Thema: Fußball 02/16. FORUM Junge Anwaltschaft im DeutschenAnwaltverein

June 20, 2017 | Author: Adolf Beckenbauer | Category: N/A
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1 G Anwalt der Anwälte 02/16 FORUM Junge Anwaltschaft im DeutschenAnwaltverein Thema: Fußball Fußballsp...

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Anwalt der Anwälte

G 48742

02/16

FORUM Junge Anwaltschaft im DeutschenAnwaltverein

Thema: Fußball Fußballsprüche für Anwälte Teure Fußballer-Scheidungen UWG-Verstoß bei 21 Orgasmen Recht im Film – Berlinale 2016 FORUM International

FORUM Junge Anwaltschaft

w w w . d a v f o r u m . d e

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Editorial

Fair play

Liebe AdVoice-Leserinnen und -Leser, Die Europa-Fußballmeisterschaft 2016 steht vor der Tür, einen Sommermonat lang heißt es wieder: Daumen drücken, jubeln, weinen, Wettschulden zahlen oder einkassieren und, so das Wetter mitspielt, den örtlichen Biergärten zu einem guten Umsatz verhelfen. Bei einigen Partien werden wieder heftige Diskussionen entbrennen, ob diese denn nun „zu Recht“ gewonnen worden sei, war der Schiri etwa blind oder wurde nur hart an der Grenze gespielt? Genauere Ausführungen zur Befolgung der Fußballregeln erspare ich uns hier allen, da ich bekennend unwissend in diesem Bereich bin und umso befreiter mitten im Spiel als Einzige losbrülle, wenn ich denke, dass dies nun aber ganz klar ein Foul gewesen sein müsste. Aber wie sieht es bei unseren alltäglichen Partien vor Gericht und in der Auseinandersetzung mit der Gegenseite aus? Wird sich dort immer an die „Regeln“ gehalten, achten wir unser Berufsrecht im Umgang mit dem Gegner und der eigenen Partei? Und haben wir darüber hinaus eigene Maßstäbe eines Fairplays, Regeln, die wir uns selbst setzen, die aber keine Kammer bei einer Nichtbefolgung rügen würde? Im alltägliche Kanzleileben, in dem wir uns ständig auf neue juristische Details des jeweils aktuellen Falls stürzen, geraten Fragen des Berufsrechts oftmals in den Hintergrund, da sie ja, auf den ersten Blick, mit den ach so schrecklich eiligen, sich auf dem Tisch türmenden Akten nicht viel zu tun haben. Stimmt aber nicht, im Gegenteil. Unser Berufsrecht ist allgegenwärtig, da wir ja nun ständig, Tag für Tag diesen Beruf ausüben. Wir alle kennen den Satz „ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung“, also wird es mal wieder Zeit für

AdVoice Redaktionsteam Stefanie Salzmann Eschwege Journalistin Zentralredaktion

einen Blick in unser Berufsrecht, das erleichtert die Berufsausübung. Ist das Mandatsgeheimnis umfassend gewahrt, liegt eine Interessenkollision vor und bearbeite ich die Sachstandsanfragen wirklich unverzüglich? Regelmäßig selbstkritisch das eigene Auftreten, die Mandatsbearbeitung und die Kanzleiorganisation betrachten ist hier gefragt, einen Blick in die Berufsrechtsammlung wagen und bei Notwendigkeit handeln und Abläufe ändern. Neben unserer Aufgabe, unseren Mandanten bestmöglich zu vertreten und dies natürlich im Einklang mit den berufsrechtlichen Vorschriften zu tun, hat jeder von uns zudem sicherlich noch einen ganz individuellen Kodex der Berufsausübung, einen, der nicht einer Überprüfung von außen zugänglich ist und dies auch nicht sein sollte. Aber auch hier geraten die eigenen Vorstellungen von Zeit zu Zeit ins Hintertreffen, sodass ich es immer wieder mal für notwendig halte, tief durchzuatmen, einen Schritt von sich selbst wegzugehen und die eigenen Arbeit einmal aus der Distanz zu betrachten und zu hinterfragen. Um seinen eigenen Stil zu entwickeln und über den Tellerrand hinauszuschauen, ist der Kontakt zu andern Kollegen hilfreich, gerade beim Berufseinstieg. Nutzt daher die Stammtische und Veranstaltungen des FORUMs, um Euch auszutauschen, wendet Euch an unsere Regionalbeauftragten vor Ort oder bewerbt Euch selbst für dieses Amt, wenn Ihr Lust auf eine ehrenamtliche Tätigkeit habt. Ich wünsche Euch allen einen entspannten FußballSommer und viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe. Eure RAin Ulrike Osterloh Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses des FORUM Junge Anwaltschaft

Tobias Sommer Berlin Rechtsanwalt Chefredakteur

Andreas Hansmeier Karlsruhe Rechtsanwalt Redakteur und Autor

Nadine Passenheim Hannover Rechtsanwältin Redakteurin und Autorin

Lea Hogrefe-Weichhan Mönkeberg Rechtsanwältin Redakteurin und Autorin

Jens Jenau Schloß Holte-Stukenbrock Rechtsanwalt Bücherforum

Andrea Vollmer Berlin Fotografin und Bildredakteurin

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Inhalt

Thema: Fußball

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Milliardenspiel Poker um die Vergaberechte für EM und Bundesliga

4

Fußballsprüche für Anwälte

7

149:0 und 36 rote Karten Fußball in Zahlen – So macht Statistik Spaß

9

12

„Entscheidend is auf’m Platz“ Fußball(recht) auf und außerhalb des Spielfelds

24

Nicht das große Los Der unglückliche Glückspielstaatsvertrag

33

Teure Fußballer-Scheidungen Rangliste der kostspieligsten Trennungen

27

Der Mann mit der Pfeife Der Schiedsrichter muss seine Augen überall haben

34

Das Multi-Orgasmus-Kondom Fundstücke aus der deutschen Gerichtspraxis

28

Nummer auf der Robe Zivilprozesse sind wie Fußball

36

Unser Gericht des Monats Amtsgericht Charlottenburg

29

Community gestärkt Onlineportal darf Fußballfilme zeigen

38

30

Volltreffer beim Kinderfußball Kein Schadenersatz für kaputte Zuschauerbrille

Recht im Film auf der Berlinale 2016 – Teil 1 Todesstrafe, lex talionis und wie Irrtümer über das Recht entstehen

41

Gedicht des Monats Der Prozess von Christian Fürchtegott Gellert

Soccer Rules Fußballregeln für Anfänger, Fortgeschrittene und Profis

14

Geschichte der Fußballregeln Als noch 40 Mann auf den Feld kickten

15

Verlängerung vor Gericht Nicht immer hat der Schiedsrichter das letzte Wort

17

Kloppen für den Club Gewalttätige Fußballfans machen den Vereinen Probleme

22

Wir sind Fußball Ein virtueller Besuch im Deutschen Fußballmuseum

2

Magazin

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31

Rote Karte, Gelbe Karte Was kommt eigentlich vor den Fußball-Kadi?

32

Abpfiff! Eheaus! Ein Kicker-Crashkurs in Familienrecht

Fotos v. l. n. r.: wandersmann_pixelio.de, Andrea Vollmer,

Inhalt

JuraInfos

42

Wie werde ich ihn wieder los? Was bei der Mandatsniederlegung zu beachten ist

43

Was wollt Ihr verdienen? Chancen auf hohe Einkommen sind hoch

44

JuraNews

Bücherforum !

58

59

Info + Service

Gesamtes Arbeitsschutzrecht

63

Autorenverzeichnis

Arbeitszeitrecht

63

Auflösung des Fußballrätsels

Kündigung bei Krankheit

64

Zu guter Letzt Noch mehr Fußballsprüche

Gesamtes Kostenrecht

64

Impressum

64

Vorschau

Beratungshilfe Prozesskostenhilfe Fälle und Lösungen zum RVG

Euer FORUM 60

Anwalts-Handbuch Mietrecht Formularbuch Miet- und

48

Berufsstart und Meer Forum Start in den Anwaltsberuf

Wohnungseigentumsrecht Baurecht, Raumordnungs- und

52

Die Internationale Zwei wichtige Kongresse

53

Schlüssel ist aktive Mitgliedschaft Interview mit der AIJA-Präsidentin

55

Save the Date EYBA-Konferenz im Juni in Düsseldorf

56

ARGE Sportrecht Arbeitsgemeinschaften stellen sich vor

Landesplanungsrecht

61

Gemeinschaftskommentar zum Bundesimmissionsschutzgesetz Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung Vereinbarungen mit Mandanten

62

Geigel - Der Haftpflichtprozess

56

Termine

Versicherungsrechts-Handbuch

57

Regionalbeauftragte stellen sich vor

Fahrverbot in Bußgeldsachen

Deutsches Fussballmuseum, Stephanie Hofschlaeger_pixelio.de, Tomizak_pixelio.de

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Thema

Milliardenspiel Poker um die Vergaberechte für EM und Bundesliga

Im April fallen die Würfel. Alle Zeichen stehen auf Veränderung im Poker um die Medienrechte an der Bundesligasaison 2017/18. In diesem Jahr könnte es für die Klubs um bis zu mehr als einer Milliarde Euro pro Spielzeit gehen. Warum die ARD unter Olympiaschock steht, warum der bisherige Platzhirsch Sky vermutlich Konkurrenz bekommen wird und was es mit der „no single buyer rule“ auf sich hat, erfahrt Ihr im folgenden Artikel. Zuletzt werden wir uns natürlich brandaktuell auch mit der Frage beschäftigen, wer denn die TV-Rechte für die EM 2016 in Frankreich erhalten hat.

Als im vergangenen Jahr bekannt wurde, dass das IOC die Übertragungsrechte für die Olympischen Spiele 2018 bis 2024 exklusiv an das US-Unternehmen Discovery vergeben hat, dürften nicht zuletzt auch in der oberen Etage der DFL die Dollarzeichen in den Augen geleuchtet haben. Nach Medienberichten soll der US-amerikanische Senderriese Discovery umgerechnet 1,3 Milliarden Euro für das olympische Rechtepaket gezahlt haben, für den gesamteuropäischen Markt. Im Vergleich: Im laufenden Vierjahreszyklus hat die Bundesliga durchschnittlich 628 Millionen Euro pro Saison erlöst. Verständlich, dass die Erwartungen nach diesem Olympia-Rechte-Deal auch hinsichtlich der deutschen Lieblingssportart Nummer Eins gewaltig gestiegen sind.

Discovery Communications ist eine Tochtergruppe der Discovery Holding Company, ehemals Teil von Liberty Global, dem größten Kabelnetzbetreibers außerhalb der USA. Liberty Globals deutsche Tochter ist wiederum der deutsche Kabelnetzbetreiber Unitymedia. Nach Insiderinformationen soll Malone als Mitbieter für die Fußball-Bundesliga schon länger auf der Liste stehen. Ein Investor, der so einen Traumdeal in jedem Fall stemmen könnte. Bisher heißen die große deutschen Sender-Player ARD, ZDF, Sky oder auch bild.de. Für die internationalen Top-Investoren wäre es besonders interessant, wenn die Bundesligarechte europaweit vergeben werden würden. Dahin gehende Pläne gibt es schon länger.

Nach dem weltmeisterlichen Sommermärchen 2014 ein finanzieller Megacoup nach Vorbild dieses Olympia-Deals? Für die DFL würde mit dem Knacken der Milliardengrenze ein langgehegter Traum wahr werden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass US-amerikanische Unternehmen wie z. B. Liberty Media von Kabelmogul John Malone ihre Fühler lange schon auch nach der Fußball–Bundesliga ausgestreckt haben haben. Die Konstellation ist perfekt.

Teste Dein Fußballwissen! Fussballsprüche für Anwälte: Wer hat's gesagt? Für jeden richtigen Namen bekommst Du einen Punkt. Manche Sprüche sind unverändert. Wenn Du diese erkennst, bekommst Du zwei Punkte. Hast Du selbst Fussballsprüche für Anwälte? Sende sie an [email protected], wir drucken sie in der Ausgabe 03/16 und Du bekommst drei Punkte.

„Eine BGH-Verhandlung ist ein einfaches Spiel: Fünf Richter jagen 90 Minuten lang zwei Anwälte, und am Ende verlieren immer die Mandanten.“ > NAME

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Foto: sergej23_pixelio.de

Thema

Unabhängig von derartiger Zukunftsmusik ist klar, dass sich die DFL und ihre 36 Vereine für die Saison 2017/2018 über neue Anbieter und mutmaßlich mehr Fernsehgelder freuen. In den vergangenen Monaten hatte das Kartellamt die Rahmenbedingungen für die DFL-Ausschreibung der Medienrechte an der Bundesliga gründlich gesichtet. Bereits im Herbst 2015 hatte DFL-Geschäftsführer Christian Seifert die detaillierten Pakete geschnürt. Im Angebot: z. B. Free TV, Pay-TV, Erstverwertung, Zweitverwertung, Internet, mobiles Netz. Die Bieter haben die Qual der Wahl. Mit einem Anbieter wie Discovery, der alles kauft, ist vermutlich nicht zu rechnen. Aber das Interessentenfeld hat sich deutlich ausgeweitet. Mitbieten wird unter anderem der Kabelanbieter Unitymedia, vor allem seit der Fusion zwischen Vodafone/Kabel Deutschland einer der ganz großen. Die Telekom wird ebenfalls ganz vorne mitmischen. Durch den Siegeszug von internetfähigen TV-Geräten drängen Google, Apple & Co in den Markt für bezahlte Inhalte. Viele Szenarien sind denkbar. Think big! Auch dieser Umstand wird der DFL gefallen.

Auch Sky hat bereits angekündigt, in diesem Jahr wieder tief in die Tasche greifen zu wollen. Derzeit bezahlt Sky pro Spielzeit durchschnittlich 485,7 Millionen Euro. Sky hat überdies die Übertragungsrechte an der englischen Premier League für die Rekordsumme von 6,9 Milliarden Euro ersteigert. Verständlich, dass es seitdem auch in Deutschland eine hitzige Debatte darüber gibt, wie die Clubs mehr TV-Gelder erhalten können. Und die ARD? Hier dürfte der Schock aus dem Olympia-Vergabe-Desaster noch recht tief sitzen. Nach Angaben des Handelsblatts müssen sich TV-Zuschauer in der kommenden Saison mit einigen gravierenden Neuerungen anfreunden. Statt bisher sechs sollen künftig acht Live-Pakete angeboten werden. Viel interessanter für die breite Masse der Fans sei jedoch, dass es für die zeitversetzte Highlight-Berichterstattung im Free-TV zwei Szenarien gibt.

In einem davon seien einige Beschränkungen vorgesehen, die auch die ARD-Sportschau betreffen könnten. Demnach gibt es im Szenario „Free Kompakt” die Überlegung, den Zeitraum der Berichterstattung auf 45 Minuten zu halbieren - und zwar von 19.15 Uhr bis 20.00 Uhr. Bisher beginnt die ARD gegen 18.30 Uhr mit der Bundesliga. Das Recht zur Live-Übertragung im allgemein verfügbaren Fernsehen solle weiterhin für das Saisoneröffnungsspiel und das Rückrundeneröffnungsspiel in der Bundesliga sowie die Relegationsspiele und den Supercup gelten. Das Topspiel am Samstagabend (18.30 Uhr) soll ab der Spielzeit 2017/18 an 29 Spieltagen ausgetragen werden. Bislang variierte die Anzahl zwischen 23 und 32. Die Vereine sollen statt bislang sechsmal in Zukunft maximal achtmal beteiligt sein dürfen.

Fortsetzung ... »

„Auch Sky hat bereits angekündigt, in diesem Jahr wieder tief in die Tasche greifen zu wollen.“

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Thema

Fortsetzung ... Die Pakete wurden von DFL und Kartellamt ganz offensichtlich so geschnürt, dass deutlich höhere Erlöse erzielt werden können. Die neuen Anstoßzeiten stehen schon seit Jahren ganz oben auf der Wunschliste der DFL.

Der Markteintritt neuer Anbieter könnte durch die heiß diskutierte sogenannte „no single buyer rule“ für Live-Rechte ermöglicht werden. Diese Regel besagt, dass ein einzelner Sender nicht mehr alle Live-Pakete erwerben darf. Ob dieser Wettbewerb dann aber die erhofften Preissteigerungen bringen kann, bleibt offen. Als härtester Konkurrent um die Highlight-Lizenzen wird in der Branche RTL gehandelt.

Ob die internationalen Medienkonzerne tatsächlich mit in den Ring steigen, ist undurchsichtig. Sie halten sich bis zuletzt noch zurück mit ihren Bekenntnissen. Nach Angaben des Deutschlandfunks hat Amazon-Chef Jeff Bezos grundsätzliches Interesse seines Streaming-Dienstes Amazon Prime bekundet, aber sich nicht eindeutig dazu bekannt. Weitere Unternehmen wie BeIn Sports und Perform aus England sollen als mögliche Kandidaten mindestens für kleinere Pakete gelten.

Auch hinsichtlich der Übertragungsrechte für die EM 2016 war dem Kölner Sender bereits in 2013 ein wahrer Coup gelungen. Er sicherte sich die TV-Rechte für sämtliche Qualifikationsspiele der DFB-Auswahl ab 2014. Dementsprechend hat bzw. wird RTL die Pflichtspiele ebenso wie die Länderspiele der deutschen Nationalmannschaft bis zur EM-Endrunde 2016 übertragen. Insgesamt zehn Live-Spiele der DFB-Auswahl sind von den Übertragungsrechten umfasst.

„Die Pakete wurden von DFL und Kartellamt ganz offensichtlich so geschnürt, dass deutlich höhere Erlöse erzielt werden können.“

Von den Fans wurde die Übertragung der Qualifikationsspiele durch RTL überwiegend stark kritisiert. Vor allem die langen Werbeblöcke in der Halbzeitpause sorgten für Unmut. Bei RTL hingegen freut man sich über Rekordeinschaltquoten und rechtfertigt die Endloswerbeblöcke mit den hohen Beträgen, die für die Übertragungsrechte aufgebracht werden mussten. Eine Strategie, die sicher aufgeht, solange es sich tatsächlich um exklusive Übertragungsrechte handelt, und eine Strategie, die auch vor der Bundesliga nicht Halt machen wird. RAin Lea Hogrefe-Weichhan, Schönkirchen

Doch noch etwas ist neu. Die UEFA hat die TVRechte für die EM 2016 erstmals zentral vermarktet. Diese Neuerung hat zur Folge, dass die Spiele der Nationalelf während der EM in Frankreich von drei unterschiedlichen TV-Sendern übertragen werden. So werden sämtliche Spiele der EM, auch die der Deutschen Elf, weiterhin von den öffentlich rechtlichen Sendern übertragen. Medienberichten zufolge haben ARD und ZDF für die Übertragungsrechte rund 180 Millionen Euro bezahlt. Für die EURO 2012 in Polen und der Ukraine waren es noch rund 120 Millionen Euro.

„Die deutschen Anwälte hören erst auf zu kämpfen, wenn der EuGH entschieden hat.“ > NAME

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Foto: sergej23_pixelio.de

Thema

149:0 und 36 rote Karten Fußball in Zahlen – So macht Statistik Spaß

1,1 bar – maximaler Überdruck eines Fußballs zu Beginn des Spiels. I 2,2 – durchschnittlich erzielte Tore pro Spiel bei der Fußball-WM 2010. I 2,75 – durchschnittlich erzielte Tore pro Spiel in der Fußball-Bundesliga 2014/15. I 3,34 – durchschnittlich erzielte Tore pro Spiel in der Fußball-Bundesliga 1973/74. I 5,4 – durchschnittlich erzielte Tore pro Spiel bei der Fußball-WM 1954. I 7 – Zahl der Spieler, die nötig ist, damit ein Spiel angepfiffen wird. I 30 – Zahl der Elfmeter, die beim Spiel des FC Liverpool gegen den FC Middlesbrough im englischen League Cup nötig waren: Liverpool gewann, da Adomah den 30. Strafstoß rechts am Kasten vorbeischoss. I 31:0 – höchstes von der FIFA gelistetes Spielergebnis, im Jahr 2001 Australien vs. American Samoa. I 36 – Zahl der roten Karten, die der Schiedsrichter Damien Rubino im Spiel zwischen Claypole und Victoriano Arenas in der fünften argentinischen Liga verteilt hat – betroffen waren sämtliche Spieler sowie Ersatzspieler und Betreuer. Das Spiel wurde abgebrochen. I 48 – In der ersten Runde des namibischen Pokals lieferten sich KK Palace und Civics am 23. Januar 2005 ein Duell, das erst nach 48 Elfmetern bei einem Spielstand von 17:16 n. E. entschieden wurde. I 60,3 Prozent – durchschnittlicher Anteil der Spielergehälter an den gesamten Vereinskosten im deutschen Fußball. I 75 Prozent – Anteil der jährlichen Weltproduktion von Fußbällen aus der pakistanischen Stadt Sialkot. I 83 – so viel mal mehr verdient Christiano Ronaldo als Alex Morgan, eine bestbezahltesten Fußballspielerinnen. I 100 – Zahl der Mitarbeiter beim Deutschen Fußballmuseum in Dortmund. I 149:0 – höchster dokumentierte Sieg in der Geschichte des Fußballs im Spiel AS Adema – SOE Antananarivo 2002 in Madagaskar im Jahr 2002, aus Protest nach einem Streit mit dem Schiedsrichter hatte der Gast zahlreiche Eigentore geschossen. I 150 – Zahl der Spiele des Rekordnationalspielers Lothar Matthäus für Deutschland. I 195 – So viele Jahre muss ein Anwalt mit einem Jahreseinkommen vom 100.000 Euro arbeiten, um den Jahresverdienst von Christiano Ronaldo von 18,2 Millionen Euro zu erreichen. I 1.200 DM – maximal zulässiges Gehalt eines deutschen Profifußballspielers vor 1972. I 16.000 Kilogramm – Gewicht des Mannschaftsbus der deutschen Fußballnationalmannschaft. I 25.324 – Zahl der Fußballvereine in Deutschland. I 50.000 Euro – Geldstrafe für den damaligen Stuttgarter Ciprian Marica, der den Schiedsrichter Wolfgang Stark im Spiel gegen den HSV im Jahr 2010 als „Arschloch“ beleidigt und dafür bereits die rote Karte gesehen hatte. I 73.000 – Zahl der Schiedsrichter in Deutschland, davon weiblich ca 2.500. I 81.185 – Zuschauerschnitt von Borussia Dortmund. I 132.670 – Zahl der Fußballmannschaften in Deutschland. I 200.000 – Zahl der Zuschauer in Finalrundenspiel der Fußball-WM 1950 im Estádio do Maracanã (Rio de Janeiro). I 700.000 Euro – Geldstrafe im Jahr 2008 für den damaligen Schalke-Star Rafinha, weil der Brasilianer nicht mit ins Trainingslager der Schalker nach Österreich gefahren war, sondern stattdessen ohne Erlaubnis zur brasilianischen Nationalmannschaft nach Paris gefahren und von dort aus mit Diego und Ronaldinho zu den Olympischen Spielen in Peking geflogen war. Bei seiner Abreise hatte er sich mit einem Stinkefinger verabschiedet. I 1,5 Millionen – Zahl der DFB-Fußballspiele in Deutschland pro Jahr. I 6,9 Millionen – Zahl der Mitglieder des DFB in seinen 21 Landesverbänden, das ist etwa jede(r) 11. Deutsche. I 19,6 Millionen Euro – Fernsehgelder für SV Darmstadt in der Bundesliga-Saison 2015/16. I 22,25 Millionen Euro – Durchschnittswert eines Spielers beim FC Bayern München. I 23,6 Millionen Euro – Fernsehgelder für FC Bayern München in der Bundesliga-Saison 2010/11. I 39,3 Millionen Euro–Fernsehgelder für FC Bayern München in der Bundesliga-Saison 2015/16. I 101 Millionen Euro – Transfersumme, die für den Spieler Gareth Bale von Real Madrid an Tottenham Hotspurs gezahlt wurde. I 240 Millionen – Zahl der Menschen, die weltweit Fußball spielen, das ist etwa jede(r) 30. I 523,7 Millionen Euro – Umsatz des FC Bayern München in der Saison 2013/2014. I 900 Millionen Euro – Personalkosten aller 18. Bundesligavereine in der Saison 2013/2014. I 970 Millionen Liter – Bierabsatz im Juni 2014 vor der Fußball-WM, Anstieg im Vergleich zum Vorjahresmonat um 14 Prozent. I 3,7 Milliarden Euro – Kosten der Fußball WM in Deutschland (2006). I 7 Milliarden Euro – Kosten der Fußball WM in Brasilien (2014). I 9,856 Milliarden Euro – Personalkosten aller 596 Erstligavereine der 54 UEFA-Mitglieder in der Saison 2013/2014. I 20 Milliarden Euro – Gesamtumsatz des europäischen Fußballmarkts jährlich, davon 11,3 Milliarden für die Big-Five-Ligen, also Deutschland, Italien, England, Frankreich, Spanien.

zusammengestellt von RA Tobias Sommer, Berlin

Quellen: statista, bbc, Paúl Rojas ¬– Die Tiefe des Raumes, DFB, Deutsches Fußballmuseum, fernsehgelder.de, t-online, bild, statista

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Thema

„Ich habe viel von meinem Geld für Alkohol, Weiber und schnelle Autos ausgegeben ... Den Rest habe ich einfach verprasst.“ > NAME

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Thema

„Entscheidend is auf’m Platz“ – und im Gerichtssaal Fußball(recht) auf und außerhalb des Spielfelds

Auch wenn der Name Alfred „Adi“ Preißler vermutlich nur eingefleischten Fans von Borussia Dortmund ein Begriff ist, sein Zitat „Grau ist alle Theorie – entscheidend is auf’m Platz!“ dürften alle Fußballer irgendwann schon mal gehört haben. Adi Preißler war allerdings von Beruf Fußballspieler und später Fußballtrainer, also kein Jurist, ansonsten wäre ihm wohl klar gewesen, dass wesentliche Entscheidungen rund um den Fußball sehr oft erst im Gerichtssaal stattfinden. Betrachtet man Fußball allein aus rechtlicher Sicht, so gibt es einerseits das Geschehen auf dem Spielfeld, für das zahlreiche (Spiel)-Regeln gelten. Andererseits gibt es aber auch unzählige Streitigkeiten, die mit dem Fußballspiel auf dem Sportplatz oder im Stadion nur ganz am Rande zu tun haben und deshalb auch nicht auf dem Spielfeld, sondern im Gerichtssaal ausgetragen werden.

FUSSBALL-(SPIEL)REGELN Die ureigene Form der rechtlichen Normierung im Fußball sind die international geltenden Spielregeln, die vom International Football Association Board (IFAB) erstmals 1863 festgelegt wurden. Änderungen waren und sind immer noch nur durch dieses aus den vier britischen Fußballverbänden (England, Schottland, Wales und Nordirland) und dem Internationalen Fußballverband (FIFA) bestehenden Gremium möglich. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gibt jede Saison die aktuell geltenden Regeln in deutscher Sprache heraus (kostenfrei unter www.dfb.de abrufbar). Neben den Spielregeln existieren noch zahlreiche andere Regelwerke und Ordnungen, die ebenfalls von Relevanz für den Spielbetrieb sind. Angefangen bei der DFB-Satzung, über eine Geschäftsordnung, die Jugendordnung und das Statut bis zu den Frauenbundesligen und und und … gibt es letztlich auch noch verschiedene Durchführungsbestimmungen. Dieses Sammelsurium besteht dann in ähnlicher Weise nochmals auf den unterschiedlichsten Regionalebenen, ganz zu schweigen von den weiteren Normierungen durch die Deutsche Fußball-Liga (DFL) als Ligagesellschaft für die beiden Bundesligen. Insgesamt also sicherlich mehr Seiten „Gesetzestext“ als Grundgesetz, BGB und StGB und zusammen.

Foto: Karin Schmidt_pixelio.de

SCHIEDSRICHTER UND SPRUCHKAMMERN Die Anwendung der Fußball-Spielregeln, insbesondere durch die Schiedsrichter und ihre Assistenten, ist Rechtsanwendung im klassischen Sinne. Die deutsche Bezeichnung des Spielleiters als „(Schieds)-Richter“ zeigt, dass es um Entscheidungen einer mit entsprechender Kompetenz ausgestatteten Stelle geht. Jeder Freistoßpfiff und jede Gelbe oder Rote Karte gegen einen Spieler ist somit eine rechtliche Entscheidung während eines Fußballspiels, also auf dem Platz. Manchmal kommt es auch hier zur „Verlängerung“ im Gerichtssaal, zwar nicht in den Räumen eines staatlichen Gerichts, aber in der DFB-Zentrale, den Büros der Regional-/Landesverbände des DFB oder beispielsweise auch in einer Gaststätte, in welcher nicht selten Kreisspruchkammern tagen. Mitglieder dieser Gremien entscheiden über Sperren und Geldstrafen für Spieler, die z. B. während des Spiels des Feldes verwiesen wurden. Solche Verhandlungen finden im Amateur- und im Profibereich jede Woche massenhaft statt. Aber nicht nur Spieler stehen dabei im Fokus, wie unlängst die Fußballwelt am Beispiel Roger Schmidt, Trainer des Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen, erleben konnte. Am 21. Februar war der Coach bei einem Bundesligaspiel vom Schiedsrichter aus dem Innenraum verbannt worden (quasi eine Rote Karte für den Trainer), doch Herr Schmidt weigerte sich zunächst, auf die Tribüne zu gehen. Dies hatte dann eine rund zehnminütige Unterbrechung des Spiels zur Folge, in der der Schiedsrichter die beiden Mannschaften sogar in die Kabinen schickte. Die Entscheidung des DFB-Sportgerichts wenige Tage später: Innenraumverbot für fünf Meisterschaftsspiele (davon zwei bis zum 30. Juni 2017 zur Bewährung ausgesetzt) und eine Geldstrafe in Höhe von 20.000 Euro.

DISZIPLINARSTREITIGKEITEN Um Disziplinarstreitigkeiten anderer Art geht es im Fall „Blattini“. Joseph Blatter (ehemaliger FIFA-Präsident) und Michel Platini (Präsident des Europäischen Fußball-Verbandes, UEFA) wurden im Februar von der FIFA-Berufungskommission wegen Verstößen gegen FIFA-Regularien (u. a. Loyalität, Interessenkonflikten, Annahme und Gewährung von Geschenken und sonstigen Vorteilen) für die Dauer von sechs Jahren für sämtliche nationalen und internationalen Fußballtätigkeiten gesperrt und zu Geldstrafen von 50.000 (Blatter) bzw. 80.000 Schweizer Franken (Platini) verurteilt. Beide haben angekündigt, gegen diese Entscheidungen Rechtsmittel zum Court of Arbitra-

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Thema

tion of Sport (CAS) in Lausanne, Schweiz, einzulegen. Der Fall zeigt exemplarisch das Zusammenspiel zwischen Verbandsgerichtsbarkeit und echter Schiedsgerichtsbarkeit unter Ausschluss der staatlichen Gerichte. Auch in Deutschland wird diese Kombination für disziplinarrechtliche Streitigkeiten vielfach angewendet, staatliche Gerichte können dann also nur angerufen werden, wenn keine (wirksame) Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1029 ZPO vorliegt.

ARBEITSRECHT Arbeitsrechtliche Themen und Entscheidungen der deutschen Arbeitsgerichte stehen immer wieder auf der Fußball-Tagesordnung, denn Spieler und Trainer sind trotz ihrer teils immensen Gehälter nach ständiger Rechtsprechung Angestellte. Für einigen Wirbel sorgte dabei der Fall von Heinz Müller, dem ehemaligen Torwart des Bundesligisten FSV Mainz 05. Am 19. März 2015 hatte das ArbG Mainz (Az. 3 Ca 119/14) entschieden, dass der zwischen dem Spieler und seinem Verein geschlossene Zweijahresvertrag aufgrund des Teilzeitbefristungsgesetzes (TzBfG) ein unbefristetes Arbeitsverhältnis darstellen würde. Daraufhin befürchtete der deutsche Profifußball einen neuen Fall Bosman. Das LAG Rheinland-Pfalz (Az. 4 Sa 202/ 15) stellte am 17. Februar 2016 nunmehr fest, dass Befristungen wegen der Eigenart der geschuldeten Arbeitsleistung eines Profifußballspielers sachlich gerechtfertigt und deshalb zulässig seien. Es besteht jedoch noch die Möglichkeit der Revision. Ganz gerettet scheint das derzeitige Transfersystem also noch nicht.

MARKENRECHT Auch markenrechtliche Streitigkeiten mit Bezug zum Fußball gibt es zuhauf. Besonders auffällig wird dies immer wieder rund um Welt- und Europameisterschaften, zum Beispiel bei der WM 2014 in Brasilien. Die FIFA hatte sich in Deutschland unter anderem die Begriffe „WM 2014“ und „Fanfest“ sichern lassen. Für Dritte war also die Bezeichnung „Fanfest-Brötchen“ nicht möglich, wohl aber „Fan-Brötchen“, weil Letzteres keine Verbindung zur WM 2014 oder den im Rahmen von der FIFA veranstalteten Fanfesten, sondern nur zu den Fans aufzeigt. Das Ziel der FIFA zur Verhinderung von Ambush-Marketing ist verständlich, um beim Beispiel Brötchen zu bleiben, manchmal aber wohl über das Ziel hinausschießend.

STRAFRECHT Die zahlreichen verkehrsrechtlichen Strafverfahren von Spielern und Trainern (Geschwindigkeit, Alkohol, fehlender Führerschein) sind keine fußballrechtlichen Besonderheiten. Die Frage nach der strafrechtlichen Relevanz von Verletzungshandlungen durch regelwidriges Verhalten, z. B. eine Blutgrätsche, ist zumindest eine sportrechtliche Problematik.

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An dieser Stelle soll aber eine besondere Variante des Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a StGB dargestellt werden. Am 19. März 2015 hatte das AG München zwei Anhänger des TSV 1860 München wegen gemeinschaftlichen Raubes zu Freiheitsstrafen von jeweils einem Jahr und drei Monaten ohne Bewährung verurteilt (Az. 853 Ls 467 J 185511/14). Im Anschluss an ein Regionalligaspiel gegen den FC Bayern München II im August 2014 hatten die beiden einem Bayern-Fan Jacke, T-Shirt und Hut von Leib und Kopf gerissen, wobei sie ihr Opfer festhielten und mit Schlägen drohten. Im Rahmen eines von der Verteidigung angeregten Täter-Opfer-Ausgleichs zahlten die beiden Täter ihrem Opfer jeweils 500 Euro Schmerzensgeld und entschuldigten sich bei ihm. So weit, so normal. Der Täter-Opfer-Ausgleich sah allerdings einen weiteren „heiklen“ Punkt vor: Die 1860-Anhänger mussten nämlich in einem Bayern-Fanshop Jacke, Trikot und Hut besorgen, welche sie ihrem Opfer in der Berufungsverhandlung überreichten. Dies zeigte Wirkung, denn die beiden wurden am 5. August 2015 vom LG München I nur noch zu einem Jahr bzw. 10 Monaten Haft jeweils auf Bewährung verurteilt (Az. 26 Ns 467 Js 185 511/14).

FUSSBALL DURCH DIE JURISTENBRILLE Vorstehend ist ein bunter Strauß aus fußballrechtlichen Problemfeldern angesprochen worden, und dieser ist bei Weitem nicht komplett (Stadionverbote, Finanzierung von Polizeieinsätzen, Spielervermittler-Reglements, Beschäftigungsanspruch, Lizenzierungsfragen, Medienrechte, Public Viewing, AntiDoping-Bestimmungen). Gerade diese Vielfalt macht es aber so interessant, frei von irgendwelcher Fanzugehörigkeit den Fußball einfach mal nicht durch die eigene Vereins-, sondern durch eine reine Juristenbrille zu betrachten. Dass bei allen rechtlichen Streitigkeiten der Spaß am Fußball auch für Juristen nicht zu kurz kommen darf, zeigt schließlich das von Prof. Udo Steiner, Bundesverfassungsrichter a. D., im Jahre 1999 verfasste „Grundgesetz für Fußballdeutschland“ (abgedruckt in: Zeitschrift für Sport und Recht –SpuRt – 2004, S. 178 ff.). Nicht nur die Grundrechte in den Artikeln 1 bis 19 sind mehr als lesenswert, zum Beispiel Artikel 4 Absatz 1: „Die Freiheit, im Fußball an alles zu glauben, kann nicht eingeschränkt werden. Diese Freiheit schließt den Glauben an Fußballwunder ein.“ Auch die in den Artikeln 20 bis 28 geregelte „Organisation des Fußballs“ ergibt ganz neue Sichtweisen auf das Geschehen rund um den Fußball, beispielsweise Artikel 26: „Das deutsche Fußballvolk pflegt seine Fußballtiere und insbesondere Löwen und Geißböcke. Die Schwalbe steht unter seiner besonderen Beobachtung.“ Eine vollständige Lektüre dieses „Grundgesetzes“ ist wärmstens empfohlen! RA Dr. Karsten Hofmann, Bonn

Foto: Andrea Vollmer

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„Mit den Gesetzestexten ist es wie mit meiner Frau: Ich liebe sie, habe sie aber nicht immer unter Kontrolle.“ > NAME

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Soccer Rules Fußballregeln für Anfänger, Fortgeschrittene und Profis – Wir machen Euch fit

Fußball ist eine Ballsportart, bei der zwei Mannschaften gegeneinander antreten und jeweils versuchen, einen Ball in das Tor des Gegners zu befördern, wobei überwiegend die Füße genutzt werden. Der Ball ist rund und ein Spiel dauert in der Regel 90 Minuten. Eine Mannschaft besteht aus zehn Feldspielern und einem Torwart. Das Team, das während der Spiels mehr Tore erzielt, hat gewonnen. Wenn beide Teams keine oder gleich viele Tore erzielt haben, ist die Partie unentschieden. So weit so gut. Für einige von uns war es das dann aber auch schon mit der Regelkunde. Begriffe wie „direkter“ und „indirekter“ Freistoß hat man zwar vielleicht mal gehört, aber worin genau der Unterschied liegt und wann der Schiedsrichter auf welche Variante entscheiden muss, das wissen allenfalls die fortgeschrittenen Regelkenner. Und wie war das doch gleich mit der Abseitsregel? Abseits ist, wenn ein Spieler dann, wenn ein anderer Spieler passt, aber nur bei einem Pass nach vorne, und auch nur dann, wenn ein gegnerischer Spieler zu weit hinten steht, was aber nicht bei einem passiven Abseits gilt … oder so ähnlich. Jedenfalls wird es da schon kniffeliger.

Sollte sich jemand angesprochen fühlen: Kein Problem! Wir haben Euch einige der wichtigsten Fußballregeln zusammengestellt, damit jeder bei der EM versteht, was gerade so auf dem Platz passiert und warum der arme Schiedsrichter mal wieder zu Recht oder zu Unrecht von den Spielern, Trainern oder dem fachkundigen Publikum beschimpft wird. Für die Profis unter Euch haben wir tief im Regelwerk nach besonderen Leckerbissen gekramt, mit denen man beim Fußballabend mit Kollegen garantiert die größten Hobbyschiedsrichter noch beeindrucken kann.

Aber erstmal vorweg: Wo genau „stehen“ die Regeln eigentlich und wer macht sie?

Nun kommen wir zu den Regeln und fangen mit dem offensichtlichsten bei jedem Spiel an, dem Spielfeld.

Bei großen internationalen Turnieren wie der EM oder der WM sind die offiziellen Regelwerke der FIFA, dem Weltfußballverband, maßgeblich. Diese werden in jährlichen Konferenzen zwischen der FIFA und dem International Football Association Board (IFAB), einem internationalen Gremium, bestehend aus vier FIFA-Mitgliedern und je einem Vertreter der Fußballverbände aus England, Nordirland, Schottland und Wales, daraufhin überprüft, ob sie noch

Für Anfänger: Spiele können auf einer natürlichen oder künstlichen Unterlage ausgetragen werden. Die beiden längeren Begrenzungslinien heißen Seitenlinien, die beiden kürzeren Torlinien. Die Mittellinie teilt das Spielfeld in zwei Hälften. Sie verbindet die beiden Seitenlinien jeweils in deren Mitte. In der Hälfte der Mittellinie befindet sich der Anstoßpunkt, um ihn herum der Anstoßkreis mit einem Radius von 9,15 Metern.

Der Theodor, der Theodor, der steht bei uns im Fußballtor ...

„Der Senat hat es nicht nötig, von sich in der dritten Person zu sprechen.“ > NAME

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zeitgemäß sind, und gegebenenfalls angepasst. Die letzte größere Änderung war die Zulassung der Torlinientechnologie im Jahr 2013. Es gibt übrigens nicht nur ein offizielles FIFA-Regelwerk, sondern gleich drei, nämlich für den „normalen“ Fußball sowie für Futsal (Hallenfußball) und Beachsoccer. Zudem gibt es noch diverse Sonder-Reglements für die jeweiligen Turniere. Der Einfachheit halber wir uns aber auf die Regeln für den „normalen“ Fußball in der Fassung 2015/2016 beschränkt.

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Für Fortgeschrittene: Im Abstand von jeweils 5,50 Metern zu den Innenkanten der Torpfosten verlaufen zwei Linien rechtwinklig zur Torlinie. Diese Linien erstrecken sich 5,50 Meter in das Spielfeld hinein und sind durch eine zur Torlinie parallele Linie miteinander verbunden. Der von diesen Linien und der Torlinie umschlossene Raum wird Torraum genannt. Für Profis: Die Seitenlinien des Spielfeldes sind zwingend länger als die Torlinien. Bei internationalen Spielen sind die Seitenlinien mindestens 100 und höchstens 110 Meter, die Torlinien mindestens 64 höchstens 75 Meter lang.

