Arbeiten nach 65 Schluss mit der Altersguillotine Phenomden Wurzeln suchen in Jamaika

December 12, 2017 | Author: Lieselotte Holst | Category: N/A
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Magazin der EB Zürich Kantonale Berufsschule für Weiterbildung Nr. 33 – Frühling 2012

Arbeiten nach 65 Schluss mit der Altersguillotine Phenomden Wurzeln suchen in Jamaika

EDITORIAL

VOM ALTER UND VOM ALTERN

EB KURS Nr. 33 – Frühling 2012 Magazin der EB Zürich, Kantonale Berufsschule für Weiterbildung Zürich, Riesbachstrasse 11, 8090 Zürich TELEFON 0842 843 844 FAX 044 385 83 29 INTERNET www.eb-zuerich.ch E-MAIL [email protected] HERAUSGEBER Serge Schwarzenbach (für die Geschäftsleitung) REDAKTION Christian Kaiser, Fritz Keller (silbensilber, Zürich) GESTALTUNG Giorgio Chiappa MITARBEIT Felix Aeppli, Regula Brunner, Kati Dietlicher, Jürg Fischer, Markus Ganz, Ute Ruf, Rita Torcasso FOTOS Sarah Keller, Miriam Künzli, Reto Schlatter, Iris Stutz ILLUSTRATIONEN Sämi Jordi, Cornelia Gann DRUCK Ringier Adligenswil AG TITELBILD Miriam Künzli

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EB Kurs Nr. 33 – Frühling 2012

Prinz Charles wird am 14. November 64 Jahre alt und er durfte nie «arbeiten». Seine Mutter Königin Elisabeth ll (im April 86 Jahre alt) will sich noch immer nicht «pensionieren» lassen. Sophia Loren trat als 70-Jährige hüllenlos im Pirelli-Kalender auf und Fränzi Aufdenblatten ist mit 31 die Seniorin im Ski-Frauenteam. Simon Ammann gewann mit 22 Jahren zweimal olympisches Gold, und Bill Gates gab seinen Posten als CEO von Microsoft mit 45 Jahren ab, während Mao Zedong bis 83 als Vorsitzender der kommunistischen Partei Chinas agierte. Agnes Heller kämpft mit 82 gegen die rechtsnationale Regierung Ungarns, Gianna Nannini wird mit 56 noch Mutter, und Martina Hingis trat mit 22 Jahren zurück. Der bisher jüngste Nobel-Preisträger war mit 25 Jahren William Lawrence Bragg (Physik), die Schriftstellerin Doris Lessing erhielt den Literaturnobelpreis 2007 als 88-Jährige, und viermal wurden bisher Vater und Sohn mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Julia Bonk wurde mit 18 die jüngste Landtagsabgeordnete Deutschlands, und Hillary Clinton kandidierte mit 61 für die Nominierung ihrer Partei zur Präsidentenwahl. Warum werden bei uns Frauen mit exakt 64 und Männer mit exakt 65 Jahren pensioniert? Alternativen sind gefragt. Lesen Sie dazu unseren Artikel ab Seite 8. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre. Serge Schwarzenbach Herausgeber

INHALT

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5 PORTRÄT Die Arbeit im Griff haben: «Ich weiss jetzt, was ich gerne mache und wo meine Stärken liegen», sagt Christine Matthey.

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6 KURSFENSTER Die Story zum Film: Das Handwerk des Drehbuchschreibens kann gelernt werden. 8 ARBEIT IM ALTER Mehr Flexibilität: «Seniorinnen und Senioren, die weiterarbeiten wollen, sollen dies auch tun können», sagt der Altersforscher François Höpflinger.

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18 PERSÖNLICH Lebenslinie: Hanna Züllig ist als Künstlerin und Gestalterin immer auf der Suche nach interessanten Strukturen. 24 IM GESPRÄCH Zurück zu den Wurzeln: «Der JamaikaAufenthalt hat meine musikalische Herangehensweise verändert», sagt Mundart-Reggae-Sänger Phenomden.

KURZSTOFFE 4 15 16 17 22 23 27 28 29 30 31

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Gesehen, gehört WeiterBILDung Rätsel «Wortquadrat» Kolumne Event Auskunft Seinerzeit Tagesthema Tipps und Tricks Kultur Agenda So finden Sie uns

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EB Kurs Nr. 33 – Frühling 2012

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GESEHEN, GEHÖRT

BEGEGNUNG MIT BERGLERN Bergwand. Emil Zopfi, Schriftsteller und pensionierter Kursleiter der EB Zürich, hat zum fünften Mal die Bergfahrt organisiert, ein Festival für alpine Literatur. Das «Zugpferd» in diesem Jahr dürfte der österreichische Höhenbergsteiger Kurt Diemberger sein. Auf sein Konto gehen die Erstbesteigungen von zwei Achttausendern im Himalaya: Broad Peak und Dhaulagiri. Der Filmemacher, Fotograf und Autor wird zur Bergfahrt sein neustes Buch vorstellen – er feiert 2012 seinen 80. Geburtstag! Gespannt sein darf man auch auf «Sez Ner», ein Theaterstück über das Leben auf einer Alp nach dem Roman von Arno Camenisch. Samstag, 21. April 2012, Gemeindesaal Amden SG. http://bergliteratur.ch/bergfahrt2012

lErnEn ohnE GrEnzEn Perspektiven der Weiterbildung Jacqueline Fehr, Paola Ghillani, lucien Criblez, Gunter Dueck, nadine Gembler, Bänz Friedli

Bildungszentrum für Erwachsene BiZE-Report 5 Februar 2012

BLICK ÜBER DEN TELLERRAND Kein Eiland. Am 4. November 2011 fand im Bildungszentrum für Erwachsene BiZE zum vierten Mal das Schweizerische Forum für Erwachsenenbildung SFE statt. Jacqueline Fehr, Paola Ghillani, Lucien Criblez, Gunter Dueck, Nadine Gembler und Bänz Friedli sprachen zum Thema «Lernen ohne Grenzen». Die frühere Chefin der Max-Havelaar-Stiftung, Paola Ghillani, erinnerte daran, dass schon eine kleine Gruppe von bewussten und engagierten Menschen die Welt verändern kann. Und die Nationalrätin Jacqueline Fehr verglich die Politik mit einem LernLabor. Alle Beiträge sind in einer Broschüre zusammengefasst, die bei der Administration der EB Zürich bezogen werden kann ([email protected], Vermerk «SFE-Broschüre»).

AM STAND STEHEN BLEIBEN Stillstand. Dort, wo täglich 300 000 Pendler und Pendlerinnen unterwegs sind, laden demnächst Stände dazu ein, innezuhalten und sich Gedanken über die berufliche Zukunft zu machen: Im Zürcher Hauptbahnhof findet vom 21. bis 23. März 2012 die 12. Bildungsmesse statt. Das Motto: «Weiterkommen im HB Zürich». Manchmal muss man eben kurz stehen bleiben, um weiterzukommen. Zum Beispiel am Stand der EB Zürich, die diesmal zusammen mit den 19 anderen Berufsfachschulen des Kantons ausstellt. Im Vorfeld werden auch die Resultate einer Bildungsstudie bekannt gegeben. Das überraschendste Resultat vorweg: Das wichtigste Kriterium bei der Auswahl einer Bildungsinstitution ist der Standort! www.schoolexpo.ch 4

EB Kurs Nr. 33 – Frühling 2012

DAUMEN HOCH Neuland. EB Zürich goes Facebook. Soziale Netzwerke machen es möglich: Auf der Suche nach einem Kurs, der genau ihren Ansprüchen entspricht, blättern viele nicht mehr in dicken Katalogen. Sie loggen sich vielmehr in Facebook ein und fragen dort ihre Freunde um Rat. So sammeln sie Informationen und wissen bald, wer was, wo, wann und zu welchem Preis anbietet. Seit einiger Zeit ist auch die EB Zürich in Facebook präsent. So können sich potenzielle Kundinnen und Kunden schnell ein Bild machen über das Angebot an Kursen und Bildungsgängen und wissen auch über Veranstaltungen Bescheid und vor allem: Sie wissen, wen sie dort von ihren Freunden antreffen werden. www.facebook.com/EBZuerich

PORTRÄT

Was ist zu tun, wie ist es zu tun? Vorausschauen bei der Arbeit. Christine Matthey hat einen gut gefüllten Bildungsrucksack. Um ihre Arbeit bei der Kulturstiftung Pro Helvetia noch besser erledigen zu können, besuchte sie an der EB Zürich den Bildungsgang «Projektmanagement». Ausgerüstet mit neuem Wissen schaut sie gelassen in die Zukunft. AUFGEZEICHNET Fritz Keller BILD Sarah Keller

«Fünf Sprachen sprechen, zwei universitäre Abschlüsse vorweisen können und dann keine Arbeit finden, das machte mir schon ein wenig Angst. Ich habe an der Universität Genf Geschichte, Spanisch und Kunstgeschichte studiert und einen Master in europäischen Studien angehängt. Aber der Übergang vom Studium in den Beruf erwies sich als eher schwierig. Als ich von der Schweizerischen Kulturstiftung Pro Helvetia das Angebot für ein Praktikum bekam, sagte ich zu, obwohl ich schon zwei Praktika hinter mir hatte und natürlich lieber eine richtige Stelle bekommen hätte. Nach dem Praktikum stieg ich 2010 im Projekt «Game Culture» (www.gameculture.ch) als Projektassistentin ein. Mit diesem Programm greift Pro Helvetia die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ästhetischen Fragen rund um Computerspiele auf und beleuchtet sie als neue Kunstform. Oft im Vordergrund steht in der öffentlichen Diskussion ja die Gewalt in Video

Games. Wir versuchen zu zeigen, welches künstlerische Potenzial sich in diesen visuellen Werken zeigt. Ich erledige in diesem Projekt viele verschiedene Aufgaben. Da wir ein kleines Team sind – drei Personen – hatte ich von Anfang an die Chance, auch bei inhaltlichen Fragen immer mitreden zu dürfen. Ich spürte aber, dass mir zum Ausüben meiner verschiedenen Tätigkeiten einiges an handwerklichem Wissen fehlte. Der Bildungsgang «Projektmanagement» an der EB Zürich kam meinen Bedürfnissen sehr gelegen: Er war nicht zu lang, er war nicht zu kurz. Wir waren eine aktive Gruppe, das war spannend. Persönlich gefallen haben mir vor allem jene Module, in denen es ums «Menschliche» ging: Kommunikation, Change Management. Profitieren kann ich aber auch von meinen neu erworbenen Kenntnissen in Sachen Projektmanagement-Software. Nach anderthalb Jahren und teilweise auf Grund dieser Ausbildung wurde mein Status geändert: Ich bin nicht mehr Projektassistentin, sondern Koordinatorin. Wie meine berufliche Zukunft aussieht, weiss ich nicht genau. Ende 2012 läuft das Projekt bei Pro Helvetia aus. Dann muss ich mir eine neue Stelle suchen. Aber ich bin nun viel gelassener als noch vor drei Jahren. Ich weiss jetzt, was ich gerne mache und wo meine Stärken liegen: systematisch denken und antizipieren. Und ich habe einen breiten Horizont. Ob ich weiter im Kulturbereich tätig sein werde oder ob es mehr in Richtung internationale Beziehungen geht, wer weiss? Projektmanagement ist ja so vielfältig!» EB Kurs Nr. 33 – Frühling 2012

