Tradition Zuverlässigkeit. 125 Jahre H. Vogemann

125 Jahre H. Vogemann

Tradition Zuverlässigkeit Kompetenz

Impressum Umschlagentwurf: Lohrengel Mediendesign © Firmengruppe H. Vogemann, 2011 Verlagsort Hamburg Erschienen im Selbstverlag Gestaltung und Produktion: Lohrengel Mediendesign, Hamburg Litho: Lohrengel Mediendesign, Fire Dept. Hamburg Druck: Ourdas druckt, www.ourdas.de

Reinhard Barth, Friedemann Bedürftig

125 Jahre H. Vogemann Tradition Zuverlässigkeit Kompetenz

Zum Geleit Ein Schifffahrtsunternehmen, das mit der Bark „Western Chief“ und zwei kleinen Frachtdampfern vor 125 Jahren seine Geschäfte aufnahm und heute zu einer international aufgestellten Unternehmensgruppe mit einer Flotte von zwei Mio. Tonnen Tragfähigkeit gewachsen ist, ist in vieler Hinsicht bemerkenswert. Bemerkenswert, weil sich die Familienunternehmer sehr früh mit den Großen der Branche anlegten und sich daran gewöhnten, im Wettbewerb um Größe, Schnelligkeit und Marktanteile mitzuhalten. In dem Jahr der Einweihung der Freiheitsstatue auf der anderen Seite des Atlantiks wurde die Reederei 1886 in Hamburg gegründet, noch ausRalf Nagel

schließlich auf den europäischen Handel ausgerichtet. Schnell aber richtete sich der Blick über den Ozean. Ebenso wie die Dame am Hafeneingang von New York seit 1886 als Startsymbol von Millionen von Einwanderern in ein besseres Leben wahrgenommen wird, verkörpern die vielen und immer größeren seither in Dienst gestellten Schiffe der Reederei Ideenreichtum, Schaffenskraft und Beharrlichkeit bis zum heutigen Tage. Bemerkenswert ist dieses Unternehmen auch deshalb, weil es bis heute in privatem Eigentum ist. Erst vor zwei Jahren taufte die Ururenkelin des Firmengründers, Christiane von Saldern, in Japan die „Vogerunner“, das zweitgrößte Schiff der deutschen Flagge. In ihrer gewitzten und charmanten Taufrede hob die Patin die enge Verbindung der Gründerfamilie mit den heutigen Firmeninhabern hervor. Als Vertreter des Verbandes Deutscher Reeder erlebte dessen Justiziar Dr. Heitmann bei dieser Taufe die Loyalität, Treue und Freundschaft der heutigen Firmenlenker sowohl zu den Wurzeln des Unternehmens als auch zu allen Partnern. Eine derartige Mischung aus familiärer Herzlichkeit, hanseatischer Kaufmannschaft und innovativer Schaffenskraft ist es, die eine der großen Stärken des deutschen Schifffahrtsstandortes ausmacht. Die aktive Mitarbeit des Unternehmens im Reederverband freut uns gerade deshalb ganz besonders. Die Schifffahrt ist ein von wirtschaftlichen Zyklen abhängiges und von technischen Entwicklungen geprägtes Geschäftsfeld. Der Reederei Vogemann ist es gelungen, über eineinviertel Jahrhunderte diese Herausforderungen zu meistern. Sie kann stolz sein auf diese Tradition als Fundament ihrer Arbeit. Ralf Nagel, Senator a.D. Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied Verband Deutscher Reeder

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

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125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Kapitel 1

Werdegang der Firma H.Vogemann 1886 – 1946

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

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Werdegang der Firma H.Vogemann 1886 – 1946 Im Jahr 1946 hat Richard Vogemann, der Sohn des Gründers Johann Heinrich Vogemann, den Werdegang seiner Firma von der Gründung bis an die Schwelle der Nachkriegszeit in einem detaillierten, zum größten Teil aus eigenem Erleben geschöpften Bericht geschildert. Sein Text bildet in leicht überarbeiteter Form die Grundlage für den hier folgenden ersten Abschnitt der Firmengeschichte, die Jahre 1886–1946. Bark „Western Chief“

1886

ereits mehrere Jahre bevor die Firma H. Vogemann am 22. April

B

Entmündigung (wegen Geisteskrankheit) und Selbstmord König Ludwigs II.

1886 im Handelsregister zu Hamburg von meinem Vater Johann Heinrich Vogemann (geb. 22. Juli 1849) eingetragen wurde, war er in Vegesack, in der Buchtstraße, als Korrespondentreeder tä-

von Bayern.

tig, und zwar für das von meinem Großvater, Kapitän Ferdinand Haesloop,

Gründung eines Vereins deutscher und

geführte Segelschiff „Western Chief“. Dieses Schiff wurde zuerst gemeinsam

ausländischer Seeleute in Hamburg,

mit dem in Vegesack wohnhaften Segelschiffs-Reeder Hinrich Kückens be-

der sich die kostenlose Arbeitsvermitt-

reedert und fuhr unter dessen Reedereiflagge, welche die Buchstaben H.K.

lung zum Ziel setzt.

zeigte. Nach kurzer Zeit wurden die Anteile des Herrn Kückens von meinem Vater übernommen, so dass alle Parten in seinem Besitze waren. Aus einer alten roten englischen Handelsflagge, auf welche nach Entfernung des Union Jack ein weißes „V“ aufgenäht wurde, ist dann die Reedereiflagge der Firma H. Vogemann entstanden. Ungefähr zu dieser Zeit muss es gewesen sein, als mein Vater bei seinem Schwager Carl Ulrichs, Mitinhaber der Vegesacker Werft H.C. Ulrichs (später ein Teil des Bremer Vulkan) den Dampfer „Walküre“ (etwa 750 t Tragfähigkeit) bauen ließ. Ursprünglich bestand, wie mir erzählt wurde, die

Einweihung der Freiheitsstatue

Absicht, dem Schiff den Namen „Vesuv“ zu geben, weil ein mit „V“ beginnender

in New York.

Name zur Wahl stand. Man nahm aber davon Abstand, weil der Kapitän er-

Carl Benz erhält das

klärte, „auf einem feuerspeienden Berge wolle er nicht fahren“. So entschied

Patent auf seinen

man sich dann für den Namen „Walküre“ und wählte für das nächste Schiff,

dreirädrigen „Motorwagen mit Gasbetrieb durch Benzin“.

welches der Werft von H.C. Ulrichs in Auftrag gegeben wurde, den Namen „Rheingold“.

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125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Erstmals wird eine deutsche Werft, die Vulkan in Stettin, mit dem Bau großer Passagierdampfer betraut.

1887 Grundsteinlegung zum Kaiser-Wilhelm-Kanal zwischen Nord- und Ostsee .

Heinrich Hertz weist elektromagnetische Wellen nach. Julius Maggi beginnt mit der Produktion von Suppenwürze. Gründung des HSV-Vorläufer-Vereins SC Germania. Der Gründer: Johann Heinrich Vogemann.

Der Nachfolger: Richard Vogemann.

1888

Die „Western Chief“ muss hauptsächlich in großer Fahrt beschäftigt gewesen sein, denn mein Vater erzählte, dass er bei Abfahrt des Schiffes von Buenos Aires ein Telegramm erhielt, lautend: „Western Chief desemboca“, welches er nicht ohne weiteres verstand, bis er herausfand, dass die Meldung besagte, dass das Schiff im Begriffe war aus der Mündung des La Plata auszulaufen.

Dreikaiserjahr:

Da die Arbeiten im Zusammenhang mit der Bereederung der

Nach dem Tod Kaiser Wilhelms I.

Schiffe sich häuften, beschloss mein Vater im Jahre 1885 das von meinem

besteigt sein Sohn Friedrich III.

Großvater übernommene, sehr einträgliche Manufakturwarengeschäft zu

schwerkrank den Thron und stirbt

verkaufen und nach Hamburg, dem Zentrum des deutschen Reedereiwesens,

noch im selben Jahr. Nachfolger wird

überzusiedeln. Anfangs befanden sich unsere Wohnung und das Kontor am

der Enkel Wilhelm II.

Steindamm 63. Bald darauf wurde die Privatwohnung nach der Uhlandstraße

Zollanschluss von Hamburg und

und das Kontor nach der Admiralitätsstraße 8 (Ecke Heiligengeistbrücke) ver-

Bremen an das Deutsche Reich.

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

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Teile des Hamburger Hafens werden als Freihafen eingerichtet.

legt, wo es bis zum Jahre 1911 verblieb, als wir neue, modernere Büroräume im Hause Mönckebergstraße 22 bezogen.

Durch ein neues Abkommen mit

Aufnahme neuer Teilhaber. Ende der 1880er Jahre war eine

dem Sultan von Sansibar wird der deutschen Kolonie Ostafrika

schwere Krise in der Schifffahrt, und es wurde viel Geld verloren. Die Dampfer

der Zugang zur See gesichert.

„Walküre“ und „Rheingold“, welche zu jener Zeit schon ansehnliche Frachtdampfer gewesen sein müssen (denn sie waren die größten Schiffe, welche damals bis Bremen-Stadt die Weser hinauffahren konnten), wurden meines Wissens hauptsächlich in der Fahrt nach St. Petersburg beschäftigt. Dieser Dienst wurde zusammen mit der Firma Gerhard & Hey betrieben, welche die Dampfer „Johanna Oelssner“ und „Wilhelm Oelssner“ eingestellt hatten. An Kontorpersonal wurden von der Firma Edward Carr die Her-

Suezkanal-Konvention erklärt

ren Johannes Gans und Carl Wohlenberg übernommen, ersterer als Prokurist,

den 1869 eröffneten Suezkanal

letzterer als Buchhalter. Da mein Vater der Ansicht war, dass er zur Fortfüh-

zum internationalen Gewässer.

rung der Firma mehr Kapital benötige, nahm er zu dieser Zeit Herrn Henry Wehner als Teilhaber auf. Dieser war in London geboren, wo sein Vater han-

1889

noverscher Generalkonsul gewesen war und fühlte sich daher als Englän-

Der Reichstag nimmt das

der, obgleich er rein deutscher Abkunft und mit einer Deutschen, Tochter des

Invaliditäts- und Altersversiche-

Inhabers der Firma Uhlmann & Co., verheiratet war. Während der Prokurist,

rungsgesetz an.

Herr Gans, welcher sich infolge seiner Tätigkeit bei der Firma Edward Carr

Im Hamburger Stadtteil

gute Kenntnisse im Schiffsmaklergeschäft angeeignet hatte, sehr tätig und

Eppendorf wird das Allgemeine

spekulativ veranlagt war, kümmerte sich Herr Wehner wenig um das Geschäft

Krankenhaus (seit 1934 Universitätskrankenhaus), mit 1300 Betten das größte Krankenhaus Deutschlands, eröffnet.

Mit der Indienststellung des Schnelldampfers „Hohenzollern“ greift der Norddeutsche Lloyd Bremen in das TransatlantikGeschäft ein.

Blick auf Manhattan und den Hafen von New York. Holzstich von 1893.

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125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

und reiste viel zum Vergnügen, so dass man häufig nicht wusste, wo er sich

1890

aufhielt. Andererseits hielt er mit seiner Kritik nicht zurück, wenn nicht genügend verdient oder mit Verlust gearbeitet wurde. Als die Lage in der Schifffahrt sich zusehends verschlechterte, wurden Anfang der 1890er Jahre die Dampfer „Walküre“ und ‚Rheingold“ verkauft. In Konkurrenz mit der Hapag. Vermutlich auf Veranlassung von Herrn Gans, welcher dieses Geschäft infolge seiner Tätigkeit bei der Fir-

Entlassung des Reichskanzlers

ma Edward Carr gut kannte, wurde dann ein regelmäßiger Dienst von Ham-

Bismarck.

burg nach New York, zuerst als Agent für die Knott‘s Prince Line, später mit

Das Deutsche Reich gibt Sansibar

gecharterten, meist englischen Schiffen, eingerichtet. Ein Bild des Herrn

an England und erhält dafür

James Knott in der Tracht eines englischen Barristers hing noch lange in un-

die Insel Helgoland.

serem Büro.

Nach Erlöschen des Sozialistengesetzes

Das Risiko dieses Dienstes in Konkurrenz mit der HamburgAmerika Linie war recht groß, denn es wurden Frachtkontrakte für monatliche

verzeichnet die Sozialdemokratie Erfolge bei den Reichstagswahlen.

Abfahrten abgeschlossen, während die Schiffe zum Teil erst später im Laufe des Jahres, meist auf Zeitcharter aufgenommen wurden. Die Basis der Ladung nach New York war damals Rohzucker, später auch Kalisalz. Diese Ladungen wurden sehr billig übernommen; der Verdienst lag in den höheren Raten, welche für die aus Stückgütern bestehende Beiladung erhältlich waren. Diese wurden häufig persönlich von meinem Vater abgeschlossen, indem er die

Otto Lilienthal unternimmt die ersten Flugversuche mit einem vogelähnlichen Gleitflugzeug.

1891 Inkrafttreten einer neuen Gewerbe­ ordnung. Sie verbietet die Sonntags­ arbeit sowie die Fabrikarbeit von Kindern unter 13 Jahren; die tägliche Arbeitszeit von Jugendlichen unter 16 Jahren wird auf 10, die von Frauen auf 11 Stunden begrenzt.

Abbildung nächste Seite: Der Hamburger Hafen. Gemälde von Hans Bohrdt, 1900.

Hamburger Fischmarkt.

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

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125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

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Industriegegenden, insbesondere Thüringen, Sachsen und Böhmen bereiste und Frachtabschlüsse für Spielwaren, Steingut, Glaswaren und dergleichen für Woolworth, New York, Marshall, Field & Co., Chicago, usw. tätigte. Seine Reisen führten ihn sogar nach St. Petersburg, Moskau, Warschau, Budapest usw. Welche Ladungsmengen erforderlich waren, geht daraus hervor, dass es Als erstes deutsches Schiff

sich bei den gecharterten Dampfern um solche von 10–12.000 t Tragfähigkeit

gewinnt der Hapag-Schnell-

handelte, wie z.B. D. „Westmeath“ und D. „Knight Errant“, welche verschiedene

dampfer „Fürst Bismarck“ das

Reisen unter unserer Zeitcharter ausführten. In New York wurde zu dieser Zeit

Blaue Band auf der Strecke England-Amerika. Der Bielefelder Apotheker

ein ausschließlich für die Vogemann Linie verfügbarer Kaischuppen in Brooklyn gemietet, dessen Abbildung, mit D. „Knight Errant“ längsseits liegend, bis zu den Tagen der Hamburger Katastrophe (1943) im Börsenkontor hing.

August Oetker legt mit der Einführung des Backpulvers

Zusammenarbeit mit Grünhut. In diese Geschäftsperiode fällt

„Backin“ den Grund für

auch die Gründung der Firma Max Grünhut. Sie wurde Mitte der 1890er Jahre

den Lebensmittelkonzern

von meinem Vater und Herrn Wehner als Speditionsgeschäft gegründet, um

„Dr. Oetker“.

für die New Yorker Linie Güter heranzuschaffen. Herr Grünhut stammte aus

Max Liebermann: „Bürgermeister

der Firma des Schwiegervaters des Herrn Wehner, der Speditionsfirma Uhl-

Petersen“ (Gemälde).

mann & Co. Er war fleißig und tüchtig, dabei vorsichtig und durchaus nicht

1892

York fuhren und die Firma Max Grünhut über die Vogemann Linie billiger als

spekulativ veranlagt. Während wir in Konkurrenz gegen die Hapag nach New Der Reichstag nimmt das Gesetz über die „Gesellschaften mit beschränkter Haftung“ (GmbH) an.

In Hamburg wird der erste Fall von asiatischer Cholera festgestellt. An der Seuche sterben bis Mitte Oktober 8500 Menschen. Emil von Behring entdeckt das Diphterieserum. Rudolf Diesel meldet das Patent auf einen Verbrennungsmotor ohne Zündkerzen an.

Hamburger Hafen. Vorsetzen, um 1890.

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125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

andere Spediteure verladen konnte, kam Grünhut sehr schnell ins Geschäft,

1893

hauptsächlich für Güter nach Nordamerika. Sehr peinlich war es natürlich

In Berlin wird der „Centralverein

für ihn, als die Vogemann Linie, nach Abschluss des Übereinkommens mit der

deutscher Staatsbürger jüdischen

Hamburg-Amerika Linie (worauf ich noch später zu sprechen komme), den

Glaubens“ gegründet, der sich für

Dienst nach New York einstellte, und er für alle Verladungen auf die Hapag

die gesellschaftliche Gleichbehand-

angewiesen war. Er vermochte aber sehr geschickt sich auf die neuen Verhält-

lung der Juden in Deutschland

nisse umzustellen und war später einer der größten Kunden der Hapag für

einsetzt.

Ladungen nach Nordamerika.

Einführung der Mitteleuropäischen

An der Firma Max Grünhut waren wir noch bis zum Tode des Herrn Grünhut im Jahre 1924 beteiligt und zwar mit etwa 40 % des Gewinnes,

Zeit (MEZ) als Einheitsszeit für das gesamte Reichsgebiet.

nachdem Herr Wehner sowohl aus der Firma H. Vogemann als auch aus der Firma Max Grünhut ausgeschieden war. Herr Grünhut hatte seine Anteile an die beiden Söhne seiner Wirtin, Berthold und Erich Schröder, vererbt. Mit der Familie Schröder, welche ihn „Onkel Max“ nannte, war er seit seiner Übersiedlung aus Bremen nach Hamburg sehr befreundet, besonders durch den Umstand, dass ein Los, welches er Frau Schröder zu Weihnachten schenkte, mit dem großen Gewinn von M 60.000,– herauskam. Frau Schröder verkaufte daraufhin den von ihr geleiteten Mittagstisch am Alten Wall für M 10.000,–. Dieses Geld wurde für den Ankauf eines Hauses in der Maria-Louisen-Straße verwandt, wohin die Familie Schröder mit „Onkel Max“ übersiedelte. Die bei-

Karl May veröffentlicht den letzten

den Söhne wurden in der Firma angestellt.

seiner Winnetou-Romane.

Die Aufrechterhaltung des Dienstes nach New York sowie das

Gründung des Deutschnationalen

damit verbundene Chartergeschäft, welches ein großes Risiko involvierte, war

Handlungsgehilfenverbandes

sehr aufreibend für meinen Vater und hat ihm häufig, besonders wenn Streiks

(DHV) in Hamburg, der sich als

und dergleichen die normale Abwicklung behinderten, große Sorgen bereitet.

Gegengewicht gegen die sozialde-

Ich weiß mich noch zu entsinnen, dass im Jahre 1900, während eines lang

mokratische Agitation unter den

anhaltenden Streiks in Hamburg, mehrere Zeitcharter-Dampfer mit einer

Handlungsgehilfen (= Angestellten)

täglichen Miete von M 1.000,– und mehr im Hafen lagen und große Verluste

versteht.

verursachten. Die Vertretung in New York hatte anfangs die Firma Simpson,

1894

Spence & Young, New York, wurde aber später an Barber & Co. übertragen, bis im Jahre 1900 ein eigenes Büro in New York, 21/24 State Street, eröffnet wurde. Herr Gans, damals als Teilhaber aufgenommen, siedelte nach New York über, wo er sich bald John H. Gans nannte. Da er, wie schon gesagt, sehr spekulativ veranlagt war, genügte ihm die Abfertigung der Hamburger Dampfer nicht, und seine Transaktionen wurden immer wilder. 1901 wurde ein Büro

Das nordöstliche Neuguinea

in New Orleans, unter Leitung des von Hamburg nach New York gesandten

wird unter deutschen Schutz

Herrn Richard Meyer, eröffnet, ein Jahr später eine Niederlassung in Norfolk,

gestellt.

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

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Erste Sitzung des Reichstags im neuen

Va. unter der Leitung des Herrn Eduard Nanninga, welcher zusammen mit

von Paul Wallot errichteten Gebäude.

Herrn Gans nach New York übergesiedelt war. In diese Zeit fiel auch die Er-

In Paris wird der jüdische Offizier

richtung der Filiale in Savannah, Ga. unter Leitung des Herrn Henry Nannin-

Alfred Dreyfus wegen angeblicher

ga, während später, im Jahre 1905, noch ein Büro in Texas City, unter Leitung

Spionage zu Verbannung verurteilt.

von Herrn Lafonta, hinzukam.

Friedrich Engels gibt den dritten Band

Ballins Angebot. Etwa im Jahre 1902 oder 1903 muss es ge-

von Karl Marx‘ „Kapital“ heraus.

wesen sein, als die Hamburg-Amerika Linie (Herr Ballin) an meinen Vater

1895

herantrat mit dem Vorschlag, sich über die Hamburg–New York-Fahrt zu

In der Industrie wird die gesetzliche

verständigen. Da es in den letzten Jahren immer schwieriger geworden war,

Sonntagsruhe für verbindlich erklärt.

gegen die Hamburg-Amerika Linie mit ihren schnelleren Dampfern und häu-

Einweihung des Kaiser-Wilhelm-

figeren Abfahrten zu konkurrieren, wurden die Verhandlungen alsbald aufge-

Kanals (heute Nord-Ostsee-Kanal) nach achtjähriger Bauzeit.

nommen. Der Hapag, welche sich inzwischen auf ihren anderen Hauptlinien mit ihren Konkurrenten verständigt hatte, lag viel daran, einen ihrer lästigsten Konkurrenten loszuwerden, um ihre Raten nach New York erheblich heraufsetzen zu können. Es kam dann zu dem für uns sehr günstigen Abschluss, laut welchem die Hapag sich bereit erklärte, für unseren Verzicht auf die

Wilhelm Conrad Röntgen entdeckt die „X-Strahlen“ (später nach ihm Röntgenstrahlen benannt). Theodor Fontane: „Effi Briest“ (Roman).

1896 In Hamburg wird die erste Anlage zur Müllverbrennung in Betrieb genommen. Kaiser Wilhelm II. beglückwünscht in einem Telegramm („Krüger-Depesche“) den Präsidenten der Burenrepublik Südafrika zur erfolgreichen Abwehr eines britischen Einfalls nach Transvaal („Jameson-Raid“).

Albert Ballin, Chef der Hamburg-Amerika-Linie.

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Werbeplakat der Hamburg-Amerika-Linie.

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Konkurrenz nach und von den von ihr bedienten Häfen im Nordatlantik und Golf eine monatliche Entschädigung an die Firma von M 12.000,– (wenn ich mich des Betrages recht entsinne) zu bezahlen, und zwar wurde der Vertrag für mehrere Jahre abgeschlossen, denn er war bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 noch in Kraft. Außer den erwähnten Beträgen erhielt die Firma H. Vogemann noch das Recht der Beteiligung an den Verladungen des Kali-

Beginn des großen Hafenarbeiter-

syndikates nach den südatlantischen und Golfhäfen der Vereinigten Staaten.

streiks in Hamburg, der sich gegen

Die Ladungen des Kalisyndikates nach diesen Häfen wurden von der Hapag

die ausbeuterischen Arbeitsbedin-

übernommen und Dampfer im freien Markt dafür gechartert. Der Erlös ging

gungen im Hafen richtet.

zu 35 % für H. Vogemann, zu 25 % für die Hapag und zu je 20 % für Rob. M.

Die ersten Olympischen Spiele der

Sloman jr. und D. Fuhrmann, Nissle & Günther Nflg. Die Charterung, Abfer-

Neuzeit, zurückgehend auf eine Idee

tigung und Beladung dieser Schiffe erfolgte zu 35 % durch H. Vogemann, die

des Barons Pierre de Coubertin,

übrigen Dampfer wurden für die Hapag von Sloman und Fuhrmann abgefer-

finden in Athen statt.

tigt. Dieses Geschäft war sehr einträglich für uns, denn es ergab sich bei den Charterungen nicht nur fast immer eine Frachtdifferenz zu unseren Gunsten,

1897

sondern die Beladung von 35 % der Schiffe durch unsere Stauereiabteilung,

Der Streik der Hamburger

welche etwa um 1900 eingerichtet war, machte sich gut bezahlt.

Hafenarbeiter bricht nach

Der Vertrag mit der Hapag war auch insofern besonders güns-

11 Wochen Dauer zusammen,

tig, als er uns nur Beschränkungen auf den regelmäßigen Routen der Hapag

ohne dass die Forderungen nach

auferlegte, während wir von und nach den übrigen Atlantik- und Golfhäfen,

Lohnerhöhungen und Verbesserung

wohin die Hapag keinen regelmäßigen Dienst unterhielt, expedieren konnten.

der Arbeitsbedingungen erfüllt worden sind.

100 Schiffe auf der Dampferliste. Nachdem der regelmäßige Dienst zwischen Hamburg und New York auf Grund des Vertrages mit der Hamburg-Amerika Linie eingestellt war, fühlte sich Herr Gans in New York veranlasst, weit größere Geschäfte von anderen Häfen nach allen Häfen Europas, z.B. nach Dänemark, Frankreich, dem Mittelmeer, dem Schwarzen Meer usw. zu machen, und zwar in solchem Umfange, dass im Jahre 1906 fast 100 Schiffe auf unserer Dampferliste standen. Die zur Finanzierung benötigten Gelder beschaffte er sich durch Wechsel, welche gegen die Frachten auf die Hamburger Firma gezogen wurden. Diese Geschäfte waren im Ganzen gesehen

Karl Ferdinand Braun entwickelt die

nicht gewinnbringend und zehrten einen Teil der Entschädigung, welche die

„Braunsche Röhre“ (Kathodenstrahl-

Hapag zahlte, wieder auf. In New York brachten die großen Geschäfte Herrn

Leuchtschirm-Röhre).

Gans in den Ruf eines sehr smarten Charterers, denn er machte Frachtge-

In Zusammenarbeit mit dem Erfin-

schäfte, welche andere Befrachter in New York sich nicht als gewinnbringend

der Rudolf Diesel produzieren die

ausrechnen konnten. Sie wussten natürlich nicht, dass er diese Geschäfte nur

Krupp-Werke und die Augsburger

machen konnte, weil er im Stande war, seine Verluste durch die Zahlungen

Maschinenfabrik die ersten Diesel-

der Hapag auszugleichen.

motoren.

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

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Fertigstellung des Hamburger Rathauses. Wegen des sumpfigen Bodens ist der Bau auf 4000 Eichenpfählen errichtet worden.

1898 Das Deutsche Reich pachtet die Halbinsel Kiautschou auf 99 Jahre vom Kaiserreich China.

Die österreichische Kaiserin Elisabeth („Sissi“), eine geborene bayerische Prinzessin, wird von

Arbeiter im Hamburger Hafen. Foto von 1899.

einem Anarchisten in Genf erstochen.

1899 Auf der Ersten Haager Friedenskon-

Da sowohl mein Vater wie auch Herr Wehner diese Art der Ge-

ferenz, an der 26 Staaten teilneh-

schäftsführung, welche sie noch dazu finanziell in die größte Gefahr brachte,

men, ist auch das Deutsche Reich

nicht billigen konnten – sie hielten es für sinnlos, die von der Hapag erzielten

vertreten. Die Konferenz trifft Ab-

Einnahmen für diese Spekulationen herzugeben –, kam es zu erheblichen

kommen zur friedlichen Erledigung

Differenzen, welche schließlich dadurch beigelegt wurden, dass Herr Gans

internationaler Streitfälle sowie zur

aus der Firma ausschied. Sein Austritt konnte allerdings nur erreicht werden,

Einhaltung bestimmter Regeln im Land- und Seekrieg.

indem vereinbart wurde, dass die Firma aufgelöst würde, die verbleibenden Inhaber aber berechtigt waren, das Geschäft unter unveränderter Firma fortzusetzen. Wegen der durch die Charterungen des New Yorker Büros erlittenen Verluste kam man dahin überein, dass diese für alleinige Rechnung des Herrn Gans abgewickelt werden sollten. Gleichzeitig wurde bestimmt, dass Herr Gans, welcher inzwischen einen Anteil an der Firma Max Grünhut erworben hatte, aus dieser austrat. Filiale in Rotterdam. Zu den Filialengründungen, welche um

Die Firma Friedrich Bayer & Co. in

die Jahrhundertwende erfolgten, ist noch die Errichtung der Rotterdamer

Leverkusen bringt das Schmerzmit-

Agentur, der Vogemann‘s Transport Co. zu erwähnen. Die Leitung der dortigen

tel Aspirin auf den Markt.

Firma wurde Herrn Oliemüller übertragen, welcher wohl geschäftstüchtig,

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125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

aber nicht zuverlässig war. Nachdem sich die Ladungsempfänger verschie-

Albert Ballin übernimmt die

dentlich über Herrn Oliemüller beschwert hatten und wir u.a. eine anonyme

Leitung der „Hamburg-Amerikani-

Postkarte erhielten mit dem Text: „Der Olie ist ein Dieb“, wurde festgestellt,

schen Packetfahrt-Actien-Gesell-

dass kleinere Partien Holz von ihm verschoben waren. Er wurde daraufhin

schaft“ (Hapag) und baut die 1856

entlassen und die Leitung Herrn van Slooten, welcher bei der Firma Wm. H.

gegründete Reederei bis 1914 zur

Müller & Co. tätig gewesen war, übertragen. Er leitete die Rotterdamer Filiale

größten der Welt aus.

bis etwa 1917, als infolge des Krieges das Geschäft auf ein Minimum absank. Die Vogemann‘s Transport Co. hat in den Jahren ihres Bestehens, ausgenom-

1900

men während des Zweiten Weltkrieges, kaum größere Gewinne erzielt, hat

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und

sich aber insofern indirekt gut bezahlt gemacht, als sie mit dazu beitrug, dass

Handelsgesetzbuch (HGB) treten

wir einige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg einen sehr günstigen Vertrag mit

in Kraft.

der Holland-Amerika Linie abschließen konnten, und später, im Jahre 1935 von Thomsen‘s Havenbedrijf zum Ankauf von Schiffen Anleihen erhielten. Als wir uns im Jahre 1906 von Herrn Gans trennten, wäre es naheliegend gewesen, dass mein Bruder Heinrich die Leitung der New Yorker Firma übernommen hätte, denn er war damals 26 Jahre alt und schon zwei Jahre in New York gewesen. Da er sich aber während dieser Zeit mit Herrn Gans nicht vertragen hatte und bis zur Abwicklung im Oktober des Jahres 1906 die Auseinandersetzung fürchtete, während mein Vater derselben auch

Beim Aufstand der Boxer, einem

aus dem Wege zu gehen versuchte, wurde beschlossen, dass ich, damals 21

fremdenfeindlichen Geheimbund in

Jahre alt, die Leitung der New Yorker Firma mit Filiale in New Orleans über-

China, wird der deutsche Gesandte

nehmen sollte.

in Peking, Klemens Freiherr von

Ich schiffte mich Anfang April 1906 auf dem Lloyddampfer „Kai-

Ketteler, ermordet. Das Deutsche

ser Wilhelm der Große“ nach New York ein. Mein Vater wollte einige Wochen

Reich beteiligt sich daraufhin

später nachkommen, zögerte aber seine Reise bis Mitte August hin, da er

an einer internationalen

wegen der bestehenden Differenzen mit Herrn Gans eine gleichzeitige An-

Militäraktion zur Niederschlagung

wesenheit im selben Büro möglichst vermeiden wollte. Wegen der von Gans

des Aufstandes.

verursachten Verluste war, wie schon erwähnt, vereinbart worden, dass alle in Amerika getätigten Geschäfte bis zum 1. Oktober 1906 für Gans‘ Rechnung gehen sollten. Infolgedessen gehörte ihm das im Büro befindliche Inventar, während der Büroraum laut Abkommen der Firma verblieb. Um uns möglichst viele Schwierigkeiten zu bereiten, nahm er, anstatt sich eine Abfindung zahlen zu lassen, alle Büromöbel mit und wollte sogar die elektrischen Lampen

Graf Ferdinand von Zeppelin

abmontieren lassen, was ihm aber von der Hausverwaltung verwehrt wurde,

unternimmt die erste Fahrt mit

da Beleuchtungskörper in Amerika zum Haus und nicht den Mietern gehören.

einem 128 m langen Starrluft-

Durch seine bereits fünf Jahre währende Tätigkeit in New York

schiff. Ein Streik der Hamburger

wie auch durch die großen Geschäfte, welche er für die Firma, wenn auch

Hafenarbeiter wird ohne Ergebnis

mit Verlust, getätigt hatte, hatte Gans natürlich zu allen Maklern die besten

abgebrochen.

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

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1901 Die „Berliner Orthographische Konferenz“, einberufen von Deutschland, Österreich und der Schweiz, bringt die Vereinheitlichung der deutschen Rechtschreibung. Tod der britischen Königin Victoria. In Stockholm werden erstmals Nobelpreise verliehen.

Schiffsverkehr im Hafen von New York, 1905.

Der Passagierdampfer „Deutschland“ empfängt

Beziehungen. Er versuchte nun diese auszunutzen und mir, wo er nur konnte,

Telegramme aus 150 km

das Leben schwer zu machen. So passierte es einmal, dass ich Herrn Zimmer,

Entfernung.

welcher damals bei der im gleichen Kontorhaus ansässigen Firma Howard,

Thomas Mann:

Houlder & Co. angestellt war, ein festes Gebot für einen Dampfer machte,

„Buddenbrooks“ (Roman).

welches Herr Zimmer am nächsten Tage akzeptierte. Einige Stunden später kam er aufgeregt in mein Büro und teilte mir mit, dass Herr Gans, welcher

1902

in Erfahrung gebracht hatte, dass ich auf den Dampfer geboten hatte, eine

Mehr als 30 Jahre nach

etwas höhere Offerte nach London gekabelt hatte, um zu verhindern, dass

dem Ende des deutsch-

ich den Dampfer befrachtete. Das Akzept, welches die Firma Howard, Houl-

französischen Krieges wird der

der & Co. von London erhalten hatte, war die Annahme des von Gans direkt

Ausnahmezustand in Elsass-

gekabelten Angebots. Um Herrn Zimmer und die Firma Howard, Houlder &

Lothringen aufgehoben.

Co. nicht in Ungelegenheiten zu bringen, verzichtete ich auf das Schiff und

Der Reichstag verabschiedet ein neues Zollgesetz, das

ließ Herrn Gans damit glücklich werden. Es gelang mir auch bald darauf, ein passendes Ersatzschiff zu bekommen.

Schutzzölle für die Landwirtschaft verankert.

Geschäfte in New York und in New Orleans. In meinem New

Ende des Burenkrieges in

Yorker Büro hatte ich, da es nur ein Charter-Büro für unseren Dienst vom Golf

Südafrika.

war, nur einen Angestellten namens Sagell, welcher eine Zeitlang vorher im

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125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

In den Haushalten kommen vermehrt Elektrogeräte wie Staubsauger, Bügeleisen, Bratund Backöfen zum Einsatz. Max Liebermann: „Terrasse im Restaurant Jacob in Nienstedten an der Elbe“ (Gemälde).

1903 In Konstantinopel werden die Charterbrief der Reederei Vogemann von 1903.

letzten Verträge zum Bau der Bagdadbahn unterzeichnet. Die Konzerne Siemens, Braun und AEG gründen gemeinsam

Hamburger Büro beschäftigt gewesen war. In New Orleans engagierte ich den

eine Gesellschaft für drahtlose

früheren Assistenten des Herrn Meyer, Herrn George Plant, damals etwa 27

Telegraphie, die Telefunken AG.

Jahre alt, welcher sich als sehr tüchtig, später aber als etwas zu spekulativ

Im Endspiel der zum ersten

erwies.

Mal ausgetragenen Deutschen

Mein Vater traf dann schließlich im August 1906 in New York

Fußballmeisterschaft siegt der

ein und blieb bis Ende November. Die Auseinandersetzungen mit Herrn Gans

VFB Leipzig über den DFC Prag.

waren unerfreulichster Art. Er machte uns Schwierigkeiten, wo er nur konnte;

Die deutsche Marine richtet

fast das gesamte Personal, welches wir nach und nach von Hamburg nach

ihre ersten Funkstationen

Amerika geschickt hatten, ging zu Gans über, da es ihn für die Seele des

zum drahtlosen Nachrichten-

Geschäftes hielt und gleichzeitig die Möglichkeit sah, sich selbständig zu ma-

verkehr mit Schiffen auf hoher

chen. So errichtete Herr Nanninga sein eigenes Büro in Savannah, Richard

See ein.

Meyer die Richard Meyer-Co. in New Orleans usw. Es wurde uns damals klar, dass es ein großer Fehler gewesen war, junge Leute, welche sich untereinander kannten und private Geschäftskorrespondenz miteinander unterhielten, von Hamburg nach Amerika zu schicken. Da mein Vater, mein Bruder und ich uns darin einig waren, das Geschäft in Amerika in sehr viel kleinerem Umfange fortzusetzen, und da wir

Orville und Wilbur Wright star-

keine Absicht hatten, Charterungen von der Südatlantikküste auszuführen,

ten zu ihrem ersten Motorflug.

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

21

1904

trafen wir mit der Firma Strachan & Co. ein Übereinkommen dahingehend, dass wir auf das Geschäft im Südatlantik verzichteten und die Interessen von Strachan in Rotterdam und Hamburg vertraten. Dieses Abkommen wirkte sich in späteren Jahren für das Rotterdamer und Hamburger Büro, besonders nach dem Ersten Weltkrieg, sehr günstig aus, da Strachan‘s, obgleich kein Abkommen mehr bestand, ihre Schiffe weiter an uns konsignierten und unserer Stauereiabteilung die Entlöschung der Schiffe überließen, wodurch

Ausbruch des Herero-Aufstandes

wir eine gute Einnahme hatten, denn wir fertigten etwa 18 bis 20 Schiffe im

in Deutsch-Südwestafrika. Die

Laufe des Jahres ab. Soweit ich mich erinnere, trat mein Vater 1906 aus den

Hereros werden in der Schlacht am

Firmen in Hamburg, Rotterdam und Amerika aus und übertrug seine Anteile

Waterberg besiegt und in die was-

zu gleichen Anteilen auf meinen Bruder und mich.

serlose Wüste abgedrängt, wo sie zu Tausenden umkommen.

