Unternehmensgewinne. Aktienkurse. Stand: 17. Juli 2009

July 5, 2017 | Author: Roland Kruse | Category: N/A
Share Embed Donate


Short Description

Download Unternehmensgewinne. Aktienkurse. Stand: 17. Juli 2009...

Description

DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht Juli 2009

Stand: 17. Juli 2009

Unternehmensgewinne und Aktienkurse

Die Aktienkurse in Deutschland waren in den letzten beiden Jahrzehnten – vor dem Hintergrund eines positiven Trends – erheblichen Schwankungen unterworfen. Die Gewinne der deutschen Aktiengesellschaften weisen ein hnliches Verlaufsprofil auf. Dies sttzt theoretische berlegungen, die in den (diskontierten zuknftigen) Unternehmensgewinnen einen wichtigen „fundamentalen“ Bestimmungsfaktor der Aktienkurse sehen. Auffllig ist aber auch, dass es im Rckblick immer wieder massive Abweichungen zwischen der Aktienkurs- und der Gewinnentwicklung gegeben hat. Hier fllt insbesondere der New-Economy-Boom zur Jahrtausendwende auf. Fehleinschtzungen erwarteter Gewinne aufgrund von Herdenverhalten oder einer asymmetrischen Informationsverteilung sowie berreaktionen der Anleger auf neue Nachrichten knnen zur Erklrung derartiger Aktienkursbewegungen beitragen. Der folgende Aufsatz untersucht die Zusammenhnge zwischen

Unternehmensgewinnen

und

Aktienkursen nher. Er geht dabei auch auf gebruchliche Kenngrßen fr das Bewertungsniveau am Aktienmarkt ein. Eine wichtige Rolle bei deren Ermittlung spielen die Gewinnschtzungen

von

Aktienanalysten.

Diese Schtzungen erweisen sich allerdings als relativ trge und systematisch verzerrt, was bei der Interpretation bercksichtigt werden sollte.

15

DEUTSCHE BUNDESBANK EUROSYSTEM

Monatsbericht Juli 2009

Stand: 17. Juli 2009

Entwicklung von Aktienkursen,

Aktienkurse, realisierte Gewinne und laufende Dividendenzahlungen

Unternehmensgewinnen und Dividendenzahlungen seit 1991 Empirischer Verlauf von Aktienkursen, ...

Januar 1991 = 100, Monatsendstände, log. Maßstab

Die Kurse deutscher Aktien sind – gemessen am Deutschen Aktienindex DAX – von An-

700 600

fang 1991 bis Mitte 2009 um das knapp 2,5-

500

fache gestiegen. 1) Allerdings ist die Entwick-

400

lung nicht kontinuierlich verlaufen: Einem

300

steilen Anstieg insbesondere Ende der neun-

DAX

200

ziger Jahre im Zuge des New-EconomyBooms auf einen Hchststand von ber 8 000 Indexpunkten im Mrz 2000 folgte ein massi-

150

100

Dividendenzahlungen

ver Rckgang: Bis zum Frhjahr 2003 verlor der DAX ber 70 % an Wert. Mit der konjunkturellen Belebung der Weltwirtschaft und nachfolgend auch in Deutschland stiegen die Notierungen anschließend wieder an und erreichten im Sommer 2007 einen neuen Spit-

70

realisierter Gewinn pro Aktie 1)

50

1991

95

00

05

2009

Quelle: I / B / E / S und eigene Berechnungen. — 1 In den vergangenen 12 Monaten. Deutsche Bundesbank

zenwert. Im Zuge der vom US-Immobilienmarkt ausgehenden Finanzkrise und den da-

einer kurzen Phase Mitte der neunziger Jahre

mit verbundenen Befrchtungen ber die So-

grundstzlich hnlich wie die Aktienkurse,

liditt einiger Finanzinstitute sowie ber das

blieben aber hinter dem Kursanstieg whrend

Ausmaß der erforderlichen Wertberichtigun-

des New-Economy-Booms zurck und weisen

gen kam es erneut zu krftigen Wertverlus-

auch generell deutlich geringere Ausschlge

ten. Diese erreichten im Mrz dieses Jahres

auf. 2) Der ebenfalls relativ stete Verlauf der

mit rund 55 % gegenber Sommer 2007 ihr

Dividenden deutet auf eine Politik der Divi-

Maximum, nachdem sich abgezeichnet hatte,

dendenkontinuitt der Unternehmen hin, die

dass die Finanzkrise zunehmend auf die Real-

Dividendenkrzungen offensichtlich zu ver-

wirtschaft bergreifen und auch eine deut-

meiden versuchen und die Ausschttungen

liche Abkhlung der Weltkonjunktur nach

daher mglichst nur an permanente Gewinn-

sich ziehen wrde. Vor dem Hintergrund der zuletzt beobachteten Stabilisierung im Finanzsektor und positiver Gewinnmeldungen einzelner Finanzinstitute kam es seitdem zu einer leichten Kurserholung. ... Gewinnen und Dividenden

Die Unternehmensgewinne der DAX-Unternehmen entwickelten sich abgesehen von

16

1 Dabei sind die Dividendenzahlungen eingerechnet (Performanceindex). Legt man die reinen Kurssteigerungen zugrunde, so betrgt der Anstieg des DAX seit 1991 knapp 130 %. 2 Die hier verwendeten Gewinne und Dividenden beziehen sich jeweils auf den DAX-Performanceindex.

DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht Juli 2009

Stand: 17. Juli 2009

Gewinne aus gesamtwirtschaftlicher Sicht

Die Unternehmensgewinne sind eine entscheidende Erfolgsgröße in einer Marktwirtschaft. Perspektivisch kommt ihnen eine wesentliche Signal- und Steuerungsfunktion für Produktions- und Investitionsentscheidungen zu; außerdem sind sie eine wichtige Quelle der Eigenfinanzierung, und sie können den Unternehmen als Puffer dienen, um kurzfristige externe Preis- und Kostenschocks aufzufangen. Die Ermittlung der Gewinne auf einzel- und gesamtwirtschaftlicher Ebene wird dadurch erschwert, dass sie sich im Allgemeinen als Restgröße errechnen. Erfassungsund Bewertungsprobleme der Erlöse und Kosten sowie (bilanzielle) Gestaltungsspielräume können zu gravierenden Unterschieden in den ausgewiesen Gewinnen führen. Gleichwohl sind sie eine wichtige Determinante der Kursentwicklung am Aktienmarkt, und sie spielen bei der Beurteilung des Bewertungsniveaus von Aktien eine zentrale Rolle. Im Vordergrund dieses Berichts stehen daher die Gewinne der Aktiengesellschaften, und hier insbesondere die Gewinne der 30 Unternehmen, die im Deutschen Aktienindex DAX zusammengefasst sind. Ihr Gewinn lag im Jahr 2008 bei insgesamt rund 29 Mrd € (nach Steuern). Die betrachteten DAX-Unternehmen bilden allerdings die heimische Wirtschaft angesichts ihrer Größe, sektoralen Zusammensetzung und internationalen Ausrichtung nur unvollständig ab. Um ein umfassenderes Bild von der Gewinnentwicklung heimischer Unternehmen zu erhalten, bietet es sich daher an, auf Angaben aus den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) zurückzugreifen. Im System der VGR erhält man den Unternehmensgewinn (vor Steuern) der Kapital- und Quasi-Kapitalgesellschaften (inklusive der Selbständigeneinkommen) im Sinne eines operativen Ergebnisses in einer bestimmten Periode aus der laufenden Produktionstätigkeit. Dabei wird der Betriebsüberschuss der Unternehmen noch korrigiert durch das Hinzurechnen (bzw. den Abzug) der empfangenen (geleisteten) Vermögenseinkommen im Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit.1) Insgesamt betrug er 2008 rund 517 Mrd €; er hat sich damit seit Ende 1991 mehr als verdoppelt (siehe nebenstehende Abbildung). Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften trugen hierzu zuletzt etwa vier Fünftel bei. 1 Zu den empfangenen Vermögenseinkommen zählen vor allem Zinsen aus Einlagen und anderen Geldanlagen sowie Ausschüttungen aus Unternehmensbeteiligungen; geleistete Vermögenseinkommen sind insbesondere Zinszahlungen. Vgl. auch: Deutsche Bundesbank, Gesamtwirtschafliche Ertrags- und Kostenentwicklung seit Anfang der neunziger Jahre, Monatsbericht, Dezember 2002, S. 39 ff. — 2 Vgl.: N. Schwarz, Einkommensentwicklung in Deutschland – Konzepte und Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, Wirtschaft und Statistik 3/2008, S. 197–206. — 3 Der