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KURSFENSTER

Die Königsdisziplin beim Filmemachen Kino im Kopf. Das Geheimnis jedes guten Films ist ein gutes Drehbuch. Aber wie wird aus der Geschichte im Kopf eine Filmvorlage? In ihrem Kurs vermittelt die Filmemacherin Anna-Lydia Florin die Grundlagen des Drehbuchschreibens: Das wichtigste Rezept heisst «show – don’t tell»: zeigen, nicht erzählen. TEXT Kati Dietlicher BILD Philipp Baer

Catarina Zweidler lernt jetzt klettern. Sie tut dies einzig, um sich in den Protagonisten ihrer Filmgeschichte einzufühlen. Er ist ein junger Kletterer, den sie im Lauf der Arbeit im Drehbuchkurs gefunden beziehungsweise erfunden hat. «Ich bin ein totaler Filmfan», schwärmt die studierte Ethnologin, die als Sprachlehrerin tätig ist. «Oft gehe ich ins Kino, und ich besuche gern Filmfestivals.» Die ersten Drehbuch-Schreibversuche hat Catarina Zweidler als Jugendliche gemacht, zusammen mit Freunden träumte sie den Traum vom grossen Kino. Aus dem Projekt ist dann nichts geworden. Den Traum, ein eigenes Drehbuch verfilmt zu sehen, den träumt sie aber noch immer. Für Filmfreaks. Nicht alle Kursteilnehmenden sind mit denselben Ambitionen unterwegs. Und es haben auch nicht alle die gleichen Vorkenntnisse über das Medium Film oder gleich viel Erfahrung im Schreiben. Franziska Brühlmann erzählt fürs Leben gern Geschichten, tut sich aber schwer mit dem Schreiben von Prosa. Nun möchte 6

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die Sachbearbeiterin herausfinden, ob ihr das Drehbuchschreiben liegt. Und der achtzigjährige Charly Schluchter, gestandener Theatermann und Fotograf, möchte aus einer eigenen Erzählung ein Drehbuch machen. «Fransen» heisst seine Geschichte. Sie erzählt von der betagten Rosalie Stäubli, die sich sehnsüchtig an ihre grosse Liebe erinnert. Alfred ist bereits im Himmel – und da will Rosalie auch hin. So unterschiedlich die Voraussetzungen der Teilnehmenden auch sind, allen gemeinsam ist die Leidenschaft für den Film. «Das sind alles Filmfreaks», sagt Anna-Lydia Florin lächelnd – und es kann keinen Zweifel geben, dass die Kursleitende und die Teilnehmenden in dieser Hinsicht geistesverwandt sind. Anna-Lydia Florin ist im Prättigau aufgewachsen. Nach der Matura hat sie an der Uni mit Germanistik, Film- und Theaterwissenschaften experimentiert. In der Filmklasse an der Zürcher Hochschule der Künste hat sie schliesslich ihren Beruf gefunden. Für ihren Diplomfilm «Aufhellungen im Laufe des Tages» (2001) er-

KURSFENSTER

hielt sie eine Auszeichnung vom Bundesamt für Kultur. Inzwischen hat die Filmemacherin mehrere Dokumentarfilme und einen Kinofilm realisiert: «Lüber in der Luft» (2007) ist ein Porträt über den Performancekünstler Heinrich Lüber. Figuren und Formatierungen. Neben ihren eigenen Projekten und ihrer Tätigkeit an der EB Zürich unterrichtet Anna-Lydia Florin auch an der Hochschule der Künste in Bern. Das Medium Film sei eine komplexe Angelegenheit, erklärt sie, ein Zusammenwirken von Ton, Text, Bild, Musik, Rhythmus. Die Zusammenarbeit mit Spezialisten aus den verschiedenen Bereichen empfindet sie als besonders spannend. Doch die Königsdisziplin beim Filmemachen sei definitiv das Drehbuchschreiben: «Man kann die beste Crew der Welt haben, wenn das Drehbuch schlecht ist, lässt sich ein Film nicht retten.» Was aber macht ein gutes Drehbuch aus? An sieben Abenden vermittelt Anna-Lydia Florin ihren Lernenden die Grundlagen der Kunst des Drehbuchschreibens. Anhand

von konkreten Filmbeispielen erfahren sie etwas über den klassischen Aufbau einer Geschichte, über fiktionale Erzählformen und filmische Erzählmittel. Beim Entwickeln eigener Figuren lernen sie, was es braucht, damit eine Figur lebendig und glaubhaft wird. Sie beschäftigen sich mit dem Dialog im Film und versuchen eigene Dialoge zu schreiben. Wie entsteht Spannung? Was bringt eine Handlung voran? Wichtig sind aber auch die eher technischen Aspekte des Drehbuchschreibens: Da gibt es ganz klare sogenannte «Formatierungsregeln». Ein Drehbuch ist kein Roman, sondern eine Arbeitsvorlage für diejenigen, welche die Geschichte filmisch umsetzen – eine geradezu nüchterne Handlungsanweisung eigentlich, gemessen am Zauber, den ein gelungenes Werk im dunklen Kinosaal zu verbreiten vermag. Keine Forellen. «Show – don’t tell!», lautet die Devise. «Um das hinzukriegen, muss mein Hirni anders denken», stellt Charly Schluchter fest und nimmt die Herausforderung gern an. Er liest seinen Dreh-

buchentwurf in der Gruppe vor und stellt ihn zur Diskussion. Funktionieren die Rückblenden? Wann sollen die Zuschauer erfahren, dass Rosalie stirbt? Ist die Spannung weg, wenn das gleich zu Beginn klar ist, weil ihr leeres Zimmer im Pflegeheim gezeigt wird? Warum darf der Drehbuchautor nicht bestimmen, mit welcher Musik eine Szene unterlegt wird? «Ich möchte hier das Forellenquintett», sagt Charly Schluchter. «Vergiss es», entgegnet die Kursleiterin, «über die Wahl der Musik entscheiden andere.» Die Diskussion ist angeregt. Das ist wichtig: «Im Dialog bringen sich die Leute gegenseitig voran», sagt Anna-Lydia Florin. Aber natürlich ist es nicht möglich, im Rahmen dieses Grundlagenkurses ein Drehbuch fertig zu stellen. Deshalb ist ein weiterführendes Drehbuch-Atelier in Planung. Das freut die Filmerin: «Ich empfinde es als Privileg, in die Phantasien anderer Menschen hineinschauen zu dürfen. Das ist sehr inspirierend. Ich gehe nach dem Kurs jeweils ganz beschwingt nach Hause.» EB Kurs Nr. 33 – Frühling 2012

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UNRUHESTAND

Alt, innovativ und leistungsfähig Aktiv bleiben. Immer mehr Menschen möchten nach der Pensionierung weiterhin erwerbstätig sein. Doch die Angebote von Firmen sind spärlich. Die Initiative wird weitgehend den Pensionierten überlassen. Erfahrungsberichte zeigen, was möglich ist. TEXT Rita Torcasso BILDER Reto Schlatter

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UNRUHESTAND

Jürg Bach, 69, Sekundarlehrer

Pensionierung mit 65: Vorher Vollpensum als Sekundarlehrer und Stadtrat in Adliswil. Nach der Pensionierung: Kurz im Ruhestand, dann Stellvertretungen bis hin zu einem vollen Pensum. Heutiges Arbeitspensum: 70 Prozent. Lohn: Derselbe Lohn wie an der letzten Stelle. Planung: 2012 schliesst die jetzige Klasse ab; er möchte noch ein Jahr, allenfalls auch länger, unterrichten. Motivation: «Ich wollte wieder etwas leisten und Wertschätzung spüren.»

«Es ist noch ein Lebensinhalt», sagt der Lehrer Jürg Bach. Der 69-Jährige unterrichtet eine dritte Sekundarklasse. «Von einem Tag auf den andern von einem vollen Pensum auf Null runterzufahren, war schwierig», sagt er. Und fügt an, dass er auf jeden Fall nochmals eine Beschäftigung gesucht hätte. Dann wurde er von der Schulgemeinde Oberrieden für eine Vertretung angefragt und übernahm schliesslich das volle Pensum des erkrankten Kollegen. «Es gibt ein gutes Gefühl, durch Arbeit etwas Sinnvolles beitragen zu können», betont er. Und wichtig: «Ich nehme keinem Junglehrer die Stelle weg.» Allein im Kanton Zürich sind heute wieder 30 pensionierte Lehrerinnen und Lehrer tätig. Das Volksschulamt fordert als Massnahme gegen den Lehrermangel die Schulbehörden auf, pensionierte Fachkräfte bis 70 zur Rückkehr zu motivieren. Er habe bis jetzt eigentlich vor allem positive Rückmeldungen erhalten, sagt Jürg Bach. «Ich un-

terrichte gerne und habe mit den Schülern noch Spass.» Einzig das Turnen habe er gerne abgegeben. Es braucht mehr Flexibilität. Laut der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung sind 15 Prozent der Männer und 7 Prozent der Frauen ab 65 noch erwerbstätig. Weitaus am häufigsten arbeiten sie als Selbstständigerwerbende. Angestellte haben selten die Möglichkeit, ihre Arbeit flexibel zu reduzieren und auch über das Pensionsalter hinaus weiter zu arbeiten. Als Angestellte waren sie laut einer Umfrage bei 800 Firmen am häufigsten mit Hilfsarbeiten und befristeten Projekten beschäftigt. Jürg Weidmann ist ein typisches Beispiel dafür, wie viel Potenzial dadurch verloren geht. Der ehemalige Bereichsleiter liess sich mit 63 früh pensionieren. In einer Führungsfunktion mit zusätzlichen Aufgaben als Geschäftsleitungsmitglied sei man voll gefordert,

sagt er. Er wollte mehr Zeit für die Familie mit den drei Enkelkindern und für Renovierungsarbeiten im Ferienhaus in Spanien haben. «Ich habe mich auf die Pensionierung gefreut, doch nach einem halben Jahr merkte ich, dass mir der Kick fehlt und ich wieder eine Herausforderung brauche», erzählt er. Und fügt bei: «Man unterschätzt auch die Situation, als Paar plötzlich den Tag über mehrheitlich zusammen zu sein.» Er suchte gezielt ein Mandat mit seinen früheren beruflichen Schwerpunkten Marketing und Verkauf. Zufällig hörte er von der Stellenvermittlung Emeritus-Work für Pensionierte. «Es war spannend, mich wieder einem richtigen Bewerbungsprozedere zu stellen.» Rasch erhielt er ein Angebot der Liftbett Swiss AG, einer Startup-Firma für Pflegebetten. «Ich schätze es sehr, völlig selbstständig mit einem Teilpensum noch etwas leisten zu können», betont Weidmann.