Eine Linie mit eigenen Schiffen? Zwar waren in den Jahren

Beginn des russisch-japanischen

1906–1908, als ich das Büro in New York mit Filiale in New Orleans leitete,

Krieges mit der Beschießung von

keine Verluste entstanden und die Unkosten verdient worden, ich kam aber

Port Arthur.

doch zu der Überzeugung, dass es zu kostspielig war, für die Expeditionen,

1905

unterhalten. Außerdem erschien mir die Aufrechterhaltung von regelmäßi-

welche wir vom Golf ausführten, ein besonderes Charterbüro in New York zu Sieg der japanischen Flotte

gen Abfahrten mit nur gecharterten Schiffen als zu nervenaufreibend, denn

über die russische in der

häufig mussten bei anziehendem Frachtenmarkt im letzten Augenblick, um

Seeschlacht von Tsushima.

den Verladeverpflichtungen nachzukommen, Schiffe aufgenommen werden,

Die österreichische Pazifistin

welche sich für die besondere Ladung, Deckfracht usw. nicht eigneten. Ich

Bertha von Suttner erhält

neigte daher dazu, wieder eine Linie mit eigenen Schiffen zu betreiben. Um

den Friedensnobelpreis.

dieses zu besprechen, fuhr ich Anfang des Jahres 1908 nach Hamburg und

Richard Strauss: „Salome“ (Oper)

übergab meinem Angestellten, Herrn Sagell, für die kurze Zeit meiner Abwesenheit die Führung des New Yorker Büros. Dieser hatte nichts Eiligeres zu tun, als sich von Herrn Gans engagieren zu lassen, bedachte allerdings nicht,

1906 Auf der Konferenz von

dass dies nicht seinetwegen geschah, sondern nur, um mir Schwierigkeiten zu bereiten. Obgleich mein Bruder das New Yorker Büro, aus mir unver-

Algeciras (Spanien) wird die Krise um Marokko beigelegt.

ständlichen Gründen, nicht aufgeben wollte, und sich auch bezüglich des

In Köpenick bei Berlin besetzt der

Erwerbs eines Dampfers sehr passiv verhielt, setzte ich es doch durch, dass

als Offizier verkleidete arbeitslose

auf meine Vorstellungen, die Charterungen der von New Orleans zu expe-

Schuster Wilhelm Voigt mit einem

dierenden Dampfer könnten ebenso gut von Hamburg vorgenommen wer-

Trupp Soldaten, die er auf der

den, das New Yorker Büro aufgegeben wurde. Ich kehrte dann im Juli 1908,

Straße angeheuert hat, das Bürger-

nachdem ich die laufenden Sachen abgewickelt hatte von New York nach

meisteramt und beschlagnahmt die

Hamburg zurück, und überließ den Kontorraum unserer Firma Max Grünhut,

Stadtkasse.

deren Geschäftsleiter Herrn Freund mit Herrn Berthold Schröder ich 1906

22

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

zur Verbilligung der gemeinsamen Unkosten in mein Kontor aufgenommen hatte. Nach meiner Rückkehr nach Hamburg schlug ich meinem Bruder eine Arbeitsteilung dahingehend vor, dass ich hauptsächlich das amerikanische, er das europäische Geschäft bearbeiten solle. Mein Bruder wollte sich jedoch hierauf nicht einlassen, da er immer befürchtete irgendwie zu kurz zu kommen. Wir machten daher alles gemeinsam. Dadurch, dass wir zusammen

San Francisco wird durch ein

wohnten und abends eintreffende Kabel, welche sofort beantwortet werden

Erdbeben zerstört.

mussten, besprechen und erledigen konnten, ließ sich die gemeinsame Tä-

Enthüllung des Bismarck-Denkmals

tigkeit auch einigermaßen aufrecht erhalten, besonders, da mein Bruder zu

von Hugo Lederer in Hamburg.

dieser Zeit noch ziemlich pünktlich im Geschäft erschien.

1907 Der erste Neubau. Mochten die Zeiten (1907–1909) für die Ree-

Bei den Bürgerschaftswahlen in Ham-

dereien denkbar schlecht sein, und mein Vater, nachdem er nach Ausscheiden

burg gelingt es der SPD, die Zahl ihrer

des Herrn Gans die aus dem Vertrag mit der Hapag erzielten Einnahmen voll

Mandate zu verdoppeln.

einkassiert hatte, Bedenken tragen, dieses Geld in einem Dampferneubau an-

Gründung des Deutschen Werkbundes

zulegen – gleichwohl setzte ich es unter Tränen durch, dass wir schließlich

in München, der sich zum Ziel setzt,

Anfang des Jahres 1909 mit der Werft Wm. Doxford & Sons, Sunderland, einen

die handwerkliche Arbeit zu veredeln

Neubau von 6.250 t Tragfähigkeit kontrahierten, und zwar zu dem außeror-

und mit der Kunst und der Industrie zu verbinden.

Carl Hagenbeck gründet in Hamburg-Stellingen den ersten Tierpark mit Freigehege.

1908 Kolonialtruppen unter Hauptmann Erckert stürmen die letzte von aufständischen Hottentotten in DeutschSüdwestafrika gehaltene Stellung. Der Reichstag nimmt eine Novelle zum Flottengesetz an, die bedeutende Ausgabensteigerungen vorsieht.

Dampfer „Vogesen“. Gemälde von 1949 nach einer fotografischen Vorlage.

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

23

Österreich-Ungarn annektiert

dentlich billigen Preise von $ 5 per ton d.w. = $ 32.000,–. Dieser Betrag war

Bosnien und die Herzegowina und

bei Ablieferung zu bezahlen. Wir überwiesen aber bereits während des Baus

beschwört damit eine internationale

laufend Anzahlungen, da wir auf solche Beträge 5 % Zinsen p.a. abziehen

Krise herauf.

konnten. Eine Hypothek wurde nicht aufgenommen, der gesamte Kaufpreis vielmehr aus eigenen Mitteln bezahlt. Dies war sehr wichtig, denn in Anbetracht der schlechten Zeiten musste man immerhin damit rechnen, dass das Schiff würde aufliegen müssen, in welchem Falle Zinsverpflichtungen auf Hypotheken sehr unangenehm gewesen wären. Das Anfang 1909 in Auftrag gegebene Schiff, welches den Na-

In Detroit beginnt Henry Ford mit der Fließbandproduktion von Autos.

men „Vogesen“ erhielt, wurde im März auf Stapel gelegt und bereits Anfang Oktober desselben Jahres abgeliefert. Die Frachten waren zu dieser Zeit noch sehr niedrig; immerhin erzielten die ersten Reisen einen, wenn auch nur ge-

1909

ringen Überschuss, weil das Schiff besonders für die Holzfahrt gebaut war

Die Deutsche Reichspost führt den

und daher eine wesentlich größere Deckladung nehmen konnte als andere

bargeldlosen Zahlungsverkehr mit

gecharterte Dampfer der gleichen Größe. Im Jahre 1911 besserten sich dann

Postschecks ein.

die allgemeinen Frachtraten langsam, während sie in den Jahren 1912–1914

In Berlin wird auf einer 150 m lan-

recht gut waren, so dass sehr gute Überschüsse erzielt wurden und der Damp-

gen Bahn aus Holz das erste Sechs-

fer bei Kriegsausbruch sehr niedrig (soweit erinnerlich mit etwa M 300.000,–)

tagerennen der Welt veranstaltet.

zu Buch stand. Unsere finanzielle Lage hatte sich in diesen Jahren sowohl da-

Louis Blériot überquert den Ärmel-

durch, dass die Einnahmen durch die Hapag und die Holland-Amerika Linie

kanal in einem Flugzeug.

(siehe unten) nicht durch fehlerhafte Spekulationen wieder verloren gingen, wie auch durch die guten Resultate des Dampfers „Vogesen“ sehr verbessert,

1910

so dass die Firma bei Kriegsausbruch außer dem schuldenfreien Dampfer

Die Wiederkehr des Halleyschen

„Vogesen“ noch über mehr als M 1.000.000,– an in- und ausländischen Wert-

Kometen regt Weltuntergangs­

papieren sowie über genügend flüssiges Kapital verfügte. Da Dampfer „Vogesen“ ein sehr günstiges Resultat aufwies, hat-

phantasien an.

te mein Vater allmählich wieder Vertrauen zur Reederei gewonnen, auch war mein Bruder nun hell begeistert, so dass wir im Jahre 1912 gemeinsam den Entschluss fassten, einen zweiten Dampfer bei Doxford‘s in Auftrag zu geben. Wir knüpften allerdings die Bedingung daran, dass Doxford‘s, welche für die Firma Heyne & Hessenmüller drei Turret-Schiffe gebaut und infolge der Zahlungsunfähigkeit dieser Firma die Schiffe hatten übernehmen müssen, uns die Bereederung dieser Dampfer, welche zeitweilig dem Reeder Heinrich Schmidt übertragen war, übergeben sollten, wenn wir ein neues Schiff bei Mit dem Einlaufen französischer

ihnen bestellten. Doxford‘s konnten sich aber hierzu nicht entschließen, und

Kriegsschiffe in den marokkani-

so wurden die Verhandlungen dann fallen gelassen. Infolge Ausbruch des

schen Hafen Agadir beginnt die zweite Marokkokrise.

Weltkrieges kam es dann nicht mehr zur Vergebung eines zweiten Neubauauftrages.

24

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Auseinandersetzungen mit den Teilhabern. Für die Jahre

Nach dem Sieg des Farbigen

1906–1908 ist noch nachzutragen, dass Herr Wehner, welcher Teilhaber der

Jack Johnson über den

Hamburger Firma geblieben war, etwa 1907 oder 1908 austrat, nachdem in

Weißen Jeff Jeffries in einem

diesem Jahre in der Hamburger Firma ein kleiner Verlust entstanden war.

Box-Weltmeisterschaftskampf

Da er wenig Interesse am Geschäft hatte und nur Geld verdienen wollte, be-

kommt es zu Ausschreitungen

schleunigten wir seinen Austritt dadurch, dass wir uns bereit erklärten, ihm

in den USA.

seinen Anteil an den noch zu erwartenden Zahlungen der Hapag zu bevor-

Gründung des Fußballvereins

schussen. Wir waren über seinen Austritt sehr froh, da er, wie schon erwähnt,

FC St. Pauli.

nicht arbeitete, dafür aber um so mehr kritisierte. Die beiden Teilhaber meines Vaters hatten sich überhaupt als sehr unerfreulich erwiesen: Herr Wehner

1911

tat nichts und war unzufrieden, wenn nicht gut verdient wurde, Herr Gans war

Gründung der Kaiser-Wilhelm-

fleißig und geschäftstüchtig, ließ sich aber von seinen wilden Spekulationen

Gesellschaft zur Förderung der

nicht zurückhalten und brachte unser Vermögen dadurch in die größte Gefahr.

Naturwissenschaften in Berlin

Mein Bruder und ich waren uns deshalb in diesem Punkt vollkommen einig,

(heute Max-Planck-Gesellschaft).

unter keinen Umständen Teilhaber wieder aufzunehmen. Leider habe ich mit

Durch Entsendung des Kanonen-

meinem Bruder nachher ähnliche Erfahrungen machen müssen wie mein Va-

bootes „Panther“ nach Agadir

ter mit Herrn Wehner.

macht die Reichsregierung die

Kurze Zeit nach Austritt der Teilhaber – ich glaube es war im

Marokkokrise zu einer internatio-

Jahre 1910 – gelang es uns noch, mit der Holland-Amerika Linie, welche un-

nalen Streitfrage.

sere Konkurrenz von New Orleans nach Rotterdam ausschalten wollte, ein

Verabschiedung der Reichs­

sehr günstiges Abkommen zu treffen. Nachdem wir einige Zeit auf dieser

versicherungsordnung (RVO) mit Zusammenfassung der gesetzlichen Krankheits-, Unfall- und Invalidenversicherung.

Nach vierjähriger Bauzeit wird in Hamburg der 448 m lange Tunnel unter der Elbe eröffnet. Erste Ausstellung der Münchener expressionistischen Künstler­ vereinigung „Blauer Reiter“.

Schauerleute mit Reissäcken im Hamburger Hafen. Foto von 1889.

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

25

1912

Route in Konkurrenz gefahren waren, wurde mit der Direktion in Rotterdam

Bei den Reichstagswahlen gibt es einen

(Herrn Reuchlin) ein Übereinkommen getroffen, dahingehend, dass die von

Erdrutschsieg für die Sozialdemokraten.

uns expedierten monatlichen Dampfer für Rechnung der Holland-Amerika

Sie erringen 110 Mandate

Linie gechartert werden sollten, während die Schiffe in New Orleans von

(von 397). Das bisher führende Zentrum

uns, damals Vogemann‘s Shipping Co., und in Rotterdam von der Vogemann‘s

erhält 91 Mandate.

Transport Co. gegen festgesetzte Kommissionen abzufertigen waren. Für den

Wissenschaftler der Deutschen

Fall, dass Expeditionen ausfielen, zahlte die Holland-Amerika Linie für jede

Orientgesellschaft finden in einer

monatlich ausgefallene Expedition $ 1.000,– an die Firma in New Orleans

Bildhauerwerkstatt in Amarna

und Hfl. 1.000,– an die Firma in Rotterdam. Nachdem einige Expeditionen

(Ägypten) die Porträtbüste der

ausgeführt waren, zog es die Holland- Amerika Linie vor, die Expeditionen

Pharaonin Nofretete (16. Jh. v.Chr.)

ausfallen zu lassen und monatlich $ 1.000,– und Hfl. 1.000,– zu zahlen, wo-

Alexander Behm entwickelt das Echolot.

durch beide Büros, ohne Arbeit zu leisten, eine gute Einnahme hatten. Dieser Vertrag lief bis zum Jahre 1916, wurde dann aber infolge des Krieges nicht

1913

erneuert, da sich die Verhältnisse geändert hatten.

Der Passagierdampfer „Imperator“ der

Der Verzicht auf die New Orleans–Rotterdam-Fahrt war für uns

Hamburg-Amerika-Linie, das größte

insofern leicht zu verschmerzen, als wir für unseren Dampfer „Vogesen“ und

Schiff der damaligen Welt, läuft aus

gecharterte Schiffe in der Holzfahrt von den übrigen Golfhäfen, und zwar

Cuxhaven zu seiner Jungfernfahrt aus.

Pensacola, Mobile, Gulfport, Beaumont, Galveston usw. gute Beschäftigung

Fertigstellung der Rendsburger Hochbrücke über den Kaiser-Wilhelm-Kanal,

fanden, so dass unser Geschäft durch den Vertrag mit der Holland-Amerika Linie keineswegs brachgelegt war.

der längsten Eisenbahnbrücke (2,4 km)

Schwindelunternehmen Lemore & Co. Nachdem der Weltkrieg

Deutschlands. Fritz Haber und Carl Bosch gelingt die

ausgebrochen war, gelang es meinem Bruder, welcher von panischer Angst

Hochdruck-Ammoniak-Synthese.

ergriffen war, er könnte eingezogen werden, die Erlaubnis zu erhalten, nach

Friedrich Bergius entwickelt ein Verfah-

Amerika zu reisen. Er hatte dort insofern noch einige Schwierigkeiten, als die

ren zur Verflüssigung von Kohle.

Gläubiger der Firma A. Lemore & Co., für welche die Vogemann‘s Shipping

Franz Marc: „Der Turm der

Co., New Orleans, vor dem Kriege gutgläubig im Voraus Konnossemente ge-

blauen Pferde“ (Gemälde).

zeichnet hatte, versuchten, ihre Forderungen gegen ihn geltend zu machen. Die Firma A. Lemore & Co., von welcher wir vor dem Kriege ganze Damp-

1914

ferladungen mit Fassdauben von New Orleans nach Bordeaux und Sète zu guten Raten übernahmen und auf deren Wunsch Konnossemente zeichneten, bevor die Ware, die auf deren Lager in New Orleans lag, tatsächlich in unserem Gewahrsam war, erwies sich als ein Schwindelunternehmen, als der Empfänger in Bordeaux, Herr Gairard von Gairard Fils, plötzlich starb. Der Zusammenbruch dieses Unternehmens war für uns um so überraschender,

Tödliches Attentat auf den Erzherzog

als es äußerst solide erschien. Die Inhaber, Lemore und Carriere, lebten in

Franz Ferdinand und seine Gemahlin in

New Orleans sehr sparsam und mit wenig Aufwand, obgleich sie sehr gro-

Sarajevo durch serbische Nationalisten.

ße Geschäfte machten. Man hatte daher den Eindruck, dass es sich um sehr

26

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

solide Geschäftsleute handle, welche noch dazu mit einem großen Fassdau-

International werden starke Spannungen

benkonzern in Frankreich, den alteingesessenen Firmen Gairard Fils, Petit

ausgelöst. Sie steigern sich zur „Juli-

und Gaffinel arbeiteten, aus welchem Grunde Herr Plant vielleicht etwas zu

Krise“ und führen zum Ersten Weltkrieg.

leichtsinnig mit den Konnossementen umgegangen war.

Bewilligung der Kriegskredite

Als Gairard starb und die Bank-Transaktionen auf Grund der

durch die deutsche Sozialdemokratie.

von uns ausgehändigten Konnossemente sich als schwindelhaft erwiesen,

Schlacht an der Marne, der deutsche

fehlte die Ware für eine Anzahl Konnossemente, für die wir naturgemäß ver-

Vormarsch kommt zum Stehen.

antwortlich gehalten wurden. Dieses ereignete sich im Jahre 1913. Mein Vater

Großbritannien erklärt die Nordsee zum

und ich fuhren gemeinsam nach Bordeaux und zahlten, soweit mir erinner-

Kriegsgebiet und verhängt eine Wirt-

lich, an Petit und Gaffinel insgesamt Frs. 120.000,¬–, einen Betrag, welcher

schaftsblockade gegen das

damals etwa M 96.000,– entsprach. Es war ein unangenehmer Verlust; in

Deutsche Reich.

Anbetracht der guten Resultate, welche wir sowohl mit Dampfer „Vogesen“ als auch durch die Verladungen mit Lemore erzielt hatten, konnten wir ihn

1915

aber verschmerzen. Die ganze Angelegenheit war besonders peinlich für uns,

Italien tritt an der Seite der

weil die durch den Konkurs Lemore Geschädigten vermuteten, dass wir durch

Alliierten in den Krieg ein.

Ausstellen der Konnossemente an dem Schwindel beteiligt waren, während wir tatsächlich selbst düpiert worden waren. Um nicht persönlich von den noch nicht befriedigten amerikanischen Gläubigern der Firma A. Lemore & Co. gerichtlich belangt zu werden, verließ mein Bruder während des Krieges New Orleans und siedelte zuerst nach Philadelphia, dann nach New York über, denn ihm konnte nur im Staate Louisiana eine Klage zugestellt werden. Einsatz von Giftgas gegen die alliierten Truppen bei Ypern. Bei der Torpedierung des britischen Passagierdampfers „Lusitania“ kommen 120 US-Bürger ums Leben. Untergang des Kreuzers „Blücher“ im Seegefecht an der Doggerbank.

1916 Verlustreiche Schlachten bei Verdun und an der Somme. Beginn des verschärften U-Boot-Kriegs: Mit Geschützen bestückte Handelsschiffe werden wie feindliche Kriegsschiffe behandelt.

Einwanderer im Hafen von New York, um 1910.

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

27

Eine Anlage fonds à perdu. Bis zum Eintritt der Vereinigten

Im Sykes-Picot-Abkommen verständigen sich Großbritannien und

Staaten in den Krieg arbeitete das Büro in New Orleans sehr zufriedenstel-

Frankreich über die Aufteilung des

lend, und zwar erwies sich als besonders rentabel die Vertretung der Nor-

Osmanischen Reichs.

way-Mexico Gulf Line und der Swedish America-Mexico Line, welche ihre Abfahrten sehr viel häufiger gestalteten, da viele Ladungen am Anfang des Krieges über Norwegen und Schweden nach Deutschland weiter gingen. Die Norway-Mexico Gulf Line war etwa im Jahre 1909/1910 von Kapitän Bryde in Oslo (damals Christiania) gegründet worden. Auf Veranlassung von Herrn Plant bewarben wir uns damals um die Agentur in New Orleans, welche uns

Seeschlacht vor dem Skagerrak

übertragen wurde unter der Bedingung, dass wir Kr. 5.000,– in Aktien über-

zwischen der englischen und der

nahmen. Mein Vater sagte damals – und ich stimmte mit ihm darin überein

deutschen Hochseeflotte

–, dass man diese Anlage wohl als fonds à perdu betrachten müsse, da sie

1917

Weltkriege diese Aktien mit Kr. 40.000,– verkauft und bekam noch obendrein

vermutlich keine Dividende abwerfen würde. Später habe ich aber nach dem Beginn des uneingeschränkten

30 % Dividende ausbezahlt. Da die Mark inzwischen durch die Inflation ent-

U-Boot-Kriegs in den Sperrgebieten

wertet war, kam uns dieses Geld sehr zustatten, um damit Devisenverpflich-

um Großbritannien und im Mittelmeer.

tungen abzudecken. Die Büros in Hamburg und Rotterdam lagen während des Ers-

Kriegseintritt der USA. Abdankung des russischen Zaren

ten Weltkrieges brach. Bis zu meiner Einberufung im Juni 1915 versuchte ich

Nikolaus II. Bildung einer bürgerlichen

noch Geschäfte zu machen, so u.a. mit der Firma Weber & Schaer für den

Regierung. Sieg der bolschewistischen

Transport von Rohgummi von Para nach Hamburg. Es kam aber nicht mehr

Revolution in Russland.

zum Abschluss, da die Versicherung nicht mehr gedeckt werden konnte.

Gründung der Universum Film AG

Beim Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg wurde das

(Ufa) in Berlin als Propaganda-

Büro in New Orleans geschlossen und Herr Plant sicherte sich die Agenturen

Instrument der Obersten Heeresleitung.

der Norway-Mexico Gulf Line und der Swedish America-Mexico Line, indem er sich unter der Firma Trosdal, Plant & Lafonta etablierte. Das mit großer

1918 Der amerikanische Präsident Woodrow

Mühe und viel Arbeit aufgebaute Geschäft in New Orleans (seit 1911 hatten wir noch die Agentur von Armement Adolf Deppe mit regelmäßigen Abfahr-

Wilson legt sein 14-Punkte-Programm

ten von New Orleans nach Antwerpen, wozu ich den Inhaber, Herrn Scheidt,

für eine Welt-Friedensordnung vor.

veranlasst hatte) hatte damit sein Ende gefunden, und unser Dampfer „Voge-

Unterzeichnung des Friedens von

sen“ wurde in Pensacola, wo er seit Kriegsausbruch lag, beschlagnahmt.

Brest-Litowsk: Russland verliert über

Bei Beendigung des Krieges im November 1918 war die Lage für

25 Prozent seiner Bevölkerung und

uns trostlos: Geschäft und Werte in New Orleans sowie Dampfer „Vogesen“

27 Prozent seines wirtschaftlich

beschlagnahmt, die Mark entwertet, die ausländischen Wertpapiere an die

nutzbaren Bodens.

deutsche Regierung abgeliefert. An eine Weiterführung der Geschäfte wie vor

Die deutsche Frühjahrsoffensive an der

dem Krieg war vorderhand nicht zu denken. Die Lage besserte sich aber bald

Westfront bleibt nach Anfangserfolgen stecken.

insofern, als die für die Regierung ankommenden Schiffe unter die Schiffsmakler im Turnus verteilt wurden.

28

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Österreich scheidet aus dem Krieg aus. Waffenstillstand von Compiègne beendet den Krieg im Westen. Aus dem Matrosenaufstand in Kiel entwickelt sich eine Revolution in Deutschland. Arbeiter- und Soldatenräte übernehmen kurzzeitig die Macht. Kaiser Wilhelm II. dankt ab und geht ins Exil nach Holland. Friedrich Ebert (SPD) wird Reichskanzler. Ausrufung der Republik. Die nach dem Ersten Weltkrieg abgelieferte „Vogesen“ als USS „Quincy“ in einem amerikanischen Hafen.

1919 In Deutschland werden sozialistische Aufstände von Regierungstruppen und Freikorps niedergeschlagen. Bei den Wahlen zur Verfassunggeben-

Die Herren Landau und Ainsworth. Mein Bruder war bei Kriegsende noch in New York und hatte dort Gelegenheit, sich für die Hamburger

den Nationalversammlung erringt die SPD die meisten Stimmen.

und Rotterdamer Firma um Agenturen zu bewerben, womit er sich auch große Mühe gab. Es gelang ihm auch, von der Pacat Steamship Corporation, welche mit Dampfern des Shipping Board einen regelmäßigen Dienst von New York eröffnen sollte, die Agenturen für Hamburg und Rotterdam zu erhalten. Die Inhaber dieser Gesellschaft waren ein aus Wien stammender amerikanischer Jude namens Landau und sein Sohn Kurt Landau sowie Mr. Ainsworth. Diese

Friedrich Ebert wird Reichspräsident.

Herren waren im Kriege schnell reich geworden und machten alle mögli-

Unterzeichnung des

chen Geschäfte, hatten aber von der Schifffahrt nicht viel Ahnung. Sie waren

Friedensvertrags durch das

daher, insbesondere Mr. Ainsworth, in Bezug auf die Maklergebühren sehr

Deutsche Reich im Spiegelsaal

liberal, auf meine Frage an Herrn Ainsworth, welche Agenturkommission er

von Versailles:

bewilligen würde, antwortete er: „We pay $ 500,– for full cargoes, $ 250,– for

Deutschland muss die alleinige

part cargoes“, was unter Berücksichtigung der damals bereits eingetretenen

Kriegsschuld anerkennen und unter

Markentwertung eine geradezu phantastische Bezahlung war. Ein Schuppen

anderem seine Kolonien und

der Hapag wurde durch unsere Vermittlung gemietet und auf demselben ein

große Teile seiner Handelsflotte

großes Plakat mit dem Namen Pacat Steamship Corporation angebracht.

abtreten sowie hohe

Herr Ainsworth war ein typischer amerikanischer Geschäfts-

Reparationen zahlen.

mann, der kein Blatt vor den Mund nahm und sich stets zu helfen wusste.

Walter Gropius gründet das

So kaufte er sich, als die Eisenbahner streikten, kurzerhand ein Auto, um

Kunstinstitut Bauhaus in Weimar.

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

29

1920

damit nach Kopenhagen zu fahren. Als er auf verschiedene Kabel, welche er

Die internationale

an seine Teilhaber nach New York gesandt hatte, keine prompte Antwort er-

Reparationskommission nimmt

hielt, beauftragte er mich, ein Telegramm nach New York in offener Sprache

ihre Arbeit auf.

zu senden, welches wie folgt begann: „Why in the hell don‘t you answer my

Adolf Hitler verkündet auf einer

cables you are making a damned fool of me“ usw. Ich musste ihn im Hotel

Veranstaltung in München das

meistens gegen Mittag abholen. Er empfing mich dann im Bademantel und

25-Punkte-Programm der DAP,

machte seine Geschäftsbesuche gegen 1 Uhr, wenn die meisten Inhaber zu

die sich wenig später in Nationalso-

Tisch gegangen waren oder sich an der Börse aufhielten. Die Expeditionen

zialistische Deutsche Arbeiterpartei

der Pacat Steamship Corporation wurden noch bis etwa 1922 fortgesetzt; das

(NSDAP) umbenennt.

Geschäft schlief dann aber langsam ein, weil die Gesellschaft in finanzielle

Kapp-Lüttwitz-Putsch gegen die

Schwierigkeiten geriet.

Reichsregierung bricht nach wenigen

Zu dieser Zeit gelang es uns noch, die Agentur der New York

Tagen zusammen.

& Argentine Steamship Co. zu erhalten, welche einen Dienst von Hamburg

Ernst Jünger: „In Stahlgewittern“ (Kriegserlebnisbuch). Robert Wiene: „Das Cabinet des

nach Buenos Aires einrichtete. Auch dieser Dienst wurde mit Shipping BoardDampfern betrieben, aber nach etwa einem Jahr wieder eingestellt, weil die Schiffe anderweitige Verwendung finden mussten. Ein weiterer Lichtblick war für uns, dass ein Holländer, Herr

Dr. Caligari“ (Film).

Goedhart, welcher früher in Hamburg tätig gewesen war und meinen Bruder

1921 Die deutschen Reparationszahlungen werden auf 226 Milliarden

gut kannte, uns vorschlug, mit den drei Dampfern der Bothnia Linie (C. Goudriaan) Rotterdam einen Dienst von New Orleans nach Rotterdam einzurichten und eine gemeinsame Agentur in New Orleans zu eröffnen. Da wir hierdurch

Goldmark festgelegt, zahlbar

die Möglichkeit sahen, unser seit 1901 bestehendes Büro in New Orleans wie-

innerhalb von 42 Jahren.

der zu betreiben, willigten wir ein, die Agentur daselbst unter der Bezeich-

Gründung der Deutschen

nung Vogemann, Goudriaan Co. Inc. zu errichten und Herrn Goudriaan mit 50

Luftpost GmbH zur Beförderung von

% an dem $ 10.000,– betragenden Kapital und am Gewinn zu beteiligen. Mein

Personen und Post.

Bruder hatte gleichzeitig mit Herrn Nihlen von der Continentalen Reederei gesprochen, um ihn zu veranlassen, seine Dampfer in die Fahrt New Orleans – Hamburg einzustellen, welchen Vorschlag dieser annahm. Abenteuer am Grasbrook. Ich begab mich daher im Jahre 1921 nach New Orleans und schiffte mich dazu auf dem Dampfer „Manchuria“ der

Dramatischer Kursverfall der

Atlantic Transport Line in Hamburg ein, da die deutschen Linien noch nicht

deutschen Mark an der Frankfurter

wieder in Betrieb waren. Die Passagiere wurden von den Passagierhallen am

Börse. Beginn der Inflation.

Grasbrook nach dem Kaischuppen der Hapag übergesetzt und mussten dort

Nach Volksabstimmungen

über einen langen Laufsteg an Bord gehen. Da wir wegen der gleichzeitigen

kommen Teile Oberschlesiens an Polen.

Fahrkartenkontrolle lange warten mussten, stellte ich meinen Handkoffer auf

Hugo von Hofmannsthal:

dem Laufsteg ab. Der Koffer kippte über und fiel genau zwischen Kaimauer

„Der Schwierige“ (Lustspiel)

und Schiff ins Wasser. Er enthielt meine sämtlichen Papiere, Vollmachten für

30

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

1922

Der Vertrag von Rapallo zwischen dem Deutschen Reich und Sowjetrussland beendet die außenpolitische Isolation Deutschlands Abzug der alliierten LuftfahrtÜberwachungskommission aus Deutschland. Baubeginn für den Rhein-MainDonau-Kanal als Teil eines

Passagierhallen der Hamburg-Amerika-Linie am Grasbrook.

durchgehenden Wasserwegs von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer. Das Projekt wird erst 1992 vollendet.

die Errichtung der Vogemann, Goudriaan Co. usw., und ich hätte bei Verlust

Ermordung von Reichsaußenminister

desselben meine Reise aufgeben müssen. Gottlob gelang es, den Koffer, wel-

Walther Rathenau in Berlin-

cher nicht sofort unterging, mit einem Peekhaken aufzufischen. Die Papiere

Grunewald.

waren nur wenig beschädigt, und so konnte ich denn meine Reise antreten. In

Panikstimmung an den deutschen

New York angekommen, wunderte ich mich, dass der Name Vogemann trotz

Börsen. Der Wert des US-Dollars ist

Krieg und Aufgabe unseres New Yorker Büros bei den Telegraphengesell-

auf 860 Mark gestiegen.

schaften noch bekannt war.

Fritz Lang:

Ich fuhr sofort nach New Orleans weiter und besuchte dort

„Dr. Mabuse der Spieler“ (Film).

den von früher her mir bekannten Herrn Dumont, Leiter der Standard Export Lumber Co., mit welchem wir vor dem Kriege große Geschäfte gemacht

1923

hatten. Er empfahl mir als Geschäftsleiter Herrn George Simno, welchen ich

Französische und belgische Truppen

dann auch engagierte. Als Buchhalter stellte ich meinen Vetter Carl Ulrichs,

besetzen das Ruhrgebiet wegen

der schon früher bei uns tätig gewesen war, wieder ein und mietete ein Kontor

ausgebliebener Kohlelieferungen.

im Perrin Building (später Baronne Building).

Inflation auf dem Höhepunkt:

Das Geschäft ließ sich gut an, denn auf die Frachten, welche

Für einen US-Dollar werden

noch verhältnismäßig hoch waren, erhielten wir 4 % Kommission, so dass

12 Milliarden Mark gezahlt.

nach Abzug der Unkosten noch ein erheblicher Gewinn verblieb. Leider stellte

Niederschlagung der Separatisten­

die Bothnia Linie nach etwa 12 Monaten ihren Dienst ein, da Herr Goudriaan,

bewegung im Rheinland.

welcher die Schiffe im Kriege sehr teuer gekauft hatte, in finanzielle Schwie-

Kommunistischer Umsturzversuch

rigkeiten geriet.

in Hamburg.

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

31

Die Continentale Reederei hielt ihren Dienst noch einige Jahre aufrecht. Herr Nihlen, der Direktor der Gesellschaft, kam, wenn ich mich recht erinnere, im Jahre 1924 nach New Orleans und erzählte, dass er die Absicht habe, eventuell Dampfer mit Passagiereinrichtung einzustellen. Es kam jedoch nicht dazu, denn kurze Zeit darauf wurde die Continentale Reede„Hitler-Putsch“ in München.

rei von einem Konzern unter Führung von Axel Dahlström übernommen und

Errichtung der Deutschen Rentenbank,

später an die Firma Hugo Stinnes weiterverkauft. Diese Firmen hatten kein

die mit der Ausgabe der neuen Renten-

Interesse an der Aufrechterhaltung des New Orleans-Dienstes und stellten

mark eine Währungsreform einleitet.

ihn alsbald ein. Der Verlust der beiden Agenturen war natürlich sehr schmerz-

1924

lich und stellte uns vor die Frage, entweder das New Orleans Büro wieder

Gründung des Republikschutzbundes

aufzugeben oder andere Dampfer, eventuell eigene, einzustellen. Wir ent-

Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold.

schlossen uns dann im Jahre 1925 zum Ankauf des Dampfers „Manchester

„Dawes-Plan“ zur Regelung der deutschen Reparationen. Verhaftung des Massenmörders

1926 – Unfall auf Dampfer „Vogesen“

Fritz Haarmann.

Im November 1926 verunglückte ein

Thomas Mann: „Der Zauberberg“

Schauermann bei Ladearbeiten auf

(Roman)

dem Vogemann-Dampfer „Vogesen“

1925 1925

im Hamburger Hafen. Der Bericht des Hafenbetriebsrates enthüllt die Unzulänglichkeiten bei der Versorgung von Unfallopfern in jener Zeit: „Der Unfall passierte um 10 Uhr vormittags. Der Dampfer ‚Vogesen‘ gab sogleich die nötigen Signale, aber keine Barkasse der Behörde zur Beförderung des Verletzten kam. Obgleich die Barkasse der Kaiververwal-

Tod des Reichspräsidenten

tung vorbeilief und die Signale hörte, nahm sie keine Veranlassung, zum

Friedrich Ebert. Als Nachfolger

mindesten einen Transportkorb an Bord zu bringen, auch verweigerte die

wird Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg gewählt.

Schuppenleitung, die telefonische Nachricht an die Unfallstation zu geben. Erst als um 11 Uhr 10 noch die Signale des Dampfers ertönten, wurde

Der Reichstag verabschiedet Schutz­

dem stattgegeben ... Auf Grund der langen Verzögerung der Beförderung

zölle für die Landwirtschaft

von Bord ins Krankenhaus ist eine Empörung an Bord hervorgerufen, der

und Industrie.

man eine Berechtigung nicht absprechen kann. Es gibt uns erneut Veran-

Konferenz von Locarno über ein Sicherheitsabkommen in Europa.

lassung, auf die Unzuverlässigkeit der Beförderungsmittel bei Unfällen hinzuweisen ...“

Egon Erwin Kisch:

Klaus Weinhauer: Alltag und Arbeitskampf im Hamburger Hafen 1914–1933. Paderborn 1994, S. 163

„Der rasende Reporter“ (Reportagen)

32

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Port“, welcher damals 20 Jahre alt war, und nannten ihn wiederum „Vogesen“.

1926

Da ein Dampfer in der Fahrt nicht genügte und das frühere Chartergeschäft

Gründung der Deutschen Lufthansa

schon wegen der Devisenschwierigkeiten nicht wieder aufgenommen werden

AG durch den Zusammenschluss von

konnte, kauften wir – ich glaube, es war im Jahre 1927 – von der Firma Röch-

Junkers Luftverkehr und Aero Lloyd.

ling, Menzell & Co. den Dampfer „Rhein“ (früher „Elisabeth Rickmers“), der den Namen „Vogtland“ erhielt. Herrn Siemens in Rotterdam gelang es dann noch, den Dampfer „Delia“, an dem wir uns finanziell beteiligten, für die Fahrt zu interessieren. Dieser Dampfer machte einige Reisen. Es entstanden aber bald erhebliche Differenzen mit dem Kapitän, welcher am Schiff beteiligt war, und seinen übrigen Geldgebern, so dass wir schließlich das Schiff in Rotterdam an die Kette legen mussten, bis es uns gelang, die vorgestreckten Gelder zurückzu-

Die amerikanische Tänzerin

erhalten. Die Mittel für den Erwerb der Schiffe hatten wir zum Teil durch die

Josephine Baker gastiert im

Überschüsse in der New Orleans-Firma erworben, zum Teil aber erhielten wir

Berliner Nelson-Theater.

sie aus Amerika durch die sogenannte Freigabeaktion. Die Hamburg-Amerika

Einführung einer einheitlichen

Linie und der Norddeutsche Lloyd, welche am meisten an den Kriegsverlus-

Straßenverkehrsordnung.

ten in Amerika beteiligt waren, hatten durch Herrn Dr. Kiesselbach in den

Arbeitsbeschaffungsprogramm zur

Vereinigten Staaten eine Entschädigungsaktion für die im Kriege verlorenen

Senkung der hohen Arbeitslosenzahlen.

Dampfer eingeleitet, welche erfolgreich durchgeführt wurde. Unser Dampfer

Max Schmeling Deutscher Boxmeister

„Vogesen“, welcher im Jahre 1917 in Pensacola beschlagnahmt worden war,

im Halbschwergewicht.

wurde, soweit mir erinnerlich, mit M 1.200.000,– bewertet, obgleich er uns

Aufnahme Deutschlands

1909 als Neubau nur M 650.000,– gekostet hatte. Wir erhielten à conto dieser

in den Völkerbund.

Freigabebeträge mehrere Zahlungen, im ganzen etwa M 550.000,– und später

Arthur Schnitzler:

von der deutschen Regierung für aufgelaufene Zinsen noch etwa M 120.000,–.

„Traumnovelle“ (Erzählung)

Als die nationalsozialistische Regierung ans Ruder kam, wurden seitens der USA die Zahlungen eingestellt, weil angeblich die deutsche Regierung ihren

1927

Verpflichtungen gegenüber den amerikanischen Gläubigern, welche Forde-

Die Alliierte Militärkommission beendet

rungen an Deutschland hatten, nicht nachkam.

ihre Tätigkeit im Deutschen Reich.

Bis zum Jahre 1929 wurden mit den beiden Dampfern „Vogesen“

Proteste gegen den Bau

und „Vogtland“ verhältnismäßig gute Resultate erzielt; dann wurden aber die

des Panzerkreuzers A.

Raten auf dem Frachtenmarkt so schlecht, dass jede Reise mit Verlust ab-

Martin Heidegger: „Sein und Zeit“

schloss. Es ist mir später von meinem Bruder der Vorwurf gemacht worden,

(Philosophische Abhandlung).

dass ich die Schiffe zu lange in Fahrt gelassen und dadurch mehr verloren hätte, als wenn sie aufgelegt worden wären. Er bedachte dabei nicht, dass bei einem geringen Verlust es vorteilhafter war, die Schiffe in Fahrt zu lassen, denn erstens war die Unterhaltung während des Aufliegens recht hoch, da die Schiffe instandgehalten werden mussten, und zweitens fehlten die Einnahmen in New Orleans, so dass dort durch den Ausfall der Kommissionen

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

33

Fritz Lang: „Metropolis“ (Film).

1928 Die SPD geht mit den Deutschen Demokraten, der Deutschen Volkspartei und der Bayerischen Volkspartei eine große Koalition ein. Tschiang Kai-schek marschiert mit seiner nationalrevolutionären Armee in Peking ein. Der Polarforscher Amundsen kehrt von einem Flug über das Nordpolargebiet nicht zurück. Walt Disney bringt den ersten Tonfilm mit Mickey Maus als Hauptdarsteller heraus.