Die Entwicklung der Unternehmensgewinne reflektiert, dass zu Beginn dieses Jahrzehnts für viele Unternehmen die Konsolidierung ihrer Bilanzen im Vordergrund stand. Das (bis 2007) günstige weltwirtschaftliche Umfeld und die konjunkturelle Erholung in Deutschland haben sich – bei relativ moderaten Lohnsteigerungen – in einem kräftigen gesamtwirtschaftlichen Gewinnanstieg niedergeschlagen. Außerdem dürfte auch die gestiegene Bedeutung der Unternehmen in den Rechtsformen von Kapital- und Quasi-Kapitalgesellschaften zu dem Gewinnwachstum beigetragen haben.2) Der Ausbruch der Finanzkrise Mitte 2007 sowie die anschließende kräftige gesamtwirtschaftliche Kontraktion weltweit und in Deutschland führten dann aber sowohl zu einem Rückgang der Gewinne finanzieller Kapitalgesellschaften als auch zu einer spürbar abgebremsten allgemeinen Gewinnentwicklung. Die VGR-Sektoren „nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften“ und „finanzielle Kapitalgesellschaften“ umfassen nicht nur Kapitalgesellschaften im engeren Sinne wie Aktiengesellschaften (AG) und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), sondern auch QuasiKapitalgesellschaften (z. B. Offene Handelsgesellschaften (OHG) und Kommanditgesellschaften (KG)). AGs werden in der VGR nicht gesondert erfasst. Einen Richtwert für die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Gewinne von AGs liefert die Unternehmensbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank, die auf Jahresabschlüssen nichtfinanzieller Unternehmen basiert.3) Danach betrug der Gewinnanteil vor Steuern der AGs an allen Kapitalgesellschaften zuletzt knapp über 25%.4)

VGR-Unternehmensgewinne der Kapitalgesellschaften Jahresendstände Mrd € 500 400

Gewinne ...

300 200

... nichtfinanzieller Kapitalgesellschaften

100 0

... finanzieller Kapitalgesellschaften 1992

95

00

05

2008

Bundesbank stehen hierzu jährlich mehr als 100 000 Jahresabschlüsse deutscher Unternehmen für Auswertungen zur Verfügung. Gemessen an den Umsätzen der Umsatzsteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes repräsentieren die im Datenpool erfassten Unternehmen etwa zwei Drittel der Geschäftstätigkeit der deutschen Firmen außerhalb des Finanzsektors. — 4 Diese Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2006, in dem 56 009 Kapitalgesellschaften in die Untersuchung eingeflossen sind. Davon handelte es sich bei 2 220 Unternehmen um AGs.

Deutsche Bundesbank

17

DEUTSCHE BUNDESBANK EUROSYSTEM

Monatsbericht Juli 2009

Stand: 17. Juli 2009

nderungen anpassen. 3) Zum einen zeigt sich

nehmen, die zumindest im Nachhinein nicht

dies Mitte der neunziger Jahre sowie in jngs-

im Einklang mit einer rationalen Bewertung

ter Zeit, als die Dividenden bei rcklufigen

stehen. Hierzu zhlen sogenannte Verm-

Gewinnen weitgehend stabil blieben bezie-

genspreisblasen, die sich als eine starke Ab-

hungsweise in geringerem Maße sanken.

weichung von der fundamental gerechtfertig-

Zum anderen fielen die Ausschttungen nach

ten Bewertung identifizieren lassen. Bei der

2003 hinter die Gewinne zurck, als die Un-

Entstehung von Vermgenspreisblasen kn-

ternehmen den Gewinnanstieg zunchst of-

nen unter anderem Herdenverhalten und

fensichtlich vor allem fr hhere Thesaurie-

eine asymmetrische Informationsverteilung

rungen und eine „Sanierung“ ihrer Bilanzen

unter den Anlegern sowie berreaktionen

nutzten (zur Gewinnentwicklung aus gesamt-

auf vernderte Gewinnerwartungen eine

wirtschaftlicher Sicht siehe auch die Erlute-

Rolle spielen. Auch psychologisch bedingte

rungen auf S. 17).

Verhaltensweisen auf Seiten der Anleger, deren Auswirkungen im Rahmen der Behav-

Trotz dieser Unterschiede im Detail sind die

ioural Finance untersucht werden, knnen

realisierten Gewinne und die laufenden Divi-

zur Erklrung nicht fundamental begrndeter

denden im Beobachtungszeitraum im Durch-

Aktienkursbewegungen beitragen.

schnitt mit hnlichen Raten gewachsen wie die Aktienkurse. Alles in allem lagen die

Fr die Beurteilung des fundamental gerecht-

durchschnittlichen jhrlichen Wachstumsra-

fertigten Bewertungsniveaus von Aktien sind

ten seit 1991 zwischen 6 % und 7 % pro Jahr.

im Rahmen des Dividendendiskontierungsan-

Dieser Befund steht im Einklang mit theore-

satzes Unternehmensgewinne eine wichtige

tischen berlegungen zum Zusammenhang

Grße. Andere einfache Messgrßen fr eine

der genannten Grßen.

Bewertung des Aktienkursniveaus sind das Kurs-Gewinn-Verhltnis (KGV) und die Dividendenrendite, die den laufenden oder er-

Zusammenhang zwischen Gewinnen

warteten Gewinn beziehungsweise die Divi-

und Aktienkursen: theoretische

dende in Relation zum Aktienkurs abbilden.

berlegungen

Ein verwandter Indikator ist das sogenannte Fed-Modell, das der Differenz zwischen dem

Aktienkurse nicht ausschließlich von Fundamentalfaktoren abhngig

Der Kurs einer rational bewerteten Aktie

inversen KGV – der Gewinnrendite – und

sollte in einem vollkommenen Markt dem

einem sicheren Zinssatz entspricht und sich

Barwert der knftig erwarteten Dividenden

als Risikoaufschlag gegenber einer sicheren

entsprechen. Dabei setzt sich der Diskontie-

Anlage interpretieren lsst.

rungsfaktor aus dem risikofreien Zinssatz und einer Risikoprmie zusammen, die Anleger als Kompensation fr die Unsicherheit der Dividendenstrme verlangen. Die Erfahrung zeigt aber, dass Aktienkurse mitunter Werte an-

18

3 Mgliche Grnde fr eine Politik der Dividendenglttung sind Marktfriktionen (z. B. asymmetrische Informationsverteilung). Bei einem vollkommenen Kapitalmarkt erweist sich dagegen die Ausschttungspolitik als irrelevant. Vgl.: M. H. Miller und F. Modigliani (1961), Dividend Policy Growth and the Valuation of Shares, in: Journal of Business 34, S. 411– 433.

