BG BAU. aktuell. Reetdächer: Natürlicher Baustoff im Aufwind. Arbeitsplatzspezifische Reha: Training wie im Job

July 31, 2017 | Author: Damian Baumann | Category: N/A
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4 | 2007

BG BAU

aktuell

Reetdächer: Natürlicher Baustoff im Aufwind

www.bgbau.de

Arbeitsplatzspezifische Reha: Training wie im Job Erkältungskrankheiten: Die Abwehr stärken

[ Inhaltsverzeichnis ]

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12 Praxiszentrum Nürnberg: Learning by doing

Kurz und fündig 4 A+A Veranstaltungsrekord: Sicherheitsbranche im Aufwind Fotowettbewerb Hautkalender 2008: Gewinner fliegt nach Paris Modellprojekt Maler und Lackierer: Kleinstbetriebe bestens betreut Verabschiedung: Förster im Ruhestand 5 Qualitätssicherung: Betreuung auf dem Prüfstand Veranstaltungen: Sichere Verkehrswege und Arbeitsplätze auf Dächern 6 Das neue Braunkohlenkraftwerk Neurath: Arbeitssicherheit auf der größten Baustelle Europas

Impressum: BG BAU aktuell  Mitteilungsblatt der Berufs­genos­senschaft der Bauwirtschaft Heft 4 |2007 | ISSN 1615-0333 Herausgeber: Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) www.bgbau.de Verantwortlich: Geschäftsführerin Jutta Vestring Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) Hildegardstr. 29/30, 10715 Berlin Redaktion: BG BAU aktuell, BG BAU, Bezirksverwaltung Hannover Hildesheimer Str. 309, 30519 Hannover, Rolf Schaper (verantw.), Tel.: 05 11 / 9 87-25 30, Fax: 05 11 / 9 87-25 45, E-Mail: [email protected] Dagmar Sobull, Tel.: 05 11 / 9 87-15 28, E-Mail: [email protected] Titelfoto: Jens Koehler Konzept und Gestaltung: MEID MEID + PARTNER GMBH, BONN, WWW.MEIDMEID.DE Druck: C.W. Niemeyer, Hameln Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder. Bezugs­preis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.

BG BAU aktuell_4/2007

Das Modell Berufsgenossenschaft: Vorbild für China

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16 10 Jahre chromatarmer Zement: Erfolgsstory: Maurerkrätze geht zurück

Arbeitssicherheit 6 Das neue Braunkohlenkraftwerk Neurath: Arbeitssicherheit auf der größten Baustelle Europas 10 Beleuchtung auf Baustellen: Die im Dunkeln sieht man nicht 12 Praxiszentrum Nürnberg: Learning by doing 14 Fünf Tote bei Abbrucharbeiten: Zweieinhalb Jahre Haft für Bauunternehmer

22 Erkältungskrankheiten: Die Abwehr stärken

Arbeitsmedizin

16 10 Jahre chromatarmer Zement in Deutschland: Erfolgsstory: Maurerkrätze geht zurück

mitglieder und Beiträge

23 Erprobung von Hautmitteln: Der richtige Riecher

37 Dachdecker abgestürzt: Tödlicher Leichtsinn

24 Depression: Mehr als ein Stimmungstief

Zimmermann tödlich verletzt: Ohne Schutznetz gearbeitet

Literatur und Film 26 Belastung im Job: Tennisarm – nicht nur beim Sport

28 Medien und Praxishilfen: Neue Info-CD: Aktuell und informativ 30 Mitarbeitergespräche: Klartext reden: offen, aber fair

reha und Leistung 32 Arbeitsplatzspezifische Rehabilitation: Training wie im Job

18 Private Bauherren: BG-Prüfer entlasten Unternehmen

35 Interview mit Reha-Manager: Schnelle Wiedereingliederung spart Kosten

20 Reetdächer: Natürlicher Baustoff im Aufwind

Aus unfällen lernen 36 Zwei Arbeiter tot, ein Schwerverletzter: Fahrgerüst stürzt von Reaktorkuppel

17 Jahresabschluss –Terminsache: Lohnnachweis 2007 einreichen

Blickpunkt

32 Arbeitsplatzspezifische Rehabilitation: Training wie im Job

22 Erkältungskrankheiten: Die Abwehr stärken

Betriebsorganisation 15 Gemeinsame Präventionskampagne: Abbruch – aber sicher

[ Inhaltsverzeichnis ]

38 CD zur Sicherheit: Einbruchhemmende Maßnahmen nach allen Regeln der Baukunst Altbau-Modernisierung kompakt: Die 100 wichtigsten Lösungen Neuerscheinung: Mit dem Nordwandprinzip das Ungewisse managen

Verkehrssicherheit 39 Fahren bei Dunkelheit: Sehen und gesehen werden

Bitte beachten Sie unsere „Information an die Empfänger der Beitragsbescheide 2006“, die dieser Ausgabe für die Bezirksverwaltungen Karlsruhe und Böblingen beiliegen.

[ Kurz & fündig ]

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A+A Veranstaltungsrekord Fotowettbewerb Hautkalender 2008

sicherheitsbranche im Aufwind! Tanzeinlage auf dem BG-Boulevard, dem Gemeinschaftsstand der Berufsgenossenschaften. Dort drehte sich in diesem Jahr alles um das Thema „Haut. Die wichtigsten 2m2 Deines Lebens.“

So viele Unternehmen wie noch nie haben diesmal auf der A+A 2007 ihre neuesten Produkte und Systeme für Sicherheit und Gesundheitsschutz vorgestellt. 1.460 Aussteller aus 51 Nationen waren vom 18. – 21. September auf dem Düsseldorfer Messegelände dabei. Das Marktvolumen für Persönliche Schutzausrüstung (PSA) ist

triebe e b t s n i Kle eut r t e b s besten

Die Befragung der Unternehmen zu ihren Arbeitsverfahren, Arbeitsmitteln und Schutzmaß-

BG BAU aktuell_4/2007

Unsere Leser sollten mit der Kamera einfangen, was sie am Arbeitsplatz für Ihre Haut tun, so lautete die Aufgabe in unserem Fotowettbewerb. Nun steht der Gewinner fest: Ingolf Moser, Maurermeister aus Latdorf in Sachsen-Anhalt hat das Rennen um den ersten Preis gemacht: Er freut sich auf eine Flugreise nach Paris für zwei Personen, mit zwei Übernachtungen in einem schönen Hotel und einer Stadtrundfahrt. Herzlichen Glückwunsch!

in Deutschland im Zeitraum von 2004 bis 2006 um 11 Prozent auf nun 1,42 Milliarden Euro gestiegen, gab der Interessenverband Persönlicher Schutzausrüstung (IVPS) bekannt. Auf der A+A stellten viele Hersteller unter Beweis, dass PSA nicht nur bestens schützt und komfortabel zu tragen ist, sondern auch modern gestaltet wird. SOB

r Lackiere ler und a M t k roje Modellp

Mit welchen Mitteln lässt sich die arbeitsmedizinsche und sicherheitstechnische Betreuung von Kleinstbetrieben gemäß BGV A 2 am besten durchführen? Das will der Arbeitsmedizinsche Dienst (AMD) der BG BAU in Zusammenarbeit mit den Malerinnungen Berlin, Köln und Lindau, dem Maler und Lackierer Innungsverband Westfalen sowie der uve GmbH in einem Modellprojekt herausfinden. Das Projekt, an dem sich insgesamt 137 Unternehmen beteiligen, wird von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) gefördert.

Gewinner fliegt nach paris

nahmen ist nun abgeschlossen. Im zweiten Schritt unterstützen die Betriebsärzte vom AMD der BG BAU die Unternehmen bei der Erstellung einer individuellen Gefährdungsbeurteilung online im Internetportal. Mit dem Internetportal haben die teilnehmenden Unternehmen Zugriff auf alle notwendigen Informationen, zum Beispiel auf im Gefahrstoffinformationssystem GISBAU der BG BAU erstellte Betriebsanweisungen. Nach Abschluss des Modellprojektes im Herbst 2008 sollen die Ergebnisse auch anderen Gewerken zur Verfügung stehen. STR

LUC

Verabschiedung

Förster im ruhestand Mit Vollendung seines 65. Lebensjahres ist Bernhard Förster, Vorsitzender der Geschäftsführung der BG BAU und ehemaliger Hauptgeschäftsführer der Bau-Berufsgenossenschaften Hannover und Hamburg, in den verdienten Ruhestand gegangen. Frank Seynsche, Vorstandsvorsitzender der BG BAU, würdigte am Rande eines Symposiums zum Thema „Reform der Gesetzlichen Unfallversicherung“ in Berlin die herausragenden Verdienste Försters. Er umriss in seiner Laudatio vor zahlreichen hochrangigen Vertretern aus Politik und Wirtschaft, des DGUV sowie Geschäftsführern anderer Berufsgenossenschaften die beruflichen Stationen und Erfolge Försters. Angefangen von der Integration der neuen Bundesländer in das System der Gesetzlichen Unfallversicherung

über die Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft mit der ehemaligen Bau-BG Hamburg bis zur Fusion der acht Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft zur BG BAU im Mai 2005 hat Förster den Kurs der BG entscheidend bestimmt. Seynsche lobte insbesondere das hohe Maß an Weitsicht, persönlicher Einsatzbereitschaft und fachlicher Kompetenz, die das Wirken Försters im Dienste seiner BG stets ausgezeichnet habe. Nach dem Ausscheiden Försters, werden Prof. Manfred Bandmann und Jutta Vestring die Geschäftsführung der BG BAU gemeinsam weiterführen. SCP

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[ Kurz & fündig ]

Veranstaltungen

Qualitätssicherung

Betreuung auf dem prüfstand

sichere Verkehrswege und Arbeitsplätze auf Dächern

Im Rahmen des Projektes „Qualität der Prävention“ führt die BG BAU derzeit eine bundesweite Studie zur betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung von Mitgliedsunternehmen der BG BAU durch. Die BG BAU kooperiert dabei mit unabhängigen Experten des Institutes für Arbeits- und Sozialmedizin der TU Dresden. Die Studie wird anonymisiert ausgewertet. Inhalt der Studie ist einerseits die Qualität der Betreuung. Andererseits werden auch Aspekte der Servicequalität und Zufriedenheit mit der Betreuung erfasst. Dabei wollen die Forscher der TU Dresden ein möglichst realistisches Bild gewinnen und Möglichkeiten der Verbesserung ausloten.

Im Rahmen der jetzt angelaufenen Befragungsaktion wird die Geschäftsführung der Unternehmen befragt. Darüber hinaus werden auch Betriebsärzte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Arbeitnehmer einbezogen. Die Integration dieser unterschiedlichen Perspektiven ermöglicht eine gute Einschätzung der arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Betreuungsqualität. Unsere Mitgliedsunternehmen sollten im eigenen Interesse

die Studie unterstützen und den Fragebogen gewissenhaft ausfüllen. Diesen schicken sie dann kostenfrei an das Forschungsteam nach Dresden zurück. Damit leisten die Unternehmer selbst einen ganz wesentlichen Beitrag, und helfen mit, die arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung besser an ihre Bedürfnisse anzupassen. GRO

Vorbild für China

So hatte die BG BAU im August 2007 mehrere hochrangige Delegationen aus Politik und Wirtschaft zu Gast in Berlin. Die Chinesen interessierten sich besonders für die Organisation des Arbeitsschutzes in Deutschland, die Zusammenarbeit von staatlichen Arbeits-

27.11.2007 in der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Friedrich-Henkel-Weg 1-25, 44149 Dortmund 14.02.2008 im Berufsgenossenschaftlichen Institut Arbeit und Gesundheit (BGAG), Königsbrücker Landstr. 2, 01109 Dresden

Das Modell Berufsgenossenschaft

Das deutsche System der gesetzlichen Unfallversicherung findet in der Volksrepublik China großes Interesse. Hintergrund ist das Bestreben des chinesischen Staatsamtes für Arbeitssicherheit, den Arbeitsschutz im Reich der Mitte einheitlich zu regeln und zu verbessern.

Bei Instandhaltungsarbeiten auf Dächern kommt es immer wieder zu schweren und tödlichen Unfällen. Vor diesem Hintergrund haben die BG BAU und andere Berufsgenossenschaften beschlossen, kostenlose Informationsveranstaltungen unter dem Titel „Sichere Verkehrswege und Arbeitsplätze auf Dächern“ durchzuführen. Die Veranstaltungen finden statt am:

02.04.2008 in der Vattenfall Europe Berlin AG, Heizkraftwerk Moabit, Friedrich-Krause-Ufer 15, 13353 Berlin-Moabit

schutzbehörden und Berufsgenossenschaften, den Aufbau und die Organisation der BG BAU und das Leistungsspektrum der Prävention. Höhepunkt des Besuches war schließlich die gemeinsame Besichtigung einer Baustelle in der Mitte Berlins. Dort errichtet die Humboldt-Universität bis 2008 ein eigenes Gebäude für ihre zentrale geisteswissenschaftliche

Bibliothek. Aufmerksam verfolgten die chinesischen Gäste die Erläuterungen des zuständigen Bauleiters zur Organisation des Arbeitsschutzes auf der Baustelle. Daraus entwickelte sich eine rege Diskussion, die Dolmetscherin hatte viel zu tun. WAR

28.05.2008 im „Häussler Bürgerforum“, Schwabenplatz 3, 70563 Stuttgart,

jeweils in der Zeit von 9.30 – 16.00 Uhr. Anmeldungen sind zu richten per Fax oder E-Mail an: Brigitte Wilke Fax: 02 11 82 24 - 6 92 E-Mail: [email protected]

[ Arbeitssicherheit ]

!

Nach Redaktionsschluss:

Tragischer Unfall mit drei Toten

Einen Tag vor dem Druck dieser Ausgabe ereignete sich ein schwerer Unfall: Ein ca. 100 Tonnen schweres Bauteil aus Stahl stürzte ab und verletzte drei Stahlbaumonteure tödlich, fünf weitere wurden schwer verletzt. Die genaue Unfallursache wird derzeit noch ermittelt. Obwohl Arbeitssicherheit auf der Baustelle in Neurath einen hohen Stellenwert hat, wie wir in diesem Artikel berichten, sind solche Ereignisse auf einer Großbaustelle nie ganz auszuschließen. In der nächsten Ausgabe werden wir über die Unfallursache ausführlich berichten. Unser Mitgefühl gilt den Verletzten und Hinterbliebenen. Die Berufsgenossenschaft wird unbürokratisch und schnell Hilfe leisten.

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Das neue Braunkohlenkraftwerk Neurath

Arbeitssicherheit auf der größten Baustelle europas 35 Kilometer nordwestlich von Köln wird zurzeit das weltweit größte Braunkohlenkraftwerk mit modernsten und umweltschonenden Technologien gebaut. Präventionsexperten der BG BAU beraten die dort tätigen Firmen in Sachen Arbeitssicherheit seit Baubeginn. Der Stromversorger RWE-Power investiert hier 2,2 Mrd. Euro.

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16 m

Schon von weitem sieht man den ersten bereits fertig gestellten 173 Meter hohen Kühlturm, der als markantes Bauteil den Kölner Dom um 16 Meter überragt. Auch die 174 Meter hohen Treppentürme der Kessel sind bereits fertig gestellt. Der zweite Kühlturm befindet sich im Bau. Die Arbeiten auf dieser Baustelle werden voraussichtlich noch drei Jahre dauern.

Macht sich stark für die Sicherheit der Beschäftigten: Präventionsexperte Volker Simon von der BG BAU.

