt, sollte zwei Jahre lang Liquiditätshilfen bekommen. Wenn eine Insolvenz droht, muss das Land mit seinen Gläubigern für die jeweils fällig werdenden Tranchen der Staatsschulden, die es nicht bedienen kann, einen Haircut vereinbaren. Man muss das Problem Schritt für Schritt abarbeiten und nicht die gesamte Schuld auf einmal fälligstellen. Auf jeden Fall müssen die Investoren an den Verlusten beteiligt werden, sonst geht das Spiel immer weiter. Handelsblatt: Und wenn darüber Banken pleitegehen? Sinn: Dann müssen sie vorübergehend einen staatlichen Miteigentümer akzeptieren. Das ist besser, als Geld zu verschenken, denn man muss die Banken retten, nicht deren Aktionäre. Es ist im Übrigen billiger, die Banken zu retten, als einen überhöhten Lebensstandard ganzer Völker zu finanzieren. Handelsblatt: Was halten Sie von der Idee eines europäischen Finanzministers? Sinn: Nichts. Jedes Gremium, das bei der jetzigen Machtverteilung in Europa über unser Geld verfügen kann, wird zum Nachteil Deutschlands entscheiden. Um die Aufnahme neuer Schulden zu begrenzen, braucht man keinen Euro-Finanzminister und keine politischen Schuldengrenzen, denn die Krisenländer kriegen eh keine Kredite am Finanzmarkt mehr. Man muss nur das Geld aus dem ESM knapp halten. Handelsblatt: Ich danke für das Interview.

32 FINANZEN & BÖRSEN

FREITAG / SAMSTAG, 23. / 24.09. 2011, Nr. 185

Rüdiger Wölk/Imago

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T-Mobile-Filiale am Broadway in New York: Die Deutsche Telekom versucht vor Gericht, den 39 Milliarden Dollar schweren Verkauf seiner US-Tochter an AT&T doch noch zu retten.

Trübe Aussichten Nach den ersten drei Quartalen stehen die Investmentbanken noch gut da. Sie kassieren hohe Provisionen. Das kann sich bald ändern. P.Köhler, R. Landgraf, C. Panster Frankfurt

F

ür den Deutschland-Chef der Investmentbank Rothschild steht fest: Im Geschäft mit Fusionen und Übernahmen (M&A) gibt es krisenbedingt eine Zweiteilung. „Die Mehrheit der großen, global aufgestellten Konzerne steht ausgezeichnet da und besitzt starke Bilanzen“, sagt Martin Reitz. Angesichts der beschleunigten Globalisierung kauften sie neue Unternehmen auch in Phasen von Unsicherheit. Anders bei Firmen, die nicht so gut dastehen und eine schlechte Bonitätsbewertung aufweisen. „Sie müssen verstärkt den Kapitalmarkt nutzen, da sich Banken bei der Kreditvergabe an diese Adressen tendenziell zurückhalten“, ergänzt er. Diese Zweiteilung zeigt sich deutlich im Ergebnis der deutschen M&A-Branche: In den ersten neun Monaten des Jahres bestimmten große Übernahmen wie der geplante Verkauf von T-Mobile USA an den amerikanischen Telekomkonzern AT&T das Geschäft. 39 Milliar-

den Dollar will die Deutsche Telekom dafür einnehmen. Ein großer Brocken ist auch die Fusion von Deutscher Börse und New York Stock Exchange im Wert von 12,2 Milliarden Dollar. Dank solcher Transaktionen lief das Geschäft mit Unternehmensübernahmen bislang gut. Das Volumen summiert sich deutschlandweit auf 114,9 Milliarden Dollar, hat Finanzdatenanbieter Thomson Reuters errechnet – ein Plus von 86 Prozent gegenüber den Vorjahreszahlen. Selbst im globalen Vergleich ein Spitzenwert: Weltweit stieg das Volumen um 17 Prozent auf 1,98 Billionen Dollar. Doch das gute erste Halbjahr verzerrt das Bild: Im dritten Quartal addierten sich die Deals auf magere 13,1 Milliarden Dollar. „Die gute Stimmung des Früh-

jahrs 2011 hat sich zweifellos verschlechtert“, urteilt Wolfram Schmerl, Chef des Investment-Bankings bei Hauck & Aufhäuser. Das liege nicht nur daran, dass die Finanzierung von Übernahmen schwieriger geworden sei. Auch dauerten die Transaktionsprozesse länger und lägen bei sechs bis acht Monaten zwischen Projektstart und Abschluss der Kaufverträge. Große multinationale Konzerne erhielten zur Finanzierung von Übernahmen selbst in schwierigen Zeiten von den Banken weiterhin extrem günstige Konditionen, sagt Reitz: „Teilweise sind die Kredite billiger, als sich die Banken am Markt refinanzieren können.“ Die Institute setzten oftmals auf das Investment-Banking, wo sie mit den TopUnternehmen im Segment M&A, Ka-

pitalerhöhungen und Anleiheemissionen Geld verdienen wollten. Bislang geht die Rechnung auf. Die Gebühreneinnahmen im Investment-Banking in Deutschland sind kräftig auf knapp zwei Milliarden Dollar gestiegen. Damit kassierten die Banken rund 30 Prozent höhere Provisionen als im Vorjahr. Es herrscht Zufriedenheit unter den Bankern. Die Deutsche Bank als Marktführer belegte weiterhin mit Abstand den ersten Platz und kassierte 202,6 Millionen Dollar in den ersten drei Quartalen, wie Thomson Reuters errechnete. Damit kassierte sie 10,4 Prozent aller Prämien. Nach der Deutschen Bank folgt mit deutlichem Abstand auf Platz zwei Goldman Sachs mit Provisionseinnahmen von knapp 140 Millionen Euro, die Plätze drei und

vier belegen JP Morgan Chase und Commerzbank. Neben M&A lief es vor allem bei Kapitalerhöhungen rund. Größte Emission war mit Abstand die Kapitalerhöhung der Commerzbank im Volumen von knapp 14 Milliarden Dollar. Bei Börsengängen läuft dagegen nicht viel. Wegen des niedrigen Bewertungsniveaus infolge des Kurssturzes schieben viele Unternehmen ihre Emissionsprojekte vor sich her. Dazu gehören etwa die Siemens-Tochter Osram und der Chemiehersteller Evonik, die die geplanten milliardenschweren Börsengänge verschoben haben. Das Geschäft mit Anleiheemissionen war in den ersten neun Monaten mit einem Plus von 21 Prozent beachtlich, auch wenn es hier zuletzt zu einem Rückschlag kam.

Führende Banken in Deutschland 1. bis 3. Quartal 2011 nach Geschäftsbereichen Fusionen und Übernahmen*

Gebühren Investment-Banking

Rang

Rang

Bank

Vol. in Mrd. $

Bank

Aktienemissionen Vol. in Mio. $

Rang

Bank

Anleiheemissionen Vol. in Mrd. $

Rang

Bank

Vol. in Mrd. $

1 (6)

Credit Suisse

68,7

1 (1)

Deutsche Bank

203

1 (6)

Goldman Sachs

7,2

1 (1)

Deutsche Bank

41,5

2 (3)

JP Morgan

65,7

2 (2)

Goldman Sachs

140

2 (2)

Deutsche Bank

4,7

2 (2)

Unicredit

23,0

3 (2)

Deutsche Bank

65,2

3 (6)

JP Morgan

133

3 (9)

UBS

3,3

3 (7)

Barclays Capital

19,3

90

4 (1)

JP Morgan

2,8

4 (9)

UBS

19,3

4 (19) Citi

59,9

4 (5)

Commerzbank

5 (18) Morgan Stanley

55,1

5 (8)

UBS

88

5 (3)

HSBC Holdings

2,4

5 (5)

HSBC Holdings

17,7

6 (67) Greenhill & Co

39,1

6 (3)

Morgan Stanley

82

6 (5)

Citi

1,8

6 (4)

JP Morgan

16,6

7 (20) Evercore Partners

39,0

7 (-)

Credit Suisse

79

7 (4)

Bank of America Merrill 1,5

7 (8)

Commerzbank

16,4

Goldman Sachs

29,2

8 (10) HSBC Holdings

79

8 (-)

ING

1,5

8 (23) Citi

9 (11) Barclays Capital

15,6

9 (-)

Citi

73

9 (8)

Commerzbank

1,2

9 (3)

14,1

10 (-)

Barclays

72

0,9

10 (6)

8 (1)

10 (10) BNP Paribas Handelsblatt

10 (13) Credit Suisse

Stand: 23.9.2011, Angaben gerundet, in Klammern Rang des Vorjahreszeitraums; *bei einzelnen Banken gilt Volumen der Gesamttransaktion, Doppelzählungen

BNP PARIBAS

14,6

DZ Bank

13,8

BNP Paribas

12,7

Quelle: Thomson Reuters

Stark will Staaten Souveränität entziehen

Streit um Mittelstandsgeschäft der WestLB

FRANKFURT. Die Schuldenkrise in Europa bedroht nach einem Papier von hochrangigen Mitarbeitern der Europäischen Zentralbank (EZB) die Existenz der Währungsunion. Um die Euro-Zone zu stabilisieren, schlagen die Autoren um Direktoriumsmitglied Jürgen Stark vor, Länder unter finanzielle Zwangsverwaltung zu stellen, wenn diese die Ziele zur Haushaltssanierung nicht erfüllen. Das Papier wurde am Donnerstag auf der EZB-Internetseite veröffentlicht. „Die stark gewachsenen Haushaltsungleichgewichte drohen die Stabilität, das Wachstum und die Beschäftigung ebenso zu untergraben wie die Tragfähigkeit der Wirtschaftsund Währungsunion selbst“, heißt es in der Analyse. Die Autoren, zu denen der Leiter der Direktion Geldpolitik, Philippe Moutot, und der Leiter der Division Fiskalpolitik, Ludger Schuknecht, gehören, schlagen zur Abhilfe weitreichende Einschränkungen der finanzpolitischen Souveränität der Mitgliedstaaten vor. Der Umgang mit der Schuldenkrise ist innerhalb der EZB umstritten. Stark hat seinen Rücktritt zum Jahresende angekündigt, wobei allgemein sein Missfallen über die Käufe von Staatsanleihen durch die EZB als Grund vermutet wird.

Thomas Bauer Frankfurt

Quantensprung angemahnt In der Analyse mit dem Titel „Der Stabilitäts- und Wachstumspakt – Krise und Reform“ werden die aktuellen vor allem auf nationalen Regeln zur Schuldenbegrenzung basierenden Reformbemühungen zwar als Schritte in die richtige Richtung begrüßt. Sie stellten aber nicht den nötigen „Quantensprung“ dar, der benötigt werde. Deshalb sprechen sich Stark und seine Koautoren für eine Genehmigungspflicht für nationale Haushaltsdefizite auf europäischer Ebene aus, wo diese „sichere Niveaus“ übersteigen, sowie finanzielle Zwangsverwaltung, falls von Zielen der Anpassungsprogramme abgewichen wird. Außerdem sollten automatische Geldbußen verhängt werden, wenn Haushaltsdefizite drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigen. Unabhängige Einrichtungen sollen auf nationaler und europäischer Ebene die Einhaltung der Regeln überwaBloomberg/noh chen.

Allianz-Tochter Pimco geht in den USA neue Wege

BMW nimmt Refinanzierung eines Milliardenkredits vor

Europa zahlt für 15-jährige Anleihe so viel wie Frankreich

Commerzbank im Fall eines Zahlungsausfalls vor Dominoeffekt

Die französische Bank BNP Paribas SA plant Stellenstreichungen in „erheblichem“ Umfang in der Investmentbanksparte. Das sagte Konzernchef Baudouin Prot gestern im Gespräch mit dem Radiosender BFM in Paris. Betroffen seien bei dem Spitzeninstitut des Landes vornehmlich die Sparten für die Geschäftskunden und das Investment-Banking, sagte Prot, ohne genaue Zahlen zu nennen. Der Stellenabbau werde gewichtig sein, aber nicht das Ausmaß erreichen, das angelsächsische Banken kürzlich angekündigt hatten. Im RetailBanking seien keine Veränderungen zu erwarten. Prot wies zugleich Berichte zurück, wonach die Bank einen Investor aus dem Nahen Osten für sich gewinnen wolle. Die britische „Financial Times“ hatte zuvor berichtet, die Bank sei mit dem Golfstaat Katar in Gesprächen über eine BNP-Chef Baudouin Prot. Beteiligung. Bloomberg

Die Allianz-Tochter Pimco, der weltgrößte Anleihehändler, verstärkt sein Engagement im Aktiengeschäft und stößt zusätzlich in Bereiche vor, in denen sich sonst Hedge-Fonds und Finanzinvestoren tummeln. Der neue Pimco-Fonds Bravo liebäugelt mit Beteiligungen an krisengeschüttelten Banken in den USA. Ein erster Deal bahnt sich nun in North Carolina an. Im Visier hat Pimco die Kommunalbank ECB Bancorp. Konkret geht es um eine Beteiligung von knapp 20 Prozent. Dazu steckt der Fonds 25 Millionen Dollar, 18,5 Millionen Euro, in die ECB, die fast 80 Millionen Dollar Kapital braucht. Reuters

Der Auto-Hersteller BMW nimmt nun die Refinanzierung eines großen Konsortialkredits in Angriff. Die neue Kreditlinie solle ein Volumen von insgesamt sechs Milliarden Euro haben, was in etwa auf dem bisherigen Niveau läge, teilten die federführenden Banken mit. Das Darlehen über acht Milliarden Dollar stammt aus dem November 2005 und hat eine Laufzeit bis 2012. Der neue Konsortialkredit soll fünf Jahre bestehen, könne aber zweimal für jeweils ein Jahr verlängert werden. Die Transaktion wird federführend von BNP Paribas, Citigroup, Deutscher Bank und UniCredit organisiert. Reuters

Die EU hat die zweite Anleihe zur Refinanzierung der Hilfen an Portugal begeben und darüber vier Milliarden Euro eingesammelt. Die Anleihe hat mit 15 Jahren die bislang längste Laufzeit aller EU-Bonds. Die Rendite von 3,06 Prozent entsprach genau der, die Investoren im Handel für eine 15-jährige französische Staatsanleihe verlangten. Im Vergleich zu einem 15-jährigen deutschen Bond lag der Renditeaufschlag bei gut 0,7 Prozentpunkten. Insgesamt hat die EU seit Jahresanfang Anleihen über gut 24 Milliarden Euro begeben. In diesem Jahr rechnen Banker mit keinem großen neuen EU-Bonds mehr. cü

Europäischen Banken sind im Falle eines Zahlungsausfalls von Griechenland von einem „Dominoeffekt“ an den Anleihemärkten bedroht. Dies sagte Markus Beumer, Mittelstandsvorstand der Commerzbank, gestern in Brüssel. Die Institutionen wären in der Lage, einen Zahlungsausfall Griechenlands zu verkraften, unabhängig davon, wie hoch die Verluste der Anleihegläubiger seien, sagte Beumer. Seine größere Sorge gelte den Effekten auf Spanien, Portugal, Irland oder Italien: „Wir haben keine Bedenken, mit einem Griechenland-Ausfall fertigzuwerden, aber was danach passiert, weiß niemand“, erklärte er. Bloomberg

Bernd Roselieb für Handelsblatt

Französische Großbank plant Abbau von Stellen in der Investmentbanksparte

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33

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Die Sparkassen und HSBC Trinkaus befürchten, bei den Verkaufsverhandlungen benachteiligt zu werden.