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UNRUHESTAND

Emeritus-Work wurde 2010 von zwei Dreissigjährigen gegründet. Einer davon war Fabio Babey. Er betont, dass es eine normale Stellenvermittlung sei, doch ausschliesslich für Pensionierte. Seit der Gründung meldeten sich 170 Stellensuchende. «Mehrheitlich suchen sie eine Stelle, weil sie ihre Erfahrungen für Neues einsetzen möchten, einige sagen aber auch, dass sie froh um einen finanziellen Zustupf seien.» Seit Anfang 2011 konnte Emeritus-Work nur gerade fünf Personen vermitteln, auch weil geeignete Angebote fehlten. Viele Interessierte, wenige Angebote. Im Internet bieten Hunderte von Seniorinnen und Senioren auf Stellenbörsen Dienstleistungen aller Art an – nicht selten zu Dumpingpreisen. Dazu kommen Netzwerke mit pensionierten Kaderleuten, die ihre Kompetenzen einsetzen möchten. Doch in den Betrieben ist eine Weiterbeschäf-

tigung nach der Pensionierung noch selten. Zwar hat sich die Quote der Erwerbstätigen im Pensionsalter seit 2005 um einen Viertel auf 10 Prozent erhöht. Auf der andern Seite gehen aber 37 Prozent der Angestellten früher in Pension. Laut Prognosen des Bundesamtes für Statistik werden 2030 auf einen Rentner noch 2,3 Personen kommen, die erwerbstätig sind. Günter Pfeiffer, ehemaliger Personalchef bei der Swisscom, gründete das «Demographie Forum Schweiz», das Unternehmen für diese Entwicklung sensibilisieren soll. Die Möglichkeiten für eine schrittweise Teilpensionierung und die Förderung älterer Mitarbeitenden habe zugenommen, sagt er. «Doch für die Weiterarbeit nach 65 bestehen kaum Konzepte.» Einen Grund sieht Pfeiffer in den unflexiblen Versicherungsregelungen (s. Kasten, S. 13). «Es fehlen Anreize – für die Firmen wie auch für die Angestellten.»

Ein Bereich, in dem seit Jahrzehnten Pensionierte arbeiten, ist der Zeitungszustelldienst. Bei der Schweizerischen Post sind 14 Prozent oder 720 der Angestellten im Pensionsalter; die meisten arbeiten bei der zur Post gehörenden Konzerngesellschaft Presto PresseVertriebs AG. Heidi Peier trägt mit 74 an sechs Tagen ab vier Uhr morgens Zeitungen aus. Eineinhalb Stunden dauert ihre Tour. «Warum soll ich aufhören, es tut mir gut», sagt sie und erzählt stolz, dass sie der frühere Chef kürzlich als «beste Zeitungsverträgerin» bezeichnet habe. Vor der Pensionierung arbeitete sie in der Fakturierung einer Versicherung. Mit 62, dem damaligen Rentenalter für Frauen, musste sie gehen. «Ich hätte gerne weiter gemacht», sagt sie. Zeitungen habe sie aber schon ab 50 ausgetragen, während einiger Jahre zusammen mit ihrem Mann. «Wir waren froh um den Zusatzverdienst.» Bezahlt werden ihr pro

Jürg Weidmann, 65, Geschäftsführer

Frühpensionierung mit 63 auf eigenen Wunsch: Vorher Stelle als Bereichsleiter und Geschäftsleitungsmitglied in einer mittelgrossen Firma. Nach der Pensionierung: Nach einem halben Jahr übernimmt er über die Stellenvermittlung Emeritus-Work ein Mandat in der Firma Liftbett Swiss AG, seit einem Jahr als Geschäftsführer. Heutiges Arbeitspensum: 50 Prozent. Honorar: Zirka 30 Prozent weniger als in der letzten Anstellung. Planung: Er möchte die Stelle weiterführen, solange es für ihn stimmt. Motivation: «Die Herausforderung, noch etwas bewegen zu können, fehlte mir.» 10

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UNRUHESTAND

Heidi Peier, 74, Zeitungszustellerin

Pensionierung mit 62: Vorher Arbeit in der Fakturierung einer Bank mit Vollpensum und Nebenjob als Zeitungszustellerin. Nach der Pensionierung: Sie arbeitet weiter im Zeitungszustelldienst. Heutiges Arbeitspensum: 6 Tage von 4.00 bis zirka 5.30 Uhr. Lohn: Gleicher Lohn wie nicht pensionierte Zustellende; sie ist dem GAV der Presto Presse-Vertriebs AG unterstellt. Planung: Sie möchte weiterarbeiten, so lange es gesundheitlich geht. Motivation: «Es tut mir gut, und ich kann das Geld als Aufbesserung meiner Rente brauchen.» Tag 81 Minuten, im Monat kommt sie so mit Ferien und Nachtzuschlag auf zirka 900 Franken. In den letzten Jahren sei der Lohn für dieselbe Tour gesunken. Wofür braucht sie das Geld? «Ich erhalte eine rechte Rente, bin aber trotzdem froh um den Verdienst», sagt sie. Nach dem Tod ihres Mannes habe sie damit Schulden beglichen, seit ein paar Jahren könne sie das Geld für später sparen – für Reisen oder wenn die Miete steigen sollte. Mitbestimmung und Anerkennung. Ein wichtiger Faktor, der mitbestimmt, ob Rentnerinnen und Rentner länger im Erwerbsleben bleiben wollen, ist die Arbeitskultur. «Senioren wollen mehr Mitbestimmung, mehr Partizipation. Sie wollen auch selber profitieren und hätten gerne eine gewisse soziale Anerkennung», sagt der Altersforscher François Höpflinger (s. Interview S. 14). Dieselbe Entwicklung zeigt sich auch bei der

Freiwilligenarbeit. «Spass an der Tätigkeit» und «Mit andern etwas bewegen können» sind heute die Hauptmotive, die Freiwillige für ihr Engagement nennen. Wie dem Freiwilligen-Monitor Schweiz 2010 weiter zu entnehmen ist, stand früher «Helfen wollen» an erster Stelle. Erica Benz-Steffen suchte sich als Pensionierte eine Freiwilligenarbeit, bei der sie ihre Fähigkeiten einbringen und Neues ausprobieren kann. Das Schwierige am Ruhestand sei, dass nach Jahrzehnten

in einem spannenden Beruf das ganze berufliche Umfeld wegfalle, bemerkt sie. «Man ist nicht mehr interessant.» Freiwillig engagiert sie sich nun bei Innovage, einem Netzwerk von Pensionierten, die Nützliches für die Gesellschaft leisten wollen. Erica Benz-Steffen begleitet das «Burghölzli-Projekt», mit dem der WWF die vielfältige Biodiversität rings um die Zürcher Klinik erhalten will. «Ich berate und strukturiere, unterstütze bei der Suche nach Sponsoren, organisiere Events und Medienkontakte usw.» erklärt die engagierte Frau.

WEITERARBEITEN NACH DER PENSIONIERUNG Erwerbsarbeit: Es gibt verschiedene Stellenbörsen für Seniorinnen und Senioren sowie Netzwerke, die Erfahrungswissen vermitteln. Stellenbörsen: www.rentarentner.ch; www.pensiojob.ch; www.rentnerpower.ch; www.arbeitsrentner.ch; www.activas.ch. Stellenvermittlung für qualifizierte Fachleute: www.emeritus-work.ch. Netzwerke von Führungskräften, die besondere Aufgaben übernehmen: z.B. Adlatus (www.adlatus.ch) oder der Verein Senexpert (www.senexpert.ch). Freiwilligenarbeit: Stellenangebote unter www.benevol.ch und www.freiwilligenjob.ch; Netzwerk Innovage: www.innovage.ch.

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UNRUHESTAND

Erica Benz-Steffen, 68, Freiwilligenarbeit bei Innovage

Pensionierung mit 64: Vorher Vollpensum bei Pro Helvetia. Nach der Pensionierung: Zwei Jahre bezahltes Mandat für ein Übersetzungsprojekt in Südosteuropa; nachher Freiwilligenarbeit bei Innovage, einem Netzwerk, das Erfahrungswissen für die Gesellschaft zur Verfügung stellt. Heutiges Arbeitspensum: Zirka 30 Prozent. Planung: Sie will die jetzigen zwei Projekte gut aufgleisen, danach etwas reduzieren. Motivation: «Ich will etwas Sinnvolles tun und mich für die Gesellschaft engagieren.»

Als weiteres Projekt baut sie eigenständig eine Senioren-Gruppe auf, «die sich aktiv mit gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen und sich auch einmischen soll». Dank der Freiwilligenarbeit bei Innovage komme sie mit neuen Themen in Berührung und sei in ein Team mit Menschen aus allen Berufsrichtungen eingebunden, betont Erica Benz-Steffen: «Ich kann etwas Sinnvolles tun und selber davon profitieren.» Es braucht neue Altersbilder. 39 Prozent der Rentnerinnen und Rentner bis 74 leisten Freiwilligenarbeit, doch es existieren immer weniger Möglichkeiten für nicht organisierte helfende Tätigkeiten. Ein Umdenken ist nötig, verbunden mit der Suche nach neuen Möglichkeiten zur Altersarbeit. Ein sozialpolitisch interessantes Pilotprojekt soll noch in diesem Jahr in St. Gallen starten: Fitte Senioren können sich mit der Begleitung, Betreuung und der einfachen Pflege von Betagten 12 EB Kurs Nr. 33 – Frühling 2012

Zeitgutschriften für das eigene Alter erarbeiten; diese werden in einem Zentralregister, einer Art Zeitbank, deponiert. Wird man einmal selber pflegebedürftig, kann man diese Zeitgutschriften «in Zahlung geben». Ganz pragmatisch setzen zwei Jungdesigner aus Zürich auf das Potenzial von 70+. Im Verein Senior Design Factory werden zusammen mit Seniorinnen und Senioren Designprodukte entwickelt, hergestellt und im eigenen Shop verkauft; Seniorinnen bieten Strickkurse an und arbeiten im zur Factory gehörenden Bistro mit. Für ihren Einsatz erhalten sie einen kleinen Lohn. Die Gründer, beide um die 30, betonen, dass sie von der Erfahrung der Senioren profitieren und den Austausch mit ihnen schätzen. Solche Projekte zeigen, dass einiges in Fluss gerät. Was aber fehlt sind übergreifende Konzepte, die

der zunehmenden Alterung der Gesellschaft Rechnung tragen. 2010 waren annähernd 17 Prozent aller Schweizerinnen und Schweizer über 65 Jahre alt. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung weiter an. So entsteht eine neue Generation, deren Arbeitspotenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist und die eben noch lange nicht zum «alten Eisen» gehört.

UNRUHESTAND

Pensionierung planen FINANZPLANUNG Experten empfehlen diese bereits ab 50. AHV- und BVG-Rente kann man bei den Kassen vorausrechnen lassen. So bleibt allenfalls noch Zeit, wenn die Rente nicht ausreicht, fehlende Mittel anzusparen. 3 bis 5 Jahre vor der Pensionierung sollte man entscheiden, ob man das Pensionskassengeld als Rente oder in bar beziehen will (muss nach Reglement vorher angemeldet werden). ZEITPUNKT DER PENSIONIERUNG Den Zeitpunkt frühzeitig festlegen. Wer unfreiwillig vorzeitig in den Ruhestand gehen muss, kann sich beim RAV anmelden. Beim Wunsch nach einer Frühpensionierung lohnt sich eine Beratung über das Vorgehen. AUFSCHUB RENTENBEZUG Wer den Bezug der AHVRente bis max. 70 aufschiebt, kann einen Rentenzuschlag von max. 31,5 Prozent des erzielten Einkommens erarbeiten. Der Aufschub muss innerhalb eines Jahres nach der Pensionierung angemeldet werden. Für einen Aufschub der BVG-Rente gibt es keine staatliche Regelung, die Vorsorgeeinrichtungen entscheiden. Doch mit 65/64 besteht ein gesetzlich geregelter Anspruch, sich mindestens einen Viertel des obligatorischen BVG-Guthabens auszahlen zu lassen.