Regelmäßig ist Diplomingenieur Volker Simon, Präventionsfachmann der BG BAU, auf dieser Großbaustelle, um gemeinsam mit Führungskräften der Rohbaufirmen die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen zu überwachen und sie entsprechend zu beraten. „Die sicherheitstechnische Betreuung dieser Baustelle ist für mich eine echte Herausforderung“, erklärt der 53-Jährige Bauingenieur. „Regelmäßig machen wir hier so genannte Arbeitssicherheitsbegehungen gemeinsam mit den Sicherheits- und Gesundheitskoordinatoren (SiGeKo`s) des RWE und den ausführenden Firmen. Dort werden alle aktuellen Probleme und Gefährdungen besprochen und möglichst einvernehmlich gelöst.“ Die Strabag/Ed. Züblin AG führt federführend die Rohbauarbeiten aus. Mittlerweile arbeiten gut 1.000 Beschäftigte unterschiedlicher Firmen auf dieser Baustelle und zu Spitzenzeiten wird diese Zahl auf rund 4.000 Beschäftigte an-

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Mammoetkran 220 m hoch

Auf dieser Baustelle wird der größte Mobilkran der Welt eingesetzt.

steigen. Genau wie bei anderen Baustellen dieser Größenordnung sind auch auf dieser überwiegend Arbeitnehmer unterschiedlichster Nationen tätig, zum Beispiel aus Österreich, Polen, Rumänien, den Niederlanden, Kroatien und der Türkei. „Da ist die Verständigung nicht immer ganz einfach“, erklärt Rinaldo van der Sande, Sicherheitsfachkraft von Züblin. Die Kommunikation vor Ort funktioniert in der Regel über deutschsprachige Führungskräfte oder Dolmetscher. In den Verträgen mit den Nachunternehmern wurde festgelegt, dass die Führungskräfte deutschsprachig sind. Falls erforderlich müssen zusätzlich Dolmetscher vorhanden sein.

Fotos: Jörn Sackermann

Sicherheit hat Vorrang Auf der größten Baustelle Europas steht der höchste Mobilkran der Welt, ein Mammoetkran aus den Niederlanden. Er ist 220 Meter hoch und kann sagenhafte 1.600 Tonnen heben. Der Kran muss beispielsweise die auf der Baustelle vormontierten K-Träger des Kesseltragwerkes an den Montageort transportieren. So entsteht eine gigantische Fachwerkkonstruktion aus geschweissten, etwa drei Meter hohen Stahlprofilen. „Auf dieser Baustelle gibt es viele interessante Innovationen“, sagt van der Sande und weist auf

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Gute Arbeitsorganisation trägt zur Sicherheit auf der Großbaustelle bei.

eine in die Hakenflasche eines Wolff-Kranes eingebaute Kamera hin. „Mit dieser Kamera konnten wir unsere Treppenfertigteile absolut sicher in die über 174 Meter hohen Treppentürme herabsenken. Durch die Übertragung per Funk auf einen Monitor in die Kanzel des Wolff-Kranes hatte der Kranführer den Absenkvorgang jederzeit sicher im Griff.“ Die endgültigen Geländer an den Treppenfertigteilen wurden schon auf ebener Erde vormontiert, so dass nach der Montage gleich die Sicherheit gegen Absturz gegeben war. Vorbildlich ist auch der Gerüstbau, der hier generell mit Sicherheitsgeschirren erfolgt. „Bei uns hat Arbeitssicherheit einen ganz hohen Stellenwert“, versichert auch Herbert Hegmann, Projektleiter der Strabag/ Ed. Züblin AG. „Schließlich verzögert jeder Unfall den Arbeitsfortschritt, verursacht völlig unnötige Kosten und ist schlecht für unser Image.“ Auf der Großbaustelle befinden sich drei Rettungscontainer, die mit einem Kran versetzt werden können. Nur die Krankentragen der Höhenretter sind für die Rettung aus der Höhe geeignet, normale Krankentragen sind für den Kraneinsatz nicht geeignet. „Ein Rettungscontainer hat seine Feuer-

taufe schon bestanden, als wir beim Bau der ersten beiden Treppentürme einen schwer verletzten Kollegen aus etwa 130 Metern Höhe bergen mussten,“ bestätigt Udo Steffens, Betriebsratsvorsitzender der Strabag/ Ed. Züblin AG. „Der Rettungscontainer hat ihm wahrscheinlich das Leben gerettet“. Regelmäßige Rettungsübungen „Das regelmäßige Training bestimmter Rettungsszenarien gehört zur Sicherheitsphilosophie auf dieser Baustelle“, betont Simon. „Sonst funktioniert´s im Ernstfall nicht.“ Wie zur Bestätigung sehen wir kurz danach zwei Höhenretter der Firma „Kletterspezialeinheit“, die gerade eine Abseilübung

Rettungsübung: Höhenarbeiter proben den Ernstfall.



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zur Rettung verletzter Personen vorbereiten. „Mit unserem Equipment und unserer Erfahrung können wir auch unter schwierigsten Bedingungen Verletzte bergen“, versichert Manuel Marburger, Firmengründer und zertifizierter Höhenarbeiter. Arbeitsschutz mit System Auf dieser Baustelle kommt es vor allem auf eine gründliche, vorausschauende Arbeitsorganisation unter Berücksichtigung sicherheitstechnischer Aspekte an. So ist es nicht verwunderlich, dass die Ed. Züblin AG das Arbeitsschutzmanagementsystem (AMSBAU) der BG BAU eingeführt hat, um Sicherheit und Wirtschaftlichkeit erfolgreich miteinander zu verbinden. Rainer Prestin, Vorstandsvorsitzender der BG BAU, konnte der Ed. Züblin AG bei einem großen Presse-Event auf der Baustelle die AMS-BAU-Urkunden überreichen. „Mit der Entscheidung für AMS-BAU bieten wir Ihnen Rechtssicherheit, Kompetenzzuwachs, und damit verbunden einen Imagegewinn – damit wird sich AMS-BAU für die Ed. Züblin AG sicher auszahlen“, erklärte Prestin. Der Vorstandsvorsitzende konnte bei diesem Anlass auch zwei Poliere von Züblin auszeichnen, die sich in besonderer Weise in der Arbeitssicherheit engagiert haben.

AMS BAU Zertifikat: Rainer Prestin, Vorstandsvorsitzender der BG BAU, überreicht die begehrte Urkunde an Sicherheitsfachkraft Rinaldo van der Sande und Vorstandsmitglied Burkhard Schmidt von der Ed. Züblin AG.

Engagement für die Arbeitssicherheit: Rainer Prestin zeichnet die Poliere Idriz Altikardes (li.) und Michael Sponholz (re.) von der Firma Ed. Züblin AG mit einer Medaille der BG BAU aus.

Kraftwerk der Zukunft? Die RWE Power setzt in der Stromproduktion auf einen breiten Primärenergiemix aus Braun- und Steinkohle, Kernkraft, Gas- und regenerativen Quellen. Die Nutzung der riesigen Braunkohlenlagerstätten rund um Köln ist laut RWE sehr wirtschaftlich, weil die Gewinnung und der Transport dieses Energieträgers vor Ort stattfindet und die Braunkohle im Tagebau abgebaut werden kann. Die beiden neuen Kraftwerksblöcke werden eine Bruttoleistung von jeweils 1.100 Megawatt und einen Wirkungsgrad von über 43 Prozent haben. Damit sind sie nach Angaben von RWE umweltfreundlicher als herkömmliche Braunkohlenkraftwerke. Allerdings ist der Bau des neuen Braunkohlenkraftwerkes in der Öffentlichkeit wegen der aktuellen CO²-Emission sehr umstritten. Rolf Schaper Weitere Informationen: www.rwe.com

Bei den regelmäßigen Arbeitssicherheitsbegehungen werden sicherheitsrelevante Mängel erkannt und mit den ausführenden Firmen Lösungsvorschläge besprochen.

[ Arbeitssicherheit ]

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T H C I N n e N A tell s m u a T B H e auf I g s n N htu L c u e e l K Be N u D m I DIe

Besonders in der dunklen Jahreszeit erfordert die Beleuchtung von Arbeitsplätzen und Verkehrswegen auf Baustellen besondere Aufmerksamkeit. Die richtige Beleuchtung ist Voraussetzung für hochwertiges und sicheres Arbeiten.

Zahlreiche Unfälle in den Wintermonaten sind auf eine unzureichende Beleuchtung der Baustelle zurück zu führen. Denn aufgrund der Unübersichtlichkeit sowie der unterschiedlichen Arbeitsabläufe besteht besonders auf Baustellen ein erhöhtes Unfall- und Gesundheitsrisiko. Gefährdungen entstehen zum Beispiel durch Stolpergefahren an Verkehrswegen wie Treppen und Rampen, durch ungesicherte Bodenöffnungen, schlecht zu erkennende Hindernisse, aber auch durch Blendung können Gefahren entstehen. Deshalb sind Arbeitsplätze und Verkehrswege bei nicht ausreichendem Tageslicht künstlich zu beleuchten. Die Beleuchtung ist den besonderen Bedingungen und den unterschiedlichen Arbeitsabläufen anzupassen.

zen und Verkehrswegen erreicht werden. Für Hoch- und Tiefbaubaustellen heißt dies, dass eine mittlere Beleuchtungsstärke E von mindestens 20 Lux erreicht werden muss. Dabei ist zu beachten, dass die zu beleuchtende Grundfläche in der Regel nicht als Ganzes gesehen werden kann, da zum Beispiel Wände und Gerüste eine Gliederung in Teilflächen erforderlich machen.

zum Beispiel Sicherheitsfarben auf Beschilderungen als solche klar erkennbar sind. Für eine gleichmäßige Ausleuchtung sollten bevorzugt Leuchten mit breit strahlender oder asymmetrischer Lichtverteilung eingesetzt werden. Sind kleinere Bereiche zu beleuchten, reichen in der Regel Halogenleuchten aus, um die erforderliche Beleuchtungsstärke zu erreichen.

Ergänzend zur allgemeinen Beleuchtung ist darauf zu achten, dass für bestimmte Tätigkeiten, zum Beispiel Maurerarbeiten, Schaloder Erdarbeiten, eine arbeitsplatzorientierte Beleuchtung erforderlich ist. Die Berufsgenossenschaftliche Information (BGI) 759 gibt Auskunft über die Beleuchtungsstärken, gemessen in Lux.

Bei großen Grundflächen sind Leuchten mit hoher Lichtleistung, zum Beispiel Hochdruckleuchten, besonders geeignet. Die Leuchten sind so anzuordnen, dass eine gleichmäßige Beleuchtung der Grundfläche erreicht wird und möglichst keine Schlagschatten entstehen. Im Freien ist darauf zu achten, dass die Beleuchtung keine störenden Helligkeitsunterschiede aufweist, da das menschliche Auge bei ungleichmäßigen Helligkeiten Gegenstände in den dunklen Zonen nicht wahrnimmt. Deshalb sind für Tätigkeiten in Innenräumen 500 Lux er-

Beleuchtung richtig planen Bei der Planung der allgemeinen Beleuchtung ist darauf zu achten, dass die erforderlichen Beleuchtungsstärken auf Arbeitsplät-

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Um die notwendigen Beleuchtungsstärken zu erreichen, ist eine sorgfältige Planung und Auswahl der Leuchten von entscheidender Bedeutung. Dabei ist sicher zu stellen, dass

[ Arbeitssicherheit ]

Foto: Prengel, Stadtbildstelle Essen

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forderlich. 500 Lux Einzelplatzbeleuchtung für etwa 2 m² werden zum Beispiel mit zwei Leuchten mit je 58 Watt erreicht.

zusätzliche Beleuchtung von Gefahrstellen Beachtung der Richtung des Lichteinfalls.

Grundsätzlich ist zu beachten: eine hohe Anordnung der Leuchten gegebenenfalls Einsatz mehrerer Leuchten mit geringerer Leistung

Beleuchtungsstärken für die Allgemeinbeleuchtung

Beleuchtungsstärken für bestimmte Tätigkeiten

Mittlere Beleuchtungsstärke (E) 20 Lux

Stahl- und Metallbau

30 Lux

Gleisbau

30 Lux

Tunnelbau

60 Lux

Büroräume

Quelle: BGI 759

GROB

20 Lux

Tiefbau

Tätigkeiten Maurerarbeiten Schalarbeiten Erdarbeiten

MITTEL

Hochbau

Sanitär- und Sozialräume

Wenn diese Hinweise in der Praxis beachtet werden, können Bauarbeiten auch in der dunklen Jahreszeit in bester Qualität und sicher ausgeführt werden. Ulrich Binder

Installationsarbeiten Maschinelle Verputzarbeiten

FEIN

Allgemeinbeleuchtung auf Baustellen

Weiterhin ist darauf zu achten, dass die montierten Leuchten mindestens der Schutzart IP 23 (Schutz gegen Staub und Nässe) entsprechen müssen. Sind bei Ausfall der Allge-

meinbeleuchtung besondere Unfallgefahren zu erwarten, muss eine Sicherheitsbeleuchtung von mindestens 1 Lux vorhanden sein.

Oberflächenbearbeitung wie Glätten, Lackieren, Versiegeln, Schleifen etc. Arbeiten an Holzbearbeitungsmaschinen

100 – 200 Lux 500 Lux

Mittlere Beleuchtungsstärke (E) 200 Lux

300 Lux

500 Lux

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Praxiszentrum Nürnberg

W E I T E R

LeAr BY D Das Praxiszentrum der BG BAU in Nürnberg feiert Geburtstag. Seit zehn Jahren lernen dort Besucher aus verschiedensten Berufen rund um den Bau den sicheren Umgang mit Geräten und Arbeitsmethoden. Mitte September sind 27 angehende Malermeister zu Besuch, die später als Führungskräfte auch für die Arbeitssicherheit in ihren Betrieben verantwortlich sein werden.

„Hat jemand einen Schraubenzieher?“, fragt Dieter Terner salopp in die Runde. Der Mitarbeiter der Prävention der BG BAU hat gerade ein elektrisches Gerät gezeigt, das nicht zu funktionieren scheint. Listig schaut er in die Runde der 27 angehenden Malermeister, die das Praxiszentrum besuchen. Terner stellt gerne Fragen, so können die Maler, unter ihnen auch vier Frauen, zeigen, was Sie in der Theorie gelernt haben. Wie ein guter Lehrer, animiert er seine Zuhörer ständig zum Mitdenken. Gern provoziert er dabei auch mal einen scheinbar praktischen, tatsächlich aber lebensgefährlichen Lösungsvorschlag. Doch damit hat er bei den Malern heute kein Glück. Sie haben in ihrem Sicherheitslehrgang gelernt, dass derartige Lösungen aus gutem Grund verboten sind. Arbeiten auf dem Bau, zum Beispiel mit schweren Lasten, gefährlichen Stoffen, Lärm, Staub oder an hochgelegenen Arbeitsplätzen, erfordern besondere Sicherheitsmaßnahmen. Im Praxiszentrum der BG BAU können die Teilnehmer selbst Gerüste

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in Originalgröße auf- und abbauen, Arbeitsgeräte und Maschinen ausprobieren und Arbeitsverfahren und -stoffe kennenlernen und darüber diskutieren. So bekommen sie einen guten Überblick über die Gefahrenquellen bei der Arbeit. „Das meiste haben wir schon in der Theorie gelernt“, sagt Stephan Götz, einer der Meisterschüler. „Aber einiges habe ich heute zum ersten Mal wirklich gesehen, zum Beispiel den vorlaufenden Seitenschutz beim Gerüstaufbau.“ Spaß haben die Teilnehmer als sie probeweise in Schutzhandschuhe und Sicherheitsschuhe schlüpfen und die neuesten Schutzbrillen-Modelle ausprobieren.

