Studie Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

May 23, 2021 | Author: Kristian Böhler | Category: N/A
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1 Masterplan 100 % für den Klimaschutz Begleitende Studien zur Phase 1 des Projekts Dokumentation zum Abschlussberi...

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Masterplan 100 % für den Klimaschutz

Begleitende Studien zur Phase 1 des Projekts Dokumentation zum Abschlussbericht Studie Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover Bearbeiter:

IfBB – Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe Hochschule Hannover Fakultät II – Maschinenbau und Bioverfahrenstechnik Hans-Josef Endres, Torsten Schmidt

Bearbeitungszeitraum: Mai 2013 bis März 2014 Hinweis:

Die Ergebnisse wurden in der Strategiegruppe regionale Wirtschaftskreisläufe / Abfallwirtschaft vorgestellt und diskutiert.

Im Rahmen des Projekts der Landeshauptstadt Hannover, "Masterplan Stadt und Region Hannover | 100 % für den Klimaschutz", sollen unter anderem Klimaschutz und Ausbau der Erneuerbaren Energien gefördert werden. Stadt und Region entwickeln mit ihren Projektpartnern geeignete Maßnahmen und Aktivitäten, die in einem strategischen Gesamtkonzept zusammengeführt werden. Die Landeshauptstadt Hannover beauftragte im Rahmen dieses Projekts das Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe, um eine erste grundsätzliche Abschätzung des Einsatzpotenzials von Biokunststoffen zu betrachten. Die Verbrauchsrate von petrochemischen Rohstoffen geht um ein Vielfaches schneller vonstatten als deren Regenerationsrate; somit steuern wir auf ein Energieträger- und Rohstoffproblem -bzgl. konventioneller Kunststofferzeugung- zu. Der aktuelle Fokus der Biokunststoffentwicklung bezieht sich auf den Einsatz nachwachsender Rohstoffe zur Erzeugung kurz- und langlebiger Polymerwerkstoffe für unterschiedlichste Anwendungen und Produkte. In der Studie sind für das Jahr 2012 Abschätzungen des Kunststoffverbrauches der privaten Haushalte in der Landeshauptstadt und in der Region Hannover getroffen worden. Der petrochemische Kunststoffbedarf wurde dem alternativen biobasierten Kunststoff gegenübergestellt und der damit verbundene Flächenverbrauch der biogenen Rohstoffe ermittelt. Die klimarelevanten Auswirkungen von petrochemischen sowie der biogenen Kunststoffe sind im Rahmen von Cradle-to-gate (= definierter Abschnitt der Verarbeitungskette; von der Wiege bis zum Fabriktor) ermittelt und gegenübergestellt worden. Des Weiteren wurde die Annahme getroffen, dass Polylactid (PLA) die petrochemischen Kunststoffe zu 100% substituiert. Als nachwachsender Rohstoff für PLA wurde Mais gewählt. An dem Beispiel der kommunalen Beschaffung der Landeshauptstadt und Region Hannover sind die Einsätze von Biokunststoffen, die damit verbundenen klimarelevanten Auswirkungen sowie Flächenverbräuche betrachtet worden.