D

ie Privatbank HSBC Trinkaus und die Sparkassen in Nordrhein-Westfalen streiten um die Verteilung des Mittelstandsgeschäfts der Düsseldorfer WestLB. HSBC Trinkaus soll damit gedroht haben, sich als Käufer zurückzuziehen, berichten mehrere Personen, die Einblick in die Abwicklung der WestLB haben. Der Verkaufsprozess ist nicht unterbrochen Die WestLB sagte zu entsprechenden Berichten anfangs nur: „Der Verkaufsprozess ist nicht unterbrochen.“ Auch HSBC Trinkaus lehnt eine Stellungnahme ab. Diese Entwicklung überrascht, da alle Beteiligten bislang mitteilten, dass es keine Interessenüber-

schneidung zwischen den Sparkassen und HSBC Trinkaus gäbe. Die Sparkassen seien an Mittelstandskunden mit bis zu 250 Millionen Euro Jahresumsatz interessiert, HSBC Trinkaus indes an über dieser Schwelle liegenden Großkunden und Kunden, die von der WestLB im Alleingeschäft betreut werden. Die Sparkassen, beziehungsweise ihre beiden Verbände in Nordrhein-Westfalen, wollen das bislang gemeinsam mit der WestLB geführte Mittelstandsgeschäft in eine Verbundbank einbringen. Dies ist Bestandteil der Absprachen im EUBeihilfeverfahren gegen die WestLB. Ein möglicher Käufer für die Sparkassenverbundbank ist bereits gefunden: die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Der Helaba käme damit auch die Funktion einer Sparkassenzentralbank für

große und internationale Transaktionen der Sparkassen in Nordrhein-Westfalen zu. Die Frankfurter prüfen derzeit ebenso wie HSBC Trinkaus die Unterlagen der WestLB. Wie zu erfahren war, sollen dabei sowohl HSBC Trinkaus als auch die Helaba Einblick in die Unterlagen der anderen Seite bekommen haben. WestLB: Kreditportfolio wurde keinem Dritten angeboten Medienberichten zufolge soll die WestLB HSBC Trinkaus ein rund fünf Milliarden Euro großes Portfolio mit Mittelstandskrediten vorgelegt haben, das eigentlich in die Sparkassenverbundbank eingebracht werden soll. Die WestLB wies dies gestern Abend in einer offiziellen Stellungnahme zurück: Das Kreditportfolio sei keinem Drit-

ten angeboten worden. Auch ließen sich die „kolportierten fünf Milliarden Euro in keiner Weise herleiten“. Die Helaba bekräftigt unterdessen, dass sie nur am Verbundgeschäft der nordrhein-westfälischen Sparkassen mit der WestLB interessiert sei. Dies sei auch die klare Position des Sparkassenverbands Hessen-Thüringen, der 85 Prozent der Helaba-Anteile hält. Beobachter zeigen sich von dem Konflikt irritiert und halten zwei Erklärungen bereit: Entweder die nordrhein-westfälischen Sparkassen und die Helaba legten es auf einen Rückzug des Konkurrenten HSBC Trinkaus im Bieterverfahren an, oder HSBC Trinkaus versuche Druck aufzubauen, um ein attraktiveres Kreditportfolio auszuhandeln.

Die Allianz und der Horror

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inanzleute zeichnen gerne Schreckensbilder. Das wissen wir spätestens, seit die Krimiautorin Elizabeth Corley neulich Chefin der Vermögensverwaltung Allianz Global Investors geworden ist. Held ihrer Bücher ist ein Detektiv: „Er jagt einen frauenhassenden Serienmörder, deckt die Hintergründe eines lange vergessenen Mords im Schulmädchenmilieu auf, entlarvt einen Ring von Päderasten und wühlt in Abgründen von Prostitution und organisiertem Verbrechen“, beschreibt die „Wirtschaftswoche“ das Schema der Managerin. Soviel Abgründiges von höchster Stelle scheint zu animieren. „Eine Story wie im Horrorfilm: Drei Amerikaner gehen im Hochsommer schwimmen und sind wenige Tage später tot, weil eine Art Mikrobe ihre Gehirne gefressen hat.“ So verweist Allianz Deutschland im Netzwerk „Facebook“ auf „unsere Top 10 der gefährlichsten Tiere“. Beim „Untier“ handele es sich um ein nur wenige Mikrometer großes „Geißeltierchen“, das bevorzugt in warmen Tümpeln lebe, übermäßig oft im Süden der USA und in Australien. Die Gefahr einer Infektion sei ähnlich gering wie das Risiko, vom Blitz getroffen zu werden. Damit wissen wir nun: Das Tierchen fällt eindeutig ins Revier von Liz Corley. Und: Wir brauchen dafür nicht auch noch eine Versicherung! [email protected]

SEC verklagt Ex-Mitarbeiter von Goldman NEW YORK. Die US-Börsenaufsicht SEC hat eine Klage gegen einen ehemaligen Mitarbeiter von Goldman Sachs wegen Insiderhandels eingereicht. Die Behörde wirft Spencer Mindlin vor, vertrauliche Informationen an seinen Vater weitergegeben zu haben. So sollen sie 2007 und 2008 illegale Gewinne in Höhe von 57 000 Dollar eingestrichen haben. Der 33-Jährige soll an einem Desk für Exchange Traded Funds (ETF) gearbeitet haben – eine Abteilung, in der Derivate gehandelt werden, die die Entwicklung bestimmter Wertpapiere möglichst genau abbilden. Dort soll er vorab Informationen von „massiven, den Markt bewegenden“ Entscheidungen der renommierten Bank gehabt haben, die er für sich genutzt hat, so die Börsenaufsicht. Ein Anwalt der Mindlins wies die Vorwürfe der SEC zurück. Auch der UBS-Händler Kweku Adoboli, der durch unerlaubten Handel rund 2,3 Milliarden Dollar verzockt haben soll, arbeitete an einem ETF-Desk. Die US-Behörden gehen inzwischen deutlich strenger gegen Insidergeschäfte vor und haben in dem aufsehenerregenden Fall um den Hedge-Fonds Manager Raj Rajaratnam mehrere Personen hinter asd Gitter gebracht.

Jochim für Handelsblatt

Warnung Deutschland stehen schwere Zeiten bevor, sagt Hans-Werner Sinn, Chef des Ifo-Instituts. Seite 34

Die Stunde der Berufs optimisten

Staatsanwälte und UBS uneins über Betrugsvorwürfe

Europas Spitzenbanker werden nicht müde zu betonen, dass ihre Branche bestens auf eine neue Krise vorbereitet sei. Die Investoren glauben ihnen das allerdings nicht.

Die illegalen Geschäfte im Fall Adoboli reichen bis ins Jahr 2008 zurück. Derweil kämpft UBS-Chef Grübel nicht nur um seinen Job, sondern auch um sein Geschäftsmodell.

Hohe Risikoprämien Kosten für fünfjährige Kreditausfallversicherungen (CDS) in Prozent der zu versichernden Summe

Unicredit 3,5 2,5 1,5 1.7.’11

G

iuseppe Mussari tut, was er tun muss: er beruhigt. Die Herabstufung der italienischen Banken durch die Ratingagentur Standard & Poor’s habe keine gravierenden Auswirkungen auf die Kreditinstitute, sagte er gestern. Mussari ist Präsident des italienischen Bankenverbandes (ABI) und damit derzeit oberster Gesundbeter von Rom. Unterstützung erhält er von Corrado Passera, dem Chef von Intesa Sanpaolo, der zweitgrößten Bank Italiens. Dieser sagte am Rande einer Veranstaltung in Vicenza, dass Italiens Finanzkonzerne gut dastünden. Schon in den Jahren 2008 und 2009 hätten sie bewiesen, dass sie Krisen durchaus standhielten. Und so werde es auch diesmal sein, prophezeite Passera. Das Dumme daran: Die Investoren wollen ihm nicht so recht glauben. Auch gestern kletterten die Prämien für Kreditausfallversicherungen italienischer Banken, die sogenannten CDS, kräftig nach oben. Die für Unicredit beispielsweise stiegen erstmals auf über 500 Punkte. Seit Ende Juli haben sich die Kosten für die Versicherungen damit mehr als verdoppelt. Um Anleihen der Unicredit im Wert von zehn Millionen Euro fünf Jahre lang vor einem Zahlungsausfall abzusichern, zahlen Investoren inzwischen pro Jahr gut 500 000 Euro. Für die Institute wird es immer schwieriger, sich frisches Geld zu beschaffen Italiens Banken leiden besonders stark unter der schwächeren Bonität des Landes. Die Ratingagentur Standard & Poor’s hatte Anfang der Woche das Rating von Italien um eine Stufe von „A+“auf „A“ gesenkt und dabei ihren negativen Ausblick beibehalten. Mit etwas Verzögerung, am Mittwochabend, waren dann auch die Banken fällig. S&P stufte insgesamt sieben Institute auf „A“ herab, Ausblick: ebenfalls negativ. „Überraschend kam das nicht, weil Banken in der Regel keine besseren Ratings haben können als ihr Heimat-

5,09%

4,5

Intesa Sanpaolo

22.9. 4,74%

4,5 3,5 2,5 1,5 1.7.’11

22.9.

Mediobanca 3,66%

4,5 3,5 2,5 1,5 1.7.’11 Handelsblatt

land“, sagte Brigitte Martineau, Analystin für Bankenanleihen bei der Landesbank BadenWürttemberg. Und doch: „Es ist für Italiens Banken bereits seit einigen Monaten sehr schwierig und sehr teuer, sich über neue Anleihen zu refinanzieren – das dürfte jetzt noch problematischer werden.“ Zu den Instituten, die herabgestuft wurden, zählen In-

„Die italienischen Banken haben schon in den Krisenjahren 2008 und 2009 standgehalten. Und sie werden es auch wieder tun. Wir sind vorbereitet.“ Corrado Passera Intesa Sanpaolo

tesa Sanpaolo, Banca Imi, Biis, Cassa di Ripsarmio di Bologna, Mediobanca, BNL und Findomestic. Intesa-Chef und Berufsoptimist Passera sagte in Vicenza, dass man gut vorbereitet sei auf die Krise. Dabei hat sich unter allen europäischen Banken seit zweieinhalb Monaten kein einziges Institut mehr mit einer neuen Anleihe an den Kapitalmarkt gewagt. „Das ist nichts Geringeres als eine Katastrophe“, meint Suki Mann, Kreditstratege bei Société

Générale. Immerhin halte aber die Europäische Zentralbank (EZB) über die Vergabe kurzfristiger Kredite die Probleme der Banken in Schach. Auch beim europäischen Risikorat ESRB, den die EZB Anfang des Jahres eingerichtet hatte, äußerte man sich besorgt. Seit der Sitzung des Gremiums am 22. Juni hätten sich die Gefahren für die Finanzstabilität im Finanzsystem der EU drastisch erhöht, hieß es in einer Pressemitteilung. Schuld daran sei ein ganzer Mix an Risiken, die einander bedingten: die hohe Verschuldung einzelner Staaten, die daraus resultierenden Refinanzierungsprobleme der Banken und die sich abschwächende Konjunktur weltweit, insbesondere aber im Euro-Raum. Die starke Vernetzung des EU-Finanzsystems führe dazu, dass die Gefahr einer Ansteckung deutlich gestiegen sei, schreibt der Risikorat. Er fordert deshalb tragfähige Konzepte für die Finanzpolitik und wachstumsfördernde Strukturmaßnahmen, um die Glaubwürdigkeit der Schuldnerstaaten an den globalen Finanzmärkten zu erhalten. Der Chef der französischen Großbank BNP Paribas, Baudouin Prot, sagte gestern in ei-

Gebäude von Unicredit in Mailand: Der Preis für Kreditausfallversicherungen der italienischen Großbank hat sich innerhalb weniger Monate verdoppelt.

22.9. Quellen: Bloomberg, Markit

nem Radiointerview: „Frankreichs Banken sind nicht in Gefahr.“ Am Dienstag hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) erneut vor Milliardenrisiken für Europas Finanzkonzerne gewarnt und seine Forderung, angeschlagene Geldhäuser notfalls zwangsweise mit frischem Geld auszustatten, erneuert. Angesichts des aktuellen Umfeldes sei eine gute Ausstattung der Banken mit Kapital wichtig, sagte IWFChefökonom Olivier Blanchard. Es wäre zwar wünschenswert, wenn dies mit privaten Mitteln geschehe. Sollte das aber nicht klappen, „ergibt es Sinn, die Banken dazu zu zwingen, öffentliche Mittel zu akzeptieren“, sagte Blanchard. IWF-Chefin Christine Lagarde hatte sich bereits vor Wochen dazu geäußert – und wurde heftig kritisiert. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann etwa nannte die Vorschläge wenig hilfreich und „im Übrigen in der Sache nicht gerechtfertigt“. Gestern sagte der Schweizer in Frankfurt, dass die Banken in einem besseren Zustand seien als noch vor drei Jahren. Thomas Bauer, Andrea Cünnen, Regina Krieger, Marietta Kurm-Engels, Christian Panster

USA: Die Entscheidung von Moody’s wird kontrovers diskutiert NEW YORK. Die Ratingagentur Moody’s hat mit der Herabstufung von drei großen USBanken eine hitzige Diskussion an der Wall Street ausgelöst. Amerikas zweitgrößte Ratingagentur begründete ihren Schritt mit dem Argument: Sie halte es für weniger wahrscheinlich, dass die Banken im Notfall so wie 2008 von der Regierung gerettet werden würde. Einige Analysten und Investoren sind da jedoch ganz anderer Meinung. Moody’s hatte am Mittwochabend verschiedene Ratings der Bank of America, dem größten Kreditinstitut der USA, der Citigroup und Wells Fargo herabgestuft und damit große Verunsicherung im Bankensektor ausgelöst. Die Aktie der Bank of America brach nach der Entscheidung um rund acht Prozent ein. Das Institut aus Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina war am härtesten von

der Entscheidung der Ratingagentur getroffen. „Die Bank of America ist eine viel größere Sache als Lehman Brothers, allein schon wegen der Symbolik“, sagte Jason Brady von Thornburg Investment Management, einem Fonds, der rund 76 Milliarden Dollar verwaltet. Die US-Regierung unter George W. Bush hatte im Herbst 2008 entschieden, die damals viertgrößte Investmentbank Lehman Brothers pleitegehen zu lassen. Das hatte Schockwellen an den Märkten weltweit ausgelöst und mehrere andere Institute zu Fall gebracht. Es entstand eine Debatte um die Frage, welche Banken so groß und so wichtig sind, dass sie der Staat in jedem Fall retten muss, um einen Zusammenbruch des gesamten Finanzsystems zu verhindern. In den USA wird dies

als „too big to fail“ bezeichnet. „Wir haben das Problem ,too big to fail’ noch nicht gelöst“, sagt Brady. Moody’s hält das Bankensystem derzeit für weniger vernetzt als noch vor drei Jahren. Wenn eine Bank pleitegehen sollte, würde das nicht mehr einen solchen Domino-Effekt auslösen wie nach dem Kollaps von Lehman Brothers. Ein Grund dafür ist auch die Finanzreform, die US-Präsident Barack Obama im vergangenen Jahr verabschiedet hatte. Sie sieht strengere Regulierungen für bestimmte Teile der Bankenwelt vor, etwa im Derivatehandel, und sie gibt den Bankenregulierern mehr Instrumente an die Hand, um eine gescheiterte Bank geordnet abzuwickeln. Der bekannte Banken-Analyst Dick Bove widersprach scharf der Argumentation der Ratingagentur. „Meiner Meinung nach hat

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Moody’s den Verstand verloren“, sagte der Analyst von Rochdale Securities, der für seine scharfzüngigen Aussagen bekannt ist, dem US-Börsensender CNBC. Selbst wenn die USA die Bank pleitegehen lassen würden, müsste die Regierung am Ende doch zahlen. Denn der Einlagensicherungsfonds FDIC, der in solchen Fällen einspringt, sei bei weitem nicht groß genug, um Amerikas größte Bank aufzufangen. In einem solchen Fall kann sich der Fonds beim Finanzministerium Geld leihen. Er hält den Fall jedoch für „außerhalb der Möglichkeiten“. Er betonte: Die drei Banken „sind noch nicht einmal in der Nähe davon, Hilfe der US-Regierung zu benötigen.“ Gestern zum Börsenstart lag der Aktienkurs der Bank of America in einem insgesamt schwachen Markt knapp vier Prozent im Miasd/Bloomberg nus.