Aufliegende Schiffe im Hamburger Hafen, 1931.

ein großer Verlust entstanden wäre. In einigen Fällen war es auch so, dass man sich auf Basis der Frachten, welche von New Orleans in Aussicht gestellt wurden, einen geringen Verdienst ausrechnen konnte, während es sich später nach Beladung herausstellte, dass die tatsächlich erzielte Fracht niedriger war. Mein Bruder kümmerte sich schon damals wenig um die Einzelheiten im Aufstieg der Schwedin Greta Garbo

Geschäft, da er meistens erst gegen Mittag im Kontor erschien, er verstand es

zum internationalen Filmidol.

aber sehr gut im Nachhinein zu kritisieren und zu behaupten, dass man nicht

Erich Kästner: „Emil und die

auf ihn gehört und dass er alles viel besser gemacht hätte.

Detektive“ (Jugendroman). Bertolt Brecht/Kurt Weill:

Unter Panamaflagge. In den Jahren 1931–1932 wurde die Lage

„Die Dreigroschenoper“.

auf dem Frachtenmarkt allerdings so prekär, dass nichts weiter übrig blieb als die Schiffe aufzulegen, weil die einzelnen Rundreisen zeitweise mit M

1929

20.000,– bis M 30.000,– Verlust abschlossen.

Tod des Außenministers

Bevor es hierzu kam, versuchten wir noch auf Wunsch meines

Gustav Stresemann.

Bruders den Dampfer „Vogtland“ dadurch in Fahrt zu halten, dass wir ihn

Young-Plan zur Regelung der Reparationsfrage.

unter der Panamaflagge fahren ließen. Wir taten es deshalb, weil man unter der Panamaflagge an keinen Lohntarif gebunden war, auch brauchten

Adam Opel AG wird vom

wir keine sozialen Abgaben zu bezahlen. Obgleich zu allen Zeiten Reedereien

US-Automobilkonzern General Motors

ihre Schiffe unter fremden Flaggen haben fahren lassen (die Engländer unter

übernommen.

norwegischer Flagge, die Amerikaner unter englischer Flagge usw.), wurde

Der Turbinenschnelldampfer

durch unsere Maßnahme viel Staub aufgewirbelt, weil die sozialdemokrati-

„Bremen“ des Norddeutschen Lloyd

sche Regierung fürchtete, der Flaggenwechsel könnte Schule machen und der

gewinnt das Blaue Band.

von ihr aufgestellte Lohntarif sowie die sozialen Abgaben illusorisch werden.

34

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Während das Angebot von Mannschaften so groß war, dass die Leute, welche sich anmustern lassen wollten, vor unserem Kontor bis auf die Straße Schlange standen, schrieben Berliner Zeitungen, z.B. das Berliner Tageblatt, dass wir zu unseren Löhnen keine Leute bekommen könnten. Infolge dieser wissentlich falschen Zeitungsmeldungen wurden wir nur noch mehr bestürmt und erhielten von allen Teilen Deutschlands Musterbücher zugesandt mit der Bitte um sofortige Einstellung.

Schwarzer Tag an der Wallstreet:

Wir haben dann mehrere Reisen unter der Panamaflagge ausgeführt mit dem Ergebnis, dass unsere Schiffe noch fahren konnten, als an-

Der historische Börsenkrach leitet eine Weltwirtschaftskrise ein.

dere bereits aufliegen mussten. Der Kapitän und die Mannschaften waren denn auch sehr dankbar, dass sie zu den, wenn auch etwas geringeren Löhnen eine Anstellung hatten, während ihre Kollegen arbeitslos waren. Im Jahre

Vogemann-Schiffe unter Panamaflagge In der deutschen Arbeiterbewegung erregte das von der Reederei Vogemann 1931 praktizierte Ausflaggen beträchtliche Empörung. Der Schriftsteller Erich Mühsam veröffentlichte dazu in der Zeitung „Welt am Montag“ am 16. Februar 1931 ein satirisches Gedicht: Die nationale Würde steht

Die Firma zeigt‘s der Republik. -

bei Vogemanns im Vordergrund,

Und mit Verrecke! und Hurra!,

und wer sich wider sie vergeht,

mit Fridericus-Blechmusik

der ist für sie ein Schweinehund.

schwenkt Vogemann den Panama.

Für ihr von Verrat umdrohtes

Runter mit der Gösch! – Au bagge!

deutsches Vaterland erglüht

Vogemann lacht sich den Ast,

immerdar ihr schwarzweißrotes,

und die Panamesen-Flagge

stahlbehelmtes Kampfgemüt.

flattert froh vom „Vogtland“-Mast.

Erich Mühsam

Sofern er ihnen nützlich sei,

Das Schiffsvolk darbt. Die Firma spart.

bejahen Vogemanns den Staat.

Volldampf voraus für das Geschäft!

Ansonsten schreit die Reederei:

Fürs Vaterland geht‘s auf die Fahrt,

Pfui Panama! Landsverrat!

für welches Vaterland? – Wie trefft! ...

Vogemanns sollen teure Steuern

Das ist Deutschlands Heldenblüte

zahlen vom Profit? – Man nicht!

(Vogemanns sind reichlich da!):

Soll‘n sich beim Matrosenheuern

Schwarzweißrötlich im Gemüte,

scheren um soziale Pflicht?

und im Hauptbuch – Panama!

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

35

Nobelpreis für Literatur

1932 wurden allerdings das Ladungsangebot so gering und die Frachten so

geht an Thomas Mann.

schlecht, dass wir trotz Panamaflagge auch die „Vogtland“ auflegen mussten.

Konkordat zwischen dem Vatikan und

Da ihre Klasse abgelaufen war, und wir in Anbetracht der schlechten Markt-

dem faschistischen Regime in Italien

lage die hohen Klassifikationskosten scheuten, haben wir das Schiff dann zum

Erich Maria Remarque: „Im Westen

Abbruch verkauft, soweit ich mich entsinne, zum Preise von M 50.000,–. Die

nichts Neues“ (Weltkriegsroman)

nationalsozialistische Regierung hatte allerdings für den Flaggenwechsel ge-

1930

dass nur diejenigen Reeder in den Genuss der Reichshilfe kommen sollten,

nau so wenig Verständnis wie die frühere Regierung, sie machte ein Gesetz, Der Zentrumspolitiker Brüning bildet das erste Präsidialkabinett, die Regierung stützt sich auf Notverordnungen des Reichspräsidenten.

welche keine Schiffe unter fremder Flagge fahren ließen. Da die zum Abbruch verkaufte „Vogtland“ noch unter der Panamaflagge auflag, konnte ich die erste Reichshilfe für Dampfer „Vogesen“ nicht erhalten, weil Dampfer „Vogtland“ zu jener Zeit noch nicht von den Käufern übernommen und abgewrackt war.

Durchbruch der NSDAP bei den

Die Jahre 1929–1933 waren für uns besonders verlustbringend,

Reichstagswahlen.

denn auch nach Auflegung der Dampfer hielten die Verluste an, und die Unkosten in New Orleans und Rotterdam liefen weiter, ohne dass ihnen Einnahmen gegenüberstanden. Erst nachdem die nationalsozialistische Regierung die Reichshilfe einführte, wodurch ungefähr die gesamte monatliche Lohnsumme zu Lasten des Reiches ging, besserten sich die Zeiten für die Reeder. Dampfer „Vogesen“ wurde bald darauf wieder in Fahrt gesetzt.

Alliierte räumen das Rheinland.

Ankäufe mit holländischem Geld. Es mag Anfang des Jahres

„Salzmarsch“ der indischen

1935 gewesen sein, als Herr Siemens, Leiter der Vogemann‘s Transport Co.

Unabhängigkeitsbewegung

uns darauf hinwies, dass durch Kredite in holländischen Gulden sogenannte

gegen die britischen

Auswanderermark zu einem sehr vorteilhaften Kurse erworben werden könne.

Kolonialherren. Max Schmeling besiegt Joe Sharkey und wird Weltmeister im Schwergewicht.

Joseph von Sternberg: „Der blaue Engel“ (Film)

Gedränge vor der Hamburger Arbeitsvermittlung für Seeleute.

36

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Es gelang uns dann nach längeren Verhandlungen einen größeren Kredit von

1931

der Thomsen‘s Havenbedrijf, welchem wir im Laufe der Jahre viele Geschäfte

Die deutsche Regierung verfolgt

zugewiesen hatten, zu erhalten. Gleichzeitig beteiligte sich die Vogemann‘s

strikten Sparkurs, um den

Transport Co. an diesem Kredit, so dass etwa Hfl. 60.000,– bis 70.000,– für den

Haushalt zu sanieren.

Erwerb von Auswanderermark zur Verfügung standen. Zum normalen Kurs

„Hoover-Moratorium“ zur Stundung

waren dieses etwa RM 100.000,– bis 120.000,–, während wir an Auswanderer-

der deutschen Reparationsleistungen.

mark, welche wir für den Ankauf eines Schiffes verwenden konnten, etwa RM

Die „nationale Opposition“ schließt sich

300.000,– erhielten.

zur „Harzburger Front“ zusammen.

Wir betrieben nun gleichzeitig den Ankauf des der HamburgAmerika Linie gehörenden Turbinendampfers „Schwarzwald“ zum Preis von

Konkurs der Darmstädterund Nationalbank.

M 330.000,–. Die Hapag konnte den Verkauf nicht sofort genehmigen, weil das Schiff erst in Amerika entpfändet werden musste. Der Kauf des Dampfers, welcher durch die Firma Knöhr & Burchardt vermittelt wurde, wurde daher vorbehaltlich Entpfändung abgeschlossen. Als nach einigen Monaten Einweihung des Empire State Building in New York.

Die Auswanderermark

Carl Zuckmayer: „Der Hauptmann von Köpenick“ (Schauspiel).

In Deutschland herrschte bereits seit 1931 eine Devisenbewirtschaftung, die sich seit 1933 unter der Herrschaft des Nationalsozialismus

1932

massiv verschärfte. Sie führte bei Auswanderungen dazu, dass beim

Arbeitslosenzahl auf dem

Umtausch von Reichsmark in Devisen erhebliche Abschlagszahlungen

Höchststand (6,1 Mio.).

an die Deutsche Golddiskontbank fällig wurden. 1934 mussten bereits

Hindenburg als Reichspräsident

65 % der transferierten Gesamtsumme als Abgabe bezahlt werden,

wiedergewählt.

d.h. real konnten nur 35 % umgetauscht werden. Im Jahr 1939 waren

Die Autohersteller Audi, Horch, DKW

es schließlich 96 %, die bei Auswanderung fällig wurden. Dieser

und Wanderer schließen sich zur

Mechanismus funktionierte natürlich auch umgekehrt: Durch das Her-

Auto-Union zusammen.

einholen von Devisen konnte man hohe Reichsmarkbeträge erwerben.

Gustaf Gründgens tritt erstmals

Im geschilderten Fall, dem Ankauf eines Schiffes mit einem Kredit aus

in der Rolle des Mephisto in

Holland, scheint es sich um ein solches Kopplungsgeschäft gehandelt

Goethes „Faust“ auf.

zu haben: Hereinholen von Gulden, Auszahlung von RM-Beträgen aus

Hans Fallada: „Kleiner Mann –

jenen Abschlagszahlungen, die Auswanderer an die Golddiskontbank

was nun?“ (Roman)

abgeführt hatten. Insofern hätte die Firma tatsächlich von DevisenNächste Seite: Der Hamburger Hafen mit dem Luftschiff „Graf Zeppelin“. PanoramaWandbild von Erich Kips, 1931.

bewirtschaftung auf der einen und Zwangsauswanderung auf der anderen Seite profitiert. Auskunft Dr. Frank Bajohr, Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg, September 2009

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

37



38

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

39

1933

die Entpfändung perfekt wurde, wäre die Hapag am liebsten vom Verkauf des Dampfers wieder zurückgetreten, weil die Frachtraten inzwischen angezogen hatten. Da der Verkauf aber fest abgeschlossen war, konnte sie nicht mehr zurück. „Schwarzwald“ wird „Rheingold“. Wir hatten die Absicht, den

Hindenburg beruft Adolf Hitler

Namen des Dampfers unverändert zu lassen, da „Schwarzwald“ und „Vogesen“

zum Reichskanzler. Beginn der

gut zueinander passten, die Hapag bestand aber auf einer Namensänderung,

nationalsozialistischen Diktatur.

und so entschieden wir uns dann, den alten Namen „Rheingold“ wieder auf-

Terror gegen Regimegegner.

leben zu lassen.

Auflösung der politischen Parteien,

Mein Bruder hatte für den Ankauf des Dampfers „Rheingold“,

„Gleichschaltung“ von Verbänden

trotz seines durch den holländischen Kredit außerordentlich billigen Preises,

und Organisationen. Aufhebung der Gewerkschaften, an ihre Stelle tritt die

nur widerstrebend seine Einwilligung gegeben, es lag ihm mehr daran, seine Wertpapiersammlung zu vergrößern als wieder Schiffe in Fahrt zu setzen.

Deutsche Arbeitsfront.

Nachdem die ersten Reisen ein zufriedenstellendes Resultat

Austritt Deutschlands aus dem

ergeben hatten und mein Bruder auch zu der Überzeugung gekommen war,

Völkerbund.

dass durch den Kredit von Thomsen‘s Havenbedrijf Dampfer „Rheingold“ zu

Präsident Roosevelt begründet in den

einem Spottpreis erworben worden war, bemühten wir uns, auf der gleichen

USA den „New Deal“ zur Reform des

Basis ein zweites Schiff anzukaufen. Durch Vermittlung der Firma Daniel

Wirtschafts- und Gesellschaftssystems.

Milberg wurde uns der Dampfer „Lisa“ der Firma John T. Essberger für RM 395.000,– angeboten. Dieser Preis war schon wesentlich höher als der für

1934 Tod des Reichspräsidenten Hindenburg, Hitler ernennt sich zum Staatsoberhaupt. Mordaktion gegen die Führung der SA

Dampfer „Rheingold“ bezahlte, dabei war Dampfer „Rheingold“ 1922 erbaut, Dampfer „Lisa“ dagegen im Jahre 1914. Trotzdem war aber auch dieser Kaufpreis sehr annehmbar, insbesondere weil wir nach Rückzahlung des ersten Kredites ein weiteres Darlehen von Thomsen‘s erhielten, so dass wir wiederum mit billiger Mark bezahlen konnten.

wegen angeblicher Vorbereitung eines

Durch den Ankauf des Dampfers „Lisa“, welchen wir „Walküre“

Staatsstreiches.

nannten, ging mein langersehnter Wunsch, für unsere Fahrten vom Golf drei

Putschversuch der Nationalsozialisten

eigene Dampfer zu besitzen, endlich in Erfüllung. Leider konnten die Schiffe

in Österreich scheitert.

in den letzten zwei Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg in der Golffahrt nicht so

Zentralisierung der deutschen Justiz.

vorteilhaft beschäftigt werden wie auf anderen Routen, da die Dollarfrachten

Der Außenhandel des

verhältnismäßig niedriger waren als die Markfrachten. Die Dollars mussten

Deutschen Reiches wird unter

an die Reichsbank abgeliefert werden und wurden uns nur zum normalen

staatliche Kontrolle gestellt.

Kurs gutgeschrieben. Wir entschlossen uns daher, Dampfer „Vogesen“ für 12

1935

sehr hoch, denn das Schiff kostete uns nur etwa M 350,– pro Tag, während

Monate an die Firma Bornhofen auf Zeitcharter abzugeben. Der Gewinn war Rückgabe des Saargebietes an das

Bornhofen, soweit ich mich entsinne, M 850,– bis M 900,– an Chartermiete

Deutsche Reich.

pro Tag bezahlte, so dass ein Gewinn von ca. M 500,– pro Tag verblieb. Auch

40

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

„Nürnberger Gesetze“: Ächtung und Entrechtung der Juden in Deutschland. Deutsch-britisches Flottenabkommen ermöglicht maritime Aufrüstung. Italien führt Krieg gegen Abessinien. Ende des „Langen Marsches“ der chinesischen Kommunisten unter Mao Zedong. Leni Riefenstahl: „Triumph des Willens“ (NS-Parteitagsfilm).

1936 Deutsche Truppen besetzen die entmilitarisierte Zone des Rheinlandes.

Dampfer „Rheingold“. Gemälde nach einer fotografischen Vorlage.

Ausbruch des spanischen Bürgerkrieges. Olympische Spiele finden in Deutschland statt. (Garmisch-Partenkirchen, Berlin). Hitlerjugend wird zur Staatsjugend erklärt. Die „Queen Mary“, derzeit größtes Schiff der Welt, auf Jungfernfahrt. Dampfer „Rheingold“, hier noch als „Schwarzwald“, im Hamburger Hafen.

Dampfer „Rheingold“ wurde später in Zeitcharter abgegeben und zwar an die

Max Schmeling besiegt den „braunen

Deutsche Afrika Linie für eine Rundreise nach Südafrika. Die Chartermiete

Bomber“ Joe Louis.

für die Südafrikareise war ca. M 1.100,– pro Tag, während die Tageskosten sich auf etwa M 700,– beliefen. Leider wurde Dampfer „Rheingold“ kurz nach

1937

Kriegsausbruch südlich Island beim Versuch, die Blockade zu durchbrechen,

Hitler enthüllt seine Kriegspläne vor

vom englischen Kreuzer „Delhi“ aufgebracht und mitsamt seiner Ladung be-

führenden Militärs und Politikern

schlagnahmt, nachdem er einige Monate vorher gänzlich überholt und mit

(„Hoßbach-Protokoll“).

Ölfeuerung versehen war. Dampfer „Vogesen“ wurde am 6. Mai 1940 auf ei-

Stapellauf des KdF-Dampfers

ner Reise mit Kohlen nach Oslo vor Göteborg torpediert. Dampfer „Walkü-

„Wilhelm Gustloff“.

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

41

re“ sank am 22. Dezember 1942 an der schwedischen Küste. Da es sich bei letzterem um einen Seeschaden handelte, mussten die Assekuradeure den Verlust bezahlen, und wir erhielten ca. M 900.000,– ausgezahlt. Um zu vermeiden, dass dieses Geld vielleicht nach Kriegsende entwertet werden würde, hielten wir es für ratsam, uns noch an dem sogenannten Hansaprogramm zu Explosion des Luftschiffes

beteiligen, laut welchem 100 Schiffe von 3.000 t Tragfähigkeit für die deut-

„Hindenburg“ in Lakehurst

schen Reeder während des Krieges gebaut werden sollten. Die Baukosten

bei New York.

dieser Schiffe betrugen je M 1.800.000,–. Hiervon bezahlte die Regierung M

Ausstellung „Entartete Kunst“ in

800.000,–, während der Reeder M 1.000.000,– aufzubringen hatte. Nachdem

München.

wir für Dampfer „Walküre“ von den Assekuradeuren M 900.000,– erhalten

Carl Orff: „Carmina Burana“

hatten, konnten wir den Preis für den Neubau ohne Aufnahme einer Anlei-

(szenische Kantate).

he bezahlen. Das Schiff, welches „Tannhäuser“ genannt wurde, übernahmen

1938

auf seiner dritten Reise am 8. Juli 1944 westlich von Helgoland versenkt.

wir am 6. April 1944. Es hat nur zwei kurze Reisen ausgeführt und wurde Besetzung Österreichs („Anschluss“). Konferenz in München: Die Tschechoslowakei muss das Sudetenland an das Deutsche Reich abtreten.

1942 – Das Hansa-Bauprogramm

Terror gegen die Juden in Deutschland

Um Ersatz für die Kriegsver-

mit Zerstörung der Synagogen,

luste der deutschen Seeschif-

Morden und Verhaftungen

fahrt zu schaffen, lief 1942

(„Reichskristallnacht“).

das Hansa-Bauprogramm an.

1939

Finanziert wurde es von acht großen deutschen Reederei-

Einmarsch deutscher Truppen in die Tschechoslowakei.

Hansa-Schiff, 3550 t (Entwurf)

Schiffahrt Treuhand GmbH

Sieg der Militärpartei unter General Franco in Spanien.

en, die für diesen Zweck die

gründeten. Ähnlich wie in den Vereinigten Staaten die Liberty-Schiffe, sollten

Deutsch-sowjetischer Nichtangriffs-

die Einheitsfrachter des Hansa-Bauprogramms in Serie nach feststehenden

pakt mit geheimem Zusatzprotokoll

Mustern gebaut werden. Es gab drei Typen, ein kleiner zu 3000 t, ein mittle-

zur Abgrenzung der Interessens­

rer zu 5000 t und ein großer zu 9000 t. Die Deutsche Werft in Hamburg, der

sphären in Nordosteuropa.

Bremer Vulkan und Schichau in Danzig fungierten als „Vorbauwerften“, die

Beginn des Zweiten Weltkrieges mit

die ersten Exemplare fertigten. Wegen Rohstoffknappheit musste man auf

dem deutschen Angriff auf Polen.

den eigentlich zu spröden Thomasstahl zurückgreifen und kohlebefeuerte

Übergang zur Kriegswirtschaft

Dampfkessel und Kolbendampfmaschinen einbauen, die nicht mehr dem neu-

(Rationierungen, Steuererhöhungen).

esten Stand der Technik entsprachen. Bis Kriegsende entstanden im Hansa-

Seeblockade der Alliierten gegen das

Bauprogramm insgesamt 65 Schiffe, von denen einige (nach Umrüstung auf

Deutsche Reich.

Ölfeuerung der Kessel) noch bis in die späten 1970er Jahre fuhren.

42

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Holzfahrt von Schweden und Finnland. Nach Verlust unse-

1940

rer Dampfer „Rheingold“ und „Vogesen“ durch Kriegsereignisse wurde uns als Entschädigung zuerst der schwedische Dampfer „Start“ im Juni 1940 als Eigentum überwiesen und unter dem Namen „Tristan“ in Fahrt gesetzt. Das Schiff war 1.700 BRT groß und hatte eine Tragfähigkeit von ca. 2.500 t. Es war für Kohlen-Holzladungen etc. sehr geeignet und machte sich in der Holzfahrt von Schweden und Finnland gut bezahlt, denn es lud etwa 750–780 Standards. Dampfer „Tristan“ ist im Februar 1943 auf der Reise von Danzig nach Reval verschollen, ohne dass uns irgendeine Nachricht erreicht hätte.

Deutsche Operation „Weserübung“

Im April 1942 erhielten wir weiter noch den lettischen Dampfer „Everonika“ zugewiesen. Dieses Schiff, das wir in „Irma“ umtauften, wurde von

gegen Dänemark und Norwegen. Angriff im Westen auf die Niederlande,

uns für den Reichskommissar für die Seeschiffahrt bewirtschaftet. Es war ein

Belgien und Frankreich.

Schiff von 3.757 BRT mit einer Gesamtladefähigkeit von ca. 6.100 t. Es ist am

Handelskrieg gegen

14. März 1944 an der norwegischen Küste aufgelaufen und gesunken.

Großbritannien mit Übersee­

Im Laufe des Krieges erhielten wir weiter noch als Eigentum

streitkräften und U-Booten.

Dampfer „Rastenburg“ ‚ welcher bei der Übernahme im Dezember 1943 in Bor-

Luftschlacht um England mit

deaux lag und anschließend einige Reisen mit Erz von Bilbao nach Bordeaux

deutscher Bomberoffensive

ausführte. Die Raten für diese Ladungen waren sehr gut, so dass jede kurze

gegen britische Städte.

Reise einen erheblichen Überschuss ließ. Leider konnten aber nur sechs bis

Lion Feuchtwanger: „Exil“ (Roman).

sieben Reisen bis Kriegsende ausgeführt werden. Am 25. August 1944 wurde

1941

das Schiff in Bordeaux von unserer Kriegsmarine versenkt.

Deutsche Truppen unter General Rommel unterstützen die Italiener in Nordafrika. Untergang des Schlachtschiffes „Bismarck“. Deutscher Angriff auf Russland („Unternehmen Barbarossa“). Atlantik-Charta legt die Ziele der Westalliierten fest.

Angriff der Japaner auf den US-Kriegshafen Pearl Harbor. Beginn des Krieges im Pazifik.

Zerstörungen im Hamburger Hafen, 1943.

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

43

1942

Am 20. Oktober 1944 erhielten wir zur Bewirtschaftung noch

Wannsee-Konferenz zur Planung der

den finnischen Dampfer „Ursa“ (2.982 BRT), welcher einige Reisen für uns

Judenvernichtung im deutschen

ausführte. Auch dieses Schiff wurde von unserer Kriegsmarine versenkt, und

Herrschaftsbereich.

zwar am 24. April 1945 in Bremen, ohne dass irgend etwas vom Inventar oder

Erster Start der Rakete A4

Proviant geborgen werden konnte. Zum Schluss ist noch der lettische Damp-

in Peenemünde. Britischer Sieg in der Schlacht von El Alamein.

fer „Everiga“ zu erwähnen, welcher sich als Wrack in Libau befand und uns zur Betreuung überwiesen wurde; er sollte später von uns als Eigentum übernommen werden. Nachdem das Schiff etwa ein halbes Jahr in Libau gelegen hatte und die dortige Marinewerft sich nicht entschließen konnte, ernstlich mit den Reparaturarbeiten zu beginnen, wurde es zur Werft von Burmeister & Wain in Kopenhagen geschleppt, um dort gründlich instandgesetzt zu werden. Bei Kriegsende war das Schiff nicht annähernd fertig. Es ist mir nicht bekannt, was aus ihm geworden ist, vermutlich haben es die Russen übernommen.

Erstflug des Düsenjägers Me 262 „Schwalbe“.

Verlust aller Fahrzeuge. Nach dem Zusammenbruch im Mai

Erste kontrollierte Kettenreaktion

1945 hatten wir nicht nur den Verlust unserer eigenen Schiffe, sondern auch

im Rahmen des amerikanischen

sämtlicher uns während des Krieges zugeteilten Fahrzeuge zu beklagen. Das

„Manhattan-Projekts“.

1943

Kapitulation der 6. Armee in Stalingrad. Italien scheidet aus dem Krieg aus. Offensive im Kursker Bogen scheitert.

Schwere Luftangriffe auf Hamburg („Unternehmen Gomorrha“). Erste Konferenz der „Großen Drei“ in Teheran.

Der Rathausmarkt nach den Bombenangriffen von 1943. Im ausgebrannten Gebäude mit der runden Ecke am Eingang zur Mönckebergstraße befand sich der Firmensitz.

44

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Büro der Vogemann, Goudriaan Co. Inc., New Orleans, konnte seit Eintritt der

1944

Vereinigten Staaten in den Krieg nicht weiter arbeiten, und der seit 1929 dort tätige Geschäftsleiter Horace Upton gab seine Stellung auf. Die in Amerika vorhandenen Werte sind zweifellos, wie auch im Ersten Weltkrieg, beschlagnahmt worden. Die Vogemann‘s Transport Co., Rotterdam hatte während des Krieges noch gut gearbeitet, da ihr auf Veranlassung des Herrn Siemens, welcher eine Zeitlang beim Reichskommissar für die Seeschiffahrt tätig war, die

Alliierte Landung in der Normandie.

Betreuung der holländischen Seeleute übertragen wurde. Die Überschüsse

Sowjetische Großoffensive gegen die

aus dieser Tätigkeit wurden in holländischen Wertpapieren angelegt, welche

Heeresgruppe Mitte.

bei der Besetzung Hamburgs durch die Engländer sofort abgeliefert werden

Attentat gegen Hitler schlägt fehl.

mussten, wie auch die ausländischen Wertpapiere der Vogemann, Goudriaan

Bildung des „Volkssturms“ aus

Co. Inc., welche sich in Hamburg befanden.

Männern zwischen 16 und 60 Jahren.

Das einzige Geschäft, welches uns bei Kriegsende verblieb, war

Sowjets rücken in Ostpreußen ein.

die Entlöschung und Beladung von Dampfern der Militärregierung, sowie einige Aufräumungsarbeiten im Hafen für Rechnung der Behörde für Strom-

1945

und Hafenbau. Unsere Forderungen an das Kriegsschädenamt betragen M 1.000.000,– für den Verlust des Dampfers „Tannhäuser“, etwa M 950.000,– für Dampfer „Rheingold“ und etwa M 250.000,– für Dampfer „Vogesen“. Ferner ist noch der Wert des Inventars und der Ausrüstung zu vergüten, so dass sich die Gesamtforderung an das Kriegsschädenamt auf etwa M 2 ½ Millionen beläuft. Die Büroräume wurden einige Monate nach Kriegsende nach der

Konferenz der Großen Drei in Jalta.

Mönckebergstraße 31 verlegt. Das im Jahre 1911 bezogene Kontor in der Möncke-

Schwerer Luftangriff auf Dresden.

bergstraße 22 brannte im Juli 1943 in den Katastrophentagen vollkommen aus,

Sowjets erobern Berlin. Selbstmord

während das von der Reederei Heinrich F.C. Arp in der Mönckebergstraße 9 zur

Adolf Hitlers im Bunker unter der

Verfügung gestellte Kontor im Juli 1944 durch einen Bombenangriff vollständig

Reichskanzlei.

zerstört wurde. Von Juli 1944 bis Oktober 1945 wurde das Geschäft behelfsmäßig

Bedingungslose Kapitulation der

in der Privatwohnung, Skagerrakstraße 1 a, später im 2. Stock der Deutschen

deutschen Streikräfte.

Bank und nach Beschädigung des Bankgebäudes in einem Raum der Asseku-

Potsdamer Konferenz zur

ranzfirma Heinrich Heins in der Bohnenstraße 12/14 betrieben.

Nachkriegsordnung Europas.

Die letzten Kriegsjahre hat mein Bruder nicht mehr miterlebt. Er litt seit Anfang 1943 an Lungenkrebs und verschied am 22. April 1944, nachdem er noch im Juli 1943 das elterliche Haus, in dem er wohnte, in den Katastrophentagen verloren hatte. Seit dem Tode meines Bruders bin ich alleiniger Inhaber der Firma H. Vogemann, welche ich zuerst im Jahre 1906 und zum zweiten Male im Jahre 1918 habe neu aufbauen müssen, um dann

Atombombenabwürfe auf Hiroshima

am Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 wieder vor einem Nichts zu stehen.

und Nagasaki.

Hoffentlich gelingt mir der Aufbau noch ein drittes Mal, um meinem Sohn

Ende des Zweiten Weltkrieges mit der

Herbert eine Reederei mit eigenem Schiff hinterlassen zu können.

Kapitulation Japans.

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. Vogemann 1886–1946

45

46

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Kapitel 2

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

47

Nach dem Zweiten Weltkrieg Richard Vogemanns Hoffnung hat sich erfüllt. Ihm, seinem Sohn Herbert und seinem Schwiegersohn Paul Speckter gelang ein dritter Anlauf nach dem Zweiten Weltkrieg. Die nachfolgende Darstellung basiert vor allem auf den Erinnerungen von Paul Speckter und auf denen von Udo Wiese, der 1968 ins Geschäft eintrat und seit 1978 als Partner beteiligt ist.

1946

A

nfangs sah es jahrelang nicht sonderlich vielversprechend aus für Firmen, die im Schifffahrtsgewerbe an ihre vormaligen Geschäfte anknüpfen oder sich neu ausrichten wollten. Es gab so gut wie keinen Schiffsraum, und den allenfalls vorhandenen

durften deutsche Betriebe nicht nutzen. In der Kontrollratsproklamation Nr. 2 der Siegermächte vom 20.9.1945, die Hamburg besonders schwer traf, hieß Unter dem Druck der Sowje-

es in Abschnitt VII:

tischen Militäradministration

„23. a) Kein Handelsschiff, einschl. Fischerei oder anderer Schif-

vereinigen sich in Ost-Berlin

fe, darf von irgendeinem deutschen Hafen, es sei denn mit der Erlaubnis oder

SPD und KPD zur SED.

auf Befehl der Alliierten Vertreter, auslaufen. Deutsche Schiffe in Häfen au-

US-Außenminister Byrnes lei-

ßerhalb Deutschlands müssen im Hafen verbleiben, und diejenigen, die sich

tet mit einer Rede in Stuttgart

auf hoher See befinden, müssen den nächsten deutschen Hafen oder den

die Neuorientierung der west-

nächsten Hafen der Vereinten Nationen anlaufen und dort bis zum Eintreffen

lichen Besatzungspolitik ein.

der Anweisungen der Alliierten Vertreter verbleiben.

In Hamburg beginnen die

b) Die gesamte deutsche Handelsflotte, einschl. Schiffsraum

Arbeiten für die Hochhaussied-

unter Konstruktion oder Reparatur, muß den Alliierten Vertretern für die

lungen am Grindelberg, der ersten deutschen Hochhaus-

von ihnen vorgeschriebene Verwendung zu deren Bedingungen verfügbar gemacht werden.

siedlung.

c) Ausländische Handelsschiffe in deutschem Dienst oder unter

Erste Vollversammlung der

deutscher Kontrolle müssen gleichfalls den Alliierten Vertretern für die von

Vereinten Nationen in London.

ihnen vorgeschriebene Verwendung und zu deren Bedingungen verfügbar gemacht werden. In Fällen, in denen es sich um ausländische Handelsschiffe handelt, die in einem neutralen Land eingetragen sind, müssen die deutschen

48

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Der zerstörte Schuppen 28 am Petersenkai. Große Teile des Hamburger Hafens lagen nach Kriegsende in Trümmern.

Behörden alle die von den Alliierten Vertretern benötigten Schritte unternehmen, um alle diesbezüglichen Rechte an die Alliierten Vertreter zu übertragen oder die Übertragung zu veranlassen. d) Jede Unterstellung unter irgendeine andere Flagge, anderen Dienst oder andere Kontrolle der unter die Unterparagraphen b) und c) oben fallenden Schiffe ist verboten, soweit sie nicht von den Alliierten Vertretern

Abwurf von Atombomben über

angeordnet wird.“

dem Bikini-Atoll im Stillen Ozean.

Das kam einem nahezu lückenlosen Betätigungsverbot für

In Nürnberg werden die

Firmen wie H. Vogemann gleich, die ohnedies mit schweren Problemen zu

Todesurteile an zehn Haupt-

kämpfen hatten. Mehrmals war im Kriege das gesamte Büro durch Bom-

kriegsverbrechern vollstreckt.

beneinwirkung verloren gegangen; jetzt (seit Oktober 1945) „residierte“ man

Hermann Göring hat zuvor

in zwei kleinen Zimmern im 2. Stock des beschädigten Bürohauses in der

Selbstmord begangen.

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

49

Abkommen über die

Mönckebergstraße 31. „Man“, das waren Richard Vogemann, sein seit 1944

wirtschaftliche Vereini-

eingetragener Prokurist Johannes Jaensch und der seit 1942 für Vogemann

gung der US-Zone und der

tätige Hermann Friedenauer. Hinzu kamen sozusagen außer Haus die beiden

britischen Besatzungszone

langjährigen Stauervize Hermann Behrendt und Willi Preuss.

Deutschlands. Mit dem Vespa-Roller

Neuanfang unter erschwerten Bedingungen. Betriebsmittel

kommt ein neuer Typ von

standen im Grunde fast keine zur Verfügung, denn schon am 4. Juni zuvor

Zweirad auf den Markt.

hatte Vogemann auf Anordnung der Finance Section der Militärregierung sämtliche ausländischen Vermögenswerte an die Reichsbankhauptstelle Hamburg zu melden. Sie wurden in die Urkundenrolle Nr. 1945/1353 eingetragen und durch den Notar Dr. Gottfried Wäntig beglaubigt. Kostenpunkt 4 Reichsmark (RM) zuzügl. 2 Prozent Umsatzsteuer, insgesamt also RM 4,08. Die wenigsten Menschen – meist nicht einmal diejenigen, die diese Zeit bewusst mitgemacht haben – vermögen sich heute die Bedingungen vorzustellen, unter denen in der unmittelbaren Nachkriegszeit gelebt und

Gründung der Zeitung

gearbeitet werden musste. Angestellte wie Firmeninhaber hangelten sich von

„Neues Deutschland“ als

einem Notbehelf zum anderen, suchten durch Tauschen und „Organisieren“

Zentralorgan der SED.

das Nötigste zu ergattern und bedienten sich, mit wie schlechtem Gewissen

Der Rowohlt Verlag gibt

auch immer, notfalls auf dem Schwarzmarkt, sofern sie noch über Tauschba-

die ersten Rotationsroma-

res verfügten. Vergleichsweise fein raus waren zu Beginn der Zuteilungsperi-

ne (rororo) heraus. Wolfgang Staudte: „Die

oden die Nichtraucher, denn mit ihren begehrten Rauchermarken konnten sie manches sonst nicht Erschwingliche erwerben.

Mörder sind unter uns“

Es fehlte an allem. Das Büro war zunächst nicht einmal heizbar.

(Film mit Hildegard Knef).

Gottlob gelang noch vor Einbruch der kalten Zeit der Einbau eines Ofens, dessen Abzugsrohr mangels Schornstein durch eine Klappe im Fenster ge-

1947

führt wurde. Eine schöne Errungenschaft, doch angesichts der dramatischen

Versorgungskrise in West-

Brennstoffknappheit nur dann eine Lösung, wenn man irgendwoher Verfeuer-

deutschland wegen des

bares bekam. Die Trümmergrundstücke waren „abgegrast“, die Parks bewacht,

langanhaltenden Winters.

die Wälder zu weit draußen vor der Stadt und außerdem kaum Transportmittel vorhanden. Wer nicht frieren wollte, musste Gerümpel aus dem eigenen Keller oder Gesträuch aus dem Garten heranschaffen. Zwar ließ sich das nicht durchgängig leisten, doch kam das Büro mit einigem Glück und Geschick über die harten Winter 1945/46 und 1946/47. Gegen die ständigen Stromabschaltungen hingegen gab es kein Rezept; die Bürotätigkeit musste immer wieder, manchmal mehrere Stunden lang, unterbrochen werden. Telefonieren geriet beim notorisch überlasteten,

US-Außenminister

vom Krieg schwer mitgenommenen Netz zur Glücksache, und Ferngespräche

Marshall kündigt ein

kamen so gut wie überhaupt nicht zustande. Geringfügige Einkünfte wurden

50

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Wiederaufbauprogramm für Europa an (MarshallPlan, ERP). Auflösung des Staates Preußen. Die ostdeutschen Minister verlassen die Münchener Ministerkonferenz zur Bildung einer deutschen Zentralverwaltung. Kommunistische Parteien beschließen die Gründung eines Informationsbüros (Kominform).

Nach neunjähriger Unterbrechung findet wieder ein „Hamburger Dom“ auf dem Heiligengeistfeld statt. Kartoffelkäferplage in Bayern, Schulkinder und Erwachsenen beteiligen sich am KartoffelkäferSuchdienst. Hein ten Hoff wird Deutscher Meister im Boxschwergewicht. Wolfgang Borchert: „Draußen vor der Tür“ (Drama).

Richard Vogemann. Altersporträt.

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

51

1948 Ende der Alliierten Viermächteverwaltung (Kontrollrat).

anfangs fast nur durch Aushilfsarbeiten erzielt, wenn etwa unter Mitwirkung der beiden Stauervize Räumkolonnen gebildet wurden, die bei der Schuttund Trümmerbeseitigung zum Einsatz kamen.