RENTENBEZUG MIT WEITERARBEIT Bis zu einem Einkommen von 16 800 Franken im Jahr müssen keine Versicherungsleistungen bezahlt werden, darüber bezahlt man AHV/IV/EO, ohne die eigene Rente damit aufbessern zu können. BERATUNG/KURSANGEBOTE Regionale Laufbahnund Berufsberatungszentren und Pro Senectute: www.pro-senectute.ch; Service-Seite der Pro Senectute für ältere Arbeitnehmende: www.avantage.ch. Weitere Kursangebote: www.w-a-b.ch. BÜCHER ZUM THEMA Beobachter-Ratgeber: Dieter Hanhart u.a., Fit für die Pensionierung, 2005, und Guntram Rehsche u.a., Richtig vorsorgen, 2006. Demografische Alterung: Klara Obermüller, Ruhestand – nein danke!, Verlag Xanthippe, 2005 Peter Gross, Karin Fagetti, Glücksfall Alter, Herder, 2008

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UNRUHESTAND

«Hinter den Kulissen hat sich einiges verändert» Der Altersforscher François Höpflinger geht davon aus, dass 30 Prozent der Rentnerinnen und Rentner weiterarbeiten möchten. Ein Gespräch über Möglichkeiten und Hindernisse. INTERVIEW Rita Torcasso

Herr Höpflinger, Sie werden nächstes Jahr 65. Arbeiten Sie weiter ? An der Universität muss ich mit 65 gehen. Ich beziehe bereits heute eine Teilrente und baue meine selbstständige Arbeit aus. Dieser fliessende Übergang ermöglicht mir, weiterzuarbeiten. Warum motivieren Betriebe ältere Mitarbeiter kaum, länger als bis 65/64 zu arbeiten? Lücken werden heute in vielen Bereichen von jüngeren Ausländern gefüllt. Das Thema Weiterarbeit für Pensionierte scheuen Arbeitgeber auch, weil sich Arbeitnehmerverbände schwer damit tun, dass diese dann nicht selten in ungeregelten Arbeitsverhältnissen arbeiten; dazu gehört auch Schwarzarbeit. Mit welchen Massnahmen könnte sich das ändern? Eine politische Regelung würde Unsicherheiten beseitigen. Ein wichtiger Schritt wäre die Möglichkeit eines flexiblen Teilrentenmodells statt eines fixen Rentenalters. So könnten Weiterarbeitende bereits vor 65 einen Teil der Rente beziehen, diese dann aber durch Weiterarbeit aufbessern.

Welche Art der Vorbereitung auf die Pensionierung ist wirklich von Nutzen? In den Betrieben geht es heute oft nur um die restlichen Arbeitsjahre bis zur Pensionierung. Doch berufliche Erfahrungen müssten stärker mit ausserberuflichen Aspekten und Perspektiven verbunden werden, um so das Spektrum der Möglichkeiten zu öffnen. Wie wird der Arbeitsmarkt der Zukunft aussehen? Weil das Rentenalter höher angesetzt werden muss, werden sich flexiblere Übergangsmodelle entwickeln. Seniorinnen und Senioren, die weiterarbeiten wollen, sollen dies auch tun können. Aus meiner Sicht müssten die Vorteile einer Weiterarbeit stärker gewichtet werden. Doch heute läuft vor den Kulissen immer noch das alte Stück der Erwerbstätigen, die bis zur Pensionierung voll arbeiten. Doch hinter den Kulissen hat sich einiges verändert; dort läuft bereits ein neues Stück.

Gibt es Arbeitsformen, die sich vor allem für über 65-Jährige eignen? Weil sie ja bereits Rente beziehen, können es auch Mischformen zwischen Erwerbs- und Freiwilligenarbeit sein. Es gibt auch mehr ältere Mitarbeitende, die sich früher pensionieren lassen, um etwas Neues zu beginnen. Ein Wechsel des Aufgabenbereichs könnte aber eigentlich auch betriebsintern ermöglicht werden. Rentnerinnen und Rentner arbeiten nicht selten zu viel tieferen Löhnen. Tragen sie damit nicht dazu bei, dass langfristig die Löhne für bestimmte Dienstleistungen sinken? Lohndumping ist tatsächlich eine Gefahr. Ein weiterer Aspekt ist, dass mehr bezahlte Dienstleistungen die Freiwilligenarbeit verdrängen könnten. Es ist deshalb sehr wichtig, dass genaue Abgrenzungen gemacht werden, zum Beispiel im stark anwachsenden Pflegebereich. Rentnerinnen und Rentner sollen dort nur Aufgaben übernehmen, welche professionelle Pflegefachleute nicht konkurrenzieren. 14

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FRANÇOIS HÖPFLINGER, Jahrgang 1948, ist Professor für Soziologie an der Universität Zürich und selbstständig in der Altersforschung tätig. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und vier Enkelkinder. (www.hoepflinger.com)

WEITERBILDUNG

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WAAGRECHT (I = J = Y) Die überlastete Polizei freut, was vom Hörensagen der Inserateabteilung Sorgen macht 11 Ist rundum das Ergebnis umfassender Reformbemühungen 12 Dieser Wehrmann ist im konstruktiven Fall ein Brückenbauer 13 Wenn sie in Graubünden stimmt, ist ökonomisch schon mal einiges im Trockenen (2 Teile) 15 Sein Schlag kann zu seinem Schluss führen 16 Resultat der Umfriedensbemühung 17 Ein Sender, der ein bisschen Forfait gibt 18 Hierzulande ehedem unkündbare Tätigkeitsform 20 Roulette-Tipp oder -Ergebnis 21 Resultat von Druckversuchen auf Nuss und Olive im Land … 22 … wo dieser beschnittene Hain Departement ist 24 Verweist noch in den grössten Banalitäten auf psychische Abgründe 25 Sind im Steuerparadies zu finden, aber auch im Streichelzoo 26 Wenn die Mutter nicht Courage heisst 27 Gnädig willkommen 28 Vom Bergbach hinterlassen 29 Ihr redensartlicher Rückwärtsgang verläuft eigentlich seitwärts 30 Von von Rohr voll Rohr gefordert 3

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SENKRECHT Professioneller Gesichtsausdruck Mehr oder weniger niveauhaltiger Spielplatz Gemeinsam teilen sich Fussballer und Verteidigungsminister Logenplatz Diese ist eine problemlos akzeptable Form des Patriotismus Ihr Garten gilt vielen als einziges Sündenbabel Ist in der Schweiz mehrfach Dorf und beinahe Fisch Baumriese in Wuchsrichtung Was immer kann, wer noch Potenzial hat Eiszeitzeugin Diese Antwort gibt oft, wer die Antwort nicht weiss (2 Wörter) Wenn es nicht so gemeint war Eine nur vom Hörensagen korrekte Bezeichnung ist Vergangenheitsform von etwas weniger Seligem Schmuck ist es, dies zu sein Was kriecht hier? Ein Kriechtier Bietet niederschwellig Übergangslösung

Schicken Sie das Lösungswort, das sich aus den grauen Feldern ergibt, an [email protected]. Einsendeschluss: 24. März 2012. Die Lösung findet sich ab dem 26. März 2011 auf www.eb-zuerich.ch/blog. Unter den richtigen Einsendungen werden 5 Preise verlost. Erster Preis ist ein Bildungsgutschein der EB Zürich im Wert von 100 Franken. Zweiter bis fünfter Preis ist eine EB-Zürich-Tasche.

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KOLUMNE

«Du musst – wegen Liszt!» Meine Mutter sitzt da vorne am Tisch und beginnt ihren Vortrag. Chic sieht sie aus in ihrem Blazer über dem rosa T-Shirt. Silbrige Löckchen umrahmen ihr Gesicht. Sie liest ohne Brille. Die Biografie von Franz Liszt hat sie aus Büchern zusammengetragen, schön ordentlich mit Bleistift, auf fünfunddreissig A4-Seiten. In der Senioren-Volkshochschule hält meine Mutter jedes Jahr einen Vortrag. Über Goethe, Chopin, Thomas Mann oder die WagnerFamilie, über Mascha Kaléko, Spitzweg und Van Gogh. Einen Beruf hat sie übrigens nicht gelernt. In meiner Jugend hat sie mich recht genervt. Immer diese kulturellen Abfragen! Von wem ist dieses Klavierkonzert, welche Nummer und welche Tonart, und weisst du noch den letzten Satz aus der Ballade «Nis Randers»? Eigentlich hatte ich keine Zeit an jenem Vortragstag, aber meine Mutter rief ins Telefon: «Sag alles ab und komm! Du musst – wegen Liszt!» Ich sollte den CD-Player bedienen. Besonders «Les Préludes» war anspruchsvoll. Ich liess sie leise eine Weile als Hintergrundmusik laufen und drehte genau bei dem Satz voll auf: «Hitler suchte diese Melodie aus für seine grossspurigen Sondermeldungen im Radio.» Die Zuhörer schauderte es. Ja, meine Mutter ist gebildet. 17 Jahre lang hat sie den zu unserem Lebensmittelgrosshandel gehörenden Tante-Emma-Laden betrieben, aber irgendwann war Schluss: «So nicht. Ich will keine Eier mehr verkaufen, ich mag nicht mit den Leuten über Eier reden, auch nicht über ungelegte.»

Auf der Bank musste sie schliesslich lernen, was ein Wechsel ist, bis sie dann in der Immobilienabteilung landete und Häuser verkaufte. Wie kommt es eigentlich, dass sie Brahms und Liszt auseinanderhalten kann, Goethe und Schiller, Monet und Manet? «Pangsionat!» Ja, mit achtzehn war sie ein Jahr lang im Pensionat für «Höhere Töchter» und hat sich dort mit Kunst, Musik und Literatur beschäftigt. Das Pensionat hatte das Interesse gesät, und die Saat ist aufgegangen, und meine Mutter hat sich ihr ganzes Leben lang bei Volkshochschulvorträgen und -reisen weitergebildet, wurde später Mitarbeiterin der Seniorenvolkshochschule und jetzt weiss sie fast alles, was Günther Jauch bei «Wer wird Millionär?» abfragt. Ach übrigens: Sie ist 91.

Ute Ruf schreibt mit Kindern und gibt Kurse, wie man mit Kindern schreiben kann. Seit über einem Jahrzehnt verfasst sie Kolumnen und macht Interviews und Reportagen. Für die Schweizer und die Zürcher Lehrerzeitung hat sie über 200 Glossen geschrieben, die unter dem Titel «Rufnummer» als Buch erschienen sind (Verlag LCH). Sie ist auch Autorin eines Elternratgebers und von SJW-Heften für Kinder. In Ihrer Freizeit tanzt sie «wahnsinnig gern» Jive! Die EB Zürich kennt Ute Ruf gut: 2002 und 2003 hat sie den Bildungsgang «Literarisches Schreiben» besucht.