Es folgen die Protagonisten, die Mannschaften. Für Anfänger: Die Partie wird von zwei Teams mit jeweils höchstens elf Spielern bestritten, von denen einer Torwart ist.

Für Profis: Gemäß einer Entscheidung des International Football Association Boards dürfen Spieler keine Unterwäsche mit politischen, religiösen oder persönlichen Slogans, Botschaften oder Bildern oder Werbeaufschriften mit Ausnahme des Herstellerlogos zur Schau stellen. Ein Spieler oder das Team eines Spielers, der Unterwäsche mit politischen, religiösen oder persönlichen Slogans, Botschaften oder Bildern oder Werbeaufschriften mit Ausnahme des Herstellerlogos zur Schau stellt, wird vom Ausrichter des betreffenden Wettbewerbs oder der FIFA mit einer Strafe belegt.

Zum Objekt der Begierde, dem Ball. Für Anfänger: Der Ball ist regelkonform, wenn er kugelförmig ist und aus Leder oder einem anderen geeigneten Material besteht.

Für Profis: Geht ein direkter oder indirekter Freistoß ins eigene Tor, wird dem gegnerischen Team ein Eckstoß zugesprochen.

Für Fortgeschrittene: Der Ball muss einen Umfang von mindestens 68 und höchstens 70 Zentimetern haben. Er darf zu Spielbeginn mindestens 410 und höchstens 450 Gramm wiegen.

Für Profis: Jeder Feldspieler darf seinen Platz mit dem Torwart tauschen, vorausgesetzt, der Schiedsrichter wird vor der beabsichtigten Auswechslung informiert, und der Tausch wird während einer Spielunterbrechung vorgenommen.

Für Profis: Der Druck des Balls muss Druck 0,6 bis 1,1 Atmosphären auf Meereshöhe betragen, was 600 bis 1.100 Gramm pro Quadratzentimeter entspricht.

Eigentlich ganz einfach, die Abseitsstellung:

Für Anfänger: Beide Teams tragen Farben, durch die sie sich klar voneinander sowie vom Schiedsrichter und von den Schiedsrichterassistenten unterscheiden. Jeder Torwart unterscheidet sich in der Farbe der Kleidung von den anderen Spielern, vom Schiedsrichter und von den Schiedsrichterassistenten. Für Fortgeschrittene: Die zwingend vorgeschriebene Grundausrüstung eines Spielers besteht aus den folgenden einzelnen Gegenständen: • Hemd oder Trikot mit Ärmeln – wird ein Unterleibchen getragen, muss die Farbe der Ärmel mit der Hauptfarbe der Ärmel des Hemds oder Trikots übereinstimmen • Hose – werden Unterziehhosen oder Tights getragen, muss ihre Farbe mit der Hauptfarbe der Hosen übereinstimmen. • Stutzen – wird außen Klebeband oder ähnliches Material angebracht, muss dieses die gleiche Farbe haben wie der Teil der Stutzen, den es bedeckt. • Schienbeinschützern • Schuhen

Für Anfänger: Es gibt direkte und indirekte Freistöße. Geht ein direkter Freistoß direkt ins gegnerische Tor, zählt der Treffer. Ein Tor aus einem indirekten Freistoß zählt nur dann, wenn der Ball vor dem Überqueren der Torlinie von einem zweiten Spieler berührt wurde. Für Fortgeschrittene: Bei der Ausführung eines direkten oder indirekten Freistoßes muss der Ball ruhig am Boden liegen. Der Spieler, der den Freistoß ausführt, darf den Ball erst wieder spielen, nachdem ein anderer Spieler diesen berührt hat.

Für Fortgeschrittene: Die Partie kann nur beginnen, wenn jedes Team mindestens sieben Spieler umfasst.

Auch die Ausrüstung und die Kleidung der Spieler und Schiedsrichter sind genau geregelt:

Das bringt uns direkt zum nächsten Punkt, dem Freistoß.

Für Anfänger: Ein Spieler befindet sich in einer Abseitsstellung, wenn er der gegnerischen Torlinie näher ist als der Ball und der vorletzte Gegenspieler. Der Spieler befindet sich jedoch nicht in einer Abseitsstellung wenn er sich in seiner eigenen Spielfeldhälfte oder auf gleicher Höhe mit dem vorletzten Gegenspieler oder auf gleicher Höhe mit den beiden letzten Gegenspielern befindet. Für Fortgeschrittene: Eine Abseitsstellung liegt ebenfalls nicht vor, wenn der Spieler den Ball direkt nach einem Abstoß, einem Einwurf oder einem Eckstoß erhält. Für Profis: Ein Spieler wird nur dann für seine Abseitsstellung bestraft, wenn er nach Ansicht des Schiedsrichters zum Zeitpunkt, zu dem der Ball von einem Mitspieler berührt oder gespielt wird, aktiv am Spiel teilnimmt, indem er ins Spiel eingreift oder einen Gegner beeinflusst oder aus seiner Position einen Vorteil zieht. Entscheidet der Schiedsrichter auf Abseits, spricht er dem gegnerischen Team einen indirekten Freistoß an der Stelle zu, an der sich das Vergehen ereignete.

Womit wir auch schon beim Eckstoß sind. Für Anfänger: Auf Eckstoß wird entschieden, wenn der Ball in der Luft oder am Boden vollständig die Torlinie überquert, dabei aber kein Tor erzielt und zuletzt von einem Spieler des verteidigenden Teams berührt wurde. Aus einem Eckstoß kann direkt ein Tor erzielt werden, allerdings nur zugunsten des ausführenden Teams. Für Fortgeschrittene: Der Eckstoß wird folgendermaßen ausgeführt: • Der Ball wird in den Viertelkreis gesetzt, der am nächsten bei der Stelle liegt, an der der Ball die Torlinie überschritten hat. • Die Eckfahne darf nicht verschoben werden. • Die Gegenspieler sind mindestens 9,15 Meter vom Viertelkreis entfernt, bis der Ball im Spiel ist. • Der Eckstoß wird von einem Spieler des angreifenden Teams ausgeführt. • Der Ball ist im Spiel, wenn er mit dem Fuß berührt wurde und sich bewegt. • Der ausführende Spieler darf den Ball erst wieder spielen, nachdem dieser von einem anderen Spieler berührt wurde. Für Profis: Wenn der Ball im Spiel ist und ihn der ausführende Spieler (außer mit der Hand) vor einem anderen Spieler erneut berührt, wird ein indirekter Freistoß für das gegnerische Team an der Stelle verhängt, an der sich das Vergehen ereignete. Wenn der Ball im Spiel ist und vom ausführenden Spieler absichtlich mit der Hand gespielt wird, bevor ihn ein anderer Spieler berührt hat, wird ein direkter Freistoß für das gegnerische Team an der Stelle verhängt, an der sich das Vergehen ereignete. Erfolgt das Vergehen im Strafraum des ausführenden Spielers, wird auf Strafstoß entschieden.

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Last but not least die Justiz des Platzes, der Schiedsrichter. Für Anfänger: Jedes Spiel wird von einem Schiedsrichter geleitet, der die uneingeschränkte Befugnis hat, den Fußballregeln in dem Spiel, für das er aufgeboten wurde, Geltung zu verschaffen. Die Entscheidungen des Schiedsrichters zu spielrelevanten Tatsachen sind endgültig. Dazu gehören auch das Ergebnis des Spiels sowie die Entscheidung auf „Tor“ oder „kein Tor“. Für Fortgeschrittene: Der Schiedsrichter darf eine Entscheidung nur ändern, wenn er feststellt, dass sie falsch war, oder falls er es für nötig hält, auch auf einen Hinweis eines Schiedsrichterassistenten oder des vierten Offiziellen. Voraussetzung hierfür ist, dass er die Partie weder fortgesetzt noch abgepfiffen hat. Für Profis: Nach einer Entscheidung des International Football Association Boards kann ein Schiedsrichter (sowie ein Schiedsrichterassistent oder vierter Offizieller) für eine von einem Spieler, Offiziellen oder Zu-

schauer erlittene Verletzung, einen Schaden an Eigentum irgendwelcher Art, einem von einer Person, einem Klub, einer Gesellschaft, einem Verband oder einer anderen Organisation erlittenen Verlust, die/ der aufgrund eines im Einklang mit den Spielregeln oder dem normalen Vorgehen bei der Leitung und Kontrolle eines Spiels getroffenen Entscheids entstanden ist oder entstanden sein kann, nicht haftbar gemacht werden. Dies kann die Entscheidung einschließen, • ob der Zustand des Spielfelds oder seiner Umgebung oder die Wetterbedingungen ein Spiel zulassen oder nicht, • ein Spiel – aus welchem Grund auch immer – abzubrechen, • ob die auf dem Feld während des Spiels benutzten Ausrüstungsteile oder der Ball spieltauglich sind, • die Partie wegen Störung durch Zuschauer oder irgendeines Problems auf den Zuschauerrängen zu unterbrechen oder nicht, • die Partie zu unterbrechen oder nicht, um einen verletzten Spieler zu Behandlung vom Platz bringen zu lassen, • zu verlangen, dass ein verletzter Spieler zur Behandlung vom Platz gebracht wird,

• einem Spieler das Tragen bestimmter Kleidungsund Ausrüstungsteile entweder zu gestatten oder zu verbieten, • (soweit es in seiner Zuständigkeit liegt) Personen (einschließlich der Team- und Stadionverantwortlichen, Sicherheitsverantwortlichen, Fotografen und der anderen Medienvertreter) den Aufenthalt in der Nähe des Spielfelds zu gestatten oder nicht, • die er in Übereinstimmung mit den Fußballregeln oder seinen Pflichten trifft, die sich aus den Bestimmungen der FIFA, einer Konföderation, eines Mitgliedsverbands oder einer Liga ergeben, die für ein Spiel gelten. Damit endet dann auch die kleine Regelkunde und wird abgepfiffen. Wir hoffen, dass für jeden Fußballfreund was Neues dabei war. Natürlich fehlen noch diverse Regeln, etwa zum Elfmeterschießen, zum Einwurf oder zu den Voraussetzungen einer Roten oder einer Gelben Karte. Wer Interesse daran hat, noch die letzten Wissenslücken zu schließen, kann sich das mehr als 140 Seiten umfassende Regelwerk auf der Homepage der FIFA runterladen. RA Andreas Hansmeier, Karlsruhe

Geschichte der Fußballregeln 1890 Tornetze werden eingeführt.

1991 Die Gelb-Rote-Karte wird eingeführt. 1992 Der Rückpass zum Torhüter wird verboten.

1864 Hosen müssen über die Knie reichen.

1896 In den „Jenaer Regeln“ wird festgelegt, dass in Deutschland die Spielfelder frei von Bäumen und Sträuchern sein müssen.

1870 Begrenzung der Spielerzahl auf elf pro Mannschaft.

1902 Aus dem Strafraumhalbkreis wird ein Rechteck.

2002 Das „Golden Goal“ wird abgeschafft.

1871 Feldspielern wird das Handspiel verboten.

1903 Der Torwart darf den Ball nur noch im eigenen Strafraum in die Hände nehmen.

1846 Studenten der Universität Cambridge verfassen die ersten Fußballregeln. Danach besteht eine Mannschaft aus 15 bis 20 Spielern.

1874 Das Spiel wird von einem Schiedsrichter geleitet.

1920 Abseits beim Einwurf wird aufgehoben.

1875 Die Halbzeitpause und der Seitenwechsel werden eingeführt.

1939 Die Rückennummern werden offiziell eingeführt.

1875 Tore müssen eine Querlatte haben.

1950 Die Spieler müssen während der Spiels Schuhe tragen.

1877 Ein grobes Foulspiel kann mit einem Platzverweis geahndet werden.

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1970 Die Gelben und Roten Karten werden eingeführt.

1996 Das „Golden Goal“ wird eingeführt.

2013 Die Torlinientechnologie wird zugelassen.

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„Jeder kann sagen, was ich will.“

Verlängerung vor Gericht Nicht immer hat der Schiedsrichter das letzte Wort

Wenn minderjährige Mitglieder eines Amateursportvereins von ihren Familienangehörigen oder Angehörigen anderer Vereinsmitglieder zu Sportveranstaltungen gefahren werden, handelt es sich grundsätzlich - auch im Verhältnis zum Sportverein - um eine reine Gefälligkeit, die sich im außerrechtlichen Bereich abspielt, sodass Aufwendungsersatzansprüche gegen den Verein (hier: Ersatz eines Verkehrsunfallschadens) ausscheiden; so der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 23. Juli 2015 – Az. III ZR 346/14. Die Enkelin der Klägerin spielte in der MädchenFußballmannschaft des beklagten Vereins. Die Mannschaft nahm an einer auswärtigen Hallenkreismeisterschaft teil. Die Klägerin, die ihre Enkelin zu dieser Veranstaltung bringen wollte, erlitt auf der Fahrt einen Unfall und zog sich erhebliche Verletzungen zu. Die Sportversicherung des beklagten Vereins lehnte Ansprüche der Klägerin mit der Begründung ab, dass nach den Versicherungsbedingungen nur Vereinsmitglieder und zur Durchführung versicherter Veranstaltungen offiziell eingesetzte Helfer Versicherungsschutz genießen würden; zu diesem Personenkreis gehöre die Klägerin jedoch nicht. Die Klägerin hat daraufhin den beklagten Verein auf Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen. Der BGH hat einen Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin abgelehnt, weil es sich bei der Fahrt um eine bloße außerrechtliche Gefälligkeit gehandelt habe. An dem Charakter der Fahrt als Gefälligkeit ändere sich nichts dadurch, dass der Transport nicht ausschließlich im alleinigen Interesse der Enkelin und ihrer Eltern, sondern auch im Interesse der Mannschaft und damit des beklagten Sportvereins gelegen habe. Der Bringdienst der minderjährigen Spielerinnen zu auswärtigen Spielen sei nach den tatrichterlichen Feststellungen Sache der Eltern beziehungsweise anderer Angehöriger oder Freunde – und somit nicht Sache des Vereins – gewesen.

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Haftung bei Sportverletzung

Mit Urteil vom 27. Oktober 2009 – VI ZR 296/08 – hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es für sich genommen noch keinen Sorgfaltspflichtverstoß begründet, wenn bei einem Wettkampf ein Spieler einen anderen verletzt. Während eines Fußballspiels kam es zwischen den Parteien zu einem Kampf um den Ball, bei dem der Kläger eine Fraktur des Schien- und Wadenbeins erlitt. Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe ihn von hinten mit gestrecktem Bein angegriffen, nachdem er den Ball schon abgespielt habe. Der Beklagte hat behauptet, dass beide Parteien nach dem Ball gelaufen seien. Er habe den Ball zuerst erreicht. Der Kläger habe sein Bein nach dem Ball ausgestreckt und dadurch den Lauf des Beklagten gestört. Bei dieser Aktion seien beide Parteien zu Fall gekommen. Die Klage blieb sowohl vor dem Land- als auch vor dem Oberlandesgericht erfolglos. Das Berufungsgericht ließ die Revision im Hinblick auf die Frage zu, inwieweit bei gefährlichen Sportarten ein stillschweigender Haftungsausschluss auch dann in Betracht kommt, wenn Schutz durch eine private Haftpflichtversicherung besteht. Mit dieser Frage musste sich der BGH jedoch letztlich nicht weiter befassen, da seiner Ansicht nach bereits kein Verschulden des Beklagten vorgelegen habe. Die Sorgfaltsanforderungen an den Teilnehmer eines Wettkampfs würden sich nach den besonderen Gegebenheiten des Sports richten, bei dem sich der Unfall ereignet hat. Sie seien an der tatsächlichen Situation und den berechtigten Sicherheitserwartungen der Teilnehmer des Wettkampfes auszurichten und werden durch das beim jeweiligen Wettkampf geltende Regelwerk konkretisiert. Der Zweikampf um den Ball, bei dem ein oder beide Spieler mitunter zu Fall kommen, gehöre zum Wesen eines Fußballspiels und begründet deshalb für sich genommen keinen Sorgfaltspflichtverstoß. Für ein Verschulden sei vielmehr ein Verstoß gegen eine dem Schutz anderer Spieler dienende Spielregel oder gegen das Fairnessgebot erforderlich, was dem Beklagten jedoch nicht nachgewiesen werden konnte.

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Voraussetzungen eines rechtmäßigen bundesweiten Stadionverbots

Mit Urteil vom 30. Oktober 2009 (Az. V ZR 253/08) hatte der Bundesgerichtshof darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen der Ausspruch eines bundesweiten Stadionverbotes gegen auffällig gewordene Zuschauer von Fußballspielen auf der Grundlage der DFB-Richtlinien zulässig ist. Der Kläger hatte behauptet, an den Auseinandersetzungen zweier Fangruppen nicht beteiligt gewesen zu sein, sondern diese nur aus der Distanz wahrgenommen zu haben; das gegen ihn verhängte bundesweite Stadionverbot sei daher rechtswidrig. Der BGH ließ diese Argumentation nicht gelten. Er entschied, dass ein bundesweites Stadionverbot bereits dann vom Hausrecht des Veranstalters gedeckt ist, wenn aufgrund von objektiven Tatsachen, nicht hingegen aufgrund bloßer subjektiver Befürchtungen, die Gefahr besteht, dass künftige Störungen durch die betreffenden Personen zu besorgen sind. Bei der Festsetzung von Stadionverboten seien andere Maßstäbe anzuwenden als bei der strafrechtlichen Sanktionierung von Störungen bei früheren Spielen. Während nach dem Grundsatz in dubio pro reo eine Bestrafung unterbleibe, wenn keine Tat bewiesen ist, könnten Stadionverbote eine nennenswerte präventive Wirkung nur dann erzielen, wenn sie auch gegen Besucher ausgesprochen werden können, die zwar nicht wegen einer Straftat verurteilt worden sind, deren bisheriges Verhalten aber besorgen lässt, dass sie bei künftigen Spielen sicherheitsrelevante Störungen verursachen würden. Diese Voraussetzungen sah der BGH aufgrund der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger wegen eines im Zusammenhang mit einem Stadionbesuch begangenen Landfriedensbruchs als erfüllt an. zusammengestellt von RA Andreas Hansmeier, Karlsruhe

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„Die Richter spinnen alle ein bisschen. Ich kannte mal einen, der schrieb ein Urteil deshalb so langsam, weil er wusste, dass die Anwälte nur langsam lesen können.“ > NAME

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Ein Leben für den Club und die Klopperei Gewalttätige Fußballfans machen den Vereinen Probleme

Sie sind wohlmöglich die leidenschaftlichsten Fans und trotzdem so etwas wie das Enfant terrible des Fußballs. Für sie geht es viel weniger um den Klassenerhalt als um die „dritte Halbzeit“, das „Match auf dem Acker“ oder die „Pyroperformance“ im Stadion. Eine sportliche Liste an Eintragungen im Bundeszentralregister zeichnet sie aus. Eine frakturbedingte Verschiebung des Nasenbeins ist ein Muss. Haftstrafen gehören definitiv zum guten Ton. Ein Lebensstil, der Fragen aufwirft, die Ermittlungsbehörden verzweifeln lässt und Strafverteidiger auf Trab hält. Mit wem haben wir es zu tun? Welche Delikte sollte man als fußballaffiner Strafrechtler kennen und welche Institutionen kämpfen für Recht, Ordnung und Sicherheit in und vor den Stadien? Als ich in der Staatsanwaltsstation im Streifenwagen mitfuhr, war immer von den „Eierköppen in ihren schwarzen Kapuzenpullis“ die Rede. Doch das Thema Stadiongewalt ist weitaus komplexer.

DAS WHO IS WHO DER STADIONGEWALT Es wäre weit gefehlt, alle gewaltbereiten Fußballfans pauschal als Hooligans zu bezeichnen. Tatsächlich ist die Zahl der echten Hooligans in den Stadien relativ gering. Ein Großteil der auffälligen Fans gehört der in den 90er Jahren aufgekommenen Ultra-Bewegung an. Ebenso unterschiedlich ist die politische Ausrichtung.

Hooligans Mit dem Begriff Hooligan (engl. „Rowdy“, „Rabauke“) wird im deutschen Sprachgebrauch eine Person bezeichnet, die vor allem im Rahmen bestimmter Großereignisse, insbesondere bei Fußballspielen durch aggressives Verhalten auffällt. Die Hooligan-Bewegung stammt ursprünglich aus England. In den 1950er und 1960er Jahren fielen die Hooligans der ersten Stunde in Großbritannien auch bei Tanzveranstaltungen in Großstädten unangenehm auf. Meist sind es junge Männer, die sich in Gruppen im Umfeld von Fußballspielen oder anderen Großereignissen Schlägereien mit rivalisierenden Gruppen oder auch mit Sicherheitskräften wie der Polizei liefern. Zu den Massenschlägereien kommt es entweder spontan beim Aufeinandertreffen rivalisierender Gruppen, teilweise finden aber auch organisierte Kämpfe an abgesprochenen Orten statt. Die sogenannten „Matches auf dem Acker“ sind berüchtigt

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und für einen Hooligan oft noch viel bedeutender als die Schlägerei im oder vorm Stadion. Häufig geht das gewaltsame Aufeinandertreffen mit massiven Formen des Vandalismus sowie mit Gewalt gegen unbeteiligte Dritte einher. Die Hooligans selbst suchen den ultimativen Nervenkitzel und sehen ihr Verhalten eher als „Wettstreit unter harten Männern“. Zudem schätzen sie das besondere Erlebnis in der Gruppe, immer auf der Suche nach Zusammengehörigkeitsgefühl, gegenseitiger Anerkennung und Macht.

Durchsetzung ihrer Interessen und der Auseinandersetzung mit gegnerischen Fan-Gruppen. Vor diesem Hintergrund verwundert es wenig, dass die Ultras in Medien und öffentlicher Wahrnehmung oft mit Hooligans bzw. mit Gewaltbereitschaft assoziiert werden. Ein großer Teil der deutschen Ultra-Szene legt jedoch großen Wert darauf, nicht pauschal als gewaltsuchend eingestuft zu werden. Allerdings setze man sich bei körperlichen Übergriffen auf die eigene Gruppe entsprechend zur Wehr.

Ultras

Politische Ausrichtung

Der Begriff Ultra-Bewegung bezeichnet eine besondere Organisationsform für fanatische Anhänger einer Fußballmannschaft. Die meisten Ultra-Gruppen stehen „ihrem“ Verein sehr nahe. Sie haben meist Vertreter, die im Namen der Gruppe direkt mit dem unterstützten Verein kommunizieren. Eine gewisse Kooperation wird geduldet. Ultras erhalten meist Lagerräume für Fahnen oder Unterstützung bei der Organisation von Eintrittskarten für Auswärtsspiele. Die Bewegung hat ihre Wurzeln im Italien der frühen 1950er und 1960er, als sich dort erstmals „Fußballverrückte“ in Gruppen zusammenschlossen, um ihre jeweiligen Lieblingsmannschaften gemeinsam organisiert zu unterstützen. Das Ziel eines waschechten Ultras ist es in erster Linie, den Verein „immer und überall bestmöglich zu unterstützen“.

In 2008 wurde in Sachsen-Anhalt durch das Innenministerium erstmals eine rechtsextremistische Hooligan-Schlägertruppe, die Blue White Street Elite verboten. Die Gruppierung setzte sich gegen das Verbot mit einer Klage zur Wehr. Nach Rückverweisung durch das Bundesverfassungsgericht im Revisionsverfahren wurde das Verbot im zweiten Rechtsgang vom Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt im Jahr 2010 aufgehoben. Das OVG kam zu dem Ergebnis, dass die Gruppe keine Vereinigung im Sinne des Vereinsgesetzes sei und das Verbot daher rechtswidrig ist (Az. 3 K 380/10). Am 26. Oktober 2014 kam es in Köln zu Krawallen, die von der sogenannten HoGeSa („Hooligans gegen Salafisten“) organisiert wurden. Anlässlich dieser Ereignisse kündigte das Bundesamt für Verfassungsschutz an zu prüfen, inwieweit Hooligans von extremistischen Gruppen instrumentalisiert werden. Der Bundesverfassungsschutz vertritt bis heute die Auffassung, dass die auf Gewaltausübung und Alkoholkonsum fixierten Hooligans zum größten Teil politisch desinteressiert und daher bislang kein Beobachtungsobjekt für den Verfassungsschutz seien.

Ultras sind so etwas wie die Choreographen der Fankurve. Die akustische Unterstützung wird bei den meisten Gruppierungen von einem sogenannten Capo (von italienisch il capo für Haupt oder Anführer) mittels Megafon koordiniert und durch Trommeln begleitet. Darüber hinaus legen Ultras auch viel Wert auf optische Hilfsmittel. Das Repertoire reicht über Konfettiregen und bengalische Feuer bis hin zu Fahnenmeeren. Das Highlight eines gelungenen Ultra-Supports sind farbige Choreographien. Hierzu bereiten die Ultras Materialien vor, die zu Spielbeginn an alle Zuschauer eines Stadionbereiches ausgegeben werden und die durch gleichzeitiges Hochhalten z. B. ein großflächiges Vereinswappen ergeben. Überrollfahnen oder Wurfrollen sind ebenfalls sehr beliebt. Während bei Hooligans die gewalttätige Auseinandersetzung mit anderen Gruppen im Vordergrund steht und Fußballspiele nur einen Anlass dazu bieten, steht bei Ultras die Unterstützung des Vereins im Vordergrund. Manche Ultra-Gruppierungen billigen Schlägereien und Krawalle jedoch als Mittel zur

Noch in den 1980er und 1990er Jahren waren sehr viele Fankurven rechts dominiert. Fußballfankultur war damals noch stärker als heute durch Vorstellungen traditioneller Männlichkeit geprägt. Das Freund-Feind-Schema im Verhältnis zu den anderen Vereinen, nach dem der Gegner samt Fans pauschal abgewertet wird, prägt allerdings damals wie heute die Fußballfankultur. Rassismus, Nationalismus, Sexismus und Homophobie waren in den Stadien omnipräsent. Aus unerfindlichen Gründen gab es damals von Verbänden und Vereinen kein ernsthaftes Interesse, an diesem Zustand etwas zu ändern. Dies änderte sich erst in den 1990er Jahren, zeitgleich mit dem zunächst schleichenden Einzug der Ultra-Kultur.

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Die Ultragruppierungen legten beim Streben nach Dominanz gegenüber dem Gegner den Fokus erstmals auf gestalterische, literarische (Spruchbänder) und organisatorische Aktivitäten. Die zuvor eindimensional an physischer Dominanz und Stärke orientierte Fankultur wurde durch die Ultras facettenreicher. Somit durfte sich ein politisch und sozial vielfältigeres Publikum angesprochen fühlen. Die Ultras etablierten zudem eine Praxis der Zurückhaltung in Bezug auf politische Äußerungen. Nicht nur zur Vermeidung von Konflikten innerhalb der Gruppe sondern auch mit dem Rest der Fanszene. Zugleich trug diese Haltung vielerorts dazu bei, dass Ultra-Gruppen eine mögliche erste Anlaufstelle für antirassistisch orientierte jugendliche Fußballinteressierte boten, die sich zuvor kaum ins Stadion gewagt hätten. Auf der anderen Seite führte diese „Keine-Politik-im-Stadion“-Haltung auch dazu, dass antirassistisches Engagement als zu politisch oder vielmehr als zu „links“ abgelehnt wurde und teilweise noch wird. Mittlerweile engagieren sich über zwei Dutzend Ultra-Gruppierungen offen antirassistisch und bekennen sich deutlicher zu ihrer politischen Haltung. Viele von diesen Gruppen wenden sich zudem gegen die nach wie vor auch bei den Ultras sehr präsenten Formen sexistischer und homophober Diskriminierung. Hinweise auf rechtsoffene bis neonazistische Ultra-Gruppierungen finden sich deutlich seltener. In der Vergangenheit wurden insbesondere die Ultras des brandenburgischen Landesligisten 1. FC Frankfurt (vormals Frankfurter FC Viktoria) und die „NSBoys“ aus Chemnitz als Beispiele vor allem aus unteren Ligen angeführt. Gerade in jüngerer Zeit scheint das Thema jedoch unter anderem auch in höheren Ligen wieder an Bedeutung zu gewinnen, wie Beispiele aus Aachen („Karlsbande“), Dortmund (u. a. „Desperados“) und Cottbus („Inferno Cottbus“ und „Collettivo Bianco Rosso“) andeuten. Daneben gibt es einige Gruppen, die sich zwar nach außen neutral geben und möglicherweise auch politisch heterogen zusammengesetzt sind, aber immer wieder durch rassistisches Verhalten aufgefallen sind, wie es in der Vergangenheit etwa der „Saalefront“ (Halle) vorgeworfen wurde. Bei politischen Konflikten im Ausland haben Ultra-Gruppierungen ebenfalls engagiert Stellung bezogen. So beteiligten sich die Ultras Al-Ahlawy des ägyptischen Vereins Al-Ahly Kairo an der Revolution in Ägypten 2011. An den Protesten auf dem Taksim-Platz in Istanbul beteiligten sich Ultra-Gruppierungen der Vereine Fenerbahçe Istanbul, Galatasaray Istanbul und Be ikta Istanbul. In der Ukraine waren im Rahmen der EuromaidanProteste Ultra-Gruppierungen verschiedener Vereine der Premjer-Liha an den (teils gewalttätigen) Aktionen aktiv beteiligt.

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DAS 1X1 DER VERGEHEN UND STRAFEN Bereits im Zug zum Auswärtsspiel bahnt sich eine erste Schlägerei mit einer Gruppe rivalisierender Fans an. Im Stadion werden gegen Ende der zweiten Halbzeit dann doch noch einige Bengalos gezündet, um den Support vollkommen zu machen. Als eine große Fahne nach dem Spiel in die Fänge der Gegner gerät, gibt es kein Halten mehr. In dem Gemenge der Massenschlägerei kommen auch einige unbeteiligte Personen zu Schaden.

als „inaktives Dabeisein" nicht strafbar (so BGH in NStZ 1984, 549). Das Dabeisein kann auch nicht als psychische Beihilfe gewertet werden (so OLG Naumburg in NJW 2001, 2034). Wenn allerdings durch eine Vermummung und Schutzbewaffnung die eigene Solidarität mit den Gewalttätern zum Ausdruck gebracht wird (so BGH in NStZ 1984, 549), fällt die Wertung anders aus. Auch wer das gewalttätige Verhalten aufgreift und etwa Wurfgeschosse aufsammelt und Straßenplatten o. ä. zerbricht, um Wurfgeschosse herzustellen, wird dem Kreis Gewalttätiger zugerechnet.

Körperverletzungsdelikte Körperverletzungsdelikte dürften im BZR eines jeden gewaltbereiten Fans zu finden sein. Aber wie sieht es aus, wenn sich rivalisierende Gruppen zu einem „Match“ verabreden? In seiner „Dritte-Halbzeit-Entscheidung“ (Beschluss vom 20. Februar 2013 – 1 StR 585/12) hat sich auch der Bundesgerichtshof mit dem Thema Stadiongewalt befasst. Der 1. Strafsenat hat deutlich gemacht, dass jedenfalls bei im zugrunde liegenden Fall verabredeten wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen Gruppen § 228 StGB die Wirksamkeit der erteilten Zustimmung zu eigenen Verletzungen regelmäßig ausschließt, weil die typischerweise eintretenden gruppendynamischen Prozesse generell mit einem so erheblichen Grad an Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Kontrahenten verbunden sind, dass die Grenze der „Sittenwidrigkeit“ der Taten überschritten ist. Diese Entscheidung des 1. Strafsenats hat zwangsläufig Auswirkungen auf die strafrechtliche Bewertung verabredeter Schlägereien zwischen rivalisierenden Hooligan-Gruppen, die sogenannte „dritte Halbzeit“. Selbst wenn solche körperlichen Auseinandersetzungen auf getroffenen Abreden über die Art des Kampfes beruhen, werden sich die Taten wegen der typischen Eskalationsgefahren trotz der Einwilligungen sämtlicher Beteiligungen als Verstoß gegen die „guten Sitten“ erweisen.

Landfriedensbruch Wer gewalttätig gegen Menschen oder Sachen vorgeht oder andere mit einer Gewalttätigkeit bedroht und dabei aus einer Menschenmenge heraus mit vereinten Kräften handelt, befindet sich im Bereich der Strafbarkeit des § 125 StGB. Über Teilnehmern an Auseinandersetzungen rivalisierender Fangruppen schwebt stets auch die Gefahr, den Tatbestand des Landfriedensbruchs zu verwirklichen. Die bloße Zugehörigkeit zu einer unfriedlichen Menge ist nicht strafrelevant. Auch ein passives Begleiten einer unfriedlich werdenden Demonstration ist nicht strafbar, selbst wenn man das Verhalten gewalttätiger Dritter in Kauf nimmt, vielleicht sogar begrüßt. Das bloße Mitmarschieren ist

Pyrotechnik Selbst wenn niemand verletzt wird hat das Verwenden von Pyrotechnik im Stadion erhebliche Folgen, auch für den Verein. Jeglicher Verstoß gegen das in der Sprengstoffverordnung verankerte Zündverbot von Feuerwerk zwischen dem 2.1. und dem 30.12. eines jeden Jahres stellt laut Bußgeldkatalog eine Ordnungswidrigkeit dar und wird mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro geahndet. Darüber hinaus macht sich jemand auch dann strafbar, wenn er ohne vorherige Erlaubnis mit explosionsgefährlichen Stoffen handelt, diese verwendet oder nicht berechtigten Personen zur Benutzung überlässt. In einem solchen Fall drohen eine Freiheits- und Geldstrafe. Die Richtlinien des DFB zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen führen in Paragraf 24 das Verbot des Einbringens und Abbrennens von Pyrotechnik. Für jeden Verstoß drohen dem „unterstützten“ Verein hohe Strafzahlungen.

Stadionverbote Mit Aussprache eines Stadionverbotes macht der Veranstalter der Sportveranstaltung von seinem Hausrecht Gebrauch. Stadionverbote werden in Deutschland seit den frühen 1990ern ausgesprochen. In den Ligen des DFB gibt es sowohl örtliche als auch bundesweite Stadionverbote. Bundesweite Verbote gelten für die obersten vier Ligen, den DFB-Pokal und Länderspiele. Sie werden vom ausrichtenden Verein oder vom DFB selbst ausgesprochen. Die Umsetzung wird durch die „Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten“ geregelt. Ein Stadionverbot kann unter anderem aufgrund folgender Vergehen ausgesprochen werden: • Körperverletzung • Abbrennen von Pyrotechnik • rechtsradikale oder rassistische Handlungen

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Thema

• Informationsaustausch mit den Landesinformationsstellen, der Informationsstelle Sporteinsätze des Bundespolizeipräsidiums und Szenekundigen Beamten (SKB) der Polizeien im Bundesgebiet

erheblichen gewalttätigen Ausschreitungen beteiligt sind. Aus diesem Grunde unterstützen deutsche Szenenkundige Beamte (SKB) unter Leitung der ZIS auf Anforderung auch ausländische Polizeibehörden im Fußballeinsatz.

Die zugrunde gelegten Vergehen müssen, wenn sie im Zusammenhang mit einer Sportveranstaltung standen, nicht zwingend an der Sportstätte selbst stattgefunden haben. Außerdem bedarf es für ein Verbot keiner rechtskräftigen Verurteilung für eine Straftat. Ausreichend ist bereits ein gegen eine Person eingeleitetes Ermittlungsverfahren. Häufig wird ein Verbot auf Empfehlung der Polizei erteilt.

• Koordination von SKB bei internationalen Vereins- und Pokalspielen im In- und Ausland

Nach der Fußballweltmeisterschaft 2006 stimmten die Polizeigremien der Länder und des Bundes der Einrichtung eines neuen, feststehenden SKBTeam-Deutschland zu.

Ein Stadionverbot kann dabei je nach Schwere des Falles für einen Zeitraum von einer bis zu drei Spielzeiten ausgesprochen werden, die Mindestdauer beträgt eine Woche. Ein örtliches Stadionverbot wird nur bei minderschweren Fällen ausgesprochen (Höchstdauer: ein Jahr). 2008 lockerte der DFB die Richtlinien und reduzierte das maximale Betretungsverbot von fünf auf drei Jahre. Allerdings beschlossen Vertreter von Verbänden, Profivereinen und staatlichen Stellen bei einer Sicherheitskonferenz im Juli 2012, die anlässlich der vielen negativen Vorfälle am Ende der vorangegangenen Saison unter anderem bei den Relegationsspielen abgehalten wurde, die Höchstdauer für Stadionverbote auf zehn Jahre zu erhöhen.

• Anfragen, Datenpflege, Qualitätssicherung und rechtlicher Rahmen der „Datei Gewalttäter Sport“

• Land- und Hausfriedensbruch • Diebstahl • Vandalismus

DIE LIGA DER STADIONSICHERHEIT

Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze Seit 1996 sorgt die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) durch ihre bundesweite sowie internationale Arbeit für mehr Sicherheit im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen. Mit ihrer Arbeit stellt die ZIS sicher, dass die für einen Veranstaltungsort zuständige Polizeidienststelle über alle polizeilich bekannten Hintergrundinformationen verfügt, um mit angemessenem Personaleinsatz die Sicherheit der Zuschauer in und um Veranstaltungsorte wie Stadien oder Plätze sowie auf den Anund Abreisewegen gewährleisten zu können. Das Tätigkeitsfeld der ZIS hat seinen Schwerpunkt im Informationsaustausch. Sie ist national und international vielfältig aktiv. Aufgaben im Inland: • Sammlung, Bewertung, Aufbereitung und Steuerung anlassbezogener Informationen bei Sportveranstaltungen, insbesondere bei Fußballspielen, wie zum Beispiel: Ticketverkaufszahlen, Anzahl und Einstufung der Heim- und Gastfans, Anreisewege

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• Erstellung und vollständige/zeitgerechte Weitergabe zutreffender Vorausinformationen und einer gesamtheitlichen „Verlaufsdokumentation Sportveranstaltungen“, insbesondere bei Fußballspielen

Das Team besteht aus 14 erfahrenen Polizeibeamten aus unterschiedlichen Bundesländern, die in ihrer Gesamtheit die wesentlichen Fanszenen (insbesondere hinsichtlich ihres Störerklientels) im Bundesgebiet abdecken.

Sportgericht DFB • Erstellung des „Jahresberichts Fußball“ • Mitarbeit in Gremien und Beratung bei Projekten zur Verbesserung der Sicherheit bei Sportveranstaltungen Aufgaben im Ausland: • Ständiger Kontakt zu den Partnerdienststellen (National Football Information Point, kurz: NFIP) im Ausland • Sammlung, Bewertung, Aufbereitung und Steuerung anlassbezogener Informationen zu den jeweiligen Sportveranstaltungen • Gegenseitige Einsatzunterstützung der ausländischen Polizeibehörden bei internationalen Fußballbegegnungen, insbesondere bei Fußballspielen der deutschen Nationalmannschaft • Koordination und Führung des SKB-TeamDeutschland bei Länderspielen der deutschen Nationalmannschaft • Mitwirkung und Fortschreibung des europäischen Handbuches mit Empfehlungen für die internationale Zusammenarbeit und Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Gewalttätigkeiten und Störungen im Zusammenhang mit Fußballspielen von internationaler Dimension Zur Verhinderung anlassbezogener Ausschreitungen anlässlich von Fußballspielen der deutschen Nationalmannschaft im In- und Ausland durch Aufklärung, Beratung und Intervention wird das sogenannte SKB-Team-Deutschland eingesetzt. Länderspiele der deutschen Fußballnationalmannschaft im In- und Ausland ziehen immer wieder gewaltbereite Personen der deutschen Störerszenen an, die insbesondere im Ausland an zum Teil

Das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes rügt unter anderem auch das Fehlverhalten der Fans und bittet die Vereine kräftig zur Kasse. Ende Januar 2016 war es wieder soweit. Am härtesten traf es dabei die Eintracht Frankfurt, die neben der fälligen Strafe von 75.000 Euro mit einem Teilausschluss der Fans bei zwei Spielen leben muss. Der Hertha BSC wurde für die vergangene Saison wegen gleich zweier Fälle zu einer Strafe von 20.000 Euro verurteilt, zudem müssen Darmstadt 98 12.000 Euro, Hannover 96 8.000 Euro und Borussia Mönchengladbach 6.000 Euro zahlen. Den Zweitligisten MSV Duisburg belegte das Sportgericht mit einer Strafe von 8.000 Euro, Drittligist VfL Osnabrück muss 5.000 Euro zahlen. Hertha BSC wurde sanktioniert, weil die Berliner Anhänger während der Partie bei Darmstadt 98 gleich zweimal Rauchbomben gezündet hatten. Zudem ahndeten die Richter das Abbrennen „einer Vielzahl Feuerwerkskörper“ im DFB-Pokal-Spiel beim Zweitligisten 1. FC Nürnberg. Ebenfalls wegen des Abbrennens von Pyrotechnik wurden Hannover, Gladbach und Darmstadt zur Kasse gebeten. Die Bundesligisten haben den Urteilen zugestimmt, die damit rechtskräftig sind. Immer wieder erwägen die Vereine, die Geldstrafen auf die Fans abzuwälzen. Viele Ultra-gruppierungen in Deutschland beklagen, dass die Polizei zunehmend versuche, ihnen ein Stigma der Gewaltbereitschaft anzuheften. Die Polizei suche nach dem Zerfall der klassischen Hooliganszene nun ein neues Betätigungsfeld im Rahmen von Fußballspielen. Ultras und Hooligans gemeinsam ist die Betonung des Gruppenzusammenhalts, der über die Veranstaltungen hinaus bis ins Privatleben reicht. Ein Leben für den Club und nicht selten auch für die Klopperei. RAin Lea Hogrefe-Weichhan, Schönkirchen

Quellen: www.wikipedia.de, www.dfb.de, www.polizei-nrw.de/artikel__68.html, www.netz-gegen-nazis.de/beitrag/sind-ultras-rechtsextrem-8007

Zuschauer im Durchschnitt

Hansa Rostock

520

14.053

27:1

2

Duisburg

380

13.461

35:1

3

Union Berlin

430

16.124

37:1

4

Dynamo Dresden

610

24.848

40:1

5

Aue

220

9.355

43:1

6

Braunschweig

400

21.396

53:1

7

Bochum

255

13.756

54:1

8

Cottbus

200

11.272

56:1

9

Frankfurt

630

37.641

59:1

10

Karlsruhe

250

15.173

61:1

11

St. Pauli

340

23.220

68:1

12

Aachen

220

18.612

84:1

13

Nürnberg

480

41.968

87:1

14

Schalke

595

61.178

103:1

15

Gladbach

500

51.845

104:1

16

Leverkusen

260

28.481

110:1

17

Düsseldorf

280

31.900

114:1

18

Wolfsburg

240

27.614

115:1

19

1860 München

190

22.898

121:1

20

Hannover

370

44.826

121:1

21

Hertha BSC

404

53.448

132:1

22

HSV

400

53.492

133:1

23

Dortmund

580

80.521

139:1

24

Köln

330

47.511

144:1

25

Ingolstadt

48

7.563

158:1

26

Stuttgart

305

55.030

180:1

27

Fürth

60

10.909

182:1

28

Paderborn

55

10.248

186:1

29

FSV Frankfurt

40

7.931

198:1

30

Kaiserslautern

210

42.431

202:1

31

Freiburg

112

22.676

202:1

32

Mainz

150

32.674

218:1

33

Bayern München

299

69.000

231:1

34

Bremen

120

40.795

340:1

35

Hoffenheim

70

28.023

400:1

36

Augsburg

60

30.220

504:1

Statistik Stadiongewalt aus dem Jahr 2012

Quote gewaltbereiter Fans (gerundet)*

Gewalttätige Fans

1

Platz

Verein

Thema

„Ja gut, der arbeitet von morgens bis abends. Ja gut, sowas nennt man im Volksmund, glaube ich, Alcoholic.“ > NAME

Auf jeden ... Zuschauer kommt ein gewaltbereiter Fan.