Zollunion zwischen

Im August 1945 war der Sohn des Chefs, Herbert Vogemann,

Belgien, den Niederlanden und

aus Kriegsgefangenschaft zurückgekommen und wieder „unter die Lebenden“

Luxemburg tritt in Kraft.

aufgenommen worden: Das Ortsamt Winterhude, Abteilung Wirtschaft und

Der Parlamentarische Rat beginnt mit der Ausarbeitung des Grundgesetzes für die

Ernährung, „genehmigte“ seine Heimkehr und bescheinigte: „Lebensmittelkarten können ausgegeben werden.“ Arbeit in der väterlichen Firma gab es nicht, und das kam den Plänen des jungen Mannes entgegen, der sonst wo-

Bundesrepublik Deutschland.

möglich gleich eingespannt worden wäre. So konnte er, von Haus aus an allen

Währungsreform: Einführung

Schifffahrtsdingen natürlich hoch interessiert, eine Lehre bei der Firma Carl

der D-Mark in Westdeutsch-

Bock & Co. antreten, bei der er schon 1944 als Aushilfe gearbeitet hatte. Die

land. Gründung der kommunisti-

Prägung, die er dort erfuhr, sollte sich später für das Familienunternehmen auszahlen. Erst ein Jahr nach Kriegsende begann sich der Horizont ganz

schen Jugendorganisation „Junge Pioniere“ in Ost-Berlin.

leicht aufzuhellen: Firmen, die von der Verwaltung für Verkehr des Vereinig-

Die Sowjets blockieren West-

ten Wirtschaftsgebietes als „unbedenklich“ eingestuft wurden, und Vogemann

berlin, um die Einführung der

gehörte zu diesem bevorzugten Kreis, wurden zum Entlöschen und Beladen

D-Mark zu verhindern.

Die Alliierten richten eine Luftbrücke zur Versorgung der Bevölkerung ein. Eröffnung der Freien Universität Berlin. Ausrufung des souveränen Staates Israel. Beginn des Krieges mit den arabischen Nachbarn. Gründung der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC). Ermordung des indischen Politikers Mahatma Gandhi.

August 1945: Das Ortsamt Winterhude bestätigt die Rückkehr Herbert Vogemanns aus der Kriegsgefangenschaft.

52

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

1949

Das Grundgesetz wird im Parlamentarischen Rat mit 53 zu 12 Stimmen angenommen. Entscheidung für Bonn als Hauptstadt der Bundesrepublik (statt Frankfurt). Gründung der Bundesrepublik in den drei Westzonen. In der sowjetisch besetzten Zone konstituiert sich die Deutsche Demokratische Republik (DDR).

Um die Firma wechseln zu dürfen, musste das Arbeitsamt gefragt werden.

ausländischer Schiffe herangezogen, die Hamburg anliefen. Die beiden Vize Preuss und Behrendt holten sich dafür die erforderlichen Hafenarbeiter „vom Stall“. So hieß im Hafenjargon die Stelle, wo Hilfskräfte tageweise zu Stauerarbeiten eingeteilt wurden.

Nach dem Sieg über den Nationa-

Als „unbedenklich“ konnten natürlich nur Betriebe gelten, die

listen Chiang Kai-shek verkündet

nicht „braun“ belastet waren. Um das festzustellen, lud der „Fachausschuss 18

Mao Zedong die Gründung der

d für die Ausschaltung von Nationalsozialisten“ Richard Vogemann im Som-

Volksrepublik China.

mer 1946 vor. Die penible Befragung erbrachte keinerlei Anhaltspunkte für

Die osteuropäischen Staaten bilden

wie auch immer geartete Vorbehalte, und am 5. Mai 1947 hielt Vogemann die

einen Rat für gegenseitige Wirt-

Bescheinigung in Händen, nach der seine „Stellung als Inhaber Ihrer Firma

schaftshilfe.

bestätigt“ sei. Weiter hieß es – man konnte ja nicht vorsichtig genug sein – :

Ende der Blockade Westberlins.

„Diese Mitteilung ist widerruflich im Falle anderslautender Entscheidung der Militärregierung.“

Gründung der NATO. Schaffung des Europarates mit Delegierten aus zunächst 10 Staaten.

Lockerung der Restriktionen. An eine Wiederaufnahme der Reederei-Tätigkeit war allerdings noch lange in keiner Weise zu denken. Gleichwohl war Richard Vogemann intensiv darum bemüht, die durch den Krieg unterbrochenen und beschädigten Verbindungen mit ausländischen

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

53

Geschäftspartnern neu zu knüpfen und Pläne für spätere gemeinsame Projekte zu erörtern. Insbesondere war ihm an guten Kontakten nach England und Übersee gelegen; wichtigste Firma dabei war Simpson, Spence & Young (SSY), die sowohl einen Sitz in London, als auch einen in New York unterhielt. Auf der Basis solcher Beziehungen wollte Vogemann wieder eiBorgward präsentiert

nen regelmäßigen Dienst zwischen nordeuropäischen und an der Ostküste

den ersten vollkommen

der USA gelegenen Häfen eröffnen, sobald die Militärregierung ihre Restrik-

neukonstruierten Nach-

tionen lockern würde. Auf Dauer würden sich deutsche Unternehmen nicht

kriegs-Personenwagen

vom internationalen Seehandel aussperren lassen. Eigene Schiffe kamen

(„Hansa 1500“)

dafür sicher zunächst nicht in Frage, weswegen geplant war, ausländische

C.W. Ceram, „Götter, Gräber

Tonnage zu chartern. Das bestätigte sich, als Vogemann unter der Nummer 11/0018

und Gelehrte“ (Geschichte der Archäologie)

am 1. April 1949 die bis 31. März des Folgejahrs befristete Erlaubnis erhielt

Nach ihrem Sieg bei der

„zur Betätigung im internationalen Handel gemäß Bestimmungen der Anwei-

Bürgerschaftswahl führt

sung Nr. 11 der JEIA (Joint Export Import Agency)“. Die Firma durfte mithin

die SPD die sechsjährige

wieder als Schiffsagent, Schiffmakler, Reederei und Stauerbetrieb auftreten.

Grundschule in Hamburg

Das war eine Folge des am 1. Januar 1947 erfolgten Zusammenschlusses des

ein.

Wirtschaftsraums der britischen und der amerikanischen Besatzungszone zur so genannten Bizone, im März 1948 durch Hinzutritt der französischen

1950

Besatzungszone zur Trizone erweitert, und der im Juni 1948 durchgeführten

Der französische Außenminister Schuman legt den Plan für eine Montanunion vor.

Beginn des Koreakrieges. In Paris wird das Abkommen über die Europäische Zahlungsunion (EPU) unterzeichnet. Erstes NachkriegsLänderspiel der Deutschen Fußballmannschaft (gegen die Schweiz).

Barkassen bringen Hafenarbeiter zu ihren Arbeitsstätten. Foto von 1951.

54

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Währungsreform, bei der die Reichsmark (RM) von der Deutschen Mark (DM)

Aufhebung aller Ratio-

abgelöst worden war.

nierungsmaßnahmen mit Ausnahme von Zucker.

Herbert Vogemann tritt ein. Die Handels-Genehmigung konn-

Rücktritt von Bundesminister

te allerdings jederzeit von der Transport Group des BICO (Bipartite Control

Heinemann wegen der

Office) im Einvernehmen mit der JEIA oder von der Verwaltung für Verkehr

geplanten deutschen

bei Vorliegen stichhaltiger Gründe widerrufen werden. Entsprechend genau

Wiederbewaffnung.

mussten die Auflagen der JEIA eingehalten werden. Zahlungen für sämtliche

In Ost-Berlin wird die

Leistungen des Inhabers im Dienst ausländischer Auftraggeber durften nur

Ruine des Stadtschlosses

zugunsten des Kontos der Militärregierung geleistet werden. Trotz der stren-

gesprengt.

gen Reglementierungen wurde die Genehmigung als wichtiger Fortschritt

Die Alliierte Hohe Kommissi-

beim Bemühen um mehr Handlungsspielraum für deutsche Unternehmen

on hebt den Lizenzzwang

gewertet.

für politische Parteien auf.

Unterdessen hatte der Junior Herbert Vogemann sein Lehre als

Eröffnung der ersten

Schifffahrtskaufmann bei der Firma Carl Bock & Co. erfolgreich abgeschlos-

Nachkriegs-Spielwaren­

sen. Seine erste Stelle fand er bei der Hamburger Zweigstelle der traditi-

messe in Nürnberg.

onsreichen englischen Schifffahrts-Agentur Hogg Robinson. Aufgrund seiner

Einmarsch chinesischer

perfekten englischen Sprachkenntnisse orientierte er sich dort rasch und war

Truppen in Tibet.

zuständig für die Betreuung englischer Schiffe, die vermehrt den Hafen Hamburg anliefen, weil er in der britischen Besatzungszone lag (Bremerhaven und

1951

Bremen hingegen standen unter US-Kontrolle). Durch Aufenthalte in London

Die Bundesrepublik wird

und Montreal vertiefte er seine Erfahrungen, die ihm dann seit 1949 rund

Vollmitglied im Europarat.

ein Jahr lang bei der Firma Strachan Shipping Agency in New Orleans zu-

Das „Wohnungsbau-

gute kamen. Mit ihr war H. Vogemann schon vor dem Krieg freundschaftlich

Prämiengesetz“ verschafft

verbunden gewesen. Ebenso mit dem Unternehmen Glaessel in New York, wo

Beziehern kleiner Einkom-

sich Herbert auch kurze Zeit aufhielt, ehe er die Heimreise antrat.

men die Möglichkeit,

Im Sommer 1950 trat er in das väterliche Geschäft ein und setz-

Eigenheime zu erwerben.

te sogleich neue Akzente. Er sah, wie intensiv, aber vergeblich der Vater um Wiederaufnahme der Schifffahrtslinie bemüht war. Die Alliierten schienen vorerst nicht daran zu denken und würden es vermutlich noch länger nicht in Erwägung ziehen, wieder deutsche Konkurrenz im Liniendienst zuzulassen. Als klare Schlussfolgerung daraus ergab sich für Herbert, dass man es wenigstens fürs Erste mit einer anderen Schwerpunktbildung versuchen sollte: Die alten, von ihm und vom Vater wieder aktivierten Geschäftsverbindungen legten es nahe, sich auf die Tätigkeit als Befrachtungsmakler zu konzentrie-

Verleihung des

ren.

Friedenspreises des

So einfach freilich war auch das nicht. Der Erfolg hing entscheidend davon ab, wie rasch man Kontakte knüpfen und auf Änderungen reagie-

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

55

deutschen Buchhandels an Albert Schweitzer.

Verbot der kommunistischen

Der früh verstorbene Herbert Vogemann.

Jugendorganisation FDJ in der Bundesrepublik. Einrichtung eines Zollgrenzbezirks an der Grenze zur DDR. Chinesische Truppen greifen in den Koreakrieg ein.

Skandal um den Film „Die Sünderin“. Abkommen über den Interzonenhandel zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Ernst von Salomon: „Der Fragebogen“.

ren konnte. War dies innerhalb der Bundesrepublik schon schwierig aufgrund des noch längst nicht überall und in der erwünschten Qualität wiederhergestellten Fernsprechnetzes, so kam es dauernd zu Problemen bei den für den

1952

Schifffahrtssektor lebenswichtigen Auslandsverbindungen.

Unterzeichnung des Wiedergutmachungsabkommens

Umzug in den Fölsch-Block. Vogemann besaß seinerzeit nur

mit Israel.

zwei Telefonanschlüsse und bekam auf Herberts dringende Vorstellungen

Der Bundestag nimmt das

hin 1950 den ersten Fernschreiber (Telex-Gerät). Doch auch der war, mit ei-

Gesetz über den Lastenaus-

nem schwäbischen Wort gesagt, eher ein Pötäterle (von französisch peut-

gleich an.

être = vielleicht), das mal funktionierte, bisweilen aber auch streikte oder

Die sowjetische Regierung

den Schneckengang einlegte: Wollte man eine ausländische Firma erreichen,

schlägt Abschluss eines

musste Frankfurt angeschrieben werden, von wo oft lange keine Reaktion er-

Friedensvertrages mit

folgte. Hatte man endlich den Kontakt, musste man die gewünschte Nummer

Deutschland vor („Stalin-

durchgeben und konnte von Glück sagen, wenn Frankfurt bei deren Erreichen

Note“).

nach zuweilen erheblichen Wartezeiten zurückrief – für den Geschäftserfolg

Die Bundesrepublik tritt dem

keineswegs immer rechtzeitig.

Internationalen Währungs-

Büro und Büroausrüstung verbesserten sich, als Anfang der

fonds (IWF) bei.

1950er Jahre gegenüber vom Rathaus ein Komplex mit Geschäftsräumen er-

56

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Staatsstreich in Ägypten. König Faruk geht ins Exil.

Explosion der ersten Wasserstoffbombe. An den Olympischen Spielen in Oslo und Helsinki nehmen erstmals wieder deutsche Sportler teil. Im Hamburger SpringerVerlag erscheint das erste Exemplar der „Bildzeitung“ Der Nordwestdeutsche Rund-

Im neu errichteten Fölsch-Block am Rathausmarkt konnte die Reederei Büroräume beziehen.

funk beginnt mit Fernsehübertragungen. Robert Jungk: „Die Zukunft

richtet wurde, der so genannte Fölsch-Block (Name nach den Bauherren, den

hat schon begonnen“.

Erben des Hamburger Kaufmanns H. C. J. Fölsch). Vogemann mietete darin vier Zimmer und stattete sie nach damaligem Standard recht modern aus und

1953

hatte nun sogar vier Telefonanschlüsse. Nur wer das Provisorium in der Mönckebergstraße kannte, konnte ermessen, was das für ein großer Fortschritt war. Zwei weitere junge Schifffahrtsleute traten zu dieser Zeit in die Firma ein, die Herren von Hein und Hinsch. Die offizielle Arbeitszeit reichte Montags bis Freitags von 9 bis 18 Uhr bei einer Stunde Mittagspause, am Sonnabend nur bis 14 Uhr; seit

Volksaufstand in der DDR.

1962 erschien am Sonnabend nur noch die halbe Besatzung, 1970 wurde sie

Sieg der CDU/CSU bei der

auf einen Befrachter im Notdienst reduziert, und von 1978 an war der letz-

Bundestagswahl.

te Werktag der Woche arbeitsfrei. Selbstverständlich waren alle Mitarbeiter,

Verbot der rechtsradikalen

auch die Bürodamen, bereit, Überstunden zu machen, wenn es der Arbeits-

Sozialistischen

anfall erforderte.

Reichspartei (SRP).

Das war für Gernesser und Kaffeefreunde nicht immer leicht, weil Vogemann senior, der bis in sein letztes Lebensjahr 1969 ins Büro kam, es nicht schätzte, wenn während der Arbeitszeit gegessen oder Kaffee getrunken wurde. „Wir sind Schiffsmakler und kein Kaffeehaus!“ stellte er kate-

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

57

Hillary und Tensing besteigen den Mount Everest. Elisabeth II. wird zur Königin von England gekrönt. „Tauwetter“ in der sowjetischen Führung nach Stalins Tod. Das Waffenstillstands­ abkommen von Panmunjom beendet den Koreakrieg. Verhaftung des iranischen Ministerpräsiden-

Mitteilung des Amtsgerichts über den Eintritt Herbert Vogemanns als persönlich haftender Gesellschafter.

ten Mossadegh, Rückkehr des vertriebenen Schahs

gorisch fest, als die Mitarbeiter über die Anschaffung einer Kaffeemaschine

Resa Pahlawi.

diskutieren wollten. Sie setzten sich letztlich trotz des Widerstands vom Chef

Veröffentlichung des „Kinsey

durch, doch Herr Vogemann selbst hat nie eine Tasse im Büro getrunken. Da-

Reports“ zum sexuellen

für durfte geraucht werden; erst seit den 1980er Jahren war auch das verpönt. Die neuen Leute und der Junior Herbert unternahmen konzen-

Verhalten der Frau.

trierte Bemühungen, Schiffe zu befrachten. Dabei hielten sie sich schon we-

1954 Die Unterzeichnung der

gen der skizzierten Kommunikationsschwierigkeiten vornehmlich an befreundete deutsche Firmen, die Kohle-, Getreide- oder Erzladungen zu vergeben

Pariser Verträge macht den

hatten. Da deutsche Tonnage so gut wie nicht aufzutreiben war, suchten sie

Weg frei für die Wiederher-

durch Vogemanns alte Verbindungen vor allem in London und New York nach

stellung der Souveränität

ausländischem Schiffsraum. Neue Kontakte knüpften sie zu italienischen

der Bundesrepublik.

Reedern und Maklern, die den interessanten Mittelmeer-Markt gut kannten,

Der Fall der Festung Dien

Vogemann einige gute Abschlüsse bescherten und mithalfen, die Firma als

Bien Phu besiegelt das Ende

bedeutenden Maklerbetrieb zu etablieren.

der französischen Kolonial-

Herbert Vogemanns früher Tod. Mit dem Jahresbeginn 1952

herrschaft in Indochina. Beginn des Krieges um

wurde Herbert Vogemann Teilhaber der Firma. Durch ausgedehnte Reisen

Algerien.

nach Süd- und Westeuropa bahnte er unermüdlich Geschäftsbeziehungen

58

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Das Projekt einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) scheitert.. Die Mannschaft der Bundesrepublik gewinnt die Fußballweltmeisterschaft in Bern. Ernest Hemingway erhält Literaturnobelpreis. Erster Nachkriegsstart von Mercedes-“Silberpfeilen“ beim Großen Preis von Frankreich. Thomas Mann: „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ (Roman).

1955 Die Pariser Verträge werden vom Bundestag ratifiziert. Souveränität der Bundesrepublik.

Familie Vogemann in den frühen 1950er Jahren. Von links nach rechts: Richard Vogemann, Irma Vogemann, Herbert Vogemann; Renate Vogemann, Schwiegersohn Paul Speckter.

Volksabstimmung im Saarland entscheidet gegen das französi-

an, die geeignet schienen, ihre Stellung zu festigen und auszubauen. Sein

sche Saarstatut.

jugendlicher Elan, seine ausgezeichneten Fachkenntnisse und sein gewinnen-

Bundeskanzler Adenauer

des Wesen schufen Vertrauen, wohin er kam. Leider war es ihm nicht vergönnt

vereinbart bei einem Besuch in

selber zu ernten, was er so erfolgreich gesät hatte. Auf der Rückfahrt von

Moskau die Aufnahme diploma-

einem Besuch in Italien geriet er am 21. Juni 1954 gegen 20 Uhr mit seinem

tischer Beziehungen zur Sow-

Wagen kurz vor der Heimkehr bei Winsen an der Luhe während eines Über-

jetunion. Rückkehr der letzten

holmanövers auf den Sommerweg neben der Landstraße, verlor die Kontrolle

Kriegsgefangenen.

über die Lenkung und kollidierte mit einem Baum. Man transportierte ihn

Die Lufthansa nimmt den Linien-

zwar noch ins Krankenhaus, doch erlag er unterwegs seinen Verletzungen. Er

dienst wieder auf.

wurde 27 Jahre alt. Wettläufe zur Treuhand. Auf der Basis der Beziehungen und Aktivitäten von Herbert Vogemann konnte die verbliebene Mannschaft aufbauen. Dabei erwiesen sich die Getreideimporte aus den Vereinigten Staaten und aus Kanada als große Stütze für das Maklergeschäft. Diese Hilfsliefe-

BMW präsentiert den Kleinwagen

rungen mussten den alliierten Bestimmungen zufolge über die in Hamburg

„Isetta“.

ansässige Frachten-Treuhand abgewickelt werden. Diese wiederum war be-

Die letzten Besatzungstruppen

müht, alle Maklerfirmen gleichermaßen zu berücksichtigen und gab daher

verlassen Österreich.

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

59

„Tagebuch der Anne Frank“ erscheint in Deutschland.

durch Rundschreiben bekannt, wenn Ladung zum Befrachten anstand und die Einzelheiten zu einem bestimmten Termin bei ihr abgeholt werden konnten. Das wurde dann so etwas wie ein Wettlauf zwischen den jungen

1956

Leuten der Maklerfirmen, die zur Treuhand entsandt wurden zwecks Infor-

Der XX. Parteitag der KPdSU

mation über Umfang, Ziel und andere Details der Getreidelieferung. Diese

verurteilt den Stalinkult.

Daten mussten dann schnellstmöglich der eigenen Firma übermittelt werden,

Die Bundeswehr beruft die ersten

damit sich die Kollegen auf die Suche nach geeignetem Schiffsraum begeben

1000 Freiwilligen ein.

konnten. Einem Lehrling wurde die Rennerei offenbar zuviel, und er ban-

Die Volkskammer der DDR

delte mit einer Verkäuferin im Trikotagen-Geschäft neben der Treuhand an;

beschließt den Aufbau nationaler

fortan konnte er von dort die Einzelheiten telefonisch ins Büro durchgeben,

Streitkräfte (NVA). Verbot der KPD in der Bundesrepublik. Volksaufstand in Ungarn gegen das kommunistische Regime.

was Vogemann immer einen kleinen Vorsprung sicherte. Außerdem kamen der Firma bei der Suche nach Lademöglichkeiten die vielen guten, ja freundschaftlichen Verbindungen zu Reedern im In- und Ausland zugute. Bei Ladungen – Größenordnung gewöhnlich um die 10.000 Tonnen –, die nach Hamburg bestimmt waren, konnte Vogemann in vielen Fällen auch die Klarierung der Schiffe übernehmen, was sich als recht einträgliches Geschäft erweisen sollte. Richard Vogemann hatte nach dem Krieg nie die Hoffnung aufgegeben, seine Firma auch wieder als Reederei zu etablieren. Es zeigte sich, dass seine Vermutung, die Alliierten würden deutsche Reeder nicht auf Dauer am Betreiben von Seeschiffen hindern, richtig war. In dem Maß, in dem die Deutschen als Verbündete wichtig wurden, lockerten die Westmächte auf vielen Gebieten die zunächst sehr strikten Beschränkungen. Im Gefolge des

Helmut Käutner: „Der Hauptmann

Washingtoner Abkommens aus dem April 1949, das den Nordatlantikpakt

von Köpenick“ (Film mit Heinz

(NATO) begründete, fielen auch einige restriktive Bestimmungen hinsichtlich

Rühmann)

des Neubaus und des Ankaufs von Schiffen. Deutschen Reedern wurde für die

Landung britischer und französi-

Folgejahre in gewissen Grenzen der Erwerb von zum Verkauf stehender aus-

scher Truppen in Ägypten, um die

ländischer Tonnage gestattet. Obwohl Herr Vogemann damals schon 64 Jahre alt war, sah

Kontrolle über den Suez-Kanal wiederzuerlangen.

er sich endlich in der Lage, ein Reedereigeschäft mit eigenen Schiffen auf-

Das Saargebiet wird Teil der Bun-

zubauen. Und er erhielt von der befreundeten traditionsreichen Hamburger

desrepublik.

Maklerfirma Daniel Milberg auch gleich einen sehr interessanten Tipp: Das 1922 bei der Deutschen Werft gebaute Motorschiff „Tiradentes“ wurde auf dem Markt angeboten. Die Deutsche Bank aber, mit der Vogemann damals in erster Linie zusammenarbeitete, zeigte kein oder doch nur marginales Interesse, einen Ankauf zu finanzieren. Erstmals wieder Schiffseigner. Positiver reagierte hingegen

Untergang des italienischen Passagierdampfers „Andrea

die Leitung der Schifffahrtsabteilung der Hamburgischen Landesbank. Vo-

60

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

gemann konnte unter Aufbietung aller persönlichen Mittel in Verhandlun-

Doria“ nach Kollision mit der

gen mit dem Schiffseigner, der Firma Wilhelm Wilhelmsen im norwegischen

schwedischen „Stockholm“

Tønsberg am Oslofjord, eintreten. Man war sich relativ rasch einig, und nach

vor New York.

Erlangung der Ankaufserlaubnis von der Alliierten Hohen Kommission konn-

Friedrich Dürrenmatt: „Der

te das Geschäft am 16. August 1950 rechtswirksam abgeschlossen werden. Für

Besuch der alten Dame“

einen Preis von 110.000 Pfund Sterling (DM 1.378.620,79) ging die „Tiradentes“

(Drama).

an Vogemann über und erhielt den Namen „Vogtland“; die feierliche Übernahme fand im Oktober 1950 statt. Gäste und Eignerfamilie konnten schon

1957

auf der Anfahrt dazu in einer Hamburger Tageszeitung lesen, wie das abgelaufen sei, was doch erst an Festivitäten und Formalitäten bevorstand. Die Presse war schon damals zuweilen ihrer Zeit voraus. Die Tragfähigkeit des Schiffes betrug rund 9200 t als „open shelterdecker“ (Freidecker) mit drei Decks in Luke 1 und 2, „deeptanks“ mittschiffs in Luke 3 und einem Zwischendeck in Luke 4 und 5. Die „MS Vogtland“ war vorübergehend das größte Handelsschiff unter deutscher Flagge, weil es zu den ersten überhaupt gehörte. Im Jahr 1950 herrschte ein fester Befrachtungsmarkt, und Vo-

In der Bundesrepublik tritt

gemann gelang es, das Schiff zu einer Spitzenrate für eine Fernost-Rundreise

die Rentenreform in Kraft.

auf Zeitcharter zu schließen. Obwohl das Schiff vom Vorbesitzer hervorra-

Bei den Wahlen zum Bun-

gend gehalten worden und ohne Vorbehalte im Besitz aller Zertifikate der

destag erringt die CDU/CSU

Klassifikationsgesellschaft Lloyd’s Register war, kam es bei der Ausreise zu

unter Konrad Adenauer die absolute Mehrheit. Erster deutscher Kernreaktor der TH München in Garching in Betrieb. In Rom werden die Verträge über den Gemeinsamen Markt (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) unterzeichnet. Die DDR-Volkskammer beschließt die Einführung der 45-Stunden-Woche. Einige bundesdeutsche Betriebe führen sie gleichfalls ein. Das US-Repräsentantenhaus billigt die sog. EisenhowerDoktrin zur Sicherung des

MS „Vogtland“ im Hamburger Hafen.

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

61

Mittleren Ostens gegen

einem Malheur: Eine Pleuelstange des einen Hauptmotors löste sich, und die

das Vordringen des

„Vogtland“ musste mit der zweiten Hauptmaschine Antwerpen als Nothafen

Kommunismus.

anlaufen. Die zeitaufwendige Reparatur wurde dort bei der Firma Mercantile

Die Sowjets starten den

Marine Engineering & Graving Dock Co. vorgenommen. Natürlich versuchte

künstlichen Erdsatelliten

Vogemann durch seinen technischen Inspektor Curt M. Johns im Wege der

„Sputnik“.

Gewährleistung die Firma Wilhelmsen in Haftung zu nehmen. Leider ohne Erfolg. MS „Vogtland“. So mussten die Kosten ebenso geschluckt werden wie die Tatsache, dass wegen der Dauer der Reparaturen der Zeitcharterer absprang und den Vertrag für nichtig erklärte. Ein herber Rückschlag. Herbert Vogemann schätzte damals: „Wenn wir die gebuchte Rundreise hätten durchführen können, wäre der Kaufpreis für das Schiff schon auf der ersten

Gesellschaftsskandal um die

großen Fahrt weitgehend reingeholt worden.“ So musste es nach der Repara-

Ermordung der Frankfurter

tur auf dem freien Markt neu geschlossen werden. Es machte in der Folgezeit

Edelprostituierten Rosemarie

etliche Reisen mit Getreide vom La Plata nach Norden oder transportierte

Nitribitt. Untergang des Segelschulschiffs „Pamir“ in einem Hurrikan im Südatlantik.

1958 Proteste gegen die Aufrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen. In der Kleinindustrie und der Landwirtschaft der DDR wird der Zusammenschluss zu Produktions­ genossenschaften forciert.

Fidel Castro stürzt die Regierung Batista in Kuba.

Schiffsmessbrief für MS „Vogtland“.

62

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Syrien und Ägypten schließen sich zur Vereinigten Arabischen Republik (VAR) zusammen. Aufstand der Algerienfranzosen gegen die Pariser Regierung. Der Rockstar Elvis Presley absolviert einen Teil seines Militärdienstes in Deutschland. Die sowjetische Regierung kündigt den Viermächtestatus Berlins. Mit der „Lex Soraya“ wird versucht, die Berichterstattung über das persische Kaiserpaar

Die „Vogtland“ am Getreidespeicher Mackprang.

und andere Prominente einzudämmen.

Kohle von Hampton Roads (Wasserweg im US-Staat Virginia mündend in die

Werner Heisenberg präsentiert

Chesapeake Bay) zur Hamburg-Antwerp-Range (Sammelbezeichnung für die

seine „Weltformel“.

großen nordeuropäischen Häfen Hamburg, Bremerhaven, Amsterdam, Rot-

Kurt Hoffmann:

terdam, Antwerpen und Zeebrügge entlang der Nordseeküste). Eine langfris-

„Wir Wunderkinder“ (Film).

tige Zeitcharter aber war zu guten Raten nicht zu erreichen. Vogemann erlebte mit seinem ersten Schiff manche Abenteuer.

1959

Nur zwei Beispiele: Auf einer Reise vom La Plata hatte es außer Fracht auch

Die SPD beschließt im „Godes-

Passagiere an Bord, nämlich zehn Nonnen. Das Schiff geriet in so schlechtes

berger Programm“ die Abkehr

Wetter und entsprechend schwere See, dass selbst der Erste Offizier ausfiel.

vom Marxismus.

Die Nonnen aber banden nur ihre Hauben fester, beteten, sangen und über-

Das Saarland wird wirtschaft-

standen die Reise munter und gesund in ungetrübtem Gottvertrauen. Wenig

lich an die Bundesrepublik

später geriet die „Vogtland“ auf ähnlicher Route ins Randgebiet eines Hurri-

angegliedert.

kans. Der Kapitän drahtete seine Position und fügte hinzu: „Lenzen in schwerer See“. Auf Vogemanns Rückfrage, wo sich der Wassereinbruch denn ereignet habe, gab es zunächst Verwirrung. Wasser sei nirgends eingebrochen. Die Landratten im Büro begriffen erst nach einigem Hin und Her, dass Seeleute mit „lenzen“ auch ein Manöver benennen, bei dem das Heck sicherheitshalber gegen den schweren Seegang gedreht wird. 1955 hätte die „Vogtland“ Klasse

Das Passagierschiff

machen müssen (Voraussetzung für die Verlängerung der Betriebsgenehmi-

„Bremen“ tritt seine

gung). In den Jahren nach 1950 waren sowohl die technischen Anforderungen

Jungfernfahrt nach

als auch die Ansprüche an den Komfort für die Mannschaften gewachsen.

New York an.

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

63

64

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Motorschiff „Vogtland“ Das Modell der MS „Vogtland“ steht heute in der Eingangshalle des Reedereigebäudes in der Hamburger Hallerstraße. 1950 in Vogemanns Besitz gelangt, war die „Vogtland“ ex „Tiradentes“ zeitweilig das größte Schiff unter deutscher Flagge. Im Nachkriegsdeutschland, das fast die gesamte Handelstonnage verloren hatte, zählte ein 9.200-Tonner schon eine ganze Menge.

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

65

De Gaulle wird Staatspräsident

Verkauf der „Vogtland“. Dem allen Rechnung zu tragen, wäre

in Frankreich.

sehr ins Geld gegangen, und Richard Vogemann entschloss sich daher, die

Gründung der Europäischen

Klassearbeiten für das fast dreieinhalb Jahrzehnte alte Schiff nicht durchfüh-

Freihandels-Assoziation (EFTA)

ren zu lassen, sondern die „Vogtland“ zu veräußern. Der Zufall wollte es, dass

in Stockholm.

eben zu diesem Zeitpunkt das British Ministry of Transport and Civil Aviation

Günstige Wetterbedingungen

in London ein altes, aber noch fahrtüchtiges Schiff suchte.

bescheren den deutschen

Es kam zu Verhandlungen, bei denen Vogemann das sprich-

Winzern einen

wörtliche Angebot gemacht wurde, das man nicht ablehnen kann. Die Fir-

„Jahrhundertwein“.

ma trennte sich von der „Vogtland“ zum Fabelpreis von 140.000 Pfund Ster-

Das Segelschulschiff „Gorch Fock“ der Bundesmarine läuft zur ersten Fahrt aus. Mit der Ausgabe von PreussagAktien beginnt die

ling (= DM 1.638.000). Bedingung war: „The vessel shall be delivered safely afloat under her own power with windlass winches anchors and cables in good working order.” Das war gewährleistet, und am 19. Dezember 1955 wurde das Schiff übergeben. Preis und Konditionen deuteten daraufhin, dass an eine Verschrottung nicht gedacht war. Was das Ministerium mit ihm vorhat-

Privatisierung von Teilen des

te, blieb Vogemann unbekannt. In die Welt gesetzte Gerüchte aber, wonach

Bundesvermögens.

die „Vogtland“ irgendwo im Atlantik mit „nuclear waste material“ (Atommüll)

Der Schah von Persien, Resa

versenkt worden sei, entbehren jeder Grundlage. Nicht nur der gute Preis

Pahlawi, heiratet in dritter Ehe.

für die „Vogtland“ war ein Trostpflaster für die Trennung, sondern auch der

Günter Grass:

glückliche Umstand, dass Vogemann zu Beginn des gleichen Jahres ein wei-

„Die Blechtrommel“ (Roman).

terer Kauf geglückt war. Erneut war es die Firma Daniel Milberg, die den

1960

raire“ abgeben, ein 1927 auf der französischen Werft Chantiers de Penhoët in

Kontakt zum Verkäufer Wilhelm Wilhelmsen herstellte. Der wollte die „TemeSaint-Nazaire gebautes Schiff mit einer Tragfähigkeit von 9420 t. Es war wie die „Vogtland“ in Linienfahrt, vor allem nach Indien, eingesetzt gewesen und brachte es mit zwei Hauptmaschinen von zusammen 7200 PS auf 13 Knoten Geschwindigkeit. Die Kaufverhandlungen mit der Reederei Wilhelmsen führte Bei den Olympischen Spielen in

Richard Vogemann persönlich zusammen mit Herrn Schmüser von der Fir-

Squaw Valley (Winter)

ma Milberg in Oslo. Die Finanzierung wurde ihm dadurch erleichtert, dass

und Rom (Sommer) tritt

Wilhelmsen aufgrund der guten Erfahrungen mit dem Käufer bereit war,

eine gesamtdeutsche

eine Hypothek von 35.000 Pfund zu 4 Prozent p.a. ( jährlich) zu gewähren.

Mannschaft an.

Am 3. Januar 1955 stand der Kaufvertrag zum Preis von 140.000 Pfund Ster-

Der Bundestag billigt

ling (= DM 1.646.000), Ablieferung wurde zum 28. Januar in Göteborg verein-

die Privatisierung des

bart.

Volkswagenwerks.

Kritik aus der deutschen Reederschaft. Das Schiff erhielt den

In der Bundesrepublik endet die Zwangsbewirtschaftung

neuen Namen „Vogesen“ und wurde vom Verkäufer für eine Indien-Rund-

des Wohnraums.

reise zu 25 Shilling pro Tonne und Monat auf Zeitcharter genommen. Da-

66

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

nach transportierte das Schiff überwiegend in der Atlantikfahrt Kohle von Hampton Roads nach Europa und mit Getreide vom La Plata zu den Häfen der Hamburg-Antwerp-Range. Über die Hamburger Frachten-Treuhand, die alle Befrachtungen von Getreide nach Deutschland vornahm, wurden Vogemann fünf Folgereisen auf dieser Route angeboten. Die Firma griff zu, denn die Raten lagen recht günstig, und das Schiff war so über längere Zeit mit absolut

Abschuss eines US-Aufklärungs­

sicheren Charterern beschäftigt; der relativ kleine Abschlag, den Vogemann

flugzeuges über sowjetischem

wegen der großen Anzahl von fünf Reisen auf die derzeit gültige Rate hinneh-

Territorium (U-2-Affäre).

men musste, fiel da nicht ins Gewicht.

Erster französischer Kernwaffen­

Teile der deutschen Reederschaft kritisierten das Geschäft scharf, zumal während der Abwicklung der Reisen die Frachtraten sanken, die „Vogesen“ aber weiter zu gleichbleibender Rate fahren konnte. Das steigerte

versuch in der Sahara. Die ehemalige Kolonie BelgischKongo erklärt sich zur unabhängigen

die Neidempörung noch und führte zu Forderungen, Vogemann solle eine

Republik.

oder gar mehrere der noch anstehenden Reisen „subletten“ (weitervergeben).

Bei den Präsidentschaftswahlen

Darauf ging Vogemann bei sich verschlechterndem Markt verständlicherwei-

in den USA siegt der Demokrat

se nicht ein.

John F. Kennedy über den

Natürlich gab es auch technische Probleme: Die annähernd dreißig Jahre alten Hauptmaschinen mit ihren Archaloff-Pumpen machten

Republikaner Richard Nixon. Armin Hary läuft Weltrekord über 100 Meter (10,0 Sek.). Erster Auftritt der Beatles im „Indra“ in Hamburg.

1961 Der Bundestag verabschiedet Gesetze zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und zur Förderung der Vermögensbildung für Arbeitnehmer (312-DM-Gesetz).

Der Bau der Berliner Mauer riegelt den Ostsektor der Stadt hermetisch ab.

Die „Vogesen“ (früher „Temeraire“) fuhr seit Anfang 1955 für Vogemann.

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

67

Konfrontation amerikanischer

allerhand Ärger, weil sie manchmal nur schwer ansprangen. In kritischen Si-

und sowjetischer Panzer

tuationen konnte das äußerst gefährlich werden. So musste die „Vogesen“ bei

am Berliner Grenzübergang

einer Getreide-Reise vom La Plata nach Emden kurz vor dem Ziel bei Borkum

„Checkpoint Charly“.

vor Anker gehen, weil bei besonders schwerer See und auflandigem Sturm ein

Staatsvertrag für das Zweite

Einlaufen in den Hafen nicht zu verantworten war.

Deutsche Fernsehen (ZDF).

Bei dem heftigen Schwell aber brachen beide Ankerketten und

Erster bemannter Raumflug

das Schiff drohte auf die Insel zuzutreiben. Trotz unermüdlichen Bemühens

mit dem russischen Astronauten

sprangen die Hauptmaschinen nicht an. Die Pressluft zum Anlassen ging

Juri Gagarin.

schließlich bedrohlich zur Neige, so dass die Aussicht darauf, das Schiff mit

Ein Landeunternehmen

Maschinenkraft manövrierfähig zu machen, rapide schwand. In dieser Be-

von Exilkubanern scheitert

drängnis forderte der Kapitän einen Seenotrettungskreuzer an, der äußers-

in der Schweinebucht an der

tenfalls die Besatzung hätte übernehmen können.

Südküste Kubas.

Die Anfrage fing der Bergungsschlepper „Wotan“ von der Bug-

Der Prozess gegen den nach

sier-, Reederei- und Bergungs-AG auf, der hinter Borkum lag und sofort aus-

Israel entführten ehemaligen

lief, um die „Vogesen“ zu bergen. Es kam tatsächlich eine Verbindung zustan-

SS-Obersturmbannführers

de, doch führten unglückliche Manöver in der schweren See zum Reißen der

Adolf Eichmann endet

Leine, so dass die „Vogesen“ steuerungsunfähig liegen blieb. Es wurde bereits

mit einem Todesurteil.

mit dem Verlust des Schiffes und seiner Ladung gerechnet, als endlich doch

In der DDR werden Stalin-

eine der Hauptmaschinen ansprang, so dass vielleicht doch noch der Ha-

Straßen umbenannt und Denk-

fen zu erreichen sein würde. Der Kapitän, der mit neuen Störungen rechnen

mäler des Diktators entfernt.

musste, bat die „Wotan“ deswegen um Geleit bis Emden. Das wurde mit dem

Die Bundesrepublik schließt mit der Türkei eine Anwerbevereinbarung für Gastarbeiter. Die Sowjetunion bringt eine 60-Megatonnen-Wasserstoffbombe zur Explosion.

1962

Norddeutschland wird von einer Flutkatastrophe betroffen, in Hamburg kommen 315 Menschen ums Leben.