Dokumentation begleitende Studien: IfBB Biokunststoffe Seite 1 von 3

Masterplan 100 % für den Klimaschutz

Zusammenfassung der Ergebnisse Die grundsätzliche Abschätzung des Kunststoffbedarfs in der Stadt und Region Hannover hat ergeben, dass sich der Kunststoffanteil in den gelben Säcken / gelben Tonnen in 2012 auf ca. 14.722 t petrochemische Kunststoffe beläuft. Werden die petrochemischen Kunststoffe durch biogene Kunststoffe ersetzt, werden rund 14.722 t Biokunststoffe, bzw. 35.185 t an nachwachsenden Rohstoffen benötigt. Dies entspricht einem Flächenverbrauch von 5.447,19 ha. Vergleicht man diesen Flächenverbrauch mit den landwirtschaftlich genutzten Flächen (Stadt und Region Hannover im Jahre 2010), bedeutet dies eine Flächennutzung von 4,8 %. In der Kohlenstoffdioxidbilanz stehen 33.150 t CO2-eq (Kohlenstoffdioxid-Äquivalent) aus petrochemischen Kunststoffen 8.686 t CO2-eq biogenen Kunststoffen gegenüber. Dies bedeutet eine Einsparung von 73,8%. In dem Anwendungsbeispiel „kommunale Beschaffung von Büroartikeln“ werden in der Stadt und Region Hannover 8,512 t petrochemische Kunststoffe verwendet, die wiederum 8,512 t Biokunststoffen gleichkommen. Für diese Menge werden 20,34 t an nachwachsenden Rohstoffen benötigt. Dies entspricht einem Flächenverbrauch von 3,15 ha, bzw. 0,0028 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche (Stadt und Region Hannover im Jahre 2010). In der Kohlenstoffdioxidbilanz stehen 21,48 t CO2-eq aus petrochemischen Kunststoffen 5,022 t CO2-eq biogenen Kunststoffen gegenüber. Dies bedeutet eine Einsparung von rund 76,6%. Folgende Entsorgungsmethoden kommen für die eingesetzten Biokunststoffe in Frage: thermochemisches Recycling sowie Verbrennung. Alle anderen Methoden, wie chemisches Recycling, Kompostierung, Auflösen (Wasser, Meerwasser, Abbau im Erdreich), Umwandlung in Biogas sind Optionen, werden aber derzeitig nicht explizit verfolgt. Bei der direkten Entsorgung der biogenen Kunststoffe, kann mit einem Brennwert von 19 MJ/kg gerechnet werden. Durch den Nutzen von nachwachsenden Rohstoffen zur Erzeugung der Biopolymerwerkstoffe und dem zusätzlichen energetischen Nutzen durch direkte (Mit-) Verbrennung entsteht ein Kaskadennutzen mit sehr geringen CO2-Minderungskosten. Empfehlungen für den Masterplan-Prozess Durch den Nutzen von nachwachsenden Rohstoffen zur Erzeugung der Biopolymerwerkstoffe und dem zusätzlichen energetischen Nutzen durch direkte (Mit-) Verbrennung entsteht ein Kaskadennutzen mit sehr geringen CO2-Minderungskosten. Um auch nach einer Mehrfachnutzung der biogenen Kunststoffe im Bereich der energetischen Nutzung (Stichwort Kraft-Wärme-Kopplung) Anreize zu schaffen, müssen verschiedene Anpassungen vorgenommen werden. Nicht nur der Einsatz nachwachsender Rohstoffe im Strombereich (Stichwort Erneuerbare-Energie-Gesetz, EEG) sollten gefördert werden, sondern auch die nachwachsenden Rohstoffe, die zuvor stofflich und dann erst energetisch genutzt werden. Politisch müssten auch keine wesentlich Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen erfolgen, sondern nur eine Adaption der bestehenden Regelungen (insbesondere EEG) zur gleichberechtigten Förderung einer (vorherigen) stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Maßnahmenvorschlag zur gleichberechtigten Förderung der stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe: Dokumentation begleitende Studien: IfBB Biokunststoffe Seite 2 von 3

Masterplan 100 % für den Klimaschutz

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Die stoffliche Nutzung von Biomasse sollte der energetischen Nutzung gleichgestellt werden, damit sie unter gleichen förderpolitischen Rahmenbedingungen und Maßnahmen verläuft, wie im energetischen Bereich. Festlegung von biobasierten Werkstoffquoten in bestimmten Bereichen Neuartige Förderansätze Insbesondere auch Förderung von beständigen, d.h. langlebigen biobasierten Werkstoffen als CO2-Senken. Bevorzugte Beschaffung biobasierter Produkte Definition, Regelung und saubere Verwendung von Begrifflichkeiten

Bzgl. Anbau und Verarbeitung müssen Nachhaltigkeitskriterien eingeführt und überprüfbar gemacht werden. Der Industriepflanzenbau darf keine naturschutzfachlich besonders schützenswerten Flächen oder Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand zerstören. Es muss im Interesse des Klima- und Naturschutzes gehandelt werden. Die Ergebnisse der Studie liefern damit eine Entscheidungsgrundlage für eine weiterführende konkrete Umsetzung der Erkenntnisse.