Messgrßen auf der Grundlage von Gewinnen und Dividenden

DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht Juli 2009

Stand: 17. Juli 2009

Whrend der Vergleich solcher Messgrßen

wird. Im dreistufigen Dividendenbarwertmo-

ber verschiedene Marktsegmente oder na-

dell, das auch von der Bundesbank verwen-

tionale Aktienmrkte aufgrund von Unter-

det wird, werden drei Phasen des Dividenden-

schieden zwischen den Risikoprmien, der

wachstums unterschieden. Whrend in der

Rechnungslegung und den Realzinsen als

ersten Phase von einem konstanten Dividen-

problematisch gilt, ist ihre Interpretation im

denwachstum ausgegangen wird, nhert sich

Vergleich mit einem als fundamental gerecht-

die Wachstumsrate in der zweiten Phase an-

fertigt erachteten langfristigen Durchschnitt

nahmegemß

weit verbreitet. Hierbei werden aus Abwei-

Gleichgewichtswert an, der in der dritten

chungen von diesem Durchschnitt Rck-

Phase erreicht wird. 4) In der Praxis wird das

schlsse auf die Angemessenheit der Bewer-

Modell hufig nach der Aktienrisikoprmie

tung gezogen. berschreitet (unterschreitet)

aufgelst, deren Vergleich mit einem langfris-

beispielsweise das aktuelle KGV seinen lang-

tigen Durchschnittswert eine Abschtzung

fristigen Durchschnittswert, dann erscheinen

des

die Aktien – gemessen an den tatschlichen

hohe Aktienrisikoprmie deutet auf eine ver-

beziehungsweise erwarteten Gewinnen – als

gleichsweise große Zurckhaltung der Anle-

hoch (niedrig) bewertet. Dieses Vorgehen hat

ger und demzufolge eine relativ niedrige

den Vorteil der Komplexittsreduktion, lsst

Kursbewertung hin.

linear

ihrem

Bewertungsniveaus

langfristigen

ermglicht.

Eine

sich aber auch empirisch rechtfertigen (vgl. S. 24). Eine Schwachstelle bei der blichen

Im Dividendenbarwertmodell haben nde-

Berechnungsweise ist, dass nur der Gewinn

rungen der Dividendenwachstumsraten ins-

beziehungsweise die Dividende einer Periode

besondere dann einen erheblichen Einfluss

als Bewertungsgrundlage verwendet und als

auf das Kursniveau, wenn die unterstellte

reprsentativ fr die gesamte Zukunft ange-

langfristige Dividendenwachstumsrate nahe

sehen wird; bei Verwendung durchschnitt-

bei der erwarteten Aktienrendite liegt. 5) Fr

licher Grßen wird der Barwerteffekt der zeitlich nheren berschsse beziehungsweise Ausschttungen vernachlssigt. Dividendenbarwertmodelle

Dividendenbarwertmodelle vermeiden diese Nachteile. Sie basieren auf der Diskontierung aller zuknftigen Dividenden mit der erwarteten realen Aktienrendite – also der Summe aus sicherem Zins und Aktienrisikoprmie – als Diskontfaktor. In der einfachen Variante des Modells werden die zuknftigen Dividendenzahlungen ermittelt, indem die aktuelle Dividende zugrunde gelegt und eine konstante Dividendenwachstumsrate unterstellt

4 Zu Einzelheiten vgl.: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, Mrz 2003, S. 36 ff. 5 Im dreistufigen Dividendenbarwertmodell, das eine Weiterentwicklung des einfachen Gordon-Wachstumsmodells darstellt, gilt fr das Kursniveau Pt nherungsweise:   Dt ð1þgÞþðAþB2 Þðgt gÞ , Pt ¼ ðERPt þrt Þg wobei Dt die erwartete Dividende zum Zeitpunkt t, g t die auf Analystenschtzungen basierende reale Dividendenwachstumsrate und A sowie B die Dauer der ersten bzw. zweiten Dividendenwachstumsphase in Jahren wiedergeben. Die unterstellte langfristige reale Dividendenwachstumsrate g hat einen hohen Einfluss auf den Barwert. Je nher g bei der erwarteten Aktienrendite (Aktienrisikoprmie ERPt plus Realzins rt ) liegt und je geringer damit der Nenner des Bruchs ausfllt, desto strker wirken sich nderungen der verwendeten Variablen auf das Kursniveau aus. Das Modell ist nicht lsbar, wenn g der erwarteten Aktienrendite entspricht oder diese bertrifft.

19

DEUTSCHE BUNDESBANK EUROSYSTEM

Monatsbericht Juli 2009

Stand: 17. Juli 2009

die Aussagekraft und Interpretation des Mo-

letztlich in einer qualitativ besseren Konsens-

dells ist es daher von zentraler Bedeutung,

prognose niederschlagen sollte. 8)

dass die angenommenen Dividendenwachstumsraten die tatschlichen Erwartungen der

Die auf Einzelunternehmensebene ermittelte

Anleger korrekt wiedergeben und gute

durchschnittliche Prognose der Analysten wird

Schtzwerte fr die tatschliche Dividenden-

gemß der Marktkapitalisierung des jeweiligen

entwicklung sind.

Unternehmens gewichtet und zu einer Gesamtzahl fr den Index aufaddiert. Allerdings erneuern die Analysten ihre Prognosen in der

Analystenschtzungen als Messgrße

Regel nicht in monatlicher Frequenz. Fr die

fr erwartete Unternehmensgewinne

DAX-Unternehmen zeigt sich, dass bei monatlicher Betrachtung seit 1991 nur ungefhr jede vierte Schtzung revidiert wird. 9) Auch

Datenquellen

wenn sich dieses Verhltnis seit dem Jahr Aus Analystenschtzungen ermittelte erwartete Gewinne

Ein gebruchliches Maß fr die erwarteten

2000 auf durchschnittlich knapp ein Drittel

Unternehmensgewinne sind Analystenscht-

(32 %) erhht hat, bedeutet dies immer noch,

zungen. Im Zusammenhang mit Untersu-

dass die berwiegende Anzahl der in den Ge-

chungen zu Analystenprognosen stellt die

samtindex einfließenden Prognosen denjeni-

I/B/E/S-Datenbank (Institutional Brokers Esti-

gen des Vormonats entspricht. Dies fhrt

mate System) die am hufigsten verwendete

– wie unten nher ausgefhrt wird – unter

6)

Diese Datenbank enthlt

anderem dazu, dass sich die (durchschnitt-

Schtzungen des Bilanzgewinns ber unter-

lichen) Gewinnprognosen nur zgerlich an

schiedliche Zeithorizonte zwischen 12 Mona-

abrupt eintretende neue Entwicklungen an-

ten und fnf Jahren. Der Fokus der Marktteil-

passen.

Datenquelle dar.

nehmer richtet sich berwiegend auf die nchsten 12 Monate, weshalb sich auch der Großteil der Prognosen auf das laufende und das nchste Geschftsjahr bezieht. Fr die Unternehmen des Deutschen Aktienindex DAX stehen seit 1991 im Durchschnitt monatlich knapp 30 Vorhersagen pro Unternehmen fr den 12-monatigen Ausblick zur Verfgung. Diese vergleichsweise hohe Prognosedichte zeigt, dass Analysten vor allem große Unternehmen im Blickpunkt ihrer Ttigkeit haben. 7) Fr die beobachteten Unternehmen bedeutet eine hhere Analystenabdeckung ein verbessertes Informationsumfeld, das sich

20

6 Dabei handelt es sich um Vorhersagen sog. Sell-SideAnalysten, deren Berichte sich nicht primr an den eigenen Arbeitgeber, sondern an externe Adressaten richten. Demgegenber sind Buy-Side-Analysten in der Regel Angestellte von institutionellen Anlegern. Sie haben zum Ziel, den eigenen Managern fundierte Entscheidungshilfen fr den Ankauf von Wertpapieren zu liefern, die aber nicht verffentlicht werden. Aufgrund dieser unterschiedlichen Ausrichtung und dadurch abgeleiteter unterschiedlicher Zielfunktionen werden die beiden Gruppen in der Literatur oft gesondert behandelt. 7 Zum Vergleich: Beim breiter gefassten Dow Jones EuroStoxx entfallen seit seiner Auflegung im Jahr 1999 im Monatsdurchschnitt knapp 18 Analystenprognosen auf ein Unternehmen. Quelle: I/B/E/S, eigene Berechnungen. 8 Vgl. z. B.: R. Frankel, S. P. Kothari und J. Weber (2006), Determinants of the Informativeness of Analyst Research, in: Journal of Accounting and Economics 41, S. 29 – 54. 9 Im Falle unvernderter Schtzungen liegen keine Informationen vor, inwieweit sie aktualisiert worden sind.

DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht Juli 2009

Stand: 17. Juli 2009

Analyse der Gewinnentwicklung Seit 1991 berwiegend Gewinnsteigerungen erwartet

Aktienkurse, realisierte und prognostizierte Unternehmensgewinne

Seit 1991 erwarteten die Analysten von wenigen Ausnahmen abgesehen ein (positives) Gewinnwachstum fr deutsche Unterneh-

Indexpunkte 8 000

men. Die fr die jeweils folgenden 12 Monate

6 000

prognostizierten Gewinne lagen fast immer

4 000

ber den realisierten Gewinnen der vorange-

3 000

gangenen 12 Monate (vgl. nebenstehendes

2 000

Schaubild). Trotz eingebrochener Gewinner-

1 500

Monatsendstände, log. Maßstab

DAX Indexpunkte 800 600 400

wartungen im Zusammenhang mit der aktuellen Finanzkrise gehen die Analysten auch derzeit von einem Gewinnanstieg in den

300

erwarteter Gewinn pro Aktie 1)

200 150

nchsten 12 Monaten aus (+ 15 %). New-EconomyBlase versus Finanzkrise

Bezglich der Gewinnentwicklung sind zwischen dem Aktienboom Ende der neunziger Jahre und der aktuellen Finanzkrise deutliche Unterschiede erkennbar. So stiegen die Kurse

100

realisierter Gewinn pro Aktie 2) 1991

95

00

80 60

05

2009

Quelle: I / B / E / S. — 1 12-Monats-Sicht. — 2 In den vergangenen 12 Monaten. Deutsche Bundesbank

der 30 wichtigsten deutschen Aktien whrend der Entstehung der High-Tech-Blase

werden wrden. Der sich trotzdem bis in das

deutlich strker als die erwarteten Gewinne,

Jahr 2000 fortsetzende Kursanstieg fhrte

und auch der anschließende Kursrutsch ber-

somit zu einer zunehmenden Abkopplung

traf die Korrektur bei den erwarteten Gewin-

der Kurse von den erwarteten Gewinnen. In

nen merklich. Dagegen verliefen sowohl der

dem der aktuellen Krise vorangehenden Auf-

bis 2007 folgende Kursaufschwung als auch

schwung, der im Vergleich zum New-Eco-

der nachfolgende krftige Kurseinbruch weit-

nomy-Boom sektoral wesentlich breiter fun-

gehend im Einklang mit den erwarteten Ge-

diert war, bertraf die Anzahl der nach unten

winnen. Diese unterschiedliche Entwicklung

revidierten Gewinnschtzungen die der Revi-

manifestiert sich in einer tieferen Untersu-

sionen nach oben erst im Oktober 2007

chung der Analystenrevisionen. Whrend des

– und damit nach berschreiten des Hhe-

Booms um die Jahrtausendwende berstieg

punkts am Aktienmarkt. Offenbar wurden

bereits Anfang 1999 die Anzahl der nach

die Aktienanalysten von der Krise berrascht,

unten revidierten Gewinnschtzungen die der

zumal die realwirtschaftlichen Prognosen zu

Revisionen nach oben. Zu diesem vergleichs-

dem damaligen Zeitpunkt keinen abrupten

weise frhen Zeitpunkt berwog bei den zu

konjunkturellen Einbruch signalisierten.

den DAX-Unternehmen befragten Analysten also bereits die Skepsis, ob die bis dahin er-

Der 2007 beobachtete Rckkopplungseffekt

warteten Gewinne auch tatschlich realisiert

von den Aktienkursen auf die Gewinnscht-

21

DEUTSCHE BUNDESBANK EUROSYSTEM

Monatsbericht Juli 2009

Stand: 17. Juli 2009

Welche Determinanten beeinflussen die Gte der Gewinnschtzungen von Wertpapieranalysten?

Wertpapieranalysten fungieren in gewisser Weise als Bindeglied zwischen den von ihnen beobachteten Unternehmen und potenziellen Investoren beziehungsweise Marktbeobachtern, sodass sie auch als Informationsintermedire angesehen werden knnen. Ihre Aufgabe besteht darin, eine Vielzahl von Informationen unterschiedlicher Qualitt zu sammeln, auszuwerten und – im Fall einer Gewinnschtzung – zu einer einzigen Zahl zu verdichten. Das Ergebnis ihrer Analyse wird in der Regel prominent verffentlicht, wohingegen zu dem vorangegangenen Entscheidungsfindungsprozess keine Informationen bekannt gegeben werden. Allerdings ermglicht erst die Kenntnis der die Entscheidung beeinflussenden Faktoren, fundierte Aussagen ber die Qualitt und Rationalitt der gemachten Prognosen zu treffen. Im Folgenden werden verschiedene Determinanten analysiert, die auf den Entscheidungsprozess und die Prognosegte eines Wertpapieranalysten einen Einfluss haben knnen. Dabei wird unterschieden, inwieweit einerseits das individuelle Umfeld die Vorhersagequalitt bestimmt und andererseits ffentlich verfgbare Informationen ihren Niederschlag in den Prognosen finden.1) Unabhngig von den zu berprfenden Determinanten muss im Rahmen einer empirischen Untersuchung zur Prognosequalitt grundstzlich fr den Vorhersagehorizont kontrolliert werden, der als zeitliche Differenz (in der Regel in Monaten) zwischen der Prognoseerstellung und dem Ende des prognostizierten Geschftsjahres definiert wird. Erwartungsgemß ergibt sich hier ein negativer Zusammenhang: Mit zunehmendem Prognosehorizont nimmt die Qualitt der Vorhersagen ab. Ebenso kann auch das jeweilige Geschftsjahr einen spezifischen Einfluss ausben, was in einer Analyse entsprechend bercksichtigt werden muss.

Kubik (2003) fr in den USA ttige Analysten an, dass eine Weiterbeschftigung in dieser Branche eng an die Qualitt der Prognosen geknpft sei.3) Das bedeutet, dass Analysten mit vergleichsweise vielen Berufsjahren bereits einen Selektionsprozess durchlaufen haben, in dem sie sich gegen andere Konkurrenten durchgesetzt haben. Allerdings hat sich die positive Korrelation von Berufserfahrung und Prognosequalitt insbesondere fr europische Analysten als schwach oder gar nicht vorhanden herausgestellt, wofr als Begrndung unter anderem eine andere Anreizstruktur angefhrt wird.4) Die Literatur differenziert daher noch einmal zwischen allgemeiner und unternehmensspezifischer Berufserfahrung. Letztere bezieht sich ausschließlich auf den Zeitraum, ber den ein einzelner Analyst ein bestimmtes Unternehmen beobachtet. Der dabei gefundene positive Zusammenhang erweist sich in der empirischen Analyse in der Regel als robust, was unter anderem auf eine mit zunehmenden Berufsjahren immer besser etablierte Kommunikationsstruktur des Analysten zum Management des beobachteten Unternehmens zurckgefhrt werden kann. Eine weitere analystenspezifische Determinante, die in empirischen Studien auf einen potenziellen Effekt hin untersucht wird, ist die Anzahl der Prognosen, die ein Analyst in einem Geschftsjahr fr ein Unternehmen erstellt. Wenn eine große Anzahl von Revisionen notwendig ist, deutet dies auf Schwierigkeiten einer adquaten Einschtzung hin, was gerade zu Beginn des Geschftsjahres zu einem entsprechenden negativen Zusammenhang zwischen dieser Variable und der Prognosegte fhrt. Dagegen sollte zum Ende des Geschftsjahres die entsprechende Anzahl der Revisionen fr die notwendigen Angleichungen gesorgt haben, sodass kein statistisch signifikanter Unterschied mehr feststellbar ist.