Wirth, Leiter des Praxiszentrums. Deshalb kommen viele Unternehmer nicht allein, sondern mit ihren Führungskräften und Beschäftigten dorthin. Die hautnahen Vorführungen sollen die Mitarbeiter für drohende Gefahren sensibilisieren und helfen, Arbeitsunfälle zu vermeiden. Das praxisorientierte Angebot der BG BAU kommt bei den Unternehmen gut an. Seit seiner Gründung 1997 haben sich die Besucherzahlen von 1.524 im ersten Jahr ständig nach oben entwickelt auf 2.590 im letzten Jahr. Auf dem neusten Stand der Technik

Ernsthaft hören sie wieder zu, als Terner die Geschichten zu drei ramponierten Schutzhelmen erzählt. Beim Anblick der lebensrettenden Kopfbedeckung gehen den Teilnehmern drei Schicksale und verhinderte Todesfälle unter die Haut. Solche Erlebnisse wirken nachhaltiger als eine reine Unterweisung, weiß Hans

Alle Geräte im Praxiszentrum sind technisch auf dem neuesten Stand. Meist handelt es sich um Leihgaben von Firmen, die hier ihre neuesten Errungenschaften vorstellen. Besucher können sich mit dieser Technik vertraut machen und testen, ob diese am eigenen Arbeitsplatz Verbesserungen bringen könnten. Auch neue Arbeitsmethoden,

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[ Arbeitssicherheit ]

B I L D U N G

Schwerpunktthemen: Gerüstbau Arbeiten auf Dächern Kreissägen Handhabung von Bau- und Handmaschinen sicherer Umgang mit gefährlichen Stoffen sicherer Einsatz von elektrischen Geräten ergonomischer Umgang mit schweren Lasten Persönliche Schutzausrüstungen (PSA).

NING OING

Fotos: Thomas Langer

Ansprechpartner: Hans Wirth und Dieter Terner Tel.: 0911/6803-229/232 Fax: 0911/6803-239 E-Mail: [email protected] Besucheradresse: BG BAU, Gebersdorfer Str. 67, 90449 Nürnberg

die sich in Betrieben oft noch nicht durchgesetzt haben, können hier ohne Zeitdruck und mit entsprechenden Erläuterungen getestet werden.

Das Dermaluxgerät zeigt genau, ob die Creme wirklich überall angekommen ist.

Sensibilisierung für die Gefahrenquellen Während die Besucher sich umsehen und alles ausprobieren, entwickeln sie ein Gespür für die Gefahrenquellen auf Baustellen und im Betrieb. Wer einmal den direkten Vergleich zwischen einer Kreissäge mit lärmarmen Sägeblättern und einem herkömmlichen Modell hatte, dem wird der Lautstärkeunterschied schlagartig deutlich. Und wer einmal einen guten Gehörschutz getragen hat, merkt schnell, wie viel erträglicher Baulärm damit wird. Gesundheitsgefahren lauern nicht nur beim Umgang mit gefährlichen Geräten. Auch der Umgang mit Baustoffen wie Zement oder Farbe kann die Gesundheit beeinträchtigen. Bei den Demonstrationen zum Thema „Haut“ standen Fragen der Maler rund um Reinigung und Pflege der Hände im Mittelpunkt. Dabei durften sich alle Teilnehmer die Hände mit einer Creme einreiben, die fluoreszierende Partikel enthält. Anschließend konnte jeder die Hände unter ein

Im Praxiszentrum Nürnberg sowie an ähnlichen Einrichtungen der BG BAU bundesweit finden Führungen für Mitgliedsunternehmen, Versicherte oder andere Interessierte wie Architekten, Bauherren und Studenten kostenlos statt. Für eine Führung bitte Besichtigungstermine vereinbaren. Weitere Informationen im Internet unter: www.bgbau.de, Webcode: 2245300

so genanntes Dermalux-Gerät halten und so testen, ob die Hände tatsächlich überall gut eingecremt waren. Bei diesem Experiment sind die vier Frauen in der Malergruppe ganz in ihrem Element; sie cremten nicht nur ihre eigenen Hände, sondern auch die ihrer Kollegen mit Hingabe ein. Uschi Hinkelmann meinte, sich sehr gut eingecremt zu haben. Anschließend war sie erstaunt, denn das DermaluxGerät zeigte, dass in den Hautfalten immer noch Creme fehlte. Kommentar des Ausbilders. „Nur wo Creme drauf ist, kann sie auch schützen“. Wer Spaß hat, lernt besser Der Vormittag hat den 27 Meisterschülern nicht nur viele neue Erfahrungen und Informationen beschert, sie hatten dabei auch viel Spaß. Praktisch lernt es sich eben noch besser. Margarete Schubsky

[ Arbeitssicherheit ]

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Fünf Tote bei Abbrucharbeiten

Zweieinhalb Jahre Haft für Bauunternehmer Bei Sanierungsarbeiten an einer Schule hatte sich ein folgenschwerer Unfall ereignet. Bei den Arbeiten stürzte plötzlich der gesamte Mittelteil eines Gebäudeflügels in sich zusammen und begrub zehn Arbeitnehmer. Fünf Arbeitnehmer konnten nur noch tot aus den Trümmern geborgen werden, fünf weitere Beschäftigte wurden zum Teil schwer verletzt.

Mehr als zwei Jahre nach diesem tragischen Unfall (siehe auch ausführlicher Bericht in BG BAU aktuell 1/2005) wurde jetzt vor einem Landgericht ein Urteil gefällt: Zweieinhalb Jahre Haft für den Unternehmer.

abschnitte beidseitig einer abzubrechenden Wand abzufangen. Darüber hinaus hatte der Bauunternehmer die Betonsägefirma nicht fachgerecht in den Ablauf der Arbeiten eingewiesen.

Von den ursprünglich sechs Beschuldigten wurden drei Personen angeklagt, ein Betonsäger, der Niederlassungsleiter der Betonsägefirma und der Unternehmer der Baufirma. Die Baufirma war Auftraggeber für die Betonsägefirma und damit verantwortlich für die Abstützungen der Decken. Bei der Beweisaufnahme wurde festgestellt, dass durch die Baufirma viel zu wenig Stahlstützen aufgestellt wurden, um die Decken-

Der Bauunternehmer wurde wegen vorsätzlicher Baugefährdung und fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolge in mehreren Fällen zu zweieinhalb Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt.

BG BAU aktuell_4/2007

Dieser Unfall ist auch wie das Strafmaß bemerkenswert, weil er zeigt, dass bei Abbrucharbeiten immer besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden

müssen. Dies gilt insbesondere dann, wenn in so gravierendem Maß in die Standsicherheit eines Gebäudes eingegriffen wird, wie im geschilderten Fall. Der verurteilte Bauunternehmer hat gegen die Höhe des Strafmaßes Revision eingelegt. Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Freispruch der beiden anderen Angeklagten ebenfalls Revision angekündigt. Über die weitere Entwicklung werden wir berichten. SCP

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[ Arbeitssicherheit ]

Gemeinsame Präventionskampagne

– aber sicher Immer wieder kommt es zu schweren und tödlichen Unfällen bei Abbruch-, Entkernungs- und Sanierungsarbeiten. Oft unterschätzen die Beteiligten die Gefahren bei diesen Arbeiten. Das Gefährdungspotenzial in der Abbruchbranche ist deutlich höher als in anderen Gewerbezweigen. Dies schlägt sich auch in den höheren Beiträgen zur Berufsgenossenschaft nieder. Typische Gefahrensituationen für Beschäftigte bei Abbrucharbeiten können zum Beispiel durch nicht geeignete Abbruchmaschinen, das Arbeiten ohne ausreichende Absturzsicherungen oder den Aufenthalt von Personen im Gefahrenbereich von abzubrechenden Bauteilen entstehen. Zudem sind Beschäftigte Gesundheitsgefährdungen durch Lärm, Staub und freiwerdende Gefahrstoffe ausgesetzt. Gemeinsam aufklären In einer Gemeinschaftsaktion engagieren sich der Deutsche Abbruchverband, die BG BAU und die BG für Fahrzeughaltungen für eine Verbesserung der Arbeitssicherheit. Ziel der Präventionskampagne ist die nachhaltige Verankerung des Arbeitsund Gesundheitsschutzes in der Planung und Ausführung von Abbruch-, Entkernungs- und Sanierungsarbeiten. Die Präventionskampagne „Abbruch- aber sicher“ wurde auf dem Jahreskongress des Deutschen Abbruchverbandes am 15. September 2007 gestartet und dauert bis Ende 2008. Während der Kampagne beraten die Mitarbeiter der Prävention Abbruch-

firmen, Bauherren und Planer in Fragen des Arbeitsschutzes bei Abbruch-, Entkernungs- und Sanierungsarbeiten. Insbesondere bei Fragen zum Umgang mit beim Abbruch freigesetzten Schadstoffen sowie Arbeiten auf Altlasten, verfügen die Berufsgenossenschaften über entsprechende Erfahrungen und Spezialisten. Sie bieten den Abbruchfirmen Schulungen für die Aufsichtführenden, Abbruchmaschinisten und die Abbruchbeschäftigten an. Speziell an Bauherren und Planer richten sich die bundesweit geplanten, eintägigen Workshops zur Allgemeinen Technischen Vorschrift (ATV) Abbrucharbeiten, Arbeits- und Gesundheitsschutz bei Abbrucharbeiten sowie die Entsorgung von Abbruchmaterialien. Maßnahmen ergreifen Jeder Abbruchunternehmer ist verpflichtet, Abbrucharbeiten so vorzubereiten und durchzuführen, dass keine Gefahren für seine Beschäftigten während der Arbeit bestehen. Dazu sind vom Abbruchunternehmer Gefährdungsbeurteilungen vorzunehmen und geeignete Schutzmaßnahmen festzulegen. Die Beschäftigten müssen die Maßnahmen umsetzen und unterstützen. Die Durchführung geeigneter Gefährdungsbeurteilungen, Betriebsanweisungen und Unterweisungshilfen für die Abbruchfirmen soll ein Schwerpunkt bei der Beratung durch unsere Präventionsfachleute sein. Der Deutsche Abbruchverband hat zur Präventionskampagne einen Arbeitskreis „Arbeitssicherheit“ gebildet, um Abbruchfirmen geeignete Unterlagen für

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Gefährdungsbeurteilungen zur Verfügung stellen zu können. Auch Auftraggebern und Planern von Abbrucharbeiten kommt eine wichtige Mitwirkungspflicht bei der Vorbereitung und Überwachung der Sicherheit von Abbrucharbeiten zu. Dazu sollen bei der Kampagne entsprechende Kontakte zu Architekten- und Ingenieurkammern geknüpft werden. Ziel Mit dieser Präventionskampagne sollen Arbeitsunfälle und Gesundheitsgefahren in diesem Bereich deutlich verringert werden.

Weitere Infos: Deutscher Abbruchverband e.V. Dr.-Ing. Klaus-Ruthard Frisch Tel.: 0211 351035 BG BAU Dipl.-Ing. Günter Eisenbrandt Tel.: 03643 4911-01

Günter Eisenbrandt

[ Arbeitssicherheit ]

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10 Jahre chromatarmer Zement in Deutschland

: y r o t s s g l o f er rätze k maurer k c ü r u z geht

Zementbedingte Hautschädigungen waren mit Abstand die häufigste Hautkrankheit in der Bauwirtschaft. Zehn Jahre nach Einführung chromatarmer Sackzemente ist die Zahl der allergischen Hauterkrankungen deutlich zurück gegangen. Allein die BG BAU hat in den letzten 20 Jahren rund 230 Millionen Euro für Rentenzahlungen oder medizinische und berufliche Rehabilitation aufbringen müssen. Die gesamten volkswirtschaftlichen Kosten dürften jedoch weit höher liegen, beispielsweise durch die Ausfallzeiten der Mitarbeiter in den Betrieben und die Kosten bei den Krankenkassen. Wirkungsvoll bekämpfen lässt sich die Erkrankung vor allem durch die Reduzierung des allergieauslösenden Chromatgehaltes im Zement. Deshalb dürfen in den skandinavischen Ländern per Gesetz bereits seit Mitte der 80er Jahre nur noch „chromatarme Zemente“ hergestellt werden. Nachdem sich die BG BAU jahrzehntelang dafür eingesetzt hatte, war es 1997 auch in Deutschland soweit. Rund 10 Jahre ist es nun her, dass hierzulande die ersten chromatarmen Sackzemente auf freiwilliger Basis erhältlich waren. Allerdings nur in geringen Mengen und zu stolzen Preisen. Deshalb hatte die gute, chromatarme Ware gegenüber den in dieser Zeit immer noch weit billigeren, konventionellen Zementen zunächst wenig Chancen auf Verbreitung.

BG BAU aktuell_4/2007

Unter Federführung der BG BAU gelang mit der Branchenregelung „Chromatarme Zemente und Produkte“ im Jahre 1998 der entscheidende Durchbruch. Damit verständigten sich alle Akteure auf ein Bündel gemeinsamer Maßnahmen. Kernstück dieser freiwilligen Selbstverpflichtung war die bundesweit flächendeckende Einführung chromatarmer Sackzemente ab dem Jahr 2000. Ab 2002 zogen die Mitgliedsunternehmen des Industrieverbandes WerkMörtel e.V. (IWM) nach und erklärten sich bereit, ausschließlich chromatarme Produkte an ihre Kunden zu liefern. Dieser positiven Entwicklung folgte 2003 eine Ausweitung der Branchenregelung auch auf den Bereich Transportbeton. Damit war in Deutschland bereits 2003 auf freiwilliger Basis vieles von dem erreicht, was durch entsprechende gesetzliche Regelungen seit Anfang 2005 in der gesamten EU vorgeschrieben ist. Seit Januar 2005 dürfen in ganz Europa auf Baustellen nur noch chromatarmer Zement und chromatarme zementhaltige Produkte verwendet werden.

Prävention rechnet sich Seitdem in ganz Deutschland flächendeckend nur noch chromatarme Sackzementware verfügbar ist, ist die Zahl der Neuerkrankungen pro Jahr von 471 im Jahre 1998 auf 252 im Jahre 2006 deutlich zurückgegangen. Mit dieser erfreulichen Entwicklung gingen zugleich die jährlichen Entschädigungsleistungen der BG BAU für zementbedingte Hauterkrankungen von 16 Millionen Euro im Jahr 1998 auf 11 Millionen Euro im Jahre 2006 zurück. Erfolgreiche Prävention schont also auch die Mitgliedsbeiträge. Norbert Kluger Erfreuliche Entwicklung Mio. EUR 20

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1998

2006

Entschädigungen für zementbedingte Hauterkrankungen.



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[ Mitglieder und Beiträge ]

Jahresabschluss – Terminsache

Lohnnachweis 2007 einreichen

Bald ist es wieder soweit: Alle Mitgliedsunternehmen der BG BAU erhalten in wenigen Wochen Formulare für die Einreichung der Lohnnachweise. Der ausgefüllte Vordruck mit den Löhnen und Gehältern aller Mitarbeiter muss nach den gesetzlichen Bestimmungen bis spätestens 11.02.2008 bei der BG BAU eingereicht werden.