Getty Images, Paul Hackett/Reuters

OFF THE RECORD

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30 FINANZEN & BÖRSEN

Wende Die Geschäfte im deutschen Investment-Banking laufen bestens. Das kann sich bald ändern. Seite 32

LONDON/ZÜRICH. Zumindest Reue scheint Kweku Adoboli zu zeigen. Als der Händler, der die Schweizer Großbank UBS um 2,3 Milliarden Dollar betrogen haben soll, gestern für einige Minuten vor dem City of London Magistrates Court erschien, nannte er zwar nur seinen Namen, seine Adresse und sein Geburtsdatum, aber sein Anwalt Patrick Gibbs verlas eine kurze Mitteilung des 31-Jährigen: Was er angerichtet habe, tue ihm „mehr leid, als Worte ausdrücken können“. Er sei „entsetzt über die Konsequenzen seiner katastrophalen Fehlkalkulationen“. Aber wenn es um die Frage geht, welchen Schaden diese Fehlkalkulationen genau anrichteten – und vor allem, wie lange sie andauerten, scheint es Meinungsverschiedenheiten zwischen dem britischen Staatsanwalt David Levy und der Schweizer Bank zu geben. Nach Darstellung der UBS lief der Schaden durch die illegalen Geschäfte des verdächtigen Händlers innerhalb der ver-

UBS-Händler Kweku Adoboli

gangenen drei Monate auf. Levys Betrugsklage blickt dagegen bis in den Dezember 2008 zurück, den Höhepunkt der Finanzkrise. Außerdem will der Staatsanwalt nicht ausschließen, dass der Schaden am Ende noch höher ausfällt als die von der Bank genannten 2,3 Milliarden Dollar. Sollte sich der Betrug tatsächlich über fast drei Jahre hingezogen haben, ohne dass die UBS etwas merkte, wäre das mehr als peinlich für die Schweizer, meint der Risikomanager einer Londoner Bank. Die Bank bleibt trotz der Ausführungen des Staatsanwalts bei ihrer Schadensschätzung. Zur Frage des unterschiedlichen Zeitrahmens hieß es bei der UBS, dass die internen Untersuchungen noch liefen. Mittlerweile gibt es mindestens vier Verfahren, die Adobolis Treiben auf

den Grund gehen sollen. Neben den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und des UBS-Managements hat der Verwaltungsrat der Bank eine eigene Untersuchung durch den Wirtschaftsprüfer Deloitte auf den Weg gebracht. Schließlich stellen auch noch die britische und die Schweizer Finanzaufsicht ihre eigenen Nachforschungen an. Der Betrugsskandal im Investment-Banking der UBS erschüttert die ohnehin angeschlagene Bank in ihren Grundfesten. Seit vergangenem Mittwoch laufen in Singapur Krisensitzungen von Vorstand und Verwaltungsrat. Investment-Banking-Chef Carsten Kengeter und der Vorstandsvorsitzende Oswald Grübel kämpfen um ihren Job. Grübel setzt offenbar weiter auf sein integriertes Geschäftsmodell und wehrt sich gegen den Komplettverkauf oder die Schließung des Investment-Bankings. Eine radikale Verkleinerung der Sparte sei aber nicht ausgeschlossen, heißt es in Finanzkreisen. Die UBS könnte das Investment-Banking auf einen reinen Dienstleister und Produktlieferanten für das Großkundengeschäft und die Vermögensverwaltung zuali/mm rückstutzen.

28 UNTERNEHMEN & MÄRKTE

FREITAG / SAMSTAG, 23. / 24.09. 2011, Nr. 185

Deloitte mit ehrgeizigen Zielen

Prüfer verbünden sich

FRANKFURT. Die weltgrößte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte hat sich vom Einbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise erholt. Das Geschäftsvolumen erreichte mit 28,8 Milliarden Dollar einen neuen Rekord. Das sind gut acht Prozent mehr als im Jahr zuvor. In diesem Umfang stieg auch das Geschäft in Deutschland, das 624 Millionen Euro erreichte. Deloitte liegt damit allerdings noch deutlich hinter dem Spitzenwert von 2007 mit 779 Millionen Euro. Deloitte ist in Deutschland der kleinste der sogenanten Big Four unter den Prüfkonzernen. KPMG, Ernst&Young und PwC kommen auf mehr als eine Milliarde Euro Umsatz. Auch hat Deloitte keines der begehrten Mandate in einem DaxKonzern. Allerdings wächst das Geschäft mit Beratungsdienstleistungen bei Dax-Firmen stark, wie Deutschland-Chef Martin Plendl sagte. Darunter fällt beispielsweise die Beratung bei einem Börsengang oder der Aufbau von ComplianceSystemen. Deloitte konnte sich mit seinem Referenzprojekt, der Aufarbeitung des Siemens-Bestechungsskandals, einen Namen auf diesem Gebiet machen. Deloitte hat sich weltweit sehr ehrgeizige Wachstumsziele gesetzt. Statt jetzt 182 000 soll schon 2015 eine Viertel Million Mitarbeiter beschäftigt werden. In Deutschland will das Beratungsunternehmen um 1 000 Stellen auf rund 5 600 Arbeitsplätze wachsen. Laut Plendl sollen vor allem Kunden aus dem international tätigen Mittelstand gewonnen werden. Ein Bereich, in dem sich derzeit vor allem die mittelgroßen Prüfernetzwerke wie PKF, Nexia oder Grand Thornton fo tummeln.

Nach langem Ringen gehen mittelständische Kontrolleure nun gemeinsam gegen EU-Regeln vor. Dieter Fockenbrock Frankfurt

E

ten Teilen den Vorstellungen der EU-Kommissare entgegensteht und nicht nach dem Geschmack der Marktführer sein dürfte. Die mittelständischen Prüfer wollen, dass Mandate künftig alle acht Jahre neu ausgeschrieben werden. Wichtig ist ihnen vor allem Transparenz bei den Auswahlkriterien. Den Vorschlag von Barnier, eine Rotation zu erzwingen, lehnen sie ab. Das könnte die Marktkonzentration noch weiter erhöhen, weil die Mandate nur unter den großen vier getauscht werden, befürchten die Mittelständler. Zumindest einer von Barniers Vorschlägen, die Prüfermandate künftig von einer gemeinsamen europäischen Behörde zu vergeben, scheint zur Erleichterung aller vom Tisch. Damit sind die Gemeinsam-

keiten der Wirtschaftsprüfer aber auch schon am Ende. Die großen vier verteidigen ihre Vormachtstellung, die Mittelständischen hoffen auf ein Stück vom Kuchen und die kleineren Buchführungsfirmen und Steuerberater interessiert das alles nur am Rande. Begeistert sind die Mittelständler indes von der Idee, Prüferkonsortien zu bilden oder Gemeinschaftsprüfungen (sogenannte Joint Audits) vorzuschreiben. Dann würde fast automatisch immer einer der größeren Mittelständler gemeinsam mit einem der Großen wie KPMG einen Dax-Konzern unter die Lupe nehmen. Doppelmandat umstritten

Thierry Roge / Reuters

in Jahr haben die mittelständischen Wirtschaftsprüfer um eine gemeinsame Stimme gerungen. Jetzt schalten sie sich offiziell in die Debatte um die geplanten neuen Regeln der Europäischen Kommission für ihren Berufsstand ein. „Die Diskussion geht jetzt erst richtig los“, sagt Jens Poll von der Prüfungsgesellschaft Moore Stephens. Gemeinsam mit Grant Thornton, Baker Tilly, Crowe Horwath, PKF, Nexia und Mazars will Moore Stephens vor allem verhindern, dass im Regulierungseifer Brüssels der Wettbewerb in der Branche untergeht. Die EU-Kommission will mit den neuen Regeln die hohe Marktkonzentration in der Branche auf-

brechen. Weltweit wird das Geschäft mit den Abschlussprüfungen der Unternehmen von Deloitte, Ernst & Young, KPMG und PwC dominiert. Diese sogenannten Big Four konzentrieren 90 Prozent des gesamten Marktes auf sich. In Deutschland sind es sogar nur drei Marktführer, die die interessanten Topmandate in den Dax-Konzernen unter sich aufteilen. Deloitte mischt hier zurzeit nicht mit. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier hatte vor knapp einem Jahr sein Grünbuch mit Vorschlägen zur Regulierung des Wirtschaftsprüfermarkts vorgelegt. Seitdem ist die Branche in Aufregung. Die Mittelstandsinitiative mit PKF und Co. hat nun einen Forderungskatalog vorgelegt, der in wei-

EU-Kommissar Michel Barnier: Er plant eine möglicherweise tiefgehende Regulierung des Prüfermarkts.

Konjunktur + Geldpolitik: Dirk Heilmann (Ltg.), Dr. Norbert Häring (Frankfurt), Dorit Heß (Frankfurt), Axel Schrinner (Düsseldorf)

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In Frankreich sind solche Gemeinschaftsprüfungen seit langem Vorschrift. Die großen Prüfer lehnen diese Idee ab und verweisen darauf, dass die Erstellung der Jahresabschlüsse damit nur komplizierter und teurer werde. Aber auch bei den Auftraggebern hält sich die Begeisterung für dieses Thema in Grenzen. Das letzte Doppelmandat im Dax, bei der Deutschen Telekom, teilten sich PwC und Ernst & Young. Jetzt prüft nur noch PwC. Ein Mittelständler war schon lange nicht mehr dabei. Besonderes Unbehagen bereitet den Mittelständlern ein Trend, der nur indirekt etwas mit den Verhaltensregeln für ihren Berufsstand zu tun hat. Banken schreiben in Kreditverträge immer häufiger die Klausel, dass nur einer der Marktführer als Prüfer akzeptiert werde. Die Mittelständler wollen sich gegen diese „Diskriminierung“ wehren. Das müsse verboten werden, heißt es.

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ARD vereint den weltweiten Filmvertrieb unter einem Dach MÜNCHEN. Die ARD-Töchter Bavaria Film und Telepool gehen künftig gemeinsam auf die Kunden zu, um ihre Filme und Serien zu verkaufen. Mit Beginn des kommenden Jahres werde das Joint Venture „Global Screen“ seine Arbeit aufnehmen, teilten die Firmen gestern in München mit. Darin werde der weltweite Vertrieb gebündelt. Oberstes Ziel der Zusammenarbeit sei es, außerhalb des deutsch-

sprachigen Raums mehr zu verkaufen und gleichzeitig wirtschaftlicher zu arbeiten. „Am verschärften Weltmarkt wollen wir größere Projekte stemmen“, sagte Bavaria-Chef Matthias Esche. „Global Screen“ stehe künftig für etwa 90 Prozent des gesamten Auslandsvertriebs der ARD, so Esche. Lediglich das Studio Hamburg sei noch außen vor. Nach verschiedenen Versuchen in der Vergangen-

heit sei es jetzt endlich gelungen, „eine zeitgemäße Konsolidierung der ARD-Vertriebsaktivitäten einzuleiten“, sagte MDR-Intendant Udo Reiter. Die Münchener Bavaria Film vertreibt seit Jahren selbst produzierte Filme und Serien sowie Material der öffentlich-rechtlichen Anstalten WDR und SWR. Die ebenfalls in der bayerischen Landeshauptstadt ansässige Telepool wiederum ver-

tritt unter anderem BR, MDR, den Schweizer Rundfunk und die private Sendergruppe RTL. „Global Screen“ werde bereits im ersten Jahr schwarze Zahlen schreiben und mit seinen gut 40 Mitarbeitern etwa 30 Millionen Euro Umsatz erzielen, sagte Telepool-Chef Thomas Weymar. Die Konkurrenz allerdings ist hart. Auch die Münchener Senderkette Pro Sieben Sat 1 hat sich vorge-

nommen, mit ihrer Vertriebstochter Seven One International kräftig zu wachsen. Wichtige Wettbewerber sind darüber hinaus die private Münchener Beta Film sowie ZDF Enterprises. Zum ersten Mal öffentlich in Erscheinung treten wird das neue Gemeinschaftsunternehmen im kommenden Frühjahr auf dem Filmfestival Berlinale in der Bundeshauptjojo stadt.

26 UNTERNEHMEN & MÄRKTE

FREITAG / SAMSTAG, 23. / 24.09. 2011, Nr. 185

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Die Kupferversorgung ist trotz steigender Nachfrage gesichert

Handel erwartet Ende der großen Kauflust

Neue Lagerstätten und Recycling liefern aus Sicht von Experten genug Nachschub.

Unsicheres Weihnachtsgeschäft.

Silke Kersting Berlin

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Volkswagen

Volkswagens Kleinwagen Up: Ein Modell stößt nur 79 Gramm CO2 pro Kilometer aus.

Greenpeace gegen Volkswagen

eit Wochen piesackt Greenpeace Volkswagen mit Aktionen gegen den angeblichen Klimakiller. Die Ökokrieger entrollten Transparente am Wolfsburger Verwaltungshochhaus und an Autohäusern quer durch die Republik, verteilten auf der Frankfurter Automesse IAA Flugblätter in VW-Optik. Ausgerechnet den neuen Kleinwagen Up, auf den der Autobauer besonders stolz ist, brandmarkt Greenpeace als „up!solut nicht innovativ“: Statt drei Liter zu verbrauchen wie der Spar-Lupo vor 13 Jahren, schlucke das Basismodell mindestens 4,7 Liter, so der Vorwurf.