„Vogesen“ beim Beladen.

68

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Die Vereinbarungen über die Lateinamerikanische Freihandelszone (LAFTA) treten in Kraft. Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils zur Reform der katholischen Kirche. Die Kubakrise endet mit dem Abbau der sowjetischen Raketenbasen auf der Insel. Prozess gegen Vera Brühne,

USS „Des Moines“, der Kreuzer, mit dem die „Vogesen“ beinahe kollidiert wäre.

die beschuldigt wird, ihren

Bescheid barsch abgelehnt, die Bugsier sei ein Bergungsunternehmen und

Geliebten und dessen

kein Schleppdienst. So mussten aus Emden drei Schlepper gerufen werden,

Haushälterin ermordet zu

die die „Vogesen“ an ihren Löschplatz begleiteten.

haben. Die Bundesregierung

Beinah-Kollision mit einem US-Kreuzer. Ein anderes Mal soll-

verhängt ein Exportverbot

te das Schiff Kohle in der Region von Hampton Roads laden und musste dafür

für Stahlröhren in die Sowjet-

in der Bucht von Norfolk (US-Bundesstaat Virginia) ankern, wo die sehr um-

union (Röhren-Embargo).

fangreichen amerikanischen Zoll-Formalitäten zu erledigen waren. Erst dann

Einführung der allgemeinen

bekam der Kapitän die Genehmigung zum Einlaufen. Da die „Vogesen“ wäh-

Wehrpflicht in der DDR.

rend der Abfertigung vor Anker geschwojt hatte, musste sie zum Einlaufen

„Spiegel-Affäre“:

hart backbord drehen. Die Steuerbord-Maschine sprang gleich voll voraus

Durchsuchung der

an, doch die Backbord-Maschine wollte partout nicht in Gang kommen, die

Redaktionsräume und

dafür eingesetzte Pressluft verknallte durch den Schornstein. Dabei war es

Verhaftung von Redakteuren,

notwendig, dass die Maschine zum Drehen des Schiffes nach backbord voll

die angeblich Landesverrat

rückwärts lief.

begangen haben.

Zum Schrecken aller war genau um diese Zeit das 21.000-TonnenUS-Kriegsschiff „Des Moines“ aus Norfolk ausgelaufen und fuhr mit ziemlichem Tempo Richtung See, direkt auf die „Vogesen“ zu. Noch war die Entfernung stattlich, doch für ein Ausweichmanöver oder gar für ein Stoppen des Gun Cruisers (Schweren Kreuzers) war es schon zu spät. Machtlos sah man auf der Brücke das Ungetüm auf sich zukommen, während unter Deck fieberhaft versucht wurde, die Backbord-Maschine in Gang zu bekommen. Um es kurz zu machen: Noch gerade rechtzeitig sprang die bockige Maschine an, und die „Des Moines“ mit ihren neun

In Hamburg wird der

20,3-cm-Geschützen in Drillingstürmen rauschte riesig an der „Vogesen“ vorbei,

„Starclub“ eröffnet, in dem

die nur noch das Kielwasser abkriegte.

u.a. die Beatles auftreten.

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

69

1963 Der Freundschaftsvertrag zwischen der Bundesrepublik und Frankreich tritt in Kraft. Profumo-Skandal in England: Der Verteidigungsminister stürzt wegen Ableugnens einer Beziehung zum Callgirl Christine Keeler.

MS „Vogelsberg“. Eine Aufnahme vom Juni 1960.

Bundeskanzler Adenauer tritt zurück. Nachfolger wird

Gegen Ende der 1950-er Jahre waren durch das Schiffbaupro-

der Wirtschaftsminister

gramm etliche Neubauten von 10.000 t und mehr auf den Markt gekommen.

Ludwig Erhard.

Diese Schiffe waren auf dem neuesten Stand der Technik und fuhren im Ver-

Das Moskauer

gleich zur „Vogesen“, die 36 Mann Besatzung hatte, mit wesentlich weniger

Atomtestabkommen tritt in Kraft.

Personal. Vogemanns Schiff war überaltert und eine Modernisierung zu teuer,

Die Sowjetunion und China

wenn sie denn überhaupt zu bewerkstelligen gewesen wäre. Schweren Her-

brechen ihre Verhandlungen über die Generallinie des

zens musste sich die Reederei von ihrem zweiten Schiff trennen und verkaufte es Ende 1958 zum Verschrotten an die Eisen und Metall KG Lehr & Co.

Weltkommunismus ab.

Hatte Richard Vogemann die ersten beiden Schiffe aus einer

Ermordung des vietnamesischen

guten Einschätzung der Frachtenlage heraus erworben („Vogtland“ in der

Diktators Diem.

Korea-Krise, „Vogesen“ bei krisenhafter Entwicklung in Nahost), so leiteten ihn und seine Firma beim dritten Kauf andere Motive: Die „Vogtland“ war, wie geschildert, zu einem so guten Preis wieder verkauft worden, dass der Gewinn nur dann nicht voll steuerlich zu Buche schlüge, wenn Vogemann in ein weiteres Schiff investierte. Ähnlich verhielt es sich mit dem für die „Vogtland“ aufgenommenen „Wiederaufbau-Darlehen“ von DM 390.000, die zur Rückzah-

Ermordung des US-Präsidenten Kennedy in Dallas (Texas). Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler werden in Cortina

lung fällig würden, wenn der Betrag nicht auf einen Neuerwerb zu übertragen war; das Bundesverkehrsministerium hatte einer solchen Übertragung ausdrücklich zugestimmt. Vogemann „parkte“ daher die Summe auf einem „Verwahrkonto“ zur Freigabe bei Ankauf eines Schiffes. Es sollte möglichst ein etwas moderneres Schiff erworben wer-

d’Ampezzo Weltmeister im Eiskunstlauf der Paare.

den, als das bei den beiden anderen der Fall war. Mitte 1956 erhielt Vogemann

Rolf Hochhuth:

einen Tipp des Maklers Ansgar Jensen in Oslo, dass die E.B. Aaby Reederi,

„Der Stellvertreter“ (Drama).

ebenfalls ansässig in Oslo, das Motorschiff „Peik“ am Markt anbiete. Es han-

70

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

delte sich um ein 1938 auf der Lindholmens Varw AB in Göteborg (englisch:

1964

Gothenburg) gebauten Frachter für Stückgut, insbesondere vorzüglich geeignet zum Transport von Schnittholz; Tragfähigkeit 3980 t. Hinzu kam, dass die „Peik“ auf Zeitcharter bis Ende 1957 von der Firma Paal Wilson im norwegischen Bergen zur Traumrate von 56/6 Shilling per ton und Monat genommen worden war. Der Charterer hatte keinen Einwand gegen einen Besitzerwechsel, vorausgesetzt natürlich, es handelte sich wieder um einen erstklassigen Reeder. All diese Umstände motivierten Vogemann, die „Peik“ anzukaufen, obwohl seinerzeit der Markt für Tonnage aus zweiter Hand sehr hoch

Ankunft des millionsten Gast­

war. Am 30. November 1956 war man sich handelseins, und die „Peik“ ging

arbeiters in der Bundesrepublik.

als „Vogelsberg“ für 260.000 Pfund Sterling (= DM 3.059.000) an Vogemann;

Konstituierung des

die Übernahme war vereinbart im irischen Cork zu Jahresbeginn 1957. In der

Sachverständigenrates zur

Folgezeit wickelte das Schiff unter Führung von Kapitän Bergmann, ehemals

gesamtwirtschaftlichen

Erster Offizier auf der „Vogtland“, und dem Ersten Ingenieur Harz, ehemals

Entwicklung („Fünf Weise“).

Zweiter Ingenieur auf der „Vogtland“, die Zeitcharter für Paal Wilson ab. Team

Das erste atomgetriebene

und Schiff bewährten sich, der Auftrag verlief ohne Störungen.

Frachtschiff Europas, die „Otto

Dann aber kam das dicke Ende. Der Frachtenmarkt war im

Hahn“, läuft vom Stapel.

Herbst 1957 völlig zusammengebrochen. Zwar wollte Paal Wilson das Schiff

KPdSU-Parteisekretär und Minis-

für eine weitere Rundreise chartern, doch das Angebot von 25/- Shilling per

terpräsident Nikita Chruschtschow

ton und Monat deckte nicht einmal mehr die Kosten. Verzweifelt bemühte

wird aus allen Ämtern entlassen.

sich Vogemann um anderweitige Befrachtung. Vergeblich. Wilsons Angebot

Der US-Senat schafft mit der

für eine nächste Reise musste notgedrungen doch noch akzeptiert werden.

„Tonkin-Resolution“ die Grundlage

Anschließend musste Vogemann die „Vogelsberg“ wieder auf dem freien

für ein massives Eingreifen in den

Markt verchartern, der immer noch sehr schlecht war. Das Schiff fuhr viel

Vietnam-Krieg.

im Stückgut-Dienst nach Mittelamerika, auf Einzelreise wie auf Zeitcharter-

Cassius Clay wird durch einen Sieg

basis. Und natürlich fuhr es auch oft Schnittholz von Finnland, was aufgrund

über Sonny Liston Boxweltmeister

der erwähnten sehr guten „intakes“ des Schiffes wenigstens einen schmalen

im Schwergewicht.

Profit brachte. Keine Fahrerlaubnis. Ende 1961 verkaufte Vogemann die „Vogelsberg“ an Messrs. Nissille et Soini Oy. in Helsinki mit Ablieferung im Februar 1962. Die Käufer machten zur Bedingung: „Delivery to be effected with engine survey passed, hull survey due.” Preis: 82.000 Pfund Sterling (knapp 1 Million DM). Das „Memorandum of Agreement“ war von beiden Seiten gezeichnet. Zu Vogemanns Entsetzen verweigerte Lloyd’s Register in Piombino (Provinz Livorno) dem Schiff kategorisch die Weiterreise wegen erhebli-

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

71

Der Bürgerrechtler Martin Luther King erhält den Friedensnobelpreis.

In der Volksrepublik China wird die erste Atombombe gezündet. Sergio Leone begründet mit seinem Film „Für eine Handvoll Dollar“ (Hauptdarsteller: Clint Eastwood) das Genre des Italo-Western. Peter Weiss: „Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats“ (Drama).

1965 Im Frankfurter AuschwitzProzess werden die Urteile gegen ehemalige SSAngehörige gesprochen. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland veröffentlicht die Denkschrift „Zur

Flaggenzeugnis für MS „Vogelsberg“.

Lage der Vertriebenen und zum Verhältnis Deutschlands zu seinen östlichen Nachbarn“. Gesetz zur Vermögens­

cher Mängel am „hull“ (Rumpf). Vogemanns Inspektor Johns reiste an die tos-

bildung in Arbeitnehmerhand

kanische Küste und wollte sich vor Ort darum bemühen, dass der „Vogelsberg“

(„624-Mark-Gesetz“).

nicht die Fahrterlaubnis entzogen würde. Vergeblich. Das Schiff erhielt keine Fahrterlaubnis ohne Klasse, wodurch der Kaufvertrag hinfällig wurde. Damit stand die Reederei vor dem Dilemma, das Schiff doch noch Klasse machen zu lassen oder es zu verschrotten. Letzteres allerdings hätte wegen der auf dem Schiff liegenden Belastungen (einschließlich des „Wiederaufbau-Darlehens“) einen schweren Verlust bedeutet. Andererseits war es unmöglich, in Piombi-

Die US-Armee eröffnet

no Klasse zu machen.

den Bombenkrieg gegen

Vogemann verhandelte mit etlichen Werften in Europa, was

Nordvietnam.

auch deswegen sehr schwierig war, weil man eine Firma finden musste, die

Die DDR-Zeitung „Neues

eine Streckung der Bezahlung für die Reparaturen akzeptierte. Wieder kam

Deutschland“ startet eine

Vogemann die Mercantile Marine Engineering & Graving Dock Co. in Antwer-

Kampagne gegen den

pen aufgrund guter alter Verbindungen sehr entgegen. In langen Verhand-

Liedermacher Wolf Biermann.

lungen mit der Klassifikationsgesellschaft und den Hafenbehörden erreichte

72

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Demonstrationen gegen den Bildungsnotstand in der Bundesrepublik. Die Bundesrepublik nimmt diplomatische Beziehungen zu Israel auf. Deutscher Kinostart des JamesBond-Films „Goldfinger“.

1966 In der Bundesrepublik wird der Schuljahrsbeginn von Ostern auf den 1. August verlegt. Nach dem Bruch des Regierungsbündnisses von CDU/CSU und FDP bilden Union und SPD eine Große Koalition unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger. Frankreich tritt aus der NATO aus.

Bei der Fußball-WM verliert die deutsche Mannschaft im Endspiel 2:4 gegen England. Spielentscheidend ist dabei die Anerkennung eines zweifelhaften Treffers für England in der Verlängerung. Herausforderer Karl Mildenberger unterliegt beim Weltmeisterschaftsboxkampf gegen den Titelverteidiger

Ein Besatzungsmitglied hielt Bilder von seinen Fahrten mit MS „Vogelsberg“ fest: Durchfahrt durch den Panamakanal.

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

Cassius Clay.

73

An den westdeutschen Universitäten erproben die Studenten neue Formen der politischen Aktion (Sit-in, Go-in, Teach-in).

1967

Beim Besuch des Schahs in Berlin wird der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen. Die Bundesrepublik nimmt diplomatische Beziehungen zu Rumänien auf und

MS „Vogelsberg“ im Hafen von Vancouver.

verabschiedet sich damit von der „Hallstein-Doktrin“, nach der keine Beziehungen zu Staaten unterhalten werden sollten, die

Johns schließlich, dass die „Vogelsberg“ in Ballast nach Antwerpen versegeln durfte.

die DDR anerkennen.

Ein Käufer für MS „Vogelsberg“. Die Mercantile führte die not-

Sechstagekrieg Israels gegen seine arabischen Nachbarn. Sperrung

wendigen Reparaturen aus, so dass die Klasse wieder gegeben war. Allerdings

des Suez-Kanals für die internati-

erwies es sich wegen der allgemeinen Frachtenlage als nicht sinnvoll, das

onale Schifffahrt.

Schiff weiter zu beschäftigen. Mit einigen Mühen fand Vogemann einen Käufer,

In den USA kommt es zu blutigen

die Firma Johanship Oy. im finnischen Vasa, der bereits das Schwesterschiff

Rassenunruhen.

„Pan“ der Ex-„Peik“ gehörte. Sie knüpfte den Kauf aber an die Bedingung: „The

Die Unabhängigkeitserklärung

vessel has been inspected in drydock whilst completing classification works

der nigerianischen Provinz Biafra löst einen Bürgerkrieg aus.

and accepted thereafter. Therefore the sale becomes definite.” Der Preis „fully classed” betrug 75.000 Pfund Sterling (rund DM 900.000).

Der Internationale Weltraum­

Nach verlustreichem Betrieb und Verkauf der „Vogelsberg“ en-

vertrag sichert allen Nationen

dete vorerst das Reedereigeschäft der Firma H. Vogemann. Es sollten dreiein-

freie Nutzung des Weltalls zu. Mit Oswalt Kolles „Wunder der

halb Jahrzehnte vergehen, ehe eine neue Generation in der Geschäftsführung einen Neuanfang wagte. Bis dahin blieb es bei der Orientierung auf das Befrachtungs-

Liebe“ beginnt eine Serie von Aufklärungsfilmen.

geschäft, in dem Vogemann in den 1950/60er Jahren gute Erfolge erzielte

74

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Reedersorgen

1968 Ende 1961 brachte der „Spiegel“ einen langen, mit den üblichen Bosheiten gespickten Artikel über die Nöte der deutschen Reeder, die sich mit der Bitte um Subventionen an Bundeskanzler Adenauer gewandt hatten. Vogemanns Flagge war auf der Titelseite mit abgebildet, die Reederei wird zwar namentlich nicht genannt, aber dass Vogemann im folgenden Jahr sich von seinem letzten Schiff

Nach dem Mordanschlag

trennte und längere Zeit dem Reedereigeschäft fernblieb,

auf den Studentenführer

passt zum Tenor des Artikels. Hier ein Auszug:

Rudi Dutschke kommt es

„Die westdeutschen Reeder sind die SpätUnter den Reedereiflaggen, die die Titelseite des „Spiegel“ zieren, findet sich auch die der Reederei Vogemann.

in vielen deutschen Städten

heimkehrer zur See“, so begründete der Direktor des

zu Unruhen.

Norddeutschen Lloyd; Richard Bertram – Chef der größ-

Mai-Unruhen in

ten deutschen Schiffahrtsgesellschaft –, die Hilfsbedürf-

Frankreich gegen die

tigkeit der Reeder. „Erst seit 1951 können wir uns wieder

Regierung Pompidou.

im internationalen Geschäft betätigen. Solange lagen wir

Für kurze Zeit verbrüdern

an der Kette der Besatzungsmächte, und in letzter Zeit sind wir immer mehr in eine

sich Studenten und Arbeiter.

wirtschaftliche Flaute hineingeraten.“

Tet-Offensive der

„Es ist betrüblich“, bedauerte Bertram, „daß es nur für das physikali-

Vietcong gegen die

sche Auf und Ab der See Tabletten gibt, während für die wirtschaftliche Seekrankheit

Amerikaner in

derartige Linderungsmittel nicht gefunden wurden.“

Südvietnam.

Die Reeder verlangen von Bonn mindestens für die nächsten zwei Jahre - Staatszuschüsse und - zinsbillige Kredite. Sie wollen genauso wie die Grüne Front und der Bergbau als subventionsreife Stiefkinder der freien Marktwirtschaft anerkannt werden und betätigten sich in Bonn als Heulbojen, die immer wieder dasselbe Leidmotiv ertönen ließen: „Schiffahrt in Not. Rettet uns vor dem Ruin.“

Ende des „Prager Frühlings“

Unermüdlich drückten die Schiffahrtsunternehmer die SOS-Taste, um

durch eine Invasion der sozi-

auch die Skeptiker zu überzeugen, „daß die meisten Reeder nicht leben und nicht

alistischen „Bruderstaaten“.

sterben können“ – so motiviert der Geschäftsführer des Reederverbandes, Dr. Hans

Beginn des „Contergan-

Georg Röhreke, die vielen Bonn-Reisen und Interpellationen der Vorstandsmitglieder.

Prozesses“ gegen

Zum Beweis ihrer Existenznot zitieren die Reeder ein Gutachten der

leitende Angestellte des

Deutschen Revisions- und Treuhand AG, in dem nachgewiesen wird, daß 80 bis 90

Pharmaproduzenten

Prozent aller Reeder während der letzten Jahre buchmäßig mit Verlust fuhren, das

Grünental.

heißt, ihre Einnahmen deckten höchstens die Betriebsausgaben, wie Heuer, Treibstoff,

Einführung der Mehrwert-

Schiffsversicherung und den Unternehmerlohn, den sich die Reeder selbst bewilligen.

steuer in der Bundesrepublik.

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

75

In der EWG tritt der Gemeinsame Zolltarif in Kraft. Siegfried Lenz: „Deutschstunde“ (Roman).

und sich einen Ruf als zuverlässiger Schiffsagent erwarb. Immer mehr ausländische Reedereien übertrugen Vogemann die Abfertigung ihrer Schiffe in Hamburg. Sie konnten sich darauf verlassen, dass korrekt abgerechnet und dass alle Rabatte und Skonti, die Vogemann als Agent erhielt, den Prinzipalen gutgeschrieben wurden. Nicht ohne Stolz erzählen bis heute Vogemänner immer wieder gern von der Anfrage eines ausländischen Reeders bei einer

1969

Maklerfirma in London. Der Mann wollte wissen, ob H. Vogemann bei „freight

Erste Landung eines

payable at destination“ sicher genug sei, die Seefracht zu kassieren und die

Menschen auf dem Mond

Konnossements danach freizugeben. Die Antwort des englischen Vertrauens-

(Programm „Apollo 11“).

manns: „Vogemann is as safe as the Bank of England“ – damals der Gipfel der

Charles de Gaulle

Verlässlichkeit.

tritt nach einem

Vogemann kümmerte sich allerdings nicht nur um Klarierung,

Referendum mit negativem

sondern nahm sich auch anderer Tätigkeitsfelder an. So war das Haus als

Ausgang zurück.

Buchungsagent für ausländische Reedereien aktiv; zu den Kunden gehörten

Gustav Heinemann (SPD)

die Linien Deen Shipping, Silver Line, Naviera del Odiel und Compañia Sud-

löst Heinrich Lübke (CDU)

americana de Fletes, deren Schiffe regelmäßig Hamburg anliefen und für die

als Bundespräsident ab.

Vogemann Stückgüter (liner parcels) buchte. Diese immer wiederkehrenden

Nach der Bundestagswahl

Buchungen waren anfänglich eine solide Grundlage zur Erhaltung des Ge-

vereinbaren SPD und FDP eine

schäfts, obschon weiterhin die Hauptaktivität auf der Befrachtung lag. Voge-

sozialliberale Koalition.

mann bemühte sich stets darum, alle Kundenwünsche zu erfüllen, auch wenn es sich dabei manchmal um höchst exotische Aufgaben handelte. Dazu nur ein Beispiel: Captain Chivers von der eben genannten Reederei Deen Shipping führte u.a. den 11.000-Tonner „Exdeen“ mit einer Besatzung aus dem indischen Goa, die sich aus Angehörigen diverser Hindu-Glaubensrichtungen

Mit Willy Brandt wird

zusammensetzte. Jede dieser Sekten hatte ihren eigenen Koch an Bord, der

erstmals ein Sozialdemokrat

die entsprechenden Speisevorschriften kannte und einhielt. Einer dieser Kö-

Bundeskanzler.

che fiel aus nicht mehr erinnerlichen, vermutlich gesundheitlichen Gründen

Die westdeutschen

eines Tages aus, und seine Kollegen weigerten sich, für die betroffene Gruppe

Kultusminister vereinbaren

zu kochen. Chivers wandte sich an seinen Agenten Vogemann, der wiederum

Schulversuche mit Ganztags-

beim Konsulat vorstellig wurde, so dass nach zwei Tagen tatsächlich ein ge-

und Gesamtschulen.

eigneter Koch gefunden war. Auf die Liegekosten für die beiden verlorenen

Unterzeichnung des

Tage nahm der Captain keine Rücksicht; am Seelenheil seiner Leute war ihm

Kernwaffensperrvertrages

mehr gelegen.

in Moskau; keine Atomwaffen

Beziehungen zu den großen Getreidehäusern. Die von Herbert

für die Bundesrepublik. R.W. Fassbinder:

Vogemann geknüpften und gefestigten Verbindungen wurden nach seinem

„Katzelmacher“ (Film).

Tod weiter gepflegt durch etliche Reisen und Besuche von Befrachtern wie

76

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

den Herren Hinsch und von Hein bei den ausländischen Firmen. Dadurch

1970

erweiterte sich das Netz der Kontakte, wobei für Vogemann die reichen Er-

Bundeskanzler Brandt

fahrungen in der Befrachtung insbesondere von Getreide eine große Rolle

trifft sich in Erfurt mit dem

spielten. Wohl zu allen großen Getreidehäusern in Genf, Lausanne und Paris,

DDR-Ministerpräsidenten

um nur einige Haupthandelsplätze zu nennen, unterhielt Vogemann beste

Stoph.

Beziehungen. So suchte die Compagnie de Change International in Paris unter

An der innerdeutschen

Leitung von Isaac Pinto laufend Tonnage, und Vogemann vermittelte dem Un-

Grenze werden die

ternehmen unzählige Schiffe von 10.000 und mehr Tonnen. Hierbei kam den

ersten Selbstschussanlagen

Hamburgern die gute Verbindung zur Società Ligure di Armamento (Liguri-

montiert.

an Shipowning Co.) in Genua zugute. Deren Geschäftsführer Dottore Centore

Abschluss eines

achtete peinlich darauf, dass seine Schiffe immer vorbildlich gehalten wur-

deutsch-sowjetischen

den. Vogemann konnte mit den fünf Frachtern „Ercta“, „Tideo“, „Fineo“, „Sirio“

Gewaltverzichtvertrages und

und „Atrea“ erstklassige Tonnage für drei Jahre Zeitcharter an den Pariser

eines Vertrages mit Polen

Kunden vermitteln. Dessen Tochterfirma in Hamburg, die Hanimex, kaufte

über die Normalisierung der

damals einen Ölbrenner (Bezeichnung für Schiff mit Dieselantrieb) mit einem

gegenseitigen Beziehungen.

enormen Kubikraum. Dieses Schiff, „George M.“ genannt, vertraute die Compagnie de Change Vogemann zur Verwaltung an. Es fuhr nur eigene Ladung, so dass für Vogemann keine Befrachtungsaufgaben anfielen. Die vermehrten sich weiter, weil Vogemann mit der Zeit nicht nur Getreide, sondern auch Zucker, Zement und andere Massengüter unterbrachte. In den 1960-er Jahren betraf das vor allem Stahl, der einen Boom

Thor Heyerdahl überquert

erlebte. Das rief neue Reedereien auf den Plan, mit denen Vogemann ins

mit seinem Papyrusboot

Geschäft kam. Manchmal freilich auch nur vorübergehend, wenn ein Kunde

„Ra II“ den Atlantik.

meinte, sich über Ratschläge von Vogemann hinwegsetzen zu sollen. So einer

Gesetz über die

war J. Willi Siems mit seiner Speedy International Shipping Company, für

Gleichstellung nichtehelicher

die viele Schiffe auf Zeitcharter befrachtet wurden. Siems buchte Stahl nach

Kinder in der

Häfen in den USA, allerdings zu Dumping-Raten. Auf Vorhaltungen, dass die

Bundesrepublik.

Folgekosten im Zielland sich erst recht spät niederschlügen und außerdem

Der sowjetische Dissident

ziemlich hoch seien, reagierte er nicht. Das böse Erwachen kam mit den End-

Alexander Solschenizyn

abrechnungen aus den USA. Zu spät begriff Siems, dass nicht nur die Charter-

erhält den

miete, sondern stets auch die nicht unerheblichen Hafen- und Beladungskos-

Literaturnobelpreis.

ten zu berücksichtigen sind. Vogemanns Warnungen aber hatte er ignoriert und musste daher schließlich sein „Geschäft“ mit Verlust aufgeben. Andere waren da einsichtiger, griffen gern auf die Erfahrungen des Befrachters zurück und überließen Vogemann nach einer gewissen Zeit der Zusammenarbeit ihre Tonnage oder ihre Ladungen sogar ganz zur exklusiven Befrachtung. In besonders erfreulicher Erinnerung ist da A. C. Neleman in Rotterdam, dessen Schiffsnamen mit „...singel“ endeten. Das bezieht sich

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

77

1971

Erich Honecker löst Walter Ulbricht im Amt des 1. Sekretärs des ZK der SED ab.

Zu Paul Speckters Vorfahren gehört der bekannte Hamburger Maler Otto Speckter (1807–1871), hier auf einer frühen Fotografie. Daneben sein Gemälde „Kirchgang in Alt-Rahlstedt“.

Viermächteabkommen über Berlin garantiert den ungehinderten zivilen Verkehr von Personen und Gütern zwischen der Bundesrepublik und Westberlin. Wiederaufnahme des Telefonverkehrs zwischen Ostund Westberlin. Der Bundestag verabschiedet ein neues „Städtebauförderungsgesetz“.

auf die niederländische Bezeichnung von Straßen, die entlang von ehemali-

Willy Brandt erhält

gen Befestigungen oder Gräben verlaufen: „Statensingel“, „Coolsingel“, „Pro-

den Friedensnobelpreis.

venierssingel“ und andere.

In Uganda gelangt

Herbert Vogemann hatte im Geschäft eine empfindliche Lücke

Idi Amin durch einen Militär-

hinterlassen. Sein Vater Richard war bemüht, sie zu schließen, und nahm im

putsch an die Macht.

September 1954 seinen dreißigjährigen Schwiegersohn Paul Speckter als per-

Einweihung des Assuan-

sönlich haftenden Gesellschafter in die OHG auf. Das bewies Mut und Men-

Staudammes zur Nilregulierung.

schenkenntnis, denn Speckter war ausgebildeter Versicherungsmakler und

Mit einer Protestaktion gegen

Exportkaufmann, verfügte aber allenfalls über rudimentäre Kenntnisse von

US-Atomversuche beginnt

den Aufgaben eines Schiffsmaklers. Er war zuletzt bei der Firma Georg Dun-

die Umweltschutzorganisation

cker tätig gewesen, die sich in erster Linie mit Schiffsversicherungen beschäf-

Greenpeace ihre Arbeit. Die Bundesbahn eröffnet

tigte. Insofern brachte Speckter ein gewisses Maß an Beziehungen zu Reedereien mit, zu deutschen und weniger intensiv auch zu einigen ausländischen. Die fehlenden Erfahrungen sollte er nach sechsmonatiger Ein-

zwischen 33 Großstädten einen regelmäßigen Intercity-Verkehr. Walter Kempowski: „Tadellöser & Wolff“ (Roman).

arbeitung bei Vogemann durch einen Aufenthalt in England bei der schon eingangs erwähnten befreundeten Firma Simpson, Spence & Young (SSY) gewinnen. Es kam aber anders, denn Richard Vogemann, damals schon siebzig Jahre alt, brauchte dauerhafte Unterstützung vor Ort und mochte den jungen Schwiegersohn nicht so lange entbehren. Hinzu kam, dass Richard sehr ok-

78

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

1972 Misstrauensvotum der CDU/ CSU gegen Bundeskanzler Brandt scheitert. Bei den vorgezogenen Bundestagswahlen wird die SPD stärkste Fraktion. Der Grundlagenvertrag mit der DDR wird unterzeichnet. Während der Olympischen Sommerspiele in München verüben palästinensische Terroristen einen Anschlag auf das Quartier der israelischen Sportler. „Blutsonntag“ von Londonderry: Britische Fallschirmjäger erschießen 13 nordirische Katholiken.

kupiert war durch seine Pläne für den Erwerb und den Betrieb eigener Schiffe,

Verhaftung der RAF-Terroris-

so dass er für das Makler-Tagesgeschäft kaum Zeit fand. Speckter blieb nur

ten Andreas Baader, Holger

der autodidaktische Weg des Lernens durch Praxis, wofür er sich allerdings

Meins und Jan-Carl Raspe.

nach Unterstützung umschaute:

Bobby Fisher (USA) wird

Er fand sie 1955 in Gestalt des erfahrenen Schifffahrtskauf-

Schachweltmeister.

manns Hans-Dieter Westendorf, der die Befrachtungsabteilung der Deutschen

Heinrich Böll erhält den

Afrika-Linien/ John T. Essberger geleitet hatte. Außerdem engagierte Speck-

Nobelpreis für Literatur.

ter zwei weitere junge Leute mit Maklererfahrung, die Westendorf und ihm zuarbeiteten. Neben dem allgemeinen Befrachtungsgeschäft, aus dem keine besonders spektakulären Vorgänge erinnerlich sind, beruhten Vogemanns Erfolg und Einkommen in großem Maße auf Agententätigkeit, insonderheit auf Buchungen von Stückgütern und auf der Betreuung von Hamburg anlaufenden ausländischen Schiffen. Leider verabschiedete sich Herr Westendorf schon nach nur einem knappen Jahrzehnt plötzlich wieder. Er hatte eine beachtliche Erbschaft gemacht und beabsichtigte, als Bauunternehmer tätig zu werden; sein Fernziel war ein Jurastudium. Obwohl Paul Speckter inzwischen längst mit allen Maklerwassern gewaschen war, verlangte das angewachsene Geschäftsvolumen nach Ersatz für Westendorf. Nach etlichen Gesprächen mit jungen Bewerbern gelang 1964 die Verpflichtung von Herrn Ulrich Prüss,

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

79

1973 Die Bundesrepublik und die DDR werden Mitglieder der Vereinten Nationen. Die DDR lehnt Wiedergutmachungs­ zahlungen gegenüber Israel ab. Der Prager Vertrag zwischen der Bundesrepublik und der Tschechoslowakei hebt das Münchener Abkommen von 1938 auf. Anwerbestopp für Gast­arbeiter in der Bundesrepublik. Der zivile Ersatzdienst wird dem Wehrdienst gesetzlich gleichgestellt. Muster eines Charterbriefes von 1969.

Jom-Kippur-Krieg der arabischen Staaten gegen

der bei seinem Arbeitgeber, der relativ kleinen Maklerfirma W. Vollert & Co.,

Israel. Die Öllieferungen an

keine ausreichende Basis für seine vielseitigen Ideen als Schiffsmakler und –

westliche Staaten werden ein-

was ihm besonders am Herzen lag – als Reeder sah.

geschränkt. Vorübergehende

Verpflichtung von Ulrich Prüss. Mit Leidenschaft engagierte

Fahrverbote auf bundesdeutschen Autobahnen. Ulrich Plenzdorf: „Die neuen

sich Prüss bei Vogemann, wobei ihm seine ausgezeichneten Fachkenntnisse zugute kamen. Nach seinem Eintritt konnte die Firma die Befrachtungser-

Leiden des jungen Werthers“

träge beachtlich steigern. Lag das Ergebnis auf diesem Sektor 1965 noch bei

(Schauspiel).

DM 380.000, so stieg es 1966 auf DM 420.000 und im Folgejahr bereits auf

Joachim C. Fest: „Hitler“ (Biographie).

DM 622.000. Das war natürlich nicht nur Prüssens Verdienst, sondern Ergebnis immer besserer Teamarbeit, an der die Befrachter Jochen Lüdemann und später Reinhard Westphal ebenso Anteil hatten wie Gesellschafter Speckter. Es bewährten sich dabei zudem die intensiv gepflegten Beziehungen zu Fir-

80

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

men wie Atlantic Shipping, Spliethoff, Nidera Handelscompagnie, Conti-Lines,

1974

Peter Cremer, Krohn (Thai Europe Tapioca Service), Panchaud Frères, A.C. Ne-

Bonn und Ostberlin richten

leman, Toepfer, Hansa Hout und manchen anderen. Neue Kontakte wurden

wechselseitig

geknüpft zu Inflot Moscow, Polish Ocean Line, Mahart Shipping und einigen

„Ständige Vertretungen“ ein.

weiteren. Natürlich gab es auch Pannen und Rückschläge. Gabriel Rybier (sprich: Rübjéh), Chef der Rotterdamer Firma Blaesberg, hatte durch Vogemanns Vermittlung ein Schiff des Reeders Hans Edwin Reith für sechs Monate gechartert. Rybier zahlte selten fristgerecht. Reith saß damit auf nicht unerheblichen Mietforderungen und bat Herrn Speckter, mit ihm nach Rotterdam

„Guillaume-Affäre“ führt zum

zu reisen und dort bei Blaesberg das Bestmögliche herauszuholen. Bei der

Rücktritt Willy Brandts. Nach-

Ankunft wurde beiden gesagt, Herr Rybier sei in einer wichtigen Besprechung,

folger als Bundeskanzler wird

man möge sich gedulden. Reith entdeckte in dem Raum, wo er mit Speckter

Helmut Schmidt.

warten sollte, ein Telefon und ein Verzeichnis mit den internen Nummern,

In der Bundesrepublik wird die

auch der von Rybier. Kurz entschlossen wählte Reith sie; Rybier meldete sich

Volljährigkeit von 21 auf 18 Jahre

sofort. „Wenn Sie nicht umgehend hier erscheinen, Herr Rybier“, polterte

herabgesetzt.

Reith los, „dann lasse ich den ganzen Laden hochgehen.“ Prompt tauchte der

Im VW-Werk Wolfsburg rollt der

Geschäftsführer auf und versprach, einen Teil der ausstehenden Miete durch

letzte „Käfer“ vom Band.

Der geplatzte Reith-Wechsel von 1975.

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

81

Eröffnung der Köhlbrandbrücke

Bankabtretung zu bezahlen. Für den weit größeren Rest allerdings stellte er

in Hamburg.

bloß einen Wechsel aus. Bitter fragte Reith seinen Schuldner, welchen Wert

US-Präsident Nixon tritt wegen

denn so ein Papier habe. Rybier entgegnete lachend: „Wechsel sind immer so-

der Watergate-Affäre zurück.

viel wert wie die Unterschrift darauf.“ Auf der Rückreise prophezeite Speckter,

Muhammad Ali (vormals

dass Reith den Betrag getrost in den Schornstein schreiben könne. Darauf-

Cassius Clay) gewinnt gegen

hin schenkte ihm Reith den Wechsel, der erwartungsgemäß platzte. Speckter

den Titelträger George Foreman

machte sich dann den Spaß und schickte Reith mit einem herzlichen Dan-

die Boxweltmeisterschaft im

keschön ein antiquarisch erworbenes Bündel Inflationsgeld in der Höhe der

Schwergewicht.

fraglichen Summe. Seitdem herrschte bestes Einvernehmen zwischen Voge-

Deutschland wird mit einem

mann und Reith. Rybiers Firma Blaesberg ging übrigens bald darauf Konkurs.

2:1 über die Niederlande

Wie schon angedeutet, war für Prüss die Bereederung oder der

Fußballweltmeister.

Erwerb von Schiffen ein Hauptanliegen. Er stellte dazu Herrn Busch ein, der

1975

Schiffen beschäftigte. 1968 machte Prüss eine Reise nach Finnland, nachdem

sich fast ausschließlich mit der Durchkalkulation von am Markt angebotenen Mao Zedong empfängt

Vogemann zwei Leonhardt-Schiffe mit der Finnlines Oy., die „Finnleonhardt“

Franz-Josef Strauß als ersten

(21 Monate) und die „Finnheide“ (ebenfalls 21-24 Monate) geschlossen hatte.

offiziellen Besucher aus der Bundesrepublik. Das Bundesverfassungsgericht lehnt die Reform des Abtreibungsparagraphen

In Helsinki erfuhr Prüss, dass die schwedische Reederei Wallenius drei Bulkcarrier (Massengutfrachter) von 36.000 t Tragfähigkeit bei der Inflot Moscow gebucht hatte zum Bau bei der Leninwerft in Leningrad. Außerdem hatte Wallenius eine Option auf ein viertes solches Schiff, von der die Firma jedoch keinen Gebrauch machen wollte. Es stand also ein Schiff einer ausgefeilten Reihe von Neubau-

218 ab. Die Deutsche Bank kauft

ten zum Ankauf, und Prüss bemühte sich sogleich bei Inflot Moscow um den

ein Daimler-Benz-Aktienpaket

Erwerb des frei gewordenen Frachters. Bei einem Preis von 22 Millionen DM

von Flick und verfügt damit über 57,5 Prozent der

war der Ankauf seitens Vogemanns zwar nicht realistisch, doch verhandelte Prüss unter der Formel „for account of whom it may concern“. Inflot ging da-

Daimler Benz AG.

rauf widerspruchslos ein und machte feste Kaufofferten. Ein namentlich nicht

Wiederöffnung des

mehr erinnerlicher Anwalt mit Büro in der Hamburger Esplanade hörte von

Suez-Kanals.

Vogemanns Verhandlungen, nahm Kontakt auf und erklärte, er verfüge über Verbindungen zu Kreisen, die an umfangreichen Geldanlagen in Form von Schiffen oder Schiffsbeteiligungen Interesse hätten. Bei den „Kreisen“ handelte es sich um einen einzigen Interessenten, nämlich Herrn Friedrich Brante in Berlin, der zu einem Ankauf zum genannten Preis bereit war. Vogemann gelang es flankierend dazu, mit der

In Helsinki wird die KSZE-

Firma Star Shipping im norwegischen Bergen einen Vertrag über fünf Jahre

Schlussakte unterzeichnet.