Ihre vollständigen Angaben sind wichtig für eine korrekte Beitragsberechnung durch die BG BAU. Die Zuordnung der Entgelte muss schlüssig und nachvollziehbar sein. Sie erleichtern sich selbst und uns die Arbeit, wenn Sie die Meldung bereits bis Ende Januar 2008 abgeben. Einige Tipps zum Ausfüllen: Die Bezeichnung des Gewerbezweiges im Lohnnachweis deckt sich mit der Formulierung im Gefahrtarif. Sie finden deshalb nicht unbedingt die konkrete Tätigkeitsart Ihres Betriebes im Lohnnachweis. Bei den im Gefahrtarif oder Lohnnachweis aufgeführten Gewerbezweigen handelt es sich um Sammelbzw. Oberbegriffe der jeweiligen Branchengruppe. In der Bürogefahrklasse dürfen nur Büroangestellte gemeldet werden, die ausschließlich im Büro tätig sind. Wechselseitig zwischen Büro und Außenbereich eingesetzte Mitarbeiter sind zu 100 Prozent in der gewerblichen Gefahrklasse nachzuweisen. Auch Büroreinigungskräfte gehören zum gewerblichen Personal. Bei wechselseitiger Tätigkeit zwischen verschiedenen gewerblichen Bereichen wie Straßen- und Kabelbau zählt

das Überwiegensprinzip. Eine Aufteilung der Entgelte eines Mitarbeiters ist grundsätzlich nicht zulässig. Das jeweilige Entgelt ist vielmehr vollständig stets unter dem Gewerbezweig nachzuweisen, in dem der Arbeitnehmer überwiegend eingesetzt ist. Beschäftigte in sogenannten Serviceabteilungen, wie Fuhrpark, Bauhof, Werkstatt oder Lager sind mit ihren Löhnen in dem veranlagten Unternehmensteil nachzuweisen, für den sie überwiegend eingesetzt werden. Termin beachten: Schätzung und Bußgeld vermeiden Ganz wichtig – notieren Sie sich bitte unbedingt den Schlusstermin 11.02.2008, da an diesem Tag die gesetzliche Einreichungsfrist abläuft. Spätestens zu diesem Stichtag müssen die Lohnnachweise der BG vorliegen; dies gilt auch dann, wenn keine Arbeitskräfte im abgelaufenen Jahr beschäftigt waren. In diesem Fall ist „Fehlanzeige“ erforderlich. Liegt der Lohnnachweis zu diesem Zeitpunkt nicht vor, droht nicht nur eine Schätzung durch die BG, sondern auch ein Bußgeld, das im Einzelfall bis € 2.500 betragen kann. Ein einmal verhängtes Bußgeld kann auch bei späterer Meldung der Löhne nicht zurückgenommen werden.

Weitere Informationen: Die Broschüre „Erläuterungen und Arbeitshilfen für Mitglieder und Anwender“ gibt Ihnen weitere Informationen. Sie finden diese im Internet unter www.bgbau.de Menüpunkte: -> Mitglieder -> Unternehmer -> Gefahrtarif oder einfach webcode oben rechts auf der Startseite eingeben: 1603925 oder auf der Info-CD der BG BAU, die diesem Heft beiliegt. Falls Sie die Erläuterungen gerne in Papierform hätten, rufen Sie uns an. Natürlich geben wir Ihnen gern auch telefonisch Auskunft zu allen weiteren Fragen. Unsere regionalen Telefonnummern finden Sie auf Ihrem Lohnnachweis oder Beitragsbescheid. Steuerberater Sollte Ihr Steuerberater den LohnnachweisVordruck ausfüllen, stellen Sie ihm bitte diesen Artikel zur Verfügung. Alfons Schneider

[ Mitglieder und Beiträge ]

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Private Bauherren

BG-prüfer entlasten unternehmen

Etliche Millionen Euro kommen jährlich durch den Eigenbau-Prüfdienst in die Mitgliedskasse der BG BAU. Damit entlastet der BG BAU Prüfdienst die Solidargemeinschaft der Mitgliedsunternehmen. Private Häuslebauer, die ihre Helfer nicht anmelden, kommen nicht ungeschoren davon. Mit den Beiträgen für die Helfer finanziert sich der private Eigenbau selbst.

Samstag, 24. März 2007, 8:00 Uhr: Das Prüfteam der BG BAU trifft letzte Absprachen mit der „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ von der Zollverwaltung. Gemeinsam sollen sie Baustellen privater Bauherren im Landkreis Minden prüfen. 9:00 Uhr: Die ersten Prüfungen laufen. „Wer hat uns denn angeschwärzt?“, ist meist die erste Frage der überraschten Bauherren, die sich mit ihren verunsicherten Helfern den Fragen der Prüfer stellen müssen. Diese Zufallsprüfungen erfolgen nicht nur während der üblichen Arbeitszeiten, sondern häufig auch abends und am Wochenende, wenn auf den privaten Baustellen Hochbetrieb herrscht.

BG BAU aktuell_4/2007

Helfer absichern Um sich den Traum vom eigenen Häuschen finanziell leisten zu können, greifen private Bauherren gern zur so genannten „Muskelhypothek“: Familienangehörige, Freunde und Nachbarn helfen mit, Teilgewerke des Häuschens in Eigenleistung zu erstellen. Doch wenn Laien, die normalerweise am Schreibtisch sitzen, sich nach Feierabend als Handwerker auf dem Bau versuchen, ist das Unfallrisiko überdurchschnittlich hoch. Die Verantwortung dafür trägt der private Bauherr. Er gilt rechtlich als Unternehmer der Baumaßnahme mit allen Rechten und Pflichten gegenüber den Helfern und der BG BAU.

Wenn einer der privaten Helfer beispielsweise über herumliegende Kabel stolpert und sich dabei den Knöchel bricht, sich mit der Kreissäge einen Finger absägt oder vom Gerüst stürzt und infolge dessen querschnittgelähmt ist, wäre zunächst der Bauherr dafür haftbar und müsste den Geschädigten neben der medizinischen Behandlung unter Umständen eine lebenslange Rente zahlen. BG BAU übernimmt Haftpflicht Die BG BAU als gesetzliche Unfallversicherung löst die Haftpflicht des Bauherrn als Unternehmer ab. Konkret heißt das: Wenn einer der privaten Helfer einen Arbeitsun-

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[ Mitglieder und Beiträge ]

fall hat, gewährt die BG BAU Unfallversicherungsschutz und kommt für sämtliche Kosten auf. Von der Heilbehandlung über die Rehabilitation bis hin zur beruflichen Integration, oder Rentenzahlung, falls das erforderlich sein sollte, kommen da unter Umständen erhebliche Summen zusammen. Die Beiträge zur BG BAU sind also keineswegs „überflüssige Ausgaben“, wie mancher Bauherr meinen mag, sondern die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung schützt den Bauherren vor etwaigen Schadensersatzansprüchen seiner privaten Helfer, falls diese auf der Baustelle zu Schaden kommen.

In der Praxis erfährt die BG BAU von einem Bauvorhaben durch die Bauämter. Sie senden der BG BAU die erteilten Baugenehmigungen zu. Daraufhin schreibt die BG BAU den Bauherrn an und fordert ihn zur Abgabe eines Meldebogens auf. Dort sind auch Angaben zu den geplanten Eigenleistungen und den beauftragten gewerblichen Unternehmen zu machen. Zusätzlich erhält der Bauherr einen Vordruck, in dem er jeweils die Helfer mit Namen und Anzahl der geleisteten Stunden und der Art der Tätigkeit angeben muss. Sofern ein Bauherr dieser gesetzlichen Nachweispflicht nicht nachkommt, erfolgt automatisch eine amtliche Einschätzung. Eigenbau-Prüfdienst eingerichtet Leider nehmen es manche Bauherren mit der Meldung ihrer Helfer nicht so genau. Um sich vor der Zahlungsverpflichtung zu drücken, melden sie ihre Helfer gar nicht an oder teilen zu wenige Stunden mit. Deshalb hat die BG BAU in den vergangenen Jahren einen Eigenbau-Betriebsprüfdienst aufgebaut, wo mittlerweile rund vierzig speziell ausgebildete Mitarbeiter beschäftigt sind. Sie vergleichen die Angaben der Bauherren im Meldebogen mit den nachgewiesenen Helferleistungen im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung. Treten Abweichungen auf, werden Einzelprüfungen der privaten Bauvorhaben vorgenommen. Die von der Verwaltung beauftragten Eigenbau-Betriebsprüfer protokollieren die Verhältnisse vor Ort und notieren die Namen der Helfer. Anhand von Arbeitszeitrichtwertetabellen errechnet der Eigenbauprüfer, wie viel Zeit für die in Eigenleistung

Fotos: Peter Leyendecker

Helfer bei der BG BAU anmelden

Jeder Mitarbeiter im Eigenbau-Prüfdienst der BG BAU forderte im vergangenen Jahr rund 200.000 Euro an Beiträgen nach, die der Solidargemeinschaft aller Beitragspflichtigen zu Gute kommen.

gefertigten Teilgewerke zu veranschlagen ist. Zusammen mit dem Bauherrn wird versucht, die tatsächlich geleisteten Helferstunden festzulegen. Kann ein nachvollziehbarer und einvernehmlicher Nachweis nicht aufgestellt werden, so erfolgt die konkrete Einschätzung der jeweiligen Baumaßnahmen nach den Arbeitszeitrichtwerten. Durchschnittlich 200.000 Euro forderte jeder Eigenbaubetriebsprüfer im vergangenen Jahr an Beiträgen nach. Insgesamt führte die BG BAU in den vergangenen Jahren im Durchschnitt über 20.000 Außenprüfungen pro Jahr durch, die Einnahmen in Höhe von jeweils rund 7,8 Mio. Euro ergaben. Gemeinsam noch erfolgreicher Die Eigenbaubetriebsprüfer der BG BAU arbeiten eng zusammen mit der Zollverwaltung, Bereich „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“, und den Schwarzarbeitsermittlern der jeweiligen Landkreise. Entsprechend ihrer gesetzlichen Aufgaben liegt deren Hauptaugenmerk bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung. Seit August 2004 ist auch die BG BAU gesetzlich verpflichtet, durch entsprechende Kontrollmitteilungen die zuständigen Be-

hörden zu informieren, sofern der Verdacht der Schwarzarbeit vorliegt. Die gemeinsame Prüftätigkeit ist für alle Seiten erfolgreich. Durch die intensiven Kontakte erhält die BG BAU zur Beitragsüberprüfung im Eigenbau täglich Feststellungs- und Prüfergebnisse von Finanzämtern, Zollverwaltung, Landkreisen und anderen Behörden. Häufig führen derartige Hinweise zur Überprüfung der privaten Baumaßnahme und einer Beitragserhebung. So muss jeder private Bauherr damit rechnen, dass der Eigenbau-Prüfdienst der BG BAU sein Bauvorhaben und die damit verbundenen Helferleistungen überprüft. Sämtliche Ergebnisse werden mit den vorhandenen Meldungen abgeglichen und Beiträge für „vergessene“ Nachweise konsequent nacherhoben. Mit ihren Maßnahmen und Prüftätigkeiten konnten die Eigenbau-Ermittler das Beitragsaufkommen der BG BAU in den letzten Jahren erheblich steigern und damit auch die Mitgliedsbetriebe der BG BAU entlasten. Reinhard Barthel

[ Blickpunkt ]

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Reetdächer In Neppermin ist der Dachdecker Ralf Betge mit einigen Mitarbeitern dabei ein größeres Einfamilienhaus einzudecken. Seit 16 Jahren ist er in diesem Handwerk tätig und noch immer begeistert von diesem natürlichen Baustoff. „Reetdächer sind regensicher, schneedicht, frostbeständig und atmungsaktiv“, schwärmt Betge. „Außerdem sind sie im Sommer angenehm kühl, im Winter warm und durch ihre 30 cm dicke Eindeckung ein gute Lärmdämmung.“ Hier im Osten Deutschlands werden diese Dächer als Rohrdächer bezeichnet. Das Schilf auf diesen Dächern ist den unterschiedlichen Witterungseinflüssen und Temperaturschwankungen über viele Jahre ausgesetzt. Die hohe Beständigkeit des natürlichen Baustoffs liegt vor allem an dem hohen Silikatanteil im Rohr. Reetdächer können durchaus bis zu 50 Jahre halten, wenn bestimmte bautechnische Grundregeln beachtet werden. „Wichtig ist vor allem eine möglichst steile Dachneigung für die Haltbarkeit der Eindeckung“, betont Betge. Ideal sind mindestens 45 Grad, damit das Regenwasser schnell abtropfen kann. Bei einem Reetdach wird nur die oberste Schicht der Dachdeckung durchfeuchtet und die einzelnen Wassertropfen können von Halm zu Halm gleiten. Reet altert durch Sonne, Wind, Regen und Frost und durch eine latente Dauerfeuchte, hervorgerufen durch eine Zersetzung von Pilzen und Bakterien. „Nach meiner Erfahrung ist die Belastung durch Sonne und Regen am stärksten“, weiß der 41-Jährige aus seiner langjährigen Praxis. Sicherheitsregeln gelten auch hier

Natürlicher Baustoff im Aufwind Die Verwendung von Schilf als Material für die Eindeckung von Dächern hat eine Jahrtausend alte Tradition. Auch heute lassen immer mehr Bauherren ihre Dächer wieder mit Reet eindecken - vor allem an der Nord- und Ostseeküste. Wir haben ein Unternehmen auf Usedom besucht, um dieses traditionsreiche Handwerk vorzustellen.

BG BAU aktuell_4/2007

„Natürlich müssen beim Eindecken von Reetdächern die gleichen Sicherheitsbestimmungen beachtet werden, wie bei allen anderen Dacharbeiten auch“, erklärt Birgit Deckert, Präventionsexpertin der BG BAU, die sich mit diesem Handwerkszweig intensiv beschäftigt hat. „Fast alle Sicherheitseinrichtungen, die auf Hartdächern eingesetzt werden, können auch auf Rohrdächern verwendet werden.“ Das Deutsche Dachdeckerhandwerk hat spezielle Fachregeln für Dachdeckungen auf Rohrdächern herausgegeben, an denen sich die Fachbetriebe orientieren können. Die BG BAU bietet für Rohrdachdecker spezielle Schulungen an, die vor allem die Besonderheiten dieser traditionellen Bauweise berücksichtigen.



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[ Blickpunkt ]

> = 30cm 6cm Hinterlüftung

Dachneigung >= 45°

5-7 cm (Kniep) 15

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> = 50 cm

Am wichtigsten: Ausreichende Dachneigung und Hinterlüftung. Mit Bindedraht wird das Rohr zwischen Mit dem Klopfbrett wird das Schilf an der Traufe Dachlatten und Schachtdraht verschraubt. ausgerichtet.

ohne Schachtdraht gearbeitet und mit einem 1 mm starken Nirostadraht werden die Rohrbunde schneckenförmig mit den Dachlatten vernäht. Die Arbeitsweise erfordert sehr viel Erfahrung und Gefühl. Das Schilfrohr wird im Januar und Februar am Achterwasser und am Peenestrom auf Usedom selbst geerntet und gereinigt. „Die Gewinnung des Schilfes aus der näheren Umgebung hat bei uns eine lange Tradition und macht diesen Baustoff in Verbindung mit dieser Landschaft so einzigartig“, erläutert Ralf Betge. Bauphysikalische Erkenntnisse beachten Selbstverständlich müssen die bauphysikalischen Erkenntnisse bei der Konstruktion dieser Dächer berücksichtigt werden. So werden Reetdächer heute in der Regel mit einer Hinterlüftung auf der Unterseite und mit Dampfsperre an der Gebäudeinnenseite ausgeführt. „Doch gerade bei der Planung werden oft Fehler gemacht, die sich später bitter rächen“, betont Betge. Ein sehr häufiger Fehler ist die zu geringe Dachneigung auf Gauben und Kehlen“. Die typische Firstausbildung im Ostseeraum ist der so genannte Mecklenburger Rohrfirst, wo die Westseite als Wetterseite die Ostseite überdecken muss. Dagegen wird in Schleswig-Holstein und Ostfriesland meistens ein First aus Heidekraut als Dachabschluss gewählt.