Wo sonst der Originalslogan „Das Auto“ prangt, setzt Greenpeace den Schriftzug „Das Problem“ unter das blau-weiße VW-Logo. Doch wie reagiert der Autohersteller auf die Kampagne? Die Niedersachsen halten die Vorwürfe für unberechtigt. „Am Ende zählen nicht Worte, sondern Fakten“, sagte Volkswagens Vertriebsvorstand Christian Klinger dem Handelsblatt. Zu den Fakten gehört für den Manager, dass VW einen Up mit einem Kohlendioxidausstoß pro Kilometer von 79 Gramm bringt – aber nicht als Basismodell, mosert Greenpeace. Immerhin: Schon heute stoßen 256 Modellvarianten der Wolfsburger weniger als 130 Gramm CO2 pro Kilometer aus. 2012 müssen 65 Prozent der Neuwagenflotte in der EU den Zielwert einhalten, ab 2015 alle neuen Fahrzeuge. Klingler ist bewusst, dass der weltweit expandierende Autokonzern angesichts des enormen Wachstums stärker in den Fokus von Kritikern wie Greenpeace rückt. „Wir sind Marktführer in Europa. Deshalb sind wir sichtba-

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Falkensteins Weinmacher

Für die Organisation ist der Autobauer schlicht ein Umweltsünder. VW weist die Kritik zurück will bei Autos, Fabriken und Händlern aber die Emissionen senken. Mark Christian Schneider Hamburg

S

uan Carlos Lopez de Lacalle hat alles erreicht, was sich ein Weinmacher so wünschen kann. Sein aus kleinsten Anfängen aufgebautes Rioja-Gut Artadi in Laguardia ist mehrfach als „Bodega del año“, als jahresbeste Winzerei, in Spanien ausgezeichnet worden. Zweimal erhielt er für seinen Spitzenwein Viña el Píson 100 ParkerPunkte. Und doch genügte ihm das nicht. Er gründete neue Betriebe in Navarra und in Alicante. Lopez de Lacalle, 54 Jahre alt, ist fasziniert von den Rebsorten, die dort wachsen, Monastrell im Süden und Garnacha in Navarra. Im Jahre 2000 richtete er in beiden Gegenden Bodegas ein. Jedes Mal waren es Freunde, die sich dort niederlassen wollten, ihn um Rat fragten und ihn schließlich dazu brachten, mit ihnen gemeinsam Ideen und Geld zu investieren. Ende der 90er lernte er Randall Grahm kennen, der an dem Weingut Bonny Doon in Kalifornien be-

Der Winzer Lopez de Lacalle fertigt einen bezaubernden Rosé.

rer als andere“, sagt der VW-Vorstand. Das Unternehmen will sich der Verantwortung stellen: wirtschaftlich, sozial und ökologisch. „Angesichts unseres Erfolges haben wir der Gesellschaft etwas zurückzugeben“, so Klingler. Um Verbrennungsmotoren sparsamer zu machen, Elektro- und Hybridantriebe auf die Straße zu bringen, investiert Volkswagen pro Jahr mehr als sechs Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Bis 2020 sollen die Emissionen um 40 Prozent gesenkt werden

VW-HÄNDLERNETZ Engmaschig. Marktführer Volkswagen verfügt über ein engmaschiges Vertriebsnetz. Die Händler der Kernmarke VW unterhalten in Deutschland 2 300 Verkaufs- und Servicestellen. Die Händler der Premiumtochter Audi betreiben 1 600 Stationen. Bei der Tochter Skoda sind es 1 100, bei Seat 660 Verkaufs- und Servicestellen.

International. In Deutschland liegt der Marktanteil des Konzerns bei mehr als einem Drittel. Der Vertrieb galt lange als zu heimatorientiert. Der zuständige Vorstand Christian Klingler, seit 2010 im Amt, sorgt für eine internationalere Ausrichtung.

Allerdings haben die Wolfsburger erkannt, dass es längst nicht nur um das Auto selbst geht, nehmen sich deshalb die 62 weltweiten Produktionsstandorte und selbst die Händler vor. „Unser klares Ziel ist es, die Treibhausgas-Emissionen in der Produktion bis 2020 um 40 Prozent zu senken“, sagt Klingler. Entsprechend investiert Volkswagen in den Ausbau regenerativer Energien. Mit den Händlern spricht der Vertriebschef derzeit über grüne Strategien, die dort den Ausstoß des Treibhausgases senken. „Hier gibt

es Potenzial für bis zu 200 bis 300 Tonnen CO2-Einsparung pro Jahr für ein durchschnittliches Autohaus und eine gleichzeitige Senkung der laufenden Energie- und Betriebskosten“, sagt Klingler. Ein deutscher Haushalt verur-

teiligt ist. Der Amerikaner interessierte sich brennend für die Garnacha-Rebe, eine Spezialität in Navarra. Er steckte Lopez de Lacalle mit seiner Begeisterung an. Daraus entstand in dem Dörfchen Artazu ein Weingut mit angeschlossenem Keller. 40 Hektar Reben, teils sehr alt, gehören dazu. Hauptsorte ist die Garnacha, von der Lopez de Lacalle schwärmt, dass sie „innere Kraft, mächtige Schwingungen, Musik, ja Leidenschaft“ verkörpere. Für einen Mann aus Rioja, wo die Navarra-Traube als drittrangig angesehen wird, sind das große Worte. Aus der Garnacha-Traube lässt sich ein ausdrucksvoller Rosé keltern. Anderswo wird diese Sorte Wein oft als geringwertig angesehen. Doch in Navarra ist der helle Trunk eine unschlagbare Köstlichkeit. Da kann die Provence nicht mithalten. In Nordspanien sind die Regeln streng. Vorgeschrieben ist

das Saignée-Verfahren. Will heißen: Nur der Most, der durch den Eigendruck der Trauben von selbst aus der Presse rinnt, darf verwendet werden. Lediglich 40 Liter pro 100 Kilo Lesegut sind zugelassen. Bei einer großen Rosé-Probe in Köln stand Lopes de Lacalles Geschöpf Artazuri (wörtlich: der Kleine aus Artazu) auf Platz eins. Der spritzige, farbkräftige Tropfen trumpft mit frechen Fruchtnoten auf. Er duftet und schmeckt umwerfend nach Himbeeren. Dazu kommt ein Kräuteraroma, das an wilden Majoran erinnert. Die knackige Säure macht den Wein besonders frisch. Lange klingt er im Mund nach. Dazu passt Pollo al Chilindron, ein typisches Gericht aus Navarra. Stücke von roten Paprikazapfen, gehackte Zwiebeln und Knoblauch sowie enthäutete und gewürfelte Tomaten in einer Pfanne

sacht pro Jahr im Schnitt gut zehn Tonnen an Kohlendioxidausstoß. Bis 2050 will die Bundesregierung den Wert auf zwei Tonnen senken. Eine Tonne CO2 entsteht je nach Auto bei einer Fahrt von 4 000 bis 10 000 Kilometern. „VW hat erkannt, dass es nicht reicht, Motoren zu verbessern. Autokonzerne müssen endlich die gesamte Wertschöpfungskette bei der CO2-Bilanz betrachten, bis hin zur Wärmedämmung bei den Händlern“, sagt Stefan Bratzel, Autoprofessor an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Operativ läuft es trotz Gegenwinds von Greenpeace, Probleme bei der Fusion mit Porsche und Streits mit Partner Suzuki rund. 2012 sieht VW erneut Wachstum. „Insgesamt ist mit einem positiven Trend zu rechnen“, sagt Klingler. Obwohl die Perspektiven in den Märkten und Regionen sehr unterschiedlich ausfallen, bleibt der Vertriebschef zuversichtlich: „Bisher sehen wir eher Dellen als tiefe Einschnitte. Und wir als VW-Konzern erwarten ein überproportionales Wachstum.“

anbraten. Sodann Streifen vom Serrano-Schinken mit dem zerteilten Huhn in einer Kasserolle andünsten, das Gemüse aus der Pfanne dazugeben, ein Glas Rosé angießen und alles eine Stunde bei kleiner Hitze im Ofen schmoren. Pit Falkenstein ist Weinjournalist in Köln. Artazuri Rosado Jahrgang 2010 Rebsorte Garnacha Anbaugebiet Navarra, Spanien Analyse 12,9˚ Alkohol, 6,3 g Säure, 4,7 g Restzucker (pro Liter) Trinken bis 2012 Preis ab Hof 7,50 Euro Adresse La Tienda Urftstraße 99–101 41239 Rheydt Tel.: 02166 / 93150 Fax: 02166 / 931529 E-Mail: [email protected] www.la-tienda.de

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ie Versorgung der Weltwirtschaft mit dem stark nachgefragten Metall Kupfer ist gesichert. Diese Erkenntnis zog das Deutsche Kupferinstitut gestern in Berlin. Kupfer ist in der industrialisierten Welt unverzichtbar. Ob Stromversorgung, erneuerbare Energien, Verkehrs- und Transportwesen, Maschinen oder elektronische Anwendungen: Ohne Kupfer wird so gut wie nichts hergestellt. „Jeder Deutsche benötigt im Laufe seines Lebens mehr als eine Tonne Kupfer“, sagte Anton Klassert, Geschäftsführer des Kupferinstituts, „und der Einsatz neuer Technologien wie alternativer Energien und Elektromobilität führt zu einer steigenden Kupferverwendung“. Forscher des Fraunhofer-Instituts erwarten in den kommenden Jahren einen durchschnittlichen Anstieg der Nachfrage nach Kupfer von 3,5 Prozent jährlich. 2010 war der weltweite Kupferverbrauch um 6,8 Prozent auf 19,3 Millionen Tonnen gestiegen. Die Kupferindustrie profitiert dabei von der hohen Nachfrage in Schwellenländern wie

China und Indien. Allein auf China entfällt fast ein Drittel des weltweiten Kupferverbrauchs. Aber auch in der EU stieg die Nachfrage nach Kupfer um 8,7 Prozent auf 4,2 Millionen Tonnen. Schwache Konjunkturdaten nähren derzeit zwar Spekulationen auf eine geringere Kupfernachfrage. Der Preis für eine Tonne des Indus-

40 % der globalen Vorkommen von Kupfer werden im Jahr 2050 verbraucht sein. Quelle: Fraunhofer

triemetalls ist momentan eher rückläufig. Doch das ändert Forschern zufolge nichts an der langfristig steigenden Nachfrage vor allem der Schwellenländer. Sorgen vor Verknappung seien jedoch unbegründet, heiß es unter Experten. Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts werden im Jahr 2050 nur 40 Prozent der globa-

len Ressourcen verbraucht sein, die aktuell auf rund 3,7 Milliarden Tonnen geschätzt werden. „Durch fortschreitende Exploration werden neue Rohstofflagerstätten entdeckt“, sagte Henrike Sievers von der Bundesanstalt für Geowissenschaften in Hannover. Außerdem würden Materialeffizienz, Substitutionsmöglichkeiten und Recyclingtiefe ständig weiterentwickelt. In Deutschland schloss die letzte Kupfermine im Jahr 1990. Heute laufen jedoch zwei neue Erkundungen in der Nähe von Goslar und in der Lausitz. Allein in der Lagerstätte in der Lausitz werden zwei Millionen Tonnen Kupfer vermutet. Die größten Kupfervorkommen liegen in Chile. Um den zunehmenden Kupferbedarf zu befriedigen, wird nach Expertenmeinung der Ausbau des Recyclings eine wichtige Rolle spielen. Deutschland hält bei der Wiederverwertung von Metallen weltweit eine führende Position. Die Recyclingquote für Kupfer beträgt mehr als 50 Prozent. In Europa werden mittlerweile rund 45 Prozent der Kupfernachfrage durch wiederaufbereitetes Kupfer gedeckt.

Christoph Schlautmann Düsseldorf

D

em ungewöhnlich starken Kundenandrang im deutschen Einzelhandel droht noch in diesem Jahr ein Ende. Zu diesem Ergebnis kommt der Handelsverband Deutschland (HDE), der gestern seine Wirtschaftsprognose für das laufende Jahr veröffentlichte. Danach sind die Zeiten des steilen Umsatzwachstums vorerst vorbei. Nachdem der Einzelhandel in den ersten sieben Monaten des Jahres um 2,4 Prozent zugelegt hat, wird sich die Wachstumsgeschwindigkeit laut HDE bis zum Jahresende halbieren. „Die Euro-Krise beflügelt die Sorge um künftige Steuererhöhungen“, sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Dies habe üblicherweise Auswirkungen auf den Konsum. Auch die inflationäre Preisentwicklung, fürchten viele Händler, könnte zu einer Kaufzurückhaltung führen. Obwohl die Geschäftslage im Einzelhandel so glänzend sei wie seit sechs Jahren nicht mehr, rechnet der HDE für das Gesamtjahr mit einem Umsatzanstieg von lediglich

1,5 Prozent. Das Weihnachtsgeschäft, das in vielen Branchen ein Viertel des Jahresumsatzes bringt und damit über den Geschäftserfolg entscheidet, bleibt damit unsicher. Eine Prognose für das kommende Jahr will Genth erst im Dezember vorlegen. Zuversichtlich ist der HDE dagegen bei der Entwicklung des Internethandels, der 2011 um zehn Prozent auf 26,1 Milliarden Euro wachsen soll. Grund für den Optimismus: Jeder zehnte Ladenbetreiber investiert derzeit nach einer Verbandsumfrage in den E-Commerce. Von einer deutlich verbesserten Geschäftslage gegenüber dem Vorjahr berichteten bei einer HDE-Konjunkturumfrage auch Heimwerkermärkte, Möbelhäuser und Supermärkte. Händler von Schuhen und Bekleidung sehen ihr Geschäft ebenfalls besser als im Vorjahr. Verlierer sind nach Informationen des Statistischen Bundesamts in diesem Jahr die Verkäufer von Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräten, die beim Umsatz drei Prozent unter Vorjahr liegen. Auch die Buchhandlungen verloren 2,5 Prozent.