Zeitcharter „subject purchase of the Wallenius type vessel“ abzuschließen. Es

Riesige Waldbrände in

standen damit sowohl ein Geldgeber als auch ein Befrachter zur Verfügung.

Niedersachsen.

Prüss, Brante und dessen Prokurist, ein Herr Schneider, reisten nach Moskau

82

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Volker Schlöndorff: „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ (Film nach einem Roman von Heinrich Böll).

1976 Erste Demonstration gegen den Kernkraftwerksbau in Brokdorf. Der Bundestag billigt das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer. „Star Ravenna“, das Schiff, das Ende der 1960er Jahre in die Hand eines Finanzjongleurs geriet.

In Ostberlin wird der Palast der Republik eröffnet.

und machten dort den Kaufvertrag klar. Der Zeitcharter-Vertrag mit der Firma Star Lines konnte also ebenfalls in Kraft treten. Vogemann hatte in Brantes Augen damit seine Schuldigkeit getan und wurde nicht mehr benötigt, ja störte nur. Brante nämlich, ein windiger „Finanzjongleur“, wie Vogemann erfuhr, machte sich daran, das Schiff

Die DDR bürgert den Lieder-

bei seinen Anlegern für 28 Millionen DM anzubieten. Einwände von Voge-

macher Wolf Biermann aus.

mann, wonach das Schiff bei einem Preis von 22 Millionen kostendeckend, ja

Erich Honecker übernimmt

profitabel würde fahren können, bei dem höheren Preis aber nicht, wischten

das Amt des Staatsratsvorsit-

Brante und Schneider vom Tisch. Vogemann musste mit einer bescheidenen

zenden der DDR.

Ankaufsprovision vorlieb nehmen, die sich die Firma hälftig mit Prüss teilte.

Der Sicherheitsgurt im Auto

Das Schiff wurde der Firma Stinnes ins Management gegeben, machte die

wird Pflicht.

erwarteten Verluste und musste schließlich mit weiterem Verlust veräußert

Bei der Bundesbahn wer-

werden. Brante ging mit seiner Firma Ravenna KG restlos pleite und setzte

den die letzten Dampfloks

sich unter Hinterlassung erklecklicher Steuerschulden ab. Ob die zur Ergrei-

stillgelegt.

fung des „Abschreibungskünstlers“ ausgesetzte Belohnung von DM 50.000

Wim Wenders‘ Film „Im Lauf

erfolgreich war, darüber liegen Vogemann keine Erkenntnisse vor.

der Zeit“ erhält den Kritiker-

Am 1. Januar 1971 wurde Herr Prüss persönlich haftender Gesellschafter, nachdem Richard Vogemann am 6. Oktober 1969 gestorben war. Ulrich Prüss konzentrierte sich nach den trüben Erfahrungen mit dem flüchtigen „Geldgeber“ fortan aufs Befrachten von Schiffen. Zusammen mit dem Kollegen und Prokuristen Reinhard Westphal erzielte er vorzügliche Ergebnisse. Leider musste Vogemann bald auf ihn verzichten: Ende 1973 befiel Prüss eine zunächst unerklärliche Krankheit, eine von den unteren Extremi-

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

83

preis in Cannes.

1977

täten ausgehende und unaufhaltsam nach oben wandernde beidseitige Läh-

Terroristen erschießen in

mung. Als endlich klar war, dass es sich um Landry-Paralyse (Sonderform

Karlsruhe den General-

des so genannten Guillain-Barré-Syndroms, GBS) handelte, war die tückische

bundesanwalt Siegfried

Nervenkrankheit so weit fortgeschritten, dass die Ärzte nicht mehr zu helfen

Buback.

vermochten. Prüss starb am 30. März 1974 an Atemlähmung. Herr Speckter als Komplementär und seine Frau Renate als Kommanditistin (seit 1956) waren wieder alleinige Inhaber von H. Vogemann. Gründung der Trident GmbH. Die weitere personelle Entwicklung der Firmenführung vollzog sich in groben Zügen so: Um den Bestand

„Deutscher Herbst“:

von H. Vogemann auf sichere – quasi unsterbliche – Beine zu stellen, gründe-

Entführung des Arbeit­

te Paul Speckter 1975 die Trident Befrachtungs GmbH, die als weitere Komple-

geber-Präsidenten

mentärin in die nunmehr H. Vogemann GmbH & Co. genannte Firma eintrat;

Schleyer, der Lufthansa-

den Zusatz „& Co.“ brauchte sie allerdings nicht zu führen, da sie schon vor

Maschine „Landshut“,

dem Jahr 1900 gegründet worden war. Seit Anfang der 1970-er Jahre war Udo

Erstürmung der Maschine

Wiese, der 1968 als Lehrling angefangen hatte, sehr aktiv tätig und machte

in Mogadischu, Freitod der

zusammen mit dem Kollegen Westphal ausgezeichnete Geschäfte. Wiese er-

in Stammheim einsitzen-

hielt 1974 Einzelprokura und wurde 1978 Mitinhaber. Zur gleichen Zeit trat

den Terroristen Baader,

Herr Speckter als Komplementär zurück und machte von seinem Recht Ge-

Ensslin und Raspe und

brauch, seinen Komplementäranteil in einen Kommanditanteil umzuwandeln.

Ermordung Schleyers.

Nunmehr war die Trident Befrachtungs GmbH einzige Komple-

Tschechoslowakische

mentärin in der KG in der Firma H. Vogemann GmbH gegen eine „Risiko-

Bürgerrechtler

Vergütung“ von DM 5000 p.a. Kommanditisten waren Paul Speckter, Renate

schließen sich zur „Charta

Speckter und Udo Wiese. 1983 kam Hans-Joachim Boller als Kommanditist

77“ zusammen.

hinzu, 1988 folgte Roland Hensel in derselben Eigenschaft. Ende 1992 sind

Die neue Verfassung der

Renate und Paul Speckter aus der Firma ausgetreten. Es wurde vereinbart,

Sowjetunion erweitert

dass dem Ehepaar über die kommenden zwölf Jahre eine Vergütung von fünf

die Rechte der einzelnen Bürger.

Prozent des jeweiligen Bilanzgewinns unter Abzug festgelegter Gesellschafter-Vergütungen ausgezahlt wird.

In der Bundesrepublik

Nicht zuletzt sollte diese Regelung ein Dank der Firma sein für

wird die allgemeine

Herrn Speckters Verdienste, die im Einzelnen natürlich nicht aufzählbar sind.

Pockenimpfpflicht

Berichtet werden soll nur von zwei ihm besonders wichtigen Kunden, mit de-

aufgehoben. Die Staufer-Austellung

nen Vogemann dank seiner Bemühungen in sehr gedeihlichen Beziehungen stand:

in Stuttgart wird zum

Topics Liberty-Frachter. Die Verbindung zur ursprünglich in

Publikumserfolg.

Triest ansässigen Reederei der Familie Topic reichte zurück bis in Vogemanns Anfänge als Schiffsmaklerfirma. Das hervorragend geführte Unternehmen

84

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

1978

Paul Speckter.

Der Bundestag billigt die Anti-Terrorgesetze der Regierung.

Im Emdener VW-Werk rollt der letzte „Käfer“ vom Band. Hafenarbeiterstreiks legen den Betrieb in den deutschen Seehäfen lahm. Acht Jahre Haft für den DDR-Regimekritiker Rudolf Bahro. Dänemark, Großbritannien und Irland werden Vollmitglieder der Europäischen Gemeinschaft. Unterzeichnung eines Rahmenabkommens zwischen Ägypten und Israel in

mit den Inspektoren Sladovic und Senjanovic verlegte seinen Sitz später nach

Camp David.

Monte Carlo (Monaco). Seine Schiffe waren immer bestens gepflegt, selbst die

Der polnische Kardinal

so genannten Liberty-Frachter. Dabei handelte es sich um billige, genormte

Karol Wojtyla wird zum

Kriegsbauten, die im Schnellverfahren (rund 240 Tage) in Kanada und in den

Papst gewählt

USA zu Tausenden aufgelegt wurden als Ersatz für die hohen Tonnageverlus-

(Johannes Paul II.)

te durch U-Boote. Diese 11 Knoten schnellen 10.000-Tonner mit Kohle- oder

Untergang des deutschen

Ölfeuerung waren meist in erbärmlicher Verfassung, weswegen sie bei Voge-

Containerschiffes

mann abfällig als Schrottlauben bezeichnet wurden.

„München“ mit 28 Mann

Nicht so die Schiffe von Topic; die Reederei wartete auch diese denkbar einfach konstruierten Frachter vorzüglich und ersetzte sie in den 1960/70-er Jahren nach und nach durch moderne, gewöhnlich bei japanischen Werften gebaute Schiffe. Da war der Seniorchef bereits verstorben, und eine Familie Augustini führte die Firma in der bewährten Tradition weiter.

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

85

Besatzung.

1979

Vogemann hat auch mit ihr eine hohe Zahl von Schiffen bis hin zu Massen-

Der Bundestag schafft die

gutfrachtern von 64.000 Tonnen geschlossen. Nie gab es Unstimmigkeiten bei

30jährige Verjährung für

der Abwicklung der Charters, jedenfalls nicht mit der Firma Topic, zu der ein

Mord ab.

echtes Vertrauensverhältnis bestand. Wenn einmal Probleme auftauchten, dann kamen sie von dritter Seite. So schloss Vogemann Anfang der 1960-er Jahre über die Firma Neptunia/ Otto Schreuders die „Panamant“ von Topic mit Getreide von Brasilien nach Italien. Als bald darauf eine weitere Ladung anstand, wandte sich Schreuders direkt an Topic und wollte nunmehr Schiffe unter Umgehung von

NATO-Doppelbeschluss

Vogemann schließen. Natürlich zeigte sich Sladovic interessiert an künfti-

zur Nachrüstung im

gen Geschäften, teilte aber Schreuders mit, dass er ohne Vogemann nicht

Bereich der nuklearen

handeln werde, da durch die Hamburger ja erst die erfreuliche Verbindung

Mittelstreckenraketen.

zustande gekommen sei. Schreuders hat diese Loyalität offenbar beeindruckt;

In Hamburg entdeckt die

jedenfalls hat Vogemann später noch viele Schiffe von Topic (und auch von

Polizei eine Giftmülldepo-

anderen Reedereien) mit Schreuders schließen können. Es kam nie wieder zu

nie der Firma Stoltzenberg

Störungen.

in einem Wohngebiet. Bei der Bürgerschafts-

Beziehungen zu Panchaud Frères. Topic war nicht ohne weite-

wahl in Bremen gelingt

res zu schließen, sondern erforderte genaue Angebote und geschickte Ver-

den Grünen erstmals der

handlung. War aber ein Abschluss getätigt, wurde die Charter vorbildlich

Einzug in ein Landespar-

durchgeführt. Topic hat ein Panamax-Schiff von ca. 62.000 Tonnen für eine

lament.

Rundreise Brasilien/Europa für 2 Dollar pro Tonne und Monat genauso erst-

Die US-Fernsehserie

klassig abgewickelt wie spätere Abschlüsse – bei besserem Markt – für 7 Dol-

„Holocaust“ läuft in

lar je Tonne und Monat. Differenzen bei Abrechnungen gab es eigentlich nur

Deutschland an.

einmal. Und auch da lag dies nicht an Topic, sondern an einem Dritten, der

Margret Thatcher wird

gerade deswegen letztlich ebenfalls zu einem vorzüglichen Geschäftspartner

erster weiblicher Premier-

Vogemanns wurde:

minister in England.

Die Makler hatten das Topic-Schiff „Panamante“ nach Raven-

Das Europäische

na geschlossen. Die Firma Panchaud Frères in Lausanne war der Charterer

Währungssystem (EWS)

und Ferruzzi S.p.A. der Empfänger der Ladung am Zielort. Vogemann sollte

tritt in Kraft.

das Frachtinkasso für Topic „freight payable at destination“ durchführen und

Erste Direktwahl zum

nach Erhalt die Konnossemente zur Auslieferung freistempeln. Dabei gab es

Europäischen Parlament.

Schwierigkeiten mit Panchaud, der die Konnossements erst frei haben und

Einmarsch der Sowjets in

erst nach Erhalt dieser Freistellung die Fracht bezahlen wollte. Paul Speckter

Afghanistan.

flog daraufhin nach Ravenna, um die Interessen von Topic vor Ort wahrzunehmen. Es glückte ihm, zwischen Panchaud und Topic zu vermitteln, die Zwistigkeiten auszuräumen und eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung zu finden.

86

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Panchaud gewann dadurch offenkundig ein sehr positives Bild

1980

von Vogemann. Der Geschäftsführer Herr Meister zog aus dem Vorfall die

Verbot der rechtsextremen

Konsequenz: „If you can’t beat him, join him“ und knüpfte eine für beide Tei-

„Wehrsportgruppe Hoffmann“.

le erfolgreiche Geschäftsbeziehung zu Vogemann an. Die Hamburger haben

Künstler und Intellektuelle

in der Folgezeit dem Lausanner Haus viele Schiffe auf Reise- wie auf Zeit-

schließen sich zu Anti-Strauß-

charterbasis vermittelt; Topic war dabei oft eingebunden. Panchaud Frères

Initiativen zusammen.

S.A. wurde zu einem weiteren der speziellen Speckter-Kunden: Seit dem

In der Bundesrepublik wird erst-

kleinen „Zusammenstoß“ in Ravenna wegen der „Panamante“ herrschte

mals die Sommerzeit eingeführt.

ungetrübtes Einvernehmen zwischen Panchaud unter Herrn Meister und

Die EG räumt in der Nahoster-

dem zweiten Geschäftsführer Herrn Ruska sowie Vogemann. Eines Vertrages

klärung den Palästinensern das

bedurfte es dazu nicht.

Recht auf Selbstbestimmung ein.

Über zwei Jahrzehnte lang hat Vogemann alle Befrachtungen für die Firma durchgeführt, wobei es sich zunächst meistens um Soja- oder Mais-Ladungen von Brasilien nach Europa in der Größenordnung von ca. 10.000 Tonnen handelte. Später folgten auch Abschlüsse über Rundreisen von Einheiten bis zu Panamax-Größe. Dabei konnte Vogemann ein Kombinationsgeschäft anregen:

Der frühere Filmschauspieler

Rudi Glitz, einer der Ablader aus dem brasilianischen Porto Alegre (Rio Gran-

Ronald Reagan wird

de do Sul), fragte anlässlich eines Hamburg-Besuchs bei Vogemann an, ob

40. Präsident der USA.

die Firma bedeutenden Schiffsraum für Ladungen nach Brasilien besorgen

Wegen des sowjetischen Einmar-

könne. Der Unternehmer importierte nämlich auch Mähdrescher der Firma

sches in Afghanistan boykottieren

Claas im ostwestfälischen Harsewinkel für Südamerika. Das bedeutete, dass

mehrere westliche Staaten die

die für Panchaud von Brasilien nach Europa befrachteten Schiffe auf der

Olympischen Sommerspiele in

Rückreise die Landmaschinen an Bord nehmen konnten. Vogemann empfahl

Moskau.

Panchaud daher diese Schiffe für Rundreisen auf Zeitcharter-Basis zu mieten,

Der Circus Roncalli feiert Riesen-

was in Lausanne sogleich akzeptiert wurde und beiden Teilen gute Gewinne

erfolge mit seinem Programm

brachte. Vogemann hatte dabei noch die profitable Aufgabe der Abfertigung

„Reise zum Regenbogen“.

und Beladung der Schiffe in Hamburg. Zudem übernahm Vogemann für Panchaud auch die gesamte Zeitcharterkalkulation inklusive Segel- und Bunkerungsorders. Vermehrt kamen dabei Schiffe von Panamax-Größe in Betracht. Vogemann musste dafür sorgen, dass die Kosten der Zeitcharter in einem marktgerechten Ratenniveau „per ton“ Ladung „northbound“ (also von Bra-

Der deutsche Beitrag

silien Richtung Europa) lagen. Es waren nun auch die Kosten für Hafenleis-

„Die Blechtrommel“ erhält

tungen, Brennstoff, Dauer der Reise, Laden und Löschen einzubeziehen, was

den Oscar für den besten

manchmal ein schwieriges Puzzle ergab. Vogemann war stolz, dass es gelang,

ausländischen Film.

die „per ton“-Rate für die Ladungsreise immer im Rahmen des Marktpreises zu halten oder diesen sogar zu unterschreiten.

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

87

1981

Besuch von der Staatsanwaltschaft. Im Mai 1992 verhängte

Mehr als 300 000 Menschen

der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ein Handels- und Ölembargo ge-

versammeln sich in Bonn zur

gen die Bundesrepublik Jugoslawien, damals nur noch bestehend aus Serbien

größten Friedensdemonstration in der Geschichte der Bundesrepublik.

und Montenegro, um den auf dem Balkan tobenden Bürgerkrieg einzudämmen. Die Sanktionen wurden im September 1994 gelockert und im November 1995, im Zusammenhang mit dem Dayton-Abkommen, endgültig ausgesetzt.

In Stuttgart rollt der letzte

Im Jahre 1993 aber galten sie, der Flugverkehr mit Belgrad war

Mercedes 600 vom Band.

eingestellt, vor der Küste Montenegros patrouillierten NATO-Kriegsschiffe

Erdgasgeschäft zwischen

und –Flugzeuge, serbisch Auslandskonten waren eingefroren.. Der jugoslawische Reeder, mit dem Vogemann zusammenarbei-

der Bundesrepublik und der Sowjetunion.

tete, hatte sein Schiff, die „Rumija“, rechtzeitig nach Malta ausgeflaggt. So

François Mitterand wird

durfte es trotz Embargo weiter fahren. Im August 1992 transportierte es für

französischer Präsident.

die Firma Alfred C. Toepfer eine Ladung von 12.000 t Futtermittel von Ran-

Die USA geben den Bau der

gun (Burma) nach Rotterdam. Für Vogemann ein Geschäft, das legal schien.

Neutronenbombe bekannt.

Das wäre es auch geblieben, wenn nicht noch ein jugoslawischer Makler aus

Eröffnung der Neuen Pinako-

Hamburg mitbeteiligt gewesen wäre. „Jugo Agent“ erhielt von Vogemann im

thek in München.

Mai 1993 eine Provision von 4434 US-Dollar auf sein Konto in den Vereinigten

Wolfgang Petersen: „Das

Staaten überwiesen, und daran nahmen die Ermittler Anstoß. Zu fünft er-

Boot“ (Kriegsfilm).

schienen sie eines Tages in Udo Wieses Büro, um den Geschäftsführer zu befragen und Unterlagen zu beschlagnahmen. Bei Toepfer wurden sie ebenfalls

1982

vorstellig. Während aber der Befrachter bald danach wieder in Ruhe gelassen wurde, blieb die Staatsanwaltschaft am Makler dran.

Die sozialliberale Koalition zerbricht. Nach konstruktivem Misstrauensvotum des Bundestages gegen Kanzler Schmidt wird Helmut Kohl (CDU) zum Kanzler gewählt. Er bildet zusammen mit der FDP eine neue Regierungskoalition. Wahlerfolge der Grünen in Hamburg, Hessen und Bayern.

Ausriss aus dem „Hamburger Abendblatt“ vom Februar 1998.

88

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Geschäfte mit Coutinho, Caro & Co.

Der Skandal um die gewerkschaftseigene Neue Heimat

Manch lohnende Kooperation kam auch dadurch zustande, dass Befrachter

erschüttert das Vertrauen in

mit besonderen Wünschen an Vogemann herantraten. So war es im Fall

DGB-Funktionäre.

des 1895 in Hamburg gegründeten Stahlhandelshauses Coutinho, Caro &

In der Unterhaltungselektronik

Co. Einer seiner langjährigen leitenden Angestellten und Vorstandsmit-

wird das Zeitalter der Digital-

glieder (seit 1990) war im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts und darü-

technologie eingeläutet.

ber hinaus Harring-Detlef Arndt. Er erinnert sich an die Zusammenarbeit

In der DDR wird unter dem

so:

Motto „Schwerter zu Pflug-

Der engere Kontakt zur Firma H. Vogemann reicht zurück

scharen“ eine Friedensbewe-

bis in das Jahr 1971. Gegen Ende des Jahres 1970 hatte ich gerade die

gung aktiv.

Leitung der Verschiffungsabteilung von Coutinho, Caro & Co (CCC) über-

Auseinandersetzungen um den

nommen (seit 1971 als Prokurist) und bemühte mich, vor allem unseren

Bau der Startbahn West des

wachsenden Stahlhandel mit neuen Ideen weltweit verschiffungsmäßig

Frankfurter Flughafens.

weiter zu intensivieren. Es war die Zeit, als Stahl im internationalen Han-

Die Schlagersängerin Nicole

del nicht mehr nur von Nordeuropa, sondern in zunehmendem Maße auch

gewinnt den Grand Prix de la

von den Häfen des Mittelmeers sowie von Fernost und von der Ostküste

Chanson mit dem Lied „Ein

Südamerikas verladen wurde. Hinzu kam, dass zur gleichen Zeit auch ein

bisschen Frieden“.

etwa gleichaltriger Kollege bei CCC die Chemieabteilung aufbauen sollte. Dadurch hatten wir nicht nur Stahl, sondern u.a. auch Düngemittel in

1983

Größenordnungen zu verladen, die das Einchartern von Schiffen voraus-

Bei Neuwahlen wird das CDU/

setzten.

CSU-FDP-Regierungsbündnis

Bei diesen Aktivitäten waren bei Vogemann der junge, findige

bestätigt. Die Grünen erstmals

Udo Wiese (seinerzeit 21 Jahre alt und seit drei Jahren bei der Maklerfir-

im Bundestag.

ma an Bord) und sein Chef Paul Speckter für mich eine große Hilfe. Kol-

Großdemonstration in

lege Speckter aufgrund seines großen Erfahrungsschatzes und Udo Wiese

Mutlangen gegen die

mit seiner schier unerschöpflichen Energie haben damals entscheidend

Stationierung von

dazu beigetragen, dass Coutinho, Caro & Co. im internationalen Stahlhan-

Pershing-II-Raketen.

del immer auf Ballhöhe war, was die Transporte betraf. Mit Unterstützung der versierten Leute von Vogemann gelang es uns, auch ungewöhnliche und nicht selten hoch komplizierte Verschiffungen zu organisieren. Insbesondere die vielen neuen Ver- und Entladeplätze stellten uns und die Vogemann-Makler vor ungekannte Herausforderungen und Probleme, zu deren Lösung große kaufmännische Phantasie erforderlich war. Nachdem wir anfänglich nur Schiffe auf Reisebasis eincharterten, gingen wir nach einigen Jahren auf Anregung der Vogemänner

Angebliche Hitler-

dazu über, Schiffe auch auf Zeitcharter hereinzunehmen. Zuerst nur für

Tagebücher werden als

Reisen, die beispielsweise für hauseigene Stahlladungen von Brasilien

Fälschung entlarvt.

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

89

US-Präsident Reagan präsen-

und/ oder Argentinien nach Fernost durchzuführen waren. Es dauerte

tiert Pläne für ein weltraum­

nicht lange, bis uns auch von anderen Firmen über unsere Agenten La-

gestütztes Abwehrsystem (SDI).

dungen angeboten wurden, mit der Bitte diese doch zu möglichst güns-

Beginn des Bildschirmtexts Btx.

tigen Frachtraten mitzutransportieren. Diese Dienstleistung entwickelte

In der Bundesrepublik treten

sich rasch zu einem wichtigen Standbein. Unsere Schifffahrtsaktivitäten

erste AIDS-Fälle auf.

nahmen mit der Zeit derartige Dimensionen an, dass ich mir Gedanken zu

Bei den Feierlichkeiten zum

machen begann, wie ich sie bündeln und von den anderen Handelsaktivi-

500. Geburtstag von Martin

täten des Hauses Coutinho, Caro & Co. trennen könnte. Es gab bereits seit einiger Zeit eine CCC-Tochtergesellschaft

Luther wird die restaurierte Wartburg wiedereröffnet.

namens Coreck, die vorsorglich gegründet worden war, aber noch wenige nennenswerten Aktivitäten entfaltet hatte. Sie schien mir und meinen

1984 Bayern nimmt als erstes Bundesland den Umweltschutz in die Verfassung auf.

Kollegen das richtige Dach für unsere Schifffahrtstätigkeiten zu sein: Seit etwa 1980 wurden sie unter dem Namen Coreck Maritime GmbH abgewickelt; 1983 übernahm ich die Geschäftsführung. Da Udo Wiese inzwischen zum Partner bei H. Vogemann aufgerückt war, wurden wir nunmehr

Rücktritt des Bundeswirt-

bezüglich unserer Zeitchartertätigkeiten bei H. Vogemann von unserem

schaftsministers Otto Graf

Hamburger Dänen Frank Jensen betreut. Sämtliche Zeitcharterabschlüsse

Lambsdorff wegen Verwicklung in die FlickParteispendenaffäre.

wurden exklusiv über H. Vogemann getätigt. Unter den Zeitcharterschiffen befanden sich auch einige langfristig eingecharterte Stückgutfrachter. Über die Firma H. Vogemann haben wir damals unter anderem sehr gute

Die DDR baut die Selbstschussanlagen an der Grenze ab. Großbritannien und China einigen sich über die Rückgabe der Kronkolonie Hongkong an China.

Ermordung der indischen Ministerpräsidentin Indira Gandhi. In der Bundesrepublik nimmt die erste Kabelfernsehanstalt den Sendebetrieb auf.

Coreck-Schiffe auf Reede.

90

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Nach einer Waldschadenserhebung gelten 50 % der deutschen Wälder als geschädigt. „Tatort“-Krimis mit Götz George („Schimanski“) haben die höchsten Einschaltquoten in der ARD.

1985 Schengener Abkommen zum Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen bestimmter europäischer Länder.

Anteilsschein der H. Vogemann Inc.

Der Reformpolitiker Michail

Kontakte zu verschiedenen kroatischen Reedereien aufgebaut. Udo Wiese

Gorbatschow wird

und ich haben diese Reeder während der 1980er und Anfang der 1990er

Generalsekretär der KPdSU.

Jahre mehrfach gemeinsam in Dalmatien besucht und gute Konditionen

Friedrich Karl Flick verkauft sein

ausgehandelt. Außerdem riefen wir gemeinsam die amerikanische Firma

Unternehmen an die Deutsche Bank.

H. Vogemann Inc. in Stamford (Connecticut) ins Leben, die amerikanische

In Hessen wird die erste rot-grüne

Exportladungen makelte; Vogemann hielt 40, CCC und Coreck je 30 Pro-

Landesregierung unter Holger Börner

zent an diesem Unternehmen.

und Joschka Fischer gebildet.

Mitte der 1990er Jahre wurden durch Coreck Maritime GmbH

Einweihung der wiederaufgebauten

ca. 60 Abfahrten weltweit angeboten, vornehmlich regelmäßig von Brasi-

Semper-Oper in Dresden.

lien/ Argentinien nach Fernost, von den baltischen Häfen und von anderen

Boris Becker gewinnt das

nordeuropäischen Häfen nach Fernost, vom Mittelmeer nach Fernost, von

Tennisturnier in Wimbledon.

Indonesien nach Europa einschließlich von Mittelmeerhäfen sowie bis zu

Beginn der Fernsehserie

zwei Mal monatliche Abfahrten von Fernost (insbesondere China) nach

„Lindenstraße“.

Europa, ebenfalls inklusive Mittelmeer. Darüber hinaus wurden Abfahrten vom US-Golf nach Fernost, von Fernost nach Südafrika und zur Ostküste

1986

Südamerikas sowie von den Ostseehäfen zum US-Golf und in die Karibik

Reaktorunfall in Tschernobyl (Ukraine).

angeboten. Jährlich wurden alles in allem rund 1,2 Millionen Frachttons

Der Bundestag beschließt die

abgefahren, wobei auch ein Teil der Ladungsbuchungen durch

Einführung des maschinenlesbaren

H. Vogemann erfolgte.

Ausweises und Europapasses.

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

91

Zunächst blieb die Coreck und ihre Kooperation mit Voge-

Erstmals wird in der Bundesrepublik ein

mann vom Verkauf der Mutterfirma CCC 1984 und deren Weiterveräu-

künstliches Herz verpflanzt.

ßerungen 1988 und 1996 wenig berührt. Erst Umorientierungen in der

Frankreich und Großbritan-

Geschäftspolitik der Mehrheitsgesellschafter zu Beginn des neuen Jahr-

nien einigen sich über den

hunderts wirkten bremsend. 2003 endete die lange so gedeihliche Ent-

Bau eines Kanaltunnels.

wicklung mit dem Insolvenzantrag. Vogemann betraf das allenfalls noch

Der schwedische Minister-

am Rande, denn das Unternehmen hatte sich inzwischen zu einer beacht-

präsident Olof Palme wird

lichen Firmengruppe erweitert; die Maklerei war nur noch eines von einer

erschossen.

ganzen Reihe von Geschäftsfeldern.

Das Musical „Cats“ von Andrew Lloyd Webber hat

Fünf Jahre später wurde der Prozess gegen Udo Wiese wegen

Premiere in Deutschland.

Verstoßes gegen die Sanktionen des UN-Sicherheitsrates eröffnet. Er endete

Durch den Kauf des

mit einem Freispruch. Die Staatsanwaltschaft nahm das nicht hin und legte

Verlagshauses

Berufung ein. Daraufhin einigten sich Gericht und Angeklagter auf eine Ein-

Doubleday & Co. steigt Ber-

stellung des Verfahrens gegen eine Geldbuße von 8000 Mark, zu zahlen an

telsmann in den Kreis der

soziale Einrichtungen. Eine Eintragung ins Vorstrafenregister blieb Udo Wiese

weltweit größten Medien-

damit erspart. Die 30.000 Mark Anwaltskosten, die im Laufe des Verfahrens

konzerne auf.

geflossen waren, nahm ihm allerdings niemand ab. Zum Komplex „Krieg in Jugoslawien“ gehört eine weitere Ge-

1987

schichte. Der Geschäftsführer einer mit Vogemann befreundeten kroatischen

Bei der Bundestagswahl

Maklerfirma wandte sich eines Tages an Udo Wiese mit der Bitte, seinen Sohn,

erleidet die CDU/CSU Stim-

dem die Einberufung in die kroatische Armee drohte, vor dem gefährlichen

menverluste, stellt jedoch

Militärdienst zu retten. Man verständigte sich darauf, den jungen Mann für

mit Helmut Kohl weiterhin

kurze Zeit als Volontär einzustellen. So kam Boris Babic nach Hamburg. Aus

den Kanzler.

der „kurzen Zeit“ wurden 13 Jahre, in denen er für die Firma wertvolle Arbeit leistete. Cremer – Krohn – Toepfer. Seit Ende der 1970er Jahre war Vogemann als Befrachtungsmakler stark im Futtermittelgeschäft mit Asien engagiert. Die Rohstoffe kamen aus Thailand, Indonesien und den Philippi-

Staatsbesuch des DDR-

nen. Auch Indien gehörte ursprünglich zu den Lieferanten, schied aber später

Staatsratsvorsitzenden Erich

aus, da mit zunehmender Verschärfung der Kontrollen und der Anhebung

Honecker in Bonn.

der Belastungsgrenzen das indische Material nicht mehr den Anforderungen

Gorbatschow verkündet sein

genügte. Die Schiffe, die dafür gechartert wurden, waren zumeist Zwischen-

Reformprogramm mit den

decker mit einer Tragfähigkeit von 10.000 bis 20.000 Tonnen. Sie gehörten

Zielen „Glasnost“ (Öffent-

griechischen Reedern oder auch Firmen aus dem Ostblock, aus Polen oder

lichkeit) und „Perestroika“

Jugoslawien. Drei große Häuser gab es damals in Hamburg, die mit Futter-

(Umbau).

mitteln zur Mischfutterherstellung handelten: Das eine war Peter Cremer, das

92

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

andere Krohn & Co., das dritte Alfred C. Toepfer. Mit Cremer und Krohn unter-

Selbstmord des schleswig-

hielt Vogemann schon länger Beziehungen, mit Toepfer nicht. Toepfer hatte

holsteinischen Ministerpräsi-

seine eigenen Makler. Doch blickte man dort mit Interesse auf die rührigen

denten Barschel.

Leute bei Vogemann. Es fiel auf, dass Vogemann auch dann noch Schiffe be-

Der Sportpilot Manfred Rust

schaffen konnte, wenn andere die Suche schon aufgegeben hatten. Das lag

landet mit seiner Cessna auf

wohl daran, dass man bei Toepfer gewohnt war, nordeuropäische Schiffe zu

dem Roten Platz in Moskau.

chartern, die aber oft zu groß waren, um sie sinnvoll nutzen zu können. Voge-

Einweihung des ersten deut-

mann dagegen mit seinen griechischen oder kroatischen Reedern, die kleine-

schen Windenergieparks in

re Schiffe besaßen, konnte da gut die Lücken füllen.

Dithmarschen.

Es geschah bei einem Essen zu viert, Wiese und Boller von Vo-

Werner Tübke vollendet

gemann und Schröder und Meier von Toepfer saßen beisammen, als wieder

sein Riesen-Panoramabild

so ein Problem auf dem Tisch lag: Toepfer wollte ein Schiff von Indonesien

„Frühbürgerliche Revolution in

auf Zeitcharter schließen. Seinen Maklern war jedoch nicht gelungen. eines

Deutschland“.

aufzutreiben. Tagelang hatten sie es probiert, ohne Erfolg. Die Vogemänner waren mit einer anderen Sorge beschäftigt. Sie hatten die „Amelia Topic“ vom jugoslawischen Reeder Topic mit der Firma Krohn & Co. auf Reisecharter schließen wollen, doch die Vorbehalte nicht gekriegt. Die Runde fand eine schöne Lösung: Toepfer nahm die „Amelia Topic“, aber nicht auf Zeitcharter, wie seine Norweger sonst, sondern auf Reisebasis.

Katarina Witt gewinnt die

Das Geschäft lief so gut, dass Toepfer über Vogemann gleich

Weltmeisterschaft im Eis-

zwei weitere Schiffe schloss. Allerdings achtete man darauf, dass es sich wie-

kunstlauf.

der um Fälle handelte, an denen sich andere die Zähne ausgebissen hatten

Steffi Graf rückt auf

oder ausbeißen würden. Vogemann bestand auch diesen Test, es entwickelten

Platz 1 der TennisWeltrangliste vor.

1988 Michael Jackson gibt ein Konzert an der Berliner Mauer. Bei einem Unglück während einer Flugschau in Ramstein kommen 70 Menschen ums Leben. Schließung des KruppStahlwerkes in Duisburg. Das Geiseldrama von Gladbeck endet mit dem Tod dreier Menschen.

Historische Büromaschinen, heute bei Vogemann in einer Vitrine verwahrt.

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

93

Die Sowjets beginnen

sich stabile Geschäftsbeziehungen, die, wenn auch nicht mehr im gleichen

mit dem Abzug ihrer Mittel-

Umfang, bis auf den heutigen Tag andauern. Bei Toepfer nannte man Udo

streckenraketen aus der

Wiese bald den „deutschen Griechen“. Das war als Anerkennung für Wieses

DDR und der ČSSR.

Verhandlungsgeschick gemeint. Wiese sah „seine“ griechischen Reeder ohne

Ende des iranisch-irakischen

Vorurteile. Hauptsache, sie hatten die passenden Schiffe. Natürlich lief man-

Golfkrieges.

ches anders bei den Verhandlungen, aber er vermochte sich darauf einzustellen und mitzuhalten, auch wo es nach herkömmlicher Auffassung allzu

1989

levantinisch herging. Besonderes Vergnügen machte es ihm, Gespräche auf

Massaker an protestieren-

zwei Telefonen gleichzeitig zu führen. Den Reeder aus Piräus am einen Ohr,

den Studenten auf dem

den deutschen Futtermittelhändler am anderen, dann den Griechen per Laut-

Tienanmen-Platz in Peking. Erosion des Ostblocks: Ungarn öffnet sich gegen

sprecher verstärkt, so dass der Geschäftspartner aus Hamburg die Lamentos und Schimpfkanonaden aus der anderen Leitung hören konnte – und das ganze Büro hatte seinen Spaß daran.

den Westen.

Auf Geschäftsreisen nach Griechenland war es dann üblich,

Beginn der großen Flucht­

dass man, egal wo man einkehrte, Fisch vorgesetzt bekam. Nun traf es sich,

bewegung aus der DDR.

dass einmal ein Mann von Toepfer dabei war, dem es vor Fisch graute, besonders wenn er im ganzen Stück, mit Kopf und Schwanz auf dem Teller lag. Und genauso wurde der Fisch überall serviert. Nachdem das einige Tage so gegangen war, verlangte der Mann endlich ein Fleischgericht und bekam es auch nach einigem Hin und Her.

Montagsdemonstrationen in

Bedeutung der polnischen Tonnage. Toepfer gehörte auch zu

Leipzig. Das Regime bricht

den Befrachtern im innereuropäischen Getreidehandel. Bei Vogemann lag

zusammen.

dies Geschäftsfeld in den Händen von Hans Boller, der erst 2008 aus der

Öffnung der Grenzen zur

Gesellschaft ausschied. Boller verfügte über gute Beziehungen zu dem Mann

Bundesrepublik. Bürger-

bei Toepfer, der die europäischen Ladungen unter sich hatte, und es gelang

rechtler bilden

ihm immer wieder, für dieses Geschäft einen Fuß in die Tür zu bekommen.

„Runde Tische“.

Wichtig war der Zugang zu der polnischen Tonnage. Man hatte es dort mit

Sturz und Hinrichtung des

der staatlichen Maklerfirma Polfracht Gdynia zu tun, die Reederei hieß Polish

rumänischen Diktators

Steamship Company (PSC), mit Sitz in Stettin. Einen guten Zugang besaß Ro-

Ceauşescu.

land Hensel, der jedoch für die Konkurrenz arbeitete. Grund genug, ihn dort

Die letzten Sowjettruppen

wegzuholen. 1984 wurde er bei Vogemann eingestellt, 1988 erhielt er Prokura,

verlassen Afghanistan.

1992 wurde er Gesellschafter. Er schloss mit Toepfer alle transatlantischen

Reagan und Gorbatschow

Ladungen mit PSC, was den innereuropäischen Handel in wünschenswerter

unterzeichnen einen Vertrag

Weise ergänzte. Das Geschäft florierte, zeitweilig waren mehr als zehn Schiffe

über den vollständigen

im Monat mit Ladung für Toepfer unterwegs.

Abbau aller atomaren Mit-

Bei Toepfer ging das Wort um, mit den Polen sei es wie mit den

telstreckenwaffen.

Ehefrauen daheim – „Wir lieben sie, aber wir verstehen sie nicht“ –, doch bei

94

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Vogemann wusste man sich auf die unterschiedlichen Mentalitäten einzustel-

Steffi Graf und Boris Becker

len. Dabei war es äußerst mühselig, die Kommunikation aufrecht zu erhal-

siegen beim Tennisturnier in

ten. Im sozialistischen Polen gab es wenig Telefone, Auslandsverbindungen

Wimbledon.

mussten über Frankfurt abgewickelt werden, vielfach konnte man nicht anders als über den Fernschreiber miteinander verkehren. Geschäftsreisen etwa

1990

nach Danzig dauerten von Hamburg aus zehn bis zwölf Stunden. Gern sahen

Besetzung der Stasi-Zentrale

es die polnischen Partner, wenn die Deutschen zu ihnen kamen, man traf sich

in Berlin.

nicht nur in den Hafenstädten Danzig und Stettin, sondern auch an Orten, die touristisch etwas boten, Krakau, Breslau oder die Masuren. Wie nicht anders zu erwarten, floss bei den Treffen in Polen der Wodka in Strömen, was den Vogemännern einiges Stehvermögen abverlangte. Da half es nicht, mit dem Kellner ein heimliches Abkommen zu treffen, dass er die Gläser mit Wasser statt mit Wodka füllte - der Mann tat doch wieder Wodka hinein. Und den Schnaps still in eine Blumenvase zu kippen gelang auch nicht immer. Bei Besuchen der Polen im Westen durften die Starkgetränke genauso wenig fehlen, statt Wodka gab es eben Korn und Aquavit. Aber wie es scheint, haben sich

Bei den ersten freien

inzwischen die Bräuche geändert, man säuft einander nicht mehr bei jeder

Volkskammerwahlen in der

Gelegenheit unter den Tisch. Seit der Auflösung des Ostblocks hat sich das

DDR wird die CDU stärkste

Trinkverhalten gemäßigt, die Gelage waren wohl das Zubehör einer bestimm-

Fraktion.

ten historischen Epoche, des Staatssozialismus eben.