Kaum teurer als andere Dächer Wenn alle Regeln der Technik beachtet werden, können diese Reetdächer bis zu 50 Jahren halten. Die Kosten dieser Eindeckung liegen nur etwa 20 Prozent höher als bei einem konventionellen Hartdach, der Bauherr spart aber Regenrinnen, Fallrohre und Entwässerungsleitungen. Allerdings sind Reetdächer sehr brandgefährdet, vor allem im Sommer, wenn sie nach langer Sonnenbestrahlung ausgetrocknet sind. Daher sind wegen der höheren Brandgefahr die Prämien für die Feuerversicherungen deutlich höher. Trotzdem entscheiden sich heute immer mehr Bauherren für dieses natürliche Baumaterial und erfreuen sich an der harmonisch eleganten Handwerkskunst unserer traditionsbewussten Dachdecker. Rolf Schaper

Fotos: Jens Koehler

„Erst seit einigen Jahren ist der Beruf des Rohrdachdeckers auch offiziell als Handwerk erlernbar“, sagt Betge. Früher wurden die Fachkenntnisse von Generation zu Generation weitergegeben. Die handwerklich solide Arbeitsweise der Rohrdachdecker ist wirklich faszinierend. Sie bauen das Schilf lagenweise auf der Dachfläche ein und schlagen es mit ihren Klopfbrettern fest – genauso wie schon vor einigen hundert Jahren. Genau wie bei anderen Dächern arbeitet man sich von der Traufe nach oben. Auf der Baustelle in Neppermin entsteht ein so genanntes gebundenes Dach, dass heißt, das Rohr wird hier mit V 2A-Schrauben und Bindedraht sowie mit einem verzinkten Runddraht (Schachtdraht 4,6 mm) verschraubt, die parallel zur Lattung verlaufen. Eine andere Deckungsart ist das Nähen. Hier wird

[ Arbeitsmedizin ]

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Erkältungskrankheiten

Die Abwehr stärken

Das Immunsystem schützt den menschlichen Körper vor Krankheiten durch Viren, Bakterien und andere Erreger. Die Abwehrzellen fließen durch Blut- und Lymphgefäße, oder sie befinden sich im Bereich der Schleimhäute, wo sie einen Schutzwall bilden. Doch das Immunsystem ist nicht immer gleich fit und aktiv. Denn äußere Einflüsse wie die Witterung oder die Lebensgewohnheiten des Menschen beeinträchtigen den körpereigenen Schutzmechanismus. Die richtige Ernährung ist Trumpf Eine ausgewogene und vitaminreiche Ernährung ist gerade im Winter wichtig. Denn Vitamine und Mineralstoffe – besonders die Vitamine A, C und E – sowie Eisen und Zink stärken die Abwehrkräfte. Frisches Gemüse und Obst sollte deshalb täglich auf dem Speiseplan stehen. Gute Vitamin-Lieferanten sind beispielsweise Feldsalat, Möhren, Brokkoli, Sauerkraut und Zitrusfrüchte. Eisen und Zink sind vor allem in Fleisch und Fisch enthalten. Die Pausenmahlzeit auf der Baustelle sollte aus Vollkornbrot und Milchprodukten bestehen.

Schlafstörungen hat sich zum Beispiel ein warmes Bad vor dem Schlafengehen bewährt. Bewegung und Wechselduschen

am Tag sollten es schon sein, am besten Mineralwasser oder Teegetränke. Die Haut braucht ebenfalls eine zusätzliche Portion Pflege. Besonders Lippen, Gesicht und Hände sollten mehrmals täglich mit einem fetthaltigen Mittel eingecremt werden.

Regelmäßiger Ausdauersport, am besten an der frischen Luft, stärkt das Immunsystem. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Muskeln bei sportlicher Betätigung Eiweißstoffe produzieren, die das Abwehrsystem zur Neubildung von Immunzellen anregen. Wer täglich eine halbe Stunde läuft oder schnell spazieren geht, kann die Zahl seiner Immunzellen um bis zu 30 Prozent erhöhen. Auch Wechselduschen am Morgen stärken die Abwehrkräfte. Dabei ist folgendes zu beachten: Zuerst ungefähr zwei Minuten mit warmem Wasser duschen und dann – auch wenn es Überwindung kostet – für zehn Sekunden kalt. Das Ganze wird zweimal wiederholt. Wichtig ist, die Prozedur immer mit einer Kaltdusche zu beenden, damit der Körper eine reflexartige Erwärmung einleiten kann.

Ausreichend Schlaf stärkt die Abwehr

Gegen die Trockenheit

„Schlaf Dich gesund“, sagt der Volksmund nicht ohne Grund. Denn im Schlaf läuft das Immunsystem auf Hochtouren. Wenn die übrigen Organe ruhen, werden Abwehrzellen neu gebildet und Krankheitserreger vernichtet. Man kann sich also tatsächlich „gesund schlafen“. Bei stressbedingten

Kalte Winterluft im Freien oder Heizungsluft in geschlossenen Räumen enthält wenig Feuchtigkeit und trocknet Haut und Schleimhäute aus. Krankheitserreger können so leichter in den menschlichen Körper eindringen. Deshalb ist es auch im Winter wichtig, genug zu trinken. Zwei Liter

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Foto: ratiopharm

Winterzeit ist Erkältungszeit. Viren und Bakterien greifen das Immunsystem an. Nasskalte Witterung erschwert die Arbeit auf der Baustelle. Dagegen hilft nur eins: Das Immunsystem stärken!

Dr. Verena Hickl Viel trinken – am besten Mineralwasser oder Tee

Ausreichender Schlaf – mindestens sieben Stunden

Vitamin- und mineralstoffreiche Ernährung

So stärken Sie Ihre Abwehrkräfte:

Hautpflege mit fetthaltigen Cremes

Tägliche Wechselduschen, wöchentlicher Saunabesuch Viel Bewegung an der frischen Luft



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[ Arbeitsmedizin ]

Erprobung von Hautmitteln

Der richtige Riecher Die besten Hautmittel nützen nichts, wenn die Beschäftigten sie nicht anwenden. Um herauszufinden, welche Hautmittel bei den Beschäftigten im Reinigungsgewerbe am besten ankommen, testete die Gegenbauer Gebäudeservice GmbH mit Unterstützung der BG BAU verschiedene Hautmittel in einem Pilotprojekt. Über die Ergebnisse spricht Martin Großkopf, Qualitätsbeauftragter & Sicherheitsingenieur des Unternehmens, mit Dr. Jobst Konerding vom Arbeitsmedizinischen Dienst der BG BAU.

BG BAU: Welchen Stellenwert haben Hautschutzmaßnahmen in Ihrem Unternehmen? Großkopf: Die Prävention steht im Mittelpunkt unseres Arbeits- und Gesundheitsschutzes, deshalb stellen wir unseren Mitarbeitern Hautmittel und Sicherheitshandschuhe zur Verfügung und weisen sie in die Handhabung ein. In der Unterhalts-, Glas- und Sonderreinigung hat der Hautschutz einen besonders hohen Stellenwert, da die Mitarbeiter täglich mit wässerigen Lösungen und Gefahrstoffen in Kontakt kommen. Denn fehlender Hautschutz führt zu stärkeren Ausfallzeiten der Mitarbeiter, was einen erhöhten Organisationsaufwand und eine zusätzliche Belastung auch kostenmäßig für uns wäre.

Wir stellen unseren Mitarbeitern jetzt die von ihnen bevorzugten Hautmittel zur Verfügung. Martin Großkopf, Sicherheitsingenieur der Firma Gegenbauer Gebäudeservice GmbH

mit Unterstützung der BG BAU ausgewählt haben. In der zweiten Phase wurden diese Hautschutz- und Pflegemittel vier Wochen lang als Blindprobe zur Verfügung gestellt, um die erste Testreihe zu verifizieren. Nach Abschluss jeder Testwoche wurden die Mitarbeiter nach ihren Eindrücken gefragt. Dazu stellte uns die BG BAU einen standardisierten Fragebogen zur Verfügung, der alle Kriterien enthielt, die bei der Akzeptanz von Hautmitteln eine Rolle spielen.

Andere Produkte hingegen, welche Gerbstoffe enhalten, die das Aufquellen der Haut vermindern, wurden kaum benutzt. Daran störte die Mehrzahl der Mitarbeiter sowohl der Geruch als auch das kribbelnde Hautgefühl.

BG BAU: Zu welchen Ergebnisse sind Sie gekommen?

Auswahl von Hautmitteln

BG BAU: Warum haben Sie sich entschlossen, eine Erprobung von Hautmitteln zu veranlassen? Großkopf: Bei Sicherheitsaudits in den Objekten haben wir immer wieder festgestellt, dass die von uns ausgegebenen Hautmittel von den Mitarbeitern nur bedingt angewendet wurden. Deshalb haben wir nach einer Lösung gesucht, die zu diesem Pilotprojekt mit der BG BAU geführt hat.

Fotos: Frank Wilde

BG BAU: Wie erfolgte die Erprobung? Großkopf: Die Erprobung erfolgte in zwei Phasen. In den ersten vier Wochen erhielten die rund 20 beteiligten Reinigungskräfte wochenweise drei Hautschutz- und pflegemittel in der Originalverpackung, die wir

Großkopf: Das Projekt zeigt ganz klar, dass der Geruch und das Hautgefühl die ausschlaggebenden Faktoren für die Akzeptanz bei den Mitarbeitern sind. Absoluter Testsieger war ein Produkt, dass richtig gut gerochen hat und auf der Haut als sehr angenehm empfunden wurde. Diese Flasche war am beliebtesten und musste mehrfach aufgefüllt werden.

BG BAU: Wie gehen Sie mit diesen Ergebnissen um? Großkopf: Wir stellen jetzt das Hautmittel zur Verfügung, welches unsere Mitarbeiter bevorzugen und hoffen, dass sie das in Zukunft konsequent anwenden. Außerdem bemühen wir uns, Anordnungen zum Hautschutz so einfach wie möglich zu gestalten. Denn komplexe Anordnungen führen bei den Mitarbeitern eher zur Verwirrung und verringern die Bereitschaft zur Mitarbeit. Damit sind wir unserem Ziel, den Arbeitsund Gesundheitschutz bei unseren Mitarbeitern langfristig sicher zu stellen, ein gutes Stück näher gekommen.

Hautmittel gibt es viele. Doch welche Mittel sind für den eigenen Betrieb am besten geeignet? Ihr Ansprechpartner als Unternehmer ist in erster Linie der Betriebsarzt. Er kann eine Vorauswahl treffen, damit die Mittel optimal auf den konkreten Arbeitsprozess abgestimmt sind. Aber auch die Beschäftigten sollten in die nähere Auswahl einbezogen werden, sie müssen die ausgewählten Mittel schließlich akzeptieren.

[ Arbeitsmedizin ]

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Depression

Foto: jameek

Mehr als ein Stimmungstief

Obwohl eine Depression eine schwere Erkrankung ist, wird sie häufig nicht ernst genommen. Nach dem Motto „Das wird schon wieder!“ hoffen die Betroffenen, mit der Zeit allein wieder aus dem Stimmungstief herauszukommen. Doch das ist meist eine Fehleinschätzung, die in schlimmen Fällen tödliche Folgen haben kann.

„Ich weiß gar nicht, was los ist mit mir? Ich fühle gar nichts mehr, bin dauernd müde, ich kann einfach nicht mehr. Vielleicht brauche ich mal wieder Urlaub – aber Lust habe ich keine“. So fühlen viele Menschen. Mehr als zehn Prozent der Menschen in Deutschland haben eine depressive Erkrankung. Die Wahrscheinlichkeit, im Leben mindestens einmal depressiv zu erkranken, liegt zwischen 7 und 18 Prozent. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Depressive denken viel über den Tod nach und spielen mit dem Gedanken an Selbstmord, was Patienten mit schweren depressiven Störungen manchmal auch in die Tat umsetzen.

falsche Entscheidungen getroffen zu haben oder Schuldgefühle, den Partner und die Familie zu vernachlässigen. Depressive Menschen leiden unter Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Angstgefühlen, ihr Appetit verändert sich, Energie und Konzentrationsfähigkeit gehen verloren, die Freude am Leben fehlt. Diese Symptome sind nicht auf ein vorübergehendes Stimmungstief zurückzuführen, sondern sehr ernst zu nehmen. Die Depression ist eine schwere Erkrankung, die sowohl den Körper als auch die Psyche angreift.

Symptome ernst nehmen

Besonders gefährdet sind Betroffene, die keine Hilfe suchen, weil sie glauben, das ginge von selbst vorbei. Wenn der Gedanke an eine seelische Erkrankung auftaucht,

Auslöser für Depressionen sind häufig Sorgen um die berufliche Existenz, Ängste,

BG BAU aktuell_4/2007

Probleme ansprechen

wird er verdrängt. Doch diese Hoffnung trügt. Wer an Depressionen leidet, sollte schnellstmöglich mit einem Arzt oder Psychotherapeuten offen über seine Situation sprechen. Denn zu Beginn ist die Erkrankung leichter und schneller zu behandeln als in einem späteren Stadium. Betroffene können sich gerne auch an Ihren Betriebsarzt wenden. Depressionen entstehen im Kopf Depressionen sind die Folge von Störungen biochemischer Reaktionen im Gehirn. Daran beteiligt sind so genannte Botenstoffe, deren Konzentration sich in bestimmten Gehirnbereichen verändert, die für unsere Gefühle, den Schlaf-Wachrhythmus oder die Schmerzempfindung verantwortlich sind. Zu diesen chemischen Veränderungen



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[ Arbeitsmedizin ]

kommt es besonders häufig durch schwere seelische Belastungen. Dazu zählen familiäre und berufliche Konflikte, Existenzängste oder dauerhaft hohe Arbeitsbelastungen.

Fotos: Techniker Krankenkasse, AOK Bilderservice

Es gibt Menschen, die in ihrem Leben nie eine Depression erleben. Man könnte meinen, dass diese Menschen „das Glück geerbt haben“. Doch tatsächlich nutzen sie Lösungsstrategien, die die Anfälligkeit für Depressionen verringern. Das kann „positives Denken“ sein oder das Lebensmotto: „Auf lange Sicht läuft alles gut für mich!“ Menschen, die Depressionen erleiden, sind oft perfektionistisch und neigen dazu, sich selbst und das Leben negativ zu bewerten. „Erlernte Hilflosigkeit“

Stellen Sie sich vor, jemand erleidet einen Unfall und kommt zu der Einstellung, dass dies ein unkontrollierbares Ereignis war, dass ihm jederzeit wieder zustoßen könnte. Wird zusätzlich das eigene Handeln als nicht wirksam erlebt, um den Unfall zu verhindern, so führt dies zu einem Gefühl der Hilflosigkeit. Wiederholen sich solche Erlebnisse mit den dazu passenden, negativen Gedanken, so führt dies zu Resignation und Depression. Die Betroffenen erwarten dann auch im Hinblick auf zukünftige Ereignisse nichts Gutes und die depressive Verstimmung festigt sich zusätzlich. Dunkelheit kann deprimieren Eine Sonderform der Depression ist die Winterdepression, die so genannte Saisonal abhängige Depression (SAD). Sie wird überwiegend von Müdigkeit, Lustlosigkeit und getrübter Stimmung begleitet und tritt besonders in den Wintermonaten auf. Neben anderen Faktoren gilt der jahreszeitlich bedingte Lichtmangel als Ursache. Erleichterung schaffen Lichttherapien mit Lichtduschen und viel Bewegung bei Tageslicht an frischer Luft. Mit Beginn des Frühjahrs verschwinden die Symptome wieder von ganz allein.