*

Quelle: Radio Hamburg / Foto: Martin Jäger_pixelio.de

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Thema

Wir sind Fußball Ein virtueller Besuch im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund

Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis es in der fußballvernarrten Republik ein Fußballmuseum gibt. Etwas mehr als 50 Jahre nach der Gründung der Bundesliga wurde in Dortmund ein Tempel der Fußballkultur eröffnet. Allein die Zahlen lassen einen schaudern: Knapp 180.000 Mannschaften spielen Woche für Woche Fußball. Es gibt fast 26.000 Vereine. Der Deutsche Fußballbund (DFB) als einer der größten Sportfachverbände der Welt hat über 6,8 Millionen Mitglieder, das ist knapp ein Zehntel der Einwohner Deutschlands. Anders gesagt, fast jeder Zehnte ist Mitglied im DFB. Den Ausschlag für ein Fußballmuseum hat die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland gegeben. Nach einigen Jahren der Planung und Realisierung wurde das Deutsche Fußballmuseum im Oktober 2015 in Dortmund eröffnet und befindet sich dort in bester Innenstadtlage. Die Homepage des Deutschen Fußballmuseum (www.fussballmuseum.de) ist sehr einladend und man mag gern drin stöbern. Im Fußballmuseum scheint für Groß und Klein etwas dabei zu. Die Großen können sich der Dauerausstellung widmen und für die Kleinen gibt es Fußball auf Augenhöhe. Die Dauerausstellung unterteilt sich in die Bereiche „Der Anstoß“, „1. Halbzeit“, „Halbzeitpause“, „2. Halbzeit“, „Nachspielzeit“. Hier ein Einblick mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Fußballmuseums:

Der Anstoß Mit einer emotionalen Inszenierung des ersten WM-Gewinns der deutschen Nationalmannschaft beginnt der Rundgang durch die Ausstellung. Im Zentrum leuchtet der Original-Endspielball von 1954. Die legendäre WM-Elf begrüßt die Besucher. Die deutsche Nationalhymne ertönt; es beginnt eine spontane Reise in die Vergangenheit, eine Hommage an das Wunder von Bern.

von Gerd Müllers explosivem Schuss aus der Drehung zum 2:1 im Finale gegen die Niederlande wird hier eindrucksvoll inszeniert. Nach der Würdigung des Kaisers durch die „Beckenbauer Fünf“ gibt es einen Blick hinter die Kulissen der Nationalelf. Die „Turniermannschaft“ Deutschland wird thematisiert. Zudem kann der Besucher einen Dialog zwischen Oliver Bierhoff und Nia Künzer zu ihren Golden Goals verfolgen. Diese Inszenierung schafft den Übergang in die Welt des Frauenfußballs.

1. Halbzeit Die 1. Halbzeit steht ganz im Zeichen des nationalen Fußballs. Nach einem Blick auf die Entstehung des Sports in England und Deutschland werden die größten Momente der deutschen Nationalmannschaft erlebbar. Parallel dazu wird die Geschichte des DFB, des Frauenfußballs sowie des Fußballs in der DDR erzählt, bis mit dem WM-Titel von 2014 die Fußball-Moderne in den Fokus rückt. Die Meilensteine des Nationalteams handeln zunächst von den frühen Lehrjahren. Anschließend geht es zum Tatort Wembley 1966. Tor oder nicht? Der Besucher wird in der Inszenierung zum Ermittler und entscheidet selbst. Auf die „Hitzeschlacht von Mexiko“ – dem „Jahrhundertspiel“ zwischen Deutschland und Italien bei der WM 1970 – folgt die Weltmeisterschaft im eigenen Land 1974 mit dem „Bomber der Nation“. Der Bewegungsablauf

Im Anschluss daran stößt der Besucher auf die Ereignisse der WM 1990: Das Endspiel-Stadion von Rom bildet die beeindruckende Kulisse für die unvergessen Momente des WM-Titels der deutschen Nationalmannschaft und bringt sogar den Orginal-Elfmeterpunkt ans Licht, von dem aus Andreas Brehme zum 1: 0-Sieg gegen Argentinien traf. Im „Zeit-Raum“ lässt sich die Geschichte des DFB von seiner Gründung im Jahr 1900 bis heute anhand von 115 Exponaten erkunden, eines für jedes Jahr. Nach einem Exkurs zum Fußball während des 1. und 2. Weltkriegs wird der Bereich abgeschlossen mit dem Blick in das gesellschaftliche Engagement des DFB. Der gegenüberliegende Bereich veranschaulicht den Fußball in der DDR. Daran anschließend können die Besucher von einer Trainerbank aus das riesige mediale Archiv nach Länderspiel-Highlights durchstöbern.

Ein Blick ins Deutsche Fußballmuseum in Dortmund. Die Weltmeisterpokale und die „Helden von Bern“ der WM 1954 dürfen hier genauso wenig fehlen wie eine Kurzlektion in Fußballtheorie.

„Wir haben ein Abstimmungsproblem – das müssen wir automatisieren.“ > NAME

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Thema

Ankunft in Brasilien: Auf rund 300 Quadratmetern erfährt der Besucher, wie der DFB systematisch seit der EM 2000 am Erfolg der Nationalmannschaft gearbeitet hat. 14 Jahre – in denen der deutsche Fußball neu erfunden worden ist. Talente entwickeln sich in einem neuen Sichtungsund Fördersystem. Die Meilensteine dieser Entwicklung werden durch modernste Technik im Raum sichtbar: Das mitreißende Sommermärchen 2006, aber auch die Niederlage der deutschen Elf im WMHalbfinale 2010 zeigen den Weg bis zur 113. Minute des Endspiels 2014 – unter der Sonne von Rio. Die Fußballwelt feiert die neue Goldene Generation. Der vierte Titel ist der Höhepunkt dieser Inszenierung und leitet über in die Main-Show – das Herzstück des Deutschen Fußballmuseums. Ein Ort voll magischer Bilder und Töne. Danach öffnen sich die Türen zur Schatzkammer. Zum Ende: erhabene Stille mit Blick auf die bedeutendsten Trophäen die großen Heiligtümer des deutschen Fußballs. Die Erfolge der Nationalmannschaft sind zum Greifen nah. Halbzeitpause In der Halbzeitpause taucht der Besucher in die komplexe Welt der Spielsysteme ein und entdeckt die Trainings- und Taktikphilosophien prägender Trainer. Sechs Medienstationen stellen die herausragenden Trainer der Bundesliga vor. 2. Halbzeit Die 2. Halbzeit widmet sich dem Vereinsfußball. Der Bogen spannt sich von der Bundesliga-Geschichte und der Professionalisierung des Sports über die Leidenschaft für das Spiel und seine Protagonisten bis zu den Pokalwettbewerben.

Von der Viktoria bis zur Meisterschale: Zunächst wird die Vorgeschichte des Vereinsfußballs erzählt. Die zentrale Achse des Raumes zeigt die Bundesliga von ihrer Gründung 1963 bis zur Gegenwart. Die „Ewige Tabelle“ visualisiert im Zeitraffer das Auf und Ab der Vereine. Im hinteren Bereich des Raumes spiegelt sich die ganze Vielfalt der Bundesliga. An dieser Stelle ist auch die „Bundesliga-Lounge“ verortet. Zudem wird hier deutlich, wie Fußball und Medien sich gegenseitig beeinflussen. So macht der „Formate-Raum“ die unüberschaubare Vielzahl der Fußball-Fernsehformate greifbar. In einer interaktiven Sprecherkabine können die Besucher, sich selbst als Fußballkommentator versuchen. Es folgt der DFB-Pokal, der den europäischen Pokalwettbewerben gegenübergestellt ist. Die Austragungsorte, sensationelle Erfolge der Amateurvereine sowie legendäre Spieler: All das wird hier hautnah erlebbar. Die Bereiche wie „Tempel der Leidenschaft“, „Fans & Fankultur“ sowie „Schiedsrichter & Regeln“ vervollständigen den Blick auf das Phänomen Bundesliga. Das Bundesliga-Karussell bildet den Abschluss der 2. Halbzeit. In einem invertierten Stadion wirft die Inszenierung ein immer wieder neues Licht auf die faszinierende Bundesliga. Und nun betritt der Besucher das Zentrum des deutschen Fußballmuseums – die HALL OF FAME. Hier wird den größten deutschen Fußball-Legenden des Herren-und Frauenfußballs ein Denkmal für die Ewigkeit gesetzt. Angeschlossen an die HALL OF FAME inszenieren wechselnde künstlerische Medieninstallationen ausgewählte Spielerpersönlichkeiten.

Nachspielzeit Der Bus der Nationalmannschaft lässt die Herzen der Besucher dann noch einmal höher schlagen. Innerhalb einer geführten Bus-Tour erleben die Fans ihre Mannschaft unterwegs – hautnah. Im Untergeschoss geht es in die großzügige Multifunktionsarena. Hier bietet sich Gelegenheit, auf dem Spielfeld selbst sportlich aktiv zu werden oder sich die Sonderausstellung anzusehen. Das Deutsche Fußballmuseum ist ein Selbstentdecker-Haus. Die Dauerausstellung ist so konzipiert, dass der Besucher eigenständig losziehen kann, um die Themen und Ereignisse aus über 150 Jahren Fußballgeschichte zu entdecken oder zu vertiefen, die ihn oder sie besonders interessieren. Drei Etagen mit über 7.000 Quadratmetern Fläche bieten den angemessenen Raum für die vielfältigen Facetten des deutschen Fußballs. Eine Tageskarte kostet zwischen 13 und 17 Euro, abhängig davon, zu welcher Tages- und Uhrzeit man geht. Man kann auch „Special Events“ buchen, beispielsweise gab es für Fußball-Verliebte ein Valentinstag-Special. Mich hat bei der Recherche über das Fußballmuseum die Fußballfreude gepackt. Ich werde auf jeden Fall bei einer der nächsten Gelegenheiten das Fußballmuseum mit meiner Familie besuchen. RAin Nadine Passenheim, Celle

Fotos: Deutsches Fußballmuseum

Anschrift Deutsches Fußballmuseum Königswall (Für Navigationsgeräte bei Anfahrt: Bahnhofstraße) 44137 Dortmund Allgemeine Öffnungszeiten Museum/Dauerausstellung: Dienstag bis Freitag 9 bis 18 Uhr Samstag, Sonn- und Feiertage 10 bis 18 Uhr www.fussballmuseum.de

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Thema

Nicht das große Los gezogen Der unglückliche Glückspielstaatsvertrag macht die Rechtslage verworren

„Als ich das letzte Mal hier vor 19 Jahren gewonnen habe, wurden die meisten meiner Mandanten noch gestillt.“ > NAME

Im Fußball ist das Glück nicht immer bei den Tüchtigen und die Spielergebnisse sind nicht über jeden Zweifel erhaben.

Umstrittene Staatsverträge, Lottomonopol, legislatives Unrecht, strafrechtliche Verurteilungen aufgrund unerlaubten Glückspiels, Milliardenumsätze, ein regulierter deutscher Markt mit Konzessionen aus Gibraltar oder Malta, Gerichtsverfahren bis zu den höchsten Instanzen – das ist das aktuelle Gewinn- und Glücksspielrecht. Genauso war es aber schon vor einigen Jahren. Während die Branche mit Glücks- und Gewinnspielen, Fußballund Sportwetten zweistellige Milliardenumsätze einfährt, werden Spieler, die im Internet pokern, von den Amtsgerichten zu Geldstrafen verurteilt. Wettanbieter gehen in die Offensive und schimpfen auf ungenutzte Ressourcen beim Bundesliga-Sponsoring, wo sich die Preis- und Gehaltsspirale momentan immer weiter in die Höhe schraubt.

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Vor den deutschen Gerichten streiten Sportwettenanbieter derzeit vor allem um Konzessionen. Sie operieren in einem Graubereich und drängen in die Legalität. In der Wirklichkeit sind die Wettanbieter längst angekommen. Das zeigt sich am besten an der deutschen Fußball-Bundesliga – 14 der insgesamt 18 Erstligavereine finanzieren sich auch mit dem Geld aus diesem Graubereich. Der Wettanbieter Tipico, der bereits Oliver Kahn als Testemonial an sich gebunden hat, ist mit einem Sponsoring von ca. fünf Millionen beim FC Bayern München eingestiegen und hat dort den bisherigen Sponsor bwin abgelöst. Für die Trikotwerbung bei Hertha BSC zahlt bet-at-home jährlich sechs Millionen Euro pro Saison.

„Der Bruttogewinn des gesamten deutschen Glücksspielmarkts lag laut dem Onlineportal statista bereits im Jahr 2012 bei mehr als 10,7 Milliarden Euro.“ Der Bruttogewinn des gesamten deutschen Glücksspielmarkts lag laut dem Onlineportal statista bereits im Jahr 2012 bei mehr als 10,7 Milliarden Euro. 14,8 Milliarden verloren Deutsche im Jahr 2013 beim Glücksspiel. Und die Branche wächst weiter. Die Umsatzprognosen für die Glücksspielbranche liegen für das Jahr 2015 bei mehr als 13 Milliarden Euro. Allein die staatlichen Lottogesellschaften setzten im Jahr 2013 insgesamt etwa sieben Milliarden Euro um.

Fotos: Andrea Vollmer

Thema

Doch das Glücksspielrecht ist ein regulierter Markt. Das Lottospiel ist ein staatliches Monopol, Online-Casinos sind in Deutschland derzeit gar nicht erlaubnisfähig, bei Sportwetten soll es nur 20 Anbieter geben dürfen und für Spielhallen hat jedes Bundesland andere Regelungen. Für Juristen ist das eine höchst unbefriedigende Situation. „Es gibt einen Markt und es gibt einen Bedarf. Derzeit werden Spieler und Anbieter aber teilweise in die Illegalität gedrängt. Der Schwarzmarkt hat in einer solchen Situation Rückenwind“, sagt Jan Saß vom Sportwettenanbieter mybet. Er spricht bereits von einer Never Ending Story. Seit 2007 ist er für das börsennotierte Unternehmen mit insgesamt etwa 170 Mitarbeitern tätig, inzwischen leitet er die Rechtsabteilung. Er erzählt die Geschichte von der Serie gescheiterter Glücksspielstaatsverträge, die immer wieder als unzulässig eingestuft wurde. „Das ist wahrlich kein Ruhmesblatt für die Bundesländer.“ Zeitweise hätten die externen Anwaltskosten siebenstellige Summen jährlich verschlungen. „Obwohl es inzwischen eine ganze Reihe höchstrichterlicher Entscheidungen gibt, ist die Situation immer noch alles andere als klar“, so Jan Saß. Das liegt derzeit an dem unglücklichen Glücksspielvertrag aus dem Jahr 2012, der auch wieder zahlreiche Gerichtsverfahren ausgelöst hat. Parallel hierzu hat die EU im August 2015 ein sogenanntes Pilotverfahren eingeleitet, um die Rechtmäßigkeit des aktuellen Glücksspielstaatsvertrags zu klären. „Eines der großen Probleme im Glücksspielstaatsvertrag ist die Zahl 20“, sagt Jan Saß. Laut Staatsvertrag soll es nur 20 Anbieter geben dürfen. Mybet hatte sich beworben und auch den Zuschlag bekommen. „Doch das Konzessionsverfahren war ein Trauerspiel. Es hat lange gedauert und die Ausschreibungsunterlagen waren völlig unklar. Weit mehr als 600 Nachfragen musste die Behörde beantworten, die selbst rechtliches Neuland betreten hat. Und immer, wenn wir dachten, jetzt haben wir alles verstanden, war doch wieder alles anders.“ Die Fragen hat die Behörde gesammelt und immer freitags haben die Interessenten eine E-Mail bekommen. Es ging um Sicherheits-, IT- und Vertriebskonzepte. „Ausgerechnet freitags. Da war das Wochenende gelaufen.“ Doch die Zulassungen liegen auf Eis. Denn gegen die Vergabe laufen Unternehmen wie beispielsweise tipico, die nicht zum Zuge kamen, Sturm. Die Verwaltungsgerichte Wiesbaden und Hamburg haben entschieden, dass vorübergehend keine Konzessionen ausgegeben werden dürfen, Beschwerdeverfahren sind bei den jeweiligen Instanzen anhängig. „Je nachdem, wie diese Eilverfahren ausgehen, sind wir weit oder ganz weit von einer rechtssicheren Lösung entfernt“, so Jan Saß.

Entertainment ist, hat aktuell mehr als 3.000 Mitarbeiter und ist einer der drei großen Player in der deutschen Automatenbranche, der selbst bundesweit Spielhallen betreibt. Seit 2007 ist Andreas Maatman bei dem Unternehmen beschäftigt, das vor allem Spielautomaten entwickelt und herstellt und die Geräte inzwischen vermietet. Im Justitiariat arbeiten insgesamt neun Personen, drei davon sind Volljuristen. Strenge Kontrollen der Behörden und Mitarbeiter-Schulungen stehen auf der Tagesordnung. Im Bereich der Werbung gilt, dass keine besonderen Spielanreize geschaffen werden dürfen. „Das muss gut kontrolliert werden. Außenwerbung für Spielhallen legen wir beispielsweise aktiv der Behörde vor.“

Mit Oddset haben die staatlichen Unternehmen zwar eine gemeinsame Plattform. Wer dort jedoch Bundesländer wie Bremen, Berlin oder Brandenburg einstellt, erhält den Hinweis: „In Ihrem Bundesland ist Oddset aktuell nicht spielbar.“ Denn einige Lottogesellschaften haben sich aus dem Bereich Sportwetten zurück gezogen. „Vor einigen Jahren kamen private, damals illegale Anbieter auf den Markt. Diese Anbieter hatten und haben ganz andere Möglichkeiten. Wir unterliegen restriktiven Regelungen und einer strengen Kontrolle. Derzeit agieren die privaten Anbieter in einem Graubereich und werben aggressiv. Durch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen können sie auch ein besseres Produkt anbieten“, so Sabine Bote.

„Wir haben uns in den letzten Jahren ein bisschen zurück gezogen, weil die Rechtslage so verworren ist.“

„Hingegen reicht eine britische Genehmigung nicht aus, um das Glücksspiel ‚legal‘ zu machen.“

„Wir haben uns in den letzten Jahren ein bisschen zurück gezogen, weil die Rechtslage so verworren ist. Bremen bietet beispielsweise gar keine Sportwetten mehr an“, sagt Sabine Bote, seit mehr 14 Jahren Justitiarin bei der Bremer Toto und Lotto GmbH. Die Gesellschaft ist mit 45 Mitarbeitern bundesweit die kleinste Gesellschaft im Lotto- und Totoblock. „Wir sind ein ganz normales Unternehmen und auch wir benötigen eine Erlaubnis der zuständigen Behörde“, so Sabine Bote. Neben dem Glücksspielrecht in Form des klassischen Lottos kümmert sie sich auch um Wettbewerbsrecht, Lieferantenverträge, die Teilnahmebedingungen oder Erlaubnisanträge.

„Da zwar der Glückspieländerungsstaatsvertrag im Juli 2012 in Kraft getreten ist, jedoch noch keine Konzessionen vergeben wurden, befindet sich der Markt derzeit in einer regulatorischen Zwischenphase, in der die Geschäftstätigkeit aller Anbieter geduldet wird, die am laufenden nationalen Konzessionsvergabeverfahren teilnehmen“, heißt es in einer Studie der Goldmedia GmbH zu Sportwetten. Mit dieser Duldung der Behörden und operierend im Graubereich führten die Unternehmen dennoch zwischen Juli 2012 und April 2013 mindestens 164,5 Mio. Euro Steuern ab. Beim regulierten Wettmarkt könnten das der Studie zufolge künftig sogar mehr als 2 Milliarden Euro jährlich sein.

Sportwetten sind ein Milliardengeschäft und nicht frei von Manipulationen.

„Automatenhersteller wie auch -betreiber sind klar an gesetzliche Regelungen gebunden und müssen diese einhalten“, sagt Andreas Maatman, Leiter Recht&Obligo bei der Löwen Entertainment GmbH. Die Löwen-Gruppe, deren Muttergesellschaft Löwen

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Thema

betont. „Derzeit ist es spannend, die Gesetzgebungsprozesse mitzuerleben“, sagt Andreas Maatman, der sich auch nach acht Jahren bei Löwen immer noch für seine Arbeit im Glücksspielrecht begeistern kann. Auch die Juristen vom Lotto- und Totoblock treffen sich bis zu viermal im Jahr. „Wir tauschen Erfahrungenaus und informieren uns gegenseitig über die laufenden Verfahren. Hier passen wir auch die Rahmenteilnahmebedingungen (AGB) an aktuelle Produktmodifikationen, wie z. B. Änderungen von Gewinnplänen, an“, sagt Sabine Bote.

Wetten, dass … alles mit rechten Dingen zugeht?

Doch zurück zur verworrenen Rechtslage und dem Spagat, den die Juristen hier vollführen müssen. Im September 2014 verurteilte das AG München einen Online-Spieler wegen Beteiligung am unerlaubten Glückspiel zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 30 Euro. In dem Urteil heißt es: „... liegt eine behördliche deutsche Genehmigung für den Anbieter ... nicht vor. Hingegen reicht eine britische Genehmigung nicht aus, um das Glücksspiel ‚legal‘ zu machen.“ Jan Saß hierzu: „Das ist nach meiner Kenntnis, die einzige Entscheidung, die es in diesem Bereich gibt.“ Sein Unternehmen operiert u. a. mit einer Lizenz des Bundeslands Schleswig-Holstein. Andere Anbieter können jedoch nur auslädische Lizenzen vorweisen. Im November standen beim BGH nach einem Umweg über den EuGH zwei Verfahren zur Entscheidung an, wo es um das Internet-Glücksspiel und die Neuregelung des Glückspielrechts 2012 mit Blick auf das Unionsrecht ging. Das OLG Naumburg (Az. 9 U 73/11) hatte beispielsweise die Wettbewerbswidrigkeit verneint, solange den privaten Anbietern keine effektive Möglichkeit zur Erlangung einer entsprechenden Erlaubnis zur Verfügung stehe. Für alle Glücksspieljuristen ist die Beobachtung der aktuellen Entwicklung ein wichtiger Teil ihrer Arbeit. „Wir müssen wissen, was sich vor den Gerichten tut. Wir müssen laufend entscheiden: Machen wir weiter oder nicht?“, so sagt Jan Saß, der auch die Bedeutung der Verbandsarbeit und den Austausch mit Kollegen

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Die Verwerfungen im Glücksspielrecht beschäftigen die Juristen oft jahrelang. Der BGH hat im April 2015 (Az. III ZR 333/13) in einem Fall legislativen Unrechts die Klage von zwei Sportwettvermittlern abgewiesen, denen in den Jahren 2006 und 2007 auf der Grundlage des seinerzeit geltenden Lotteriestaatsvertrags die Vermittlung von Sportwetten untersagt worden war. Daneben gibt es weitere aufsehenerregende Verfahren. 2008 hat das Unternehmen Jaxx, ein Unternehmen das zu mybet gehört, beispielsweise ein Schadenersatz-Verfahren über 8,25 Millionen Euro gegen Westlotto angestrengt, weil diese zum Boykott von gewerblichen Lottovermittlern aufgerufen und vor dem Direktvertrieb von gewerblichen Lottoscheinen gewarnt hatte. „Das OLG Düsseldorf hat uns aufgrund des Kartellverstoßes den Schadenersatz zugesprochen. Mit Zinsen liegt der Betrag sogar weit über 15 Millionen Euro. Der BGH hat kürzlich aber der Nichtzulassungsbeschwerde stattgegeben“, sagt Jan Saß. „Dennoch musste das Geschäftsmodell damals erst einmal eingestellt werden.“ Auch der EuGH ist immer wieder mit dem deutschen Glücksspielrecht befasst. Derzeit steht eine Vorlage des AG Sonthofen zur Entscheidung an, bei dem es ebenfalls um die rechtliche Zulässigkeit des Konzessionsverfahren geht.

„Wir haben 16 verschiedene Landesspielhallengesetze. Hinzu kommen weitere Gesetze wie Glücksspielstaatsvertrag, Spielverordnung, Gewerbeordnung, Werberichtlinie, Jugendschutzgesetz, Baugesetze, Gaststättengesetze usw.“ Doch das Glücksspielrecht geht über diese Streitigkeiten weit hinaus. Es ist eine Querschnittsmaterie, das von Abstandsregelungen für Spielhallen über Sportwetten-Konzessionen und das Lottomonopol bis hin zu strafrechtlichen Sanktionen für unerlaubtes Glückspiel eine breite Materie umfasst. Nebeneinander sind hier Glückspiele in Casinos und Online-Poker, Sport- und Pferdewetten, Lotto und Toto sowie das Automatenspiel geregelt. Neben dem Glückspielgesetz hat jedes Bundesland eigene Verordnungen und Richtlinien, hinzu kommen Baurecht, Gewerberecht, Ordnungswidrigkeitenrecht, Steuerrecht und Strafrecht. „Die Arbeit ist abwechslungsreich. Das Glücksspielrecht ist ein Rechtsgebiet, wo

viel passiert. Ich habe zwei unwirksame Staatsverträge erlebt und auch der dritte steht auf der Kippe. Immer wieder gab es zahlreiche Verfahren und unklare Rechtsfragen, die erst durchentschieden werden mussten“, so Jan Saß, der in seiner Abteilung auch Werbemaßnahmen absichert, Verträge erstellt und mietrechtliche Fragen klären muss. Der Teufel liegt dann oft im Detail, wie Andreas Maatman schildert: „Wir haben beispielsweise 16 verschiedene Landesspielhallengesetze. Hinzu kommen weitere Gesetze wie Glücksspielstaatsvertrag, Spielverordnung, Gewerbeordnung, Werberichtlinie, Jugendschutzgesetz, Baugesetze, Gaststättengesetze usw. Diese müssen alle beachtet werden. Doch daran ist die Branche auch schon gewöhnt. Aber richtig spannend wird es mit dann mit den jeweiligen Feiertagsgesetzen der einzelnen Bundesländer. Hier geht es darum, wann wir unsere Spielhallen konkret öffnen dürfen und wann nicht. Doch jedes Land behandelt die Feiertage anders. Inwieweit sich Spielhallen an diese Gesetze halten müssen, ist teilweise Auslegungssache. Teils ist die Öffnung an manchen Feiertagen vormittags unzulässig, wenn bestimmte Prozentsätze der Bevölkerung in der Gemeinde katholisch sind. Im Einzelfall hilft nur der Kontakt zur jeweiligen Behörde.“

„Derzeit bemühen sich die Wettanbieter auch, das Geschäft aus der Schmuddelecke herauszuholen.“ Derzeit bemühen sich die Wettanbieter auch, das Geschäft aus der Schmuddelecke herauszuholen. Der Sportwettenanbieter Wettmeister will mit einem modernen Flagshipstore in Berlin auf insgesamt 600 Quadratmetern neue Maßstäbe setzen. Moderne Freizeit – und Erlebnislandschaften könnten die Zukunft im Sportwettenmarkt sein, so wie es bei den Pferdewetten auf der Rennbahn schon lange praktiziert wird. „Doch dafür brauchen wir Planungssicherheit. Und die gibt es nur bei Rechtssicherheit. Eine Prohibition, hat am Ende noch nie was gebracht“, sagt Jan Saß. Verfahren wie vor dem AG München verschärfen jedoch die Frage nach der Rechtssicherheit. In dem Strafverfahren hatte der Strafverteidiger argumentiert, dass der Angeklagte davon ausgehen könne, dass das Glücksspiel im Internet erlaubt sei. Schließlich hätten Boris Becker und der FC Bayern dafür geworben. Hierzu stellte das Gericht fest: „So ist dies im Endeffekt unbehelflich, da es sich dabei ausschließlich um sogenannte Sportwetten handelt und auch einem juristischen Laien der Unterschied zwischen einer Sportwette und einem Glücksspiel wie Poker oder Black Jack bekannt ist.“ Diese Unterscheidung findet sich auch im unglücklichen Glückspielstaatsvertrag, doch für die Juristen ist es alles andere als klar, ob diese Unterscheidung zulässig ist. RA Tobias Sommer, Berlin

Foto: Andrea Vollmer

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Der Mann mit der Pfeife Der Schiedsrichter muss seine Augen überall auf dem Platz haben

Berechtigtes oder unberechtigtes Foul? Abseits oder nicht? Platzverweis, Elfmeter – ja oder nein? Als Schiedsrichter hat man während eines Spiels eine Menge zu tun und muss die Augen und Ohren für alles offen halten.

richter. Die Fahne kommt dann zum Einsatz, wenn eine Abseitsposition vorliegt oder der Ball im Aus ist oder eben ein unsportliches Verhalten vorliegt, welches der Schiedsrichter nicht gesehen hat. Wie werde ich überhaupt Schiedsrichter?

Eines ist klar. Ich weiß nicht, was Abseits ist, auch wenn man es mir schon unzählige Male erklärt hat. Laut Regelwerk befindet sich ein Spieler im Abseits, wenn er der gegnerischen Torlinie näher ist als der Ball und der gegnerischen Torlinie näher ist als der vorletzte Gegenspieler und sich in der gegnerischen Spielhälfte befindet. Häh??? Hier muss der Schiedsrichter-Assistent am Spielfeldrand blitzschnell entscheiden – war nun der Stürmer näher am Tor oder der gegnerische Verteidiger? Ausgerüstet mit Trillerpfeife, Gelber und Roter Karte gehen die Schiedsrichter ins Gefecht. Regulär 90 Minuten haben sie das ganze Spielfeld im Auge. Rennen mit und schauen, dass die Regeln eingehalten werden. Die Macht der Schiedsrichter Aber was macht man nun eigentlich so als Schiedsrichter? Zunächst muss man regelfest sein. Man muss also wissen, wann ist ein Foul ein Foul, wann gibt es einen Elfmeter und wann lag ein Abseits vor. Im Ergebnis leitet der Schiedsrichter das Spiel und schaut, dass die Fußballregeln eingehalten werden. Werden die Fußballregeln missachtet, kann der Schiedsrichter Strafen gegen die Spieler, Auswechselspieler oder ausgewechselte Spieler verhängen. Diese reichen von einem Elfmeter über die Gelbe bis zur Roten Karte. Manche Regelverletzungen ziehen gar ein sportgerichtliches Verfahren nach sich, wie die Frage der Rechtmäßigkeit einer Roten Karte, da diese weitere Konsequenzen wie die Sperre und oder eine Geldstrafe haben kann. Aber auch Schiedsrichterbeleidigungen werden vor Sportgerichten verhandelt.

Um Schiedsrichter zu werden, muss man weder studiert haben noch volljährig sein. Sportlich sollte man allerdings sein und natürlich Interesse am Fußball haben. Die Schiedsrichter-Ordnung des Deutschen Fußballbundes (DFB) empfiehlt ein Mindestalter von zwölf Jahren, wobei in den einzelnen Landesverbänden hiervon abgewichen werden kann. Man muss Mitglied in einem Fußballverein sein und Einsatzbereitschaft mitbringen. Man muss mindestens 20 Spielleitungen jährlich übernehmen und an jährlichen Weiterbildungsveranstaltungen teilnehmen. Die Ausbildung als solche dauert nicht lange. Je nach Landesverband sind es 20 bis 50 Unterrichtsstunden in einem Zeitraum von drei bis zwölf Ausbildungstagen innerhalb von einer bis sechs Wochen. Die Prüfung unterteilt sich in die schriftliche Beantwortung von Regelfragen sowie eine körperliche Fitnessübung. Das Finanzielle Das Finanzielle ist auch nicht schlecht. Schiedsrichter erhalten eine Aufwandsentschädigungen pro Spiel zwischen 200 Euro in der Regionalliga, 750 Euro in der Dritten Liga und 2.000 Euro in der zwei-

ten Bundesliga, bis 3.800 Euro in der Bundesliga. Darüber hinaus erhalten Bundesliga-Schiedsrichter jährlich 50.000 Euro und Schiedsrichter der Zweiten Bundesliga 30.000 Euro jährlich. FIFA-Schiedsrichter der Elite-Klasse erhalten sogar 70.000 Euro jährlich. FIFA-Assistenten erhalten 35.000 Euro jährlich, in der Bundesliga reduziert sich der Betrag auf 30.000 Euro und in der 2. Bundesliga auf 2.750 Euro. Schiri-Skandal Skandalfrei ist noch nicht einmal die Schiedsrichterbranche. Den meisten bekannt ist bestimmt noch Robert Hoyzer. Bekannt wurde Hoyzer im Jahr 2005 dadurch, dass ihm vorgeworfen wurde, Spiele der Zweiten Fußballbundesliga, des DFB-Pokals und der Fußball-Regionalliga so verschoben zu haben, dass die erwünschten Ergebnisse, auf die zuvor gewettet wurden, herauskamen. Hoyzer, der zunächst alles bestritt, legte dann doch ein Geständnis ab. Er wurde lebenslang als Schiedsrichter gesperrt und musste eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten ohne Bewährung wegen bandenmäßigen Betruges antreten. Und so ist auch die Fußballbranche keineswegs skandalfrei. Übrigens, 1876 hat Professor Konrad Koch die deutschen Fußballregeln verfasst, die zunächst nur für den Schulfußball galten. Das Entscheidungsrecht hatten dabei die Spielführer. 1877 wurde dann der Schiedsrichter eingeführt.

Ein Schiedsrichter müsste eigentlich auch Augen hinten am Kopf haben.

RAin Nadine Passenheim, Celle Foto: Andrea Vollmer

„Ich habe nie an unserer Chancenlosigkeit gezweifelt“ > NAM E

Was machen die Schiedsrichter-Assistenten? Mit Trillerpfeife und Fahne unterstützen die Schiedsrichter-Assistenten den Schiedrichter und helfen ihm. Früher hießen sie Linienrichter. Schiedsrichter-Assistenten sind eigentlich für alles das zuständig, was sich hinter der Seitenlinie abspielt und somit das „dritte Auge“ des Schiedsrichters. Pro Spiel gibt es zwei Schiedsrichter-Assistenten, für jede Seitenlinie einen. Sie sind ebenfalls ausgebildete Fußballschieds-

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Nummer auf der Robe Zivilprozesse sind wie Fußball und Schiedsrichter sind wahre Poeten

Eigentlich haben wir es doch schon immer gewusst, oder? Wir Anwälte sind im Grunde genommen nichts anderes als Profifußballer, womit unsere Kindheitsträume (jedenfalls die eines Großteils der männlichen Kollegen) letztlich doch wahr geworden sind. Unsere Spielfelder sind die Gerichte, wobei wir mal in der Regional- und mal in der Bundesliga spielen, der Richter ist der Schiri, mit Gesetzen oder Verträgen vollführen wir Dribblingund Technikwunder, der Mandant ist oder wird – hoffentlich – unser Fanblock. Eigentlich fehlt nur noch eine Nummer auf der Rückseite der Robe. Wer Zweifel daran hat, wird durch eine Entscheidung eines Amtsschiris aus Köln (Urteil des AG Köln vom 30. Juli 1993 – 266 C 162/93) eines Besseren belehrt.

Inhaltlich ging es darum, dass es einer Kreuzung, an der beide Zufahrtstraßen mit dem Verkehrszeichen „Vorfahrt achten“ ausgestattet waren, infolge mangelnder Verständigung zwischen den Unfallbeteiligten zu einem Zusammenstoß zwischen einem Radfahrers und einem Pkw gekommen war.

Fahnen geschrieben haben und die ihr Wesen solange treiben, bis das Geld alle ist oder die Wähler die Nase gestrichen voll haben. Denn:

Der Schiri musste sich also einer nicht ganz alltäglichen Situation stellen, was er ersichtlich auch bemerkt hat, so heißt es in den Entscheidungsgründen:

Insoweit ist dieser Prozess auch für mich ein Novum. In meiner nunmehr 30-jährigen Sitzbahn als Verkehrsrichter habe ich nämlich bislang immer nur mit Unfällen zu tun gehabt, zu deren Herbeiführung beide Unfallbeteiligte bei Grün in die Kreuzung eingefahren sind, und das meist auch durch Beifahrer justitiabel beweisen konnten. So werde ich nie die entzückende ältere Dame vergessen, die in der Beweisaufnahme bekundete, ihr Mann sei bei Grün in die Kreuzung eingefahren. Auf meine vollkommen unüberlegte Frage, wo sie denn eigentlich in dem Auto gesessen habe, antwortete sie offen und ehrlich: „Hinten links“. Auf meine ebenso überflüssige wie dumme Frage, ob sie denn von da aus überhaupt die rechts stehende Ampel habe sehen können, gab sie kluge und überzeugende Antwort: „Nein, Herr Richter, aber das ist auch gar nicht nötig. Denn ich weiß ganz genau, mein Mann fährt nur bei Grün in die Kreuzung ein.“ Diese Lady war die ehrlichste Zeugin, die ich je hatte. Ihr leuchtendes Beispiel beweist auch, dass die in der Rechtsprechung weit verbreiteten Vorurteile gegen Beifahrer in dieser Allgemeinheit nicht gerechtfertigt sind (vgl. dazu BGH NZV 88, NZV Jahr 1988 Seite 20; LG Köln NZV 88, NZV Jahr 1988 Seite 28). Entgegen einem weit verbreiteten Aberglauben hängt aber der Ausgang eines Unfallprozesses nicht davon ab, wie viele Beifahrer jemand zufällig bei sich hat. Insofern gilt nämlich im Zweifel der bewährte Grundsatz „Auto gegen Auto“. Er hängt auch weiter nicht von der Anzahl sonstiger Zeugen ab, die eine Partei nach dem Unfall findet und im Gerichtssaal als Eideshelfer aufzubieten vermag. Die Anzahl der Zeugen darf nämlich rechtlich nicht mit der Anzahl der Tore verwechselt worden, die in einem Fußballspiel fallen (vgl. dazu: ‚Herr Rechtsanwalt‘ wieviel Zeugen brauchen wir?“ oder auch die ständigen Kleinanzeigen im X1. Express: ‚Unfallzeugen gesucht, hohe Belehnung!‘). Letztlich entscheidet nämlich immer noch der Schiedsrichter, ob ein Tor gefallen ist oder nicht.“

„Jedenfalls habe ich trotz eifrigen Suchens keinen Präzedenzfall gefunden, den ich zur Arbeitserleichterung hätte abschreiben können.“ Natürlich fällt es schwer, sich an dieser Stelle ein Mitleidstränchen zu verdrücken. Aber so ist das nun einmal: Im Fußball ist alles möglich und kein Spiel ist wie das andere.

Schon im ersten Leitsatz heißt es: „Ein Verkehrsunfallprozess wird nach denselben Regeln gespielt wie ein Fußballspiel. Sein Ausgang hängt nicht von der zufälligen Anzahl der Zeugen ab, die eine Partei zu Unfallzwecken mit sich fahren läßt, sondern von der Anzahl der Frei- wie Eigentore, die die Unfallbeteiligten schießen. Ob ein Tor gefallen ist oder nicht, entscheidet der Schiedsrichter, der im Zweifel die maßgebende Flensburger Punkte-Tabelle anzuwenden hat.“

Auch ohne Arbeitserleichterungen war der Schiri aber Herr der Lage und hatte das Spiel im Griff, wobei er sich nicht scheute, die rot-grüne Karte zu zücken und einen Schwank aus seiner Jugend zu erzählen: „Eins steht für mich jedoch vorab zweifelsfrei fest: Wenn dort Ampeln aufgestellt gewesen wären, dann hätten diese beide rot gezeigt. Denn das ist die perfekte Signalisierung im Sinne rot-grüner Mehrheiten, die die Finale und totale Verkehrsberuhigung auf ihre

Ein Foul auf dem Platz hat manchmal auch ein Nachspiel vor Gericht.

„Das Geheimnis des Rechts ist ja der Anwalt.“ > NAME

Foto: Rudolpho Duba_pixelio.de

Sie regieren uns als Penner, weil für sie wir Ampelmänner.