Analysten- und brokerspezifische Faktoren Unterschiede in der Prognosequalitt einzelner Analysten lassen sich zum Teil mit dem individuellen Umfeld beziehungsweise analystenspezifischen Eigenschaften erklren.2) Verschiedene Studien zeigen etwa, dass eine lange Berufserfahrung die Prognosequalitt signifikant positiv beeinflusst. Begrndet wird dies zum einen mit einem Learning-by-doing-Effekt: Eine lngere Ausbung der Analystenttigkeit trgt zu einer grßeren Erfahrung in diesem Berufsfeld bei, was entsprechend zu besseren Vorhersageergebnissen fhrt. Darber hinaus fhren Hong und

1 Fr einen aktuellen Forschungsberblick zu Analystenschtzungen vgl.: S. Ramnath, S. Rock und P. Shane (2008), The Financial Analyst Forecasting Literature: A Taxonomy with Suggestions for Future Research, in: International Journal of Forecasting 24, S. 34 –75. — 2 Vgl. z. B.: M. B. Clement (1999), Analyst Forecast Accuracy: Do Ability, Resources, and Portfolio Complexity Matter?, in: Journal of Accounting and Economics 27, S. 285 – 303. — 3 Vgl.: H. Hong und J. D. Kubik (2003), Analyzing the Analysts: Career Concerns and Biased Deutsche Bundesbank

22

Zu der Gruppe der brokerspezifischen Faktoren zhlt etwa die Grße des Portfolios, das ein einzelner Analyst zu betreuen hat. Hier geht die Theorie von einem negativen Zusammenhang aus: Je mehr Unternehmen beziehungsweise Sektoren ein Analyst zu beobachten hat, desto weniger Zeit bleibt ihm fr die Analyse eines bestimmten Unternehmens, was sich entsprechend an einem signifikant grßeren Prognosefehler ablesen lsst. Auch die Grße des Arbeitgebers, bei dem der Analyst beschftigt ist, erweist sich in verschiedenen Studien als statistisch signi-

Forecasts, in: Journal of Finance 58, S. 313 – 351. — 4 Vgl.: G. Bolliger (2004), The Characteristics of Individual Analysts’ Forecasts in Europe, in: Journal of Banking and Finance 28, S. 2283 – 2309. Demnach ist die Leistungsbeurteilung eines einzelnen Analysten in Europa nicht so eng wie in den USA an den individuellen Vorhersagefehler geknpft. — 5 Vgl.: G. Bolliger (2004), a. a. O. — 6 Vgl.: L. D. Brown (2001), How Important is Past Analyst Forecast Accuracy?, in: Financial

DEUTSCHE BUNDESBANK

Stand: 17. Juli 2009

fikant. Insbesondere US-amerikanische Studien zeigen, dass Analysten, die bei grßeren Analysehusern beschftigt sind, bessere Prognosen erstellen als ihre Kollegen aus kleineren Husern. Eine mgliche Begrndung dafr knnte zum einen darin liegen, dass die Analysten großer Brokerhuser einen leichteren Zugang zum Unternehmensmanagement haben. Auch knnte ihnen eine bessere Ressourcenausstattung zur Verfgung stehen. Nicht zuletzt auf Grund der zuvor genannten Grnde gelten die grßeren Analystenhuser als die attraktiveren Arbeitgeber, sodass mglicherweise auch die besseren Analysten dort beschftigt sind. Allerdings lsst sich dieses Argument nicht ohne Weiteres auf den europischen Markt bertragen, da die Analystenhuser bei der Auswahl ihrer zuknftigen Mitarbeiter nicht in derselben Ausschließlichkeit wie in den USA auf die vergangene individuelle Prognosequalitt setzen.5) Auch wenn mit Hilfe der zuvor genannten Variablen versucht wird, einen mglichst großen Teil der unterschiedlichen Prognosequalitt mit analysten- und brokerspezifischem Verhalten zu erklren, bleibt doch ein großer unerklrter Rest, der dazu fhrt, dass sich in der Regel neben den genannten Determinanten auch die vergangene analystenspezifische Prognosequalitt als hoch signifikant herausstellt. So zeigt Brown (2001), dass ein einfaches Modell, in dem ausschließlich die individuelle vergangene Prognosequalitt als erklrende Variable enthalten ist, einen genauso guten Erklrungsgehalt liefert wie ein Modell mit den zuvor beschriebenen Charakteristika des Analysten.6) Verarbeitung allgemein verfgbarer Informationen Wie bereits erwhnt besteht die eigentliche Leistung eines Finanzanalysten darin, vorhandene Informationen zu sammeln, zu gewichten und zu komprimieren. Eine wichtige und in der Literatur intensiv diskutierte Informationsquelle stellt fraglos die aktuelle Durchschnittsprognose der anderen Analysten-Kollegen dar. Dabei befindet sich der einzelne Analyst zunchst in der gleichen Situation wie die anderen, unbeteiligten Marktteilnehmer. Auf der einen Seite kennt er zwar das Ergebnis der vorliegenden Konsens-Schtzung, auf der anderen Seite weiß er nicht, welche Faktoren bei seinen Kollegen im Entscheidungsprozess eine Rolle gespielt haben. Im Gegensatz zu anderen Marktteilnehmern hat der Analyst auf Grund seiner eigenen Prognose

Analysts Journal 57, S. 44 – 49. — 7 Vgl.: A. V. Banerjee (1992), A Simple Model of Herd Behavior, in: Quarterly Journal of Economics 57, S. 797– 817. — 8 Vgl.: M. B. Clement, J. Hales und Y. Xue (2007), When Do Financial Analysts Look to Others for Answers?, Working Paper. — 9 D. Bernhardt, M. Campello und E. Kutsoati (2006), Who herds?, in: Journal of Financial Economics 80, S. 657– 675 zeigen, dass Vernderungen in der Konsensprognose durchaus relevante und

Monatsbericht Juli 2009

allerdings eine Vorstellung davon, wie sich die Konsensschtzung ndern knnte. Nach der Definition von Banerjee (1992) wird das Verhalten des einzelnen Analysten genau dann als nicht rationales Herdenverhalten klassifiziert, wenn sich seine Prognose ausschließlich aus der Konsensschtzung der anderen Analysten speist und er eigene Informationen entsprechend vernachlssigt.7) Empirisch ist ein Verhalten nach dieser Definition allerdings schwer nachzuweisen. Da verschiedene Analysten normalerweise auf hnliche Informationssignale reagieren, ist es wahrscheinlich, dass sie auch zu hnlichen Empfehlungen kommen. In diesem Fall ist es also nicht eindeutig, ob Parallelbewegungen bei den Gewinnrevisionen der Analysten auf Herdenverhalten oder lediglich auf die gleiche Informationsgrundlage zurckzufhren sind. Clement, Hales und Xue (2007) weisen fr die USA nach, dass die Konsensprognose durchaus auf rationale Weise verwertet wird. Danach bezieht ein einzelner Analyst die Informationen aus der Gemeinschaftsvorhersage umso strker in die eigene Prognose ein, je grßer die Anzahl der Analysten ist, die an der entsprechenden Prognose beteiligt waren.8) In diesem Fall – wenn der Analyst die Konsensprognose als eine von mehreren Informationsquellen benutzt – kann sie zu einer Verbesserung der eigenen Prognosequalitt fhren.9) Insofern wre es zu voreilig, den Nachweis eines Einflusses der Konsensprognose auf die Analystenentscheidung als nicht rationales Verhalten zu charakterisieren. Fr Deutschland weisen Naujoks et al. (2009) sogar nach, dass die Analysten sich in ihren Prognosen systematisch von der Konsensprognose absetzen, um besser wahrgenommen zu werden („Anti-Herding“).10) hnlich wie bei der Konsensprognose verhlt es sich mit der vergangenen Aktienkursentwicklung. Auch wenn es sich um ffentlich bekannte und verfgbare Informationen handelt, kann die Bercksichtigung der Aktienkurse durchaus zur Verbesserung der Qualitt von Gewinnprognosen beitragen.11) Eine weitere Informationsquelle, bei der man ein hnliches Analystenverhalten erwarten wrde, ist der makrokonomische Ausblick. Sowohl unerwartete Vernderungen als auch eine gestiegene Unsicherheit bezglich der zuknftigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sollten die analystenspezifische Gewinnprognose entsprechend beeinflussen.