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PERSÖNLICH

Die Blütenzüchterin Auf der Suche nach dem Muster. Hanna Züllig bezeichnet sich selbst als «hybrid». Sie hatte schon immer zwei Leidenschaften: die Mathematik und die Kunst. Bei beidem faszinieren sie Muster, Ordnungen und Strukturen. Im Programmieren hat die Web-Entwicklerin den Brückenschlag zwischen beiden Welten gefunden. TEXT Christian Kaiser BILD Iris Stutz

Wie eine Feuerwehrkommandantin sieht sie nicht gerade aus. Schnellschüsse und Feuerwehrübungen sind sicher ihre Sache nicht. Sie spricht langsam und überlegt, den Blick in eine unbestimmte Ferne gerichtet, als würde sie die Antworten im Licht suchen, das durch die grossen Bogenfenster fällt. Ihre langen Finger beschreiben dabei kleine Kreise im Raum, so als ob sie die ihr wichtigsten Gedanken darum wickeln müsste, damit sie nicht verloren gehen. Hier spricht eine Philosophin. In einem Büro, das früher eine Feuerwache war, die Fensterbögen waren Ausfahrttore für die Feuerwehrautos. Von aussen erinnert das Gebäude an der Kernstrasse im Kreis 4 mit seinen dicken Sandsteinmauern an eine Trutzburg. Baujahr 1908. Pflanzen-Geometrie. Doch wie in einem KlischeeKünstlerinnen-Atelier sieht es hier nicht aus: spärlich eingerichtet, die weissen Wände leer bis auf ein kleines zusammengesetztes Puzzle aus lauter roten Teilen. Der Bürotisch ist picobello aufgeräumt, ein einsamer Bildschirm thront auf ihm. Immerhin zieht gleich beim Eingang auf dem Büchergestell ein aufgeschlagener Bildband mit grossformatigen Schwarz-WeissFotografien von Karl Blossfeldt die Blicke auf sich. Blossfeldt war sozusagen der Erfinder der MakroPflanzenfotografie. «Mich faszinieren die Geometrie und die Struktur in seinen Bildern», sagt Hanna Züllig. Denn auch sie war und ist immer auf der Suche nach Mustern und Ordnungen – in der Natur, in der Kunst, eigentlich überall. 18

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PERSÖNLICH

Die Türen des Gestells, das sie selbst entworfen hat, sind aus weiss gespritztem Plexiglas, in welches fein ziselierte Pflanzen- und Blütenmuster eingelassen sind, mit einem Laser herausgeschnitten. Das Programm, welches diese Muster erzeugt, hat Hanna Züllig selber geschrieben. Es lässt auf dem Bildschirm immer neue Blütenranken in verschiedenen Farben wachsen, ohne dass zweimal dieselbe Struktur erzeugt würde. Generative Gestaltung nennt sich das. Eine virtuelle Architektin. Die Leidenschaft fürs Programmieren hat sie als Künstlerin entdeckt, während sie dabei war, ihre installativen Arbeiten am Computer zu materialisieren: etwa, um die Abstände zwischen den Buchstaben im Wort «Löcher» in einen Ausstellungsraum zu stellen. Oder um den Lichteinfall durch die Fenster im Helmhaus aus Styropor nachzubilden – dafür hat sie Berechnungen mit verschiedenen Sonnenständen angestellt. «Das ist das Spannende am Programmieren: Man muss das zugrunde liegende Muster erkennen; wo repetiert es sich, wo ist es deckungsgleich, wo unterschiedlich?» Den Kristallisationspunkt ihrer Arbeit bilden das Digitale und der Raum. Früher veränderte sie als Künstlerin reale Räume mit digitalen Werkzeugen,

heute erzeugt sie mit ihrer Firma internauta by Hanna Züllig in digitalen Welten neue Räume. «Websites sind zwar zweidimensional, aber durch die Interaktion bekommen sie eine dritte Dimension.» Und diese virtuelle Architekturen zu entwerfen, durch die der User wandert – das reizt sie an ihrem Job. Flut und Ebbe. Eben erst hat sie mit museums.ch eine Plattform der Schweizer Museen ins Netz gestellt, sozusagen einen digitalen Raum für reale (Museums-) Räume. Den Einstieg in die Web-Entwicklung hat sie 1999 bis 2000 durch die Ausbildung zur Web-Publisherin an der EB Zürich gefunden. Jetzt unterrichtet sie selbst im Bildungsgang «Web-Publisher». Auf ihrer eigenen Webseite zitiert sie das chinesische Weisheitsbuch Tao Te King: «Ebbe und Flut der Dinge akzeptieren, sie nähren, aber nicht besitzen.» Es liege eine Schönheit in dieser Haltung, sagt sie. «Mathematik ist Intuition.» Am Wochenende fährt sie nach Paris, um sich eine Ausstellung über «Mathematik und Intuition» anzusehen und gerät ins Schwärmen. Es gebe da eine interessante Verwandtschaft zwischen den Naturwissenschaften und der Kunst: «Der Moment, in welchem man ein Muster sieht, einem die Möglichkeit bewusst wird, ein System, eine

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PERSÖNLICH

Ordnung zu erfassen, und man beginnt, Regeln zu formulieren.» In ihrem Leben seien immer beide Linien präsent gewesen: Man hatte ihr empfohlen, Mathe oder Physik zu studieren, stattdessen hat sie sich aber für die Hochschule für Kunst und Gestaltung entschieden. Den ersten «Brotberuf» als Zeichenlehrerin hat sie aber alles andere als geliebt. Auch ihr Leben als freischaffende Künstlerin sieht sie im Nachhinein «gar nicht so romantisch». Ihre finanzielle Situation sei immer katastrophal gewesen: «Und eine allzu grosse Beschränkung hemmt die Kreativität.» Nicht einmal richtige Wanderschuhe oder einen guten Regenschutz hat sie sich leisten können für eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen: Pflanzen und Landschaften beobachten, einfach schauen, wie das Licht durch das Blätterdach fällt oder wie die Wellen sich bewegen. Programmieren mit Herz. In der Programmiersprache Processing hat sie nun ein Werkzeug gefunden, mit dem sie ihre künstlerischen und ihre analytischen Neigungen miteinander verbinden kann. Processing ist eine Open-Source-Sprache, welche am Massachussetts Institute of Technology, MIT, initiiert worden ist. Sie ermöglicht es, mittels eines Regelwerks in Form eines Algorithmus gestalterische Outputs zu erzeugen: Bilder, Klänge, Animationen, aber auch architektonische Pläne. «In unserem Bildungssystem gibt es ja kaum Wege für hybride Menschen wie mich», sagt Hanna Züllig. Die generative Gestaltung löst nun den scheinbaren Gegensatz zwischen unterschiedlichen Lebensfragestellungen auf; gestalterische, ästhetische, künstlerische und rationale, mathematische, logische Fragen fliessen dabei ineinander. Sie holt ein Buch von John Maeda, um ihn als Kronzeugen für diesen Umstand zu zitieren. Maeda ist einer der Väter der generativen Gestaltung am MIT. Er hat ganz bewusst nach Hybriden gesucht: «Gestalter mit Herz, die angezogen sind von den Möglichkeiten der Programmierung.» 20

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Generative (Ent-)Würfe. Ein Funkeln der Begeisterung glänzt in ihren Augen, wenn sie anfängt, Beispiele für solche hybriden Gestalter aus der Geschichte aufzuzählen: Guarino Guarini etwa, den Mathematiker, Philosophen und Architekten, der im 17. Jahrhundert die Cappella della Sacra Sindone erbaute, wo das Turiner Grabtuch aufbewahrt wird. Auch das Vogelnest in Peking wäre ohne generative Gestaltung nicht zu bauen gewesen. «Architektur interessiert mich sehr», sagt sie und verweist sogleich auf Patrik Schumacher, Partner bei der gefeierten Architektin Zaha Hadid, der sagt: «Man kann gar nicht mehr anders entwerfen als über den generativen Prozess.» Für Hanna Züllig steht ausser Frage, dass Programme wie Processing immer mehr in gestalterische Berufe Einzug halten werden. Mit ihrem neuen Kurs* an der EB Zürich will sie darum einen Einblick geben in die neuen Möglichkeiten, die Processing eröffnet. Auch privat geht sie gern abseits der ausgetretenen Pfade, auch mal im Gebirge mit Schneeschuhen. «Das sinnliche Element, das man am Computer nicht so hat», gibt ihr das Kochen. Besonders das Rüsten hat es ihr angetan: Gemüse und Obst aufschneiden, sich das Innenleben anschauen … Auftanken kann sie auch in ihrem Schrebergarten, welchen sie gemeinsam mit vier anderen bewirtschaftet. Die Natur überrascht sie dabei immer wieder, zum Beispiel, wenn Gepflanztes, das sie schon für eingegangen hielt, ein Jahr später doch noch auftaucht. «Die Pflanzen wandern einfach irgendwo hin.» Generative Gartengestaltung by Hanna Züllig sozusagen. Einen Ernteertrag erwartet sie dabei nicht von ihrer «Bünt»: «Ich mache eigentlich nur Blumen», lächelt sie. * Einblick in die generative Gestaltung mit «Processing» 6 Abende, Start am 15. Mai oder 20. August 2012

Attraktiv schreiben

Französisch First Certificate Deutsch als Zweitsprache

Videofilm Silverlight, PHP

Word, Excel

Kommunikation

Marketing, PR SVEB-Zertifikat

Beginn Mai 2012 Weiterbildung – wie ich sie will www.eb-zuerich.ch

EVENT

Frische Kurse und bewährte Spezialitäten Ein Markt für Weiterbildungen. Am 30. Januar fand im Bildungszentrum für Erwaschsene BiZE der erste Weiterbildungsmarkt statt. Rund 100 Interessierte kamen und liessen sich an den Ständen von Expertinnen und Experten persönlich zu den Weiterbildungsangeboten der EB Zürich beraten: Bildungsgänge, Kurse, Ateliers, Einzelberatungen. Auf diesem Markt gab’s Frischprodukte, Dauerbrenner, Klassiker, Neuheiten, Beliebtheiten, Zug- und Steckenpferde der besonderen Art: Die EB Zürich präsentierte am 30. Januar zum ersten Mal ihr gesamtes Weiterbildungsangebot in Form eines Marktes. Und rund 100 Wissensdurstige, Neugierige, Schlaumeierinnen, Ehrgeizige, Lernwillige und andere Weiterbildungsinteressierte strömten in die Aula des BiZE, um an den Ständen der einzelnen Bildungsbereiche zu schnuppern, Fragen zu stellen und konkrete

Tipps zu einzelnen Bildungsangeboten zu erhalten. An elf Ständen berieten die Fachleute persönlich zu über 350 Kursen und Bildungsgängen – von soliden Grundkenntnissen über Wunschfähigkeiten bis zu eidgenössisch anerkannten Abschlüssen. Am meisten Andrang herrschte dabei vor den Ständen zu Didaktik und Bildungsmanagement, Management und Kommunikation. «Für uns brachte der Weiterbildungsmarkt eine Optimierung in der Informa-

tionsarbeit», sagt Marlise Leinauer, Leiterin des Bereichs Didaktik. Denn im Weiterbildungsmarkt können sich Kundinnen und Kunden in 20 Minuten über die ganze Palette an Möglichkeiten aus allen Bildungsbereichen ein Bild machen und sich über Unterschiede und Abgrenzungen zwischen einzelnen Angeboten erkundigen. Im persönlichen Gespräch gehen die Expertinnen und Experten auf individuelle Wünsche und Vorlieben ein. Und sie bekommen so auch einmal vom Publikum direktes Feedback auf ihr Angebot. Die Besucherinnen und Besucher waren mehrheitlich begeistert. Auch wenn das Setting für einige etwas ungewohnt war. Im Gegensatz zu den Informationsveranstaltungen in früheren Jahren konnte man sich nicht einfach hinsetzen und berieseln lassen. Selbstverantwortung war gefragt; man musste sich trauen, sein Lernanliegen auch aktiv vorzutragen.