Gegen Ende des im Wesentlichen sehr ausgeglichen Spiels merkte man dem Schiri zwar eine gewisse Erschöpfung an, diese hielt ihn aber nicht davon ab, noch zu absoluter rhetorischer Hochform aufzulaufen: „Damit ist zu meiner Beschämung nunmehr der Fall eingetreten, dass ich mich gezwungen sehe,

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Fotos: sokaeiko_pixelio.de, Bernhard Friesacher_pixelio.de,

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Fußball ist keine Kunst Onlineportal darf Fußballfilme zeigen

§ 1 Absatz. 2 StVO anwenden zu müssen. Das ist eine Vorschrift, die ansonsten nur von Richtern angewendet wird, denen sonst nichts einfällt: Lass ruhig auch dem schönen Schein sein bisschen Recht! Auch Schein ist echt, will er nichts weiter sein. (Cäsar Flaischlen). Deshalb muss ich den Parteien die Berufung auf den Grafen Leicester in Schillers Maria Stuart (4,6) leider versagen: Der Schein ist gegen mich, doch darf ich hoffen, dass ich nicht nach dem Schein gerichtet werde. Mit diesem Appell mögen die Parteien jeder für sich das Herz des zuständigen Bußgeldrichters erweichen. Im Zivilrecht hingegen muss jeder ‚allen bösen Schein vermeiden‘ (Paulus im 1. Brief an die Thessaloniker 5, 22). Denn: Der Schein regiert die Welt, und die Gerechtigkeit ist nur auf der Bühne (Narbonne in Schillers Parasit 5, 8).“ Das Spiel endete unentschieden, der Schiri erachtete eine jeweilige hälftige Haftungsquote als angemessen und beendete das Spiel mit folgendem Schlusspfiff: „Deshalb mögen die Parteien froh sein, dass der Unfall relativ glimpflich abgelaufen ist, und dass an der Kreuzung nicht für beide Fahrtrichtungen StoppZeichen (206 StVO) aufgestellt waren. Dann müssten sie nämlich beide bei der gebotenen strengen Beobachtung der Rechtslage und des unbedingten Haltgebotes heute nach über einem Jahr immer noch dort stehen und kämen nie mehr nach Hause. Schildbürger Auf unserer Straßen Asphalt da stehen gedrängt wie im Wald nur selten allein weil öfter zu zwein die Schilder kraft Staates Gewalt. Gar manches hat keinen Gehalt, weil sinnlos in's Leere es hallt: Es steht nur zum Schein. Doch gilt allgemein: In Kraft ist in Kraft, wenn's geknallt.“ RA Andreas Hansmeier, Karlsruhe

Marlies Schwarzin_pixelio.de, Manuel Tellur_pixelio.de Foto: Stephanie Hofschlaeger_pixelio.de

Wer Events veranstaltet hat ein Hausrecht. Er kann regeln, wer etwas filmen und verwerten darf. Das gilt für einen roten Teppich genauso wie für ein Fußballspiel. So weit der Grundsatz. Doch es gibt Ausnahmen. Nicht immer sind aber die Regelungen deutlich genug oder in der richtigen Art und Weise in einen Vertrag einbezogen. Als Promi-Agenturen und Musikverlage versucht haben, strenge Regeln für die Bildnutzung durchzusetzen und damit Fotografen in ihren Auswertungsmöglichkeiten zu beschränken, regte sich enormer Widerstand. Im Jahr 2010 hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Thema befasst und die Internetnutzung von Filmszenen von Amateurfußballspielen erlaubt (Urteil des I. Zivilsenats vom 28.10.2010, Az: I ZR 60/09 - Hartplatzhelden). Beklagte war die Betreiberin des Portals www.hartplatzhelden.de, das sich durch Werbeeinnahmen finanziert. Besucher von Amateurfußballspielen können dort selbst aufgenommene Filme von einbis eineinhalbminütiger Dauer in das Portal einstellen. Die Filmausschnitte können von anderen Internetnutzern kostenlos aufgerufen und angesehen werden. Der Kläger, der Württembergische Fußballverband e. V., war der Ansicht, dass ihm als Veranstalter der Spiele in seinem Verbandsgebiet ein ausschließliches Recht zu deren gewerblicher Verwertung zustünde. Er hatte daher von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Leistungsübernahme, der wettbewerbswidrigen Behinderung sowie des Eingriffs in sein Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Unterlassung verlangt. Letztendlich hat der Bundesgerichtshof ein ausschließliches Verwertungsrecht des klagenden Verbandes verneint und die Klage dementsprechend abgewiesen. Maßgeblich dafür war, dass die Veröffentlichung der Filmausschnitte entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts keine nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UWG a. F. unlautere Nachahmung eines geschützten Leistungsergebnisses darstelle. Die vom Kläger erbrachte Leistung der Organisation und Durchführung der Fußballspiele bedürfe im Übrigen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs keines solchen Schutzes. Auch die Lösung des Problems gibt der BGH in seiner Entscheidung mit vor: Der Kläger kann sich über die ihm angehörigen Vereine eine entsprechende wirtschaftliche Verwertung der Fußballspiele in seinem Verbandsgebiet dadurch hinreichend sichern, dass Besuchern der Fußballspiele Filmaufnahmen unter Berufung auf das Hausrecht

Filmrechte: BGH legte einige Eckpunkte fest.

untersagt werden. Unter diesen Umständen hat der BGH ein besonderes Ausschließlichkeitsrecht von Sportverbänden auch unter den weiteren vom Kläger herangezogenen Gesichtspunkten verneint. Durch die Entscheidung ist für einen weiteren Bereich geklärt, was gefilmt werden und vor allem, ob es im Internet gezeigt werden darf. Besonders de Online-Community wurde durch dieses Urteil gestärkt. Doch Vorsicht, das Urteil kann leicht fehlinterpretiert werden. Gestritten wurde nur auf der Grundlage des Wettbewerbsrechts und eines Gesetzes welches vorrangig den freien Wettbewerb schützen soll und zwar vorwiegend zugunsten der Verbraucher. Zwar hat der klagende Fußballverband verloren, doch es sind ohne Weiteres Konstellationen denkbar, bei denen die Ausstrahlung der Filmszenen dennoch untersagt werden kann. RA Tobias Sommer, Berlin

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Volltreffer beim Kinderfußball Kein Schadenersatz für kaputte Zuschauerbrille

Bei einem E-Jugend-Punktspiel des FC Chammünster aus der Oberpfalz wollte sich der zehnjährige Jonas - bis dahin auf der Ersatzbank - in der Halbzeitpause warmschießen. Doch ein Schuss aus 15 Metern prallt vom Quergestänge ab und springt dann vom Dach der Ersatzbank genau in das Gesicht einer dort stehenden Brillenträgern. Die Spielermutter beklagt nun einen Totalschaden an ihrem Nasenfahrrad und verlangt von dem Jungen Schadenersatz in Höhe von 710 Euro. Sie lässt Anwaltsbriefe schreiben und will dann eine Vollstreckung über einen Mahnbescheid erreichen, die Kosten einschließlich Zinsen, Anwalts- und Gerichtskosten liegen jetzt bei 981,03 Euro. Nach Informationen von FOCUS online sowie der Mittelbayrischen Zeitung habe der Junge nach dem Vorfall aufgehört, Fußball zu spielen. Zu groß sei

seine Angst, er könnte erneut daneben schießen und eine unbeteiligte Person treffen. Jeden Tag spreche er über den damaligen Vorfall - so wurde der Vater zitiert. Anfangs hätte er gar nicht verstanden, was da eigentlich passiert sei. Seit das Mahnverfahren eingeleitet worden sei, könne der Junge nicht mehr richtig schlafen und auch die Schulnoten würden darunter leiden. Der Einserschüler habe danach eine Fünf in Englisch und eine Vier in Mathe geschrieben. Die Familie ist versichert und die Versicherung beweist Weitblick. Sie will dem Jungen eigentlich ein Verfahren und die damit verbundene seelische Belastung ersparen. Doch der Anwalt und die Geschädigte unterstellen dem Jungen Absicht. Und deshalb landet der Fall dann doch vor dem Amtsgericht Cham. Der Junge legt Widerspruch ein. Doch ein Urteil gibt es in dem Fall nicht. Nach Informationen der Mittelbay-

rischen Zeitung hat die Dame den Fall nicht weiterverfolgt und die Klage nicht begründet. Vorausgegangen waren erhitzte Diskussionen um die „angeschossene“ Frau, die - kaum überraschend - im Internet vehement beschimpft wurde. Vor allem wegen des gerichtlichen Vorgehens gegen den Jungen und den mittels Mahnbescheid erzeugten psychischen Druck. Gegen sie spricht ganz klar: Wer sich an der Linie eines Fußballplatzes aufhält, noch dazu auf einer Auswechselbank für Spieler direkt neben dem Tor, muss damit rechnen, von einem Fußball getroffen zu werden. Das klingt sehr stark nach dem allgemeinen Lebensrisiko. Voraussichtlich wäre die Dame vor dem AG daher ohnehin gescheitert. Und die Moral der Geschicht' – wer (beim Fußball) daneben schießt, kann doch gewinnen (vor Gericht)! RA Tobias Sommer, Berlin

Fußball Smalltalk Zwei Entscheidungen zum Thema Fußball

Wo ist das Fanbanner? Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen Wohnungsdurchsuchung Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte, in diesem Fall der Beschwerdeführer, der sich mit einer Verfassungsbeschwerde erfolgreich gegen eine Wohnungsdurchsuchung gewandt hat, mit der das Banner einer Fangruppierung eines Fußballvereins als Beweismittel aufgefunden werden sollte. Hintergrund war, dass einer Fangruppierung von Fußballverein aus A ein Banner entwendet wurde. Die Ermittlungen ergaben, dass das Banner nunmehr im Besitz einer Fangruppierung eines anderen Vereins aus B sei. Eine unbekannte Person habe der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass sich das Banner bei der Ultra-Gruppierung C aus B. befinde und diese dritte Person das Banner dort gesehen haben will. Die Ultra-Szene aus B. wiederum besteht aus zwei Fangruppierungen, wobei der Beschwerdeführer der Kopf der kleineren Gruppierung sein soll. Wo sich das Banner aber genau befindet, war nicht bekannt. Dass es sich bei dem Beschwerdeführer befinden könnte, beruhte lediglich auf einer Vermutung, aber eben

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nicht auf konkreten Hinweisen. Und Vermutungen reichen eben für eine Wohnungsdurchsuchung nicht aus. BVerfG 2 BvR 1361/13 vom 11. Januar 2016

Befristete Arbeitsverträge im Fußball Für befristete Arbeitsverträge gilt auch das TzBfG, so hat es zumindest das Amtsgericht Mainz in einem Urteil vom 19. März 2015 (3 Ca 1197/14) gesehen und entschieden, dass für eine Befristung

entweder ein Sachgrund vorliegen muss oder eine Gesamtdauer der Befristung von maximal zwei Jahren nicht überschritten wird. Dass die Spieler auch Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitnehmerbegriffes des Bundesarbeitsgerichts sind, ist unstreitig. Auch Profifußballer sind weisungsabhängig, unter anderem in Bezug auf spieltechnische Anweisungen, Trainingszeiten, Wettbewerbszeiten und eventuelle außersportliche Verpflichtungen, wie Presse- oder Werbetermine, sodass das TzBfG grundsätzlich Anwendung findet. Allerdings gilt, solange kein Sachgrund vorliegt, ist eine Befristung für längstens zwei Jahre nach TzBfG möglich. Im Fall des Torwarts von Mainz 05, Heinz Müller, war diese Gesamtbefristungszeit überschritten, sodass seine Befristung rechtswidrig war. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte Erfolg. Das LAG Rheinland-Pfalz hat nun entschieden, dass niemand einfach nur so befristet eingestellt werden darf – außer Profifußballer. Wie es nun weitergeht, wird nun wohl das BAG oder gar der Europäische Gerichtshof entscheiden. RAin Nadine Passenheim, Celle

Thema

Rote Karte, Gelbe Karte, Schiedsrichter-Beleidigung Was kommt eigentlich vor den Fußball-Kadi?

Sportgerichte beschäftigen sich mit der Behandlung und Sanktionen von Regelverstößen in den einzelnen Sportarten. Die Rechtmäßigkeit einer Roten Karte, die Sperre für ein oder mehrere Spiele, unsportliches Verhalten und natürlich auch Schiedsrichterbeleidigungen werden vor Sportgerichten verhandelt. Sportgerichte werden in der Regel von den Dachverbänden wie dem Deutschen-Fußball-Bund (DFB) betrieben.

als Böller im Zuschauerblock detonierten. Darüber hinaus hatten gut zwei Dutzend Zuschauer des Vereins vor Beginn des Spiels bei dem gegnerischen Verein eine Kontrolleinrichtung im Vorfeld des Stadionzugangs durchbrochen.

Beleidigung In einem anderen Fall wurde beispielsweise eine Spielerin nach Anklageerhebung durch den DFB-Kontrollausschuss wegen einer Beleidigung der Schiedsrichterin in einem leichteren Fall mit einer Sperre von einem Meisterschaftsspiel der Zweiten Frauen-Bundesliga belegt. Darüber hinaus ist die Spielerin bis zum Ablauf der Sperre auch für alle anderen Meisterschaftsspiele ihres Vereins gesperrt.

Besetzung Nach der Satzung des Deutschen Fußballbundes besteht dessen Sportgericht aus einem Vorsitzenden, einem stellvertretenden Vorsitzenden und 29 Beisitzern. Der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende werden vom Bundestag gewählt. Die Vorsitzenden oder Beisitzer müssen dabei keine Juristen sein und schon gar nicht die Befähigung zum Richteramt haben. Vielmehr werden sie für ihre Tätigkeit berufen und sind sportinteressierte und erfahrene Personen. Wie sich das Sportgericht im Einzelnen zusammensetzt, ergibt sich aus der Satzung des DFB. Das Sportgericht sanktioniert alle Formen des unsportlichen Verhaltens sowie unter Strafe gestellte Verstöße gegen die Satzung und Ordnungen des DFB und das Ligastatut. Das Nähere hierzu regelt wiederum die Rechts- und Verfahrensordnung.

Erste Instanz Zuständig ist das Sportgericht erstinstanzlich für Rechtsprechung über Verstöße von Vereinen und Spielern gegen die Vorschriften des Ligastatuts und anderer Rechtsvorschriften des Deutschen Fußballbundes sowie des Ligaverbandes, bei sportlichen Vergehen im Zusammenhang mit Bundesspielen, bei Entscheidungen über Einsprüche gegen die Wertung von Bundesspielen, in Verfahren gegen Schiedsrichter gemäß den Bestimmungen der Schiedsrichterordnung und so weiter. Die Verhandlungen sind nicht öffentlich.

Zweite Instanz Das Bundessportgericht besteht aus einem Vorsitzenden, einem stellvertretenden Vorsitzenden sowie 28 Beisitzern, und ist zuständig als Rechtsmittelinstanz gegen die Entscheidungen des Sportgerichts.

Strafen

Ermittlungen wegen unparteilichen Verhaltens

Sportgerichte sprechen vereins- oder personenbezogene Strafen aus. Diese reichen von Verwarnungen/ Verweisen für Sportler bis hin zu Geldstrafen, Spielerund Vereinssperren, Aberkennung von Toren und Punkten sowie Versetzung in andere Spielklassen oder Tätigkeitsverbote für Vereinsfunktionäre. Dabei bleiben als einzige Rechtsgrundlage die Satzung und Ordnungen sowie das geltende Recht der jeweiligen Dachorganisation. Urteilsgrundlage sind die von den Verbänden aufgestellten Regeln, Satzungen und Ordnungen, an die sich jeder in einer Dachorganisation als Mitglied gemeldete Verein halten muss.

Gegenstand kann auch unparteiliches Verhalten sein. So muss sich der Sportchef eines Vereins einem Ermittlungsverfahren des Kontrollausschusses des DFB aussetzen, weil ihm vorgeworfen wird, sich im Anschluss an das vom Schiedsrichter für zehn Minuten unterbrochene Spiel unparteilich geäußert zu haben.

Und was wird da so entschieden? Die Entscheidungen des DFB Sportgerichts werden auf der Homepage des DFB veröffentlicht.

15.000 Euro Geldstrafe für einen Verein Wegen unsportlichen Verhaltens seiner Anhänger hat das Sportgericht des DFB einen Verein im Einzelrichterverfahren nach Anklageerhebung durch den DFB-Kontrollausschuss wegen vier Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 15.000 Euro verurteilt. Von der Geldstrafe kann der Verein einen Teilbetrag für sicherheitstechnische, infrastrukturelle und gewaltpräventive Maßnahmen verwenden. Hintergrund war, dass kurz vor Anpfiff im Zuschauerbereich verstärkt Bengalos abgebrannt wurden. Zuvor hatte es bereits ähnliche Ausschreitungen gegeben,

Kontrollausschuss Der Kontrollausschuss ist auch in der Satzung geregelt. Er kann unter anderem Unsportlichkeiten verfolgen, die im Zusammenhang mit den Bundesligaspielen begangen wurden. Er ist auch berechtigt, im Rahmen seiner Zuständigkeit Rechtsmittel einzulegen.

Internationaler Sportgerichthof in Lausanne (Schweiz) Auf internationaler Ebene ist der Internationale Sportgerichthof die letzte Entscheidungsinstanz für die Sportverbände und die Nationalen Olympischen Komitees in Streitfragen zum internationalen Sportrecht. Zuständig ist es beispielsweise bei Dopingfragen, aber auch für sportbezogene Vertragsfragen, wie Sponsoring oder Fernsehrechte. Das Internationale Sportgericht als Schiedsgericht wurde 1984 auf Initiative des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) als unabhängiges Gremium gegründet. Ihm gehörten 2012 über 300 Richter aus 87 Nationen an. RAin Nadine Passenheim, Celle

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Abpfiff! Eheaus! Ein Kicker-Crashkurs in Familienrecht

Sie bekommen auch noch jenseits der Volljährigkeit ihr Nutellabrot geschmiert und die Sportsocken gewaschen. Trotzdem sind sie absolute Frauenmagneten. Denn bereits in jungen Jahren sind sie Topverdiener, Helden, Ikonen. Spieler und Spielerfrauen. Es ist eine ganz besondere Beziehung zwischen den Jungs mit den strammen Waden und den Mädels mit den Traummaßen. Tschüss Mutti! Ja ich will, Topmodel! Spielerehen starten meistens früh und halten nur selten, bis dass der Tod sie scheidet. Kaum ein Metier eignet sich daher besser für einen kleinen Crashkurs im Familienrecht. Die folgenden Fallbeispiele mit prominenten Protagonisten vermitteln spielerisch die ersten Schritte auf dem Weg zum „Millionenmandat“ Fußballerscheidung.

Lektion I – Das Trennungsjahr Ballack vs. Ballack Am 24. Oktober 2012 um 15.05 Uhr endet am Amtsgericht Starnberg das, was vier Jahre zuvor, nämlich am 14. Juli 2008, mit einer glamourösen Hochzeit im nur wenige Kilometer entfernten Yachtclub begann: Die Ehe von Michael Ballack, seines Zeichens torgefährlichster Mittelfeldfeldspieler aller Zeiten, und seiner Simone. Das Paar hatte sich bereits Ende der 90er Jahre kennengelernt. Nach zehn Jahren „wilder Ehe“ folgte dann doch noch der Trauschein. Schon drei Jahre später zieht Simone Ballack mit den drei gemeinsamen Söhnen aus der gemeinsamen Familienvilla bei Düsseldorf nach Bayern. Das Trennungsjahr – ein Jahr lang die strikte Trennung von Tisch und Bett. Die Ballacks haben gezeigt, wie es geht. Diesbezüglich hat Ballacks Spielerberater und Anwalt Dr. Michael Becker sicher keine Erklärungsnot.

Lektion II – Die einvernehmliche Scheidung Kahn vs. Kahn Es muss ja nicht immer Dreckwäsche sein. Schließlich hatte die Öffentlichkeit der dramatischen Trennung im Jahre 2003 schon genug Aufmerksamkeit geschenkt. Am 18. August 2009 wird die Ehe von Kultkeeper Oliver Kahn und seiner Ehefrau Simone nach zehn Jahren geschieden. Einvernehmlich – wie Kahns Hamburger Anwalt Michael Nesselhauf seinerzeit betonte. Alles begann mit einer Teenagerliebe, die nach der Hochzeit im Juni 1999 ein jähes Ende fand, als der Torwart-Titan seine hochschwangere Simone 2002 mit Verena Kehrt, einer 21-jährigen Aushilfe

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aus der Münchener Promi-Disco „P1“, betrog. Für Kehrt der Einzug in die B-Promi-Liga, für die Kahns der Beginn eines siebenjährigen Ringens um eine Versöhnung, zu der es am Ende dann doch nicht kam. Sind sich beide Ehegatten über die Modalitäten der Scheidung vollkommen einig, ist es möglich, dass sich nur derjenige, der den Antrag auf Scheidung stellt, anwaltlich unterstützen lässt. Einen gemeinsamen Anwalt gibt es entgegen der bei Mandanten weit verbreiteten Auffassung jedoch nicht. Achtung Interessenkollision!

Lektion III – Die Bedeutung des Ehevertrages Beckenbauer vs. Beckenbauer Deutlich brisanter ging es bei der Scheidung des „Kaisers“ Franz Beckenbauer und seiner „Kaiserin“ Sybille zu. Im August 2001 bringt Heidrun Burmester, damals Angestellte beim FC Bayern München und nach einem „Betriebsausflug“ nach Hamburg „guter Hoffnung“ einen Sohn zur Welt. Beckenbauer bekennt sich zu der Vaterschaft. Zunächst beteuert er die Stärke seiner Ehe, doch 2002 folgt dann doch die Trennung. 2004 lassen sich die Beckenbauers scheiden. In der Presse ist von einer Zahlung im zweistelligen Millionenbereich sowie Unterhaltszahlungen in Höhe von 10.000 Euro monatlich die Rede. Damit hätten wir es mit dem teuersten Eheabpfiff aller Zeiten zu tun. Doch Beckenbauers Anwalt Josef Heindl behielt bis zuletzt sein Pokerface und ließ lediglich verlauten, dass die Höhe der Zahlungen davon abhänge, ob ein gültiger Ehevertrag bestehe.

Laut Spiegel Online war es mit dem Kaiser und den Frauen seit jeher kompliziert. Beckenbauer hatte seine damals noch verheiratete Frau Sibylle Weimer 1988 in seiner Zeit als Teamchef des Deutschen Fußball-Bundes kennengelernt. Sie arbeitete in Frankfurt am Main für den DFB als Sekretärin und organisierte seine Reisen. Er hat neben Francesca Antonie (geboren 2003) und Noel Maximilian (geboren 2001) noch drei weitere Kinder: Thomas (geboren 1963), der älteste, ist ebenfalls ein uneheliches Kind. Er stammt aus einer Liaison Beckenbauers mit der Versicherungsangestellten Ingrid G. Damals war er gerade 18 Jahre alt. Seine erste Frau Brigitte, ebenfalls eine Sekretärin, adoptierte Thomas später. Mit ihr hat er noch die Söhne Michael (1966 geboren) und Stephan (geboren 1968). Von 1977 bis 1988 war Beckenbauer mit der Fotografin Diane Sandmann zusammen. Von seiner Frau Brigitte ließ er sich 1990 scheiden. Die Gala zitierte Beckenbauer anlässlich seines 70. Geburtstags im vergangenen Jahr mit den Worten: „Ein Nationalheld lässt sich nicht scheiden.“ Dieses Motto hat der Kaiser zwischenzeitlich ganz zeitgemäß über Bord geworfen. 2006 hat er dann doch nochmal der „Heidi“ das Ja-Wort gegeben. Sie hatte ihm 2003 die erste Tochter geschenkt.

Lektion IV – Self Marketing Sie nennen ihn den „Gnadenlosen“. Zumindest in den USA kommt dies für einen Scheidungsanwalt dem höchsten Adelstitel gleich. Die Rede ist von Samuel Burstyn. Spätestens seit er Barbara Becker dramatisch, wort- und kilometerreich durch ihr Scheidungsverfahren begleitet hatte, stehen auch die deutschen Society-Ehefrauen bei ihm Schlange, und davon gibt es in Miami einige. 2002 nimmt Martina Effenberg seine Dienste in Anspruch. Als Stefan „Effe“ Effenberg nach einer Affäre mit der amerikanischen Nachbarin nun auch mit eindeutigen Absichten bei seinem Kollegen Thomas Strunz und dessen Ehefrau Claudia hausieren geht, wird’s ihr zu bunt. Wie im Falle Beckenbauer gibt es auch bei dieser Scheidung zu den Zahlen nur Spekulationen. Diesen zufolge soll Burstyn bis zu 15 Millionen Dollar für seine Mandantin erstritten haben. Damit wäre er seinem Ruf gerecht geworden. Aus Claudia Strunz wurde Claudia Effenberg. Es folgte eine On-Off-Ehe im Reality-TV. Heute leben die Effenbergs getrennt, sind aber nach wie vor verheiratet. RAin Lea Hogrefe-Weichhan, Schönkirchen

Teure Fußballer-Scheidungen Eine inoffizielle Rangliste

PLATZ 1 Thierry Henry, rund 10 Millionen Euro

PLATZ 4 Lothar Matthäus, ein bis zwei Millionen Mark

In den 2000er Jahren war der französische Nationalspieler Thierry Henry ein gefeierter Sturm-Star – und Top-Verdiener bei Arsenal London. Ex-Frau und -Model Claire Merry soll bei der Scheidung laut „The Sun“ acht Millionen Pfund (rund zehn Millionen Euro) erstritten haben. Geholfen hat dabei die Anwältin Fiona Shackleton. Sie hatte auch Paul McCartneys Ex-Frau Heather Mills ein post-eheliches Schmerzensgeld von rund 36 Millionen Euro beschert.

Lothar Matthäus kann mittlerweile auf einige Scheidungen zurückblicken. Möglich, dass einige davon noch mehr gekostet haben – überliefert ist lediglich, dass der deutsche Rekord-Nationalspieler seiner Ex Lolita Morena 1999 ein Haus in der Schweiz sowie eine Barsumme in Höhe von ein bis zwei Millionen Mark abtreten musste.

PLATZ 2 Ray Parlour, geschätzte 4,75 Millionen Euro In Deutschland ist Ray Parlour – aufgrund seines Geburtsortes leicht ironisch „Romford Pele“ genannt – kaum noch bekannt. In Großbritannien wurde der FC-Arsenal-Kicker mit der Pferdelunge zum Sinnbild für die teure Scheidung: Die Gerichte sprachen Ehefrau Jo 2004 nicht nur zwei Häuser im Wert von rund zwei Millionen Euro zu, sondern auch noch einen Anteil an Parlours weiteren laufenden Einkünften; zunächst waren das wohl fast 500.000 Euro im Jahr.

Quelle: www.spot-on-news.de / Foto: Rike_pixelio.de.tif

bei uns nachfragen. Wir sind eine freie Wirtschaftsvereinigung von Kollegen für Kollegen, hauptsächlich der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, aber auch schon der Rechtsreferendare und Assessoren, auch der Notare und Patentanwälte sowie der Rechtsbeistände die Mitglied einer Rechtsanwaltskammer sind. Der Verein besteht seit fast 50 Jahren und hat derzeit etwa 5.000 Mitglieder bundesweit. Durch Gruppenversicherungsverträge bieten wir unter anderem kostengünstigen Versicherungsschutz für die

Selber tritt Roman Abramowitsch nicht gegen den Ball – aber als Mäzen des englischen Topclubs FC Chelsea ist er doch nahe am Geschehen dran. Und mit seiner Scheidung von Frau Irina hat der schwerreiche Oligarch in finanzieller Hinsicht den Vogel abgeschossen: Seriösen britischen Medien zufolge musste er seiner Ex mindestens 150 Millionen Pfund, fast 180 Millionen Euro, überweisen. Für Abramowitsch trotzdem kein Problem: Er soll damals 13 Milliarden Euro besessen haben.

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RAin Lea Hogrefe-Weichhan, Schönkirchen

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Unsere Gruppenversicherungspartner sind die Versicherungsunternehmen der ERGO-Gruppe (insbesondere die DKV) sowie die HDI-Versicherung AG und das Rheinische Versicherungskontor.

Für den Spruch „Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen immer die Deutschen“ wurde Englands Ex-Nationalmannschaftskapitän Gary Lineker in Deutschland berühmt. Und auch vor dem Scheidungsrichter ging Lineker nicht direkt als Sieger vom Platz: Eine Kammer sprach Ex-Frau Michelle 2006 ein Haus im Wert von 2,5 Millionen Euro sowie einen satten Unterhalt zu. Lineker soll angeblich 35 Millionen Euro besitzen.

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Vorher zum Anwalt und als Anwalt vor Abschluss einer Versicherung

AUßERHALB DER WERTUNG Roman Abramowitsch, 178 Millionen Euro

PLATZ 3 Gary Lineker, geschätzte 3,5 Millionen Euro

„Karlsruhe oder Luxemburg Hauptsache BGH!“

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Thema

Wir gewähren Hinterbliebenen unserer Mitglieder eine Sterbefallbeihilfe von derzeit Euro 1.500,-- und unterhalten einen eigenen Hilfsfonds. Wir erteilen Ratschläge in Fragen der Sozialhilfe und zur Vorsorge für den Todesfall. Der Jahresbeitrag beträgt Euro 60,--. Für das Kalenderjahr, in dem der Beitritt erfolgt, besteht Beitragsfreiheit.

Weitere Fusballsprüche findet ihr auf Seite 64.

Selbsthilfe der Rechtsanwälte e.V. Barer Str. 3, 80333 München Telefon: (089) 59 34 37 Telefax: (089) 59 34 38 E-Mail: [email protected] www.selbsthilfe-ra.de ww

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Das Multi-Orgasmus-Kondom Skurrile Urteile – Fundstücke aus der deutschen Gerichtspraxis

Zu wie vielen Orgasmen verhilft ein Kondom? Die Werbung auf der Verpackung war vielversprechend.

LG Düsseldorf: Irreführende Werbung mit bis zu 21 Höhepunkten Ein Kondom für mehr als 15 Euro – wer auf den Reiz des Verbotenen steht, Kondomverpackungen sammelt oder einfach nur skurrile Geschichten mag, kann derzeit mit den „verbotenen“ Kondomen der Marke Einhorn glücklich werden. Auch wer gern Fabeln oder Sätze wie: „Besonders geübte Träger konnten sogar für sich und ihr Liebestierchen Liebesexplosionen zaubern“ liest, dem wird dringend empfohlen, sich in die Geschichte der „Einhörner“ zu vertiefen. Das Berliner Unternehmen Einhorn vertreibt faire Kondome und warb auf der Verpackung mit dem Spruch „1 Tüte à 7 Stück entspricht bis zu 21 Orgasmen“. Dafür kassierte es vor dem LG Düsseldorf im August 2015 eine Unterlassungsverfügung. Irreführung oder nicht? Darüber befanden im November

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2015 drei Richterinnen der zuständigen Düsseldorfer Landgerichtskammer nach dem Widerspruch des Berliner Kondom-Start-Ups. „Dass es Mehrfachorgasmen gibt, war für die Richterinnen in der Verhandlung gar kein Thema“, sagt der Einhorn-Geschäftsfüher Philip Siefers und rechnet vor: „Warum sollte eine Frau bei der Verwendung eines Kondoms nicht zwei Orgasmen haben?“ Nehme man den Orgasmus des Mannes dazu, seien es drei, und bei sieben Kondomen mache das 21 Orgasmen. Und zwar trotz des vorgeschriebenen Einmal-Gebrauchs. Die Richterinnen stiegen ganz tief in die spezielle Materie der Werbung für Medizinprodukte und die Gefahren der Mehrfachnutzung von Kondomen ein. Die Einhörner in ihrer Fabel dazu: „Doch das Treiben der Erdmännchen gefiel nicht allen im Märchenwald. Besonders die erfahrene Einschlange war etwas neidisch auf den Erfolg der Erdmännchen, da Ihre Liebes-

Foto: Tim Reckmann_pixelio.de

tarnkappen nicht ganz so schön waren und damit weniger Beachtung fanden.“ Und später: „Es half alles nichts und die Erdmännchen mussten vor das Märchenwald-Gericht, bei dem die weisesten drei Eulen das Sagen hatten. Vergeblich bemühten sich die Erdmännchen, die drei Eulen zu überzeugen, dass man gar nicht wolle, dass eine Liebestarnkappe mehrmals benutzt wird. Das wäre nicht nur eklig, sondern auch nicht sonderlich lukrativ.“ Über das Urteil haben nahezu alle deutschen Medien, von Bild (Richterinnen urteilen im irren Gummi-Streit) über Spiegel Online (Ärger für Kondomhersteller: Gericht rüffelt Drei-Orgasmen-Versprechen) bis FAZ (Packungsangabe „7 Kondome für 21 Orgasmen“ unzulässig) berichtet. Auch international erregte das Urteil Aufmerksamkeit, selbst der New York Times und dem Businessportal Bloomberg war der Fall eine Schlagzeile wert.

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, Vorsprung durch Rechtsbruch Doch worum ging es in dem Streit? Auf der Rückseite dieser Kondomverpackungen finden sich zahlreiche Hinweise, u. a. unter der hervorgehobenen Überschrift „Mehrwerte“ die Aussage: „Abtropfgewicht 14 g, eine Tüte à 7 Stück entspricht bis zu 21 Orgasmen.“ Darin sah das Gericht einen Verstoß gegen die wettbwerbsrechtliche Fallgruppe des Vorsprungs durch Rechtsbruch, vgl. § 4 Nr. 11 UWG. Denn diese Werbung verstoße gegen § 4 Abs. 2 Nr. 3 Medizinproduktegesetz (MPG), welcher Schutzgesetz im Sinne des UWG sei (LG Düsseldorf Urteil v. 26.11.2015 - Az.: 14c O 124/15). Vor diesem Hintergrund wird die Entscheidung erst einmal nachvollziehbar, denn der Anhang I der Richtlinie 93/42/EWG vom 14.6.1993 auf den wiederum § 7 MPG verweist, bestimmt in Ziffer 13.1., jedem Produkt Informationen beizufügen, die - unter Berücksichtigung des Ausbildungs- und Kenntnisstands des vorgesehenen Anwenderkreises - die sichere und ordnungsgemäße Anwendung des Produktes möglich machen. Nach Ziffer 13.3 f dieses Anhangs I ist darauf hinzuweisen, dass das Produkt nur für den einmaligen Gebrauch bestimmt ist. Nach dem BGH-Urteil „Kofferschaden“ (GRUR 1983, 654) muss eine Werbung grundsätzlich so abgefasst sein, dass der Leser, der sich auf sie verlässt, nicht getäuscht wird. Zudem genügt bereits das Vorliegen einer Irreführungs- bzw. Täuschungsgefahr. Auch sind bei gesundheitsbezogener Werbung besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können, vgl. BGH GRUR 2013, 649 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil. Streitenentscheidend war vorliegend aber das Gebot des Einmalgebrauchs von Kondomen und die möglichen Gefahren, die vor allem bei jüngeren Kunden durch den flapsigen Spruch nach Meinung der Richterinnen entstehen könnten. Der Antragsteller (in der Fabel die Einschlange), der schon mehrfach gegen Einhorn vorgegangen ist und ebenfalls mit „alternativen“ Kondomen handelt, hatte u. a. ein Schreiben der Aidshilfe NRW vorgelegt, das anhaltend hohen Aufklärungsbedarf zur richtigen Anwendung von Kondomen bescheinigt und damit die mehrfache Verwendung eines Kondoms als nach wie vor einen der häufigsten Fehler bei seiner Benutzung belegt. In der Urteilsbegründung heißt es: „Die angegriffene Aussage ist nach ihrem Wortlaut mehrdeutig. Es ist unklar, wessen Orgasmen gemeint sind, ob ausschließlich die des Verwenders, also des Mannes, ausschließlich die des Sexualpartners oder sowohl

die des Verwenders als auch die des oder der Sexualpartner“. Es bestehe mithin durchaus die Gefahr, dass mit dem Umgang von Kondomen nicht vertraute und überdies nicht aufgeklärte Jugendliche, die einen nicht ganz unbedeutenden Teil des Abnehmerkreises von Kondomen darstellen, die Aussage dahin fehlinterpretieren könnten, dass das Kondom mehrfach – nämlich bis zu dreimal – verwendet werden könne. Kondome enthalten auch Spuren von Feenstaub Über seinen Gegner sagt Philip Seifers: „Er war mit seinem Geschäft so eine Art Vorbild für uns.“ Das ist jetzt anders. „Ich vermute, dass wir nur verklagt wurden, um Kosten zu produzieren und ums uns das Leben schwer zu machen. Das ist ja ein beliebtes Mittel, um neue Wettbewerber klein zu halten.“ Auch die Verpackung insgesamt, auf der es weitere lustige Sprüche wie „Kann Spuren von Feenstaub enthalten" oder eine „Mehrwertetabelle" mit Angaben zum Kalorienverbrauch gab, half den Einhörnern nicht. Denn: „Angesichts dieser Kombination von einerseits ernst zu nehmenden Angaben und andererseits eher lustigen Angaben, ist für den angesprochenen Verbraucher jedenfalls nicht bei einer unbefangenen Betrachtung der „Mehrwerttabelle" auf Anhieb klar, dass mit der angegriffenen Aussage lediglich humorvoll das sensible Thema der multiplen Orgasmen angesprochen werden soll.“ Auf der Verpackung fanden sich auch seriöse Hinweise zur Produktbeschaffenheit und ein Hinweis darauf, dass die Hälfte des Gewinns an gemeinnützige Projekte abgeführt werde. einheitliches Einmalgebrauchsymbol

Richterinnen kritisieren EU-Symbol für Einmalgebrauch Richtig spannend wird der Fall jedoch durch die Verwendung der vorgeschriebenen Hinweise für den Einmalgebrauch sowie die Packungsbeilage: In der Europäischen Gemeinschaft ist das Zeichen einer eingekreisten und durchgestrichenen „2“ das einheitlich benutzte Einmalgebrauchsymbol (siehe Grafik). Dies kann grundsätzlich zur Kennzeichnung eines Einmalproduktes ausreichend sein. Auf der strittigen Kondomverpackung war das Zeichen auch angebracht. Doch die Richterinnen meinten hierzu:

„Allgemeinverständlich ist es – wie die Kammer aus eigener Anschauung zu beurteilen vermag - indes nicht und deshalb auch nicht geeignet, eine einmal hervorgerufene Gefahr der Irreführung zu beseitigen.“ Damit stellt das Gericht die EU-Symbole in einem Nebensatz mal eben komplett in Frage und schafft eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Das vorgeschriebene Warnsymbol genügt demnach als Hinweis nicht. Weiter heißt es: Auch der Hinweis in der Packungsbeilage sei nicht zu einer entsprechenden Aufklärung geeignet, da schon nicht hinreichend sichergestellt sei, dass jeder Nutzer diesen vor der Benutzung zur Kenntnis nehme. Das liest sich für den Verfasser dieser Zeilen „zurechtbegründet“ und könnte sicherlich auch anders gesehen werden. Leider wird dieses Problem in der zweiten Instanz wohl nicht aufgeklärt werden. Wie Einhorn auf unsere Anfrage mitteilte, hat das Unternehmen das Urteil akzeptiert. Die Entscheidung ist damit rechtskräftig. Doch nicht nur die Werbung des Berliner KondomStart-Ups ist ungewöhnlich. Vision des Unternehmens ist es, Design und Fairstainability auch in der Geschäftswelt der Kondomhersteller durchzusetzen. Finanziert wurde das Start-Up teilweise mittels Crowdfunding. Der Kautschuk für die Produkte solle möglichst fair gehandelt sein und 50 Prozent der Gewinne sollen an gemeinnützige Zwecke gehen. Der Umgang mit dem Gerichtsverfahren ist es ebenfalls. Über das Verfahren schrieb das Unternehmen die eingangs erwähnte Einhornfabel und veröffentliche diese auf ihrer Internetseite – auch das ist eine Art Rechtskultur. Unter der Überschrift „Orgasmus Demo und Landgericht Düsseldorf“ zeigen sie überdies Fotos von ihrer Aktion vor dem Gericht. Am Ende der Einhorn-Fabel heißt es: „Aufgrund eines Gendefekts sehen Erdmännchen generell alles positiv, sind keinem böse und können über alles kichern, vor allem über sich selbst.“ Wir kichern gern ein bisschen mit. Weiter heißt es: „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann verteilen sie immer noch fleißig Liebestarnkappen im Märchenwald und wer weiß, vielleicht sind die Einschlange und die Erdmännchen ja inzwischen beste Freunde, denn so unterschiedlich sind sie am Ende gar nicht ...“ Die Fabel wurde inzwischen bei ebay weitergeschrieben. Dort bot der Verkäufer sfmm-fan aus Kreuztal „VERBOTENE Kondome der Marke EINHORN“ für 100 Euro pro 7er-Packung zzgl. Versand an. Mehr als das zehnfache des ursprünglichen Preises. Den weisen Eulen sei Dank für dieses Sammlerstück! RA Tobias Sommer, Berlin

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Unser Gericht des Monats Amtsgericht Charlottenburg Das Amtsgericht Charlottenburg ist mehr als nur ein erstinstanzliches Zivilgericht. Es ist zugleich Registergericht und Insolvenzgericht für Berlin. Hier arbeiteten im jahr 2003 etwa 450 Mitarbeiter, davon 55 Richter. Als eines der wenigen deutschen Amtsgerichte ist es auch ausschließlich zuständig für Urheberrechtsstreitigkeiten. Das macht sich für spezialiserte Anwälte wohltuend bemerkbar, da die Amtsrichter durch die Häufigkeit der Fälle eine Kompetenz erwerben, die es in anderen Amtsgerichten in dieser Dichte nicht gibt. Das denkmalgeschützte, im Stil des „märkischen Barocks“ ab 1895 erbaute Gerichtsgebäude nimmt einen gesamten Block ein und steht am: Amtsgerichtsplatz. Das Urteil, mit dem die Richter es im Google-Ranking auf die vordersten Plätze geschafft haben, stammt vom 11.5.2015, Az: 235 C 133/13 : „Berliner Mietspiegel kein qualifizierter Mietspiegel“. RA Tobias Sommer

Foto: Andrea Vollmer

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Recht im Film auf der Berlinale 2016 – Teil 1 Todesstrafe, lex talionis und wie Irrtümer über das Recht entstehen

Die Berlinale ist ein Schaufenster für fremde Filmwelten. Sie gewährt auch Einblicke in juristische Realitäten rund um den Globus - diesmal u. a. zur arabischen „lex talionis“ (Auge um Auge) über die Strafverteidigung mittels Sachverhaltsgestaltung durch einen chilenischen Starverteidiger, den Werdegang des kriminellen Serienanwalts Saul Goodman bis hin zur Todesstrafe (in Südafrika, Indonesien bzw. der damaligen CSSR), die gleich in mehreren Filmen thematisiert wurde. Wenig überraschend wurden auf dem politischsten aller Filmfestivals auch zahlreiche Menschenrechtsfilme gezeigt. Der Hauptpreis ging an die italienische Flüchtlings-Dokumentation Fuocoammare des Regisseur Gianfranco Rosi. Berlinale-Chef Dieter Kosslick hatte „Das Recht auf Glück“ zum Motto dieser Berlinale erhoben. In vielen Filmen tauchen Rechtsthemen nur am Rande auf, oft sind sie wichtig, um einen Konflikt zuzuspitzen oder die Geschichte voranzutreiben und haben damit eine dramaturgische Funktion. Manchmal sind es gar Schlüsselszenen in den Filmen. Gerade die geregelte Konfliktträchtigkeit des inszenierten Rechts, bei der viel Vorwissen beim Zuschauer genutzt werden kann, bietet sich oft an, um Themen

zeitsparend in einen Film einzuführen oder Konflikte zuzuspitzen. In Filmen wie Remainder oder Kollektivet sind Anwälte nur in kleinen Nebenrollen zu sehen, doch auch an solchen Stellen wird ganz nebenher einiges über das Rechtssystem und den Berufsstand der Anwälte erzählt.