wertvolle Informationen enthalten, die von dem einzelnen Analysten nicht ignoriert werden drfen. — 10 Vgl.: M. Naujoks, K. Aretz, A. Kerl und A. Walter (2009), Do German Security Analysts Herd?, in: Financial Markets and Portfolio Management 23, S. 3 – 29. — 11 Vgl.: T. Lys und S. Sohn (1990), The Association Between Revisions of Financial Analysts Earnings Forecasts and Security-Price Changes, in: Journal of Accounting and Economics 13, S. 341– 363.

23

DEUTSCHE BUNDESBANK EUROSYSTEM

Monatsbericht Juli 2009

GrangerKausalitt von Aktienkursen und erwarteten Gewinnen

Stand: 17. Juli 2009

zungen lsst sich generell nachweisen.

Kenngrßen auf der Grundlage

Analysten beziehen die vergangenen Kursbe-

von Analystenschtzungen

wegungen der Aktie des betrachteten Unternehmens durchaus in ihre Schtzung ein. Mit

Der Zusammenhang von Aktienkursen und

Hilfe eines Granger-Kausalitts-Tests kann

Gewinnerwartungen liegt auch anderen po-

die Hypothese, dass vergangene Aktienkurse

pulren Bewertungsmaßstben fr den Ak-

keinen Einfluss auf die Gewinnerwartungen

tienmarkt zugrunde. 11) Die Analystenscht-

haben, im Beobachtungszeitraum von 1991

zungen bilden in der Praxis hufig die Grund-

bis 2009 auf dem 1%-Niveau abgelehnt wer-

lage fr die Ermittlung von KGV, Dividenden-

10)

Dieser empirische Befund legt eine

renditen oder Aktienrisikoprmien aus Divi-

vorsichtige Verwendung der Barwertmodelle

dendenbarwertmodellen. Zur Beurteilung des

nahe, da diese annehmen, dass die Gewinn-

fundamental gerechtfertigten Bewertungs-

prognosen unabhngig von den vergange-

niveaus werden diese – wie oben erlutert –

nen Kursentwicklungen geschtzt werden.

mit ihrem langjhrigen Durchschnitt ver-

Um diese Interpretation zu untermauern,

glichen. Dahinter steht die Annahme, dass

mssen Einzelschtzungen der Analysten

die Gewinnschtzungen reprsentativ fr die

und ihre Anpassung im Zeitverlauf jedoch ge-

zuknftige Entwicklung der Gewinne bezie-

nauer untersucht werden, da bisher nicht be-

hungsweise Dividenden sind und der histo-

rcksichtigt wurde, von wann die einzelnen

rische Durchschnitt der Kennzahlen einem

in die Konsensprognose einfließenden Scht-

Gleichgewichtswert hnelt, von dem die lau-

zungen stammen (vgl. Erluterungen auf

fenden Werte nur vorbergehend – zum Bei-

S. 22 f.). Als ein zweites Resultat ergibt sich

spiel wenn nichtfundamentale Einflsse die

aus dem auf monatlicher Frequenz beruhen-

Kursentwicklung temporr dominieren – ab-

den Granger-Kausalitts-Test kein marktrele-

weichen, zu dem sie aber langfristig zurck-

vanter Einfluss der Gewinnschtzungen auf

kehren („mean reversion“). Im Fall des KGV

zuknftige Aktienkurse. Dies widerspricht je-

erscheint dies plausibel und lsst sich auch

doch nicht notwendigerweise dem Dividen-

empirisch anhand von einschlgigen kono-

denbarwertmodell, da man bei informations-

metrischen Tests (Einheitswurzeltests) best-

effizienten Mrkten eine mgliche Reaktion

tigen.

den.

der Aktienkurse auf vernderte Gewinnerwartungen deutlich eher erwarten wrde. Die sich aus dem VAR-Modell ergebenden Impuls-Antwort-Folgen besttigen eine entsprechende unmittelbare Reaktion der Aktienrenditen auf eine Vernderung der Gewinnerwartungen.

24

10 Zwischen den beiden Zeitreihen kann keine konomische Gleichgewichtsbeziehung (Kointegration) nachgewiesen werden. Daher werden fr die konometrische Analyse die beiden Variablen in ihren ersten (logarithmierten) Differenzen in einem vektorautoregressiven (VAR-)Modell untersucht. Mit dessen Hilfe lassen sich Aussagen ber den dynamischen Zusammenhang zwischen den darin abgebildeten (endogenen) Grßen treffen. Hierauf zielt insbesondere das Konzept der GrangerKausalitt ab, bei dem auf einen mglichen Einfluss der verzgerten Werte der einen Variable auf den aktuellen Wert der anderen Variable getestet wird. 11 Vgl.: J. Y. Campbell und R. J. Shiller (2001), Valuation Ratios and the Long-run Stock Market Outlook: An Update, NBER Working Paper 8221.

Beurteilung des Bewertungsniveaus

DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht Juli 2009

Stand: 17. Juli 2009

Beim KGV zeigt sich allerdings auch, dass der ber den gesamten Beobachtungszeitraum

Bewertungsindikatoren für den DAX

ex post ermittelte Durchschnitt von zu frhe-

Monatsendstände

ren Zeitpunkten ermittelten Durchschnitten

30

erheblich abweichen kann und der „Gleich-

25

gewichtswert“ daher mit Unsicherheit be-

20

haftet ist. Zudem weisen die Zeitintervalle

15

zwischen zwei Schnittpunkten des KGV mit

10

Kurs-Gewinn-Verhältnis

5

% 8

seinem Durchschnitt sehr unterschiedliche Lngen auf, die zwischen einem Monat (im

7

Risikoprämie 1)

Jahr 2001) bis knapp sieben Jahren betra-

6 5

gen.

4 3

KGV, Dividendenrendite und Aktienrisikoprmie

2

Die Entwicklung der Kennzahlen KGV, DiviDividendenrendite

dendenrendite und Aktienrisikoprmie unterstreicht die erwhnten Unterschiede zwischen der New-Economy-Blase und der Finanzkrise. Um die Jahrtausendwende erreichte das KGV mit 30 seinen Spitzenwert

1991

95

00

1

05

2009

Quelle: I / B / E / S und eigene Berechnungen. — 1 Maß für die von Anlegern geforderte Risikovergütung. Ermittelt aus dreistufigem Dividendenbarwertmodell, vgl. Monatsbericht, März 2003, S. 37. Deutsche Bundesbank

im Beobachtungszeitraum, und zugleich lagen die Dividendenrendite und Aktienrisi-

gen eine gewisse Normalisierung zu beob-

koprmie (mit jeweils 1,6 %) auf ihrem nied-

achten; gleichwohl unterscheiden sie sich

rigsten Stand seit 1991. Dies spiegelt die

noch immer deutlich von ihren langfristigen

damals offensichtlich besonders ausgeprgte

Durchschnitten.