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DIE KOMMENDEN WEITERBILDUNGSMÄRKTE Montag, 19. März 2012 Dienstag, 26. Juni 2012 Mittwoch, 5. September 2012 Mittwoch, 28. November 2012 Jeweils 17.30–19.00 Uhr

Fühlen Sie sich in Ihrem Berufsleben zu wenig gefordert und merken, dass Ihre berufliche Entwicklung stark von einer umfassenden Bildung abhängt? Die KME ermöglicht Erwachsenen, die Matura auch berufsbegleitend nachzuholen, um Berufswege neu auszurichten oder zu ergänzen. Seit 1970 hat die KME rund 5000 engagierten Studierenden den Weg zur persönlichen Weiterentwicklung geebnet und das Tor zu einer akademischen Berufslaufbahn geöffnet.

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Heute kann ich sagen, dass ich mir meine beruflichen Sterne vom Himmel geholt habe. Ariana Kuster Ärztin und Mutter

KME Kantonale Maturitätsschule für Erwachsene Bildungszentrum für Erwachsene Mühlebachstrasse 112 8008 Zürich Telefon 044 266 14 14 [email protected]

01.02.12 17:03

AUSKUNFT

Mail an die Expertin: Suchmaschinenoptimierung Grüezi Frau Stucki Ich möchte eine neue Website ins Netz stellen. Worauf muss ich beim Konzipieren achten, damit sie nachher von den Such­ maschinen auch gefunden wird? Suchmaschinen brauchen Futter in Form von gut aufbereitetem, einfach zugänglichem Text. Je mehr Text eine Website enthält, desto mehr Wörter und Wortkombinationen können die Robots er­ fassen. Zur Optimierung gehört es, aussagekräftige Schlüssel­ wörter an wichtigen Stellen auf der Seite zu platzieren – zum Beispiel in Pfad­ und Dokumentbezeichnungen (www.firma.ch/ produkte/kernangebot.html), im Title­Tag (Fenstertitel), in den Überschriften und in den Ankertexten der Links. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen «Keywords» und «Adwords»? «Adwords» ist der Name für eine kostenpflichtige Werbekampagne bei Google, bei der die beworbene Webseite nach der Eingabe von ausgewählten Suchbegriffen (Keywords) prominent im Anzeige­ teil gelistet wird. Wie finde ich heraus, welche Suchbegriffe für meine Website wichtig sind? Logfile­Statistiken zeigen, welche Seiten wie oft und mit welchen Suchbegriffen aufgerufen werden. Beim Festlegen der Keywords gilt es zu bedenken, dass die Suchenden meist mehrere Wörter eingeben, um die Zahl der Treffer einzuschränken. So fügen sie häufig Ortsangaben an. Im Web gibt es ausserdem zahlreiche Gratis­Tools, die bei der Suchwort­Überprüfung und ­Verfeinerung helfen. So kann man etwa mit «Google Insights» Suchmuster über bestimmte Regionen, Kategorien, Zeiträume und Webdienste hinweg vergleichen. «Google Analytics» hilft dabei, die häufigsten Suchanfragen für die Site zu verstehen und richtig einzusetzen. Anscheinend ist es auch wichtig, wie eine Website mit anderen verlinkt ist. Was empfehlen Sie da? Die Suchmaschinen bewerten unter anderem die Beziehung einzel­ ner Webseiten untereinander, wobei die eingehenden und ausge­ henden Links wichtige Ranking­Faktoren darstellen. Am wertvolls­ ten sind Verweise und Empfehlungen aus Kreisen mit ähnlichen Interessen, also aus der eigenen Branche. Von Linkfarmen rate ich wegen der Gefahr schlechter Gesellschaft ab und Crosslinking (wie du mir, so ich dir) wird bei der Beurteilung meist ignoriert. Was kann ich sonst noch tun? Um die Bekanntheit und Reputation im Netz zu verbessern, empfeh­ le ich die aktive Promotion und Beteiligung bei Websites, die auf Interaktion und Community aufbauen. So etwa den Austausch über Weblogs, Foren und Social­Media­Sites (Facebook und Co.). Was gilt punkto Aktualisierung? Das regelmässige Verschicken von Newslettern bringt viel, um Interessierte und Kunden auf die Website zu holen. Die wirksams­ te Werbung ist aber immer noch, die Website laufend mit neuen Inhalten zu bestücken. Das Datum der letzten Aktualisierung ist übrigens ein wichtiges Kriterium für die Suchmaschinen.

MARGRIT STUCKI hat sich als Texterin und Web-Publisherin auf die Online-Kommunikation spezialisiert. An der EB Zürich unterrichtet sie in den Fächern PR, Web-Marketing, Projektmanagement und Webwriting. 2-tägiger Kurs: Suchmaschinenmarketing Eine gute Positionierung in den Suchmaschinen ist heute mitentscheidend für den Geschäftserfolg. Freitag, 22. und 29. Juni 2012 Samstag, 22. und 29. September 2012 Jeweils 08.30 – 16.30 Uhr.

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IM GESPRÄCH

«Ich kann vieles nur ein bisschen» Lernen in der Fremde. Mit seinem Mundart-Reggae hat Phenomden schon viele Musikfans verzaubert. Nun verbrachte der Zürcher Sänger längere Zeit auf Jamaika, um mehr über seine Lieblingsmusik herauszufinden und von lokalen Künstlern zu lernen. Fazit: Platz lassen für Überraschungen. INTERVIEW Markus Ganz BILDER Miriam Künzli

Sie haben fast eineinhalb Jahre auf Jamaika verbracht: Hatten Sie einen konkreten Plan, was Sie dort machen wollten? Nein, ich wusste nur, dass ich mir einen musikalischen Profit versprach. Bei meinem ersten Aufenthalt hatte ich festgestellt, dass Jamaika voller Überraschungen steckt. Was man dort plant, klappt oft nicht oder nicht so, wie erwartet. Dafür kommt etwas zustande, womit man nicht gerechnet hat. Man muss also flexibel sein? Ja, man geht beispielsweise ohne Erwartungen am Morgen zum Haus hinaus, landet über Umwege in einem Studio, in das bei einer Aufnahmesession dann gerade ein bekannter Künstler hineinläuft. Eine Planung hätte solche Chancen verhindert? Vieles hätte sich schlicht nicht planen lassen. Das Studio ist ein sehr wichtiger Treffpunkt für Musiker.

Sie gehen dort vorbei, um zu sehen, was gerade läuft und ob sich Chancen eröffnen, einen Song aufzunehmen. Was war denn Ihre Absicht? Ich wollte Produzenten, Musiker und Sänger treffen, um sie bei der Arbeit beobachten zu können. Ich wollte aber auch Jamaika selbst besser kennenlernen, weil es mich seit langem fasziniert und der kulturelle Hintergrund meiner Lieblingsmusik ist. Wie haben Sie von diesen Beobachtungen profitieren können? Ich habe das Gefühl, dass ich den Reggae nun besser verstehe, einerseits textlich, aber auch die Herangehensweise der Musiker, wie sie ein Stück im Studio entwickeln. Ich habe auch erfahren, dass kreativ vieles nicht im Aufnahmeraum, sondern draussen geschieht. Die jüngeren Dancehall-Künstler lassen neue Instrumentals gern im Auto mit weit geöffneten Türen laut laufen, während sie – manchmal auch mehrere gemeinsam – die Texte entwickeln. Allgemein hat mich erstaunt, dass vieles direkt vor Ort aus einer momentanen Konstellation heraus entsteht. Sie haben auch Gesangs- und Gitarrenstunden genommen – hätten Sie dies nicht auch in der Schweiz tun können? Selbstverständlich, aber diese Lektionen kamen ungewöhnlich zustande. Ich besuchte einmal ein Internat für Kinder, in dem einst Bob Marley und Peter Tosh zur Schule gegangen sind. Dabei lernte ich einen älteren Lehrer kennen und sagte ihm ein anderes Mal, dass ich eigentlich gerne hier Unterricht nehmen

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IM GESPRÄCH

würde, aber leider kein Kind mehr sei … Er entgegnete, dass er mir gerne Einzelstunden gebe. Das war mir eine Ehre und kam mir gelegen, denn ich wollte die Zeit auf Jamaika besser nutzen und meine rudimentären Fähigkeiten an der Gitarre verbessern. Daneben begann ich, mit lokalen Musikern eine Bibliothek von Riddims – die instrumentale Basis eines Reggae-Stücks – zu produzieren. Waren solche Aufnahmen nicht die eigentliche Idee Ihres Jamaika-Aufenthalts? Ich hatte ursprünglich tatsächlich die Absicht, möglichst schnell in ein Studio zu gehen und etwas aufzunehmen. Ich tat dies nicht, weil ich merkte, dass ich zunächst besser nur zuschaue, um herauszufinden, wie dort alles läuft. Ich wollte auch nicht, dass man mich als jemanden kennenlernt, der in ein berühmtes Studio hineinläuft und mit Geldnoten herumfuchtelt. Ich wollte eher den normalen Weg einschlagen, den ein junger Sänger in Jamaika gehen

muss. Ich merkte auch, dass ich Zeit und Geduld brauchte, um eine Basis mit guten Kontakten aufzubauen, aber auch für die Entwicklung meiner Musik. Suchten Sie Musse, damit die Musik natürlich wachsen kann? Ja, man kann sie nicht erzwingen. Aber manchmal kann man, nein: muss man sich auch disziplinieren und dranbleiben, etwas ausprobieren, auch wenn es ein Murks ist. Es gibt auch Momente, in denen es einfach aus einem herausflutscht. Wenn ich zusammenfassen müsste: Der Jamaika-Aufenthalt hat meine musikalische Herangehensweise verändert. Ich versuche weniger vorauszudenken, wie ein Song werden muss, denn sonst wird er verkrampft. Ich probiere oft einfach etwas aus, folge einer inneren Eingebung. Leidet darunter nicht die Qualität? Natürlich versuche ich, einen Text möglichst schön einzusingen, aber ich versuche auch, entspannt zu EB Kurs Nr. 33 – Frühling 2012

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IM GESPRÄCH

Ist es nicht ein Handicap, wenn man keine solide Basis hat? Ich tu mich schon etwas schwer mit den fehlenden Grundlagen. Ich kann vieles nur ein bisschen – mehr Kenntnisse würden mir bestimmt einiges Potenzial eröffnen. Auf meiner unsichtbaren To-do-Liste steht denn auch, einmal Unterricht am Piano zu nehmen, gut wäre auch etwas Musiktheorie … Ich kann zwar vieles selbst produzieren, weiss dann aber zum Beispiel nicht, in welcher Tonart ein Stück ist. Das wäre bestimmt hilfreich, weil ich so die Musik gezielt spannender machen könnte.