Mehr als zwei bis drei Wochen dauernde Schlafstörungen, Freud- und Lustlosigkeit oder Erschöpfungsgefühle müssen ärztlich abgeklärt werden. Eine Behandlung mit Medikamenten, die das Gleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn wieder herstellt, ist heute meist erfolgreich. Beruhigungs- und Schlafmittel werden nur kurzzeitig eingesetzt. Zusätzlich zur Behandlung mit Medikamenten ist eine psychotherapeutische Behandlung wichtig. Diese schafft die Basis für eine dauerhafte Gesundung. Die Betrachtung der eigenen Denkgewohnheiten und Verhaltensmuster mit Hilfe eines Psychotherapeuten führt zur Förderung der eigenen Stärken und hilft bei der Bewältigung zukünftiger Belastungen.

und Wirbelsäulenbeschwerden lassen sich durch regelmäßige Entspannungsübungen oder Yoga oder spezifische gymnastische Übungen lindern. Dr. med. Bernd Lindemeier Dipl.-Psych. Sonja Berger

Hauptsymptome:

Foto: Wyeth Pharma

Depressive Verstimmungen ernst nehmen Die „Theorie der erlernten Hilflosigkeit“ geht davon aus, dass die Neigung zu Depressionen davon abhängig ist, welche Erfahrungen jemand macht und wie er diese bewertet, zum Beispiel so:

Depressive Stimmung (nicht Trauer!) Interessenverlust, Freudlosigkeit Antriebsmangel, erhöhte Ermüdbarkeit

Das Leben positiv gestalten Regelmäßige Bewegung, beispielsweise Joggen, ist ein natürliches Antidepressivum mit gesunden Nebenwirkungen wie Fitness und der Verbesserung des Selbstvertrauens.





Körperliche Symptome wie Schlafstörungen lassen sich durch Änderungen des Ernährungsverhaltens positiv beeinflussen. Abends kohlenhydratreich und eiweißarm essen lautet die Empfehlung. Truthahnund Thunfischfleisch, Bananen, Datteln und Joghurt enthalten viel Schlaf anregendes Tryptophan, die Vorstufe eines der erwähnten Botenstoffe. Falls ein Eisenmangel vorliegt, kann dieser mit Nüssen, Pilzen, Petersilie, Rindfleisch und Hülsenfrüchten ausgeglichen werden. Begleitende Muskel-





Zusatzsymptome: Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit Gefühl von Schuld, Gefühl der Wertlosigkeit Negative und pessimistische Zukunftsgedanken Veränderung des Appetits Selbstmordgedanken Vermehrter Zugriff auf Suchtmittel wie Alkohol, Nikotin, Medikamente Einschlaf- und Durchschlafstörungen, morgendliches Stimmungstief Unklare Schmerzen ohne nachweisbare Ursache

[ Arbeitsmedizin ]

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Belastung im Job

Fotos: Jens Krahe

Tennisarm – nicht nur beim Sport Zwar spricht man allgemein vom Tennisarm, aber die höllischen Schmerzen im Ellenbogengelenk kennen keineswegs nur Tennisspieler. Im Gegenteil: Bei rund 90 Prozent der Patienten wird der Tennisarm durch tägliche Belastung in Beruf und Haushalt ausgelöst. Beschäftigte auf dem Bau leiden häufig darunter.

Seit Wochen klagt der 41-Jährige Malermeister über heftige Schmerzen im rechten Ellenborgen: „Die treten immer auf, wenn ich mit dem Pinsel oder der Rolle arbeiten muss. Da habe ich oft richtige Krämpfe. Ganz schlimm wird es, wenn ich dann auch noch über Kopf arbeite“, erklärt er seinem Betriebsarzt vom Arbeitsmedizinischen Dienst der BG BAU. Der Arzt stellt schnell fest, dass der Malermeister bei seiner Arbeit noch weitere Tätigkeiten mit monotonen Beuge- oder Drehbewegungen des Unterarmes ausführt, die zum Teil mit Kraftanstrengung der Hand-

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und Unterarmmuskulatur verbunden sind. Dazu gehört beispielsweise Hämmern, Sägen, Schrauben und Drehen. Die anschließende Untersuchung zeigt, dass das Bindegewebe am inneren Knochenvorsprung des Ellenbogens auf Druck schmerzhaft reagiert. Außerdem ist die Muskulatur des Unterarms an einigen Stellen sehr verspannt. Bei der Fingerbeugung, beispielsweise bei einem kräftigen Händedruck, hat der Malermeister heftige Schmerzen im Bereich des Ellenbogens.

Einseitige Belastungen sind Gift Vor allem Beschäftigte, die bei ihrer Arbeit viele einseitige Bewegungen ausführen, sind häufig vom so genannten „Tennisarm“ betroffen. Der Mediziner spricht dann von einer Epicondylitis. Die übermäßige und einseitige Belastung führt zur Entzündung des Sehnenansatzes der Unterstreckmuskulatur des Armes. Werden diese Muskelpartien ständig über- und fehlbelastet, entstehen entzündliche Veränderungen im Ellenbogen und

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zwar im Bereich des Knochenvorsprungs. Anfangs kommt es zu minimalen Rissverletzungen der überlasteten Sehnen. Diese heilen beim ersten Mal aus, aber bei erneuter Überbelastung kommt es sehr rasch zu neuen Rissen im Gewebe. Die Sehnen, die die Muskeln mit dem Knochen verbinden, bekommen nicht mehr die gleiche Sauerstoff- und Blutzufuhr wie die Muskeln. Der Heilungsprozess ist deshalb sehr schleichend.

[ Arbeitsmedizin ]

1 Oberarmknochen 2

1

4

Für arbeitsbedingte Erkrankungen der Sehnenansätze am Ellenbogengelenk sind in erster Linie wiederholte Bewegungen mit vermehrtem Kraftaufwand im Hand-ArmBereich verantwortlich. Drehbewegungen der Hand sowie häufiges Beugen und Strecken im Ellenbogenbereich, beispielsweise beim Hämmern, Drehen von Schrauben, bei Anstricharbeiten, beim Sägen oder bei Verpackungsarbeiten, begünstigen die Entstehung des Tennisarms ebenfalls. Das Ellenbogengelenk kann aber auch überlastet werden beim Anheben und Tragen von Zementsäcken mit angewinkelten Armen oder beim Tragen von schweren Eimern über mehrere Etagen durch das Treppenhaus. Der Arzt stellt die Diagnose durch Erhebung einer genauen Krankengeschichte und einer Tast- und Bewegungsuntersuchung des Arms. Röntgenuntersuchungen zeigen zwar keine typischen Veränderungen, sind aber zur Abgrenzung von anderen Verletzungen oder Erkrankungen des Nervensystems wichtig.

3 Stelle der Schmerzempfindlichkeit (Ansatzstelle des Unterarmmuskels, an der Außenseite des Ellenbogengelenks)

2 3

Ansatzstelle der Sehne

5

4 Sehne 5 Unterarmmuskel

Im Ellenbogen liegt das Epizentrum des Schmerzes.

Fällen kann eine Operation notwendig werden. Die Sehne am Muskelursprung wird dann eingekerbt, um eine Entlastung des Gewebes zu erzielen.

ration aus. Je früher eine Behandlung einsetzt, desto größer die Aussichten auf Erfolg. Am besten sind jedoch vorbeugende Maßnahmen.

Die Prognose ist gut. In etwa 90 Prozent der Fälle heilt die Erkrankung ohne Ope-

Dr. med. Jobst Konerding

Vielfältige Therapieansätze Zunächst sollte der Arm geschont werden. Im akuten Stadium hilft Kühlung, bei chronischen Prozessen kann Wärme die Abheilung fördern. Bei ausgeprägten Symptomen hilft ein ruhigstellender Verband über Ellbogen und Handgelenk, der ein paar Tage bis Wochen getragen werden sollte. Medikamente helfen, die Schmerzsymptome zu lindern und die Entzündungsprozesse zu hemmen. Bei schweren Fällen werden manchmal kortisonhaltige Spritzen eingesetzt, damit die Entzündung zurückgeht. Möglich ist auch eine Nervenblockade im Schmerzgebiet. Hier wird die Nervenleitung unterbrochen, indem ein Betäubungsmittel um die Nerven herum eingespritzt wird. Manche Ärzte versuchen eine Heilung mit einer Ultraschall-, Elektro- oder Stoßwellentherapie. In schweren

Tipps zur Verhinderung eines Tennisarms Einseitige Belastungen oder einseitige und wiederkehrende Belastungen des Armes so gering wie möglich halten.

Während der Arbeit regelmäßige kurze Pausen von etwa einer Minute einlegen, Finger bewegen und Arme ausschütteln.

Bei der Arbeitsorganisation darauf achten, dass möglichst abwechslungsreiche Tätigkeiten mit den Armen ausgeführt werden. Längerdauernde Arbeiten mit festem Umgreifen von Werkzeugen – beispielsweise längerem Spachteln, Eindrehen von Schrauben oder Einschlagen von Nägeln mit einem Hammer – sollten möglichst nicht stundenlang von einem Kollegen allein verrichtet werden.

Folgende Übung hilft: Etwa einmal pro Stunde den Ellenbogen strecken, dann die Hand nach hinten biegen und mit der anderen Hand festhalten. Diese Spannung für etwa 15 Sekunden halten.

[ Betriebsorganisation ]

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Wenn die CD hier fehlt, wenden Sie sich bitte an Ihre BG BAU und fordern eine Neue an: [email protected]

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[ Betriebsorganisation ]

Medien und Praxishilfen

Neue Info-CD: Aktuell und informativ Als Unternehmer sind Sie für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in Ihrem Betrieb verantwortlich. Die neue Info-CD der BG BAU unterstützt Sie dabei.

Auf der aktuellen, nebenstehend eingeklebten Scheibe finden Sie alles wissenswerte rund um Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Dazu gehören: Gefährdungsbeurteilungen Fachinfos Bausteine/Infomappe Planungsinformationen Vorschriften/Regeln Die neue Ausgabe der BG BAU Info-CD haben wir den Veränderungen angepasst, die sich unter anderem bei den Vorschriften ergeben haben. Neu hinzugekommen Damit Sie immer auf dem neuesten Stand sind, aktualisieren wir unsere Info-CD regelmäßig. Die Neuerungen diesmal: Kapitel „Die BG“ erweitert um Themen wie „Finanzierung“, „Jahresbericht“, Informationen zu den Dienstleistungen der BG BAU Suchverzeichnis für Medien verbessert Aktualisierte Bausteine integriert Medienangebot erweitert, beispielsweise um Technische Regeln Infos zum Tiefbau überarbeitet (z.B. Broschüre „Sicherheit im Tiefbau“)

Menüführung mit Komfort Auf der neuen Info-CD können Sie unter anderem über ein geändertes Suchverzeichnis unter verschiedenen Aspekten recherchieren (Volltext, Medientitel, Stichwort, Gewerke) über das Kapitel „Weitere Medien“ Formulare leichter aufrufen und online ausfüllen eine Vielzahl von Texten zusätzlich als PDF-Datei ausdrucken, zum Beispiel die Bausteine die Nutzung der CD ist jetzt auch für andere Browser möglich „Medien und Praxishilfen“ im Internet Wir bringen die BG Info-CD jedes Jahr auf den neuesten Stand. Dennoch kann es im Laufe des Jahres vorkommen, dass sich die eine oder andere Vorschrift ändert. Nicht nur deshalb lohnt sich der Blick auf unsere Internetseiten. Unter www.bgbau.de finden Sie den ehemaligen Info-Pool jetzt unter dem neuen Titel „Medien und Praxishilfen der BG BAU“. Die Datenbank bietet alle aktuellen Fachinformationen der BG BAU sowie viele den Baubereich betreffende staatliche Gesetze und Vorschriften zum Lesen, Ausdru-

cken, Downloaden und natürlich zum Online-Bestellen. Um die Datenbank „Medien und Praxishilfen der BG BAU“ aufzurufen, klicken Sie auf der Startseite unserer Homepage www.bgbau.de auf den Link unter der Rubrik „Service“ auf der rechten Seite. Auf der Folgeseite finden Sie den Link zur Datenbank im Infomodul rechts. Dort können Sie zwischen folgenden Überschriften wählen: Info-CDs Gefährdungsbeurteilung Fachinfos Bausteine/Infomappe Planungsinformationen Vorschriften/Regeln Weitere Medien Sind Sie unsicher, unter welcher Rubrik die von Ihnen gewünschte Information zu finden ist oder unter welchem Titel die Information veröffentlicht wurde, dann stehen Ihnen für die Recherche leistungsfähige Suchfunktionen zur Verfügung. Neben der Volltextsuche und Suche nach Medientitel, gibt es dort auch die Möglichkeit der Suche nach speziellen Gewerken oder Stichworten von A wie Abbrucharbeiten bis Z wie Zimmererarbeiten. Martin Schneider

[ Betriebsorganisation ]

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Mitarbeitergespräche

: n e d e r t x K l a r te r i a f r e b a , n e f f o

Regelmäßige Mitarbeitergespräche fördern die Kommunikation, beugen Konflikten vor und verbessern das Arbeitsklima. Worauf es dabei ankommt, zeigt der folgende Beitrag.

Bei aller Hektik im Tagesgeschäft: Gute Chefs nehmen sich regelmäßig Zeit, ihren Mitarbeitern eine Rückmeldung, also Feedback zu geben. Unter dem Titel Jahres-, Beurteilungs- oder auch Zielvereinbarungsgespräch setzen sich die direkten Vorgesetzten mit ihren Mitarbeitern zusammen, um über Leistung und Verhalten zu sprechen, Schwächen zu beseitigen und Stärken zu fördern. Das funktioniert allerdings nur, wenn beide wirklich offen reden.

Mitarbeiter muss sich wertgeschätzt fühlen, auch wenn es kritisch für ihn wird. Das schafft ein Vorgesetzter nur, wenn er konkret wird, Situationen beschreibt und nicht gleich ein unverrückbares Urteil von sich gibt. Das Gespräch sollte in einer aufgelockerten, freundlichen Atmosphäre stattfinden. Denn es kostet Vorgesetzte und Mitarbeiter gleichermaßen Überwindung, sich unter vier Augen auseinander zu setzen und Klartext zu reden. Dabei wissen meist beide, was gut läuft und wo es hapert.

Der Ton macht die Musik Vorbereitung mit Vorlauf In der Praxis bringen Mitarbeitergespräche Mitarbeiter und Chefs häufig ins Schwitzen. Denn sie erfordern Übung und eine besondere Art der Gesprächsführung. Der

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Mitarbeitergespräche dürfen keinesfalls en passant, so nebenbei, geführt werden nach dem Motto: „Kommen Sie doch mal eben

rein“. Das ist nicht nur schlechter Stil. So unvorbereitet kann kaum etwas Gescheites dabei herauskommen. Den Termin sollte der Vorgesetzte möglichst eine Woche, mindestens aber ein paar Tage im voraus vereinbaren, damit der Mitarbeiter sich auf das Gespräch vorbereiten und seine Leistungen und Wünsche zusammentragen kann. Vorgesetzte, die zum ersten Mal ein solches Mitarbeitergespräch führen, sollten sich zuvor einen Leitfaden machen: vom „Eisbrecher“ für eine lockere Eröffnung, dem so genannten Warming-up über Lob und Kritik zum einvernehmlichen, zukunftsorientierten Schluss.