Dokumentation begleitende Studien: IfBB Biokunststoffe Seite 3 von 3

ABSCHLUSSBERICHT

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover Masterplan Stadt und Region Hannover | 100 % für den Klimaschutz – Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Region bis 2050 –

Projektleitung

Projektbetreuung

Prof. Dr.-Ing. Hans-Josef Endres

Torsten Schmidt

Hochschule Hannover IfBB - Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe Heisterbergallee 12 30453 Hannover

Landeshauptstadt Hannover, Bereich Umweltschutz Klimaschutzleitstelle (Projektträger)

Abschlussdatum: März 2014

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................... 3 Tabellenverzeichnis ............................................................................................................... 5 Abkürzungsverzeichnis.......................................................................................................... 6 Berichts-Kennblatt ................................................................................................................. 8 Zusammenfassung der Ergebnisse ....................................................................................... 9 1. Einleitung .........................................................................................................................12 1.1 Hintergrund und Problemstellung ................................................................................12 1.2 Struktur und Inhalt.......................................................................................................19 1.3 Datenbeschaffung .......................................................................................................20 1.4 Hochschule Hannover, IfBB - Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe.....21 1.5 CO2-Kreislauf und Nachhaltigkeit ................................................................................22 2. Grundlagen ......................................................................................................................26 2.1 Biomasse und nachwachsende Rohstoffe...................................................................26 2.2 Definition Biokunststoffe..............................................................................................27 2.3 Herstellung von PLA (Polylactide acid) .......................................................................29 2.3.1 Einführung Herstellung von PLA ...........................................................................29 2.3.2 Herstellungsprozess .............................................................................................31 2.4 Entsorgung bioabbaubarer Kunststoffe .......................................................................36 2.5 Brennwerteigenschaften .............................................................................................43 2.6 Ökobilanzierung von Biopolymeren insbesondere PLA ...............................................46 2.6.1 Methodik und Stand der Technik ..........................................................................46 2.6.2 PLA (Polymilchsäure) ...........................................................................................50 3. Abschätzung des Gesamtpotenzials der Stadt und Region Hannover ..............................54 3.1 Potenzialermittlung für das Jahr 2012 .........................................................................54 3.2 Rohstoffermittlung und Flächenbedarf ........................................................................57 3.3 CO2-Bilanz des Gesamtpotenzials ..............................................................................62 4. Abschätzung der kommunalen Beschaffung .....................................................................65 4.1 Potenzialermittlung für das Jahr 2014 .........................................................................65 4.2 Rohstoffermittlung und Flächenbedarf ........................................................................67 4.3 CO2-Bilanz der kommunalen Beschaffung ..................................................................68 5. Empfehlungen für den Masterplan-Prozess ......................................................................72 6. Literaturverzeichnis ..........................................................................................................77 7. Anhang: Klimaneutrale Potenzialanalyse ..........................................................................81