FREITAG / SAMSTAG, 23. / 24.09. 2011, Nr. 185

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Herber Rückschlag für Boeing-Jumbo

Libyenkrise hilft dem Eurofighter Markus Fasse Manching

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uf solche Bilder haben die Marketingstrategen lange gewartet: Exakt trifft die Rakete ein libysches Panzerfahrzeug, es handelt sich augenscheinlich um einen Volltreffer. Die Videoaufnahmen stammen von der Bordkamera eines „Typhoon“-Jets, der britischen Version des Eurofighters. „Alle Staaten, die derzeit Kampfflugzeuge kaufen wollen, schauen sich diese Bilder sehr genau an“, sagt ein Sprecher bei der Vorführung von EADS-Cassidian im bayerischen Manching. „Der Eurofighter ist jetzt kampferprobt, das ist wichtig.“ Das maßgeblich von Deutschland im Verbund mit Großbritannien, Italien und Spanien entwickelte Kampfflugzeug ist dabei, seinen schwersten Makel abzuschütteln. Seit gut zehn Jahren wird der Eurofighter gebaut, fast 290 Maschinen sind ausgeliefert. Doch bis zu den Nato-Luftangriffen in Libyen fehlte ihm das Gütesiegel „Combat Proven“. Seitdem die Briten fast täglich mit Dutzenden „Typhoons“ Bodenziele in Nordafrika angreifen, wachsen die Marktchancen des Kampfjets weltweit. Denn der Eurofighter, so versichert EADS Cassidian, zeigt in Libyen eine von Militärs besonders geschätzte Fähigkeit: Als „Swing Role“-Kampfjet kann die Maschine Luftkämpfe führen und im nächsten Moment Ziele am Boden attackieren. Die deutsche Rüstungsindustrie dürfte von einem Schub des Eurofighter-Programms besonders profitieren – auch wenn sich Deutschland aus politischen Gründen an dem Krieg nicht beteiligt. Denn die Produktionsstandorte in Manching bei Ingolstadt und Augsburg sind auf die Produktionsanteile beim Eurofighter besonders angewiesen. 25 000 Arbeitsplätze sichere das

EUROFIGHTER Unternehmen Der Jagdflugzeughersteller Eurofighter hat seinen Sitz in Hallbergmoos bei München und gehört verschiedenen europäischen Konzernen – allen voran EADS. Seit der Unterzeichnung des Produktionsabkommens haben vor allem europäische Staaten Eurofighter geordert: 160 entfallen auf Großbritannien, 143 auf Deutschland, 96 auf Italien und 73 auf Spanien. Zudem hat Österreich (15 Stück) und von außerhalb von Europa Saudi-Arabien (72 Stück) bei Eurofighter bestellt.

Europäisches Projekt Anteilseigner der Eurofighter GmbH 46% EADS Cassidian Paneuropäisch isch

33% BAE Systems Großbritannien Groß

21% Al i Aeronautica Alenia Handelsblatt Quelle: Unternehmensangaben

STAHLINDUSTRIE

Italien

Der britische Eurofighter „Typhoon“ Kampfflugzeug in Deutschland, versichert Cassidian. Mit 46 Prozent dominiert die EADS-Rüstungstochter das Eurofighter-Konsortium, gefolgt von der britischen BAE Systems (33 Prozent) und der italienischen Alenia (21 Prozent). Eigentlich ist die Produktion gesichert, denn die Industrie sitzt auf einem komfortablen Rahmenvertrag mit den europäischen Regierungen. Diese haben sich bereiterklärt, bis etwa 2017 insgesamt 620 Maschinen abzunehmen. Doch die Zahl wackelt: Im Oktober will Verteidigungsminister De Maizière entscheiden, ob Deutschland die letzten für die Luftwaffe vorgesehenen 37 Maschi-

nen tatsächlich kauft. Auch Briten, Italiener und Spanier würden sich gerne von ihren Verpflichtungen freimachen. Immerhin liegt der sogenannte „Systempreis“ eines einzigen Eurofighters bei rund 100 Millionen Euro. Für die Standorte in Deutschland wäre ein Rückzieher der Regierungen bitter. Während BAE Systems und die italienische Alenia am Eurofighter-Konkurrenten Joint Strike Fighter von Lockheed Martin mitarbeiten, bleibt EADS Cassidian und seinen deutschen Zulieferern nur der Eurofighter. Weil die Bundeswehr ältere Maschinen wie den Jagdbomber „Tornado“ oder das Trans-

portflugzeug „Transall“ immer weniger warten lässt, hat Cassidian bereits 200 Beschäftigte in Manching in Kurzarbeit geschickt. Einschnitte beim Eurofighter hätten noch gravierendere Folgen, fürchtet die IG Metall. Auch von anderer Seite droht den deutschen Flugzeugbauern Ungemach. Der unbemannte Höhenaufklärer „Talarion“, den Cassidian derzeit auf eigene Rechnung entwickelt, hat bis heute keinen Entwicklungsauftrag aus Berlin oder Paris. Auch weil die Bundesregierung zaudert, haben sich Frankreich und Großbritannien im vergangenen November entschlossen, eine eigene Drohne zu entwickeln – an Cassidian vorbei. Auch deshalb setzt das Unternehmen viel Hoffung in den Export des jetzt „kampferprobten“ Eurofighters. Mit Saudi-Arabien (72 Maschinen) und Österreich (15) sind bereits zwei Kunden außerhalb der produzierenden Heimatländer gefunden. Das soll erst der Anfang sein. Weltweit gebe es in den kommenden Jahren Ausschreibungen für 800 Kampfflugzeuge, „200 Stück davon sind für uns realistisch“, heißt es bei Cassidian. Der heißeste Kandidat ist derzeit Indien, wo Eurofighter kurz vor dem Durchbruch steht. Die Inder wollen mindestens 126 Kampfjets im Wert von mehr als zehn Milliarden Dollar bestellen. Mehrfach sprachen der ehemalige Verteidigungsminister zu Guttenberg und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich in Neu Delhi vor, um für die deutsche Industrie zu werben. Mit Erfolg: Während die amerikanischen F16 und F18 aus dem Rennen sind, soll bis Ende des Jahres die Entscheidung zwischen Eurofighter und der französischen Rafale fallen. „Die Chancen stehen 50 : 50“, heißt es bei Cassidian. Der Preis, den die Inder verlangen, ist gleichwohl hoch. Denn bei einem Zuschlag muss 50 Prozent der Wertschöpfung in Indien erfolgen. Angesichts der wackeligen Aussichten in Deutschland wäre das immer noch ein guter Deal.

Nordafrika-Geschäft läuft bei Tui Travel weiter schwierig

Interims-Chef von Logitech senkt erneut die Prognose

Gebrauch fremder Markennamen für Werbung zulässig

Der Stahlkonzern Dillinger Hütte baut sein Geschäft mit der Windindustrie aus. Für 135 Millionen Euro errichtet das Unternehmen im niedersächsischen Nordenham ein Werk für die Produktion von Türmen für Offshore-Windkraftanlagen. Die neue Fabrik soll im Jahr 2014 in Betrieb gehen und über 300 Mitarbeiter beschäftigen. Dillinger Hütte ist die Nummer vier auf dem deutschen Stahlmarkt und einer der führenden Produzenten von Grobblechen, die für Windkrafttürme benötigt werden. In Konkurrenz zu den Kunden werde die Firma nicht gehen, betonte Vorstandschef Karlheinz Blessing. Wegen des Booms der Windkraftnutzung auf See steige der Bedarf massiv an, alle Kunden würden dank einer Erweiterung der Kapazität auch künftig Logo der Dillinger Hütte beliefert. mur

Der Weg für die Übernahme des größten deutschen Fahrradproduzenten Derby Cycle ist frei. Der niederländische Zweiradhersteller Accell verzichtet auf eine Gegenofferte zum Übernahmeangebot seines wichtigsten niederländischen Konkurrenten Pon. Damit ist ein langer Bieterwettkampf vom Tisch. Den erst Ende August auf 22 Prozent erhöhten Anteil bei Derby Cycle will der Pon-Konkurrent jedoch bis auf weiteres behalten. Pon Holdings strebt langfristig die Mehrheit bei den Cloppenburgern an. Der Angebotspreis bewertet das Aktienkapital der Derby Cycle AG mit 210 Millionen Euro. dpa

Die Unruhen in Nordafrika überschatten beim größten europäischen Reiseanbieter Tui Travel auch noch das bevorstehende Wintergeschäft. Nach dem jüngsten Zwischenstand zur Entwicklung der Buchungen zieht die Nachfrage nach nordafrikanischen Zielen wie Ägypten und Tunesien nur schleppend an. Vor allem Franzosen, Schweizer und Deutsche warten ab, ob sich die Lage weiter stabilisiert. Es werde mit den Reservierungen aber bald wieder aufwärtsgehen, sagte Vorstandschef Peter Long am Donnerstag am Firmensitz in Crawley bei London. Gut verlief im Sommer das Last-Minute-Geschäft. dpa

Der schlingernde Computerzubehör-Hersteller Logitech hat mit einer zweiten Gewinnwarnung binnen acht Wochen die Anleger schockiert. Für das am 31. März endende Geschäftsjahr 2011/12 erwarte der Konzern nur noch einen operativen Gewinn von rund 90 statt 143 Millionen Dollar und einen Umsatz von 2,4 statt 2,5 Milliarden Dollar, teilte der Hersteller von Computer-Mäusen, -Tastaturen und -Webkameras mit. „Nach eingehender Prüfung musste ich feststellen, dass unsere Ziele zu optimistisch waren“, gestand Verwaltungsratspräsident Guerrino de Luca, der die Führung des Konzerns interimsmäßig übernahm. Reuters

Der Gebrauch fremder Markennamen für Werbezwecke im Internet ist nach Ansicht der obersten EU-Richter grundsätzlich zulässig. Unternehmen können unter bestimmten Bedingungen Markennamen ihrer Wettbewerber als Schlüsselbegriffe („Adwords“) nutzen, um damit Internetnutzer zu ihrer eigenen Werbeanzeige zu lotsen, urteilte der Europäische Gerichtshof. Allerdings gelte das nicht, wenn es sich um „Trittbrettfahren“ handele – etwa wenn Nachahmerprodukte angeboten, der Ruf des Wettbewerbers verunglimpft oder Verbraucher fehlgeleitet würden, zu glauben, dass sie bei diesem einkauften. dpa

Thomas Wieck

Dillinger Hütte investiert in Offshore-Windmarkt

Niederländer ebnen Weg für Übernahme von Derby Cycle

Frachtfluggesellschaft Atlas Air bestellt drei Maschinen der neuen 747-8 wegen „Leistungsbedenken“ ab. NEW YORK. Das größte Flugzeug von Boeing kommt einfach nicht vom Boden. Die Frachtfluggesellschaft Atlas Air strich Mittwoch drei Aufträge für die 747-8. Der neue Flieger ist eine Weiterentwicklung des bekannten Langstreckenjets 747-400. Die Abbestellung ist ein herber Rückschlag für Boeing. Erst von wenigen Tagen verweigerte Cargolux eine Annahme des neuen Frachtjets. Als Begründung nannte Atlas Air zeitliche Verzögerungen bei der Auslieferung und „Bedenken zur Leistungsfähigkeit“. Boeing gibt keine Auskunft darüber, was Atlas Air bemängelte. Die Ablehnung könnte mit dem kürzlich veränderten Flügel der 747-8 zusammenhängen. Das neue Design erhöhte das Gewicht deutlich und verschlechterte entsprechend den Kerosinverbrauch. Zusammen mit Motorenhersteller General Electric versucht Boeing den Schnitzer auszuwetzen. Das ursprüngliche Versprechen ist kaum einzuhalten: durch bessere Aerodynamik, leichte Kunststofffaser und effizientere Motoren, den Riesenvogel mit deutlich weniger Kerosin zu fliegen. Die Abstellung ist an sich nicht besorgniserregend. Erste Modelle ha-

ben in der Branche nicht selten Kinderkrankheiten. Bedenklich ist aber die Häufung der Probleme. Der 747-8 hinkt dem Zeitplan bereits zwei Jahre hinterher. Vor allem kam es zu Verzögerungen, als Boeing Ingenieure von dem Programm abziehen musste, um den noch stärker hinter Plan liegenden Dreamliner zu unterstützen. Der soll Anfang nächste Woche erstmals an die japanische Fluggesellschaft ANA ausgeliefert werden. Schwer nachzuvollziehen ist auch die Kommunikation von Boeing. Der Flugzeughersteller informierte seine Kunden anscheinend

spät von den Veränderungen. Noch bis vorige Woche war ein festlicher Akt zur ersten Übergabe der 747-8 an Cargolux geplant. Mit der Absage des Frachtunternehmens mit Sitz in Luxemburg platzte die Party. Ähnlich kurz vor Auslieferung stellte sich Atlas Air quer. „Das ist kein Desaster für Boeing“, sagt Michel Merluzeau, Luftfahrtexperte von G2 Solutions, der allerdings das „mangelhafte Management der Kundenerwartungen“ kritisiert. Die Entwicklung wird auch die Lufthansa intensiv beobachten. Die deutsche Fluggesellschaft bestellte den Löwenanteil der insgesamt 36

georderten 747-8 als Passagierflugzeug. Im Oktober will Boeing den Fehler ausgebügelt haben. Dann steht die nächste Lieferung an Atlas Air bevor, die bis 2013 noch neun 747-8 Maschinen kaufen will. Die nächsten drei Flieger sollen im Oktober und November von dem Unternehmen mit der weltweit größten 747-Frachtflotte in Empfang genommen werden. Laut Listenpreis kostet eine 747-8 als Frachter rund 320 Millionen Dollar. Als früher Käufer zahlt Atlas Air aber deutlich weniger. Ein weiteres Vorrecht: Eine großzügig gestaltete Ausstiegsklautja sel.

Passagierversion des neuen Boeing-Jumbo: Höherer Kerosinverbrauch als geplant

Airbus steigt bei angeschlagenem Zulieferer ein Der Flugzeughersteller will die Mehrheit bei der pfälzischen PFW Aerospace übernehmen. PARIS. Um seine Produktion zu sichern, will der europäische Flugzeugbauer Airbus beim angeschlagenen Zulieferer PFW Aerospace aus Speyer einsteigen. „Airbus ist als Hauptkunde der Pfalz-Flugzeugwerke bereit, das Unternehmen in einer akuten Liquiditätskrise kurzfristig zu übernehmen,“ sagte ein Sprecher des Airbus-Mutterkonzerns EADS am Donnerstag. Die ab-

action press

Seitdem die Briten mit dem Kampfjet fast täglich Bodenziele in Nordafrika angreifen, steigen die Marktchancen des Fliegers. Die von EADS maßgeblich entwickelte Maschine bekommt neuen Schub. Davon würden Produktionsstandorte in Deutschland profitieren, denen Kürzungen und Kurzarbeit drohen.

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Pascal Rossignol / Reuters

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schließenden Gespräche über den Erwerb von 51 Prozent seien im Gange. Über den Kaufpreis für die geplante Mehrheitsübernahme gab es zunächst keine Angaben. Die PfalzFlugzeugwerke (PFW) machten im vergangenen Jahr einen Umsatz in Höhe von 214,4 Millionen Euro. Das Unternehmen mit weltweit rund 2 200 Mitarbeitern gilt als ein Welt-

marktführer für Rohrsysteme in der Luftfahrttechnik. Nach Einschätzung von Airbus sind die „mittel- und langfristigen Perspektiven des Unternehmens vielversprechend“. „Ziel ist es, die PFW aus der aktuellen Krise herauszuführen“, sagte der EADS-Sprecher. Ob das Unternehmen langfristig wieder auf eigene Beine gestellt werde oder in einen Verbund mit

anderen Airbus-Zulieferern eingebracht werde, solle die Zukunft zeigen. Die Pfalz-Flugwerke (PFW) waren 2001 an den amerikanischen Investor Safeguard International Fund verkauft worden. Zuvor befanden sie sich im Besitz von Mitarbeitern. Neben Airbus wird auch Boeing von dem 1913 gegründeten Undpa ternehmen beliefert.