Anwälte haben Büroklammern aus Gold In dem dänischen Film Kollektivet ist ein Anwalt der Überbringer einer glücklichen Botschaft, mit der der Film beginnt, er übergibt die Schlüssel zu dem frisch geerbten Haus. Die Botschaft auf einer unterschwelligen Ebene: Im ganz normalen Leben scheint es nicht ohne Anwälte zu gehen. Später wird in dem Haus eine Kommune gegründet. Das Haus wird teilweise überschrieben. Es ertönt die Warnung, dass dann das Haus tatsächlich überschrieben wird. Das kommt der Wirklichkeit und der gesetzgeberischen Idee zur Warnfunktion bei großen Vermögenswerten sehr nahe. Oder es werden Klischees bedient, wenn Polizisten in Remainder einen Anwalt befragen, dabei mit einer Büroklammer spielen und wissen wollen ob diese aus Gold sei. Der Anwalt bestätigt dies und schenkt sie dem Polizisten. Eine Büroklammer

aus Gold ist ein neues und starkes Bild, um einen Anwalt zu charakterisieren. In dem ansonsten eher kargen Büro wird Wert auf Details gelegt. Zudem kann sich der Anwalt teure Utensilien leisten für seine Arbeit. Und er kann sie sogar der Polizei überlassen. Edler, überflüssiger Luxus. Der Film Antes o tempo nao von Fábio Baldo und Sérgio Andrade erzählt von einem indigenen Stamm im Amazonasgebiet. Die Traditionen der Ureinwohner treffen in der Millionenstadt Manaus auf die Moderne. Der indigene Protagonist ist auf der Suche nach sich selbst und will sich von den Traditionen abgrenzen. In dem Film gibt es eine kurze Szene, in der er einen brasilianisch-bürgerlichen Namen annehmen will. Ein Verwaltungsakt, der eigentlich nur organisiert werden muss. In der Beratungsstelle wartet er darauf, aufgerufen zu wurden. Um einen Tisch sitzen dort einige Leute und sagen Sätze wie: „Nur weil du in der Stadt lebst, verlierst du deine Rechte als Indianer nicht.“ oder „Du kannst einen Counselor konsultieren.“ – eigentlich eine Selbstverständlichkeit, doch hier schwingt viel Unwissenheit mit. Offenbar wissen viele Nachkommen der Ureinwohner gar nicht, dass sie sich beraten lassen können, dass sie Rechte haben und sich verteidigen oder rechtlich etwas er-

Im Film „Auf Einmal“ ist in einer deutschen Kleinstadt zunächst einmal alles in Ordnung. Protoypisch: Der Festtagsschmaus bei den Eltern.

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reichen können. Gleichzeitig liegt darin auch Kritik an dem bestehenden System. Hier ist der Protagonist schon einen Schritt weiter, er holt sich die Unterstützung, die er benötigt. Der Dokumentarfilm Zona Norte von Monika Treut zeigt ebenfalls Bilder aus Brasilien, u. a. aus den von Kriminellen beherrschten Favelas. Hier gibt es eine mobile Rechtsberatungsstelle, es ist die Arbeitsstelle einer Protagonisten. Sie putzt dort. In dem Bus werden Ehepapiere ausgestellt, Scheidungen durchgeführt usw. – das ganz normale Recht eben. Wenn die Bevölkerung nicht zum Recht kommen kann, wird das Recht zu den Menschen gebracht. Tempestad von Tatiana Huezo ist ein Reisefilm, basierend auf wahren Begebenheiten und schier unglaublichen Zuständen im mexikanischen Strafvollzug. Eine Flughafenmitarbeiterin wird zu Unrecht festgenommen, ihr beigeordneter Anwalt erklärt ihr, das man da nichts machen könne, sie sei Opfer politischer Willkür, da etwas gegen den Menschenschmuggel unternommen werden müsse. Sie war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Sie kommt in ein Privatgefängnis, das – ausgerechnet - vom „Kartell“ betrieben wird. Bei ihrer Ankunft muss sie ersteinmal 5.000 USD zahlen, damit sie überhaupt am Leben bleibt. Danach sind es 500 USD pro Woche. Irgendwann wird sie einfach freigelassen, da es doch keine Beweise gibt. Ihr Leben ist runiert. In stillen, teils poetischer Bildern von ihrer Heimreise wird die Geschichte erzählt, ein spannendes filmisches Experiment. Aus juristischer Sicht ein einzige Anklage an das mexikanische Strafsystem.

In dem Wettbewerbsbeitrag Soy Nero von Rafi Pitts, der durch die Szene in der über den amerikanischmexikanischen Grenzzaun Volleyball gespielt wird in Erinnerung bleibt, zitiert ein junger Flüchtling sogar US-amerikanische Gesetze. Er hofft darauf, dass er eine Green Card erhält, wenn er für die USA in den Krieg zieht. So steht es im Dream Act, über den sich im Film sogar eine Diskussion entspinnt, vor allem, weil sein Gesprächspartner das Gesetz mit dem Patriots Act verwechselt. Doch der Flüchtling hat das Gesetz offenbar missverstanden oder nicht richtig gelesen – der Film ist all jenen gewidmet, die im Vertrauen auf das Gesetz für die USA gekämpft haben und dann doch nicht eingebürgert wurden, und er ist damit auch als Anklage gegen dieses System und den politisch umstrittenen Dream Act zu verstehen.

„Das war vielleicht richtig, aber nicht rechtens.“ Der deutsche Film Auf einmal von Aslı Özge zeigt, wie das Recht in einer deutschen Kleinstadt funktionieren kann. Der Protagonist führt ein geordnetes Leben mit Freundin, Grillevent und Job in einer Bank. Doch dann passiert ein Unglück, er muss kämpfen und verliert seine Unschuld. Bank, Kirche, Familie, Gericht, Polizei - viele Institutionen, die für ein typisch deutsches Kleinstadtleben wichtig sind, kommen in dem Film vor. Der Anwalt ist natürlich ein Bekannter und wird geduzt. Er ist zurückhaltend und will Mut machen, eine richtig gute Figur macht er jedoch nicht, auch, weil er vielleicht noch ein bisschen zu jung ist. Das rechtliche Prozedere wird

Auch Serienanwalt Saul Goodman alias Jimmy McGill (Bob Odenkirk) war auf der Berlinale präsent.

für die Dramatisierung genutzt. Aus einem kleinen Fehler kann durch einen Gerichtsprozess für den Protagonisten ein Supergau werden. Statt sofort einen Krankenwagen zu rufen, lief er direkt zum Krankenhaus, um Hilfe holen. Doch das ist geschlossen und damit dauert es länger bis die Hilfe kommt. Zu lange? Inzwischen ist seine Besucherin gestorben und der Staatsanwalt tritt auf den Plan. Durch den drohenden Prozess gerät sein Leben in Schieflage. Der Film klagt dabei das typische Verhalten der Akteure in einer heilen Kleinstadtwelt an: Sein Arbeitgeber – eine Bank – nimmt ihn erst einmal aus der Schusslinie und versetzt ihn in den Keller. Die Freunde wenden sich ab, die Freundin verlässt ihn, ihm droht eine empfindliche Strafe und es gibt Krach in der Familie. In dem Fall, der hier verhandelt wird, geht es um Kausalität und Zurechnung. Letztlich kommt es auf ein Gutachten an, welches klären soll, ob eine Rettung bei richtigem Verhalten überhaupt möglich gewesen wäre. Ein Nebenkläger tritt auf, drei Richter sitzen auf dem Podest, ein Staatsanwalt wird nicht gezeigt. Es bleibt unklar, was genau hier verhandelt wird – dem Zuschauer wird aber deutlich gemacht, dass es ernst ist. Die Besetzung der Kläger- bzw. Anklagebank wirft prozessesuale Fragen auf. Dort sitzen eine Person in Robe und zwei weitere Personen - die Nebenkläger mit ihrer Anwältin. Fehlt hier der Staatsanwalt oder ist es doch ein Zivilprozess? Später zieht der Vater des Opfers seine „Klage“ zwar zurück (hat der Zuschauer das jetzt schon gesehen?), der Protagonist stellt aber fest, „... es ist noch nicht zu Ende.“. Das Strafverfahren läuft ja noch. Fotos v. l. n. r.: Emre Erkmen, action press

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In den Bildern gibt es neben Roben und Anwaltsgesprächen zahlreiche bildliche Hinweise auf rechtliche Vorgänge, gelbe Briefe kommen per Post, auf dem Tisch liegt ein Schönfelder, das Gerichtsgebäude wird – ein poetisches Rechtsbild – im Nebel gezeigt. Es fällt der rechtsphilosophisch denkwürdige Satz: „Das war vielleicht richtig, aber nicht rechtens.“ Eine weitere Lehre des Films ist: Recht kann erst einmal unberechenbar sein, es kann aber beherrschbar werden, wenn man sich zu wehren weiß.

gefahren ist, und der sich widerwillig in die vom Anwalt geschaffene Zwangslage fügt. Die Westen der Mächtigen bleiben damit erst einmal sauber. Interessant wäre hier ein wahrhaftiger Fim darüber, wie es mit diesem realen Fall weiterging und welche realen Konsequenzen die reale Inszienierung hatte.

Der Fall, der hier gezeigt wird, ist frei erfunden, doch im Abspann des Films wird ein rechtlicher Berater genannt, der nach Auskunft der Regisseurin am Drehbuch mitgearbeitet hat. Es geht um strafrechtliche Feinheiten, ohne die die Geschichte nicht richtig funktionieren würde, u. a. den Fakt, wie lange ein Krankenwagen bis zur Einsatzstelle benötigt. Da ist eine solche Mitwirkung nachvollziehbar und sinnvoll. Doch bei der Umsetzung des Films hat dann offenbar die juristische Fachkenntnis gefehlt. Der Film, dem es gar nicht um die rechtlichen Feinheiten geht, funktioniert trotzdem. Die türkischstämmige Regisseurin legt den Finger in die Wunden einer deutschen Kleinstadt und zeigt den Wandel eines Menschen, der sich durch äußere Umstände motiviert gegen das System stemmt, seine Unschuld verliert und dann das System pervertiert und damit vorführt.

Wie bereits im vergangenen Jahr nutzte die USamerikanische Vermarktungsmaschine die Aufmerksamkeit des größten Publikumsfestivals der Welt um die Anwaltsserie Better call Saul zu bewerben. Das Prequel zum Publikumsrenner Breaking Bad zeigt die Entwicklung des Anwalts Saul Goodman (Kunstname) vom erfolglosen Hinterhofanwalt zum skrupellosen, aber erfolgreichen Gelwäscher für den Drogenboss Walter White. In der ersten Folge der zweiten Staffel, die auf der Berlinale ihre Deutschlandpremiere hatte, wird aber kein echter Fall gezeigt. James Mc Gill betritt zwar ein Gericht, jedoch nur um gegenüber seinen dort wartenden Kollegen ein lukratives Jobangebot auszuschlagen. Wenig später reißt er sogar das Schild an der Tür zu seinem Anwaltsbüro, das sich im Hinterzimmer eines Schönheitssalons befand, ab. Bereits in Breaking Bad hängt er seinen Anwaltsjob an den Nagel, dort taucht er unter falschem Namen unter.

Der chilenische Film Aqui no ha pasado nada des Regisseurs Alejandro Fernández Almendras ermöglicht eine Reflektion über die Inszenierungs- und Manipulationsmöglichkeiten des Rechts. Rekonstruiert wird ein wahrer Fall, der in Chiles Medien hohe Wellen schlug, und der die Auswirkung korrupter Machtstrukturen auf Recht und Gesetz anprangert. Inszeniert wird hier, wie das Recht einst tatsächlich inszeniert wurde. Der Film wurde mit Hilfe einer Spendenkampagne finanziert. Die juristische Botschaft: Mit einem guten Anwalt findet man immer eine Lücke im System. In dem Film ist es der clevere Anwalt Barria, der den Sachverhalt gestaltet und die Beteiligten beeinflusst. Bei einem Autounfall wird der Vater von drei Kindern von einer Partygang aus der „Upperclass“ überfahren, doch niemand leistet Hilfe. Obwohl der Protagonist Vicente nicht am Lenkrad saß, gilt er bald als der Schuldige. Er hatte den Unfall in seinem Rausch auf dem Rücksitz nicht einmal bemerkt. Er wehrt sich, sein Vater und sein Onkel sind selbst Anwälte. Doch der Täter, Sohn eines der mächtigsten Männer Chiles, sitzt am längeren Hebel und hat den besseren Anwalt. Dieser ist skrupellos, manipuliert und lügt für seine Mandanten. Doch das wird in dem Film von anderen Anwälten als gute Anwaltsarbeit benannt, als clever, weil er immer eine Lösung findet. Dem Anwalt gelingt es, die Beteiligten zu verunsichern und zu bestechen, die Täterschaft abzuwälzen und das Gericht mit einem falschen Sachverhalt auszutricksen, sodass es am Ende trotz der schweren Tat nur eine geringe Strafe gibt – für Vicente, der gar nicht

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Das Vorleben des schmierigen „Breaking Bad“-Anwalts

Hier nimmt sich Anwalt Mc Gill zunächst eine Auszeit. Er nimmt einen Vermögensverwalter aus, indem er sich auf dessen Kosten 50 Doller teure Tequillas servieren lässt und findet – auf einer Luftmatratze im Swimming Pool treibend, das Mobiltelefon in einem Plastiktütchen wasserdicht verpackt – schon das nächste Opfer. Der Anwalt in Breaking Bad ist ein Krimineller. Die Serie Better call Saul folgt der gleichen Grundidee wie die Serie um den Chrystal Meth kochenden Chemielehrer mit Krebs: Warum übertritt ein Mensch die ihm bekannten Grenzen der Legalität? „Alles hat entweder einen Preis oder eine Würde. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes als Äquivalent gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde.“ Das schreibt Immanuel Kant in seinem Werk „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“. Aus dem Ausspruch „All those men have their price“, die dem ersten britischen Premierminister Robert Walpole (1676-1745) zugeschrieben werden, ist über die Jahre das geflügelte Wort „Jeder hat seinen Preis“ (bei dem er schwach wird) bzw. „Jeder ist käuflich“ geworden. Und jetzt kommt also Saul Goodman und gibt diesem in der Anwaltswelt ein Gesicht. Bei welcher Summe wird ein Anwalt schwach? Am Ende der ersten Staffel von Better call Saul hatte Jimmy noch das moralisch Richtige getan: Er hat die gestohlenen Millionen, die er mit dem späterem Partner Walter Whites bei einem Mandanten gefunden hat (im Film:

Mike Ehrmantraut) zurückgegeben. In einem kurzen Gespräch mit dem Parkplatzwächter und späteren Drogenboss Ehrmantraut trauert er dieser verpassten 800.000 USD-Chance nun nach. „Ich würde gerne einen Saul-Goodman-Spin-off sehen. Mir gefällt die Idee einer Anwaltsserie, in welcher der Anwalt alles Mögliche versucht, um einem Gericht fernzubleiben. Er würde noch auf den Stufen zum Gerichtsgebäude einen Vergleich abschließen – was immer auch nötig ist, um dem Gerichtssaal fernzubleiben. Das wäre lustig, mir würde das gefallen“, – so wird der Produzent des Spinoffs Vince Gilligan auf Wikipedia zitiert. Den lukrativen Job, den der windige Hinterhofadvokat als Dank für seine Vorarbeit zur Sammelklage von der seriösen Kanzlei angeboten bekommt, tritt er doch an. Ein Mitarbeiter ist dort eigens für die individuelle Ausstattung der Büros und das materielle Wohlbefinden das Anwalts zuständig. Der sonst so coole Saul Goodman ist irritiert, er passt nicht in das Klischee. Dieses ist bereits vorher klargestellt, als eine Anwältin schnell los muss, weil sie pünktlich sein will, um nicht beim Dokumentenreview zu landen, sondern eine interessantere Arbeit zu übernehmen.

Der Artikel wird in der folgenden Ausgabe mit einem zweiten Teil und den Filmen: Curumim / Lantouri / Shepards and Butchers / Ja, Olga Hepnarova – allesamt zum Thema Todesstrafe – fortgesetzt. RA Tobias Sommer, Berlin

Wann und Wo? Die Serie Better call Saul gibt es auf Netflix. Die Serien der Staffel 2 werden im Wochenrhythmus freigeschaltet. Weitere Infos im Stil einer absichtlich schlecht gemachten Anwaltswebsite mit dem Schlagwort „Welcome Lawbreakers“ unter: www.bettercallsaul.com. Sehenswert: Die satirischen Werbevideos. Im März 2016 wurde bekannt, dass es eine dritte Staffel mit weiteren zehn Folgen geben soll. Der Kinostart des Films Auf Einmal ist für den 6.10.2016 angekündigt

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y Gedicht des Monats Der Prozeß Ja, Prozesse müssen sein! Gesetzt, sie wären nicht auf Erden, Wie könnt alsdann das Mein und Dein Bestimmet und entschieden werden? Das Streiten lehrt uns die Natur. Drum, Bruder, recht' und streite nur. Du siehst, man will dich übertäuben; Doch gib nicht nach, setz' alles auf, Und laß dem Handel seinen Lauf; Denn Recht muß doch Recht bleiben. „Was sprecht Ihr, Nachbar? Dieser Rain, Der sollte, meint Ihr, Euer sein? Nein, er gehört zu meinen Hufen.“ „Nicht doch, Gevatter, nicht, Ihr irrt; Ich will Euch zwanzig Zeugen rufen, Von denen jeder sagen wird, Daß lange vor der Schwedenzeit —“ „Gevatter, Ihr seid nicht gescheit! Versteht Ihr mich? Ich will Euch's lehren, Daß Rain und Gras mir zugehören. Ich will nicht eher sanfte ruhn; Das Recht, das soll den Ausspruch tun.“ So saget Kunz, schlägt in die Hand Und rückt den spitzen Hut die Quere. „Ja, eh' ich diesen Rain entbehre, So meid' ich lieber Gut und Land.“ Der Zorn bringt ihn zu schnellen Schritten, Er eilet nach der nahen Stadt. Allein, Herr Glimpf, sein Advokat, War kurz zuvor ins Amt geritten. Er läuft, und holt Herrn Glimpfen ein. Wie, sprecht ihr, kann das möglich sein? Kunz war zu Fuß, und Glimpf zu Pferde. So glaubt ihr, daß ich lügen werde? Ich bitt' euch, stellt das Reden ein, Sonst werd' ich, diesen Schimpf zu rächen, Gleich selber mit Herrn Glimpfen sprechen. Ich sag es noch einmal, Kunz holt Herr Glimpfen ein, Greift in den Zaum, und grüßt Herr Glimpfen. „Herr!“ fängt er ganz erbittert an, „Mein Nachbar, der infame Mann, Der Schelm, ich will ihn zwar nicht schimpfen; Der, denkt nur, spricht, der schmale Rain, Der zwischen unsern Feldern lieget, Der, spricht der Narr, der wäre sein. Allein den will ich sehn, der mich darum betrüget.“ „Herr“, fuhr er fort, „Herr, meine beste Kuh, Sechs Scheffel Haber noch dazu! (Hier wieherte das Pferd vor Freuden.) O dient mir wider ihn, und helft die Sach entscheiden.“

Foto: Andrea Vollmer

„Kein Mensch“, versetzt Herr Glimpf, „dient freudiger als ich. Der Nachbar hat nichts einzuwenden, Ihr habt das größte Recht in Händen; Aus Euren Reden zeigt es sich. Genug, verklagt den Ungestümen! Ich will mich zwar nicht selber rühmen, Dies tut kein ehrlicher Jurist; Doch dieses könnt Ihr leicht erfahren, Ob ein Prozess, seit zwanzig Jahren, Von mir verloren worden ist? Ich will Euch Eure Sache führen, Ein Wort, ein Mann! Ihr sollt sie nicht verlieren.“ Glimpf reitet fort. „Herr“, ruft ihm Kunz noch nach, „Ich halte, was ich Euch versprach.“ Wie hitzig wird der Streit getrieben! Manch Ries Papier wird vollgeschrieben. Das halbe Dorf muss in das Amt; Man eilt, die Zeugen abzuhören, Und fünfundzwanzig müssen schwören, Und diese schwören insgesamt, Daß, wie die alte Nachricht lehrte, Der Rain ihm gar nicht zugehörte. Ei, Kunz, das Ding geht ziemlich schlecht! Ich weiß zwar wenig von dem Rechte; Doch im Vertraun geredt, ich dächte, Du hättest nicht das größte Recht. Manch widrig Urteil kömmt; doch laßt es widrig klingen! Glimpf muntert den Klienten auf: „Laßt dem Prozesse seinen Lauf, Ich schwör Euch, endlich durchzudringen, Doch - Herr, ich hör es schon; ich will das Geld gleich bringen.“ Kunz borgt manch Kapital. Fünf Jahre währt der Streit; Allein, warum so lange Zeit? Dies, Leser, kann ich dir nicht sagen, Du musst die Rechtsgelehrten fragen. Ein letztes Urteil kömmt. O seht doch, Kunz gewinnt! Er hat zwar viel dabei gelitten; Allein was tut's, daß Haus und Hof verstritten, Und Haus und Hof schon angeschlagen sind? Genug, dass er den Rain gewinnt. „O“, ruft er, „lernt von mir, den Streit aufs höchste treiben, Ihr seht ja, Recht muss doch Recht bleiben!“

Christian Fürchtegott Gellert (1715 bis 1769) Deutscher Dichter & Moralphilosoph der Aufklärung, galt zu Lebzeiten als einer meistgelesenen deutscher Schriftsteller.

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Wie werde ich ihn wieder los? Was bei der Mandatsniederlegung alles zu beachten ist

Der Anwalt ist grundsätzlich seinem Mandanten gegenüber verpflichtet, diesen vor Rechtsverlusten zu schützen. Dass bedeutet, dass der Anwalt seinem Mandanten gegenüber mitteilen muss, dass Fristen laufen. Ist beabsichtigt, das Mandant zum Ablauf einer Frist zu kündigen, muss zunächst zugunsten des Mandanten Fristverlängerung beantragt werden, um dem Mandanten zu ermöglichen, noch einen anderen Anwalt mit der Angelegenheit zu beauftragen.

„Dem Anwalt ist es versagt, kurz vor einem Verhandlungstermin die Fortführung des Mandats von der Zahlung eines weiteren Honorars abhängig zu machen.“ Wer kennt das nicht. Der am Anfang so nette Mandant stellt sich doch als Querulant dar, ist absolut beratungsresistent, schwer von Begriff oder man kann es ihm einfach nicht recht machen. So ist schnell das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant gestört, und man stellt sich die Frage: „Wie werde ich ihn wieder los?“ Was ist zu beachten und kann man das Mandat immer niederlegen, wie es so schön heißt?

Kündigung ist grundsätzlich jederzeit möglich Erst einmal ist der Anwaltsvertrag ein klassischer Dienstvertrag gemäß der Paragrafen 611, 627 Abs. 1, 675 BGB. Will der Anwalt das Mandat, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr bearbeiten, weil die Chemie nicht mehr stimmt, oder oder oder … wird allgemein sprachlich unter Anwälten die Begrifflichkeit der Mandatsniederlegung gebraucht. Das Mandat als solches wird aber nicht niedergelegt, es wird gegenüber dem Mandanten gekündigt. Gegenüber dem Gericht wird angezeigt, dass das Mandat niedergelegt wurde. Ein Mandatsverhältnis als Anwaltsvertrag = Dienstvertrag ist grundsätzlich jederzeit kündbar. Wichtig ist, dass der Mandant die Kündigung als einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung auch erhalten hat, sie ihm also zugegangen ist. Ist ein Gerichtsverfahren anhängig, ist gegenüber dem Gericht dann schriftsätzlich zu erklären, dass das Mandat niedergelegt wurde.

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Aufgepasst werden muss auch dann, wenn das Mandat nach Beendigung einer Instanz gekündigt wird, aber der Mandant noch die Möglichkeit hat, Rechtsmittel einzulegen. Dann muss der Anwalt seinen Mandanten darüber informieren, welche Fristen laufen und welche Maßnahmen wie zu erheben wären. Eine darüber hinausgehende anwaltliche Beratung im Sinne einer Sachverhaltseinschätzung besteht aber nicht mehr.

Kündigung durch den Mandanten Natürlich kann auch der Mandant den Anwaltsvertrag jederzeit kündigen. Ihm bleibt es unbenommen, sich einen neuen Anwalt zu nehmen, beziehungsweise ist er in den Fällen mit Anwaltszwang gar gezwungen, sich einen neuen Anwalt zu nehmen, um den Ausgang der Sache nicht zu gefährden. Was einige Mandanten dann nicht wahrhaben wollen ist, dass der Anwalt bis zu dem Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme grundsätzlich auch zu vergüten ist.

Beratungshilfe Bei einem Beratungshilfemandant sind die Besonderheiten zu beachten, wonach ein solches Mandat grundsätzlich von vornherein nicht abgelehnt werden bzw. nur unter den engen, in Paragraf 16a BORA genannten Voraussetzungen, beendet werden kann. Gründe, die in Paragraf 16a BORA genannt werden, sind beispielsweise Erkrankungen, wobei ein Schnupfen nicht ausreicht. Aber beispielsweise auch, dass der beratungsbedürftige Mandant die für die Mandatsbearbeitung erforderliche Mitarbeit verweigert.

Prozesskostenhilfe Erhält der Anwalt nach Kündigung des Mandates noch an ihn erfolgte Zustellungen, hat er diese an seinen ehemaligen Mandanten weiterzuleiten.

Keine Kündigung zur Unzeit Eine Kündigung darf nur nicht zur Unzeit erfolgen (§ 627 Abs. 2 Satz 1 BGB). Bei einem Anwaltsvertrag liegt eine Kündigung zur Unzeit dann vor, wenn sie zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Mandant nicht mehr in der Lage ist, sich die notwendigen Dienste eines anderen Anwalts zu besorgen. In einem vor dem BGH verhandelten Fall bei dem es um die Kündigung zur Unzeit ging, hatte der Anwalt mit einer Mandatsniederlegung kurz vor dem Aufruf der Sache seinem Mandanten gegenüber gedroht, das Mandat nicht mehr fortzuführen (BGH IX ZR 138/11). Hintergrund waren offene Honorarzahlungen. Der BGH hat entschieden, dass es einem Anwalt versagt ist, kurz vor einem Verhandlungstermin die Fortführung des Mandats von der Zahlung eines weiteren Honorars abhängig zu machen.

Anders als bei der Beratungshilfe, bei der der Anwalt die Beratung oder Vertretung nur in den oben genannten engen Grenzen ablehnen darf, darf der Anwalt bei einem Prozesskostenhilfemandat grundsätzlich ein Mandat ablehnen, wenn er erkennt, dass der Mandant das Verfahren nur nach bewilligter Prozesskostenhilfe führen kann. Ist der Anwalt der Partei allerdings beigeordnet (§ 48 BRAO), muss er die Vertretung in dem gerichtlichen Verfahren übernehmen. Hat der Anwalt den Prozesskostenhilfeantrag für seinen Mandanten gestellt, dann ist auch davon auszugehen, dass er die Vertretung im Wege der Beiordnung übernehmen wird. Wird die Prozesskostenhilfe allerdings abgelehnt, kann der Anwalt wiederum die weitere Vertretung in dem Prozess von der Zahlung eines angemessenen Vorschusses abhängig machen. Im Ergebnis heißt es daher: Augen auf, wenn doch mal ein Mandat vorzeitig beendet werden muss. RAin Nadine Passenheim, Celle

Foto: S. Hofschlaeger_pixelio.de

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Was wollt Ihr verdienen? Zwei neue Studien: Chancen auf hohe Einkommen sind hoch

Chefjuristen verdienen mehr und bei den Einstiegsgehältern für Anwälte geht die Schere am weitesten auseinander. Während die Unternehmensanwälte in leitender Position gut 160.000 Euro im Schnitt erzielen, muss fast ein Drittel der Berufseinsteiger mit weniger als 32.000 Euro auskommen. Auf der anderen Seite gilt: Die Chancen auf ein besonders hohes Einkommen sind bei Anwälten besonders hoch. Das sind die Ergebnisse von zwei neuen Studien, die auf Befragungen der betroffenen Berufsträger beruhen. Dem Soldan Institut standen 230 Anwälte Rede und Antwort, die im Jahr 2010 eine Vollzeitstelle angetreten haben. Fast jeder Vierte verdient danach im ersten Anwaltsjob zwar mehr als 60.000 Euro im Jahr. Doch ernüchternd ist: Fast jeder Dritte hatte weniger als 32.000 Euro auf dem Lohnzettel. Nach einem Vergleich mit Ergebnissen einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung, an der 1.815 Akademiker teilnahmen, deren Berufseinstieg zwischen 2009 und 2012 lag, sind Anwälte im Schnitt bei Weitem keine Spitzenverdiener. Im ersten Berufsjahr erzielen Elektro-, Wirtschafts- und Maschinenbauingenieure ein zwischen 10 und 25 Prozent höheres mittleres Einstiegsgehalt. Etwa gleich viel verdienen Betriebswirte (+1 Prozent) und Psychologen (-4 Prozent), deutlich weniger Volkswirte (-12 Prozent), Sozialpädagogen (-26 Prozent) und Architekten (-34 Prozent). Auch der Vergleich der Juristen untereinander ist aufschlussreich. „Absolventen, die nicht in die Anwaltschaft gehen, sondern Richter, Staatsanwalt oder Unternehmensjurist werden, verdienen zu Beginn ihrer Karriere geringfügig mehr als Kommilitonen, die sich für den Anwaltsberuf entscheiden (+4 Prozent)“, heißt es in der Presseerklärung zur Soldan-Studie. Das ermittelte Durchschnittseinkommen verdienten gerade mal 20 Prozent der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte eines ausgewählten Zulassungsjahrgangs. Zum Vergleich mit anderen Berufsgruppen: Einstiegsgehälter zwischen 38.000 bis 47.000 Euro erhielten etwa 70 Prozent aller Ingenieure und Informatiker sowie 67 Prozent der Wirtschaftswissenschaftler.

„Der Anwaltsberuf ist der akademische Beruf, in dem sich für Berufseinsteiger besonders hohe, aber auch besonders niedrige Gehälter erzielen lassen.“

Auffällig ist: Die Spannbreite möglicher Einstiegsgehälter ist gerade bei Anwälten extrem. Sie reicht von deutlich weniger als 2.000 Euro pro Monat bis hin zu fünfstelligen Monatsgehältern. „Der Anwaltsberuf ist der akademische Beruf, in dem sich für Berufseinsteiger besonders hohe, aber auch besonders niedrige Gehälter erzielen lassen. Vergleichsweise prekäre Einkommensverhältnisse sind bei Rechtsanwälten deutlich häufiger als bei Angehörigen anderer akademischer Berufe festzustellen – andererseits gibt es auch Spitzengehälter, von denen andere Universitätsabsolventen nur träumen können“, sagt Prof. Dr. Matthias Kilian, Direktor des Soldan Instituts, das regelmäßig Erhebungen zu Struktur und Tätigkeit der deutschen Anwaltschaft durchführt. „Insgesamt lässt sich die These, dass es keinen akademischen Beruf mit zugleich so guten und so schlechten Einkunftsmöglichkeiten gibt wie den Anwaltsberuf, ohne Weiteres empirisch belegen.“ Bei den Inhouse-Gehältern der Chefjuristen gibt es je nach Firmengröße ebenfalls erhebliche Unterschiede. Im Jahr 2015 sind die Gehälter um satte neun Prozent gestiegen. Das ergab eine aktuelle Umfrage des Rechtsdienstleisters Juve auf Gundlage einer Umfrage im Jahr 2015, an der 140 Unternehmensjuristen teilgenommen hatten. Nicht nur die Chefs verdienten mehr, auch auf den anderen Ebenen zogen die Grundgehälter nach Mitteilung von Juve an. Im Durchschnitt verdiente ein General Counsel im Schnitt gut 160.000 Euro. Berufsträger ohne Leitungsaufgaben kamen demgegenüber auf ein Durchschnittsgehalt von 72.000 Euro, ein minimales Plus von einem Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das entspricht in etwa dem Einkommen für Juristen bei mittelständischen Kanzleien, liegt aber weit unter den Verdienstmöglichkeiten in internationalen Großkanzleien. Das höchste Einkommen erzielten Chefjuristen in international tätigen Unternehmen. „Die Global Player, die geschäftlich in mehr als 100 Staaten engagiert sind, zahlen ihren General Counsel im Schnitt 183.000 Euro. Knapp dahinter liegen Chefjuristen in Firmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern, unabhängig von der geschäftlichen Reichweite. Der Abstand zu dem Verdienst in Unternehmen unterhalb dieser Schwellenwerte ist hoch. Rund 30.000 Euro weniger verdienen die Chefjuristen in den etwas kleineren oder etwas weniger global engagierten Unterneh-

men. Wer in einem Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern arbeitet, verdient mehr als 50 Prozent weniger als der Kollege in einem Großunternehmen. Diese Unterschiede ziehen sich durch alle Hierachieebenen“, heißt es in der Mitteilung von Juve. Ein wichtiger Gehaltsbestandteil bei den Unternehmensjuristen sind die Boni, etwa ein Drittel der Chefjuristen erhielt zudem Aktien oder Aktienoptionen, viele erhalten auch einen Dienstwagen. Fast alle General Counsel hatten eine Bonusregelung in ihrem Vertrag, wobei der an den Unternehmenserfolg gekoppelte Bonus etwas häufiger anzutreffen ist als der leistungsbezogene. Die höchste Zusatzvergütung erhielten die Syndizi in der Automobilbranche, während der Handel nach Interpretation von Juve „knauserte“. Überstundenvergütungen hingegen gab es in der Leitungsebene nicht. Eine Abgeltung gab es in der Regel lediglich in unteren Hierarchieebenen, nur etwa ein Drittel gab hier an, dass Überstunden tatsächlich abgebummelt oder in eine Vergütung umgerechnet werden. RA Tobias Sommer, Berlin

Weitere Ergebnisse hat Juve in seiner Publikation Juve Rechtsmarkt und unter folgendem Link angekündigt: www.juve.de/nachrichten/namenundnachrichten/2016/02/inhouse-gehaelterdeutlicher-mehr-geld-fuer-chefjuristengrosse-unterschiede-je-nach-firmengroesse Das Soldan Institut hat im Jahr 2014 eine ausführliche Studie zu Junganwälten veröffentlicht. Kilian, Matthias: Die junge Anwaltschaft: Ausbildung, Berufseinstieg und Berufskarrieren, 343 Seiten, Kosten: 15 EUR, ISBN 978-3-8240-5428-2. Es kann auf der Website www.soldaninstitut.de bestellt werden.

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JuraNews zusammengestellt von RA Andreas Hansmeier, Karlsruhe

Notwendiger Inhalt eines Verwerfungsbeschlusses nach § 522 Abs. 1 ZPO

Ein die Berufung verwerfender Beschluss muss jedenfalls die Feststellungen enthalten, die zur Beurteilung der Verwerfung durch das Revisionsgericht erforderlich sind; so der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 13. Januar 2016 – XII ZB 605/14. Der Kläger hat von dem Beklagten unter anderem die Herausgabe von Personenstandsurkunden verlangt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil sie innerhalb der Berufungsbegründungsfrist mangels angekündigter Berufungsanträge nicht ordnungsgemäß begründet worden sei. Der allenfalls weiterverfolgte zweite Antrag (auf Herausgabe) sei nicht hinreichend konkretisiert worden. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Klägers hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat den angefochtenen Beschluss aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. In der Begründung heißt es, dass der angefochtene Beschluss nicht mit den nach dem Gesetz erforderlichen Gründen versehen sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssten jedoch auch Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen – vorliegend war die Rechtsbeschwerde nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft –, den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen. Zwar sei die Wiedergabe des Sachverhalts und der Anträge in einem die Berufung nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO verwerfenden Beschluss nicht ausnahmslos erforderlich, der Beschluss könne sich etwa bei Verwerfung der Berufung wegen nicht gewahrter Berufungsfrist (§ 517 ZPO) oder Begründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO) auf die entscheidungserheblichen Umstände beschränken. Die Entscheidung des Berufungsgerichts müsse aber auch in diesen Fällen, die die Verwerfung tragenden Feststellungen enthalten, weil andernfalls dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung der Entscheidung nicht möglich sei. Ein weiterer Rechtsfehler lag nach Ansicht des Bundesgerichtshofs darin, dass das Landgericht selbst

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von einem mit der Berufung weiterverfolgten Herausgabeantrag ausgegangen ist und eine Verwerfung der Berufung daher insoweit nicht zulässig war. Nach den Gründen des angefochtenen Beschlusses habe aus der Berufungsbegründung „allenfalls herausgelesen" werden können, dass der zweite Antrag (auf Herausgabe) weiterverfolgt werde. Der Antrag zu 2 sei allerdings nicht hinreichend konkretisiert, denn die Personenstandsurkunden, die herausgegeben werden sollten, seien nicht konkret bezeichnet worden, obwohl dies – jedenfalls in zweiter Instanz – möglich gewesen wäre. Damit sei das Landgericht ersichtlich von einer insoweit hinreichenden Berufungsbegründung ausgegangen oder habe dies jedenfalls unterstellt. Aus der unzureichenden Konkretisierung der herauszugebenden Urkunden ergebe sich aber nur eine Unzulässigkeit des Klageantrags, nicht aber der Berufung. Die Unzulässigkeit des Klageantrags hätte jedoch zu einer Sachentscheidung in der Berufungsinstanz führen müssen, sodass die (vollständige) Verwerfung der Berufung auch vom Standpunkt des Landgerichts aus nicht gerechtfertigt war. Anforderungen an die Überwachung einer „unzuverlässigen“ Bürokraft

Sind einer Rechtsanwaltsfachangestellten in der Vergangenheit bei der Fertigung oder Versendung fristgebundener Schriftsätze Fehler unterlaufen, so muss der Rechtsanwalt durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass sich solche nicht wiederholen. Mit Beschluss vom 13. Januar 2016 – XII ZB 653/14 – hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshof die Rechtsbeschwerde gegen die Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsgesuchs nach § 574 Abs. 2 ZPO als unzulässig verworfen. Die Antragstellerin hatte sich gegen die Verwerfung ihrer Beschwerde sowie die Zurückweisung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs in einer Unterhaltssache gewendet. Der von der Antragstellerin gestellte Antrag auf Zahlung nachehelichen Unterhalts ist durch den ihr am 2. Juli 2014 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts zurückgewiesen worden. Dagegen hat sie rechtzeitig Beschwerde eingelegt. Der die Beschwerdebegründung enthaltende und am 2. September 2014 um 17.38 Uhr per Telefax beim Oberlandesgericht eingegangene Schriftsatz war nicht unterzeichnet. Das Oberlandesgericht hat eine Wiedereinsetzung mit

der Begründung abgelehnt, dass die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ein Organisationsverschulden treffe, das die Antragstellerin sich zurechnen lassen müsse. Die Mitarbeiterin S. der Verfahrensbevollmächtigten, welche statt des unterschriebenen Schriftsatzes die für die Antragstellerin vorgesehene Abschrift gefaxt hat, sei nicht hinreichend überwacht und kontrolliert worden. Entgegen der Darstellung der Antragstellerin sei die Mitarbeiterin keine stets zuverlässige Kraft gewesen und habe daher besonders intensiver Überwachung und Kontrolle bedurft. Der Mitarbeiterin sei bereits im Jahr 2013 in einem früheren Verfahren zum Versorgungsausgleich ein Fehler unterlaufen, worauf die Antragstellerin seinerzeit ein Wiedereinsetzungsgesuch gestützt habe. Die Mitarbeiterin habe damals einen Antrag auf Fristverlängerung an das falsche Gericht adressiert und den Fehler selbst auf eine entsprechende Anweisung nicht korrigiert. Diese Unachtsamkeit habe dem Rechtsanwalt Veranlassung geben müssen, die Mitarbeiterin besonders zu überwachen und immer wieder stichprobenweise zu kontrollieren, ob Weisungen befolgt werden. Gerade dies könne dem Vorbringen der Antragstellerin aber nicht entnommen werden. Damit sei eine unverschuldete Fristversäumung nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. Der Bundesgerichtshof hat diese Argumentation nicht beanstandet. Zwar stelle die Versendung der Rechtsmittelbegründung per Telefax eine einfache Bürotätigkeit dar, mit der eine voll ausgebildete und erfahrene Rechtsanwaltsfachangestellte beauftragt werden darf. Dies gelte indessen mit der Einschränkung, dass es sich um eine zuverlässige Kraft handeln muss und keine Umstände vorliegen dürfen, die eine besondere Kontrolle durch den Rechtsanwalt erfordern. An diesen Anforderungen gemessen, sei die Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht zu beanstanden. Dass bei dem früheren Vorfall in Wirklichkeit keine Frist versäumt worden und nur der Verfahrensbevollmächtigte davon irrtümlich ausgegangen war, ändere nichts daran, dass die Angestellte sich bei der Adressierung und Versendung des damaligen – als fristgebunden angesehenen – Schriftsatzes als unzuverlässig erwiesen habe. Dass regelmäßig die allgemeine Anweisung des Rechtsanwalts ausreiche, sämtliche ausgehenden Schriftsätze auf das Vorhandensein der Unterschrift und bei Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, gebe lediglich den für zuverlässige Büroangestellte geltenden Grundsatz wieder. Demgegenüber sei das Oberlandesgericht im vorliegenden

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Fall in nicht zu beanstandender Weise von dem Sonderfall ausgegangen, dass sich eine Büroangestellte als unzuverlässig erwiesen habe und demzufolge trotz ihrer Berufserfahrung zunächst besondere Kontrollen veranlasst gewesen wären. Da solche Kontrollen, die in Reaktion auf den damaligen Fehler erfolgt wären, nicht dargelegt wurden, könne es auch dahinstehen, in welcher Form und für welche Dauer diese veranlasst waren. In zeitlicher Hinsicht sei ein hinreichender Bezug zum hier in Rede stehenden Fehler gegeben, zumal sich der vorangegangene Vorfall noch im Vorjahr ereignet hatte. Die Entscheidung zeigt deutlich, welche hohen Anforderungen der BGH – jedenfalls der XII. Zivilsenat – an eine zuverlässige Bürokraft stellt bzw. wie schnell jemand diesen Status verlieren kann, nämlich bereits nach einem einmaligen Fehlverhalten, das sich „noch im Vorjahr“ ereignet hat. Es stellt sich die Frage, ob die Unzuverlässigkeit eines Mitarbeiters tatsächlich anhand eines einzigen Fehlverhaltens begründet werden kann, oder ob nicht vielmehr eine Gesamtwürdigung maßgeblich ist, welche die Berufserfahrung, einschließlich „fehlerfreier“ Zeiten, eventueller Lehrgänge und Weiterbildungen des Mitarbeiters sowie die Rahmenbedingungen des Fehlers (Krankheit, familiäre Schwierigkeiten, Überstunden etc.) berücksichtigt. Nach der Rechtsprechung des Senats müsste etwa eine Kanzleikraft, die 20 Jahre lang fehlerfrei gearbeitet hat, nach einem einmaligen Fehler am Ende eines 14-stündigen Arbeitstages zunächst als unzuverlässig eingestuft werden, wohingegen eine neue Kraft, die gerade erst ihre Ausbildung beendet hat, mangels vorheriger Fehler als zuverlässig gilt. Dieses Ergebnis ist sicher diskussionswürdig. Leider lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen, nach welcher fehlerfreien Zeit ein Mitarbeiter wieder als zuverlässig gilt. Der erste Fehler ereignete sich im „Vorjahr“, der zweite im September des Folgejahres, also mindestens ein Dreivierteljahr später. Bis zu einer Klärung dieser Frage sollte sicherheitshalber davon ausgegangen werden, dass eine mehrjährige fehlerfreie Zeit erforderlich ist, bevor der Mitarbeiter wieder als zuverlässig gilt. Um den Anforderungen des Senats gerecht zu werden, ist es daher zwingend erforderlich, selbst den erfahrensten Mitarbeiter nach einem einmaligen Fehlverhalten über mehrere Jahre hinweg stichprobenartig zu kontrollieren und diese Kontrolle im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrags möglichst detailliert darzulegen.