Bereitschaft der Anleger wider, trotz relativ geringer erwarteter Gewinne und Dividen-

Fr das KGV bedeutet die Tendenz, zu einem

den in Aktien zu investieren, und deutet

Gleichgewichtswert zurckzukehren, dass es

damit auf eine Abkopplung des Aktien-

mindestens einen treibenden Faktor gibt, der

markts von den Fundamentaldaten hin. Im

das Verhltnismaß wieder zu seinem langfris-

Gegensatz dazu lagen die Kennzahlen bei

tigen Durchschnitt zurckfhrt. Diese Anpas-

Ausbruch der Finanzkrise Mitte 2007 nher

sung kann grundstzlich von den Aktienkur-

bei ihren langjhrigen Durchschnitten. Nach-

sen (Zhler), von den Gewinnen (Nenner)

dem das KGV nach krftigen Kursverlusten

oder von beiden Grßen getrieben werden.

am Aktienmarkt zum Jahreswechsel 2008/

So sollte zum Beispiel ein berdurchschnittlich

2009 einen Tiefstand (Dividendenrendite

hohes KGV entweder einen Gewinnanstieg,

und Aktienrisikoprmie: Hchststand) er-

rcklufige Aktienkurse oder beides nach sich

reicht hat, ist in den letzten Monaten bei allen Messgrßen aufgrund steigender Kurse und nach unten revidierter Gewinnschtzun-

25

Determinanten der Anpassung des KGV

DEUTSCHE BUNDESBANK EUROSYSTEM

Monatsbericht Juli 2009

Stand: 17. Juli 2009

als diejenigen der Analysten. Damit nimmt

Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) im Vergleich zu Gewinnwachstum und Aktienrendite

der beobachtete Kursanstieg die Gewinnrevisionen der Analysten bereits vorweg. Dies wrde auch den empirischen Befund erklren

Gewinnwachstum in %

knnen, dass vergangene Kursbewegungen

KGV im Vergleich zu ... ... 4-jährigem Gewinnwachstum

+ 100

einen eigenstndigen Informationsgehalt fr

+ 80

die Gewinnschtzungen der Analysten auf-

+ 60

weisen. Das nebenstehende Schaubild sttzt

+ 40

beide Hypothesen. 13) Die linearen Trendlinien

+ 20

zeigen, dass ber einen lngeren Zeitraum

0

(vier Jahre) sowohl die Aktienkurse als auch

– 20

die erwarteten Gewinne einen Impuls fr die

– 40

Rckkehr des KGV zum langfristigen Mittel5

10

15

20 KGV

25

30

35

... 4-jähriger Aktienrendite

wert geben. Aktienrendite in %

Eine Regressionsanalyse besttigt den zu-

+ 100

nchst nur visuell erlangten Eindruck (vgl. Ta-

+ 80

belle auf S. 27). Sowohl fr die zuknftige

+ 60

vierjhrige Aktienrendite als auch fr die Ver-

+ 40 + 20 0 – 20

5

10

15

20 KGV

25

30

das KGV als statistisch signifikant. Allerdings ist seine Erklrungskraft quantitativ jeweils

– 60

vergleichsweise gering: 9 % der Varianz zu-

– 80

knftiger Aktienrenditen und 11% der Vern-

35

Deutsche Bundesbank

ziehen.

gen ber die nchsten vier Jahre erweist sich

– 40

Quelle: I / B / E / S und eigene Berechnungen.

12)

nderung der zuknftigen Gewinnerwartun-

derung der erwarteten Gewinne knnen durch das aktuelle KGV erklrt werden. Offenbar wirken eine Vielzahl anderer Faktoren ebenfalls auf die Aktienrendite und die Unter-

konomisch lassen sich diese An-

nehmensgewinne ein, die vor allem kurzfris-

passungen zum einen damit begrnden, dass

tige Anpassungen auslsen. Es fllt nmlich

ein vergleichsweise hohes KGV Anleger von

auf, dass die Erklrungskraft der Schtzungen

einem Engagement am Aktienmarkt zurckhalten drfte, da sie – bei den unterstellten Gewinnerwartungen – nicht mit der blichen Rendite rechnen knnen. Zum anderen knnten die Gewinnerwartungen der Investoren – beispielsweise aufgrund besserer oder aktuellerer Informationen – auch gnstiger sein

26

12 Vgl. auch die Argumentation von: J. Y. Campbell und R. J. Shiller (2001), a. a. O., die eine hnliche Untersuchung fr die USA durchfhren. 13 Aktienkurse und Gewinnerwartungen werden nicht preisbereinigt, da angenommen wird, dass beide Grßen dem gleichen allgemeinen Preisindex unterliegen.

Regressionsanalyse

DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht Juli 2009

Stand: 17. Juli 2009

Regression von Aktienrenditen und erwartetem Gewinnwachstum auf das Kurs-Gewinn-Verhltnis o)

Werte logarithmiert Prognosehorizont in Monaten (N) Abhngige Variable

1

3

12

24

36

48

Aktienrendite ber N Monate KGV (N) 2

R ðNÞ

– 0,01

– 0,03

0,00

0,01

– 0,18 *

– 0,27 *

– 0,37 *

– 0,46 **

0,04

0,05

0,07

0,09

Erwartetes Gewinnwachstum ber N Monate KGV (N)

0,03 ***

0,09 ***

0,15 **

0,24 **

0,32 ***

0,35 ***

R2 ðNÞ

0,03

0,06

0,05

0,07

0,10

0,11

o ***/**/* bezeichnen Signifikanz auf dem 1%/5 %/10 %Niveau; bei den Fehlerwerten handelt es sich um NeweyWest-Standardfehler, die sowohl gegenber Heteroske-

dastie als auch gegenber serieller Korrelation robust sind.

Deutsche Bundesbank

deutlich abnimmt, je krzer der prognostizierte Zeithorizont wird.

14)

seabweichung des einzelnen Analysten vom tatschlichen Wert gemessen. Es steht also nicht unmittelbar die Qualitt der von den

Prognosegte von Gewinnerwartungen

Analysten benutzten Prognosemodelle und den darin eingeflossenen Informationen auf

Vorhersagefehler der Konsensprognosen

Abweichungen des KGV von seinem langjh-

dem Prfstand, sondern allein die Genauig-

rigen Durchschnitt knnen mit einem funda-

keit des Ergebnisses. 15) Naturgemß handelt

mental gerechtfertigten Aktienkursniveau im

es sich dabei um eine Ex-post-Bewertung.

Einklang stehen, wenn die Anleger – wie erwhnt – die kurzfristigen Gewinnerwartungen der Analysten als nicht reprsentativ fr die Zukunft ansehen. Eine Voraussetzung fr eine sinnvolle Verwendung der Analystenschtzungen ist daher, dass sie in einem engen Zusammenhang mit den spter tatschlich realisierten Gewinnen stehen. Bei der Beurteilung der Qualitt der Analystenschtzungen gilt der Vorhersagefehler als entscheidendes Kriterium. Dabei wird die Progno-

14 Die Aktienrenditen erlangen erst nach 36 Monaten einen statistisch signifikanten Einfluss. Bei den erwarteten Gewinnen ist dagegen schon die einmonatige Vorhersage durch das KGV statistisch signifikant, auch wenn sie mit einem angepassten R2 von 3 % eine geringere Erklrungskraft aufweist als bei den lngeren Horizonten. Vgl. hierzu auch: J. Y. Campbell, A. W. Lo und A. C. MacKinlay (1997), The Econometrics of Financial Markets, Princeton University Press, S. 267 ff. Darin fhren die Autoren eine Studie zur Erklrungskraft der Dividendenrendite fr den US-Markt durch. Auch hier zeigt sich, dass das Bestimmtheitsmaß mit zunehmendem Prognosehorizont grßer wird. 15 Zu den Determinanten, die die Qualitt der Gewinnschtzungen des einzelnen Analysten beeinflussen, vgl. die Erluterungen auf S. 22 f.