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[ Betriebsorganisation ]

Bei der Zielvereinbarung geht es nicht nur um Arbeitsergebnisse und Termintreue. Bewertet werden auch Kommunikationsverhalten und Führungsqualität, persönlicher Einsatz, der Umgang mit Kollegen, Chefs und Mitarbeitern, Teamfähigkeit – all die weichen Faktoren, die für das Fortkommen heute ebenso wichtig sind. Außerdem können die Gespräche gezielt genutzt werden, um Themen wie Gesundheit, Wohlbefinden am Arbeitsplatz und berufliche Belastungen aufzugreifen. So stärken die Mitarbeitergespräche neben der Gesundheit der Mitarbeiter auch das Vertrauen zum Vorgesetzten, was letztendlich dem Betrieb zugute kommt. Denn berufliche Stresssituationen werden besser bewältigt, wenn sich der Mitarbeiter vom Vorgesetzten sozial unterstützt fühlt. Die persönliche Wertschätzung und das gegenseitige Verstehen von Motiven und Absichten ist ein wesentlicher Faktor für eine gelungene zwischenmenschliche Beziehung, die auch das Arbeitsleben leichter und effektiver macht. Mitarbeitergespräche können entscheidend dazu beitragen, das Arbeitsklima und damit auch den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens positiv zu gestalten. Dagmar Sobull

Check-up Vorbereitung für alle



Nehmen Sie die Notizen vom vergangenen Jahr zur Hand. Prüfen Sie, welche Ziele und Teilziele erreicht wurden. Bestimmen Sie den Grad der Zielerreichung. Wie erklären Sie sich Defizite oder die Übererfüllung der Ziele? Wie war die Atmosphäre beim letzten Jahresgespräch? Wenn sie schlecht war, wie ließe sie sich verbessern? Lassen Sie die Zusammenarbeit im ver- gangenen Jahr Revue passieren.

Roter Faden für Chefs





Was die Kommunikation fördert

Sprachlich

Soziale Kompetenz gehört dazu

Mitarbeitergespräche sollten nicht auf der Baustelle geführt werden, sondern die Gesprächspartner sollten sich dafür Zeit nehmen.

nonverbal

Sinnvoll ist es, überprüfbare Ziele für das nächste Jahr zu vereinbaren: Umsatzzahlen, Kostenziele, Projektaufgaben. Die Vorgaben müssen eindeutig sein. Ein Jahr später wird abgehakt, ob und wie die Ziele erfüllt wurden. Notiert werden auch die Schritte, die zum Wunschergebnis führen sollen: Zeitpläne, Jobausstattung, Weiterbildung. Am Ende allen Abwägens unterschreiben Vorgesetzter und Mitarbeiter ein Protokoll über das Ergebnis, die Vergangenheit und die Ziele für das nächste Jahr. Wer sich da zu viel vornimmt, sollte nicht bis zum nächsten regulären Gespräch warten. Zwischenjustierung muss sein, vor allem, wenn äußere Ursachen das Ziel in weite Ferne rücken lassen. Schließlich soll die Pflicht zum jährlichen Beurteilungsgespräch nicht zur Schweigsamkeit während der restlichen 364 Tage des Jahres führen.



Sinn- und Informationsfragen stellen Aussprechen lassen Verständliche Formulierungen

Kopfnicken Blickkontakt Offene, zugewandte Körper haltung Freundlicher, ruhiger Tonfall Mittlere Tonlage Freundliche Mimik

Welcher Termin bietet sich an? Sprechen Sie ihn mit einem Vorlauf von mindestens einer Woche mit dem Mitarbeiter ab und blocken Sie die Zeit im Terminkalender. Wie können Sie das Eis brechen – indem Sie sich für den tollen Einsatz beim Jahresabschluss bedanken oder indem Sie über den Sieg des heimatlichen Fußballclubs diskutieren? Kann es in der Beurteilung des vergangenen Jahres zu Wahrnehmungsunter- schieden, entgegengesetzten Einschätzungen oder Interessenkonflikten kommen? Wie lassen sich Defizite beheben? Welchen Bonus können Sie sich vorstellen? Wie können Sie Ihren Mitarbeiter in der Zielerreichung besser unterstützen? Welche Kontrollen sind denkbar – Termine, regelmäßige Gespräche? Welche weiteren Ziele möchten Sie vereinbaren?

Was die Kommunikation behindert Dazwischenreden, unterbrechen, widersprechen, drohen Ironie und Sarkasmus Besserwisserei, Belehrungen, Ratschläge Monologe



Blick abwenden Pokerface Nebentätigkeit Auf die Uhr sehen Gähnen Hohe Tonlage, laut werden Grimmige, abweisende Mimik Hektische Atmosphäre verbreiten

Foto: Jens Krahe

Ziele vereinbaren

[ Reha und Leistung ]

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Arbeitsplatzspezifische Rehabilitation

Training wie im Job

Fotos: Gosia Kaszlikowski

Nach Arbeitsunfällen kommt es in erster Linie auf die Rehabilitation an, ob und wie schnell die Betroffenen wieder arbeiten können. Je genauer das Training auf den Arbeitsplatz zugeschnitten ist, um so effektiver ist die Wiedereingliederung, wie folgendes Beispiel zeigt:

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[ Reha und Leistung ]

Bei der arbeitsplatzspezifischen Rehabilitation ist es wichtig, dass die Patienten mit genau den Belastungen trainieren, die sie in ihrem Job auch tatsächlich haben. Bernard Nguyen, Gründer und Leiter der Arbeitsplatzspezifischen Rehazentren in Köln und Mannheim

Seit 26 Jahren fuhr der Dachdecker Detlef Samland Tag für Tag mit dem Motorrad zur Arbeit. Doch am 29. September 2006 war plötzlich alles anders. Kurz vor seinem Ziel kam ein blauer Ford aus einer Kölner Nebenstraße herausgeschossen, nahm ihm die Vorfahrt und schleuderte ihn über den Lenker, so dass er sich mehrfach überschlug und dann mit dem Rücken auf die Straße knallte. Sein rechter Unterarm war achtmal gebrochen, das rechte Sprunggelenk zweimal, der kleine Zeh links einmal und das Handgelenk war völlig zerstört, wie er später im Krankenhaus erfuhr. „Die Ärzte waren skeptisch, ob ich mein Handgelenk je wieder würde bewegen können, und schlugen mir eine Umschulung vor“, erinnert sich Samland. Doch das kam für den Handwerker aus Leidenschaft überhaupt nicht in Frage. „Im Büro, da geh ich ein“, war der passionierte Dachdecker überzeugt. Und dass er nach einer mehrjährigen Umschulung einen Arbeitsplatz finden würde, konnte sich der heute 41Jährige auch nicht vorstellen Zielgerichtetes Training Erleichtert und hocherfreut war er deshalb, als ihm Axel Holzschneider, sein Rehama-

nager von der BG BAU, vorschlug, an einer Maßnahme zur „Arbeitsplatzspezifischen Rehabilitation“ (ASR) teilzunehmen. Dabei wird die übliche, an den Verletzungen orientierte, physiotherapeutische Behandlung ergänzt durch ein Training, welches genau auf die Anforderungen in dem jeweiligen Beruf zugeschnitten ist. „Das war die Chance meines Lebens“, weiß Samland rückblickend. Für das arbeitsplatzspezifische Training stehen in den ASR Rehazentren in Köln und Mannheim praxisgerechte Arbeitsplatzmodelle zur Verfügung, die genau auf die speziellen Belastungen in einzelnen Gewerken ausgerichtet sind. „Der Dachdecker beispielsweise muss lernen, wieder auf schrägen Flächen zu laufen und dabei Lasten zu bewegen, während der Maler das Hantieren mit Pinsel und Farbeimer an Übungswänden trainiert,“ erläutert Bernard Nguyen, Gründer und Leiter des ASR in Köln. Vorbild für diese Herangehensweise ist der Hochleistungssport. „Ein Fußballspieler trainiert anders als ein Golfspieler“, sagt Nguyen, der lange Zeit Spitzensportler nach Verletzungen wieder fit gemacht hat. Dasselbe Prinzip setzt er nun bei der Rehabilitation nach Arbeitsunfällen ein. „Es ist wich-

Das war die Chance meines Lebens.

Mit einem Sicherheitsgeschirr vorbildlich ausgerüstet probt Samland die Rückkehr in seinen Job auf dem Dach.

tig, dass die Patienten mit genau den Belastungen trainieren, die sie in ihrem Job auch tatsächlich haben“, betont Nguyen. Den Ernstfall proben Am häufigsten hat Samland die Dachmodelle genutzt. „Dieses Dach habe ich bestimmt 20 Mal auf und abgedeckt“, erzählt er. Anfangs übte er das Hinaufwerfen, Fangen und Verlegen von Dachziegeln an einem Dach mit einer Neigung von 15 Grad, später wagte er sich an das steilere Modell mit einer Neigung von 45 Grad. Das Arbeiten in Zwangshaltungen oder über Kopf gehörte ebenso zum Training wie das Balancieren mit Gewichten auf wackeligem Untergrund. Es geht aufwärts Obwohl die erste Zeit sehr hart war und seine Arm- und Fußgelenke oft schmerzten, trat Samland jeden Morgen voller Energie wieder an. Oft blieb er nach den täglichen Pflichtstunden noch länger im Zentrum, um alleine weiter zu trainieren. „Als ich spürte, dass meine Kraft, Kondition und Feinmotorik immer mehr zunahmen, hat mich das ungeheuer motiviert“, sagt Sam-

[ Reha und Leistung ]

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Bei Überkopfarbeiten an Schrauben in verschiedenen Größen lassen sich die Feinmotorik und Beweglichkeit der Schulter gut trainieren.

Auch das Tragen eines Eimers in verschiedenen Situationen musste Samland wieder üben.

land, der so schnell wie möglich wieder in seinem Beruf arbeiten wollte. Dazu muss er körperlich topfit sein. Denn als Dachdecker gehört es zu seinem Tagesgeschäft, bei Wind und Wetter in Schwindel erregenden Höhen Lasten zu bewegen und zu verlegen. Bei Klempnerarbeiten an Traufen, Rinnen oder Schornsteinen, oder beim Hantieren mit Schiefer und Zink, sei zudem die Feinmotorik sehr wichtig, erklärt Samland, zu dessen Lieblingsarbeiten das Verschiefern von Kaminen gehört. Jeden Tag tastete sich Samland ein bisschen weiter an die normale Belastung heran, immer nach dem Prinzip „vom Leichten zum Schweren“. So übte er das Tragen eines Eimers zunächst mit zwei Kilo und steigerte sich schließlich bis auf 15 Kilo. Ein weiterer Schwierigkeitsgrad war das Heben und Tragen auf verschiedenen Untergründen und das Balancieren auf Brettern mit verschiedenen Neigungswinkeln. Generalprobe Am 23. April 2007 wagte Samland den Schritt in die echte Arbeitswelt und arbei-

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tete zunächst zwei Stunden pro Tag bei dem Dachdeckerunternehmen Alfred Lehmann in Bergisch Gladbach. Diese Zeit wurde dann von Woche zu Woche gesteigert, bis er in der Lage war, einen Acht-Stunden-Tag mit allen anfallenden Arbeiten und Belastungen durchzustehen. Während dieser Zeit der Arbeitstherapie und Belastungserprobung erhielt Samland von der BG BAU auch weiterhin Verletztengeld als Lohnersatzleistung. Seit Juni 2007 ist er bei dem Unternehmen als Vollzeitkraft angestellt, wo er einer der engagiertesten Mitarbeiter ist. „Heute stehe ich wieder voll meinen Mann“. BG BAU steuert das Reha-Verfahren Die BG BAU steuerte und finanzierte die gesamte Rehabilitation mit dem Ziel der effektiven beruflichen Wiedereingliederung. „Diese Investitionen zahlen sich aus“, ist Holzschneider überzeugt: „Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Ärzten und Therapeuten und die speziell auf den Arbeitsplatz ausgerichtete Rehabilitation machte es möglich, Herrn Samland in vergleichsweise kurzer Zeit wieder ins Arbeitsleben zu integrieren“.

Etwa 95 Prozent der Patienten im ASR seien Versicherte von Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, sagt Nguyen. Rund zwei Drittel der Patienten kehrten nach der ASR wieder in ihre erlernten Berufe zurück. Rund fünf Millionen Euro pro Jahr an Kosten für die Nachbehandlung von Arbeitsunfällen und Renten wegen Erwerbsunfähigkeit sparten die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung seinen Berechnungen zufolge dadurch ein. Zum Beispiel im Fall Samland: Ein halbes Jahr nach seinem schweren Unfall und entgegen der ersten ärztlichen Prognose, seinen Beruf wohl aufgeben zu müssen, steht er wieder auf dem Dach und strahlt: „Gleich am ersten Tag habe ich zwei Kamine verschiefert. Ich mache sogar wieder Überstunden und bin genauso fit wie früher.“ Dagmar Sobull



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[ Reha und Leistung ]

Interview mit Reha-Manager der BG BAU

Schnelle Wiedereingliederung spart Kosten

Foto: Mike König

„Reha vor Rente“ lautet das Motto der BG BAU, wenn es um die Wiedereingliederung von Verletzten nach Arbeitsunfällen geht. Um Betroffene wie Detlef Samland (s.S.32-34) möglichst schnell wieder in den Arbeitsprozess zu bringen, nutzen die Reha-Manager modernste Instrumente der Rehabilitation. Axel Holzschneider, Reha-Manager der BG BAU aus Köln, erläutert das Konzept im Gespräch mit Dagmar Sobull von BG BAU aktuell.

Axel Holzschneider

Was tut die BG BAU, um die Leistungsfähigkeit ihrer Versicherten nach Arbeitsunfällen wieder herzustellen?

Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit eine schnelle Rückführung an den Arbeitsplatz erreicht werden kann?

Die BG BAU hat ein Reha-Management eingeführt. Kernstück ist ein vom RehaManager gemeinsam mit dem behandelnden Arzt und dem Rehabilitanden aufgestellter Reha-Plan. Hierin werden die Ziele, also zum Beispiel die Arbeitsfähigkeit zu einem bestimmten Termin, und die dazugehörigen Maßnahmen vereinbart.

Wichtig ist eine bestmögliche, medizinische Versorgung. Schwere Verletzungen werden nur in ausgewählten Krankenhäusern oder BG-Kliniken behandelt, die darauf spezialisiert sind. Dabei orientieren wir uns immer an den Verletzungen und den individuellen Möglichkeiten des Rehabilitanden, ebenso wie an dem konkreten Arbeitsplatzprofil.

Welche Vorteile bietet das Reha-Management?

Entscheidend ist natürlich, dass der Rehabilitand hoch motiviert und engagiert an der Rehabilitation teilnimmt, so wie Detlef Samland.

Der Arbeitgeber hat mehr Planungssicherheit im Hinblick auf die Rückkehr des betroffenen Mitarbeiters an den Arbeitsplatz. Leerlauf in der Behandlung wird vermieden und die BG BAU kann auf Abweichungen vom Konzept schneller und im Interesse der Betroffenen besser reagieren. Darüber hinaus fühlen sich die Versicherten aktiv am Prozess beteiligt und entwickeln eine gesteigerte Motivation, die selbst mitformulierten Ziele durch aktive Mitarbeit zu erreichen, so wie im Fall Samland.