Prüfung von Einwendungen gegen die erstinstanzliche Überzeugungsbildung

Mit Urteil vom 22. Dezember 2015 – VI ZR 67/15 – hat der u. a. für das Arzthaftungsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass Einwendungen einer Partei gegen die erstinstanzliche Überzeugungsbildung in der Berufungsinstanz nicht mit der Begründung als unbeachtlich angesehen werden können, „die Partei setze lediglich in unzulässiger Weise ihre abweichende Bewertung an die Stelle derjenigen des gerichtlichen Sachverständigen und des Landgerichts“. Die Klägerin hatte die Beklagten – den Rechtsträger eines Krankenhauses und den behandelnden Arzt – aus eigenem und übergegangenem Recht ihres verstorbenen Ehemannes wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen. Sie hat unter anderem geltend gemacht, die Beklagten hätte eine Herzkatheteruntersuchung wesentlich früher als tatsächlich geschehen veranlassen müssen. Außerdem habe der Ehemann der Klägerin nicht aus dem Krankenhaus entlassen werden dürfen, die Beklagten hätten ihn vielmehr stationär in ein anderes Krankenhaus überweisen müsse. Zudem sei die weitere Verordnung eines Medikaments fehlerhaft gewesen. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, die Klägerin setze lediglich „in unzulässiger Weise ihre abweichende Bewertung an die Stelle derjenigen des Gerichtssachverständigen und des Landgerichts". Der Bundesgerichtshof hat dieser Begründung eine klare Absage erteilt. Es müsse berücksichtigt werden, dass es sich bei der Berufungsinstanz auch nach Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes um eine zweite - wenn auch eingeschränkte - Tatsacheninstanz handelt, deren Aufgabe in der Gewinnung einer „fehlerfreien und überzeugenden" und damit „richtigen" Entscheidung des Einzelfalles besteht. Die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts hinsichtlich der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung sei insbesondere nicht auf Verfahrensfehler und damit auf den Umfang beschränkt, in dem eine zweitinstanzliche Tatsachenfeststellung der Kon-

trolle durch das Revisionsgericht unterliegt. Einwendungen der Parteien gegen die erstinstanzliche Überzeugungsbildung können deshalb in der Berufungsinstanz nicht mit der Begründung als unbeachtlich angesehen werden, die Partei setze lediglich „in unzulässiger Weise ihre abweichende Bewertung an die Stelle derjenigen des Gerichtssachverständigen und des Landgerichts". Verbot der Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern ist verfassungswidrig

§ 59a Abs. 1 Satz 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung ist insoweit verfassungswidrig und nichtig, als er Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten verbietet, sich mit Ärztinnen und Ärzten sowie mit Apothekerinnen und Apothekern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in einer Partnerschaftsgesellschaft zu verbinden, so der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 12. Januar 2016 – 1 BvL 6/13. Die beiden Antragsteller des Ausgangsverfahrens sind ein Rechtsanwalt sowie eine Ärztin und Apothekerin. Sie gründeten eine Partnerschaftsgesellschaft und meldeten diese zur Eintragung in das Partnerschaftsregister an. Das Amtsgericht und das Oberlandesgericht wiesen die Anmeldung mit der Begründung zurück, dass der Eintragung die abschließende Regelung des § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO entgegen stünde, in der die Berufe des Arztes und des Apothekers nicht aufgeführt sind. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Dieses sah in dem Sozietätsverbot mit Ärzten und Apothekern einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit. Zur Begründung zieht das Bundesverfassungsgericht insbesondere einen Vergleich zu § 59a Abs. 2 Nr. 2 BRAO, wonach dem Rechtsanwalt eine gemeinschaftliche Berufsausübung mit anderen Berufsgruppen, insbesondere mit Patentanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern ausdrücklich gestattet ist. Im Vergleich hierzu begründe eine interprofessionelle Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern keine so wesentlichen zusätzlichen Risiken für die Einhaltung der anwaltlichen Berufspflichten, dass dies eine unterschiedliche Behandlung rechtfertige. Auch die anwaltlichen Grundpflichten, namentlich die Ver-

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schwiegenheitspflicht, das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen sowie die Pflicht, keine die berufliche Unabhängigkeit gefährdenden Bindungen einzugehen, stünden der Möglichkeit einer Partnerschaft nicht entgegen. Zur Sicherstellung der anwaltlichen Verschwiegenheit sei das Sozietätsverbot nicht erforderlich, da Ärzte und Apotheker gleich den Rechtsanwälten zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichtet sind. Die Pflicht gelte umfassend für alle nicht allgemein bekannten Tatsachen, die dem Berufsträger in seiner Eigenschaft als Arzt beziehungsweise Apotheker anvertraut oder sonst bekannt werden, und sei nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbewehrt. Zwar gibt es keine Verschwiegenheitspflicht, wenn die Informationen nicht bei der Berufsausübung als Arzt oder Apotheker anvertraut oder sonst bekannt geworden sind. Allein hierauf das Sozietätsverbot zu stützen sei jedoch unverhältnismäßig. Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen fände sich in den Berufsordnungen für Ärzte und Apotheker zwar nicht, da diese Berufsgruppen typischerweise nicht im Widerspruch zu den Interessen ihrer Patienten in ein Gegnerverhältnis zu Dritten geraten. Jedoch seien auch nicht alle der in § 59a BRAO genannten sozietätsfähigen Berufe zu geradliniger Interessenvertretung gemäß § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 BORA verpflichtet. Zudem könne der nichtanwaltliche Partner vertraglich an die Einhaltung des anwaltlichen Berufsrechts gebunden werden. Keine Pflicht zur Sicherheitsleistung bei Modernisierungs- und Renovierungsarbeiten

Nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Unternehmer eines Bauwerks vom Besteller Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen verlangen. Das gilt gemäß § 648 a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB nicht, wenn der Besteller eine natürliche Person ist und die Bauarbeiten zur Herstellung oder Instandsetzung eines Einfamilienhauses mit oder ohne Einliegerwohnung ausführen lässt. Mit Urteil vom 10. März 2016 – VII ZR 214/15 – hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Rechtsanwalt und Steuerberater, der Modernisierungs- und Renovierungsarbeiten an einem Haus ausführen

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lässt, das in erster Linie der Deckung seines Wohnbedarfs und in untergeordnetem Umfang auch dem Betrieb seiner Rechtsanwalts- und Steuerberaterkanzlei dient, nach§ 648a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB nicht zur Stellung einer Sicherheit nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet ist. Der beklagte Rechtsanwalt und Steuerberater beauftragte die Klägerin mit der Betreuung und Durchführung von Modernisierungs- und Renovierungsmaßnahmen in seinem Haus. Der Souterrainbereich des Hauses sollte als Büro für seine Kanzlei genutzt werden. Aus steuerrechtlichen Gründen wurden zwei getrennte Verträge geschlossen, von denen der eine das allein zu Wohnzwecken zu nutzende Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss und der andere das für berufliche Zwecke zu nutzende Untergeschoss betraf. Nachdem der Beklagte die Begleichung einer Rechnung über einen Bruttobetrag in Höhe von 50.000 Euro verweigert hatte, zerstritten sich die Parteien. Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihr für Vergütungsansprüche einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen aus dem Bauvertrag eine Sicherheit in Höhe von 7.115,18 Euro zu leisten. Das Landgericht hat den Beklagten zur Leistung der geforderten Sicherheit verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. In einem ersten Schritt hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass es sich bei dem zu modernisierenden und zu renovierenden Haus des Beklagten insgesamt um ein Einfamilienhaus im Sinne des § 648a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB handelt. Zwar wird der Begriff des Einfamilienhauses in § 648a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB nicht näher definiert; nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei jedoch ein Einfamilienhaus ein Haus, mit dem in erster Linie der Wohnbedarf einer Familie gedeckt wird. In einem zweiten Schritt verneint der Bundesgerichtshof die Frage, ob die Vorschrift nur solche Einfamilienhäuser erfasst, die ausschließlich Wohnzwecken dienen sollen. Zur Begründung führt er aus, dass die Ausnahmeregelung in § 648a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen

Gesetzbuchs (Bauhandwerkersicherungsgesetz) vom 13. Dezember 1991 private Bauherren privilegiert werden sollen, die Bauvorhaben zur Deckung des eigenen Wohnbedarfs ausführen lassen (vgl. BTDrucks. 12/1836, S. 11). Dies sei nach der genannten Begründung dadurch gerechtfertigt, dass in diesen Fällen das Ausfallrisiko des vorleistungspflichtigen Unternehmers im Hinblick auf die unbegrenzte persönliche Haftung eines solchen Bestellers und dessen im Regelfall solide Finanzierung als verhältnismäßig gering eingestuft wurde (vgl. BT-Drucks. 12/1836, S. 11). Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für die von natürlichen Personen in Auftrag gegebene Herstellung oder Instandsetzung von Einfamilienhäusern, die außer zu Wohnzwecken in untergeordnetem Umfang auch anderen Zwecken dienen sollen. Die Eigenschaft eines Hauses als Einfamilienhaus werde durch eine derart untergeordnete Nutzung deshalb nicht aufgehoben. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift folge nichts anderes. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung war zunächst vorgesehen, dass eine natürliche Person nicht zur Stellung einer Sicherheit nach § 648a Abs. 1 BGB verpflichtet sein sollte, die Bauarbeiten überwiegend zur Deckung des eigenen Wohnbedarfs ausführen lässt (vgl. BT-Drucks. 12/ 1836, S. 4). Diese Formulierung ist durch die Gesetz gewordene Regelung ersetzt worden. Daraus könne aber nicht geschlossen werden, dass Häuser, die nicht ausschließlich Wohnzwecken dienen sollen, nicht unter die den Besteller privilegierende Ausnahmeregelung gemäß § 648a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB fallen können. Mit der auf eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zurückgehenden Änderung der ursprünglich vorgeschlagenen Gesetzesfassung sollte keine inhaltliche Abänderung des Regierungsentwurfs verbunden sein. Mit der geänderten Fassung sollte nach dem Bericht des Rechtsausschusses lediglich eine Formulierung beseitigt werden, die keine klare Abgrenzung der von der Vorschrift erfassten Sachverhalte erlaubt hätte (vgl. BT-Drucks. 12/4526, S. 12).

JuraNews

JuraNews zusammengestellt von RAin Nadine Passenheim, Celle

Kein Lohn durch eigene Berufshaftpflichtversicherung einer Rechtsanwalts GmbH

In einem Verfahren vor dem Bundesfinanzhof war streitig, ob die Beitragszahlungen einer Rechtsanwalts GmbH zu deren eigener Berufshaftpflichtversicherung als Arbeitslohn ihrer angestellten Rechtsanwälte zu behandeln sind. Die Rechtsanwalts GmbH hatte eine Berufshaftpflichtversicherung als alleinige Versicherungsnehmerin abgeschlossen. Jeder angestellte Anwalt der GmbH unterhielt zudem eine notwendige persönliche Berufshaftpflichtversicherung. Für diese persönliche Berufshaftpflichtversicherung hatte die GmbH die Kosten übernommen und vollständig der Lohnsteuer unterworfen, die Beiträge für die Haftpflichtversicherung der GmbH allerdings nicht lohnversteuert. Mit Urteil vom 19. November 2015 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die eigene Berufshaftpflichtversicherung einer Rechtsanwalts GmbH nach § 59j BRAO nicht zu Lohn bei den angestellten Rechtsanwälten führt. Die Rechtsanwalts GmbH wendet dadurch weder Geld noch einen geldwerten Vorteil in Form des Versicherungsschutzes zu. Gemäß § 51 Abs. 1 BRAO sei zwar der angestellte Rechtsanwalt ebenso wie der selbständig tätige Rechtsanwalt verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden abzuschließen. Diese Verpflichtung werde aber nicht dadurch erfüllt, dass der Arbeitgeber eine eigene Berufshaftpflichtversicherung nach § 59j BRAO abschließe. Die Haftpflichtversicherung nach § 59j BRAO lasse die Versicherungspflicht nach § 51 Abs. 1 BRAO nicht entfallen. Denn die Berufshaftpflichtversicherung des angestellten Rechtsanwalts nach § 51 Abs. 1 BRAO bestehe unabhängig davon und selbständig neben der Berufshaftpflichtversicherung nach § 59j BRAO. (BFH Urteil vom 19. November 2015, Az. VI R 74/14). Hohes Haftungsrisiko für angestellte Junganwälte

Nach einer Studie des Soldan Instituts sind angestellte Junganwälte häufig hohen Haftungsrisiken als Scheinsozius ausgesetzt. Danach werden zwei Drittel der angestellten Junganwälte von ihren Arbeitgebern potenziell existenzvernichtenden Haftungsrisiken ausgesetzt, indem sie auf dem Kanzleischild, dem Briefbogen oder auf der Homepage als Berufsträger mitaufgeführt werden. Viele Anwälte

wüssten nicht, dass sie damit als Scheinsozien gelten, hohen Haftungsrisiken ausgesetzt sind und das Risiko tragen, für Verbindlichkeiten aus der Sozietät zu haften, heißt es in der Studie. Vorbeugen könne man dem nur, indem man in der Außendarstellung darauf hinweise, dass der Mitarbeiter im Anstellungsverhältnis tätig sei. Beleidigung im Referendariat = keine Zulassung als Rechtsanwältin

Weil eine Referendarin im Referendariat seinerzeit ihren Ausbilder als provinziellen Staatsanwalt bezeichnet hat, der mit seinem Leben und seiner Person „so zufrieden sei wie das Loch im Plumpsklo“, wurde die Assessorin nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, weil, so die Rechtsanwaltskammer Köln, sie sich seinerzeit eines Verhalts schuldig gemacht habe, dass sie unwürdig erscheinen lasse, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben. Hintergrund war eine aufgebrachte Mail der Referendarin an ihren Ausbilder, weil sie mit ihrer Bewertung nicht einverstanden war, der Ausbilder aber eine andere Bewertung ablehnte. Die Referendarin verfasste ihren gesamten Unmut in einer beleidigen Mail an den Ausbilder, der Ausbilder stellte Strafantrag, woraufhin die Referendarin wegen Beleidigung verurteilt wurde. Der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen hat nunmehr die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer Köln, die Assessorin nicht zur Rechtsanwaltschaft zuzulassen, bestätigt (AGH NRW, 1 AGH 25/15). Auch wenn die Beleidigung bereits einige Jahre zurückliegt, liegt dennoch kein Eingriff in die Berufsfreiheit vor, da die Schwere der Beleidigung schwerer wiegt.

Neue strengere Wertgrenze bei Steuerhinterziehung (§ 370 AO)

Achtung! Der BGH hat die Wertgrenzen für Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 1 AO erneut nach unten gesetzt. Künftig liegt ein großes Ausmaß im Sinne des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO bei jeder Steuerhinterziehung von mehr 50.000 Euro vor. (BGH vom 27. Oktober 2015, 1 StR 373/15). Bei ausländischen Titeln muss die verleihende Hochschule mit angegeben werden

Damit keine Verwirrung unter verbraucherschutzrechtlichen Gesichtspunkten auftritt, muss derjenige, der an einer ausländischen Universität einen Titel verliehen bekommen hat, dieses auch mit angeben. Die alleinige Bezeichnung Dr. oder Prof. reicht nicht aus, da der Verbraucher hier davon ausgeht, dass es sich um einen nach deutschem Recht verliehenen Titel handelt. Vielmehr muss die verleihende Hochschule mit angegeben werden. (OLG Stuttgart, 2 U 35/15, Urteil vom 15. Oktober 2015)

Achtung: Handy darf im Auto während der Fahrt nicht angefasst werden!

Ein Lkw-Fahrer wurde von der Polizei beobachtet, wie er – während der Fahrt – ein Handy in der Hand hielt, um es zum Aufladen anzuschließen. Gegen das Bußgeld von 60 Euro ging er gerichtlich vor. Das OLG Oldenburg entschied, dass die Nutzung des Telefons für den Fahrzeugführer in allen den Fällen verboten sei, in denen er das Gerät in die Hand nehmen und halten muss. Somit sei auch das Anschließen zum Aufladen verboten, weil man das Gerät ja in den Händen halten müsse. § 23 Abs. 1a StVO soll gewährleisten, dass der Fahrer – so das OLG – beide Hände für das Steuern des Autos frei hat (OLG Oldenburg, 2 Ss Owi 290/2015).

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Berufsstart und Meer 44. Forum „Start in den Anwaltsberuf“ in Timmendorfer Strand

Ihr seid Junganwälte, Assessoren, Referendare? Ihr träumt von einem Kurztrip an die Ostsee? Ihr möchtet euch über die essenziellen Basics für einen erfolgreichen Berufsstart in entspannter Atmosphäre informieren? Dann hat das FORUM Junge Anwaltschaft genau die richtige Veranstaltung für Euch im Angebot. Am 18. und 19. März 2016 fand das 44. Forum „Start in den Anwaltsberuf“ in Timmendorfer Strand statt. Solltet Ihr auf den Geschmack gekommen sein, bestünde in 2017 wieder die Chance zur Teilnahme an der jährlichen Veranstaltung im Norden. Alternativ findet im Whytcham Atrium Hotel in Hannover am 21. und 22. Oktober 2016 ein weiteres ebenso spannendes Forum „Start in den Anwaltsberuf“ statt. Ich nehme Euch jetzt schon einmal kurz mit ans Meer und bin sicher, Ihr werdet meine Begeisterung für diesen tollen Event teilen. Bereits die Anreise konnte begeistern. Auch für „Nicht-Schleswig-Holsteiner“ lohnte sich dieser Trip wirklich. An der recht mondänen Strandpromenade entlang ging es zum schicken Maritim Seehotel an der Strandallee. Das ausgezeichnete Traditionshaus direkt am Strand öffnet für die Veranstaltung schon seit vielen Jahren die Türen. Das Hotel bietet alles, was das Herz des jungen Juristen begehrt. Direkte Strandlage, Wellnessbereich, moderne Konferenzräume – es blieben keine Wünsche offen.

Fortbildung und Kurzurlaub verbinden? Bei den einzigartigen Konditionen, die die Deutsche Anwalt Akademie aushandeln konnte, geradezu ein Muss. Die Kosten für die Teilnahme betrugen 55 Euro, für beide Tage 40 Euro für den Freitag und 30 Euro für den Samstag. In diesem Jahr konnte ein Einzelzimmer für 85 Euro und ein Doppelzimmer für 115 EUR pro Nacht inklusive Frühstück angeboten werden. Bei der DeutschenAnwaltAkademie ist man zuversichtlich, diese tollen Konditionen vorerst halten zu können. Vielleicht auch eine tolle Gelegenheit, die Familie von den schönen Seiten unseres oft sehr zeitintensiven Berufs zu begeistern. Die Organisation ließ ebenfalls keine Wünsche offen, so wurde z. B. für die gesamte Tagungszeit eine Kinderbetreuung eingerichtet. Im besten Fall nach einem entspannten Frühstück am reichhaltigen Büffet mit Blick auf die Ostsee begann die Veranstaltung am Freitag um 10 Uhr mit einer herzlichen Begrüßung durch Jürgen Widder (Vorstand des Vereins DAA) und Rechtsanwältin Ulrike Osterloh (Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses des FORUMs Junge Anwaltschaft).

„Das Konzept der beiden Junganwälte ist genial und gerade für ländliche Regionen sicher ein Stück weit revolutionär.“

Eines der Highlights der Veranstaltung folgte gleich im Anschluss. Wer kann einem mehr Lust auf den Start in den Anwaltsberuf machen als jemand, der es bereits erfolgreich geschafft hat und aus nächster Nähe von seinen Erfahrungen berichten kann? In diesem Jahr berichteten Rechtsanwältin Juliette Descharmes und Rechtsanwalt Dominik Güneri LL.M. von ihrer Kanzleigründung. Die Teilnehmer sind von der entwaffnend ehrlichen und herrlich lockeren Vortragsweise der beiden Gründer vom ersten Moment an gefesselt. Als die Kollegen berichten, wie das Hundekörbchen von Güneris Französischer Bulldoge kurz vor der Kanzleieröffnungsfeier „explodiert“, bleibt kein Auge trocken. Das Konzept der beiden Junganwälte ist genial und gerade für ländliche Regionen sicher ein Stück weit revolutionär. Die „PEGASUS Mobile Rechtsberatung“ kommt mit einer vollausgestatteten fahrenden Kanzlei ein in Form eines schicken, ausgebauten Ex-UPS-Fahrzeugs direkt zu den Mandanten, um sie in Sachen Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und dazu passend rund um die Testamentserstellung zu beraten. Die Pforzheimer Kollegen können sich mittlerweile vor Mandatsanfragen kaum retten – Kooperationspartner aus ganz Deutschland dringend gesucht. Crowdfounding, ein gelungener Internetauftritt und ein innovatives Tool zur Online-Terminbuchung sind neben den durchweg sympathischen Persönlichkeiten des Gründerteams nur einige der Erfolgsparameter. Dennoch war der

Ein Ort zum Wohlfühlen. In den Konferenzpausen können sich die Teilnehmer bei einem Strandspaziergang einmal so richtig durchpusten lassen.

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Weg dorthin nicht frei von Hindernissen. Sehr ehrlich berichteten Descharmes & Güneri auch von den Schwierigkeiten auf dem Weg zum Erfolg. Genauso wichtig wie die Vorträge sind bei diesem Forum die Pausen. Hier ist bei hervorragender Verpflegung Zeit zum Netzwerken. Hierbei ist es sicher ein Vorteil, dass die Starter unter sich sind. Nahezu ohne Hemmschwellen kommt man schnell ins Gespräch, tauscht Erfahrungen aus, erhält Tipps, schließt neue Bekanntschaften und findet vielleicht sogar den zukünftigen Sozius. Die Möglichkeiten bei heißem Kaffee und süßen Köstlichkeit sind unbegrenzt. Ein gelungenes Kanzleimanagement ist der Schlüssel zum Erfolg. „Zu viel Arbeit, zu wenig Geld – oder beides? Kanzleimanagement als Ausweg“ lautete der Titel des Vortrages von Rechtsanwalt Dr. Andreas SchneeGronauer, tryffel, Schüttorf. Vor der Mittagspause ging es für die Teilnehmer ans Eingemachte. Illusionen fehl am Platz. In einer knallharten Rechnung wurde gemeinsam der Mindeststundensatz ermittelt. Zeiterfassung und durchdachte Pauschalhonorare lauten die Zauberworte. Bei meiner ersten Teilnahme am Forum konnte ich mir noch schwer vorstellen, dass ich es schaffen würde, jedes Mandat auch in Zahlen zu sehen. Heute weiß ich, wie wichtig und hilfreich dieser Schritt auf dem Weg zum Erfolg ist. Bei leckerem Fingerfood mussten diese Eindrücke anschließend sicher erst einmal verdaut werden. Ebenso wichtig wie die inneren Kanzleiabläufe ist der Außenauftritt. Wer nicht wirbt, der stirbt, oder wie war das noch? „Mandantenakquise und Bekanntheit über Pressearbeit und Internet“ – mit diesem spannenden Vortrag konnten die Kollegen Swen Walentowski vom Deutschen Anwaltverein und Micha Gut-

mann, Journalist von Guttmann Communications auch in diesem Jahr wieder begeistern und Mut machen für eine ebenso effektive wie kostengünstige Möglichkeit zur Werbung und Mandantenakquise. Wie finde ich den Zugang zur Presse? Wie schreibe ich eine Pressemitteilung? Welche Möglichkeiten bieten das Netz und insbesondere Google? Interaktiv und humorvoll – Walentowski und Guttmann verstehen es, ihre Zuschauer bis zur letzten Sekunde zu fesseln. Ganz bestimmt wird der eine oder andere Nachwuchsjournalist die Lust am Schreiben entdecken. Den späteren Nachmittag nutzten die Kollegen Frank Röthemeyer und Ulrike Osterloh, um die Basics des notwendigen Fachwissens in mundgerechten Häppchen zu servieren. Während Röthemeyer leicht verständlich „Die Schwerpunkte des anwaltlichen Berufsrechts“ vermittelte, bearbeitete Osterloh gemeinsam mit den Teilnehmern „Das erste Mandat von A-Z“. Das gemeinsame Abendessen hatten sich daraufhin alle redlich verdienst. Nach einem festlichen Mahl vom reichhaltigen Buffet mit direktem Meerblick startete dann ab 21 Uhr die Advo-Party. In ausgelassener Stimmung war noch einmal intensives Networking angesagt. Kaum jemand versteht es besser, müde Junganwälte von einer auf die andere Sekunde hellwach aussehen zu lassen als Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann aus Bremen. Ich muss ehrlich gestehen, dass mich ihre Worte bis heute bei jedem etwas komplizierteren Mandatsverhältnis begleiten. „Honorar und Haftung“ ist ein knackiger Titel für einen ebenso knackigen Vortrag über die essenziellen Fragen unserer Berufsausübung. Da ist auch der letzte Gin Tonic ganz schnell vergessen, und noch nie hat das leicht verkaterte Gehirn so viele Informationen mühelos gespei-

chert. Dieses Mal endete der Vortrag mit einer verblüffenden Übung zur Selbstwahrnehmung. Die rund 130 Teilnehmer standen mit geschlossenen Augen aufrecht vor ihren Stühlen. Bereits nach kurzer Zeit begannen ausnahmslos alle, leicht zu schwanken. Die eindringliche Schlussbotschaft: Stets auf sich achten, um nicht ins Schwanken zu geraten. Noch zwei weitere Vorträge durften die Teilnehmer im „Samstagsteil“ der Veranstaltung erleben. Dieser ist übrigens bei jedem Forum „Start in den Anwaltsberuf“ anders ausgestaltet, sodass es sich selbst für die Teilnehmer dieser Veranstaltung durchaus lohnt, auch die Veranstaltung in Hannover am Samstag noch einmal zu besuchen. Um „Steuerrechtliche Fragestellungen der anwaltlichen Berufsausübung“ ging es in dem engagierten und fachkundigen Vortrag der Kollegen Dr. Ragner Könemann (Rechtsanwalt und Steuerberater) und Jana Mähl-Hupka von Roever Broenner Susat Mazars, Berlin. Welche Rechtsform ist für meine Kanzlei die richtige? Antworten auf diese Frage fanden die Teilnehmer im letzten Vortrag der Veranstaltung. Prof. Dr. Volker Römermann aus Hannover präsentierte anschaulich und leicht verständlich verschiedene „Gesellschaftsrechtliche Modelle in der anwaltlichen Zusammenarbeit“. Mit einem Schlusswort und vielleicht sogar mit einem tollen Preis aus der Verlosung für frischgebackene Mitglieder des Forums Junge Anwaltschaft wurde die begeisterte Teilnehmerschar entlassen. Vor Antritt der Heimreise lockten noch ein Strandspaziergang oder ein Besuch im tollen Aquarium Sea Life. Auch dieses Forum „Start in den Anwaltsberuf“ hat bleibende Eindrücke hinterlassen. Wir sehen uns im Oktober in Hannover oder im nächsten Jahr in Timmendorfer Strand! RAin Lea Hogrefe-Weichhan, Schönkirchen Foto: tempoworld.net

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Das 44. Forum „Start in den Anwaltsberuf“ am 18. und 19. März stand auch in diesem Jahr für entspannte Fortbildung in allen Fragen rund um den Berufsstart. Top Referenten, ein Veranstaltungsort direkt am Meer und eine hervorragende Organisation – die Teilnehmer waren ausnahmslos begeistert. Auch in 2017 wird es in Timmendorfer Strand wieder ein Forum „Start in den Anwaltsberuf“ geben.

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1 / RAin Ulrike Osterloh, Augsburg . 2 / RA Sven Walentowski, Deutscher Anwaltverein Berlin links, Micha Guttmann, Journalist, Guttmann Communications, Köln . 3 / RA Benyamin Tanis, Kiel . 4 / RAin Juliette Descharmes, Pegasus-Recht, Pforzheim . 5 / RAin und RB Katharina Berger, Hohenweststedt beantwortete alle Fragen rund ums FORUM Junge Anwaltschaft . 6 / Gespannte Zuhörer . 7 / Janine Sendatzki und RA Jürgen Widder, DeutscheAnwaltAkademie

Fotos: Lea Hogrefe-Weichhan

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8 / Teilnehmer nutzten die Pausen für Gespräche . 9 RA Jürgen Widder, Vorstand Verein DeutscheAnwaltAkademie . 10 / RAin und Notarin Edith Kindermann, Bremen . 11 / RA Thomas Meyer, Bielefeld und RA Benyamin Tanis, Kiel . 12 / RA Andreas Schnee-Gronauer, tryffel, Schüttdorf . 13 / RAin Ulrike Osterloh, RA Dominik Güneri, LL.M., RAin Juliette Descharmes . 14 / RA Jana Mähl-Hupka, Berlin

Am zweiten Tag ging es ans „Eingemachte“. Anwaltshaftung, steuer- und gesellschaftsrechtliche Fragestellung – der zweite Tag des Forums überrascht stets mit einem anderen hochinteressanten Programm. Daher lohnt sich auch für „alte Hasen“ ein Besuch der Samstagsveranstaltung des nächstens Forums „Start in den Anwaltsberuf“ am 21. und 22. Oktober 2016 in Hannover.

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Die Internationale Wichtige Kongresse finden 2016 in Deutschland statt

Globalisierung, Kontakte ins Ausland und internationale Zusammenarbeit spielen für immer mehr von uns, für unsere Arbeit, eine Rolle. Um seinen Mitgliedern auch in diesem Bereich eine Plattform bieten zu können, unterhält das FJA Beziehungen zu EYBA und AIJA. Während die EYBA die Vereinigung junger Anwältinnen und Anwälte in Europa ist, ist die AIJA die Vereinigung junger Anwältinnen und Anwälte weltweit. In dieser Ausgabe der AdVoice und der nächsten beiden werden wir Euch von der internationalen Arbeit des FORUMs berichten und darüber, was das Euch bringt bzw. bringen kann. Anlass sind zwei internationale Großereignisse, die 2016 in Deutschland stattfinden werden. Merkt sie Euch schon mal vor: EYBA Summer Conference 2016 23. bis 25. Juni in Düsseldorf AIJA 54. International Young Lawyers Congress 23. bis 27. August in München

Rückblick AIJA Young Lawyers Congress, London Bereits seit einigen Jahren unterhält das FJA Kontakt zur EYBA. Im Sommer letzten Jahres entschied sich der GfA, auch Kontakt zur AIJA herzustellen. Die AIJA (Association Internationale des Jeunes Avocats) ist die Vereinigung junger Anwältinnen und Anwälte bis 45 Jahre weltweit und hat ca. 4.000 Mitglieder aus etwa 700 Kanzleien in 90 Ländern. Mit Unterstützung des Kollegen Franz Peter Altemeier, Geschäftsführer des DAV und Leiter der Internationalen Abteilung des DAV, durfte ich für den GfA des FORUMs am 53. AIJA Congress vom 1. bis 5. September 2015 in London teilnehmen. Nachdem ich bereits in Moskau und St. Petersburg mehrere Kongresse besuchen durfte, war es für mich in London und unter „nur“ Anwälten Premiere. Ein Zimmer hatte ich über Air B&B direkt an der Themse gefunden, aber leider konnte ich arbeitsbedingt zum Auftakt der Veranstaltung nicht anreisen.

700 Junganwältinnen und Junganwälte aus aller Herren Länder Dafür aber tauchte ich am zweiten Tag voll ein. Versammelt waren rund 700 Junganwältinnen und Junganwälte aus aller Herren Länder, die meisten aus dem deutschsprachigen Raum. Gleich zu Anfang fiel mir die großartige Organisation auf. Im Nu war ich registriert und mit allen Informationen versorgt. Bei dem umfangreichen Tagungsangebot fiel die Übersicht zunächst nicht leicht, dank App und zahlreichen freundlichen Helfern fand ich aber schnell zu den einzelnen Veranstaltungen. Diese waren u. a. dem Intellecutal Property, Insolvency, Real Estate, Labour Law, Corporate Counsel, Tax Law, Transport Law, Corporate Acquisition & Joint Ventures, Antitrust, Banking, Finance & Capital Markets Law sowie dem Commercial Fraud gewidmet und wurden als Workshop oder Vortrag durchgeführt. Gleich an meinem ersten Tag war auch ein Treffen des DAV, des FORUMs und des AIJA-Präsidiums anberaumt, um eine Zusammenarbeit auf dem nächsten AIJA Jahreskongress, also in diesem Jahr, in München zu besprechen. Der DAV und das FJA werden diesen in der Organisation unterstützen, was für Euch exklusive Teilnahmebedingungen, internationale Bekanntschaften sowie jede Menge Spaß bedeuten wird. Großartig war auch der Umgang mit den Teilnehmern, ich kam schnell ins Gespräch und konnte schnell Kontakte knüpfen. Auch Gäste aus der deutschen Botschaft waren anwesend

nen und Anwälte jeden Alters Tagungsteilnehmer zum Abendessen zu sich nach Hause ein – englischer Anwaltskontakt ganz persönlich. Wie immer war damit aber der Abend noch nicht beendet. Das Programm sah noch einen Discoaufenthalt vor – wer mochte, blieb bis in die frühen Morgenstunden. Weitere Höhepunkte der Tagung enthielt das Rahmenprogramm: Running for Human Rights, Flashmob, TennisTournament, Football Match. Der Freitagnachmittag war dann dem Day Out unter dem Motto „Harry Potter“ gewidmet und versprach somit jede Menge Überraschungen. Alle rund 700 Teilnehmer spazierten durch London über die Millennium Bridge zum nahe gelegenen Bahnhof Waterloo, von wo uns ein Sonderzug nach Kempton Park brachte, einer Pferderennbahn. Der Nachmittag und Abend war dann gefüllt mit Pferderennen – natürlich auch mit Wetten – Barbecue und jeder Menge anderer Unterhaltung. Am Samstag fand dann die Mitgliederversammlung statt und am Abend die große Gala unter dem Motto – na, es könnte kein anderes sein „James Bond“. Hier trafen sich die Teilnehmer in zauberhaften Abendkleidern und Smoking zu einem festlichen Dinner mit Musik und Tanz. Ehe ich mich versah, waren der Abend und die Tagung zu Ende. Was mir bleibt, ist die Begeisterung für die AIJA, viele interessante neue Kontakte weltweit in die juristische Arbeitswelt und die Vorfreude auf den 54. International Young Lawyers Congress der AIJA vom 23. bis 27. August 2016 in München. Mach mit und lass auch Du Dich begeistern! RA Markus Groll, München

Noch am gleichen Abend lud der DAV unter dem Motto „Bringing together British-German Legal Ambassadors“ die Teilnehmer zu einer Networking Reception ein. Mehr als 30 Anwältinnen und Anwälte waren der Einladung gefolgt. Unter den Gästen waren auch Vertreter der deutschen Botschaft und des Bar Council of England and Wales. Danach war das Highlight einer jeden AIJA-Konferenz angesetzt, das Hospitality Dinner. Hierbei laden einheimische Anwältin-

Weitere Infos findet Ihr auf den folgenden Seiten und natürlich auch im Netz unter: www.eyba.org www.munich.aija.org

Gute Vernetzung - auch auf der internationalen Ebene - ist das A und O des anwaltlichen Erfolgs. Gute Chance dazu bieten die EYBA-Konferenzen.