Easyjet zahlt zum ersten Mal eine Dividende Katharina Slodczyk London

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r bekommt seinen Willen: Seit fast drei Jahren kämpft Easyjet-Gründer und Großaktionär Stelios Haji-Ioannou um eine Dividende und gegen die Expansionspläne der britischen Billigfluggesellschaft. Gestern kündigte das Unternehmen an, zum ersten Mal Geld an seine Investoren auszuschütten, insgesamt 190 Millionen Pfund (218 Millionen Euro). Das schließt eine Sonderdividende von 150 Millionen Pfund ein, die Easyjet-Chefin Carolyn McCall mit höheren Gewinnerwartungen begründete. So geht das Unternehmen davon aus, dass der Vorsteuergewinn am Jahresende bei bis zu 250 Millionen Pfund liegen wird. Ursprünglich war von maximal 230 Millionen Pfund die Rede. Es ist vor allem die gestiegene Nachfrage von Geschäftskunden und Kurzurlaubern, die laut McCall im zweiten Halbjahr die Umsätze und Gewinne des Unternehmens antreibt. Sie warnte jedoch, dass höhere Kerosinpreise die Kosten im nächsten Jahr um mehr als 200 Millionen Pfund erhöhen dürften. Stelios Haji-Ioannou hält gemeinsam mit seinen Geschwistern 38 Prozent der Easyjet-Anteile. Sie bekommen Anfang nächsten Jahres voraussichtlich eine Gewinnausschüttung von 72 Millionen Pfund. Der Easyjet-Gründer hat in den vergangenen Wochen den Druck auf die Unternehmensführung erhöht. So fordert er den Rücktritt eines Verwaltungsratsmitglieds, das Anfang dieses Jahres für die Bestellung von 35 neuen Flugzeugen gestimmt hatte. Ein anderes Mitglied des Gremiums, das ebenfalls die Expansion befürwortete und Kritik von Haji-Ioannou erntete, hat diesen Posten bereits im August aufgegeben. Eigentlich wäre seine Amtszeit erst Ende 2011 ausgelaufen.

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FREITAG / SAMSTAG, 23. / 24.09. 2011, Nr. 185

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Rezzo Schlauch im Jahr 2007 in der Stuttgarter Bar „Rote Kapelle“ (Foto links).

„Dann können wir ein großes Rad drehen“

REZZO SCHLAUCH Geboren am 4. Oktober 1947 in Gerabronn, benannt nach Ritter Rezzo von Bächlingen 1966 Abitur in Künzelsau Ab 1975 Rechtsanwalt in Stuttgart Ab 1980 Mitglied bei den Grünen 1984–1994 Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg November 1990 Kandidatur zum Oberbürgermeister von Stuttgart, Ergebnis: 20,7 %

20 Jahre war Rezzo Schlauch für die Grünen führend tätig. Nach seinem Rückzug aus der Politik versuchte sich Schlauch als Unternehmensberater im Großhandel mit Diesel und Flüssiggas. Dabei pflegte er auch Umgang mit einem Kriminellen: Michael Josten, dem Strippenzieher des Skandalunternehmens Teldafax. Eine Geschichte über skurrile Geschäftsvorhaben, schillernde Luftschlösser und den Traum vom ganz großen Geld nahm ihren Lauf. Schlauch war Fraktionsvorsitzender der Bundestagsfraktion, als die Grünen 2002 n jenem Sommertag, als das Ge- ihre erste moralische Generalkrise erlebten. schäft schon ins Wasser gefallen Erst fiel ihr Wunderkind Cem Özdemir. Er war, als seine Träume vom großen hatte die Bonusmeilen, die er dienstlich anÖlhandel zerbarsten und seine Mil- sammeln konnte, für private Freiflüge gelionen-Provisionen in weite Ferne rückten – nutzt. Das passte nicht in die Landschaft. Die da wurde der Ton von Rezzo Schlauch fast fle- Grünen wollten tugendhafter sein als der hend. „Die Nachricht, dass mehrere Wochen Rest. Jetzt wirkten sie wie jede andere Partei, Arbeit, Nerven und Kosten für die Tonne wa- deren Politiker eben mitnahmen, was mitzuren, ist, wie Sie sich vorstellen können, für nehmen war. Doch es kam noch schlimmer. mich ein ziemlicher Schlag ins Kontor“, Im Juni 2002 trat Özdemir zurück, schrieb der ehemalige grüne Staatssekretär Schlauch zollte ihm „hohen Respekt“. Zwei an seinen Geschäftspartner. Monate später stellte sich heraus: Schlauch Ob man nicht doch das Geschäft mit den hatte das Gleiche getan, wie Özdemir – es 200 000 Tonnen Dieselöl pro Monat zu- aber erst einmal vertuscht. „Kaviar, Champastande bringen könnte? Oder jegner und Rosen in der First nes mit den 50 000 Tonnen „Hier die Adresse Class – so luxuriös flog Rezzo Schweröl, an dem Schlauch so Schlauch mit den Bonus-Meivon meiner lang gearbeitet hatte? Er habe len“, schrieb die „Bild“-Zeitung. Partnerfirma „geschoben, gedrückt und geUnd die Partei geriet in Rage. Teldafax. Sie puscht“, schrieb Schlauch und Er hätte sich gewünscht, „dass bettelte: „Ich würde Sie instän- können ihr absolut das Gewissen und das Erinnevertrauen.“ dig bitten zu retten, was zu retrungsvermögen von Schlauch Rezzo Schlauch ten ist.“ bereits intakt gewesen wäre, als per Mail an Geschäftspartner Der Adressat des Schreibens er sich mit dem Fall Özdemir bewar Michael Josten, ein schon zum damali- schäftigen musste“, zischte der brandenburgen Zeitpunkt verurteilter und mittlerweile gische Grünen-Vorsitzende Roland Vogt. inhaftierter Anlagebetrüger, der im Zuge der Nach Bangkok war Schlauch geflogen. AusPleite des Stromanbieters Teldafax zu zweifel- gerechnet, für 7 000 Euro. Schlauch zahlte haftem Ruhm gekommen ist. Was aber hat- später selbst, doch der Schaden war nicht ten Schlauch, der Ökologe, und Josten, der wiedergutzumachen. Sechs Wochen später Knastologe, miteinander zu schaffen? gab er den Fraktionsvorsitz ab, wurde ParlaEs ist ein verblüffender, ein kurioser mentarischer Staatssekretär. Zur nächsten Schriftwechsel, der dem Handelsblatt vor- Wahl im Jahr 2005 trat Schlauch nicht wieder liegt. Eine Reise von Projekt zu Projekt, von an und verblüffte die Öffentlichkeit mit dem Luftschloss zu Luftschloss. Wie Kinder begeis- Satz: „Ich habe alles erreicht, was man in der tern sich die beiden in ihrer Korrespondenz Politik erreichen kann.“ für Milliardendeals, die vermeintlich schon Ganz anders agierte sein Geschäftspartner, zum Greifen nahe sind. Und die sie doch nie- Michael Josten. Auch er war einst in der Polimals erreichen. tik aktiv. Anfang der 90er-Jahre waltete JosDie E-Mails zwischen Schlauch und Josten – ten als West-Import in Sachsen-Anhalt über sie sind ein Austausch zwischen zwei Män- die Finanzen der dortigen CDU. Doch im Genern, die mehr sein wollten, als sie sind. gensatz zu Schlauch suchte er nie das Rampenlicht – offenbar aus gutem Grund. Schon Genusskoloss mit Bonusmeilen 1994 ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen Der eine, Rezzo Schlauch, ist ein Urgestein Josten. Dem CDU-Funktionär wurde vorgeder Grünen, ein schwäbisches Schlitzohr. Als worfen, Parteimitglieder und andere Politi„Genusskoloss“ bezeichnete die „Süddeut- ker bespitzelt zu haben. Josten bestritt, legte sche Zeitung“ den Mann, der weit mehr als aber alle Ämter nieder. Als er wieder auf100 Kilo auf die Waage brachte und auch poli- tauchte, beschäftigte er erneut die Justiz. tisch zum Schwergewicht wurde. Schlagfer„Das Gericht ist davon überzeugt, dass der tig, wortgewaltig war Schlauch ein Magnet Angeklagte Josten sich planvoll und bewusst für die Massen. Fast wäre er geworden, was aus der formellen Verantwortung gestohlen Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat“, hieß es in einem Urteil des Landgeheute ist: ein grüner Wahlsieger auf höchs- richts Mannheim 2007. Josten habe mehrere tem Niveau. 1990 wurde Schlauch Vorsitzen- Tausend Anleger in einer Art Schneeballsysder der Partei im Landtag von Baden-Würt- tem um viele Millionen Euro betrogen. Zwar temberg, 1996 unterlag er mit fantastischen trat er in den Geschäften mit geschlossenen 40 Prozent der Stimmen nur knapp in der Immobilienfonds nie selbst in Erscheinung. Wahl zum Stuttgarter Oberbürgermeister. Doch Josten, urteilten die Richter, zog als Dann sank sein Stern. „Spiritus Rector“ im Hintergrund die Fäden.

1994–2005 Mitglied des Bundestags, bis 1998 stellvertretender Fraktionsvorsitzender, bis 2002 Fraktionsvorsitzender 1996 erneute Kandidatur zum Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart, knappe Niederlage mit 39,3 % 2002 parlamentarischer Staatssekretär für den Mittelstand im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit

Jürgen Flauger, Sönke Iwersen Düsseldorf

A

2005 Rückzug aus der Politik; Eintritt in die Kanzlei Mayer & Kambli

Briefkasten von Schlauchs Handelsunternehmen in Freiberg am Neckar.

2007 Gründung von Manda Panda

das Ölgeschäft platzte und Schlauch bittere Mails an seine merkwürdigen Geschäftspartner abfeuerte, machte er weiter. Er schrieb von „griechischen Connections“, einem „Indien-Deal“, und schwärmte: „Dann können wir ein großes Rad drehen, und wenn ich es recht sehe, ziemlich zügig.“

laif, Ridder, Teldafax

Wenn nicht Öl, dann eben Zement

Verurteilter und inhaftierter Anlagebetrüger Michael Josten.

Sie vermerkten „eine besonders habgierige Gesinnung des Angeklagten Josten“ und verurteilten ihn zu zweieinhalb Jahren Gefängnis. Aber Josten verlegte seinen Wohnsitz in die Schweiz – und war für die deutschen Behörden erst einmal nicht erreichbar. Sein Tatendrang blieb derweil ungebremst. Aus der Ferne drehte er ein noch größeres Rad – bei Teldafax. Hatte er zuvor mit Immobilien ein Schneeballsystem aufgezogen, wiederholte er das Ganze nun mit Strom. Zwei Schlitzohren finden sich Teldafax, heute der größte Insolvenzfall Deutschlands, war nach seinem Einstieg ins Stromgeschäft kurzzeitig eine grandiose Geldmaschine. Teldafax verkaufte den Strom unter Einstiegspreisen, und die Kunden kamen in Scharen. Hunderttausende akzeptierten die Bedingungen – konkurrenzlos billigen Strom gegen Bezahlung ein Jahr im Voraus. Anfang 2008 quollen die Konten von Teldafax vor Geld fast über. Josten, der erst Vorstandsvorsitzender war und nach seiner Verurteilung als Aufsichtsrat weiter die Strippen zog, sah sich bereit für noch größere Deals. Er traf Rezzo Schlauch. Es war eine Begegnung, über die Schlauch heute nicht reden mag. Erst auf mehrfache Nachfrage gibt der Politiker zu, den Mann, mit dem er Milliardengeschäfte vereinbarte, überhaupt zu kennen. Das sei halt so gekommen, sagt Schlauch. Damals, 2008, habe ein

gewisser Knut L. für Teldafax gearbeitet. „Der Mann ist Schwabe, eine hochseriöse Person“, sagt Schlauch. Und Knut L. habe ihm dann Herrn Josten vorgestellt. Mehr sagt Schlauch heute nicht. Details liefern dafür die E-Mails, die dem Handelsblatt vorliegen. „Herr Josten, die First American Bank wird eine Kreditlinie von 4,6 Milliarden Dollar einrichten. Die Confirmation wird heute im Laufe des Abends kommen“, schrieb Schlauch am 14. Mai 2008 an den Mann, der zu diesem Zeitpunkt bereits zu zweieinhalb Jahren Haft wegen Anlagebetrugs verurteilt worden war. Normalerweise dauere eine solche Finanzierung mehrere Wochen, schrieb Schlauch. Er aber habe erreicht, dass die Bank wesentlich schneller arbeitete. Fünf Tage später leitete Schlauch die Kontaktdaten von Teldafax an den griechischen Rohstoffhändler Nikolaos T. weiter und schrieb: „Das hier ist die Adresse von meiner Partnerfirma Teldafax. Sie und Ihr Klient können ihr absolut vertrauen.“ Er unterschreibt als: „Rechtsanwalt Rezzo Schlauch, Parlamentarischer Staatssekretär a.D.“ Was treibt einen so erfahrenen Politiker wie Rezzo Schlauch dazu, einen Mann, den er kaum kennt, als seriösen Partner zu empfehlen? Schlauch mag diese Frage heute nicht beantworten. Er habe doch nicht wissen können, dass Josten ein Krimineller war, sagt der Rechtsanwalt. Und was brachte ihn zum Han-

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del mit Schweröl? Schlauch schweigt. Dann droht er per Anwalt mit rechtlichen Schritten, sollte das Handelsblatt über seine Rohstoffgeschäfte mit Josten berichten. Das ist verständlich. Schlauchs Geschäfte, so zeigen öffentlich einsehbare Unterlagen, liefen nicht ganz wie geplant.