PHENOMDEN heisst bürgerlich Dennis Furrer und wurde 1980 in Adliswil geboren. Er studierte an der Luzerner Hochschule für Gestaltung und Kunst im Fachbereich Animation und schloss 2006 mit Diplom ab. Mit dem bereits 2005 veröffentlichten Debütalbum «Fang ah» gelang dem Reggaesänger der Durchbruch. Sein drittes Album «Gangdalang» (2008) wurde für über 15 000 verkaufte Exemplare mit Gold ausgezeichnet. Nach einem Jamaika-Aufenthalt veröffentlichte er im Dezember 2011 sein viertes Album «Eiland», das es bis auf Platz 4 der Schweizer Hitparade schaffte.

bleiben. Man muss im Song Platz lassen für Überraschungen, ihn fliessen lassen. Ich finde es cool, wenn ich etwas aufgenommen habe und dann erstaunt feststelle, wie der Song herausgekommen ist. Ist Ihr neues Album «Eiland» auch vielseitiger herausgekommen, weil Sie mehr experimentiert haben? Ja, ich habe mehr ausprobiert und liess auch mehr stehen, an dem ich früher noch geschliffen hätte. Beim Song «Frei sii» etwa hatte ich zuerst den Refrain und sang ihn an den geplanten Stellen. Beim zweiten Durchgang sang ich den ersten Satz, der mir einfiel, gleich ins Mikrofon. Auch beim dritten Mal sang ich sogleich, was mir einfiel, und so weiter, bis der Song fertig war. Eigentlich hatte ich geplant, den Song dann nochmals als Ganzes aufzunehmen, aber ich nahm ihn gleich so auf das Album. Diese Arbeitsweise habe ich in Jamaika kennengelernt. Wieso haben Sie «Eiland» nicht in Jamaika, sondern nach ihrer Rückkehr in die Schweiz aufgenommen? Ich habe in Jamaika begonnen, englisch zu singen, weil nur so ein Austausch mit lokalen Künstlern möglich war, bei dem ich etwas lernen konnte. Ich habe aber auch gemerkt, dass ich meine schweizerdeutschen Songs mit Leuten aufnehmen will, die diese Sprache und damit die Message verstehen. Also habe ich das Album mit den Mitgliedern meiner langjährigen Begleitband «The Scrucialists» komponiert und eingespielt. Und eigentlich wollte ich die Zeit in Jamaika vor allem zur Weiterbildung nutzen. Haben Sie denn eine musikalische Grundausbildung? Nein, ich bin Autodidakt. Ich begann einst einfach Musik zu machen und nahm später einige Lektionen: im Alter von etwa 14 Jahren Bassunterricht, damit ich mit meiner Band spielen konnte, und vor wenigen Jahren Gesangsunterricht. 26

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Ihr Album «Gangdalang» erreichte Gold – eine Auszeichnung des Erfolgs. Bedeutet das auch, dass Sie von der Musik leben können? Seit 2006 setze ich voll auf Musik – und komme damit irgendwie durch. 2009 erhielt ich zudem das mit 42 000 Franken dotierte Werkjahr des Stadtzürcher Popkredits, dank dem ich mir auf Jamaika deutlich mehr Zeit nehmen konnte. Hatten Sie den Traum, von der Musik leben zu können, als Sie damit anfingen? Ja, aber ich habe mich lange nicht getraut, dies als realistisch zu betrachten und anderen Leuten zu erzählen. Wegweisend war für mich, dass ich 2003 die Mitglieder der süditalienischen Reggaeband «Sud Sound System» kennenlernte. Mich beeindruckte, wie sie fast alles selbst machten und dass sie von der Musik leben konnten; aber auch, dass sie mit ihrer Muttersprache ihre Landsleute besser erreichten. Das bestärkte mich darin, es selbst zu wagen, und zwar mit Reggaesongs in meiner eigenen Sprache, weil ich eine Message verbreiten will, die verstanden wird. Ich ging äusserst motiviert nach Hause und begann an meinem Debütalbum «Fang ah» zu arbeiten. Haben Sie einen Plan B für den Fall, dass Sie nicht mehr von der Musik leben können oder keine Freude mehr daran haben? Einkommensorientiert habe ich keine Lösung bereit. Ich kann mir aber vorstellen, mich in der zweiten Lebenshälfte wieder stärker dem Zeichnen zu widmen und Trickfilme zu machen – dafür wurde ich ja ausgebildet. Wollten Sie ursprünglich in diesem Bereich tätig werden? Eine Zeit lang wusste ich nicht, ob ich auf Musik oder auf Trickfilm setzen sollte. Ich hatte schon als Kind viel gezeichnet, vor allem Comics, und wollte Trickfilmer werden. Als ich im Gymnasium merkte, dass mir ein Studium an der Universität nicht so lag, war die Wahl der «Kunschti» an der Hochschule Luzern naheliegend. Ich fand sie und ihre Möglichkeiten toll, hatte meinen Kopf und mein Herz aber bereits voll bei der Musik. Ich gab bereits Konzerte und arbeitete an meinem ersten Album, so dass ich im gestalterischen Bereich nie wirklich tätig wurde. Nach dem Diplomabschluss setzte ich dann allein auf die Musik.

SEINERZEIT TAGESTHEMA

Die Eröffnung des Zoologischen Gartens Zürich (1929)

Etwas kamerascheu blicken die acht Tierwärter unter ihren Schirmmützen hervor. Doch mit sichtlichem Berufsstolz präsentieren sie einen 165 Pfund schweren Netzpython; auch Inspektor A. Glenewinkel (rechts) scheint beeindruckt. Die Eröffnung des Zürcher Zoos am 7. September 1929 war eine Sensation: In Scharen strömte das Publikum auf die Allmend Fluntern, um die grosszügige Anlage in Beschlag zu nehmen, deren Fertigstellung durch die kalten Monate von Januar bis März 1929 (mit Seegfrörni!) verzögert worden war. 150 000 Besucherinnen und Besucher zählte man im ersten Monat, zahlenmässig mehr als sechzig Prozent der damaligen Stadtbevölkerung. Zu den Attraktionen gehörten die moderne Architektur – etwa das Raubtierhaus oder die Affenfreianlage mit den hohen Betonmauern – genauso wie die exotischen Tiere. Das Unternehmen «Zoo Zürich» war ein Joint Venture, an dem sich ein Verein, eine Genossenschaft, Stadt und Kanton Zürich sowie Sponsoren beteiligten. Das Löwenpaar «Felix» und «Regula» war ein Geschenk des Warenhauses Jelmoli, das sibirische Tigerpaar ein solches der Firma Grieder. Die Volksbank hatte die Kosten für die Malayen-, Kragen- und Lippenbären übernommen, welche mit den aus Siebenbürgen stammenden Braunbären und den Eisbären zusammenlebten. Bei Kindern besonders beliebt war das Elefantenreiten zu 20 Rappen pro Runde auf dem Rücken der mächtigen «Mandschullah», welche gelegentlich vom jungen Bullen «Chang I.» begleitet wurde, offensichtlich einem ungestümen Kerl, der schon bald gegen eine Elefantenkuh namens «Rani» getauscht wurde. Aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbar nehmen sich die «Völkerschauen» aus, die dazu beitrugen, die tote Jahreszeit zu überbrücken. So wurde im Spätwinter 1930 eine Senegalesen-Truppe mit vierzig Personen beiderlei Geschlechts auf dem Zoogelände präsentiert. Felix Aeppli

Felix Aeppli, Historiker und Filmexperte, erteilt an der EB Zürich einen Kurs über den Schweizer Film. Mit «Seinerzeit Tagesthema» wirft er einen Blick auf spezielle Ereignisse aus der Geschichte von Stadt und Kanton Zürich.

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KULTUR

1 BABy BABy 2 Tu V uO Fà L‘ AME R Ic A NO 3 I w A N 4 My G I R L JOSEphI NE 5 J h O NNy 6 MIS h E R z 7 DO N A u 8 GOOD L u ck ch A R M 9 ? y Tu Q ué h A S h E c h O ?

rossi-international.ch

R O S S I

I N T E R N A T I O N A L

1 0 True Love 11 TE LL M E 1 2 RO SA 1 3 VO LV E R 1 4 A M E N O

A M E N O

Kursleitende und Mitarbeitende der EB Zürich geben Tipps zu interessanten Büchern, CDs und Filmen.

Axel Brauns Buntschatten und Fledermäuse 2002

Lesen

A M E N O R OS S I

I N T E R N A T I O N A L

Rossi International Ameno 2011

Hören

Sean Penn The Pledge 2001

Sehen

Eigene Welt. Als Autist lebt Axel Brauns woanders. Nicht am gleichen Ort wie Buntschatten, wie er Nicht-Autisten bezeichnet. Worte der Buntschatten haben Klang oder gar Bedeutung, oft erreichen sie ihn aber nicht in seiner Welt. Axel Brauns kann mit seinen Lippen Laute formen – seine starke, eigenwillige Sprache und sein Handeln sind meist nicht gleich motiviert wie bei den Buntschatten. Das führt zu Konflikten. Er sagt, Buntschatten hätten keine Gefühle. Oft ist Enttäuschung zu Gast auf seinem Gesicht. Ein unbekanntes Gefühl verklebt sein Inneres. Er erzählt seine Kindheit und Jugendzeit. Die Lektüre eröffnet neue Muster, die Belohnung in sich selbst finden.

Kompakter Sound. Musik zwischen Mississippi und Wodka, durch die Hinterhöfe der grossen Städte, vorbei an abgelegenen Bauernhöfen und überfüllten Busstationen. Moll und Dur wechseln wie das Wetter im April. Zwei Bläser geben den Ton an, ein zurückhaltender Gitarrist sorgt für den Swing, ein subtiler Drummer begleitet sich selber beim Singen, und die Dame am Akkordeon legt den Teppich für einen kompakten Sound. Eigene Kompositionen wechseln mit überraschenden Interpretationen bekannter und weniger bekannter Songs. Rossi ist keine Beilage, sondern ein Hauptgang. Keine Nouvelle Cuisine, sondern währschafte Kost, hervorragend zubereitet.

Gefährliches Versprechen. Der Hobby-Angler und Detektiv Jerry Black (Jack Nicholson) ist nach seiner rauschenden Pensionierungsparty eigentlich auf dem Weg nach Mexiko. Doch am selben Tag wird im verschneiten Wald ein achtjähriges Mädchen mit aufgeschlitzter Kehle gefunden. Black übernimmt die unangenehme Aufgabe, den Eltern des getöteten Kindes die schlimme Botschaft zu überbringen. Dabei wird Black bei den Eltern zu einem Versprechen gezwungen: Er schwört bei Gott und dem Verlust seines Seelenfriedens, den Täter zu finden. – Sean Penn’s dritte Regiearbeit «The Pledge» basiert auf dem Dürrenmatt-Roman «Das Versprechen». Ein Film ohne Happy End, am Ende bleiben ein paar unbehagliche Fragen.