„Zwei-plus-Vier-Konferenz“ zu den außenpolitischen Aspekten der deutschen Einheit. Währungs-, Wirtschaftsund Sozialunion von Bundesrepublik und DDR. Die DDR tritt dem Geltungsbereich des Grundgesetzes bei: Wieder­ vereinigung Deutschlands. Die KSZE-Konferenz in Paris verabschiedet eine Charta zum Ende des kalten Krieges in Europa. Die baltischen Staaten erklären ihre Unabhängigkeit. Die deutsche Nationalmannschaft gewinnt die Fußballweltmeisterschaft in Italien.

Aus Vogemanns Vitrine: Abkürzungsverzeichnis für den Kabelverkehr.

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

95

Aufführung der Rock-Oper „The

Die Geschäfte mit der polnischen Reederei, nun umgewandelt

Wall“ von Pink Floyd an der nieder-

in eine private Gesellschaft, laufen auch heute noch, wenn auch nicht mehr

gerissenen Mauer in Berlin.

im gleichen Umfang.

1991

Schwierige Kommunikation. Gefragt, wie überhaupt die Kommunikation in den 1970er oder 1980er Jahren ablief, kommt als erste Antwort immer der Stoßseufzer: Die Kosten! 20.000 Mark im Monat für Telefon, nochmal denselben Betrag für Telex! Auf alle Weise wurde versucht, die Kosten zu drücken. Man schickte Telexe über Holland, weil sie dort billiger waren, man erfand Abkürzungssysteme, um den Umfang der Mitteilungen zu verkleinern.

Eine internationale Streitmacht

Man verkehrte etwa mit den USA auf die Weise, dass Telexe nur an einen

vertreibt die irakischen Truppen aus

einzigen Empfänger in Deutschland gerichtet wurden, der sie dann im Inland

dem besetzten Kuwait.

vervielfältigte. Wegen des Lärms, den sie beim Betrieb machten, konnten

Der Bundestag entscheidet

Telexgeräte nur in abgetrennten Räumen stehen, möglichst weit entfernt von

sich für Berlin als Hauptstadt

den normalen Arbeitsplätzen, im Keller oder am Ende des Flurs. Während

Deutschlands.

der Arbeit wurde geraucht, in Erinnerung sind noch bestimmte Mitarbeiter,

Rechtsextremisten überfallen

die am Telexgerät sitzend eine Zigarette nach der anderen qualmten und sie

ein Asylbewerberheim in

an der Kante des Tisches abzulegen pflegten, wovon dann Brandspuren im

Hoyerswerda (Sachsen).

Holz dauerhaft Auskunft gaben. Der erste PC tauchte bei Vogemanns im Jahr

Die letzten „Wartburg“ und

1984 auf, ein Gerät namens Sirius, erworben zum stolzen Preis von 15.000

„Trabant“ rollen von den Bändern.

Mark. Das Gerät konnte wenig im Vergleich zu heutigen Rechnern, aber es erlaubte die schriftliche Kommunikation vom Arbeitsplatz aus, zunächst we-

In Maastricht beschließen

nigstens das Senden, später auch das Empfangen von Nachrichten, so dass

die Staats- und Regierungschefs

die Gänge zur Telex-Kabine weniger wurden und schließlich ganz entfallen

der 12 EG-Staaten die

konnten. Inzwischen, im Zeitalter der E-Mails, treffen bei Vogemann täglich

Gründung der

5000 elektronische Mitteilungen ein, gegenüber „nur“ 100 Telexen zu Zeiten

Europäischen Union (EU).

der ratternden Fernschreiber. Wartete man damals auf die Nachrichten von

Boris Jelzin wird

draußen und saß auf glühenden Kohlen, bis sie endlich kamen, muss man

russischer Präsident. Ein Putschversuch gegen den sowjetischen

heute Methoden ersinnen, wie man den Zustrom bremst, muss Filter einbauen, die das Wichtige herausfischen, weil niemand mehr imstande ist alles zu lesen, was in den Betrieb hineinflutet.

Staatspräsidenten

Steigender Rohstoffbedarf. Vogemann setzte die mit Coreck

Gorbatschow scheitert. Bürgerkrieg im zerfallenden Jugoslawien.

(siehe S. 89 ff.) eingeleitete Zusammenarbeit auf ähnlich gelagerten Geschäftsfeldern fort, zum Teil mit Leuten, die von Coreck weggegangen waren und eigene Firmen gegründet hatten, wie z.B. MACS Cross, Pro Line Carrier, Hamburg Bulk Carrier. Eine abwechslungsreiche Zeit. „Kein Tag wie der andere“, sagt heute Gesellschafter Frank Jensen.

96

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

1992 Das Stasi-Unterlagengesetz tritt in Kraft. Neuregelung des Paragraphen 218: Abtreibungen bleiben straffrei bis zur 12. Schwangerschaftswoche.

Gemeinsamer Selbstmord der beiden Grünen-Politiker Petra Kelly und Gert Bastian. Das letzte Teilstück des umstrittenen Rhein-Main-Donau-Kanals wird eingeweiht.

Der Firmensitz Hallerstraße 57.

Helmut Dietl erhält das Filmband in Gold für „Schtonk!“.

Vogemann hatte sich unter anderem in einer Nische etabliert,

Maria Jepsen wird erste

der Befrachtung von Zwischendeckern, Schiffen mit einer Tragfähigkeit von

Bischöfin der evangelisch-

15.000 bis 20.000 t., Lückenfüllern sozusagen, die gut passten, wenn es keine

lutherischen Kirche.

Riesenmengen zu transportieren gab. Doch Mitte der 1990er Jahre wurden

Die deutsche Olympiamann-

die Geschäfte mit diesem Schiffstyp spärlicher. Das lag an der zunehmenden

schaft wird erfolgreichste

Verbreitung des Containers als Allzweck-Transportbehälter und an der Globa-

Nation bei den Winterspielen

lisierung. Stückgüter wurden nicht mehr einzeln verladen, sondern zuvor in

im französischen Albertville.

Containern verpackt, die in großen Mengen auf speziell zu diesem Zweck gebauten Schiffen befördert wurden. Und der weltweit steigende Rohstoffbedarf führte dazu, dass Massengüter fast ausschließlich in den Bäuchen neuartiger Großtransporter, so genannter Bulkcarrier, verschifft wurden. Der Zwischendecker alter Art hatte ausgedient. Natürlich gab es ihn weiter und gibt es ihn auch heute noch, allerdings beschränkt auf bestimmte, eng umrissene Zwecke. Für Vogemann aber kam er nicht mehr in Betracht. Der Weltentwicklung entsprechend, stieg die Firma in das Geschäft mit den Bulkcarriern ein, den „Panamaxen“ mit einer Tragfähigkeit von

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

97

1993

60.000 bis 75.000 t oder den kleineren „Handysize“ mit 20.000 bis 40.000 t.

Die Post führt fünfstellige

Zu den bisher überwiegenden Getreideladungen kamen auch solche mit Koh-

Postleitzahlen ein.

le und Erz hinzu.

Zusammenschluss

Der 2003 eingetretene Lars Rudebeck öffnete die Tür zu einem

der Grünen mit der

weiteren Geschäftsfeld, der Befrachtung von Rohstoffen und Zuschlagstoffen

ostdeutschen Bürger­

für die Metall-, vornehmlich die Aluminiumindustrie. Allein Jahr 2003 konn-

bewegung Bündnis 90.

ten für die Firma BHP Billiton in Australien 25 Fahrten vom fünften Kontinent

Der Prozess gegen Erich

nach Südafrika geschlossen werden. Aus einem kleinen Geschäft mit 1700

Honecker wird eingestellt.

t „Anode Scrap paste“ (Petrolkoks, der beim thermischen Kracken von Erdöl

Verbot der Kurdischen

zurückbleibende Rückstand, der zur Herstellung von Elektroden und Elektro-

Arbeiterpartei PKK in

graphit verwendet wird) vom Mississippi nach Südafrika, das Rudebeck ver-

Deutschland. Die sächsische Foron Haushaltswaren GmbH

mittelte, entwickelte sich eine stabile Beziehung, bei der die Kunden Mengen bis zu 200.000 t Petrolkoks pro Jahr befördern ließen. Im Jahr 2008 war es dann so weit: Der zehntausendste Abschluss konnte gefeiert werden.

produziert den weltweit

Adressenwechsel. Die Maklerszene veränderte sich. Stellten

ersten FCKW-freien Kühlschrank. Die Tschechoslowakei

noch in den 1960er Jahren kleine Firmen mit drei oder vier Maklern das Gros der Betriebe, gewannen die großen Firmen immer mehr an Boden. Die Ge-

teilt sich in Tschechische

schichte des Hauses Vogemann spiegelt diese Entwicklung. 1978 waren sie

Republik und

zu fünft, dazu noch eine Sekretärin. Heute zählt die Firma dreizehn Makler,

Slowakische Republik.

dazu kommen noch drei im Postfixing. Der Aufgabenkreis des Befrachtungs-

Unterzeichnung des

maklers ist gewachsen, seine Dienstleistungen reichen von Marktanalysen

Gaza-Jericho-Abkommens

und Reisekalkulationen über das Erstellen von Frachtverträgen und die Be-

zwischen der israelischen

treuung während der Laufzeit bis hin zur Liegezeitabrechnung und den final

Regierung und der PLO.

accountings. 1971 war Vogemann innerhalb des Fölsch-Blocks von der Westseite des Gebäudes zur Ostseite gewechselt, von der Adresse Plan 5 zur Adresse Hermannstraße 46. 1994 erfolgte der Umzug weg aus der City zum Rothenbaum. Das neue Domizil lag an der Hallerstraße Nr. 57. Zehn Jahre später, im Jahr 2004, kam der Sprung auf die andere Straßenseite, Vogemann bezog Quartier an der Hallerstraße Nr. 40, in einem Gebäude, in dem früher Warner Bros. residierte (im Tonstudio im Keller begann Dieter Bohlen seine Karriere). Der vorige Standort wurde indes nicht aufgegeben, an der Hallerstraße 57 verblieb die zur Vogemann-Gruppe gehörende Wallem GmbH & Co. KG. Treffen bei Eisbein. Was wäre das Berufsleben ohne den geselligen Betrieb drumherum? Einmal im Jahr, am ersten Freitag im November, lädt die Vereinigung Hamburger Schiffsmakler und Schiffsagenten zum Eis-

98

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

1994

Bei der Bundestagswahl wird die CDU/CSU-FDP-Koalition knapp bestätigt. Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) für freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr tritt in Kraft. Das Bundesverfassungsgericht erklärt Auslandseinsätze der Bundeswehr auch außerhalb des NATO-Gebietes für zulässig.

VDR-Justiziar Jan-Thiess Heitmann (links) mit den Vogemann-Gesellschaftern Udo Wiese und Jens Arndt beim Reederempfang 2009.

Die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn

beinessen. Das geht zurück auf einen Brauch, den der damalige Geschäftsfüh-

werden privatisiert und zur

rer der Vereinigung, Bruno Jansen, begründete. Er versammelte im November

Deutschen Bahn AG zusam-

1948 die Chefs der Mitgliedsfirmen, 110 an der Zahl, zu einem Essen auf dem

mengeführt.

stillgelegten Dampfer „St. Louis“, den man nach schweren Bombentreffern

Die Treuhandanstalt zur

notdürftig zusammengeflickt hatte und als schwimmendes Hotel und Res-

Verwaltung des Volkseigentums

taurant benutzte. Heute kommen zu dieser Veranstaltung, die mittlerweile im

der DDR beendet ihre Arbeit.

CCH stattfindet, 5000 bis 6000 Leute aus der Schifffahrt.

Die sog. Uruguay-Runde

Bei Vogemann pflegt man sich schon ab Montag der fraglichen

beschließt die Gründung der

Woche mit Privatfeiern in Restaurants auf das große Ereignis einzustimmen.

Welthandelsorganisation WTO.

Am Mittwoch bittet die Firma dann ihre Geschäftsfreunde ins Brauhaus Alb-

Festnahme des Kaufhaus-Er-

recht an der Adolphsbrücke, bis es dann am Freitag endlich soweit ist, dass

pressers „Dagobert“ in Berlin.

man ins CCH pilgert. Eine Tradition, die keiner missen mag. Genauso wenig

Michael Schumacher gewinnt

wie die Mitgliedertreffen und Empfänge beim Verband Deutscher Reeder oder

erstmals die Weltmeisterschaft

Sommerfeste, die seit 1995 in den Gärten der Bürovillen an der Hallerstraße

der Formel-1.

zusammen mit lokalen Kunden abgehalten werden – wozu dann, wenn gleichzeitig um die Welt- oder Europameisterschaft im Fußball gespielt wird, ein stilvolles „Public Viewing“ mit Großbildwand gehört.

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg

99

100

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Kapitel 3

Neuaufbau der Flotte seit 1995

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995

101

Neuaufbau der Flotte seit 1995 Mitte der 1990er Jahre war es so weit, dass die alte Firmentradition wieder zu Ehren kommen konnte: Vogemann stieg mit eigenen Schiffen ins Reedereigeschäft ein. Mit dem Ankauf eines 20.900-Tonnen-Frachters aus dem Besitz der ehemaligen jugoslawischen Staatsreederei Jadroplov begann der Aufbau einer Flotte, die heute 23 Einheiten mit Größen bis zu 170.000 Tonnen zählt. Die folgende Darstellung basiert auf den Erinnerungen von Udo Wiese und Jens Arndt.

1995 In einer Kunstaktion des Ehepaars Christo und Jeanne Claude wird der Berliner Reichstag verhüllt.

D

er Geist eines Hauses kann auch dann noch das Selbstverständnis prägen, wenn er sich bis zur Unkenntlichkeit gewandelt oder gar verflüchtigt zu haben scheint. Die Reederei-Geschichte jedenfalls ließ H. Vogemann auch dann nicht los, als der Grün-

dersohn Richard Anfang der 1960er Jahre hatte einsehen müssen, dass die Zukunft der Firma nicht in einer eigenen Flotte zu suchen war. Der umtriebige Ulrich Prüss nahm dennoch kurz nach dem Tod des Prinzipals den Faden wieder auf, scheiterte aber ebenfalls, dieses Mal an einem unseriösen „Geldgeber“. Weiteren Ideen eines erneuten Reederei-Engagements begegneten die damals und später Verantwortlichen fortan mit erheblicher Skepsis. Paul

Nach internationalen Protesten muss der Shell-

Speckter und seine Frau Renate jedenfalls mochten davon nichts wissen und konzentrierten alles auf das Maklergeschäft. Kaum jedoch war 1993 der Führungswechsel vollzogen, ließen

Konzern darauf verzichten, seine ausgediente Ölplattform

sich Gedanken ans Reedereigeschäft als zweites Standbein nicht mehr un-

„Brent Spar“ in der Nordsee zu

terdrücken. Auslöser für einen solchen Neustart wurden die bereits erwähn-

versenken.

ten von Udo Wiese angebahnten guten Beziehungen zu kroatischen Reedern,

Die Kultusminister der

insonderheit zu der in Split ansässigen Firma Jadroplov. Die ehemalige ju-

Bundesländer beschließen die

goslawische Staatsreederei befand sich als Folge des Zusammenbruchs der

Reform der deutschen Recht-

kommunistischen Planwirtschaft im Umbau, Teile waren als Split Shipma-

schreibung.

nagement (SSM) ausgegliedert. Jadroplov/SSM war im Zuge einer kostspie-

Durch den Beitritt von Öster-

ligen Erneuerung seiner Flotte gezwungen, ältere Schiffe abzugeben. Für die

reich, Finnland und Schweden

„Marko Marulic“, nach dem bekannten kroatischen Dichter und Humanisten

wird die Europäische Union

(16. Jahrhundert) benannt, fand sich zunächst kein Abnehmer. Die für das

102

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

1977 in Bilbao gebaute 20.900-Tonnen-Schiff geforderten 3,6 Millionen Dol-

(EU) zu einer Gemeinschaft

lar überstiegen zwar auch Vogemanns Möglichkeiten, doch bot Jadroplov

von 15 Staaten.

einen 50:50-Kompromiss an: Die Firma wollte weiterhin für das technische

Zehn Jahre nach seiner Unter-

Management und die Besatzung sorgen, während Vogemann das kommerzi-

zeichnung tritt das Schengener

elle Management inklusive der Befrachtung übernehmen und seinen Anteil

Abkommen zum Abbau der

in Raten zahlen sollte.

Personenkontrollen an den

Auf dieser Basis kam es zu einer Einigung. Seit 1995 prangte das Vogemann-Logo wieder auf einem Massengutfrachter, der zunächst in

europäischen Binnengrenzen in Kraft.

„Marul“ ohne die kroatische Endung umbenannt wurde. Er brachte auch gute

Bei der UN-Klimakonferenz in

Gewinne, Vogemann konnte seine Raten schnell tilgen. Aber die Überschüsse

Berlin können sich die Teilneh-

wurden von der Partnerfirma auf kaum nachprüfbare Weise abgeschöpft.

merstaaten nicht auf konkrete

Tatsächliche oder angebliche Schäden am Schiff wurden in Rechnung gestellt,

Maßnahmen zum Klimaschutz

so dass vom eingefahrenen Ergebnis wenig bis nichts übrig blieb.

einigen.

Nicht nur das, in den drei Jahren, die Vogemann das Schiff

Bosnische Serben ermorden

fuhr, ereignete sich auch eine überaus peinliche Episode, die der Firmenlei-

mehrere tausend Muslime

tung wochenlang zu schaffen machte. Die „Marul“ war für 18 Monate an die

in der UN-Schutzzone

Bremer Firma Pac Line verchartert, mit der es in finanzieller Hinsicht nicht

Srebrenica.

zum Besten stand. Die Mieten wurden mit immer größerem Verzug gezahlt.

Das Abkommen von Dayton

Schließlich, die „Marul“ lag in New Orleans, hatte gerade gelöscht und sollte

beendet den Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien. Der israelische Ministerpräsident Yitzhak Rabin wird von einem jüdischen Fanatiker erschossen.

1996 Erste Fälle der Rinderseuche BSE („Rinderwahnsinn“) in Deutschland. Konkurs des Schiffsbau­ unternehmens Bremer Vulkan Verbund AG. Die Änderung des Ladenschlussgesetzes erlaubt dem Einzelhandel Öffnungszeiten von 6 bis 20 Uhr. Entführung des Millionärs Mit der in Kroatien gekauften „Marul“ begann Vogemanns Wiedereinstieg ins Reedereigeschäft.

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995

103

Jan-Philipp Reemtsma.

Der Euro-Stabilitätspakt legt ein maximales Haushalts­ defizit von 3 % des Bruttoinlandsprodukts fest.

wieder Getreide am Mississippi laden, versuchte Pac Line sich aus seinen Zahlungsverpflichtungen mit dem Argument zu stehlen, das Schiff entspreche nicht den Sicherheitsvorschriften, die Luken seien nicht wasserdicht. Mit einem Ultraschalltest wurde das „bewiesen“.

Radikal-islamische

Streit um „undichte“ Lukendeckel. Nun war dieses „Ultrasonic“-

Taliban-Milizen erobern die afghanische

Verfahren nicht das gemeinhin übliche. Vogemann ließ die Lukendeckel wie

Hauptstadt Kabul.

gewohnt mit einem Hochdruckwasserstrahl prüfen. Dabei wurden nur kleine

Der Deutsche Dom in Berlin

Leckagen sichtbar, die Vogemann sogleich reparieren ließ. Das genügte dem

wird wiedereröffnet.

Befrachter nicht, er blieb bei den Ergebnissen seines Tests, setzte das Schiff off-hire und wollte erkennbar die Charter loswerden, die Frachtraten waren

1997

nämlich mittlerweile gesunken und lagen weit unter der Miete, die Pac Line

Eröffnung der sogenannten

bezahlen musste. Vogemann seinerseits steckte gleichfalls in der Zwickmühle,

Wehrmachtsausstellung mit

er konnte das Schiff nicht zurückziehen und Schadensersatzanspruch stellen,

Dokumenten zum

eben weil das Schiff offiziell off-hire war. Nervtötende Verhandlungen über

Vernichtungskrieg im Osten.

das richtige Prüfverfahren für Lukendeckel folgten, bis eine Einigung erzielt wurde und das Schiff nach vier Wochen Liegezeit endlich den Hafen verlassen konnte. Die nächste Mietzahlung traf wieder nicht fristgerecht ein, so dass Vogemann nun eine Handhabe besaß, das Schiff aus der Charter zurückzuziehen und – zu niedrigerem Preis – an die Firma Macs Cross zu verchartern.

Wegen Überschwemmungen an der Oder müssen Tausende von Menschen ihre Häuser verlassen. Die britische Prinzessin Diana kommt bei einem Autounfall in Paris ums Leben. Die UN-Klimakonferenz in Kyoto (Japan) beschließt die Reduzierung der Treibhausgase. Im sogenannten PolitbüroProzess erhält Egon Krenz, der letzte Staats- und Parteichef der DDR, sechseinhalb Jahre Gefängnis.

„Vogetrader“, ein Massengutfrachter von 72.000 Tonnen.

104

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Pac Line jedoch ließ nicht locker. Es arrestierte die „Marul“ in Rotterdam wegen angeblich entgangener Gewinne, und Vogemann musste eine Garantie von 450.000 US-Dollar hinterlegen, um das Schiff aus dem Arrest zu befreien. Dazu musste Vogemann in eine Arbitrage gehen und diese bis zu Ende führen, obwohl Pac Line in der Zwischenzeit Insolvenz angemeldet hatte; anders waren die 450.000 Dollar nicht zurückzubekommen. Vogemann

Jan Ullrich gewinnt als

erhielt seine Ansprüche gegen Pac Line auch in einer Arbitrage zugesprochen,

erster Deutscher die

aber das nützte wenig, denn da es noch viele weitere Gläubiger gab, war kein

Tour de France.

Geld mehr zu holen.

Hongkong wird als

Insofern war es besonders erstaunlich, dass Vogemann den

Sonderverwaltungszone

Frachter dennoch halten und die „Marul“ in Argentinien für ca. 300.000 US-

China unterstellt.

Dollar sogar noch Klasse machen lassen konnte. Was aber anfangen mit dem

Der Komet Hale-Bopp

Schiff? Vogemann hatte einen Käufer an der Hand, der es für 900.000 Dollar

nähert sich der Erde bis auf

kaufen wollte. Der kroatische Partner jedoch hatte andere Pläne, Jadroplov/

197 Millionen Kilometer.

SSM gedachte die „Marul“ zu verschrotten, für 600.000 Dollar, und verwies

Eine Million Menschen

darauf, dass ein Verkauf an Dritte mit zu vielen Risiken behaftet sei. Darauf-

feiert die „Love Parade“ in

hin beschloss Vogemann, dem Partner seinen 50-Prozent-Anteil abzukaufen,

Berlin.

unter Zugrundelegung des Schrottwertes. Dem verweigerten sich die Kroaten. Udo Wiese musste in Split Marathonverhandlungen absolvieren, bis endlich

1998

eine Einigung gefunden wurde: Jadroplov gab seinen Anteil her, allerdings

Bei einem Zugunglück

mit einem Aufschlag von 10 Prozent auf den Schrottwert. Sehr kooperativ

in Eschede kommen 101

verhielt sich hier die Bremer Landesbank, die die Kaufsumme finanzierte.

Menschen ums Leben.

Dem undurchsichtigen Konstrukt Jadroplov/SSM – das techni-

Erstmals in der Geschichte

sche Shipmanagement (SSM) stand glänzend da, während es mit der Reede-

der Bundesrepublik kommt

rei (Jadroplov) immer weiter bergab ging, sie stand kurz vor dem Konkurs –,

es zu einer vollständigen

wurde übrigens später ein Ende gemacht, die Reederei wurde in den Jahren

Ablösung der Regierungs-

2000/2001 gerettet, wobei Vogemann und der Hamburger Reeder Peter Döhle

partei durch die Opposition:

maßgeblich beteiligt waren. Eine Folge davon war, dass Vogemann die drei

Bei den Bundestagswahlen

Jadroplov-Massengutfrachter „Ist“, „Solta“ und „Don Frane Bulic“ exklusiv be-

werden die Sozialdemo-

frachten durfte. Das gilt für das zuletzt genannte Schiff heute noch, die ande-

kraten stärkste Fraktion.

ren wurden in der Zwischenzeit verkauft.

Gerhard Schröder bildet

Die Bilanz der ersten Jahre als Schiffseigner: Nicht gerade ein

eine Koalitionsregierung

Erfolg, und einige unangenehme Erfahrungen hatte man dazu gemacht. Den-

mit den Grünen unter

noch ließ sich die neue Firmenleitung auf ihrem neuen Weg nicht beirren.

Joschka Fischer.

Im Jahr 2001 bot eine Reederei aus Taiwan sechs Massen-

Deutsche Post und Telekom

gutfrachter zum Kauf an. In Fernost herrschte Krise, die Frachtraten waren

AG verlieren ihre Monopole

niedrig, die Reederei litt unter Liquiditätsproblemen. Man verfolgte die Vor-

im Briefverkehr bzw. in der

gänge bei Vogemann mit Aufmerksamkeit. Als ein Schiff nach dem anderen

Telefonie.

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995

105

Die Konzerne Daimler-Benz

zu niedrigen Preisen wegging, sagte man sich in Hamburg: Warum nicht wir

und Chrysler schließen sich

auch, kriegen wir das nicht auch hin? So wurde dann beschlossen, zuzugrei-

zusammen. Durch die Fusion von Deut-

fen. Buchstäblich im letzten Moment, die Unterlagen zum Kaufangebot waren schon im Papierkorb gelandet, fischte sie Hans Boller wieder heraus. Die

scher Bank und Bankers

letzten beiden aus der Flotte von ehemals sechs Schiffen, zwei 72.000-Ton-

Trust entsteht das weltgrößte

nen-Massengutfrachter vom Baujahr 1996, kamen für jeweils ca. 20 Mio. US-

Kreditinstitut.

Dollar an Vogemann und fuhren fortan als „Vogetrader“ und „Vogevoyager“.

Monica Lewinsky, Praktikantin

Finanziert wurde das Geschäft von der Hamburgischen Landesbank, zu der

im Weißen Haus, bezichtigt

Vogemann exzellente Verbindungen aufgebaut hatte. Ebenso hilfreich war die

Präsident Clinton, sexuelle

Mitwirkung von Jason Chan von der Firma Wallem. Für zehn Jahre waren „Vogetrader“ und „Vogevoyager“ an die

Kontakte mit ihr gehabt zu haben.

Verkäufergesellschaften zurück verchartert, und zwar in der Form der Bare-

Großbritannien und Irland

boat-Charter, wonach der Charterer selbst für die Bereederung zu sorgen hat

schließen ein Friedens­

und während des Nutzungszeitraums die Kosten für Wartung, Reparaturen

abkommen für die Region

und Betriebsstoffe tragen muss. In der Schifffahrt selten, aber hier ein nütz-

Nordirland.

liches Verfahren, weil Vogemann nach den schlechten Erfahrungen mit der „Marul“ das technische Management nicht erneut an Dritte vergeben wollte,

1999

man jedoch als reiner Befrachtungsmakler – noch – nicht wieder über eine

Nach dem Scheitern der Kosovo-Friedenskonferenz von Paris beginnt die NATO mit Luftangriffen auf Jugoslawien. Die jugoslawische Armee zieht sich daraufhin aus dem Kosovo zurück. Der Euro wird als bargeldloses Zahlungsmittel eingeführt. Die Bundesregierung und zwölf deutsche Konzerne einigen sich auf einen Fonds zur Entschädigung der NSZwangsarbeiter. Oskar Lafontaine legt seine Ämter als Parteivorsitzender der SPD und als Finanzminister der Regierung Schröder/ Fischer nieder.

Brückenansicht der „Xin Shi Hai“, aus der „Voge West“ wurde.

106

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

eigene Reedereiinspektion zur Abwicklung des technischen Managements

Deutschland beteiligt sich an der

verfügte.

Internationalen Friedenstruppe im

Vogemann hatte den Taiwanesen eine Rückkaufoption nach

Kosovo (KFOR).

sechs Jahren auf dem Niveau des ursprünglichen Kaufpreises von ca. 20 Mio.

Eröffnung des von Daniel Libeskind

US-Dollar eingeräumt. Hatte man 2001 die Ausübung dieser Option noch als

entworfenen Jüdischen Museums

äußerst unwahrscheinlich angesehen, hatten sich die Märkte für Bulkcarrier

in Berlin.

in den Folgejahren in eine Richtung entwickelt, die alle Erwartungen übertraf:

Der Bundestag entscheidet sich für

Ende 2006 war der Marktwert für die dann zehn Jahre alten Schiffe bereits

den Bau eines Holocaust-Denkmals

auf 35 Mio. US-Dollar gestiegen. Da Vogemann die Schiffe behalten wollte,

in Berlin nach Entwürfen

kaufte man den Taiwanesen die Kaufoptionen für einen zweistelligen Mio-US-

von Peter Eisenman.

Dollar-Betrag wieder ab. Unter Berücksichtigung des Anschaffungspreises

Die Weltbevölkerung hat die Sechs-

hatte Vogemann damit jeweils über 35 Mio. US-Dollar für die Schiffe bezahlt.

Milliarden-Grenze überschritten.

Aber das Geld war gut angelegt, 2007 wurden „Vogetrader“ und „Vogevoyager“ für je 43 Mio. US-Dollar an einen geschlossenen Schiffsfonds verkauft, der von Vogemann als Vertragsreeder heute noch gemanagt wird. Ein Jahr später hätte sich auch ein Preis von über 60 Millionen erzielen lassen, aber das war nicht vorhersehbar. Günter Grass erhält den Nobelpreis

Ein Kaufvertrag so dick wie ein Buch. Vorteilhafte Angebote

für Literatur.

wie das damals aus Taiwan kommen so schnell nicht wieder, dachte man bei

Der Film „Lola rennt“ von Tom

Vogemann. Doch kurze Zeit darauf lag schon wieder so eines auf dem Tisch.

Tykwer erhält acht Auszeichnungen

Es kam von einer norwegischen Reederei, die von ihrer Bank gezwungen wor-

bei der Verleihung des Deutschen

den war, die gesamte Flotte zu verkaufen. Zwei Panamax Carrier waren dabei,

Filmpreises.

die gut in Vogemanns Konzept passten. Der Kaufpreis betrug jeweils 15,5 Mio. US-Dollar. Für 10 Jahre waren die Schiffe an die chinesische Staatsreederei

2000

Cosco verchartert. Bei einem Reederwechsel hätte Cosco die Möglichkeit ge-

Angela Merkel wird Parteivorsit-

habt, aus der Charter auszusteigen. Vogemann musste daher die Schiffseig-

zende der CDU.

nerfirmen kaufen, um die Charter nicht zu verlieren. Dadurch gestalteten sich

Bundesregierung und Atomwirt-

die Kaufverhandlungen in Norwegen äußerst schwierig. Zehn Mann saßen da

schaft einigen sich auf einen

am Tisch, Juristen und Wirtschaftsprüfer dabei, die Hypotheken beurteilen

Ausstieg aus der Kernenergie.

und steuerliche Betrachtungen anstellen mussten.

In der Bundesrepublik können

Der Kaufvertrag, der schließlich herauskam, war ein dickes Buch.

gleichgeschlechtliche Paare eine

Die Banken zogen willig mit, der gute Name des chinesischen Staatsreeders

eheähnliche Bindung („Eingetrage-

tat sein Übriges, um die Finanzierung glatt laufen zu lassen. Im Kaufvertrag

ne Partnerschaft“) eingehen.

war Vogemann die Option zugesprochen, sich nach sechs Jahren für 1 Mio.

Im Vertrag von Nizza verständigen

Dollar aus der Charter herauszukaufen. 2008 nahm die Firma das wahr. Der

sich die Staats- und Regierungs-

70.000-Tonner „Xin Shi Hai“ hieß danach „Voge West“, aus dem 68.000-Ton-

chefs der Europäischen Union auf

ner „Xin Xing Hai“ wurde „Belem“. Letzterer ist derzeit für fünf Jahre an die

eine Osterweiterung der EU.

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995

107

108

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Alltag an Bord Ein Schiff, das ruhig seine Bahn zieht, und Seeleute, die konzentriert ihrer Arbeit nachgehen – Bilder von einer Fahrt mit dem Handysize Bulkcarrier „Voge Eva“ im Januar 2010.

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995

109

Die Lizenzen für die nächste

Hamburg Süd-Gruppe verchartert. Auch bei den beiden Norwegern war das

Mobilfunkgeneration UMTS

– selten angewandte – Prinzip der Bareboat-Charter zum Tragen gekommen.

werden für 98,8 Milliarden

Es wurde nun aber Zeit, dass die Geschäfte andere Formen bekamen.

DM versteigert.

Reederei Roth zuständig fürs technische Management. Einen verlässlichen Partner, der das technische Management übernehmen konnte, fand Vogemann in der Hamburger Reederei Roth. Roth besaß selbst drei Panamax Carrier und bereederte für die Pro Line im Linienverkehr Ostküste Südamerika – Fernost fünf Tweendecker, von denen vier allerdings gerade Eröffnung der Weltausstellung Expo 2000

verschrottet wurden. Roth war daran interessiert, diese Lücke durch Vogemann-Schiffe zu schließen. Der erste Carrier, der so unter Roths technisches Management

in Hannover.

kam, war die „Greta R“, benannt nach Udo Wieses Mutter Greta Reinkendorff. Vogemann erwarb sie Anfang 2003 von einer in Monte Carlo ansässigen Ree-

„Greta R“ in schwerer See vor der japanischen Küste.

110

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

derei für 10,1 Mio. US-Dollar. Das Geschäft wurde vermittelt durch die Fir-

2001

ma Hamburg Bulkcarrier (HBC), die es auch partnerschaftlich begleitete und

Die afghanischen Taliban

über ihr Emissionshaus das Eigenkapital einwarb. „Greta R“ blieb bis 2009 in

befehlen trotz internationaler

Vogemanns Besitz, zumeist verchartert an Alfred C. Toepfer.

Proteste die Zerstörung der

Der nächste in der Reihe war die „Ulla R“. Bevor es zu dem

Buddha-Statuen von Bamian.

Erwerb kam, ereignete sich eine Affäre, die mal wieder enthüllte, auf wie schwankendem Boden man sich manchmal beim Kauf und Verkauf von Schiffen befinden kann. Eigentlich hatte Vogemann nämlich ein anderes Schiff im Auge gehabt. Ein 50.000-Tonner, ungefähr 20 Jahre alt, aus der Flotte des türkischen Reeders Karahasan. Der hatte seine Schiffe von der Hamburgischen Landesbank finanzieren lassen, war mit dieser in Streit geraten, und

Muslimische Terroristen,

das hatte damit geendet, dass die Bank seine gesamte Flotte, fünf Schiffe, an

Angehörige des Netzwerks

die Kette legte und zur Zwangsversteigerung ausschrieb. Der Frachter, für

al-Qaida, entführen in Amerika

den sich Vogemann interessierte, lag im chinesischen Tianjin, dem früheren

vier Verkehrsflugzeuge und

Tientsin.

lenken sie ins Pentagon und ins

Marktbewertung und Charteraussichten waren günstig, Voge-

World Trade Center in New York.

mann entschloss sich, mitzubieten und hinterlegte eine Million Dollar Si-

Die USA fordern vom Taliban-

cherheit beim Auktionshaus in Tianjin. Eine Delegation fuhr nach China, um

Regime in Afghanistan die Aus-

bei der Versteigerung dabei zu sein. Am Abend der Ankunft kam die Nach-

lieferung des al-Qaida-Gründers

richt: Die Charterraten steigen. Das hieß, auch der Wert des Schiffes stieg.

Osama bin Laden.

Bei der Versteigerung würde vermutlich ein höherer Preis erzielt werden als

Die NATO erklärt erstmals in ih-

ursprünglich gedacht. Vogemann musste den als Charterer vorgesehenen

rer Geschichte den Bündnisfall,

Alfred C. Toepfer um eine Nachbesserung der vorab geschlossenen Charter-

auch Deutschland beteiligt sich

vereinbarung angehen. Toepfer versprach ein Entgegenkommen. So gerüstet

am Krieg gegen den Terror.

gingen die Vogemänner in die Versteigerung. 25 Bieter waren registriert, da-

Beim PISA-Ländervergleich der

von blieben drei übrig: ein Chinese, ein Grieche und Vogemann. Der Grieche

Schulleistungen belegt Deutsch-

machte das Rennen und bekam den Zuschlag, obwohl ihm aus irgendwelchen

land einen der hinteren Plätze.

Gründen erspart geblieben war, ein Depot zu hinterlegen.

Eröffnung des neuen Bundes-

Unverrichteter Dinge mussten die Vogemänner nach Hamburg

kanzleramtes in Berlin.

zurückkehren. Dort wartete die Nachricht: Das Auktionshaus weigert sich, die

Die Deutsche Angestellten

hinterlegte Million herauszurücken. Das Geld sei nie angekommen, hieß es.

Gewerkschaft (DAG) und vier

Udo Wiese musste sich wieder auf den Weg in den Fernen Osten machen.

weitere Arbeitnehmervertretun-

Zweimal verhandelte er in Tianjin. Immer saßen mindestens zehn Mann am

gen des öffentlichen Dienstes

Tisch. Zunächst war eine chinesische Dolmetscherin dabei, die ausgezeichnet

schließen sich zur Gewerkschaft

Deutsch sprach. Sie wurde jedoch bald durch einen männlichen Kollegen er-

„ver.di“ zusammen. Diese ist

setzt, der weder Deutsch noch Englisch konnte. Mit großer Mühe gelang es,

mit über 3 Mio. Mitgliedern

die sprachkundige Chinesin wieder hinzuzuziehen. Mit wohlgesetzten Worten

die weltweit größte

aber war dann doch nicht alles zu regeln. Udo Wiese ist sich heute sicher,

Einzelgewerkschaft.