Schlauch. Josten sprach von Milliarden. Gazprom wollte über Teldafax im großen Stil Öl und andere Rohstoffe verkaufen, Schlauch sollte Käufer finden. Doch es sei höchste Eile geboten, weil es auch andere Interessenten gebe. Josten an Schlauch: „Sie dürfen mich auch ruhig abends stören.“ Dann nennt er eine Handynummer in der sicheren Schweiz. Die Geschäfte von Manda-Panda Doch so grandios sich die Geschäfte anlie2007 gründete Schlauch die Firma Manda- ßen, so schnell gerieten sie ins Stocken. ImPanda Trade & Consult in Freiberg. Manda- mer wieder fehlte noch ein Detail, noch eine Panda – das klang nach Rezzo Schlauch. Ein Formalie. Schlauch, der offenbar dachte, er bisschen schelmisch, ein bisskönne aus dem Stand zum Ölchen Umwelt. Doch weit gefehlt. „Herr Josten, die und Gasgroßhändler werden, Geschäftszweck von Mandalief von Hinz zu Kunz. Was er First American Panda war die Beratung von Unnicht wusste: Er war für Josten Bank wird eine ternehmen und der Handel von Kreditlinie von 4,6 nur Mittel zum Zweck. Gütern. Das Problem: Die Firma Der windige Geschäftsmann, Milliarden Dollar der schon 2007 inhaftiert werlag weitgehend brach. einrichten.“ Die Jahresberichte von Mandaden sollte, wollte über Rezzo Schlauch Panda zeigen zwischen 2007 und Schlauch erst einmal einen Käuper Mail an Michael Josten 2009 dünne Bilanzen und je ein fer für Millionen von Tonnen Öl paar Hundert Euro Verlust. Es ist genau die finden. Damit sollte dann Gazprom überZeit, in der Schlauch Kontakt mit Josten auf- zeugt werden. Das Problem: Schlauch nimmt. Und der lockte mit einem dicken schleppte Kunden an, aber Josten kam auf Fisch: dem russischen Öl- und Gasgiganten russischer Seite nicht weiter. In einer Mail Gazprom. schrieb Josten an einen Teldafax-Mitarbeiter: „Sehr geehrter Herr Schlauch, als Anlage „Es wird der Käuferseite langsam klar, dass erhalten Sie den Entwurf eines Treuhandver- wir gar keinen Kontakt zu Gazprom haben.“ trages zur Abwicklung des Dieselgeschäftes“, Schlauch blieb dies verborgen. Immer wieschrieb Josten am 8. Mai 2008 an Schlauch. der führte er Telefonate, schickte Schreiben Einen Tag später schickte der Teldafax-Mann an Josten. Vertragsentwürfe wurden ausgeareinen Entwurf für eine Kauforder an beitet, Provisionen festgelegt. Und selbst als

Die Geschäftsversuche des Rezzo Schlauch entbehren nicht einer gewissen Komik. In eifrigen Mails sinnierte der Ex-Politiker über Dieselpreise in Rotterdam und Singapur, über acht bis zehn Tanker pro Monat und Auftrag. Nur selten störte der Realitätssinn – in einer Mail berichtet Schlauch von einem Banker bei Morgan Stanley. Der habe ihm erklärt, es sei „undenkbar, dass eine Firma mit 100 000 Euro Eigenkapital ein Geschäft mit einem Milliardenvolumen abwickelt“. Doch Schlauch überwandt die Vorbehalte, selbst irrwitzige Antworten konnten ihn nicht bremsen. Zum Beispiel die eines Josten-Mitarbeiters, der in einer Mail an Schlauch erklärte: „Der russische Bär bewegt sich langsam.“ Schlauch war flexibel. Als die Ölgeschäfte scheiterten, stieg er mit Josten um auf südafrikanischen Zement. „In einem ersten Schritt geht es um den Kauf und die Lieferung von 100 000 Tonnen Zement pro Monat“, hieß es im Vertragsentwurf vom 5. Oktober 2008 für Manda-Panda. Diesmal war auch Schlauchs Anwaltskanzlei in München mit im Spiel. Obwohl er schon Mitte 2008 mehrmals mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehungen drohte, konnte sich Schlauch von seinen Großhandelsträumen nicht trennen. Anfang 2009, als sich alle Geschäfte in Luft aufgelöst hatten, bot seine Kanzlei Teldafax an, jetzt kleinere Mengen Öl zu handeln. Erst als auch dies völlig erfolglos blieb, schlief die Korrespondenz zwischen Schlauch und Josten ein. Auf seiner Internetseite begrüßt Rezzo Schlauch heute seine Besucher so: „Hallo und herzlich willkommen. Schön, dass Sie vorbeischauen – vielleicht, weil Sie sich gefragt haben: Was macht eigentlich Rezzo?“ Von Ölgeschäften schreibt Schlauch dort nichts. Stattdessen heißt es: „Türen öffnen, Menschen zusammenbringen, interessante Verbindungen aufbauen: Das ist meine Art der punktuellen Unternehmensberatung. Sie ist spannend und erfolgreich.“ Wenn auch nicht immer.

Vergleichsportale wollen mehr Transparenz

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ergleichsportale im Internet brauchen nach Ansicht des Chefs des Anbieters FlexStrom, Robert Mundt, einheitliche und transparente Regeln und sollten ihre Provisionen offenlegen. Mundt habe Branchenvertreter für die kommende Woche eingeladen, um derartige Regelungen auszuarbeiten, teilte Flex-Strom mit. Verbraucherschützer schlugen eine behördliche Aufsicht über die Internetseiten vor. Vergleichsportale erhalten von Energieanbietern eine Provision, wenn Verbraucher über das Portal den Anbieter wechseln. Welcher Versorger wie viel Provision bezahlt, ist nicht bekannt. Zuletzt hatte es im Zusammenhang mit dem insolventen Anbieter Teldafax Diskussionen um die Provisionsregelung gegeben. „Wer ein Haus kauft oder eine Wohnung mietet, kennt ganz genau die fällige Provision – das sollte gleichermaßen bei Energiedienstleistungen gelten“, fordert Mundt. Nur durch eine solche Transparenz könne sichergestellt werden, dass es künftig keinen Generalverdacht gegen günstige Anbieter oder Vergleichsrechner im Internet mehr gebe. „Wer Liberalisierung will, muss hier für Vertrauen und Offenheit sorgen“, erklärt der Flex-Strom-Chef. afp

Blickpunkt: US-Logistikkonzern Fedex nimmt Gewinnziel für sein Geschäftsjahr zurück NEW YORK. Der US-Paketriese Fedex stellt sich auf eine lahmende Konjunktur ein. Der Deutsche-Post-Konkurrent kürzte gestern seine Jahresprognose. Die Wirtschaft sei in den USA und auch weltweit langsamer gewachsen als von Fedex erwartet, sagte Finanzchef Alan Graf. Express- und Logistikkonzerne gelten als Gradmesser der konjunkturellen Entwicklung – als Laufburschen weltweit agierender Konzerne bekommen sie eine Eintrübung durch sinkende Sendungsmengen rasch zu spüren. Im ersten Geschäftsquartal war der Gewinn von Fedex noch binnen Jahresfrist um 22 Prozent auf 464 Millionen Dollar gestiegen. Reuters

Fedex Aktienkurs in US$ 66,37 -8,46% 46 *

21.9.’11

22.9.

*zum letzten Handelstag (Schlusskurs) Stand: 20 Uhr Handelsblatt Quelle: Bloomberg

Volkswagen

Einsicht Volkswagen reagiert auf die Greenpeace-Kritik und will bei seiner Fahrzeugflotte die Emissionen senken. Seite 26

US-Konzerne sehen Kauf chancen

Evonik kommt frühestens im Mai 2012 an die Börse

Die Übernahme von Luftfahrtlieferant Goodrich zeigt: Amerikanische Unternehmen nutzen die Euro-Krise und fallende Kurse für Akquisitionen. Deutsche Konzerne halten sich dagegen zurück.

Eigentümer des Essener Spezialchemiekonzerns einigen sich auf Verschiebung. Un nit ited ed Tec ec echnolog og gie ies ies

Markus Hennes Düsseldorf

übernimmt übe b t

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Goodrich

s sollte der größte Börsengang in Deutschland seit Jahren werden, die Vorbereitungen für den Milliarden-Deal liefen auf Hochtouren. Doch heute werden die Eigentümer des Essener EvonikKonzerns den Start verschieben. Das Votum der RAG-Stiftung und des Finanzinvestors CVC steht im Prinzip seit Wochen fest. Bei einem Treffen am 2. September kamen Finanzminister Wolfgang Schäuble und Stiftungs-Chef Wilhelm BonseGeuking überein, dass die Unsicherheit an den Märkten keinen Börsengang von Evonik erlaube. Deshalb wird die heutige Sitzung des Stiftungskuratoriums nur als Telefon-

18,40 Mrd. Euro

Expre Expr Ex ess Scriptts ess es übernimmtt üb

Medco Health Solutions Thomas Jahn, Ulf Sommer Düsseldorf

29,89 Mrd. Euro

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ouis Chênevert hatte das nötige Kleingeld – doch was ihm fehlte, war ein passendes Schnäppchen. Der Vorstandschef des US-Konglomerats United Technologies suchte laut eigener Aussage schon seit gut einem Jahr nach einem großen Unternehmen, das zum Verkauf stand. Jetzt ist der Manager fündig geworden: Für 18,4 Milliarden Dollar kauft United Technologies den Luftfahrtlieferanten Goodrich. Zwei Dinge sind an dem Deal bemerkenswert: der Preis und der Zeitpunkt. Goodrich war – vor Bekanntgabe der Übernahmeofferte – an der Börse gerade mal knapp elf Milliarden Dollar wert, Chênevert zahlt also einen enorm hohen Aufpreis. Und das mitten in einer Börsenkrise. In einer Zeit also, in der Investoren unter Panikattacken leiden und ihr Geld am liebsten zusammenhalten. Doch Angst hat Chênevert nicht. Im Gegenteil: Fallende Kurse sieht er als Kaufgelegenheit. Zwar redete er schon seit September 2010 mit Goodrich-Chef Marshall Larsen über einen Kauf. Doch die Aktie von Goodrich kletterte fast täglich nach oben, das Unternehmen wurde immer teurer. Mit dem Crash im August brach das Papier um mehr als 15 Prozent ein. Das war die Einstiegschance für Chênevert: Das Goodrich-Management verhandelte spürbar bereitwilliger. Gegen den Trend zu handeln lohnt sich Der United-Technologies-Chef nimmt sich also eine alte Börsenweisheit zu Herzen: „Kaufe, wenn das Blut auf den Straßen fließt“ – das soll Baron Rothschild bereits im 18. Jahrhundert gesagt haben. Und der Mischkonzern aus Connecticut ist dabei kein Einzelfall, denn die Euro-Krise beschäftigt die Finanzmärkte schon seit vielen Monaten, die Kursstürze setzten bereits im Juli ein. Dennoch kauften US-Konzerne im zweiten Quartal Firmen im Wert von 267 Milliarden Dollar – knapp ein Drittel mehr als im Vorjahr. Das zeigen Berechnungen des Finanzdienstleisters Thomson Financial. Auch im dritten Quartal dürfte das Volumen höher liegen als im Vorjahr. „Die Aktivitäten überschlagen sich nur so“, sagt Neil Sutton, Spezialist für Corporate Finance bei der Wirtschaftsberatung Pricewaterhouse. Damit durchbrechen die Unternehmen den üblichen Zyklus. Denn die meisten Übernahmen gibt es traditionell in der Endphase eines Aufschwungs. Dann kaufen die Unternehmen gerne viel und oft teuer hinzu. In Krisenzeiten halten sie sich dagegen eher zurück, obwohl sie angesichts geringer Konkurrenz weniger zahlen müssten. Gegen den Trend zu handeln aber lohnt sich – auch für United Technologies. Aus Sicht des Unternehmens gibt es zwei Rechnungen. So zahlt das Unternehmen – im Vergleich zum Börsenkurs vor Bekanntwerden des Deals – einen Aufpreis von satten 47 Prozent. Nach dem Salami-Crash der letzten Wo-

Goo Go og ogle

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9,40

6,25 Mrd. Euro

Mrd. Euro

KAUFEN – GEWUSST WIE Krise „Kaufe, wenn die Kanonen donnern – oder wenn das Blut auf den Straßen fließt“, so lautet eine Börsenweisheit. Gemeint ist: Anleger sollen Aktienkaufen, wenn die Sorgen oder gar Kriegsängste am größten sind. Die Strategie führte oft zum Erfolg. Wer im März 2003 Aktien kaufte, als USTruppen im Golf einmarschierten, erwischte die Tiefstkurse. Genauso war es sechs Jahre später auf dem Höhepunkt der Rezession. Euphorie Unternehmen kauften in der Vergangenheit mit Vorliebe ausgerechnet dann Firmen, wenn die Aktienkurse und Preise hoch waren. Das größte Übernahmevolumen gab es auf dem Höhepunkt der Technologieblase zur Jahrtausendwende. Prominente Beispiele sind die „Hochzeit im Himmel“ zwischen Daimler und Chrysler und die Übernahmeschlacht in der Mobilfunkbranche, als sich der britische Mobilfunkanbieter Vodafone den Düsseldorfer Mannesmann-Konzern einverleibte.

chen aber ist der Aufschlag auf 27 Prozent geschrumpft. Das liegt deutlich unter der durchschnittlichen Übernahmeprämie der vergangenen 30 Jahre, sie betrug rund 40 Prozent. Allerdings sind nicht alle Deals so lukrativ wie der von Chênevert: Hewlett-Packard zahlte für den Softwarehersteller Autonomy im August mit 10,3 Milliarden Euro einen Aufschlag von 64 Prozent, der Suchmaschinenbetreiber Google für die Mobilfunksparte von Motorola 63 Prozent. Leisten können sich die Amerikaner die milliardenschweren Deals trotzdem. US-Unternehmen horten laut eines kürzlich verfassten Berichts von Finanzdienstleister Moody’s 2010 insgesamt 1,2 Billionen Dollar in ihren Bilanzen. Gleichzeitig liegt das Verhältnis von Cash zu Schulden mit dem Faktor drei so

niedrig wie seit fünf Jahren nicht. Computerhersteller Apple hält mit 78 Milliarden Dollar das meiste Bargeld, gefolgt von Softwareproduzent Microsoft mit 51 Milliarden Dollar, Google mit 39 Milliarden Dollar und Oracle mit knapp 29 Milliarden Dollar. Bislang hatten die amerikanischen Unternehmen allerdings nur beschränkten Zugriff auf ihr Bargeld. Rund 600 Milliarden Dollar liegen laut Schätzung von Moody’s im Ausland. Allerdings denkt man im US-Finanzministerium über eine Abschaffung der Rückführungssteuer nach. Das würde auf einen Schlag eine enorme Kaufkraft freisetzen. Allein bei Microsoft wären das 29 Milliarden Dollar, bei Apple 17 Milliarden Dollar und bei Google zwölf Milliarden Dollar. Der US-Finanzdienstleister Morningstar untersuchte vor wenigen Tagen in einer Studie die „attraktivsten Übernahmekandidaten“ in den USA. Er filterte die Konzerne mit hohen Barbeständen und stark gefallenem Aktienkurs heraus. Danach könnten Einzelhändler American Eagle Outfitters, Filmstudio Dreamworks Animation oder Öl- und Gasproduzent Ultra Petroleum möglicherweise im Visier anderer Unternehmen stehen. Auch deutsche Unternehmen könnten sich, wenn sie denn wollten, milliardenschwere Übernahmen leisten. Nach Handelsblatt-Berechnungen verfügen die 100 größten börsennotierten Konzerne aktuell über Cashreserven in Höhe von 148 Milliarden Euro – ein historischer Rekord. Der Softwareriese SAP hat 3,8 Milliarden Euro in der Kasse, die Lufthansa 4,6 und Siemens sogar 13,4 Milliarden Euro. Mehr noch: 26 der 100 größten deutschen Firmen leisten sich das Luxusproblem einer negativen Nettoverschuldung, das heißt, sie haben mehr Bares als Verbindlichkeiten – darunter der Chipproduzent Infineon, der Markenartikler Beiersdorf und der Stahlhersteller Salzgitter. Obendrein sprudeln die Gewinne für die Unternehmen in diesem Jahr so prächtig wie noch nie.