Welche Vorteile bringt die „Arbeitsplatzspezifische Rehabilitation“ (ASR) im Vergleich zum herkömmlichen Vorgehen? Durch die ASR werden frühzeitig individuell am Arbeitsplatz erforderliche Fähigkeiten wieder erlernt, Belastbarkeiten trainiert und erprobt. Dadurch erhöht sich die Motivation der Betroffenen und der Glaube, seinen bisherigen beruflichen Anforderungen wieder gewachsen zu sein. Das ist nach schweren Verletzungen besonders wichtig. Gleichzeitig sind die Kosten bei

der ambulanten ASR geringer als bei stationären Therapien. Nach den ersten Erfahrungen erzielen wir damit insgesamt bessere Heilergebnisse und vermeiden Folgekosten. Bei frühzeitiger Betreuung im Rahmen arbeitsplatzspezifischer Therapieansätze verkürzten sich auch die Heilverläufe. Wie wirkt sich das neue Verfahren kostenmäßig aus? Unter Berücksichtigung der ersten Auswertungen ist bereits erkennbar, dass die Kosten einer ambulanten ASR unterhalb der Kosten für stationäre Anschlussheilbehandlungen liegen. Mit den individuellen Therapieansätzen lassen sich bestmögliche Rehabilitationsergebnisse erzielen, also auch eine bessere Quote innerhalb der Wiedereingliederung am alten Arbeitsplatz. Dadurch ergeben sich Einsparungen bei den Lohnersatzleistungen wie Verletztengeld, Rentenleistungen oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die dann nicht mehr erforderlich sind.

[ Aus Unfällen lernen ]

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Zwei Arbeiter tot, ein Schwerverletzter

Fahrgerüst stürzt von Reaktorkuppel Gesamtansicht der Sonder-Gerüstkonstruktion auf der Reaktorkuppel vor dem Unfallgeschehen. Das abgestürzte Gerüst.

Bei Beschichtungsarbeiten an der Kuppel eines Reaktorgebäudes kam es zu einem sehr schweren Unfall. Zwei Beschäftigte starben und ein Arbeitnehmer wurde schwer verletzt, als eine an der Reaktorkuppel befestigte Gerüstsonderkonstruktion abstürzte. Wie konnte es zu diesem verhängnisvollen Unfall kommen?

Um die Reaktorkuppel zu reinigen und anschließend zu beschichten, wurde die Kuppel mit einem Fahrgerüst und einem daran angehängten Personenförderkorb ausgerüstet. Dieses Sondergerüst wurde oben auf der Kuppel mit einer aufgesteckten Hülse auf der Kuppelplatte mit Königszapfen drehbar angebracht. Bereits vor drei Jahren wurde mit diesen Arbeiten begonnen, doch sie wurden nicht beendet, sondern erst in diesem Jahr wieder aufgenommen. Für die Gerüstsonderkonstruktion lagen ein Standsicherheitsnachweis und eine geprüfte Statik vor und die Mitarbeiter der Beschichtungsfirma wurden in die Handhabung dieses Gerüstes eingewiesen.

Deutlich erkennbar: Die abgerissene Schweißnaht an der aufgesteckten Hülse und die seitlich angebrachten Schmiernippel zum Schmieren der Vorrichtung.

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Das von Elektromotoren angetriebene Gerüst wurde zunächst um etwa 30 Grad verfahren. Während der Stillstandsphase brach plötzlich die Aufhängung am angeschweißten Flansch an der drehbar gelagerten Hülse auf dem Königszapfen ab und das Gerüst stürzte aus zirka 60 m Höhe herab. Unfallursache Zur Aufklärung der Unfallursache wurde ein Technischer Sachverständiger hinzugezogen. Es wurde festgestellt, dass der Spalt zwischen Hülse und Zapfen so eng war, dass das über die nur mittig, seitlich angebrachten Schmiernippel zugeführte Fett sich nicht über die gesamte Fläche der Gleitpaarung verteilen konnte. Dadurch lief das Lager trocken und setzte sich fest. Die von den Elektromoren erzeugte Kraft und der große Hebelarm reichten dann aus, um den Bruch der Schweißnaht herbeizuführen. In einem Materialprüfungsgutachten wurde festgestellt, dass die Schweißnaht selbst völlig einwandfrei hergestellt wurde. Allerdings entsprach die Gerüstsonderkonstruktion, an der sich auch ein Personenförderkorb befand, nicht den geltenden Vorschriften. So hätten bei diesem verfahrbaren Gerüst neben dem statischen Nachweis auch eine Baumusterprüfung und eine EG-Konformitätserklärung vorliegen müssen, da hier

der Geltungsbereich der Maschinenverordnung betroffen ist. Dies war jedoch nicht der Fall. Darüber hinaus lag für die Wartungsarbeiten kein Wartungsplan vor und die letzte Wartung und Prüfung vom April dieses Jahres wurde nicht dokumentiert. Wären die erforderlichen Prüfungen nach der Maschinenverordnung durchgeführt worden, wäre es sicher nicht zu diesem Unfall gekommen. Die oben genannten Prüfungen hätten weit reichendere Aspekte erfasst. So hätten diese die Konstruktion auch auf Stabilität und Bruchgefahr im Betrieb, Festigkeit bei dynamischer Belastung, Einsatztauglichkeit und Gefahr des Abstürzens des Fördermittels geprüft. Dabei wäre sicherlich aufgefallen, dass die nur an der Schweißnaht hängende Gerüstkonstruktion der eigentliche Schwachpunkt war. Es gab hier keine zwei voneinander unabhängigen Sicherungssysteme. Bedauerlicherweise hat der Hersteller des Gerüstes allein dem statischen Nachweis der Gerüstsonderkonstruktion vertraut. Doch dieser Nachweis berücksichtigte nicht die dynamischen Kräfte, die beim Verfahren des Gerüstes im Schadensfall (hier: Festsitzen der Hülse) auftreten können. Eine rechtzeitige Beteiligung der Präventionsexperten der BG BAU hätte diesen Unfall wahrscheinlich verhindert. SCP



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[ Aus Unfällen lernen ]

Dachdecker abgestürzt

Tödlicher Leichtsinn Auf dem Dach einer Ziegelei kam es zu einem tragischen Unfall mit tödlichem Ausgang.

Zwei Mitarbeiter einer Dachdeckerfirma hatten das flach geneigte und mit Faserzementwellplatten und PVC-Lichtwellplatten gedeckte Dach betreten, um die Dachfläche zu inspizieren. Obwohl lastverteilende Bohlenbeläge ausgelegt waren, um ein Einbrechen in die nicht begehbare Dachfläche zu verhindern, betrat einer der beiden Beschäftigten den Bereich der daneben liegenden Lichtwellplatten. Beim Betreten zerbrach die Platte und er stürzte zehn Meter tief auf den Betonboden der Halle. Er starb noch an der Unfallstelle.

Unfallrisiko birgt. Auffangeinrichtungen in Form von Schutznetzen oder Anseilschutz sind für Inspektionsarbeiten zwar noch nicht vorgeschrieben, zwingend vorgeschrieben sind jedoch lastverteilende Beläge. Und obwohl diese Beläge vorhanden waren, verließ der Mann diese in leichtsinniger Weise und es kam fast zwangsläufig zum Durchsturz.

Dieser Unfall zeigt einmal mehr, dass das Begehen dieser Dächer ein extrem hohes

SCP

Der Unternehmer hatte darüber hinaus weder die vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung noch eine konkrete Unterweisung seiner Beschäftigten durchgeführt.

Zimmermann tödlich verletzt

Ohne Schutznetz gearbeitet ... Bei einer Scheune sollten Dachumdeckungsarbeiten durchgeführt werden. Dazu sollte die alte Eindeckung entfernt, alte und marode Sparren und Koppelpfetten ausgetauscht und anschließend eine Neueindeckung des Daches vorgenommen werden. Beim Verlegen der neuen Dachplatten kam es zu einem schweren Unfall. Man hatte lastverteilende Beläge über die zum Teil ausgetauschten Koppelpfetten gelegt und von dort aus bereits die ersten Platten verlegt. Als ein Mitarbeiter seinen beiden Kollegen eine Platte hochreichte, trat einer der beiden Männer auf eine Koppelpfette. Diese zerbrach unter seinem Gewicht und der Beschäftigte stürzte zirka sieben Meter tief mit dem Kopf auf den Betonboden. Trotz sofortiger Einlieferung mit dem Rettungshubschrauber in das Krankenhaus starb der Mann noch am gleichen Tag an seinen schweren Verletzungen.

Offensichtlich hatte man eine angefaulte Koppelpfette übersehen. Bei diesen Arbeiten hätte in jedem Fall ein Schutznetz eingesetzt werden müssen. Dieses hätte ohne Zweifel schlimmere Unfallfolgen verhindert. Leider hatte auch in diesem Fall der verantwortliche Unternehmer die gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung nicht durchgeführt SCP

Mit dem Einsatz von Schutznetzen wäre es nicht zu diesem Unfall gekommen.

[ Literatur und Film ]

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CD zur Sicherheit

Altbau-Modernisierung kompakt

einbruchhemmende maßnahmen nach allen regeln der Baukunst

Die 100 wichtigsten Lösungen

Wer frühzeitig sicherheitstechnische Überlegungen in seine Bauplanung einbezieht, erspart sich hohe Nachrüstungskosten und erzielt auch unter gestalterischen Aspekten meist die besseren Ergebnisse. Das Angebot technischer Sicherungen ist ebenso vielfältig und umfangreich wie das Regelwerk, das es bei der Planung und Realisierung zu beachten gilt. Die neue CD „Technische Prävention beim Planen und Bauen – Einbruchhemmende Gebäudeausstattung“ enthält alle relevanten DIN-Normen und VdS-Richtlinien sowie weitere technische Regeln. In anwenderfreundlicher Form werden insgesamt mehr als 90 technische Regeln bereit gestellt. Außerdem hilft die CD bei der Auswahl zertifizierter Produkte

Immer häufiger haben es Bauunternehmen mit der Sanierung und Modernisierung alter Bauten zu tun. Das Nachschlagewerk „Altbau-Modernisierung kompakt“ bietet über 100 Detaillösungen für die wichtigsten Modernisierungsaufgaben beim Bauen im Bestand. Technische Prävention beim Planen und Bauen, Einbruchhemmende Gebäudeausstattung DIN-Normen und Richtlinien, Herausgeber: DIN Deutsches Institut für Normung e.V., Beuth Verlag GmbH: eine CD, Ausgabe 2006. Einzelplatzversion 248,00 EUR ISBN 978-3-410-15965-0 Netzwerkversion 868,00 EUR Bestell-Nr. 15965-001, Beuth Verlag, www.beuth.de

Neuerscheinung

mit dem Nordwandprinzip das ungewisse managen Wir leben in einer Zeit des Umbruchs. Sowohl für Unternehmen als auch für einzelne Menschen gestaltet sich der Weg in die Zukunft als Expedition ins Ungewisse, auf welcher vorgefasste Pläne und das Kopieren fremder Erfolgsrezepte versagen. Wie können nun Unternehmen und Menschen erfolgreich in die Zukunft gehen? Wie können Risiken in Chancen verwandelt werden? Und wie kann man auf unbekanntem Terrain Orientierung finden? In seinem Buch „Mit dem Nordwandprinzip das Ungewisse managen“ zeigt Rainer Petek sieben zentrale Prinzipien zur Bewältigung von Ungewissheit auf. Dabei verknüpft er zwei Erfahrungswelten: das Extrembergsteigen und zahlreiche Projekte aus seiner internationalen Management-Beratung. Mit packenden Schilderungen von senkrechten Felswänden und anschaulichen Praxisbeispielen aus großen und kleinen Unternehmen vermittelt der Autor ein neues Denken für das Manage-

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Jede Einzelheit ist auf einer Doppelseite dargestellt, jeweils mit einer Detailzeichnung und textlichen Erläuterungen. Übersichtliche Tabellen mit Angaben zu Kosten, begleitenden Maßnahmen, Lebensdauer, Einbauzeiten sowie Vor- und Nachteilen der jeweiligen Lösung runden die Darstellung ab. Der Katalog unterstützt Bauunternehmer, Bauleiter und -ausführende bei der Planung, einer ersten Kostenschätzung, der Zusammenstellung der Ausschreibungsunterlagen sowie bei der Bauleitung und Abnahme. Im handlichen DIN A6 Format ist das Nachschlagewerk auch zur Mitnahme auf die Baustelle oder zur Besichtungung von Altimmobilien geeignet.

ment, von welchem sowohl Einzelne als auch ganze Unternehmen profitieren können. Rainer Petek, „Mit dem Nordwandprinzip das Ungewisse managen“, 24,90 Euro, ISBN 13978-3-7093-0129-6, 220 Seiten, Hardcover, Linde-Verlag

Dipl.-Ing. Jörg Böhning: Altbau-Modernisierung kompakt. Die 100 wichtigsten Konstruktionen und Anschlüsse für das Bauen im Bestand, 2007, 340 Seiten mit 147 Abbildungen, 39,00 Euro, ISBN 978-3-481-02424-6, Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, www.rudolf-mueller.de



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[ Verkehrssicherheit ]

Fahren bei Dunkelheit

Sehen und gesehen werden

Knapp ein Drittel der Unfälle passieren in der Dunkelheit. Und diese Unfälle enden häufig tödlich. Im Herbst und Winter, wenn das Wetter schlechter und die Tage immer kürzer werden, sollte die Beleuchtung am Auto überprüft werden.

Fast ein Drittel aller Autos, Lastwagen und Motorräder gefährden den Straßenverkehr, weil sie die Straße schlecht ausleuchten, schlecht zu sehen sind oder andere Verkehrsteilnehmer blenden. Durch regelmäßige Kontrollen der Beleuchtungsanlage lässt sich dies vermeiden. Der Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK) empfiehlt, die Lichtanlage am Auto vor der dunklen Jahrezeit überprüfen zu lassen. Ist alles in Ordnung, wird dies mit einer Lichttest-Plakette auf der Windschutzscheibe honoriert. Bei jeder Fahrt sollte der Fahrer darüber hinaus darauf achten, ob seine Leuchtweitenregulierung richtig eingestellt ist. Wird das Auto im Heck stark beladen, muss die Leuchtweite herunter geregelt werden. Andernfalls wird der Gegenverkehr geblendet. Ebenso muss die Leuchtweitenregulierung

nach dem Entladen aber wieder auf neutral gestellt werden, da sonst der Lichtkegel zu klein ist. Scheinwerfer sauber halten Mit zunehmendem Schmuddelwetter und aufgewirbeltem Dreck wird es immer wichtiger, die Scheinwerfer zu reinigen. Denn nach einer Untersuchung der TH Darmstadt sind schon nach einer halben Stunde Fahrt auf feuchtschmutziger Straße die Scheinwerfer um mehr als 60 Prozent verschmutzt. Dadurch reduziert sich die Sichtweite des Autofahrers um etwa 35 Meter: eine Strecke, die im Ernstfall über Leben und Tod entscheiden kann. Lichtgestalten leben länger Fußgänger und Zweiradfahrer sind in der Dunkelheit besonders stark gefährdet, denn

sie werden schnell übersehen, vor allem wenn sie dunkel gekleidet sind. So sind Personen mit dunkler Kleidung bei Abblendlicht erst ab einer Entfernung von 30 Metern zu sehen. Mit heller Kleidung schon ab 90 Metern, erläutert Marion Pieper-Nagel vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Noch besser sind reflektierende Bänder, die sich an Arm, Bein oder Brust anbringen lassen. Denn mit diesen auffälligen Hilfsmitteln erhöht sich die Sichtbarkeit bei Abblendlicht auf rund 150 Meter. Für Radfahrer sollte eine funktionierende Lichtanlage eine Selbstverständlichkeit sein. Dagmar Sobull

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