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Foto: Erich Bals_pixelio.de / AIJA

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Schlüssel ist aktive Mitgliedschaft Interview mit AIJA-Präsidentin Dr. Orsolya Gorgenyi

Markus Groll ist Mitglied des derzeitigen GfA und von ihm für internationale Kontakte beauftragt. Für die Advoice hat er Kollegin Dr. Orsolya Gorgenyi, Präsidenten der AIJA, über die AIJA und ihre Arbeit für sie befragt. Advoice: Was ist AIJA und was hat sie in der Vergangenheit erreicht? Orsolya Gorgenyi: Die AIJA ist die einzige globale Vereinigung für Juristen, die in der ersten Hälfte ihrer beruflichen Karriere stehen; die offizielle Altersgrenze liegt bei 45 Jahren. AIJA ist das französische Akronym für „Association Internationale des Jeunes Avocats“ und wird auch als Abkürzung für den englischen Namen „International Association of Young Lawyers“ benutzt. Gemäß ihrer Satzung fördert die AIJA vor allem den Austausch, die Solidarität und die gegenseitige Wertschätzung zwischen jungen Anwälten aus aller Welt. Sie vertritt deren Interessen. Um diese Ziele zu verwirklichen, hat die AIJA eine einzigartige Fortbildungs- und Austauschplattform für Juristen aus den unterschiedlichen Jurisdiktionen etabliert. Die AIJA wurde 1962 gegründet und hat aktuell Mitglieder aus über 90 Ländern. Die deutsche AIJA-Delegation ist die zweitgrößte! Gegenwärtig finden pro Jahr ungefähr 20 internationale Treffen statt; die meisten davon sind zweitägige Seminare mit jeweils zwischen 40 und100 Teilnehmern. Daneben werden zwei dreitägige Halbjahreskonferenzen im Frühjahr und Herbst mit jeweils 150 bis 200 Anwälten und ein Jahreskongress Ende August veranstaltet. Zum Jahreskongress kommen meist über 600 junge Anwälte aus aller Welt zusammen. Das Angebot an juristischen Inhalten und Soft Skills ist umfangreich. Schließlich werden in einzelnen Ländern von den lokalen AIJAMitgliedern Afterwork-Events organisiert – teils mit, teils ohne Fachvortrag. Die AIJA beschäftigt sich zudem, soweit es die Satzung zulässt, also ohne eine bestimmte politische Richtung zu verfolgen, mit dem Schutz der Menschenrechte, mit dem Recht auf freie Ausübung der anwaltlichen Tätigkeit und mit dem Recht auf freie Rechtsvertretung bzw. freien Zugang zu einem unabhängigen Rechtssystem. A: Was ist der Spirit der AIJA? G: Oft ist vom sogenannten AIJA-Spirit die Rede, und das zu Recht! Es ist spannend zu beobachten, dass

Foto: privat

obwohl die Mitglieder nach zehn bis 15 Jahren altersbedingt vollständig ausgewechselt sind, der Rahmen, also der AIJA-Spirit gleich bleibt. Ich habe 2002, ja, vor über 14 (!) Jahren, bei der AIJA angefangen, und obwohl 95 Prozent der damaligen Mitglieder in der Zwischenzeit die AIJA wegen der Altersgrenze als aktive Mitglieder schon verlassen hat, hat sich die AIJA - erfreulicherweise – überhaupt nicht verändert. Jeder, der einmal an einer AIJA-Veranstaltung teilgenommen hat, hat den AIJA-Spirit erlebt – und will ihn nie wieder missen. Die Altersgrenze von 45 Jahren macht AIJA wirklich außergewöhnlich. Weil die AIJA jedes Jahr aktive Mitglieder verliert, werden junge Anwälte schnell integriert, und man braucht nicht jahrelang zu warten, um ein Amt übernehmen zu dürfen, Speaker auf einem Panel zu werden, geht meist noch einfacher. Bei der AIJA treffen sich Anwälte derselben Generation, die sich oft in Bezug auf die Karriere, den Aufbau eines beruflichen Netzwerks und das Privatleben in derselben Lebensphase befinden. So diskutiert man mit Kollegen, welche dieselben beruflichen und privaten Themen haben. Und wir genießen dabei auch die gemeinsame Zeit zusammen! Bei der AIJA werden nicht ungezielt Visitenkarten verteilt, stattdessen lernen wir einander wirklich kennen und schließen Freundschaften fürs Leben. Man macht gemeinsam mit den AIJA-Freunden Karriere. Und selbst wenn es am Kongress, der auf den 45. Geburtstag folgt, mit dem Stimmrecht und der Möglichkeit, ein Amt innezuhaben, vorbei ist, bleiben die Freundschaften und das Netzwerk bestehen. A: Welche Pläne hat die AIJA für die nahe und mittlere Zukunft? G: Unser Zweck oder unsere Mission hat sich über 50 Jahre im Wesentlichen nicht verändert: Wir möchten Weiterbildungs-, Entwicklungs- und Vernetzungsmöglichkeiten für junge Anwälte anbieten, die Anzahl unserer Mitglieder durch Veranstaltungen auf den unterschiedlichen Kontinenten vergrößern und insbesondere Mitglieder aus Ländern gewinnen, die bislang noch nicht bei der AIJA vertreten sind. Ein wesentliches Bestreben von uns ist es, unsere Veranstaltungen qualitativ anspruchsvoll, aber dennoch preisgünstig zu gestalten. Der Schlüssel bei der AIJA ist die aktive Mitgliedschaft, und das soll auch so bleiben. Sämtliche Aktivitäten werden durch Mitglieder geplant und umgesetzt, wenngleich die Unterstützung durch ein professionelles Team von fünf AIJA-Angestellten in Brüssel von Jahr zu Jahr zunimmt. Ad

Dr. Orsolya Gorgenyi

hoc gebildete „Organising Committees“ von Mitgliedern entwerfen Seminarprogramme – sowohl den juristischen Inhalt als auch das Rahmenprogramm –, suchen Sponsoren und bereiten Veranstaltungsbudgets vor, engagieren hochkarätige Referenten, leiten Panels und halten selbst Vorträge. Dabei lernen sie viel, und wie ich aus eigener Erfahrung weiß, macht das unheimlich viel Spaß. Wir möchten auch unser Profil als Vertreter der Anwaltschaft stärken und die Stimme der jungen Anwälte sein. Wir möchten in der nahen Zukunft die Kontakte zu anderen nationalen und lokalen Anwaltsvereinen und Anwaltskammern vertiefen bzw. ausbauen, mit dem Ziel, international stärker wahrgenommen zu werden. Wir möchten die AIJA und unsere Veranstaltungen bei deren nationalen oder lokalen Mitgliedern bekannt machen. A: Welche Erwartungen und Vorstellungen hast Du an den AIJA Annual Congress in München? G: Ich war schon an der Organisation von zwei Jahreskongressen beteiligt: 2009 hatten wir den Jahreskongress in meiner Heimatstadt Budapest, ich habe damals das Organising Committee (OC) geleitet. Es war der erste Kongress der AIJA in Osteuropa. Fünf Jahre später, 2014, sollte der Kongress in Prag

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stattfinden. Als diese Entscheidung getroffen wurde, war ich schon Mitglied des Vorstandes der AIJA, und mir schien es selbstverständlich, mich an der Organisation des Kongresses in Prag aktiv zu beteiligen, das Organisationskomitee mit meiner Erfahrung als Kongress-Organisator und mit dem „Insider-Wissen“ als Vorstandsmitglied zu unterstützen. Es war eine ganz andere Erfahrung. Beide Kongresse sind hervorragend gelungen. München bietet nun wieder eine ganz neue Perspektive. Ich bin jetzt AIJA-Präsidentin, und obwohl es „mein“ Kongress werden wird, wird er von dem OC und unseren Angestellten in Brüssel organisiert, und ich möchte mich so wenig wie möglich einmischen, was mit meiner diesbezüglichen Erfahrung nicht immer einfach ist ... Ich hatte mit der Wahl von München als Ausrichtungsort des diesjährigen Jahreskongresses nichts zu tun, aber ich freue mich umso mehr über die Entscheidung zugunsten von München, weil Deutschland in meinem Herzen einen ganz besonderen Platz hat. Ich war fast 13 Jahre alt, als ich dank meiner Tante und auch des Konrad-Adenauer-Gymnasiums im Herbst 1987 für sieben Monate in Kleve, in Nordrhein-Westfalen als Austauschschülerin zur Schule gehen durfte. Deutsch konnte ich am Anfang noch kein Wort, aber am Ende ging es schon wirklich gut. Damals war es ganz außergewöhnlich, dass eine Schülerin (ohne Eltern!) aus Osteuropa nach Westdeutschland kommen durfte. Alle haben mich sehr freundlich aufgenommen, und für mich gibt es keinen Zweifel, dass diese internationale Erfahrung mein ganzes Leben verändert hat. Auch zur Stadt München habe ich einen besonderen Bezug. Als ich zehn Jahre später angefangen habe, als Rechtsanwaltsanwärterin zu arbeiten, hatte ich die Möglichkeit, einen Monat lang in München in der Rechtsanwaltskanzlei Beiten Burkhardt zu arbeiten, wo ich ebenfalls tolle und wichtige Erfahrungen sammelte. Ich habe nicht die geringsten Zweifel, dass der Münchener AIJA-Kongress ein großer Erfolg wird, weil wir ein fabelhaftes und erfahrenes OC haben, das an alles denkt. Julia Blind, Mark Oliver Kühn und alle anderen Mitglieder des OC leisten eine tolle Arbeit, also lasse ich mich gerne überraschen! Ich war natürlich an der Auswahl des Konferenzhotels beteiligt und werde auch eng mit Mark Oliver bezüglich der Opening Ceremony – die dieses Jahr ganz außergewöhnlich sein wird – in regem Austausch stehen. A: Mit wie vielen Teilnehmern aus welchen Ländern rechnet Ihr? Was werden die Highlights sein? G: An unseren Jahreskongressen nehmen normalerweise über 600 Teilnehmer teil. Letztes Jahr in London waren wir sogar mehr als 700 Teilnehmer aus 60 Ländern. Ich bin mir sicher, dass wir mit Hilfe des DAV-FJA dieses Jahr den Teilnehmerrekord aus London einstellen können.

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Wenn sich so viele junge Juristen aus aller Welt für fünf Tage, für mehr als 50 Stunden zu juristischen Inhalten bzw. fachspezifischen Meetings und abwechslungsreichem Abendprogramm (inklusive Afterpartys) treffen, liegt das an dem AIJA-spezifischen Gesamtprogramm: Wir fangen am Dienstag mit einem Pre-Kongress-Seminar an, an das sich ein Business Speed Dating und ein Empfang anschließen. Am Mittwochmorgen beginnen dann die zahlreichen Working-Sessions und Workshops, am Nachmittag finden die Voice-of-the-Profession-Session und anschließend die Eröffnungsfeier statt. Am Donnerstagabend steht das legendäre Home-HospitalityAbendessen auf dem Programm und am Nachmittag des Freitags verbringen wir beim „Day Out“ gemeinsame Zeit mit kulturellen oder sportlichen Aktivitäten. Der Samstag ist organisatorischen und Management Treffen vorbehalten und am Abend lassen wir die gemeinsame Kongresswoche bei einem wunderbaren formellen Galaabend ausklingen. A: Weshalb ist der AIJA-Jahreskongress in München für Mitglieder des FORUMs interessant? G: Die Anforderungen an unseren Berufsstand haben sich in den letzten Jahren verändert: Wir müssen nicht nur stets fachlich auf dem neuesten Stand in unseren Rechtsgebieten sein, sondern auch fremdsprachlich gewandt sein, Soft Skills wie Verhandlungsgeschick, Organisations- und Führungsstärke sowie unternehmerisches und wirtschaftliches Verständnis beherrschen, über ein gut funktionierendes internationales Netzwerk verfügen, die Besonderheiten anderer Kulturen kennen und verstehen und sicher vor unseren Mandanten beziehungsweise einem Publikum auftreten können. Meine Vorgängerin, Anita Schläpfer, nennt das die „Wunschliste“. Die aktive Mitgliedschaft in einem internationalen Juristennetzwerk ist der Schlüssel zum Erfolg als international tätiger Anwalt. Der erste Schritt für junge Rechtsanwälte sollte daher die Teilnahme an einem AIJA-Seminar oder einer AIJA-Konferenz sein (oder wenn man viel Glück hat, dass in der Heimatstadt sogar ein Kongress stattfindet, dann gleich an einem AIJA-Kongress).

zu erreichen. Wenn das FJA uns hilft, Informationen über die AIJA und unserem Jahreskongress weiterzugeben, ist schon viel erreicht. Wir suchen auch Anwälte in und um München, die bereit sind, Gastgeber (in ihrem eigenen Zuhause!) für das Home Hospitality zu sein: am Abend des 25. August 2016, einem Donnerstag, organisieren wir während des Kongresses Abendessen in kleinen Gruppen von sechs bis zehn Personen zuhause bei örtlichen Anwälten, die möglicherweise noch nie zuvor von der AIJA gehört haben. Es ist eine große Herausforderung, die aber sowohl für die Gastgeber als auch die Gäste eine wunderbare und einzigartige Erfahrung ist. Dieser Home-Hospitality-Abend ist einer der Highlights unserer Konferenzen und Kongressen. A: Wieso engagierst Du Dich bei der AIJA? Was hat bzw. gibt Dir das persönlich? G: Viele junge Anwälte auf internationaler Ebene leisten – ehrenamtlich – unzählige Stunden für die AIJA. Es macht Spaß, bei der AIJA einfach als Teilnehmer dabei zu sein, aber nach einigen Konferenzen merkt man, dass es für einen selbst und auch für die Organisation noch mehr bringen würde, wenn man eine Aufgabe oder Position übernimmt: Wir lernen dabei viel und werden anders wahrgenommen – innerhalb der AIJA aber auch in unseren jeweiligen Kanzleien. Ich bin sehr stolz darauf, in der 54-jährigen Geschichte der AIJA, die erste Präsident(in) aus Ungarn bzw. aus ganz Osteuropa zu sein. Ich habe in den ersten zehn Jahren vieles von der AIJA bekommen, privat und beruflich, und habe dabei immer die Zeit bei der AIJA sehr genossen. Ich glaube, dass ich mit meiner Erfahrung, meinem Engagement und meiner Begeisterung dazu beitragen kann, dass viele andere junge Juristen die gleiche Chance bekommen.

A: Wie kann das FJA lokal den AIJA-Jahreskongress unterstützen?

Selbstverständlich ermöglicht es mir die Mitgliedschaft bei der AIJA auch, mein Netzwerk zu erweitern bzw. bestehende Kontakte zu intensivieren und meinen Namen sowie den meiner Kanzlei, Szecskay, in der Welt bekannter zu machen. Die 1992 gegründete Kanzlei Szecskay ist eine führende ungarische Kanzlei mit 30 Anwälten und überwiegend internationaler Praxis, die in den internationalen Rankings regelmäßig mit ganz vorne steht. Um mit internationalen Kanzleien konkurrieren zu können, brauchen wir gut funktionierende internationale Kontakte, weshalb die Kanzlei meine AIJA-Tätigkeiten gerne unterstützt.

G: FJA kann uns sehr viel helfen! Alleine mit diesem Interview und Artikel über die AIJA habt ihr uns schon sehr viel geholfen. Es ist für uns schwierig, Nicht-Mitglieder in großen Umfang, ohne Hilfe von lokalen und nationalen Anwaltsvereinigungen und -kammern

Ein anderer wichtiger Aspekt ist, dass ich neue Dingen gegenüber aufgeschlossen bin, da mir meine persönliche Weiterentwicklung sehr wichtig ist. Dabei komme ich nicht umhin, mich neuen Aufgaben zu stellen und dazuzulernen.

AIJA ist auch ein Sprungbrett bei vielen großen Anwaltsverbänden wie IBA, UIA und ABA, wo die sogenannten Over-aged-AIJA-Mitglieder herzlich empfangen werden, und wo man auf alte AIJA-Freunde und bekannte Gesichter aus den früheren AIJAZeiten trifft, was den Zugang erheblich erleichtert.

Euer FORUM

A: Was kostet eine Mitgliedschaft in der AIJA und weshalb lohnt es sich, Mitglied zu werden? G: Die Jahresmitgliedschaft ist altersabhängig und kostet zwischen 75 und 250 Euro (für Studenten und Rechtsreferendare nur 20 Euro). Unsere Mitglieder können zu Vorzugskonditionen an unseren Veranstaltungen teilnehmen und sie erhalten regelmäßig Informationen über die aktuellen Projekte der AIJA.

STECKBRIEF

Name: Orsolya Görgényi, LLM Beruf: Rechtsanwältin, Steuerberaterin, Mediatorin, Organisational Developer-Supervisor Ehrenamt: AIJA-Präsidentin (www.aija.org) Jahr des Beitritts zur AIJA: 2002 Bisherige Aktivitäten bei der AIJA: National Representative für Ungarn 20032007, Head of OC Annual Congress Budapest 2009, Co-Chair Law Course Committee 2010-2014, First Vice President 2014/15, President 2015/16 Rechtsgebiete: International Business Law, Mergers & Acquisitions, Gesellschafts- und Steuerrecht, Business Mediation Kanzlei / Kanzleisitz: Szecskay in Budapest Geburtsjahr: 1974 Heimatstadt: Budapest

Save the Date EYBA Konferenz: Düsseldorf, 23.-25.6.2016 www.davforum.de/events.php Liebe FORUM Mitglieder, bald ist es wieder soweit! Die erste EYBA (European Young Bar Association) Konferenz des Jahres fand dieses Jahr vom 7. bis 10. April im wunderschönen Belfast statt. Alle EYBA Konferenzen bieten die Möglichkeit, sich europaweit mit Junganwälten aus den verschiedensten Ländern (auch aus den USA) zu vernetzen, Mandate vermittelt zu bekommen, den Horizont zu interessanten Rechts- und Soft-Skill-Themen zu erweitern und Freunde fürs Leben zu finden. Am Donnerstag, den 7. April, ging es los mit einem Willkommensempfang und einer Begrüßung durch den Präsidenten der nordirischen Juristenvereinigung und Rechtsanwaltskammer. Am Freitag, den 8. April fanden verschiedene Vorträge zu den Themen „Wie gewinnt man Unternehmen und Einzelpersonen als Mandanten?“ und „Wie vertrete ich meinen Mandanten am besten vor Gericht?“ statt. Selbstverständlich gab es wieder ein Gala Dinner und ein attraktives Rahmenprogramm. Das komplette Programm findet Ihr unter: http://www.niysa.com/blog/eyba-spring-conference-belfast-7-10-april-2016/ Jedes FORUM Mitglied ist auch EYBA Mitglied und es gilt somit der reduzierte Teilnehmerpreis. Ein Besuch lohnt sich, für künftige Veranstaltungen schaut einfach auf der eyba-Website oder auf unsere Website nach: www.davforum.de/events.php

Dein Motto fürs Leben: Die Welt gehört dem, der sie genießt.

Besonders hervorzuheben für FORUMs-Mitglieder ist die diesjährige Sommerkonferenz der EYBA in Düsseldorf vom 23. bis 25. Juni; die erste EYBA Konferenz überhaupt in Deutschland in der Geschichte der EYBA, die vom FORUM ausgerichtet wird. Eingeladen sind alle FORUMs-Mitglieder, junge Rechtsanwälte, Juristen, Referendare, Studenten und jeder, der Lust hat! Am Donnerstag, den 23. Juni, geht es mit einem Sektempfang in der Düsseldorfer Rechtsanwaltskammer und einer Begrüßung durch den Präsidenten und der Präsidentin der EYBA los. Freitags findet die Konferenz im Meliá Düsseldorf Hotel statt (das genaue Programm wird zeitnah im Internet unter www.davforum.de bekannt gegeben). Nachmittags gibt es eine Führung samt Begrüßung und Vortrag (Apple-Samsung-Fall, Markenrechte) durch Richter der englischsprachigen Kammer im Landgericht Düsseldorf. Den Abend werden wir in der weltbekannten Düsseldorfer Altstadt (längste Theke der Welt) ausklingen lassen. Am Samstag findet nach der Mitgliederversammlung ein Rahmenprogramm statt und das Gala Dinner wird den krönenden Abschluss der Veranstaltung darstellen. Ich freue mich auf eine rege Teilnahme aller FORUM-Mitglieder und hoffe Euch zahlreich in Düsseldorf und Belfast begrüßen zu dürfen!

Dein Motto für die Arbeit bei der AIJA: Work hard, play hard.

Bis dahin! Eure Nina Fuhr, Vorstandsmitglied EYBA, Vertreterin im FORUM für Internationales

Familienstand: verheiratet, Mutter von 6-jährigen Zwillingen Nationalität: ungarisch Sprachen: ungarisch, englisch, deutsch, französisch und spanisch Hobby: Bikram Yoga – 90 Minuten in 40°C

Foto: AIJA

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Euer FORUM

ARGE Sportrecht Vorteile für FORUMs-Mitglieder: Die Arbeitsgemeinschaften des DAV

Die Mitgliedschaft im FORUM Junge Anwaltschaft im DAV bringt viele Vorteile. Günstige Haftpflichtversicherung oder ein bundesweites und internationales Netzwerk einschließlich des fachlichen Austauschs mit Kolleginnen und Kollegen sind nur zwei Beispiele. Wer sich spezialisieren will, kann die Chance nutzen und über das FORUM in die meisten Arbeitsgemeinschaften des DAV hineinschnuppern. Viele bieten günstige Juniormitgliedschaften an, Veranstaltungen und Sonderkonditionen können besucht/genutzt werden. An dieser Stelle wollen wir die Arbeitsgemeinschaften im DAV nach und nach vorstellen. Eine Übersicht findet Ihr hier: http://anwaltverein.de/de/mitgliedschaft/ arbeitsgemeinschaften ARGE SPORTRECHT Gegründet: 5. November 1999 in Bonn Mitglieder: 400 (Stand: 1/2014)

Zielgruppe: Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen, die ihren Tätigkeits- oder Interessenschwerpunkt im Sportrecht haben. Was bietet die Arbeitsgemeinschaft? Sportrecht hat viele Facetten, angefangen beim Arbeitsrecht, etwa bei Spielertransfers, beim Europarecht, z. B. bei Investitionen in einem Bundesligaclub, beim Haftungsrecht, wie bei Skiunfällen, beim Medienrecht, wie bei der Fernsehverwertung, beim Steuerrecht, bis hin zum Zollrecht, wenn zum Beispiel gefälschte Trikots beschlagnahmt werden sollen. Um die hierfür erforderliche Sachkunde zu fördern, veranstaltet die ARGE Sportrecht bundesweite Tagungen mit namhaften Referenten aus der Praxis. Mitglieder erhalten das Mitteilungsblatt, mit aktuellen Neuigkeiten aus dem Sportrecht, mit Fachvorträgen und praktischen Arbeitshilfen. Die ARGE dient der Förderung der ideellen und wirtschaftlichen Interessen der auf dem Gebiet des Sportrechts tätigen Anwälte. Der Kontakt mit nationalen und internationalen Institutionen des Sports wird regelmäßig gepflegt.

Vorteile: Veranstaltungen zur Fort- und Weiterbildung finden in der Regel im Zusammenhang mit interessanten Sportereignisen statt (bisher z. B. FußballBundesliga, Sechstagerennen, Formel1, Handball WM, Leichtathletik WM etc.). Einzelheiten werden in den Mitteilungsblättern und Rundschreiben der Arbeitsgemeinschaft bekanntgegeben und darüber hinaus regelmäßig auf der Internetseite www.sportrecht-dav. de veröffentlicht. Auch eine umfangreiche Sportrechtsdatenbank ist in Vorbereitung, in der die Mitglieder Hunderte einschlägiger Gerichtsentscheidungen abrufen können. Schließlich beschäftigen wir uns mit der Einführung einer Fachanwaltschaft für Sportund Vereinsrecht, welche die Expertise auf diesem Spezialgebiet auch nach außen dokumentiert. Jahresbeitrag: 83 Euro je Geschäftsjahr. Erfolgt der Beitritt erstmals nach dem 30. Juni ermäßigt sich der Mitgliedsbeitrag für das Beitragsjahr auf die Hälfte des Jahresbeitrages. www.sportrecht-dav.de

Änderungen vorbehalten!

Termine 1.-3.6. / Berlin Deutscher Anwaltstag „Wenn das Strafrecht alles richten soll – Ultima Ratio oder Aktionismus.“ anwaltstag.de

23.-25.6. / Düsseldorf EYBA-Sommerkonferenz und AGM www.eyba.org

23.-27.8. / München AIJA (siehe Seite 54) International Young Lawyers Congress www.aija.org Die Termine für die regionalen Stammtische findet Ihr unter: www.davforum.de/events

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DAT FÜR EINSTEIGER – DAS PROGRAMM Am 1. Juni findet im Vorfeld des deutschen Anwalttages der DAT für Einsteiger statt. Hier das Programm in der Übersicht: Mittwoch, 1. Juni 2016 14.30 Uhr bis 14.45 Uhr: Begrüßung durch Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann, Vizepräsidentin des Deutschen Anwaltvereins, Bremen; Rechtsanwältin Ulrike Osterloh, Vorsitzende des FORUMs Junge Anwaltschaft, Neusäß; Rechtsanwalt Manfred Aranowski, Geschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins, Berlin 14.45 Uhr bis 16.00 Uhr: Compliance im Sport – eine Einführung, Referentin: Rechtsanwältin Inka Müller-Schmäh, Vereinigung Sportsponsoring-Anbieter e. V., Berlin – Compliance ist schon längst ein Thema, mit dem sich nicht nur Großunternehmen befassen müssen. Worum geht es bei diesem für Juristen in der Praxis sehr spannenden Thema genau? Die Referentin erläutert das anhand des Bereiches des Sportes. 16.00 Uhr bis 17.30 Uhr: Strafverteidigung für Einsteiger: Wie man die erste Chance nutzen kann – die Praxis der Strafverteidigung, Rechtsanwalt Prof. Dr. Stefan König, Berlin / Wie man die zweite Chance nutzen kann – Die Möglichkeiten der Revision, Rechtsanwalt Dr. Ali B. Norouzi, Berlin / Jeder Anwalt und jede Anwältin sollte wissen, wie es geht: Strafverteidigen. Dabei geht es auch darum zu wissen, wie man dieses Wissen in der Praxis umsetzt. Hierbei gilt: Aus Erfahrung wird man klug. Die Referenten werden daher nicht nur Wissen, sondern auch grundlegenden Erfahrungen vermitteln.

Vertrauen ist gut. Anwalt ist besser.

Regionalbeauftragte stellen sich vor

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Foto: ubheinicke_pixelio.de / privat

Dorothea Hänel – LG-Bezirk Halle/ Saale Ich bin gebürtige Hallenserin und meiner Heimatstadt zum Großteil auch im Studium und im Referendariat treu geblieben. Nach der Geburt meines ersten Kindes habe ich im September 2014 meine eigene Kanzlei in der Innenstadt von Halle gegründet und mich auf das Verkehrsrecht in all seinen Facetten spezialisiert. Den Fachanwaltslehrgang habe ich im theoretischen Teil bereits erfolgreich absolviert. Ich finde es für uns junge Anwälte sehr gewinnbringend, wenn man ohne Scheu auch mal einen älteren und erfahreneren Kollegen um Rat fragen kann. Jedoch fällt es vielen Berufsanfängern – ob als angestellter oder selbständiger Anwalt – schwer, diese Hürde zu nehmen. Aus diesem Grund strebe ich in Halle einen regen Austausch unter den Kollegen in Zusammenarbeit mit den Anwaltsvereinen in der Region an. Ich freue mich auf die Aufgabe und wünsche mir, dass das FORUM Junge Anwaltschaft auch in Halle wieder mehr gelebt werden kann. [email protected]

Regionalbeauftragte gesucht. Das FORUM lebt von der Vernetzung aller Mitglieder, und der Regionalbeauftragte ist ein wichtiges Bindeglied vor Ort. Der Job macht Spaß und bringt viele Kontakte mit sich.

Unwetter an der RVG-Front? Wir lassen Sie nicht im Regen stehen. Rufen Sie die

HOTLINE ZUM RVG u 0800-1 328 328 Weitere Hinweise unter www.anwaltverein.de

Foto: Marion_pixelio.de / privat

Dominic Baumüller – LG-Bezirk Nürnberg-Fürth Als gebürtiger Erlanger habe ich an der FriedrichAlexander-Universität Jura studiert und das Referendariat sowohl in Madrid als auch in Nürnberg absolviert. Seit 2011 als selbstständiger Rechtsanwalt zugelassen und tätig, habe ich mich Anfang 2015 der Wirtschaftskanzlei LIEB.Rechtsanwälte mit den Kanzleisitzen in Erlangen, Nürnberg und Berlin angeschlossen. Als Fachanwalt für IT-Recht und Arbeitsrecht berate ich hauptsächlich Arbeitgeber, freie Mitarbeiter und mittelständische Unternehmen der IT Branche. Anwalt sein bedeutet für mich auch, sich mit Kollegen auszutauschen, von deren Erfahrungen zu profitieren, um gegebenenfalls Fehler zu vermeiden. Mein Ziel ist es, den zweitgrößten Landgerichtsbezirk in Bayern mit einem Stammtisch wieder aufleben zu lassen, um gerade uns junge Anwälte besser zu vernetzen. Potenzial ist vorhanden, eine Plattform wird entstehen. [email protected]

Anwalt der Anwälte

Bücher-FORUM

Gesamtes Arbeitsschutzrecht

Arbeitszeitrecht

Kündigung bei Krankheit

Kothe/Faber/Feldhoff (Hrsg.), 1. Auflage 2014, 1.402 Seiten, 128 Euro, Nomos Verlag

Hahn/Pfeiffer/Schubert (Hrsg.), 1. Auflage 2014, 646 Seiten, 78 Euro, Nomos Verlag

Achim Lepke, 15. Auflage 2015, 791 Seiten, 142 Euro, Erich Schmidt Verlag

Arbeitsschutzrecht erscheint kompliziert, ist es doch ein Zusammenspiel von Rechtsnormen mit technischen Regeln und arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen. Inzwischen ist es eine viel diskutierte Thematik, gerade nach den Änderungen der §§ 4-6 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Gilt es doch, den steigenden Stress aufgrund der Leistungsverdichtung für Arbeitnehmer zu reduzieren, um den explosionsartig steigenden psychischen Belastungen und Störungen entgegenzuwirken.

Der Handkommentar Arbeitszeitrecht (HK-ArbZR) widmet sich einem Thema, dessen Bedeutung für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber gleichermaßen ansteigt, besonders durch die Gestaltung flexiblerer Arbeitszeitmodelle zur Verbesserung der Work-LifeBalance.

Das Buch ist in sechs Kapitel unterteilt, wobei nach einer allgemeinen Einleitung zunächst auf den Krankheitsbegriff eingegangen wird. In den Kapiteln zwei und drei geht es um die Krankheit als Kündigungsgrund bzw. um Kündigungen wegen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit einer Krankheit (Krankmeldung, Vorlage AU-Bescheinigung, gesundheitsförderndes Verhalten). Im Anschluss daran werden die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses und der Wiedereinstellungsanspruch behandelt. Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit den Folgen einer Kündigung wegen Krankheit.

Autoren und Herausgeber entstammen Anwaltschaft, Justiz, Wissenschaft, Verwaltung und Gewerkschaften. In dem konsequent den Bedürfnissen der betrieblichen Arbeitsschützer angepassten Handkommentar Gesamtes Arbeitsschutzrecht (HK-ArbSchR) fügen sie entscheidende Gebiete zusammen. Sie erläutern die einschlägigen Normen unter Würdigung der europäischen und internationalen Rechtsentwicklung mit neuen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen unter Einschluss straf-, verwaltungs- und sozialrechtlicher Themen. Der Kommentierungsaufbau ist einfach. Dem Gesetzeswortlaut folgt ein Literatur- und Entscheidungsverzeichnis, dem sich die Gliederung mit Normzweck und Rechtssystematik, Unionsrecht und Entstehung, die Detailkommentierung mit Tatbestandsmerkmalen oder Zweckbestimmungen und die Rechtsdurchsetzung anschließen. In den Grundlagen bearbeitet Lörcher den Art. 31 EU-GRC und Kothe das sekundäre Unionsrecht zu Realisierung von Sicherheit und Gesundheit. Teil 2 widmet sich dem Arbeitsschutz und der Gesundheitsprävention, Teile 3 bis 6 fokussieren Arbeitsschutzverordnungen, das Arbeitszeitrecht, den beschäftigungsspezifischen Arbeitsschutz und Arbeitssicherheitsorganisation, bevor die individuelle und kollektive Rechtsdurchsetzung (Teil 7) das Werk abrunden. Erläutert sind das ArbSchG – samt der Änderungen von 2013 wegen psychischer Belastungen –, das ASiG, ArbZG, die einschlägigen Normen des SGB V, VII, IX, die ArbMedVV, ArbeitsstättenV und BildschirmarbeitV, GefahrstoffV und BiostoffV, BetriebssicherheitsV und BaustellV, PSA-BenutzungsV, LastenhandhabV bis zur LärmVibrationsArbSchV. Besonderes Augenmerk richten die Autoren auf Schnittstellenbereiche wie Beteiligungsrechte der Betriebs- und Personalräte oder Mitarbeitervertretungen, betrieblichen Mutterschutz und Jugendarbeitsschutz, Arbeitsschutz in der Insolvenz des Arbeitgebers und Arbeitsschutz sowie Betriebliches Eingliederungsmanagement. Fazit: Die Autoren erläutern sehr verständlich in dem HKArbSchR dieses brisante Thema für die Anwaltspraxis. RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock

Die Herausgeber und die elf Autoren sind im Arbeits- und Arbeitszeitrecht aktive Anwälte, Richter, Verwaltungs- und Verbandsjuristen und fokussieren im HK-ArbZR die Probleme in ihrer Komplexität. Arbeitszeitregelungen mit den rechtlichen Instrumentarien befinden sich in diversen Gesetzen, branchenspezifischen Regelungen oder im betrieblichen Mitbestimmungsrecht, so dass Probleme oft nur im Zusammenspiel der Normen zu lösen sind. Hier greift der HK-ArbZR ein, indem er die maßgeblichen Vorschriften neben dem ArbZG in einem Band verbindet. Neue Entwicklungen wie die Frage der Vergütung und Abgeltung von Überstunden, Gesetzgebungsaktivitäten sowie neue BAG-, LAG-, verwaltungsgerichtliche und EuGH-Rechtsprechung sind auf Basis der Arbeitszeitrichtlinie bearbeitet. Schuberts Einleitung zeichnet neben der historischen Entwicklung zu heutigen gesetzlichen Arbeitsschutzmodellen arbeitszeitrechtliche Regelungsmodelle unter dem europarechtlichen Einfluss nach. Praxisgerecht ist der im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) fixierte Mindeststandard mit der werktäglichen Regelarbeitszeit, der höchstzulässigen Arbeitszeit, Mindestruhepausen und Mindestruhezeit analysiert. Aufschlussreich erklärt Spengler die Begriffe des § 2 und verschiedene Arbeitszeitsysteme. Den wichtigen betriebsverfassungsrechtlichen und tarifvertraglichen Regelungen widmet sich Pfeiffer eingängig in § 7. Ferner sind das AGG, ArbSchG, BBiG, BetrVG, GewO, JArbSchG, das Ladenöffnungsrecht, das MuSchG, SGB IX, das TzBfG und der TVöD mit den relevanten Normen erläutert. Sängers Kommentierung des Mitbestimmungsrechts des BR in Arbeitszeitfragen nach § 87 BetrVG, in der er auf Voraussetzungen, Verstöße, Rechtsfolgen und Rechtsstreitigkeiten ebenso eingeht wie auf konkrete Regelungsbereiche des Mitbestimmungsrechts, ist mit Mustern zu Anträgen, Betriebsratsbeschlüssen oder BVen gespickt. Die weiteren Erläuterungen ermöglichen, Detailfragen aus Sondernormen zu lösen, etwa den Anspruch von Teilzeitbeschäftigten auf anteilige Arbeitszeitverkürzung nach AGG oder von Schwerbehinderten auf Arbeitszeitbeschränkungen nach SGB IX. Fazit: Mit dem HK-ArbZR sind - durch präzise prozessuale Hinweise - vielfältige Arbeitszeitfragen in der Beratung oder vor Gericht praxisgerecht zu lösen. RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock

Im Rahmen der Darstellung wird nicht nur auf „klassische“ Krankheiten eingegangen, sondern auch auf Suchtkrankheiten in verschiedenen Ausprägungen wie Alkoholismus, Glücksspiel, Internetabhängigkeit, Kaufsucht und Essstörungen. Einen breiten Raum nehmen die Themen AIDS (mit und ohne Symptome), Mobbing und Burnout ein. Behandelt werden aber auch das betriebliche Eingliederungsmanagement, die Familienpflegezeit, der Einsatz von Leiharbeitnehmern und Freiwilligkeitsvorbehalte bei Sonderleistungen des Arbeitgebers. Bei der Frage des Beweiswertes von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wird beispielsweise darauf eingegangen, wie der Arbeitgeber diesen erschüttern kann. Unterschiedliche Ansichten in Rechtsprechung und Literatur werden ausführlich dargestellt, so bei der Frage nach einem Wiedereinstellungsanspruch, wenn sich die Gesundheitsprognose nach Ausspruch der Kündigung vor oder nach Ablauf der Kündigungsfrist ändert. Im Gegensatz zur Vorauflage sind Ausführungen zum geplanten Beschäftigtendatenschutzgesetz nicht mehr enthalten, da das Gesetz trotz mehrfacher Ankündigungen immer noch nicht in den Bundestag eingebracht ist. Besonders ins Auge fallend sind die äußerst umfangreichen Fundstellen, die oft ein Drittel einer Seite, manchmal sogar zwei Drittel ausmachen. Auch das Stichwortverzeichnis ist mit fast 20 Seiten sehr ausführlich, sodass man schnell die gewünschte Stelle findet. Das Buch befindet sich auf dem Stand Ende Dezember 2014. Prof. Dr. Achim Lepke hat an der Freien Universität Berlin unterrichtet und war Vorsitzender Richter am LAG Berlin. Er vereint damit theoretisches Wissen und Praxiserfahrung. Fazit: Das Handbuch von Lepke ist ein ausführliches Nachschlagewerk bei der Beratung und Vertretung von Unternehmen vor oder nach Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung. Es zeigt den Handlungsspielraum sowie die gesetzlichen Schranken auf und liefert wertvolle Anregungen. RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart

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Bücher-FORUM

Gesamtes Kostenrecht Schneider/Volpert/Fölsch (Hrsg.), 1. Auflage 2014, 3.410 Seiten, 135 Euro, Nomos Verlag

Beratungshilfe Prozesskostenhilfe Verfahrenskostenhilfe Ingo Michael Groß, 13. Auflage 2015, 597 Seiten, 79,99 Euro, Verlag C.F. Müller

In jüngster Zeit erfuhr das Kostenrecht erhebliche Neuerungen, sodass es an der Zeit für ein einbändiges Werk war, das strukturiert, umfassend und altlastenfrei alle kostenrechtlichen Vorschriften erläutert. Thematisch spannt der NomosKommentar Gesamtes Kostenrecht (NK-GK) den Bogen von Justiz, Anwaltschaft, Notariat über Verwaltungsvollstreckung und Kostenhilferecht bis zur Vergütung und Aufwendungsersatz sonstiger Personen.

Das von Schoreit/Dehn begründete und von Groß fortgeführte Buch aus der Reihe „Heidelberger Kommentare“ behandelt sowohl das BerHG, die einschlägigen Vorschriften aus ZPO und FamFG als auch die berufsrechtlichen Regelungen aus BRAO, BORA, StBerG und WiPrO sowie die Vergütungsvorschriften des RVG. Es folgt der Konzeption, die Gesamtmaterie der Gewährleistung von Rechtsberatung und -vertretung für Bürger mit geringem Einkommen in einem Werk zusammenzutragen.

Die 40 namhaften Autoren und Herausgeber entstammen der kostenrechtlichen Berufspraxis und lassen ihre Erfahrungen in das Werk einfließen. Sie wollen dem Nutzer den sofortigen Zugang zu allen für seine Praxis wichtigen Kostengesetzen mit ihren Verzahnungen untereinander und zur neuesten Rechtsprechung mit dem aktuellen Meinungsstand bieten.

Der Autor stellt dem Leser neben den Kommentierungen der Normen einführende Erläuterungen und Einleitungen zu den jeweiligen Kapiteln bereit, die eine schnell erfassbare Einführung in die jeweilige Thematik bieten. Vor dem Hintergrund der Reform des Prozesskostenhilfe- und Beratungsrechts zum 1. Januar 2014 wird gesondert auf die sich hieraus ergebenden wichtigsten Änderungen hingewiesen und so ein schneller Überblick gegeben. Literatur und Rechtsprechung sind bis September 2015 ausgewertet, so dass insbesondere bereits nach Inkrafttreten der Gebührenreform ergangene Entscheidungen berücksichtigt werden konnten.

Beim Stand Frühjahr 2014 sind neben dem 2. KostRMoG diverse kostenrechtliche Änderungsgesetze aus 2013 und die seit 1.4.2014 geltende KostVfG integriert. Erläutert sind das GKG, das FamGKG, Gerichtskosten in Spezialgesetzen, GNotKG, HRegGebV, JVEG, GvKostG, RVG, JVKostG, Hinterlegungssachen, JBeitrO, EBAO, patent- und markenrechtliche Kostenregelungen, das neue BGebG, PKH-/VKH-Vorschriften, FamFG, BerHG, InsO bis zu Vergütungsregelungen sonstiger Personen (Betreuer, Vormund etc.). Der Anhang umfasst mehrere Landesjustizkostengesetze, Verwaltungsvorschriften (v. a. KostVfG 2014) und Gebührentabellen. Auf rund 950 Seiten ist das GKG durchgängig mit der Verknüpfung von Kosten- und Verfahrensrecht erläutert. Im Anhang dazu trifft man auch auf ABC-Listen zur Streit-/Wertbestimmung in den verschiedenen Gerichtszweigen. Berechnungsbeispiele, Aufzählungen und Formulierungsmuster präzisieren die verständliche Kommentierung des RVG und des VV-RVG. Innerhalb des wichtigen Kostenhilferechts sind das PKH-/VKH- und BerHRecht mit dem Blick für das Wesentliche behandelt. Prägnant ist hier der neue Begriff der Mutwilligkeit im PKH-Verfahren erarbeitet und mittels Einzelfällen aufbereitet. Dem Betreuer oder Verfahrenspfleger hilft die knappe Bearbeitung der jeweiligen BGB-, FamFG- oder VBVG-Normen. Der Fußnotenapparat zitiert aktuelle Rechtsprechung und Literaturhinweise. Fazit: Die Autoren schaffen einen Kommentar mit außergewöhnlicher Materialfülle. Dennoch fokussiert der NK-GK bewusst die in der Praxis abrechnungstypischen Fragen mit Denkanstößen für rechtsichere Abrechnungen. Seine Verständlichkeit ist dem angenehm klaren Stil der Autoren zu verdanken. Somit ist der NK-GK dem Praktiker klar zu empfehlen!