Handelsblatt | Quellen: Bloomberg, Thomson Reuters

TERMINSACHE

Reuters

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Einsatz Der Krieg in Libyen bringt EADS neuen Schub. In Indien steht der Konzern vor einem Riesengeschäft. Seite 24

Doch größere Übernahmen mit deutscher Beteiligung gibt es nicht. Im Gegenteil: Bei den letzten spektakulären Deals waren deutsche Unternehmen nicht Angreifer, sondern Ziel einer Übernahme. Im Sommer hat sich der amerikanische Mischkonzern Terex den Kranhersteller Demag Cranes einverleibt. Die Düsseldorfer profitieren mit ihrer Exportstärke vom Boom in den Schwellenmärkten und zählen zu den Großen in der hochspezialisierten Branche. Den Baukonzern Hochtief kaufte der spanische Wettbewerber ACS. Beschützender Großaktionär fehlt Demag Cranes und Hochtief dürften angesichts der amerikanischen Krisen-Kauflaune nicht die letzten Firmen bleiben, die vom deutschen Kurszettel verschwinden. Denn nach den schweren Kurseinbrüchen sind die deutschen Unternehmen gemessen am diesjährigen Nettogewinn und ihrem Eigenkapital historisch preiswert. Vor allem Infineon, der Photovoltaik-Spezialist Phoenix Solar, Netzwerkausrüster Adva Optical, Maschinenbauer Aixtron, Anlagenspezialist Gea, die Biotechfirma Qiagen und die Software AG gelten als günstig. Mit ihrem operativen Ergebnis könnten diese Firmen ihren Kaufpreis im Falle einer Übernahme in weniger als zehn Jahren zurückzahlen. Folglich sind sie übernahmegefährdet. Ihnen fehlt auch ein beschützender Ankeraktionär. Die ganz großen Dax-Konzerne sind dagegen weniger begehrt. Denn als Käufer kommen dann ebenfalls nur große Unternehmen infrage. „Für die aber ist es oftmals einfacher, ihre Marktposition durch die Übernahme kleinerer und fokussiert aufgestellter Champions zu stärken“, sagt Thomas Kautzsch von der Unternehmensberatung Oliver Wyman.

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Was Banken an Übernahmen verdienen Seite 33

konferenz abgehalten. Vor allem für die Kohle-Stiftung, der drei Viertel der Anteile gehören, ist eine richtige Bewertung durch die Investoren entscheidend. Denn ihr Auftrag lautet, durch den Verkauf von Evonik-Aktien bis 2018 mindestens 8,4 Milliarden Euro einzunehmen. So viel Geld wird benötigt, um die sogenannten Ewigkeitslasten des Bergbaus – etwa für das Abpumpen von Grubenwasser – zu bezahlen. Wie es in Stiftungskreisen heißt, trage CVC die Verschiebung mit. Allerdings hätten die beiden Eigentümer lange über eine Variante – eine Verknappung des Angebots – diskutiert. Danach sollten bei einem Börsengang statt eines Drittels nur rund zehn Prozent der Aktien auf

den Markt kommen. Eine CVC-Sprecherin wollte das nicht kommentieren. CVC war 2008 bei Evonik eingestiegen, der Preis für das Aktienpaket von 25,01 Prozent betrug 2,4 Milliarden Euro. Diese Anteile sind jetzt erheblich mehr wert. Im Juni taxierten Analysten den fairen Wert aller Evonik-Aktien auf zwölf bis 14 Milliarden Euro. Wie es in Finanzkreisen heißt, werde nun ein Börsengang auf Basis der Zahlen für das Gesamtjahr 2011 angepeilt, für das Evonik ein Rekordergebnis erwartet. Festgestellt wird die Bilanz Mitte März 2012. Danach könne das Unternehmen in maximal acht Wochen an der Börse starten, heißt es. Evonik lehnte eine Stellungnahme ab.

18 WIRTSCHAFT & POLITIK Bund führt Lkw-Maut auf Bundesstraßen nicht mehr in diesem Jahr ein Die Regierung muss in diesem Jahr auf Einnahmen aus der geplanten Lkw-Maut auf Bundesstraßen verzichten. Die Erhebung sei 2011 „nicht mehr realisierbar“, heißt es in einer schriftlichen Antwort, „da die Verhandlungen mit der Mautbetreibergesellschaft Toll Collect noch andauern“. Der Bund wollte pro Jahr mindestens 100 Millionen Euro Maut einnehmen. Auch der schwelende Streit mit Toll Collect wird 2011 nicht wie gehofft beendet, wie die Regierung bestätigte. Dabei geht es um mehr als fünf Milliarden Euro. „Minister Ramsauer organisiert sich selbst riesige Einnahmeprobleme“, kritisierte der SPD-Politiker Uwe Beckmeyer. dhs

USA: Konservative Abgeordnete blockieren Haushaltsgesetz Im erbittert geführten Streit über den US-Haushalt haben konservative Republikaner im Repräsentantenhaus gegen die eigene Partei rebelliert und ein wichtiges Gesetz blockiert. In der Vorlage ging es um die Finanzierung der Bundesregierung ab Oktober. Viele besonders konservative Republikaner stimmten am Mittwochabend gegen den Entwurf, um größere Einsparungen durchzusetzen. Der Entwurf wurde mit 230 zu 195 Stimmen abgelehnt. Die Ablehnung der Vorlage zeigt, dass Vertreter der konservativen Tea-Party-Bewegung der Republikaner bei Haushaltsfragen kaum gewillt sind, Kompromisse einzugehen. Reuters

FREITAG / SAMSTAG, 23. / 24.09. 2011, Nr. 185

USA verärgern Palästinenser Barack Obama lehnt die palästinensische Forderung nach einem eigenen Staat ab. Das gilt als Zeichen für die Schwäche der US-Regierung. Markus Ziener Washington

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roße Anerkennung von Israel, tiefe Verärgerung bei den Palästinensern: Nach der Rede von US-Präsident Barack Obama vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen sitzt die Enttäuschung im arabischen Raum tief. Dass eine Abstimmung über die Aufnahme Palästinas als Vollmitglied in die Vereinten Nationen noch abgewendet werden kann, gilt als immer weniger wahrscheinlich. Obama hatte am Mittwoch in seiner Rede in New York klargemacht, dass er lediglich einer Verhandlungslösung zwischen Israel und den Palästinensern über die Bildung eines unabhängigen Palästinenserstaats

eine Chance gibt. Einen palästinensischen Antrag auf Vollmitgliedschaft würden die USA mit ihrem Veto im Sicherheitsrat blockieren. Genau diesen Antrag wollen die Palästinenser jedoch am Freitag einbringen. Vor nur einem Jahr hatte Obama an gleicher Stelle noch die Hoffnung genährt, dass 2011 der Grundstein für die Existenz zweier unabhängiger Staaten in Nahost gelegt werden könne. „Wenn wir hierher in einem Jahr zurückkehren“, zeigte er sich seinerzeit optimistisch, „können wir eine Vereinbarung haben, die zu einem Neumitglied in den Vereinten Nationen führt – einen unabhängigen, souveränen Staat Palästina, der in Frieden mit Israel lebt.“ Ein Kompromiss ist ungewiss Unklar blieb nach der amerikanischen Kehrtwende, ob ein Kompromissvorschlag Frankreichs eine Mehrheit finden könnte. Frankreich hatte angeregt, den Palästinensern in den Vereinten Nationen ähnlich wie dem Vatikan den Status eines Beobachters zu gewähren – allerdings als Nichtmitglied. Bislang sind die

Palästinenser lediglich als „Entity“, der Verlässlichkeit von Abspraals „Gebilde“, bei den Vereinten Na- chen erhöht. Die „New York Times“ interpretionen vertreten. Eine andere Variante bestünde darin, dass die Paläs- tierte diese Tatsache gestern aber tinenser zwar ihren Antrag stellen, auch als Resultat der innenpolitidie Beratung darüber aber bis auf schen Blockade der USA. Das Land sei so sehr mit eigenen Schwierigkeiweiteres vertagt wird. Obamas Problem ist, dass er ei- ten beschäftigt, dass es in der Nahnerseits die Demokratiebewegung ost-Frage „nicht mehr führen“ im arabischen Raum könne, zitiert sie Daunterstützt, im Falle „Wir können eine niel Levy, ehemals Verhandler im FriedensPalästinas aber den isVereinbarung prozess unter dem früraelischen Sicherheitshaben, die zu interessen Vorrang einem Neumitglied heren israelischen Premier und heutigen Verüber alle anderen Bein den Vereinten teidigungsminister strebungen einräumt. Nationen führt.“ Ehud Barak. „Durch Gleichzeitig ist das Zurückrudern des US- Barack Obama im Jahr 2010 die Paralyse der USA US-Präsident werden nun andere auf Präsidenten auch ein Eingeständnis der Tatsache, dass die Bühne treten“, erwartet Levy. Steve Clemons, Senior Fellow Washington nicht in der Lage ist, sich gegenüber Israel durchzuset- beim liberalen Thinktank „New zen. So hat die israelische Regie- America Foundation“ hält die Abrung unter Premier Benjamin Net- lehnung der palästinensischen Foranjahu den Siedlungsbau im West- derungen für einen „schweren Fehjordanland trotz amerikanischen ler“. Dadurch würden sowohl die Widerstands fortgesetzt. Die Paläs- moderaten Kräfte bei den Palästitinenser ihrerseits sind weiterhin nensern untergraben, wie auch den in die Fraktionen der moderaten künftigen VerhandlungsmöglichkeiFattah und der radikalen Hamas ten zwischen Israel und Palästina zersplittert – was die Zweifel an enge Grenzen gesetzt.

Mehr als 150 Länder haben bei der Generalversammlung der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien einen Aktionsplan zu mehr Atomsicherheit nach Fukushima einstimmig angenommen. In einer Resolution bekräftigten sie am Donnerstag noch zusätzlich dessen Dringlichkeit und die Wichtigkeit der Umsetzung. Der unter den Staaten ausgehandelte Plan rät unter anderem zu mehr IAEA-Sicherheitskontrollen in den weltweit 432 Meilern, zu verbesserten Standards und mehr Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden. Bindend ist die Resolution jedoch nicht. Einige Länder wie Deutschland haben den Plan unter anderem deshalb als zu lasch kritisiert. dpa

Armutsrisiko in Ostdeutschland nimmt ab Das Armutsrisiko in Ostdeutschland ist leicht gesunken, aber immer noch deutlich höher als im Westen. In den neuen Ländern – einschließlich Berlin – galt 2010 fast jeder Fünfte (19 Prozent) als arm. Das waren 1,4 Prozentpunkte weniger als fünf Jahre zuvor, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Donnerstag mitteilte. In den alten Bundesländern hatten 13,3 Prozent ein erhöhtes Armutsrisiko – ungefähr genauso viele wie vor fünf Jahren. „Armutsgefährdet“ ist nach der Definition der Statistiker, wer von weniger als 826 Euro im Monat leben muss. Bei Familien mit zwei Kindern beginnt Armut bei 1 735 Euro. dpa

Kevin Lamarque / Reuters

Staaten bestätigen Aktionsplan zu mehr Atomsicherheit

Barack Obama (rechts) mit Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas: Der US-Präsident will gegen die Aufnahme Palästinas in die Uno stimmen.

Maschinenbauer fordern Europa-GmbH Firmenchefs wie Siemens-Vorstand Russwurm und Trumpf-Chefin Leibinger-Kammüller appellieren an Abgeordnete. Daniel Delhaes Berlin

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ührende exportorientierte Unternehmen wollen von der Rechtsform der Europäischen Privatgesellschaft (SPE) profitieren. Deshalb drängen sie die Abgeordneten des Deutschen Bundestags dazu, die Bundesregierung zur Unterstützung der SPE auf europäischer Ebene zu verpflichten. „Wir wünschen uns, dass der Bundestag ein Zeichen für den Mittelstand setzt und anders als offensichtlich einzelne deutsche Ministerien die enorme Bedeutung der SPE für unsere Unternehmen anerkennt“, heißt es in einem offenen Brief an alle Parlamentarier, der dem Handelsblatt vorliegt. Den Brief haben namhafte Unternehmer unterzeichnet, etwa Trumpf-Chefin Nicola LeibingerKammüller und Siemens-Vorstand Siegfried Russwurm. Insgesamt ver-

sammelten sie 39 Maschinenbau-Un- ternehmensinternen Strukturen verternehmen, darunter auch die Hei- einfachen helfen und ein europäidelberger Druckmaschinen AG, sches Label schaffen, das die deutJungheinrich, Nordex und Krauss- sche GmbH nicht aufweist“, schreiMaffei. Gemeinsam kritisieren die ben die Mittelständler. Der BranUnternehmer, dass die Bundesregie- chenverband des Deutschen Maschirung mit ihrer ablehnenden Hal- nen- und Anlagenbaus habe bereits tung auf europäischer Ebene verant- vor geraumer Zeit belegt, „dass Unwortlich dafür sei, dass die Rechts- ternehmen bis zu vier Fünftel der form der SPE auf absehbare Zeit Beratungskosten sparen können“. Unternehmen, die Auslandstöchnicht eingeführt werde. Dies „dient ter unterhalten, müsnicht dem Interesse der sen nach dem derzeitiexportorientierten deut„Wir wünschen gen Recht in jedem schen Unternehmen uns, dass der EU-Staat die dort gelund steht der weiteren Bundestag ein tenden gesellschaftsVollendung des BinnenZeichen für den rechtlichen Regelunmarktes im Wege“, Mittelstand gen beachten. Dieses heißt es in dem Brief. setzt.“ Regelungsdickicht Derzeit sei es jurissollte mit der SPE getisch sehr aufwendig Offener Brief von Unternehmern an alle lichtet und stattdes„und damit teuer“, AusParlamentarier sen eine einheitliche, landstöchter zu gründen oder zu verwalten. „Eine SPE EU-weite Regelung etabliert werden. Im Juni hatten allerdings kurz vor würde die Kosten bei der Gründung von Gesellschaften senken, die un- der entscheidenden Sitzung des EU-

Wettbewerbsfähigkeitsrats das deutsche Arbeits- wie auch das Finanzministerium Vorbehalte vorgebracht und somit eine Zustimmung Deutschlands verhindert. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) etwa sah vor allem die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer in Gefahr. Aus Sicht der Unternehmen sind diese Vorbehalte allerdings nicht stichhaltig. Die SPE sei „kein Vehikel zur Flucht aus der Mitbestimmung“, heißt es in dem Brief der Unternehmen. Vielmehr erwecke dies den Eindruck, „dass kleinliche Bedenken die Überhand gewinnen“. In der Europa-GmbH sollte über die Mitbestimmung verhandelt werden müssen, wenn sie mindestens 500 Mitarbeiter in einem anderen EU-Staat beschäftigt, der über ein höheres Mitbestimmungsniveau verfügt als der Gründungsstaat. Bislang gilt für die Auslandstöchter das Recht des jeweiligen Staats.

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