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995

111

2002

dass die Verhandlung ewig weitergegangen wäre, wenn er nicht an einer be-

Ein gegen die rechtsextreme

stimmten Stelle ganz unchinesisch derb auf den Tisch gehauen hätte. So aber

NPD eingeleitetes Verbotsver-

kam Vogemann endlich zu seinem Geld.

fahren wird vom Verfas-

Zwangsversteigerung in Singapur. Das alles geschah im Ok-

sungsgericht ausgesetzt.

tober 2003. Im November dann kam „Ulla R“ als Neuerwerb zur VogemannFlotte. Ein Schiff ebenfalls aus dem Besitz von Karahasan, ein 43.000-Tonner, damals noch mit dem Namen„Edip Karahasan“. Das Schiff wartete in Singapur auf die Zwangsversteigerung. Diesmal fuhr von Vogemann keiner hin, man überließ es einem dortigen Anwalt, als Vogemanns Vertreter mitzubieten, In Deutschland und elf weiteren Ländern wird das

und verfolgte die Versteigerung am Telefon. Jens Arndt hatte den Anwalt in der Leitung, Alan Woo die koreanische Firma, die man als Charterer gewon-

Euro-Bargeld eingeführt.

nen hatte. Die Telefone waren auf laut gestellt, damit jeder beim anderen

Die Schweiz wird 190. Mit-

mithören konnte und wusste, wie die Dinge standen. Die Entscheidung fiel,

glied der Vereinten Nationen

als es in Hamburg drei Uhr morgens war. Vogemann erhielt den Zuschlag

Ein ehemaliger Schüler des

gegen den letzten verbliebenen Mitbewerber, denselben Griechen übrigens,

Erfurter Gutenberg-

der die Hamburger in Tianjin ausgestochen hatte. 12,6 Mio. Dollar lautete das

Gymnasiums erschießt in

letzte Gebot, ein gewaltiger Preis, und die Finanziers von der Hamburgischen

einem Amoklauf 14 Lehrer

Landesbank (seit ihrer Fusion mit der Landesbank Schleswig-Holstein einige

und zwei Schüler und

Monate zuvor hieß sie nun HSH Nordbank) zeigten sich entsetzt, als sie davon

anschließend sich selbst.

erfuhren, stimmten aber schließlich zu.

Eine Kommission unter

In der Zwangsversteigerung erworbene Schiffe sind lastenfrei,

Leitung des früheren VW-

so der Grundsatz in der Seefahrt. In der Türkei wird er allerdings nicht aner-

Managers Hartz entwickelt Pläne für „Ich-AGs“ und

kannt, wenigstens nicht in Fällen, wo die Versteigerung außerhalb der Türkei stattfindet. Ein Schiff, das in der Türkei registriert ist, bleibt nach einer Verstei-

„Mini-Jobs“ zur Reform der

gerung im Ausland weiterhin türkisch. Vogemann wusste das nicht, und auch

Arbeitsvermittlung.

die anderen Käufer, die Schiffe aus der Karahasan-Flotte erwarben, wussten

In Schanghai absolviert die

das nicht und mussten erleben, dass ihre Schiffe arrestiert wurden, wenn sie

Transrapid-Schwebebahn

Häfen anliefen, in denen der frühere Eigentümer seine Besitzansprüche den

ihre Jungfernfahrt.

Behörden hatte glaubhaft machen können. Auf alle Fälle den Bosporus galt

Weltgipfel der Vereinten

es zu meiden, hier musste man befürchten, dass auch mit Hinterlegung einer

Nationen (UN) in Johannes-

Sicherheit das Schiff, wenn es einmal arrestiert war, nicht freizubekommen

burg zur Armutsbekämpfung

war. Die Ladungen, die „Ulla R“ transportieren sollte, stammten aber zum

und zum Umweltschutz.

guten Teil aus Häfen im Schwarzen Meer, da ließ sich eine Fahrt durch türki-

„Jahrhundertflut“ auf der

sche Hoheitsgewässer nicht vermeiden. Trotz dieser Einschränkung der Ein-

Elbe.

satzfähigkeit konnte das Schiff erfolgreich betrieben werden, und auch bei der Veräußerung des Schiffes 2006 fand man einen Ausweg. „Ulla R“ wurde an eine chinesische Reederei verkauft, die den Frachter ausschließlich zwischen

112

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

„Ulla R“ vor der Skyline von San Francisco.

chinesischen Häfen verkehren lässt – dorthin reicht Karahasans Arm nicht.

2003

Und immer noch war es ein gutes Geschäft für die von HBC Capital Consult

Die USA beseitigen im Bund

eingeworbenen Anleger, denn die Chinesen zahlten 15 Mio. US-Dollar für den

mit einer „Koalition der

Carrier.

Willigen“ das Regime von Saddam Hussein. Der Diktator

Finale am Heiligabend. November 2003, das Jahr war noch

des Irak steht im Verdacht,

nicht zu Ende. „Beinahe im Wochenrhythmus“, so erinnern sich die Gesell-

Massenvernichtungswaffen

schafter, wurden Schiffe gekauft. „Bulk Asia“ und „Bulk Europe“ hießen die

zu entwickeln.

letzten Zugänge dieses Jahres, moderne, in Japan gebaute Capesize Carrier

Bundeskanzler Schröder lehnt

vom Baujahr 2001, jeder mit einer Tragfähigkeit von mehr als 170.000 Tonnen.

eine deutsche Beteiligung an

Sie gehörten der Reederei Livanos in Monte Carlo. Eine Notlage war nicht

dem Angriff ab.

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995

113

Selbstmord des FDP-Politi-

gegeben, die Reederei wollte verkaufen, um die Bilanz zu optimieren, und

kers Jürgen Möllemann.

gedachte die Schiffe für sieben Jahre zurückzuchartern. Die Einwerbung der

Die IG-Metall bricht den

Anleger übernahm diesmal HCI. Das Finale der Kaufverhandlungen fand am

Streik zur Einführung der

Heiligen Abend statt, für je 52 Mio. US-Dollar wechselten die beiden Riesen

35-Stunden-Woche in den

den Besitzer. Die Verbindung zur Reederei Roth, weiterhin zuständig für das

neuen Bundesländern ab. In Perl-Nennig im Saarland

technische Management, wurde enger. Vogemann übernahm 20 Prozent der

wird mit 40,8 Grad Celsius

Anteile und bewog die Firmenleitung, ihr Domizil in der Hamburger City Nord

ein neuer Hitzerekord in

aufzugeben und mit in das Gebäude Hallerstraße 40, seit 2004 Firmensitz von

Deutschland gemessen.

Vogemann, zu ziehen.

Bundeskanzler Schröder

Im Jahr 2004 passierte wieder eine der Pannen, ohne die es im

stellt ein Reformprogramm

Geschäftsleben wohl nicht abgehen kann. Das Stichwort lautet „Top Glory“.

(„Agenda 2010“) zur Verbes-

Top Glory hieß das chinesische Handelshaus, zu dem auch eine Reederei ge-

serung der wirtschaftlichen

hörte. Die wiederum wollte auf einen Schlag ihre gesamte Flotte von Bulkcar-

Rahmenbedingungen und

riern loswerden. Aus Peking erging eine Einladung zu Kaufverhandlungen an

Entlastung der Kommunen,

Vogemann. Udo Wiese und Jens Arndt reisten hin. Gemeinsam mit Anwälten,

verbunden mit Einschnitten

Maklern und Vertretern von HCI saßen sie einer Reihe von mindestens zehn

im Sozialbereich, vor. In Belgrad wird der serbische Ministerpräsident Zoran Djindjic erschossen. Der Internationale Straf-

Chinesen aus dem Handelshaus Top Glory gegenüber. Ein Chairman eröffnete in feierlicher Form die Sitzung und hielt erst einmal eine Ansprache von einer Stunde Länge. Ein Dolmetscher übersetzte, aber nur unzulänglich. Soweit die Gäste verstanden, handelte die Rede ausschließlich von den blühenden Geschäften, die das Haus Top Glory in aller Welt tätigte. Kein Wort von

gerichtshof in Den Haag nimmt seine Arbeit auf. Weltweites Auftreten der bisher unbekannten Lungenkrankheit SARS. Nach der „Roten Liste“ der Welttierschutzorganisation JUCN sind weltweit mehr als 12 000 Tier- und Pflanzenarten bedroht. Caroline Links Roman­ verfilmung „Nirgendwo in Afrika“ erhält den Oscar für den besten ausländischen Film. „Voge Katja“ mit einer Holzfracht beim Verlassen des Hafens von Napier (Neuseeland).

114

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Familie Vogemann in den frühen 1950er Jahren. Von links nach rechts: Richard Vogemann, Irma Vogemann, Herbert Vogemann; Renate Vogemann, Schwiegersohn Paul Speckter.

Handysize Bulkcarrier „Lake Maja“ kam im Frühjahr 2005 zur Vogemann-Flotte.

irgendwelchen Schiffen, die zum Verkauf ständen. Dann, nach einer Stunde,

2004

die knappe Mitteilung: Die Schiffe sind gestern an jemand anders verkauft

Erweiterung der EU um

worden. Ende der Sitzung, alles erhob sich. Später kam heraus, dass es den

10 Mitglieder (Estland, Lettland,

Käufer schon länger gab, die Chinesen hatten wahrscheinlich mit der Ein-

Litauen, Malta, Polen, Slowakei,

schaltung eines Interessenten aus dem Westen den Verhandlungen nur noch

Slowenien, Tschechische Republik,

ein wenig Beschleunigung geben wollen. Im übrigen hätte der Chairman die

Ungarn und Zypern).

gewünschten Informationen auch ohne den unbeholfenen Dolmetscher ge-

Massenproteste gegen die Hartz

ben können. Denn als er die Gäste zur Tür geleitete und höflichen Smalltalk

IV-Gesetze zur Arbeitsmarktreform

machte, stellte sich heraus, dass er fließend Englisch sprach.

(Zusammenlegung von Arbeits­

Wie um die peinliche Erfahrung abzurunden, fiel dann auch das Abendessen, das sich die Hamburger gönnen wollten, besonders unerfreulich aus. Man traf sich in einem edlen Restaurant, wo einer aus der Delegation,

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995

115

losen- und Sozialhilfe). Folgende Doppelseite: „Vogerunner“ in Fahrt.

116

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995

117

Im Prozess um

der behauptete sich auszukennen, mit wichtiger Miene ein Gericht empfahl,

Millionenprämien bei der

das in zahllosen kleinen Gefäßen gereicht wurde, die nur wenig Genießba-

Übernahme des Mannes-

res enthielten. Am besten kam noch Udo Wiese weg, der der Empfehlung

mann-Konzerns durch Vodafone werden alle sechs

misstraut und sich schlicht gebratenen Reis bestellt hatte. Er wurde wenigstens satt, während die übrigen deprimiert und hungrig vom Tisch aufstehen mussten.

Angeklagten, darunter

Kauf der ersten Handysize Bulkcarrier. Zu den Frachtern aus

Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und der

China gab es allerdings noch eine Alternative, auf die Vogemann zurückgrei-

frühere IG-Metall-Vor-

fen konnte. Das waren zwei 1996 in Spanien gebaute Capesize Carrier, die

sitzende Klaus Zwickel,

ein griechischer Reeder anbot, der sie wiederum vom großen Handelshaus

freigesprochen.

Cargill erworben hatte. Zu Cargill hatte Vogemann schon seit langem Ver-

Bei den Wahlen zum

bindung. Das trug Früchte, nach dem Kauf von „Vogesailor“ und „Vogecarrier“

Europäischen Parlament

konnten die beiden Schiffe an Cargill verchartert werden. Der Erwerb von

erleidet die SPD eine

„Vogebulker“ (ex „Heng Shan“) aus dem Besitz einer chinesisch-kanadischen

Schlappe, während die

Reederei in Vancouver im Jahr 2004 schloss die Serie der Käufe von Capesize

Grünen erstmals ein zwei-

Carriern dann erst einmal ab.

stelliges Ergebnis

Im Frühjahr 2005 reihte Vogemann mit dem Ankauf von „Lake

(11,9 %) erzielen.

Maja“ (24.500 t) und „Voge Katja“ (23.900 t) die ersten Handysize Bulkcarrier

Eine Flutwelle (Tsunami),

in seine Flotte ein. Was die Panamax Carrier betraf, war man inzwischen gut

ausgelöst durch ein Seebe-

versehen, mit Capesize Carriern gleichfalls. Sechs bis sieben jeweils zur Ver-

ben, verwüstet die Küsten

fügung zu haben, war das Ziel, und es war einigermaßen erreicht. Nun kam

in Südostasien, ca.

es darauf an, auch in der kleineren Klasse präsent zu ein; eigentlich war das

300.000 Menschen kommen ums Leben.

Handysize-Segment sogar das, in dem Vogemann auch als Befrachtungsmakler schon immer sein Hauptbetätigungsfeld gesehen hatte. Bis 2009 wuchs die Zahl der Handysize Carrier bei Vogemann

Bei Terroranschlägen auf Vorortszüge in Madrid

auf sieben an, darunter drei, „Voge Paul“, „Voge Renate“ und „Voge Eva“,

sterben 200 Menschen.

die man im Paket von der dänischen Reederei Clipper übernahm. Bei der Namensgebung griff man diesmal auf Vornamen aus den Familien der Unternehmensgründer bzw. Partner zurück: Renate Speckter geb. Vogemann, Paul Speckter, Maja Wiese, Katja Wiese, Eva Arndt. Noch hatte es sich bei den Ankäufen stets um gebrauchte Schiffe gehandelt. Nicht gerade die ältesten, die Handysize Carrier etwa stammten

Videos mit Bildern

aus den Jahren 1996 bis 1998, aber Neubauten waren sie nun mal nicht. Den

von Gefangenenmisshand-

Schritt, der noch fehlte, tat Vogemann Anfang 2006. Die japanische Werft

lungen durch US-Soldaten

Namura in Osaka erhielt den Auftrag, einen Capesize Carrier von 176.800 t

im Irak lösen einen

zu bauen. Diskussionen innerhalb der Firma waren vorausgegangen. Hieß

Skandal aus.

es doch, Neuland zu betreten, in größeren Zeiträumen zu planen und höhere

118

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Die „Vogtland“ am Getreidespeicher Mackprang.

Taufe der „Vogerunner“ in Osaka.

Risiken einzugehen als vorher, daran musste man sich erst gewöhnen. Der

Mit 4,5 Mio. Zuschauern

Befrachtungsmakler wickelt seine Geschäfte binnen Minuten oder Stunden

wird „Der Untergang“

ab, vielleicht auch Tagen, aber wenn es mehr als eine Woche zum Abschluss

(mit Bruno Ganz in der

braucht, dann stimmt meistens etwas nicht.

Rolle des Adolf Hitler) zu

Beim Ankauf eines Gebrauchtschiffes verhandelt man Wochen

einem der erfolgreichsten

oder Monate, bis alles unter Dach und Fach ist. Aber beim Neubau ist in Jah-

Filme der deutschen

ren zu rechnen. Selbst wenn alles gut geht, dauert es bestimmt 1 ½ Jahre

Nachkriegsgeschichte.

bis zur Ablieferung, und wenn die Werften volle Auftragsbücher haben, noch viel länger. Dennoch, bei Vogemann entschied man sich für den Neubau, war doch auf diese Weise möglich, Schiffe von genau der Größe und mit genau den Eigenschaften zu bekommen, wie man sie haben wollte.

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995

119

2005

Allerdings, große Einflussmöglichkeiten wurden der Reederei

Start der LKW-Maut auf

beim Bau ihres Erstlings nicht eingeräumt. Die Werft hatte klare Vorstellun-

deutschen Autobahnen.

gen von dem Schiff, das sie liefern würde, und ließ Mitsprache von außen

Nach dem Verlust der

nicht zu, Sonderwünsche erst recht nicht. Das alles würde die minutiös ge-

Landtagswahl in Nordrhein-

planten Abläufe stören, hieß es. So war nur mit größter Mühe möglich, die

Westfalen stellt Bundes-

von der deutschen Seeberufsgenossenschaft geforderte Zahl von Toiletten

kanzler Schröder im Bun-

durchzusetzen. Japanische Vorschriften verlangten nicht so viele, also gab

destag die Vertrauensfrage.

es sie nicht im Plan, und den Plan wollte niemand auf der Werft ändern.

Es kommt zu Neuwahlen,

Schließlich wurden doch zusätzliche Toiletten eingebaut, sechs Stück an der

bei denen die CDU/CSU

Zahl – aber die schlugen dann mit insgesamt 105.000 Dollar zu Buche. Ehe

stärkste Fraktion wird.

die Werft an die Arbeit ging, gab es manches zu klären, mit dem bei Voge-

Bei der Übergabe der „Voge Trust“. Von links nach rechts: Jens Arndt, der Charterer Mr. Y.K. Chung, die Taufpatin Mrs. Chung, Alan Woo.

120

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

mann niemand gerechnet hatte. So mussten die Hamburger einen umfang-

Sie bildet unter Kanzlerin

reichen Fragenkatalog zur Firmengeschichte beantworten. Wann der letzte

Angela Merkel eine Große

Firmeninhaber mit dem Namen Vogemann gestorben, wann Paul Speckter

Koalition mit der SPD.

in Ruhestand gegangen sei, alles wollten die Japaner wissen. An die einmal getroffenen Abmachungen aber hielt sich die Werft, Vertragstreue ist ein hoher Wert in Japan, Nachverhandlungen kamen nicht in Frage, und einmal als Kunde der einen Werft registriert, fand sich Vogemann auch bei den anderen japanischen Werften aufgenommen in den Kreis seriöser Besteller. Nach dem Tod von

Neubau unter deutscher Flagge. Das neue Schiff, von Chris-

Johannes Paul II. gelangt

tiane von Saldern, der Tochter Paul Speckters, auf den Namen „Vogerunner“

der deutsche Kardinal

getauft, wurde im Dezember 2008 abgeliefert. Eine Frau übernahm auch das

Josef Ratzinger

Kommando an Bord, Birte Jessen, eine der fünf weiblichen Kapitäne, die es in

als Benedikt XVI. auf den

Deutschland gibt. Sie ist nach wie vor bei Vogemann beschäftigt und einer der

Papstthron.

besten Kapitäne der Vogemann-Flotte.

Sieben Jahre nach seiner

„Vogerunner“ wurde wie der 2007 erworbene Capesize Bulker „Vogemaster“ unter deutsche Flagge genommen. Vogemann entsprach damit

Unterzeichnung tritt das Kyoto-Abkommen zum

der Selbstverpflichtung, die die deutschen Reedereien eingegangen waren,

Klimaschutz in Kraft.

einen Teil der Gesamtflotte unter deutscher Flagge fahren zu lassen.

Der europäische Flugzeug-

Das Anwachsen des Bestandes machte es nötig, eine zweite

bauer Airbus stellt in

Reederei für das technische Management heranzuziehen. Es war dies die Fir-

Toulouse den A 380, das

ma Wallem, ein Ende des 19. Jahrhunderts vom Norweger Harkon Wallem

größte zivile Verkehrsflug-

gegründetes Schifffahrtsunternehmen mit Hauptsitz in Hongkong. Wallem

zeug der Welt, vor.

wollte (und musste) Ende 2004 eine Niederlassung in Deutschland gründen,

Die Lufthansa übernimmt

um Reedereien als Kunden für das technische Management zu gewinnen. Den

die Schweizer Flug­

jahrzehntelang dominierenden Abschreibungsmodellen unter den Schiffsbe-

gesellschaft Swiss.

teiligungen drohte das endgültige Aus. Um in den Genuss des nun geltenden

Eröffnung des Holocaust-

Tonnagesteuersystems mit seiner niedrigen Pauschalbesteuerung zu kommen,

Mahnmals in Berlin.

musste das technische Management seinen Sitz in Deutschland haben. Der

60 Jahre nach ihrer

Staat sicherte sich so die Einnahmen aus Lohn- und Einkommenssteuern. Wie

Zerstörung im

viele andere ausländische Ship-Manager gründete Wallem daher in Hamburg

Bombenkrieg wird die

eine Niederlassung, Wallem Deutschland. Zunächst war sie lediglich von ei-

neuerrichtete

nem einzigen Mann, Captain Joe Corcoran aus England, repräsentiert. Heute

Frauenkirche in Dresden

zählt Wallem Deutschland, inzwischen im alten Vogemann-Sitz Hallerstraße

feierlich geweiht.

57 untergebracht, rund 30 Mitarbeiter. Das Unternehmen, an dem Vogemann rund 41 Prozent Anteile hält, ist gegenwärtig Technischer Manager für 30 Schiffe, zehn davon kommen von Vogemann. Wallem hatte Erfahrungen im Tankerwesen und war geschätzt bei den Oil Majors. Das bewog Vogemann,

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995

121

2006

Die in Deutschland ausgetragene Fußball-WM gerät für die enthusiastischen Massen zum „Sommermärchen“. Die deutsche Mannschaft verpasst jedoch durch eine Niederlage im Halbfinale gegen Italien den Einzug ins Endspiel. Ein Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen kritisiert das deutsche Schul-

Ausschnitt aus der kenianischen Zeitung „The Star“ zur Havarie der „Voge Trust“. Die befürchtete Ölpest trat nicht ein.

system und die Benachteiligung von Ausländerkindern im Bildungswesen.

sein Neubauprogramm auf Tanker auszudehnen. „Voge Dignity“ und „Voge

Nachdem alle Versuche, ihn

Trust“, zwei Product Tanker von je 38.000 t, im Jahr 2009 auf der GSI Werft

einzufangen, gescheitert sind,

in China fertiggestellt, wurden zu Wallem ins technische Management gege-

wird der in Tirol und Bayern

ben. Sie blieben jedoch vorerst die einzigen Tankschiffe unter der Vogemann-

wildernde Braunbär „Bruno“

Flagge. Mit großen Schritten dagegen ging es voran im Segment der

von bayerischen Jägern erschossen.

Handysize Carrier. Seit Ende 2006 liefen die Verhandlungen für den Bau von 12 Schiffen zu je 35.000 t von der indischen Werft ABG an ihrem neuen Standort

2007

in Dahej nordwestlich von Mumbai. Die Ablieferung des ersten Schiffes ist für

Deutschland ist Gastgeber

die zweite Hälfte 2011 zu erwarten. Vogemann unterhält bei ABG ein eigenes

beim G8-Gipfel in Heiligen-

Team zur Bauaufsicht. Ein für den 26. November 2008 dort geplanter, aber im

damm an der Ostsee.

letzten Moment abgesagter Besuch von Jens Arndt und Markus Lange hätte

Rumänien und Bulgarien

für beide katastrophal enden können. An eben diesem 26. November 2008

treten der EU bei.

ereignete sich der Überfall islamistischer Terroristen auf mehrere Gebäude

Der Konservative Nicolas

in Mumbai, bei denen mindestens 163 Menschen ums Leben kamen. Eines

Sarkozy gewinnt die

der Terrorziele war das Hotel Taj Mahal, und für eben dieses Hotel waren die

Stichwahl zum Präsidenten-

Hamburger gebucht. Wenn ihre Reise wie vorgesehen geklappt hätte, hätte es

amt in Frankreich.

ihnen passieren können, dass sie in die Geiselnahmen, Bombenexplosionen

122

125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

und Schießereien geraten wären. Mit der indischen Werft machte Vogemann

Die radikal-islamische Hamas

wieder ganz neue Erfahrungen. In Japan hatte man ein straffes System mit

bringt den Gazastreifen unter

hohem Automationsgrad kennengelernt. Beim Bau waren nur wenig Arbeiter

ihre Kontrolle.

zu sehen, die Leitung hatte die Abläufe bis in die kleinste Kleinigkeit durchkalkuliert und duldete keine Abweichungen, blieb aber stets den einmal vereinbarten Bedingungen treu. Hierarchien und Befugnisse waren jederzeit klar erkennbar. In China dagegen ein viel größerer Einsatz von Personal; wenn Pause war, strömten Scharen von Arbeitern aus dem Schiff, aber wer genau und in welchem Bereich das Sagen hatte, war nicht immer zu unterscheiden,

Das Eisbärenbaby Knut

und mit nachträglichen Korrekturen an den Vertragskonditionen musste ge-

begeistert die Berliner.

rechnet werden. In Indien wiederum galt es den allfälligen Verzögerungen

Deutschland verzeichnet den

mit Geduld, Nervenstärke und Improvisationstalent zu begegnen.

wärmsten Winter seit Beginn

Im mittleren Segment legte Vogemann gleichfalls noch zu. Zwei

der regelmäßigen Wetterauf-

Kamsarmax Bulkcarrier von je 80.000 t sind soeben abgeliefert: „Voge Chal-

zeichnungen im Jahr 1901.

lenger“, gebaut von New Times/New Century nahe Schanghai, im Dezember

Satellitenbilder zeigen die

2010, und „Voge Enterprise“, gebaut von Cosco in Dalian (China), im Februar

Nordwestpassage vor der

2011.

Küste Kanadas erstmals seit 30 Jahren eisfrei und somit für

Havarien und Piratengefahr. Von Havarien blieben die Vo-

Schiffe befahrbar.

gemann-Schiffe nicht verschont. Als Hurrikan „Katrina“ im August 2005 die Küstenregionen der US-Staaten im Golf von Mexiko heimsuchte, lag „Greta R“

2008

im Mississippi vor Anker. Die Ketten brachen, das Schiff trieb und rammte die

In Hamburg gehen CDU und

Jetty. Ein Schlepper bot Hilfe an, verlangte aber erst einmal die Unterzeich-

Grün-Alternative Liste (GAL) ein

nung einer Kostenübernahme-Garantie. Anschließend gab es noch langen

Regierungsbündnis ein.

Streit um die Millionen, die die Bergung kosten sollte. In dem Chaos, das an der Küste herrschte, waren Reparaturdienste kaum aufzutreiben, und wenn einer kam, dann hatte er Mühe an das Schiff heranzukommen, das ja nicht friedlich am Kai lag, sondern irgendwo draußen in einer Wüste, in der nicht mehr zu unterscheiden war, was Schiffahrtsweg und was überschwemmtes Land war.

Frankreichs Staatspräsident

Der Tanker „Voge Trust“ lief bei seiner Jungfernfahrt im Dezem-

Nicolas Sarkozy heiratet die

ber 2009 im Hafen von Mombasa auf Grund, obwohl Hafenlotsen an Bord

Sängerin Carla Bruni.

waren. Durch ein Leck in der Außenhaut strömte Wasser ein, das Schiff be-

Die Bundesmarine beteiligt sich

kam Schlagseite. Für die Zuschauer, die sich an Land versammelten, sah das

an der Mission „Atalanta“ zur

gefährlich aus, man befürchtete auch bereits eine ökologische Katastrophe

Bekämpfung der Piraterie am

durch austretendes Öl. Doch zum Glück war nur die äußere Hülle beschädigt,

Horn von Afrika.

die innere Hülle des Doppelrumpfes hielt, und die Reparatur war relativ leicht

Die Dresdner Bank wird von der

zu bewerkstelligen.

Commerzbank übernommen.

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995

123

Einen Monat später, im Januar 2010, traf es „Vogetrader“ auf Hawaii. Obwohl sich auch diesmal ein Lotse an Bord befand und zwei Schlepper das Schiff unterstützten, lief es trotz bester Wetterbedingungen und klarer Sicht in der Anfahrt zum Liegeplatz auf ein Riff. Wie das gelungen war, blieb ein Rätsel. Luftaufnahmen zeigen den steckengebliebenen Frachter am Die Insolvenz der US-Invest-

Rand einer durch dunklere Wasserfärbung klar erkennbaren Fahrrinne, er

mentbank Lehman Brothers

hätte bloß geradeaus fahren müssen. Aber der Lotse, statt sich zu erklären,

verschärft die internationale

verschwand sofort nach der Havarie und wurde nicht mehr gesehen.

Finanzkrise. In Deutschland

Bekanntschaft mit der Piraterie am Horn von Afrika muss-

wird ein Bankenrettungspaket

te Reederei Vogemann auch bereits machen. Wenigstens einmal zeigte der

im Volumen von 480 Milliarden Euro aufgelegt. Wahlsieg des demokratischen

Radarschirm die Annäherung mehrerer Kaperboote, die allerdings, als das Schiff einen Notruf absetzte und ein Hubschrauber der Atalanta-Mission erschien, schnell beidrehten.

Präsidentschaftskandidaten

Und die Krise? Von den Erschütterungen auf dem Finanzmarkt

Barack Obama in den USA. Mit Notkrediten werden

seit 2008 war am schwersten die Containerschifffahrt betroffen, dann die Tan-

die Autokonzerne

ker und schließlich auch – in nicht ganz dem gleichen Maßstab – die Bulk-

General Motors und Chrysler

carrier. Die Finanzierungsmodelle mit eingeworbenem Kapital waren vorher

vor der Pleite gerettet. Eröffnung der SvalbardSaatgutbank auf der Insel

bereits untergegangen. Die Emissionshäuser blieben hinter ihren Versprechungen zurück, das nötige Eigenkapital zur Finanzierung von Neubauten musste Vogemann selbst besorgen.

Spitzbergen.

2009 Nach der Bundestagswahl kommt es zu einer Regierungskoalition von CDU/CSU und FDP unter Angela Merkel. Die G20 einigen sich auf Billionen-Hilfen für die Bekämpfung der Wirtschafts- und Finanzkrise. Zum Schuldenabbau beschließen Bundestag und Bundesrat eine „Schuldenbremse“ ins Grundgesetz einzubauen.

Stacheldraht an der Bordwand zum Schutz vor Piraten.

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125 Jahre H. Vogemann – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz

Israel führt eine Militär­ offensive gegen die Hamas im Gazastreifen. Beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs gehen unersetzliche Kulturwerte verloren.

2010 Die Bundesregierung beschließt ein Sparpaket zum Schuldenabbau. Bei der Love-Parade in Duisburg kommt es zu einer

Der zweitjüngste Vogemann-Neubau, Kamsarmax Bulkcarrier „Voge Challenger“ beim Ablegen vom Kai der chinesischen Werft New Times/New Century.

Massenpanik mit 21 Toten.

Die Belastung gingen bis an die Schmerzgrenze und teilweise darüber hinaus. Das Verhalten der Banken änderte sich unter den Bedingungen der Krise. Strukturen, die bisher problemlos von den Banken genehmigt worden waren, wurden auf einmal nicht mehr mitgetragen.

Horst Köhler tritt vom

Bei aller Kritik an den Banken haben diese die Reederei aber bei

Amt des Bundespräsidenten

ihren Projekten nicht im Regen stehen gelassen. Restrukturierung der „Voge

zurück, Nachfolger wird

Trust“, Neuordnung der indischen Neubauten und Abbestellung der „Voge

der niedersächsische

Spirit“ waren gewaltige Herausforderungen, die ohne Unterstützung der Ban-

Ministerpräsident

ken nicht allein hätten bewältigt werden können. Ein bitterer Beigeschmack

Christian Wulff.

bleibt aber: Die Vogemann-Partner, die Emissionshäuser, wurden nicht zur Kasse gebeten. Kurze Zeit später stellten sich ihre Chefs vor die Presse und verkündeten schon wieder zarte Gewinne. Asymmetrische Lastenverteilung nennt man dies im Bankenjargon. Trotz der großen Finanzierungsklemme war Vogemann in der Lage, auch in der schwierigsten Zeit Anfang 2009 zwei Neubauprojekte anzuschieben. „Voge Lucia“ und „Voge Lena“ wurden in der

Ölpest im Golf von

Hochzeit der Krise finanziert. Maßgeblichen Anteil daran hatte die Bremer

Mexiko nach dem

Landesbank, die Vogemann dabei vorbildlich unterstützte.

Untergang einer

Die Realisierung dieser Projekte gibt Zuversicht, dass es auch

Bohrplattform.

zukünftig möglich sein wird, Eigenkapital von privaten Investoren einzusam-

Das Ruhrgebiet ist

meln und Fremdkapital von Banken zu bekommen. Ein Geschäftsmodell, das

Europäische

es schon seit 400 Jahren gibt und das es auch in Zukunft geben wird.

Kulturhauptstadt.

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995

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Die Vogemann-Crew 1 Hauke Wetzel Chartering Manager 2 Moritz Hartmann Trainee 3 Tabea Ohlendorf Chartering 4 Steven Jacob Chartering Manager 5 Monika Fabich Accounting 6 Heike Kraschutzki Accounting 7 Kai Elsen Director, Chartering 8 Frank Kruss Accounting 9 Ilka Auerswald Accounting 10 Jevgenij Gorelik Facility Management 11 Heike Patjens Accounting 12 Jurik Harmeyer Trainee 13 Olaf Brüning Manager IT Systems 14 Ivana Kravar Operations 15 Lioba Müller Accounting 16 Nicole Riedemann Accounting 17 Karl Mohr Head of Operations 18 Philipp Sichtling Chartering Manager 19 Roland Hensel Managing Director 20 Andreas Rau Accounting 21 Jens Wanitschke Project Manager 22 Andreea Stoica Accounting

23 Angelique Richter Reception/ Assistance 24 Tim-Philipp Werkholz Trainee 25 Valeri Zaika Facility Management 26 Frank Jensen Director, Chartering 27 Saskia Drews Head of Accounting 28 Melanie Wriedt Assistance 29 Markus Lange Managing Director 30 Jens-Michael Arndt Managing Director 31 Lars Rudebeck Director, Chartering 32 Nils Luedecke Chartering Manager 33 Udo Wiese Managing Director 34 Stephanie Collée Head of Ship Finanance/Controlling 35 Alan Woo Managing Director 36 Maria Katsaouni Operations, Chartering 37 Aleksander Niemas Chartering 38 Alexander Dreißig Chartering Manager 39 Romina Cob Arranz Operations

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995

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40 Olaf Münch Deputy Head of Accounting 41 Robert Stegen Ship Finance/ Controlling 42 Anika Harms Chartering Manager 43 Stefan Boldt Project Manager 44 Peter Brasch Operations Manager, Chartering 45 Franziska Klier Operations 46 Angela Reimann Operations Manager, Chartering 47 Marion Haaks Operations, Chartering 48 Renate Neumann Operations Manager, Chartering Nicht dabei: Rüdiger Hartwig Project Manager, Chartering Britta Strehlau Reception/Assistance Harald Schmidt IT Administrator Ophelia Peters Administration

In memoriam Friedemann Bedürftig

Friedemann Bedürftig

Die Konzeption dieses Buches stammt von dem Hamburger

ist im November 2010 gestorben. Ich verliere in ihm einen

Autor Friedemann Bedürftig, mit dem ich seit langem bekannt

einzigartigen Gesprächspartner und Freund. Wer ihn kannte,

und befreundet war. Beabsichtigt war, dass Friedemann Be-

und das waren viele bei Vogemann, dem wird sein profundes

dürftig den Text herstellen und die dafür nötigen Interviews

Wissen, seine Aufmerksamkeit für die Welt ringsum, sein Witz

führen sollte, während sein Kollege Reinhard Barth, mit dem

und seine Gradlinigkeit im zwischenmenschlichen Verkehr

er schon bei vielen Buchprojekten zusammengearbeitet hatte,

unvergesslich bleiben.

sich um Bildbeschaffung, Redaktion und Gestaltung kümmern sollte. Die Arbeitsteilung ließ sich indes nicht durchhal-

Hamburg, im März 2011

ten. Eine schwere Erkrankung nötigte Friedemann Bedürftig



im Sommer 2010 die Arbeit am Text zunächst teilweise, dann

Udo Wiese

ganz in die Hände seines Kollegen Barth zu geben. Die Fer-

Geschäftsführender Gesellschafter

tigstellung des Buches hat er nicht mehr erleben können, er

Firmengruppe H. Vogemann

Danksagung Folgende Hamburger Institutionen liefer-

für Zeitgeschichte in Hamburg und Jürgen-

Roland Hensel, Frank Jensen, Lars Rudebeck,

ten Bildmaterial, wofür wir uns herzlich

Wolfgang Goette von der Erich-Mühsam-Ge-

Paul Speckter, Udo Wiese, Alan Woo. Die Au-

bedanken: Museum für Hamburgische Ge-

sellschaft in Lübeck sowie Willem Meier von

toren konnten darüber hinaus schriftliche

schichte, Hamburger Kunsthalle, Denkmal-

der Firma H.F. Navigator in Hamburg und

Aufzeichnungen von Harring-Detlef Arndt,

schutzamt Bildarchiv, Museum der Arbeit.

Max Johns vom Verband Deutscher Reeder.

Markus Lange und Paul Speckter benutzen.

Wertvolle sachliche Hinweise gaben

Für Interviews stellten sich zur Ver-

Prof. Frank Bajohr von der Forschungsstelle

fügung: Jens Arndt, Harring-Detlef Arndt,

Bei der Bildbeschaffung halfen Stefan Boldt und Tabea Ohlendorf.

Bildnachweis Archiv für Kunst und Geschichte Berlin: S. 8 Randsp. unten, 10, 11 Randsp., 14 u. Randsp. unten, 16 links, 16 Randsp., 20, 21 Randsp. unten, 24 Randsp., 26 Randsp., 27 Randsp., 29 Randsp., 30 Randsp., 31, 33 Randsp. oben, 36 Randsp. unten, 37 Randsp., 44 Randsp. Mitte, 45 Randsp. Mitte, 52 Randsp., 68 Randsp., 69 Randsp., 74 Randsp., 91 Randsp. Denkmalschutzamt Hamburg Bildarchiv: S. 11, 18, 25, 32, 43, 44, 49, 54, 57 Kunsthalle Hamburg: S.79 Museum der Arbeit Hamburg: S. 34, 36 Museum für hamburgische Geschichte: S. 12/13, 38/39 Christoph Papsch: S. 4, 108/109, 116/117

Picture alliance/dpa: S. 102 Randsp., 10 Randsp., 71 Randsp. oben, 87 Randsp. unten, 105 Randsp., 107 Randsp., 110–112 Randsp., 118 Randsp., 121–124 Randsp. Vogemann Firmenarchiv: S. 8 Randsp. oben, 9 Randsp. oben, 14 Randsp. oben, 21, 23, 29, 41, 42, 51–53, 56, 58, 59, 61–65, 66 Randsp. unten, 67, 68, 70, 72, 73–75, 80, 81, 83, 83 Randsp. 85, 88, 90, 91, 93, 95, 95 Randsp., 97, 99, 103, 104, 106, 110, 113–115, 119, 120, 122, 124, 125 Christian Zentner, München: S. 16 rechts, 56 Randsp., 60 Randsp., 62 Randsp. oben, 66 Randsp. oben, 69 Randsp., 70 Randsp. oben, 78, 78 Randsp., 81 Randsp., 85 Randsp., 89 Randsp., 95 Randsp., 99 Randsp., 33 Randsp. unten, 63 Randsp.

128

Robert Krewaldt, Bonn: S. 9 Randsp. oben

Bernhard Hossner: 31 Randsp.

Gemeinfrei: 9 Randsp. unten, 10 Randsp., 15 Randsp., 17 Randsp., 18 Randsp. oben, 19 Randsp., 20 Randsp., 21 Randsp. oben, 23 Randsp., 28 Randsp., 34 Randsp., 35 Randsp. oben, 42 Randsp. (Gus Pasquerella), 43 Randsp. unten, 44 Randsp., 45 Randsp. unten, 49 Randsp., 50 Randsp. unten, 53 Randsp., 54 Randsp. unten, 57 Randsp. oben, 62 Randsp. unten (Library of Congress), 70 Randsp. unten, 71 Randsp. unten (Library of Congress), 73 Randsp., 75 Randsp., 77 Randsp. (Berthold Werner), 80 Randsp., 87 Randsp. oben, 90 Randsp., 96–97 Randsp.

Deutsches Bundesarchiv: 32 Randsp., 35 Randsp. unten, 36 Randsp. oben, 40 Randsp., 43 Randsp. oben (Lange, Eitel), 48 Randsp., 50 Randsp. oben, 55 Randsp., 57 Randsp. unten, 61 Randsp., 76 Randsp., 82 Randsp., 84 Randsp., 88 Randsp., 92–94 Randsp.

Henry Mühlpfordt: 25 Randsp.

Kroelleboelle: 59 Randsp.

Bayer: 18 Randsp. unten

Thomas Zarges: 126/127

World Telegram staff photographer: 41 Randsp. National Archives USA: 45 Randsp. oben Lars-Göran Lindgren, Sweden: 54 Randsp.

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