27

DEUTSCHE BUNDESBANK EUROSYSTEM

Monatsbericht Juli 2009

Stand: 17. Juli 2009

1990 beobachteten konjunkturellen Einbr-

Vorhersagefehler der Analystenschätzungen Indexpunkte 8 000 7 000 6 000 5 000

chen und den damit einhergehenden starken Aktienkursrckgngen mehr als 50 %. 18) Da-

Monatsendstände

gegen nahm der Vorhersagefehler in den log. Maßstab

Kursaufschwungphasen deutlich geringere

DAX

und oft sogar negative Werte an.

4 000 3 000

Ein Grund fr die Abweichungen knnte in

2 500 2 000

% + 140

1 500

+ 120

einer gewissen Trgheit der Schtzungen liegen. Da die Analysten nicht jeden Monat

lin. Maßstab

+ 100

fr die von ihnen beobachteten Unternehmen

Vorhersagefehler 1)

+ 80

eine neue Gewinnprognose abgeben, stammt

+ 60 + 40 + 20 0 – 20

1991

95

00

05

2009

Quelle: I / B / E / S und eigene Berechnungen. — 1 Prozentuale Abweichung der durchschnittlichen Gewinnschätzung vom realisierten Wert. Deutsche Bundesbank

ein Großteil der in die Konsensschtzung einfließenden Einzelwerte von frheren Zeitpunkten. Dies erklrt lediglich ein gewisses „Nachlaufen“ der Gewinne, aber noch keine Asymmetrie. Als Begrndung fr die deutlich strkeren Abweichungen in Abschwungphasen beruft sich die Forschungsliteratur auf einen mglichen Interessenkonflikt. Danach

Der aggregierte Vorhersagefehler berechnet

versuchen einige Analysten bewusst, negative

sich aus dem Vergleich der realisierten Ge-

Gewinnprognosen zu vermeiden, um be-

winne der vergangenen 12 Monate mit den

stehende gute Geschftsbeziehungen zu Un-

vor 12 Monaten erwarteten Gewinnen fr

ternehmen nicht zu gefhrden. 19)

die nchsten 12 Monate (vgl. oben stehendes Schaubild). 16) Im Durchschnitt der betrachteten fast 20 Jahre erwarteten die Analysten einen Gewinnanstieg auf Jahresfrist von 21%; tatschlich lag dieser jedoch nur bei 11%. 17) Der Vorhersagefehler ist also signifikant nach oben verzerrt, was auf einen beroptimismus der Analysten hinweist. Im Beobachtungszeitraum fllt berdies auf, dass in Phasen stark sinkender Aktienkurse die durchschnittliche Gewinnerwartung systematisch strker von den tatschlichen Werten abweicht, als in vergleichbaren Aufwrtsbewegungen. Die Vorhersagefehler der Analystenschtzungen betrugen in den drei nach

28

16 Der Vorhersagefehler wird als prozentuale Abweichung der realisierten von den erwarteten Gewinnen anG Gt , wobei V Ft dem Vorhersagegegeben: V Ft ¼ t;t1 Gt fehler in t entspricht, G t;t1 den fr t erwarteten Gewinnen in t  1 und Gt den realisierten Gewinnen in t. 17 Vgl.: W. F. M. DeBondt und R. H. Thaler (1990), Do Security Analysts Overreact?, in: American Economic Review 80, S. 52–57. Die Studie weist als eine der ersten eine positive Verzerrung der Analystenschtzungen fr den US-Markt nach, wodurch sie Ausgangspunkt fr eine Vielzahl weiterer Untersuchungen wurde. 18 Dabei handelte es sich um die Rezession in der ersten Hlfte der neunziger Jahre nach dem Wiedervereinigungsboom, den Abschwung nach dem Platzen der New-Economy-Blase um die Jahrtausendwende und um die aktuelle Finanzkrise. 19 Vgl. z. B.: L. K. C. Chan, J. Karceski und J. Lakonishok (2003), Analysts’ Conflict of Interest and Biases in Earnings Forecasts, NBER Working Paper 9544, sowie A. R. Jackson (2005), Trade Generation, Reputation, and Sell-Side Analysts, in: Journal of Finance 60 (2), S. 673 – 717.

Mgliche Grnde fr asymmetrischen Vorhersagefehler

DEUTSCHE BUNDESBANK Monatsbericht Juli 2009

Stand: 17. Juli 2009

Variationskoeffizient

Bei der Interpretation des Vorhersagefehlers

Unsicherheit der Analystenschätzungen

gilt es zu beachten, dass bei dieser Messgrße positive und negative Abweichungen vom tatschlichen Wert saldiert werden. Fr eine genauere Prfung der Prognosequalitt mssen daher weitere Indikatoren, die die

Indexpunkte 8 000 7 000 6 000

4 000

analysiert werden. Eine solche Messgrße ist

3 000

der Variationskoeffizient, der die Standardab-

2 500

tion zum erwarteten Gewinn abbildet. Im Be-

log. Maßstab

DAX

5 000

Streuung der Schtzungen bercksichtigen,

weichung der Analystenprognosen in Rela-

Monatsendstände

2 000 1 500

obachtungszeitraum nimmt die Streuung der

lin. Maßstab

% 35

Unsicherheitsmaß 1)

30 25

Analystenschtzungen hnlich wie der Vor-

20 15

hersagefehler vor allem in den Abschwung-

10

phasen am Aktienmarkt zu (vgl. nebenste-

5 0

hendes Schaubild). Eine grßere Streuung an Analystenschtzungen geht mit einem grßeren absoluten Vorhersagefehler einher. So liegt die Korrelation zwischen beiden Maßen

1991

95

00

05

2009

Quelle: I / B / E / S und eigene Berechnungen. — 1 Standardabweichung der Gewinnschätzungen in Relation zum Mittelwert. Deutsche Bundesbank

bei ber 0,8. Dies legt nahe, die Schtzungen umso vorsichtiger zu interpretieren, je hher

Gewinnvorhersagen erforderlich. Diese basie-

die Streuung der Prognosen ausfllt.

ren in der Regel auf Analystenschtzungen, die mit einem gewissen Prognosefehler behaftet sind. Es ergibt sich fr die 30 DAX-

Fazit

Unternehmen, dass auch bei einer durchschnittlichen Betrachtung aller Analysten-

Der theoretisch zu erwartende langfristige

schtzungen eine systematische Abweichung

Zusammenhang zwischen Unternehmensge-

vom realisierten Wert zu beobachten ist. So

winnen und Aktienkursen kann anhand der

sind die Schtzungen insbesondere in Ab-

DAX-Unternehmen fr Deutschland auch

schwungphasen einseitig nach oben verzerrt,

empirisch nachgewiesen werden. So lsst sich

was bei der Interpretation einschlgiger

fr das KGV eine „mean reversion“-Eigen-

Kenngrßen

schaft zeigen, die besagt, dass das KGV bei

werden muss. Daher ist es empfehlenswert,

entsprechend langfristiger Betrachtung im-

sich insbesondere in Abschwungphasen nicht

mer wieder zu seinem „Gleichgewichtswert“

nur auf die aggregierte Gewinnschtzung zu

zurckkehrt. Um das KGV als eine Kenngrße

verlassen, sondern beispielsweise auch das

fr die Beurteilung eines „angemessenen“

Verhltnis der positiven zu den negativen Re-

Bewertungsniveaus am Aktienmarkt anwen-

visionen sowie die Streuung der Analysten-

den zu knnen, sind allerdings verlssliche

schtzungen in die Analyse einzubeziehen.

entsprechend

bercksichtigt

29

View more...

Comments

Copyright � 2017 SILO Inc.