Die Kommentierung geht in strukturierter Weise regelmäßig zunächst auf den Regelungsinhalt der Norm und Zuständigkeiten ein, bevor die einzelnen Tatbestände unter ausführlichen Hinweisen auf einschlägige Rechtsprechung dargestellt werden. Dem anwaltlichen Leser dürfte insbesondere die Berücksichtigung und Kommentierung berufsrechtlicher Pflichten zur Übernahme und die anerkannten Möglichkeiten der Ablehnung von Beratungshilfe als auch insbesondere die Kommentierung der Besonderheiten der Abrechnung bei Beratungs- und Prozess-/Verfahrenskostenhilfe im Kanzleialltag dienen. Lediglich das Stichwortverzeichnis, welches unter den drei titelgebenden Stichwörtern nahezu eigenständige Stichwortlisten von A bis Z bereithält, erscheint durch diese Untergliederung bisweilen unübersichtlich. Fazit: Im Ergebnis ist der Kommentar eine nützliche Hilfe, dessen Lektüre sowohl auf Seiten der Anwaltschaft, als auch bei den Bewilligungsstellen von Beratungs-, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe in der Praxis viele – zumeist unnötige – Rückfragen und Erläuterungen ersparen kann. Für den Fall, dass diese dennoch erforderlich sind, ist er ein nützliches Nachschlagewerk, das durch seine strukturierte Gliederung schnell die passenden Informationen und einschlägige Rechtsprechung auffinden lässt. RAin Jennifer Etzrodt, Heldrungen

Fälle und Lösungen zum RVG Norbert Schneider, 4. Auflage 2015, 1.546 Seiten, 99 Euro, Deutscher AnwaltVerlag

In vierter Auflage ist das Werk „Fälle und Lösungen zum RVG“ unter Beachtung der Neuerungen des 2. KostRMoG erhältlich. Die seit der Vorauflage ergangene Rechtsprechung ist eingearbeitet, insbesondere die Rechtsprechungsnachweise zur Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, zur Kostenerstattung in Anrechnungsfällen (§ 15a Abs. 2 RVG) und zur Klarstellung bei der Terminsgebühr. Der Autor Norbert Schneider ist ein renommierter und exponierter Gebührenrechtler der Anwaltschaft. Mit seinem unveränderten Konzept macht er das RVG für die Abrechnungspraxis transparent. Anhand der über 2.200 Beispielsrechnungen zeigt er, wie die RVG-Vorschriften in der eigenen Vergütungsabrechnung zum eigenen unmittelbaren Vorteil umzusetzen sind. Jedoch wird die Arbeit mit Kommentar oder Lehrbuch dadurch nicht obsolet. Wichtige anwaltliche Tätigkeitsbereiche arbeitet Schneider in 42 Paragraphen systematisch auf. Er spannt den Bogen von der Einleitung, in der er das Vorgehen bei der Erstellung einer Kostenrechnung erklärt, über den gerichtlich bestellten oder beigeordneten Anwalt in Straf- und Bußgeldsachen in Verfahren nach Teil 6 VV, die Anrechnung nach § 15a RVG, außergerichtliche Vertretung, bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Angelegenheiten, Straf- und Bußgeldsachen bis hin zur Vergütung für Aktenauszüge. Sozialrechtliche Angelegenheiten sind ein Schwerpunkt. Neben den Wertgebühren zeigt er die Abrechnungsmodalitäten bei Rahmengebühren. Er geht auf die außergerichtliche Vertretung, das gerichtliche Erkenntnisverfahren erster Instanz, das einstweilige Anordnungs-, Beschwerde- und Erinnerungsverfahren bis zum PKH-Prüfverfahren ein. Ausführlich wendet er sich im Rahmen der Terminsgebühr der Problematik der Geltendmachung der fiktiven Terminsgebühr zu, die dem Anwalt das gebührenrechtliche Interesse an der Durchführung eines Termins zu nehmen sucht. Bewusst erklärt Schneider die Gebührentatbestände in Grundzügen ohne große theoretische Ausführungen, bevor er die Sachverhalte und die Lösungswege zeigt. Dem schließt sich die Beispielrechnung in übersichtlicher Form mit allen Zwischenschritten und Ausweisung der Nummern des Vergütungsverzeichnisses an. Fazit: Schneider zeigt in der Sachverhaltsauswahl nahezu alle auftretenden Abrechnungsvarianten unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung auf. Im Ergebnis ist das außergewöhnliche Fallbuch mit seinem reichen Beispielfundus jedem Anwalt zu empfehlen, um das Honorar korrekt abzurechnen. RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock

RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock

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Bücher-FORUM

Anwalts-Handbuch Mietrecht Klaus Lützenkirchen (Hrsg.), 5. Auflage 2015, 2.250 S., 149 Euro, Verlag Dr. Otto Schmidt

Die Vorauflage (2010) des „Lützenkirchen“ war in die Jahre gekommen. Umso erfreulicher ist, dass es gelungen ist, für die vorliegende 5. Auflage auch die aktuellsten Entwicklungen umfassend zu berücksichtigen (Mietpreisbremse, neue BGH-Rechtsprechung zu Schönheitsreparaturen etc.). Das Anwalts-Handbuch hält voll und ganz, was der Titel verspricht. Es handelt sich um ein Werk, das in jeder Hinsicht auf die Bedürfnisse des Rechtsanwalts zugeschnitten ist. Dies zeigt bereits die Gliederung, die weniger streng dogmatisch aufgebaut als vielmehr an die typischerweise vorkommenden Beratungssituationen angelehnt ist. Hierbei wird für jeden Themenkreis (Vertragsgestaltung, Mieterhöhung, Kündigung, usw.) stets ein Perspektivwechsel um 180 Grad vollzogen und sowohl die Beratung des Mieters als auch diejenige des Vermieters eigenständig dargestellt. Dieses Gliederungskonzept entspricht den Bedürfnissen des Rechtsanwalts als parteiischem Berater ideal. Sowohl der Inhalt selbst als auch dessen Darstellung heben sich deutlich von anderen Werken ab. Wenngleich natürlich (auch) die objektive Rechtslage referiert wird, liegt der Fokus ganz deutlich darauf, konkrete strategische Handlungsoptionen aufzuzeigen. Als Beispiel mag die Darstellung der Abwicklung beendeter Mietverträge dienen: 1.) Der Mieter befindet sich noch in der Wohnung, 2.) … ist ausgezogen, hat aber noch nicht übergeben, 3.) … ist ausgezogen und hat übergeben, 4.) … der verschwundene Mieter. Die Autoren stellen den Ablauf der praktischen Geltendmachung bestimmter Ansprüche stets in Form von Schritt-für-Schritt-Anleitungen anschaulich und detailliert dar (zum Beispiel: „Ausübung des Vermieterpfandrechts“, S. 747 ff.) und greifen dabei immer wieder auch heikle Themen auf (etwa: „Der querulatorische Mandant“, S. 189 ff.). Charakteristisch sind die zahlreichen und besonders liebevoll und detailliert ausgearbeiteten tabellarischen Darstellungen und Checklisten, etwa: Vorbereitung eines Mietvertrags (S. 17 ff.); Inhaltskontrolle beim Formularmietvertrag (S. 73 ff.); Minderungstabelle (S. 594 ff.). On top werden schließlich noch zahlreiche Musterformulierungen geboten. Zur besseren Auffindbarkeit wäre es allerdings wünschenswert, wenn es für diese ein Verzeichnis gäbe.

Formularbuch des Fachanwalts Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht

Hinz/Junker/von Rechenberg/Sternel (Hrsg.), 3. Auflage 2016, 1.116 Seiten, 129 Euro, Luchterhand Verlag

Koch/Hendler (Hrsg.), 6. Auflage 2015, 740 Seiten, 49,90 Euro, Boorberg Verlag

Frisch erschienen ist das Formularbuch des Fachanwalts Miet- und Wohnungseigentumsrecht in 3. Auflage. Neben einer Vielzahl von Mustervorlagen aus dem Miet- und Wohnungseigentumsrecht wird auch eine Auswahl grundlegender Arbeitshilfen im Bauträger-, Makler-, Nachbar-, Immobilien-, Verwaltungs-, Immobiliarvollstreckungs- und Steuerrecht mit mietrechtlichem Bezug auf 1.116 Seiten zur Verfügung gestellt, wobei sich hier die Darstellung auf die wesentlichsten Vorlagen und Erläuterungen beschränkt.

Das in der 6. Auflage vorliegende Buch befasst sich mit Fragen rund um das öffentliche Baurecht. Das Buch ist in drei Teile aufgegliedert. Dabei erfolgt die Darstellung vom „Großen“ zum „Kleinen“: Teil 1 (§§ 1-10) behandelt die Raumordnung und Landesplanung. Dabei wird auf die einzelnen Bundesländer und die EU eingegangen. Teil 2 (§§ 11-22) befasst sich mit der bundesrechtlichen Bauleitplanung, während sich Teil 3 (§§ 23-27) mit dem Bauordnungsrecht, also mit der Zulässigkeit eines Vorhabens und den Instrumenten der Behörde beschäftigt.

Die Neuauflage berücksichtigt aktuelle Gesetzesänderungen sowie die jüngste Rechtsprechung, insbesondere zu Schönheitsreparaturen, Betriebskostenabrechnungen und Eigenbedarfskündigungen. Die jeweiligen Gebiete sind übersichtlich in einzelne Teile untergliedert, wobei der mietrechtliche Teil mit 634 Seiten und das Wohnungseigentumsrecht mit rund 260 Seiten den größten Raum einnehmen.

Allen Teilen ist gemein, dass sie jeweils den möglichen Rechtsschutz und das Verfahren verständlich darstellen. Ferner werden zu Beginn eines jeden Paragraphen Literatur sowie in der Regel Fälle zum Thema aus der Praxis vorangestellt und im Laufe der Bearbeitung gelöst, was die Praxisbezogenheit des Buches unterstreicht und so den eigenen Anspruch der Autoren, ein Studienbuch vorzulegen, untermauert. Die Autoren kommen überwiegend aus der anwaltlichen Praxis, aber auch Wissenschaft und Verwaltung sind vertreten. Einige Prüfungsschemata sowie Übersichten vertiefen die Darstellungen. Das „eine“ Prüfungsschema anhand einer konkreten Norm erfolgt jedoch nicht. Vielmehr wird die grobe Marschrichtung der Prüfung aufgezeigt, da sich die Länderregelungen zum Teil erheblich unterscheiden. So werden die gängigen Konstellationen aufgearbeitet, mit denen sich der Sachbearbeiter konfrontiert sehen kann.

Das Inhaltsverzeichnis bietet einen schnellen Überblick über alle behandelten Vorlagen, die sowohl den außergerichtlichen wie auch den gerichtlichen Teil der anwaltlichen Bearbeitung abdecken. Zu speziellen Problemen und Fragen werden Schriftsatzoder Vertragsmuster, Berechnungsbeispiele und Checklisten angeboten. Im Anschluss an die Muster werden einzelne Punkte in Erläuterungen erklärt, Hinweise für die Bearbeitung gegeben und vielfach auch Streitwertberechnungen dargelegt. Zur Überprüfung und Weiterbearbeitung werden die Erläuterungen regelmäßig mit entsprechenden Fundstellen aus der Rechtsprechung belegt und ergänzt. Es werden auch immer wieder verschiedene Alternativen aufgegriffen, was eine Verwendung für den eigenen anwaltlichen Bedarf sehr erleichtert. Die Formulierungen und Erklärungen sind klar verständlich und strukturiert. Alle Mustervorlagen können als Download über einen Code aus dem Internet heruntergeladen und direkt als Textdatei genutzt und weiterbearbeitet werden. Mit einem weiteren Code kann zudem die Onlineausgabe des gesamten Buchs gegen einen Aufpreis von 25,60 Euro erworben werden.

Fazit: Der „Lützenkirchen“ ist ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches und empfehlenswertes Werk.

Fazit: Das Formularbuch ersetzt in vielen Fällen sicherlich keinen Kommentar, was aber auch nicht sein Anspruch ist. In der anwaltlichen Praxis wird es sich bei der Formulierung von Schriftsätzen, Klagen und Berechnungen schnell bewähren. Das Werk eignet sich hierbei nicht nur für Fachanwälte, sondern für jeden, der mehr als nur gelegentlich mietrechtliche Belange wahrzunehmen hat.

RA Henry Naeve, Hamburg

RA Arnd-Martin Alpers, Bielefeld

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Das Hand- und Studienbuch kommt aus der Praxis und richtet sich überwiegend an die Praxis, d. h. Anwaltschaft, Gerichte, Verwaltung, Bauingenieure und Planer. Aber auch Studenten und Referendare profitieren von diesem Studienbuch. Die komplexe Materie wird tiefgründig darstellt. Vor allem der gewählte Aufbau – von der Raumordnung über die Bauleitplanung hin zur baurechtlichen Zulassung des Vorhabens – macht das Buch sehr gefällig. Es zeigt die eigentliche Struktur des öffentlichen Baurechts und die Einbettung des Vorhabens gemäß Bauordnungsrecht in das Gesamtgefüge der gemeindlichen und regionalen Planung gut auf. Fazit: Dem Buch gelingt ausgezeichnet für die drei großen Teilgebiete des öffentlichen Baurechts die Synthese aus Verständlichkeit, Tiefe und Kompaktheit. Es braucht den Vergleich mit den gängigen Kommentaren zu diesen Teilgebieten nicht zu scheuen. RA Dirk Hofrichter, Strausberg

Bücher-FORUM

Gemeinschaftskommentar zum Bundesimmissionsschutzgesetz Martin Führ (Hrsg.) 1. Auflage 2016, 1892 Seiten, 139 Euro Carl Heymanns Verlag Aus der Reihe der Gemeinschaftskommentare zum Umweltrecht liegt nun nach längerer Vorankündigung der Gemeinschaftskommentar zum BImSchG vor. Das zuletzt 2014 als Loseblattwerk mit der 36. Ergänzungslieferung erschienene Werk wird in der Auflage 2016 als gebundenes Buch auf den Markt gebracht. Der Zugriff auf die Onlineausgabe über das Portal Jurion ist mit Zusatzkosten und einer Registrierung verbunden. Der Herausgeber konnte Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft und Praxis für die Kommentierung dieses wichtigen Bereichs des Wirtschaftsverwaltungsrechts gewinnen, um die Zielsetzung einer anwendungsorientierten und zugleich wissenschaftlich fundierten Darstellung zu erreichen. Gerade im Immissionsschutzrecht, das für viele Bauvorhaben von Industrie und Wirtschaft die verfahrensrechtliche Grundlage bildet, ist diese Herangehensweise unentbehrlich. Nicht nur Rechtsanwender, die aufseiten der Vorhabenträger oder der Behörde tätig sind, sondern jene, die von solchen Projekten Betroffene beraten, können von der umfassenden Darstellung profitieren. Die Kommentierung der einzelnen Paragrafen ist übersichtlich, wenn auch nicht einheitlich gegliedert. Nicht nur der Gesetzestext selbst wird erläutert, sondern an den entsprechenden Stellen auch die zahlreichen zum BImSchG ergangenen Verordnungen. Ebenso wird auf die für das Immissionsschutzrecht unverzichtbaren TA Luft und die TA Lärm eingegangen, was den Rechercheaufwand im Einzelfall erheblich reduziert. Soweit einschlägig, werden Rechtsschutzmöglichkeiten des Vorhabenträgers und betroffener Dritter gegenüber der Entscheidung der Genehmigungsbehörde dargestellt. Am Ende der Kommentierung jeder Vorschrift unternehmen die Autoren eine Würdigung, also eine Bewertung insbesondere im Hinblick auf Ziel, Umsetzung und Einfügen in das Rechtsgebiet, wobei die Meinung bisweilen deutlich zum Ausdruck gebracht wird. So bewerten Roßnagel/ Hentschel die Regelung des § 22 BImSchG als „nicht den umweltpolitischen Bedürfnissen“ entsprechend. Fazit: Mit dem Gemeinschaftskommentar zum BImSchG ist nunmehr eine gelungene Kommentierung erhältlich, die den Gesamtzusammenhang des Immissionsschutzrechts praxisnah darstellt. Praktiker sowohl in der Rechtsberatung wie auch in Behörden können sich den grundlegenden Fragestellungen des Rechtsgebiets annähern und konkrete Handlungsanweisungen für ein rechtssicheres Verfahren entwickeln. Ein insgesamt geglückter (Neu-)Start für die Bearbeitung. RA Markus Sawade, Kiel

Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung

Vereinbarungen mit Mandanten

Kindl/Meller-Hannich/Wolf (Hrsg.), 3. Auflage 2016, 3.162 Seiten, 108 Euro, Nomos Verlag

Hinne/Klees/Müllerschön/Teubel/Winkler, 3. Auflage 2015, 277 Seiten, 49 Euro, Nomos Verlag

Der Handkommentar zum Zwangsvollstreckungsrecht erläutert nicht nur die Vorschriften aus dem 8. Buch der ZPO, sondern auch das ZVG und weitere Nebengesetze wie das FamFG, das AnfG und das RPflG sowie mehrere einschlägige europäische Verordnungen. Im Rahmen der jeweiligen ZPO-Vorschrift werden zudem die für Kosten und Gebühren relevanten Vorschriften des GvKostG, des GKG, GNotKG und RVG angeführt, die weiter hinten im Buch genauer besprochen werden. Gleiches gilt für die jeweils korrespondierende Vorschrift für Gerichtsvollzieher in der GVGA und GVO, die ansonsten nur abgedruckt sind.

Das von einem fünfköpfigen Autorenteam verfasste Werk behandelt die „Vereinbarungen mit Mandanten“ in den Abschnitten: Vergütungsvereinbarungen, Mandatsbedingungen, Absicherung und Durchsetzung des Honoraranspruchs sowie Verhandlungsführung.

Die Kommentierung ist konsequent auf die Praxis ausgerichtet. So werden an zahlreichen Stellen Tipps zum taktischen Vorgehen gegeben, etwa wie Gläubiger reagieren sollten, wenn bei einem Zwangsversteigerungstermin kurz vor Ablauf der Bietzeit noch kein Gebot eingegangen ist. Zahlreiche kleine Beispiele und Berechnungen, etwa zu den Freibeträgen beim P-Konto sowie Schaubilder veranschaulichen die theoretischen Ausführungen. Sehr nützlich sind auch die vielen Formulierungsvorschläge für Anträge und Tenorierungsbeispiele sowie die Schnellübersicht „Vollstreckung von A-Z“ beim FamFG. Gleiches gilt für die Schwerpunktbeiträge, die einzelne, für die Praxis besonders relevante Bereiche im Anschluss an die eigentliche Gesetzeskommentierung nochmals zusammenfassend darstellen, etwa in Bezug auf die Zwangsvollstreckung in Ansprüche auf Sozialleistungen und im Mietverhältnis.  Wie für einen Kurzkommentar typisch, sind die Erläuterungen kurz und prägnant. Wichtige Begriffe sind mit Fettdruck hervorgehoben. Die Fundstellen sind unterhalb des Textes in einem separaten Fußnotenbereich angebracht und stören so nicht den Lesefluss. In der Neuauflage wurden die Änderungen durch die Reform der Sachaufklärung 2013 und die neuen Pfändungsfreigrenzen 2015 berücksichtigt. Erstmals aufgenommen wurde eine Kommentierung der ab 2015 geltenden Brüssel Ia-VO. Herausgeber sind zwei Professoren und ein ehemaliger Richter am OLG. Auch das Autorenteam besteht im Wesentlichen aus Professoren und Richtern, aber auch Rechtspflegern. Fazit: Mit dem Handkommentar zum Zwangsvollstreckungsrecht erhält man einen hervorragenden Praxiskommentar, in dem auf mehr als 3.000 Seiten alle wichtigen Bereiche des Zwangsvollstreckungsrechts behandelt werden. Die Erläuterungen sind auf das für die Praxis Relevante reduziert und verzichten auf unnötige theoretische Ausführungen.

Die Vorauflage liegt sieben Jahre zurück, sodass bei der Neubearbeitung eine Vielzahl von neuen Gesetzen sowie neue Rechtsprechung zu berücksichtigen war. Zu nennen sind insbesondere die neuen Regelungen zu Vergütungsvereinbarungen einschließlich Erfolgshonorar (§§ 3a bis 4b RVG) und die dazu bereits ergangene Rechtsprechung. Der Abschnitt „Vergütungsvereinbarungen“ nimmt den größten Raum ein: Zunächst werden allgemeine formelle und materielle Voraussetzungen wirksamer Vergütungsvereinbarungen und sodann verschiedene Vergütungsformen, vom „normalen“ Zeithonorar über das Erfolgshonorar bis hin zu Dauerberatungsverträgen dargestellt. In dem Abschnitt „Allgemeine Mandatsbedingungen“ werden der Anwaltsvertrag und die Einbeziehung und Inhaltskontrolle allgemeiner Mandatsbedingungen abgehandelt und mögliche Regelungsbereiche, insbesondere Haftungsbeschränkungen, vorgestellt. Der folgende kurze Abschnitt über die Absicherung und Durchsetzung des Honoraranspruchs befasst sich unter anderem mit präventiven Maßnahmen wie der Abtretung von Erstattungsansprüchen, aber auch mit der gerichtlichen Geltendmachung von Honoraransprüchen. Den inhaltlichen Ausführungen folgt jeweils ein gesonderter Abschnitt mit Musterformulierungen, wobei der Schwerpunkt wiederum auf den Honorarvereinbarungen liegt. Die Kombination von inhaltlicher Darstellung und konkreter Formulierungshilfe ist sehr gelungen. Unnötig ist allerdings, dass in mehreren Fällen, etwa bei den Ausschlüssen gesetzlicher Anrechnungsvorschriften (S. 94), jeweils der gesamte Wortlaut der Vereinbarung – hier ganze einundzwanzigmal – aufs Neue wiedergegeben wird, obwohl sich stets nur die jeweilige Anrechnungsvorschrift ändert. Das abschließende Kapitel rundet die Darstellung mit einer prägnant geschriebenen und mit zahlreichen Grafiken und Beispielen aufgelockerten Abhandlung über die Verhandlungsführung im Allgemeinen und Honorarverhandlungen im Besonderen ab. Fazit: Für jeden Rechtsanwalt, der nicht (nur) nach RVG abrechnet, sondern (auch) mit Honorarvereinbarungen arbeiten oder auch allgemeine Mandatsbedingungen verwenden möchte, ist das Buch eine sehr lohnende Anschaffung. RA Henry Naeve, Hamburg

RAin Tanja Fuß, MPA, Stuttgart

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Geigel - Der Haftpflichtprozess

Versicherungsrechts-Handbuch

Fahrverbot in Bußgeldsachen

Kurt Haag (Hrsg.), 27. Auflage 2015, 1.996 Seiten, 149 Euro, Verlag C.H. Beck

Beckmann/Matusche-Beckmann (Hrsg.), 3. Auflage 2015, 3.360 Seiten, 219 Euro, Verlag C. H. Beck

Carsten Krumm, 3. Auflage 2014, 681 Seiten, 78 Euro, Nomos Verlag

Die vorliegende 27. Auflage bringt das seit 80 Jahren eingeführte Standardwerk zum Haftpflichtrecht wieder auf den aktuellen Stand der Gesetzgebung und Rechtsprechung. Wenngleich es seit der Vorauflage keine grundlegende Umwälzung des Haftpflichtrechts gegeben hat, so wurden doch zahlreiche Aktualisierungen eingearbeitet und neue Akzente gesetzt. Zu nennen sind nur beispielhaft die durch das neue Patientenrechtsgesetz eingefügten §§ 630a bis 630h BGB, neue BGH-Entscheidungen zur 130-Prozent-Grenze bei Verkehrsunfallschäden, die wieder aufgekeimte Frage eines etwaigen Mitverschuldens beim Nichttragen eines Fahrradhelms, das stets im Fluss befindliche Recht zu Ausgleichsansprüchen bei Annullierung und Verspätung von Flügen nach der EU-Fluggastrechteverordnung und vieles andere mehr.

Für dieses Handbuch braucht man beide Hände: Auf rund 3.360 Seiten wird das Versicherungsrecht umfassend dargestellt. Die im vergangenen Jahr erschienene, vollständig überarbeitete 3. Auflage knüpft an die Vorauflage, die kurz nach der VVG-Reform 2008 erschien, an und nimmt insbesondere die zum neuen VVG ergangene Rechtsprechung und ergänzende Literatur auf. Zahlreiche Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft und Praxis erfüllen die hohen Erwartungen in die Ausarbeitung.

Carsten Krumm, ein ebenso erfahrener wie engagierter Richter im Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, widmet sich exklusiv in dem Klassiker Fahrverbot in Bußgeldsachen dem Fahrverbot nach § 25 StVG.

Bereits ein Blick in das Inhaltsverzeichnis macht deutlich, welches enorme Themenspektrum der Geigel abdeckt. Das Werk will nicht weniger, als das gesamte Haftpflichtrecht materiellrechtlich wie prozessual umfassend abhandeln. Nach einer hervorragenden Einführung in die allgemeinen Begriffe und Rechtsverhältnisse des Haftpflichtrechts (Teil 1) werden dementsprechend nahezu sämtliche Haftpflichttatbestände im Einzelnen abgehandelt (Teil 2). Abschließend werden ausführlich die prozessualen Besonderheiten des Haftpflichtrechts dargestellt (Teil 3). Geradezu unverzichtbar ist der Geigel für den Verkehrsrechtler: Nicht nur die hervorragende Darstellung der Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führers im 25. Kapitel, sondern insbesondere auch die zugleich erschöpfende und doch übersichtliche und systematische Darstellung aller überhaupt nur denkbaren Schadenspositionen in den „vor die Klammer gezogenen“ ersten neun Kapiteln, machen das Werk zu einer wahren Fundgrube bei der Abwicklung von Verkehrsunfällen. Den Geigel „nur“ in die Schublade Verkehrsrecht zu stecken wäre indessen falsch, denn er kann viel mehr als das: Umfassend abgehandelt werden unter anderem auch die Tierhalter- und die Gebäudeeigentümerhaftung, nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, die Amtshaftung inklusive der öffentlich-rechtlichen Ausgleichsansprüche, die Haftung für Umweltschäden und die Haftung im Luftverkehr, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Fazit: Der Geigel ist ein außergewöhnliches Werk. Die Anschaffung kann jedem Anwalt und jeder Anwältin nur wärmstens empfohlen werden. Für Verkehrsrechtler ist er ein Muss! RA Henry Naeve, Hamburg

Der Umfang des Handbuchs ermöglicht eine breite, wissenschaftlichem Anspruch gerecht werdende Darstellung der einzelnen Themen. Auf etwa 290 Seiten geht es zum Beispiel um Abschluss und Beendigung von Versicherungsverträgen, wobei dem Vertragsabschluss über das Internet ein eigenes Kapitel zukommt. Zu prozessualen Besonderheiten, insbesondere auch zu Beweislast und -mitteln, gibt es ähnlich umfangreiche Ausführungen. Im Anschluss finden sich 24 Abschnitte zu den zahlreichen verschiedenen Versicherungen: Neben etwa Lebens-, Kfz- und Rechtsschutzversicherung haben die Herausgeber auch entlegene Versicherungen wie Kredit- und Bauleistungsversicherung sowie betriebliche Altersvorsorge aufgenommen. Die Breite der Darstellung ermöglicht es, auch spezielle Fragen zu beantworten. So stellt Philipp im Kapitel Feuerversicherung die versicherungsrechtlichen Probleme bei Fehlalarmen durch Rauchmelder dar. Seiner Ansicht nach müsse der Versicherungsschutz beispielsweise auch dann eingreifen, wenn der Versicherungsnehmer Rettungsmaßnahmen durchführt, obwohl er lediglich von Rauch ausging und nicht von einem Brand. Frühzeitige Rettungsmaßnahmen seien gerade auch im Interesse der Versicherung. Andere Handbücher, insbesondere die Fachanwaltsliteratur, stellen oftmals einen Praxisbezug durch Checklisten und/oder Musterformulierungen her. Solche Arbeitshilfen sind in dem vorgestellten Werk nicht enthalten. Dies ist bereits vom Ansatz her nachvollziehbar. Die Herausgeber zielen auf die Vertiefung von versicherungsrechtlichen Fragen, die praxisnah beantwortet werden und gleichzeitig einem wissenschaftlichen Anspruch genügen sollen. Gerade zur Bearbeitung komplizierter Fälle aus dem Versicherungsrecht bekommt der Praktiker zahlreiche Impulse und zitierfähige Quellen an die Hand. Fazit: Für die vertiefte Bearbeitung von Versicherungsfällen, insbesondere für eher unübliche Versicherungszweige besonders empfehlenswert. Absolute Anfänger sollten allerdings einen anderen Einstieg wählen. RA Markus Sawade, Kiel

In 34 Paragraphen spannt er den Themenbogen von den rechtlichen Grundlagen über Sinn und Zweck, Verhältnis Geldbuße/Fahrverbot, das Fahrverbot wegen Trunkenheits- oder Drogenfahrt, die Vollstreckung, Fahrverbot bei Jugendlichen und Heranwachsenden, die Anwaltsvergütung bis hin zur Tenorierung im amtsrichterlichen Urteil. Sämtliche Rechtsprechung seit der Vorauflage und Gesetzesneuerungen bis zum 1. Mai 2014 sind integriert. Der Nutzer erhält einen Ratgeber mit guter Aufarbeitung der schier unüberschaubaren Masse an teils sich widersprechender Rechtsprechung zum Fahrverbot, zum Erkennen der Probleme und für eine pragmatische Lösung der verschiedenen Fragen bei einer Fahrverbotsanordnung oder deren Vollstreckung. Dazu sind unter anderem die Ausführungen zu Messverfahren intensiv überarbeitet und aktualisiert, insbesondere die strittigen Themen der Akteneinsicht in Bedienungsanleitungen, Lebensakte oder Messfilme sind ausgeweitet worden. Die neuen Antrags- oder Schriftsatzmuster, Prüfungsschemata, Checklisten, Übersichten und Tipps optimieren den Praxisnutzen des Buchs nicht nur für die Anwaltschaft. Auch stilistisch weiß das Werk zu gefallen. Neu aufgenommen sind die Kapitel Vollstreckung von Fahrverboten, die mit Fahrerlaubnisentziehungen zusammentreffen, Rechtsbeschwerde, das Wiederaufnahme- und das Gnadenverfahren sowie die Verfassungsbeschwerde. Schwerpunkte sind die Kapitel zu den (Regel-)FahrverbotsOWis des § 25 Abs. 1, S. 1 StVG und zum Fahrverbot wegen groben und beharrlichen Pflichtverletzungen (§§ 5, 6). Lehrreich ist die Ausarbeitung in § 5 zu den Geschwindigkeitsmessungen, in denen Krumm exakt auf standardisierte Messverfahren, Eichprobleme, Laser- und Radar-Geschwindigkeitsmessungen und Rotlichtverstöße eingeht ebenso wie in § 6 mit den Voraussetzungen und dem Absehen vom Fahrverbot wegen fehlender Voraussetzungen mit Fahrverbotsproblemen bei Geschwindigkeits- und Rotlichtverstößen. Die Muster möglicher Sach- und Verfahrensrügen sind in eigenen Schriftsätzen gut verwertbar. Hilfreich sind die Kapitel zur Anwaltsvergütung und Prüfungsreihenfolge im ersten Mandantengespräch. Fazit: Carsten Krumms Fahrverbot in Bußgeldsachen ist ein ebenso unumgängliches wie nützliches Nachschlagewerk, um Fahrverbotsmandate praxisgerecht und rechtssicher zu bearbeiten. RA Jens Jenau, Schloß Holte-Stukenbrock

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Autorenverzeichnis

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Ulrike Osterloh ist seit 2015 Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses des FORUMs Junge Anwaltschaft im DAV. Seit 2009 ist sie zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und in Augsburg als Rechtsanwältin tätig, hauptsächlich im Bereich des Sozialrechts. [email protected]

Auflösung Fußballwissen!

Dr. Karsten Hofmann ist selbständiger Rechtsanwalt in Bonn (KH:Rechtsanwalt) und schwerpunktmäßig in den Bereichen Sportrecht, Vereinsrecht und Schiedsgerichtsbarkeit tätig. Er arbeitet als Parteivertreter, Berater und (Schieds-) Richter. Von 2010-2014 war er in der Schweiz in einer auf Sportrecht spezialisierten Kanzlei beschäftigt und bis 2003 auch Fußballschiedsrichter. [email protected]

Für jeden richtigen Namen bekommst Du einen Punkt. Manche Sprüche sind unverändert. Wenn Du diese erkennst, bekommst Du zwei Punkte. Hast Du selbst Fussballsprüche für Anwälte? Sende sie an [email protected], wir drucken sie in der Ausgabe 03/16 und Du bekommst drei Punkte.

Markus Groll ist Stellvertretender Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses des FORUMs Junge Anwaltschaft im DAV und Regionalbeauftragter für die Landgerichtsbezirke München I und II. [email protected]

S. 4 / Gary Lineker „Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen die Deutschen.“ S. 6 / Ronald Koeman „Die deutschen Spieler hören erst auf zu kämpfen, wenn sie im Bus sitzen.“

Nina Fuhr arbeitet als Rechtsanwältin für (internationales) Handels- und Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht in der Wirtschaftskanzlei von Woedtke & Partner in Düsseldorf. [email protected]

Lea Hogrefe-Weichhan ist selbständige Rechtsanwältin in Kiel. Zuvor arbeitete sie für ein deutsch-dänisches Steuerbüro. Sie ist spezialisiert auf Schmerzensgeldansprüche, Verkehrs- und Pferderecht. www.kuestenkanzlei.de

Nadine Passenheim ist Rechtsanwältin in Hannover und berät im allgemeinen Zivilrecht, Arbeitsrecht und Familienrecht, dort insbesondere nichteheliche Lebensgemeinschaften. Sie ist auch als Juristische Referentin bei der Rechtsanwaltskammer Celle angestellt. www.ra-passenheim.de

Andreas Hansmeier war nach dem Jura-Studium zunächst als freier Mitarbeiter in einem mittelständischen Anwaltsnotariat tätig. Seit 2012 ist er angestellter Rechtsanwalt in der Kanzlei Scheuch & Lindner, Karlsruhe.

S. 8 / George Best Zitat unverändert. Das passt wörtlich für bestimmte Juristen. S. 11 / Egidius Braun „Mit der englischen Sprache ist es wie mit meiner Frau: Ich liebe sie, habe sie aber nicht immer unter Kontrolle.“ S. 12 / Lothar Matthäus „Ein Lothar Matthäus hat es nicht nötig von sich in der dritten Person zu sprechen.“ (auf die Frage bei einer Pressekonferenz, warum er öfter von sich in der dritten Person spricht) S. 15 / Otto Rehagel Zitat unverändert. S. 16 / Tschick Cajkovski „Die Torhüter spinnen alle ein bisschen. Ich kannte mal einen, der schrieb einen Brief deshalb so langsam, weil er wusste, dass seine Mutter nur langsam lesen konnte.“ S. 21 / Rudi Völler über Rainer Calmund Zitat unverändert. S. 22 / Berti Vogts Zitat unverändert. S. 24 / Jürgen Klopp „Als der BVB das letzte Mal hier vor 19 Jahren gewonnen hat, wurden die meisten meiner Spieler noch gestillt.“ S. 27 / Richard Golz Zitat unverändert.

Tobias Sommer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht sowie Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz in der Kanzlei 24 IP Law Group. Er war als freier Journalist tätig und ist seit 2006 Chefredakteur der AdVoice. [email protected]

S. 28 / Uwe Seeler „Das Geheimnis des Fußballs ist ja der Ball.“ S. 33 / Andreas Möller „Mailand oder Madrid - Hauptsache Italien.“

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Das letzte Wort

Zu guter Letzt

Fotos Titelseite: 1 Tim Reckmann_pixelio.de 2 Andrea Vollmer

Noch mehr Fußballsprüche – Wer hat's nicht gesagt?

FUßBALLSPRÜCHE FÜR ANWÄLTE:

... UND HIER DAS ORIGINAL:

Die nächste Klage ist immer die schwerste/

„Das nächste Spiel ist immer das schwerste." (Sepp Herberger)

die nächste.

„Das nächste Spiel ist immer das nächste.“ (Matthias Sammer)

Die Wahrheit liegt in der Akte.

„Die Wahrheit liegt auf dem Platz.“ (Otto Rehagel)

Nach der Klage ist vor der Klage.

„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.“ (Sepp Herberger)

Hinten muss die Null stehen.

Unverändert. Gilt vor allem für Wirtschaftsfälle. (Huub Stevens)

Die Kostenquote liegt gerade bei 50:50.

„Es steht im Augenblick 1:1, aber es hätte auch

Aber es hätte auch umgekehrt lauten können.

umgekehrt lauten können.“ (Heribert Faßbender)

Man hetzt die Leute auf mit Tatsachen,

Unverändert.

die nicht der Wahrheit entsprechen.

Gilt natürlich nur für die Gegenseite. (Olaf Thon)

Klagen sind deshalb so spannend,

„Fußball ist deshalb so spannend, weil niemand weiß,

weil niemand weiß, wie das Verfahren ausgeht.

wie das Spiel ausgeht." (Sepp Herberger)

Ein Beisitzer muss Ruhe ausstrahlen.

„Ein Torhüter muss Ruhe ausstrahlen. Er muss aber

Er muss aber aufpassen, dass er dabei nicht einschläft.

aufpassen, dass er dabei nicht einschläft.“ (Sepp Maier)

Man kann jede Klage gewinnen,

„Man kann jedes Spiel gewinnen,

man kann auch jede Klage verlieren.

man kann auch jedes Spiel verlieren.“ (Franz Beckenbauer)

Es gibt nur einen Mandanten. Wenn der Kollege ihn hat,

„Es gibt nur einen Ball. Wenn der Gegner ihn hat,

muss man sich fragen: Warum!? Ja, warum?

muß man sich fragen: Warum?! Ja, warum? Und was muß

Und was muss man tun? Ihn sich wiederholen!

man tun? Ihn sich wiederholen!“ (Giovanni Trappatoni)

Es gibt nur eine Möglichkeit:

„Es gibt nur eine Möglichkeit: Sieg, Unentschieden

Sieg, Vergleich oder Niederlage.

oder Niederlage.“ (Franz Beckenbauer)

In diesem Geschäft gibt es nur eine Wahrheit:

„In diesem Geschäft gibt es nur eine Wahrheit:

Die Klage muss gewonnen werden.

Der Ball muss ins Tor." (Otto Rehagel)

Man kann jede Klage gewinnen,

„Man kann jedes Spiel gewinnen,

man kann auch jede Klage verlieren.

man kann auch jedes Spiel verlieren.“ (Franz Beckenbauer)

Wenn wir hier nicht gewinnen,

„Wenn wir hier nicht gewinnen, dann treten wir

dann treten wir ihnen wenigstens die Akte kaputt.

ihnen wenigstens den Rasen kaputt.“ (Rolf Rüssmann)

Unzulässig ist, wenn der Richter mit dem Hammer klopft.

„Abseits ist, wenn der Schiedsrichter pfeift.“ (Franz Beckenbauer)

Im Großen und Ganzen war es ein Verfahren, das,

„Im Großen und Ganzen war es ein Spiel, das, wenn es anders

wenn es anders läuft, auch anders hätte ausgehen können.

läuft, auch anders hätte ausgehen können.“ (Eike Immel)

Das ist Wahnsinn! Da gibt’s Streithelfer im Team,

„Das ist Wahnsinn! Da gibt’s Spieler im Team,

die schreiben noch weniger als ich.

die laufen noch weniger als ich.“ (Toni Polster)

Das Prozessrecht ist die Achillesferse des Rechts.

„Der Rücken ist die Achillesferse des Körpers.“ (Lothar Matthäus)

Wer mich kennt, der weiß, dass ich mehr meinem

„Wer mich kennt, der weiß, dass ich mehr meinem Instinkt

Instinkt folge als Anweisungen von Richtern.

folge als Anweisungen von Trainern.“ (Thomas Müller)

3 Rike_pixelio.de

Impressum: Redaktion: Stefanie Salzmann, Nadine Passenheim, Lea HogrefeWeichhan, Andreas Hansmeier / Bildredaktion: Andrea Vollmer / Bücherforum: RA Jens Jenau / V.i.S.d.P.: RA Tobias Sommer (Chefredakteur) / Anschrift wie Herausgeber Fotos S. 1: Stephan Eichler, Stefan Höderath Herausgeber: Geschäftsführender Ausschuss des FORUMs Junge Anwaltschaft im DAV, Berlin Littenstraße 11, 10179 Berlin Tel. 030/7261520 Erscheinungsweise: vierteljährlich (1./2./3./4. Quartal) Es gilt die Anzeigenpreisliste 1/2016 Anzeigen: sales friendly Verlagsdienstleistungen, Bettina Roos Siegburger Str. 123, 53229 Bonn Tel. 0228/97898-10, Fax: 0228/97898-20 E-Mail: [email protected] Bezugspreis: 48,00 Euro (inkl. MwSt.) zzgl. Versandkosten für 4 Ausgaben / Einzelheft: 14,50 Euro / Für Mitglieder des FORUMs Junge Anwaltschaft im Deutschen Anwaltverein ist der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten. ISSN 1437-3084 Layout / Satz: gudman design weimar, www.gudman.de Lektorat: Nora Döring, BILDART Druck: Buch- & Kunstdruckerei Keßler GmbH, Weimar Artikel und Beiträge sind Meinungsäußerungen der Autoren und geben nicht immer die Meinung der Redaktion bzw. des Deutschen Anwaltvereins und seiner Gremien wider. Redaktionsschluss Heft 3/2016: 3. Juni 2016

ADVOICE 03/16

Meer In der kommenden Ausgabe 3/16 wollen wir uns dem Sommerthema „Meer“ widmen. Seien es das meist unbekannte Seerecht, der Urlaub oder Streitigkeiten um alternative Energieerzeugung, Transporte über das Meer, unbekannte Mikronationen wie Sealand oder auch die Hoffnung auf den immer seltener werdenden unverbauten Blick aufs weite Meer. Wenn Ihr Ideen, Anregungen oder gar Texte für das kommende Heft habt schreibt an: [email protected]

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ADVOICE 02 /16

* zusammengestellt von RA Tobias Sommer, Berlin

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