MAURO GORGI Kursleiter Deutsch

PETER HAUSER Leiter Bildungsgang «Werbung, PR und Marketing»

MIRIAM SELMI Kursleiterin Digitale Medien

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EB Kurs Nr. 33 – Frühling 2012

TIPPS UND TRICKS

Das Leben in Form bringen

Curriculum Vitae: Einen Lebenslauf haben wir alle. Aber nicht alle haben ihn auch in schriftlicher Form. Und einige haben sogar mehrere Varianten davon. Kann das gut gehen? TEXT Regula Brunner

ILLUSTRATION Eva Kläui

Ihr Lebenslauf soll einen raschen Überblick bieten über den bisherigen beruflichen Werdegang und die wichtigsten persönlichen Daten. Achten Sie auf eine klare Struktur und eine gezielte Gewichtung der Daten: das Wichtigste zuerst und das Unwichtige gar nicht! Wenn Sie berufliche Erfahrungen aus mehreren Gebieten mitbringen oder sich gleichzeitig in unterschiedlichen Branchen bewerben, ist es durchaus sinnvoll den eigenen Lebenslauf in verschiedenen Fassungen bereit zu haben. Jede Fassung stellt eine andere Seite von Ihnen in den Vordergrund. Umfang: Ein Lebenslauf ist in der Regel zwischen 2 bis max. 3 Seiten lang. Minimaler Inhalt: Ihre persönlichen Daten, Ihre Ausund Weiterbildung, Ihre Berufstätigkeit, evtl. Erfahrungen aus ehrenamtlichen Tätigkeiten, spezielle Fähigkeiten und ein Hinweis auf vorhandene Referenzen. Persönliche Daten: Ihre Erreichbarkeit (Telefon, Handy und Mail) gehört hier dazu. In der Schweiz ist es üblich, den Zivilstand und die Kinder anzugeben. Foto ja oder nein? Folgende Regel gilt: Ein sehr gutes Bild ist immer besser als kein Bild. Und wenn ein Bild verlangt wird, dann bitte ein professionelles, sympathisches und vor allem aktuelles Foto. Aus- und Weiterbildung: Wenn Ihre Abschlüsse und Diplome nichts mehr zu tun haben mit Ihrer heutigen Tätigkeit, dann müssen Sie dem Leser behilflich sein. – Seien Sie bei den Weiterbildungen selbstkritisch. Führen Sie nur auf, was für die momentane Situation von Bedeutung ist.

Berufstätigkeit: Beginnen Sie mit Jahreszahlen und Monaten und bringen Sie das Neueste zuerst. Nach dem Namen der Firma erwähnen Sie Ihre Funktion und dann in wenigen Stichworten Ihre Aufgabengebiete. Erfahrungen aus ausserberuflichen oder ehrenamtlichen Engagements: Wenn Sie berufliche Auszeiten hatten (Familienphase, Sabbatical, Auslandaufenthalte etc.) können Sie anderweitige Engagements aus dieser Lebensphase aufführen und damit Ihre Vielseitigkeit und Ihr soziales Engagement betonen. Spezielle Fähigkeiten: Erwähnen Sie hier Ihre aktuellen mündlichen und schriftlichen Sprachkenntnisse, je nach Stelle auch Ihr momentanes Niveau beim Anwenden der benötigten Computerprogramme und weitere Spezialkenntnisse, die von Bedeutung sein könnten. Referenzen: Diese liefern Sie nur auf Anfrage und erstellen dafür ein separates Blatt. Bei jeder Referenzperson sollte festgehalten sein, in welcher Funktion Sie mit dieser Person zu tun hatten. KURSE ZUM THEMA Mein Bewerbungsdossier: zeitgemäss und aussagekräftig Sie können Ihr Bewerbungsdossier entsprechend den heute in der Schweiz geltenden Normen aufbauen und formulieren. Erfolgreiche Bewerbungsgespräche – Training mit Video Sie können sich zielgerichtet auf eine Bewerbungssituation vorbereiten und dabei Körpersprache und Stimme sicher einsetzen. Beratung «Bewerbung und Stellensuche» Sie erhalten ein ausführliches Feedback zu Ihren kompletten Bewerbungsunterlagen. Schreiben mit Stil Variationsreich schreiben lernen und Stilformen anwenden. Atelier «Drucksachen gestalten» Technische und gestalterische Hürden meistern. Weitere Infos und Anmeldung unter www.eb-zuerich.ch

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AGENDA

SchreibLeseZentrum SLZ: «Schreiben im beruflichen Alltag»

Bildung weltweit: OECDBildungsbericht 2011

Faszination Sprache. Schreiben und Lesen gehören für die meisten Menschen zum beruflichen Alltag. Briefe, Protokolle, Berichte, Mails, Rapporte werden von den einen geschrieben, von den andern gelesen. Lesen und Schreiben gehören zur Kommunikation, wir verständigen uns mit der Sprache, selbstverständlich auch in mündlichen Formen. Mit der zunehmenden Digitalisierung ist die Bedeutung der schriftlichen Kommunikation in den letzten Jahren noch gestiegen. Schreibend und lesend orientieren wir uns in dieser Welt, verständigen uns und bringen Projekte zum Abschluss. Schreiben und Lesen heisst immer auch Austausch von Haltungen und Meinungen. Das macht die Faszination der Sprache aus. Schreiben und Lesen sind auch in der Weiterbildung ein wichtiges Thema. An der eigenen Sprache zu arbeiten sorgt für Klärung von Inhalten und Strukturen. Das SchreibLeseZentrum SLZ der EB Zürich bietet verschiedene Möglichkeiten, um sich mit Schreiben und Lesen auseinanderzusetzen. Das Angebot umfasst Kurse zum sachlichen wie zum literarischen Schreiben, Lektürekurse vermitteln zielgerichtete Lesestrategien. Neue Lernformen wie Textateliers erlauben es, in ungezwungener Atmosphäre im Austausch mit anderen an eigenen Texten zu arbeiten. Ausserdem bietet das SLZ auch individuelle Beratungen für all jene an, die sich gezielt Unterstützung für ein bestimmtes Lese- oder Schreibprojekt holen wollen. (Für das ausführliche Angebot bitte Spezialprospekt bestellen: [email protected]) Periodisch organisiert das SchreibLeseZentrum SLZ Veranstaltungen, die sich rund am das Thema Sprache drehen. Fachleute aus der Wissenschaft werden einen speziellen Aspekt der sprachlichen Entwicklung beleuchten: Wie schreibt man heute richtig? Was ist moderner Sprachstil? Gibt es Deutsch in hundert Jahren noch? – Lesungen von aktuellen Autorinnen und Autoren werden Einblick in das literarische Schaffen geben. VERANSTALTUNG, 30. MÄRZ 2012 17.00–18.00 Uhr Deutschmarkt mit Apéro Kursleiterinnen und Kursleiter der EB Zürich zeigen Beispiele aus ihrer Arbeit. 18.00–19.00 Uhr Vortrag von Dr. Eva L. Wyss Privatdozentin für deutsche Sprachwissenschaft am Deutschen Seminar der Universität Zürich: «Der Wandel der Schreibpraktiken im beruflichen Alltag» Ort: Aula des Bildungszentrums für Erwachsene BiZE, Riesbachstrasse 11, 8008 Zürich

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Der OECD-Bildungsbericht 2011 gibt anhand verschiedener Indikatoren den Bildungsstand von Erwerbsgruppen und Ländern wieder. Der Bildungsstand wird oft als Kennzahl für das in einzelnen Ländern vorhandene Humankapital herangezogen, d.h. für die in der Bevölkerung vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten. Gemessen wird der Bildungsstand anhand der prozentualen Anteile einer Bevölkerung mit einem bestimmten Bildungsabschluss. Gemäss dem OECD-Bericht liegt die Schweiz beim Tertiärbereich mit einer Abschlussquote von knapp unter 30 Prozent bei den 55- bis 64-Jährigen und etwas über 40 Prozent bei den 25- bis 34-Jährigen nur an 18. Stelle der OECD-Länder. Hingegen liegt sie bei den berufsbildenden Bildungsgängen des Sekundarbereichs II hinter Tschechien, Slowakei, Österreich, Deutschland und Schweden an 6. Stelle. Berechnet man den Anteil der 25- bis 64-Jährigen, die mindestens einen Abschluss auf Sekundarstufe II haben, kommt man für die Schweiz auf beachtliche 87 Prozent. Der Bericht kommt wenig überraschend zum Schluss, dass der Bildungsstand der jungen Generation (gemessen an den tertiären Abschlüssen) in fast allen OECD-Ländern deutlich höher ist als bei der Generation, die demnächst aus dem Erwerbsleben ausscheidet. Der Anteil der 25- bis 34-Jährigen, die einen Abschluss im Sekundarbereich II aufweisen können, liegt im Durchschnitt der OECD-Länder um 20 Prozent höher als bei den 55- bis 64-Jährigen. Der OECD-Bericht erklärt diese Entwicklung mit der sich verändernden Nachfrage: «Nach einem Rückgang der Nachfrage nach Arbeitskräften für einfache Tätigkeiten und für Tätigkeiten mit geringen kognitiven Anforderungen, die von Computern übernommen werden können, verweisen jüngste Entwicklungen auf eine deutlich steigende Nachfrage nach Arbeitskräften, die komplexe Kommunikationsprozesse beherrschen und über ausgeprägte analytische Fähigkeiten verfügen.»

WEITERBILDUNG – WIE ICH SIE WILL

Weiterkommen mit der EB Zürich Mit jährlich 16 000 Kundinnen und Kunden ist die EB Zürich die grösste von der öffentlichen Hand getragene Weiterbildungsinstitution der Schweiz. Der erste Schritt zu neuen Horizonten: – Bestellen Sie unser neues Programm mit über 400 Kursen und Bildungsgängen. – Besuchen Sie eine unserer Informationsveranstaltungen. – Lassen Sie sich über unser Angebot beraten. – Nutzen Sie unsere Lern- und Arbeitsplätze im Lernfoyer. – Buchen Sie eine Weiterbildungsberatung und klären Sie Ihre Ziele. – Machen Sie Selbsteinstufungstests auf unserer Webseite. – Lernen Sie anhand unserer Imagebroschüre unsere Werte kennen. – Informieren Sie sich auf www.eb-zuerich.ch. – Fragen Sie telefonisch oder per Mail bei uns nach. – Kommen Sie vorbei und lernen Sie uns kennen.

Weiterbildung liegt im Interesse des Wirtschaftsstandortes Zürich und muss darum für alle zugänglich sein – unabhängig vom finanziellen oder sozialen Status. Seit bald 40 Jahren unterstützt die kantonale Berufsschule für Weiterbildung deshalb Berufsleute aus allen Branchen und Bildungsschichten dabei, beruflich am Ball zu bleiben; Lehrabgänger und Akademikerinnen, Handwerker und kaufmännische Angestellte, Kader und Berufseinsteigerinnen lernen neben- und miteinander. Der persönliche Weg zum Ziel: Der Weg zum Lernerfolg ist individuell. In Weiterbildungs- und Lernberatungen werden die Ziele geklärt und geeignete Lernmethoden und -formen aufgezeigt. Nicht nur Privatpersonen, sondern auch immer mehr Personalchefs und Weiterbildungsverantwortliche vertrauen darum auf den Slogan der EB Zürich:

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«Weiterbildung – wie ich sie will»

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EB Zürich Kantonale Berufsschule für Weiterbildung Bildungszentrum für Erwachsene BiZE Riesbachstrasse 11 8090 Zürich

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Weiterbildung – wie ich sie will

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