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Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Historische Entwicklung von Biokunststoffen [1] ..............................................14 Abbildung 2: Produktionskapazitäten Biokunststoffe 2012 nach Materialtyp, weltweit [2] .....15 Abbildung 3: Produktionskapazitäten Biokunststoffe 2012 nach Marktsegment, weltweit [2] 15 Abbildung 4: Produktionskapazitäten von Biokunststoffen, weltweit [2] ................................16 Abbildung 5: Prognose Produktionskapazitäten Biokunststoffe 2017 nach Materialtyp, weltweit [2] .......................................................................................................17 Abbildung 6: Prognose Produktionskapazitäten Biokunststoffe 2017 nach Marktsegment, weltweit [2] .......................................................................................................17 Abbildung 7: Aktuelle Anwendungsbeispiele von kurzlebigen Biokunststoffen [3] .................18 Abbildung 8: Aktuelle Anwendungsbeispiele von langlebigen Biokunststoffen [3] .................18 Abbildung 9: Idealer Kreislauf von Biokunststoffen [5] ..........................................................23 Abbildung 10: Nachhaltigkeit im Einklang [7] ........................................................................24 Abbildung 11: Aufteilung nachwachsender Rohstoffe bzgl. Nutzung ....................................27 Abbildung 12: Erste, explizit als Biopolymere bezeichnete Werkstoffe waren kompostierbar und basierten auf natürlichen nachwachsenden Rohstoffen [1] .....................28 Abbildung 13: Nachwachsende Rohstoffe zur Erzeugung von Biopolymeren [1] ..................28 Abbildung 14: Prozessschritte zur Erzeugung von Polylactidwerkstoffen und -bauteilen [1] .32 Abbildung 15: Mesolactid, als Ausgangsrohstoff für PLA [1] .................................................34 Abbildung 16: Ringöffnungspolymerisationsreaktion von Polylactid [1] .................................35 Abbildung 17: Entsorgungseigenschaften von Biopolymeren (modifiziert nach [23]) ............37 Abbildung 18: PET-Recycling-Quoten in Europa [1] .............................................................38 Abbildung 19: Unterschiedliche Nahinfrarot-Spektren zur Charakterisierung der Biopolymere [1] ........................................................................................39 Abbildung 20: Brennwerte im Vergleich [1] ...........................................................................45 Abbildung 21: Rahmen einer Ökobilanzierung [27] ...............................................................46 Abbildung 22: Stark vereinfachter Lebensweg eines Produktes [28].....................................47 Abbildung 23: Schematische Darstellung eines Prozessmoduls (ohne Koppelprodukte) [29]............................................................................48 Abbildung 24: Fossiler Ressourcenverbrauch in MJ/kg für PLA im Vergleich zu konventionellen Polymeren (modifiziert nach [36]) .........................................52 Abbildung 25: Treibhauspotenzial in CO2-eq./kg für PLA im Vergleich zu konventionellen Polymeren (modifiziert nach [36])...................................................................52 Abbildung 26: Anbau von nachwachsenden Rohstoffen in Deutschland [40] ........................58

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Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Abbildung 27: Darstellung Gebiete der Landeshauptstadt Hannover [42] .............................59 Abbildung 28: Darstellung Gebiete der Region Hannover ohne der Landeshauptstadt Hannover [43] ................................................................................................60 Abbildung 29: Prozessrouten von PLA im Vergleich [20] ......................................................61 Abbildung 30: Kohlenstoffdioxidbilanz der biogenen Kunststoffe von Region und Stadt Hannover .......................................................................................................64 Abbildung 31: Kohlenstoffdioxidbilanz der kommunalen Beschaffung für die Region und Stadt Hannover ..............................................................................................71 Abbildung 32: Klimaschutzzertifikat [46] ...............................................................................83

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Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Gebrauchs- und Entsorgungseigenschaften petrochemischer Polymere (modifiziert nach [1]) ............................................................................................13 Tabelle 2: Analysierte PLA-Studien [36] ...............................................................................51 Tabelle 3: Treibhauspotenzial und Verbrauch fossiler Ressourcen bei der Herstellung von PLA [36] ..............................................................................................................51 Tabelle 4: Tendenz der Biokunststoffe im Vergleich zu petro-basierten Kunststoffen für unterschiedliche Wirkungskategorien [37] .......................................................53 Tabelle 5: Angelieferte Abfallmengen der Region Hannover (modifiziert nach [38]) ..............55 Tabelle 6: Wertstofferfassung, inkl. dem Dualen System (modifiziert nach [38]) ...................55 Tabelle 7: Kohlenstoffdioxidbilanz der kommunalen Beschaffung ........................................71

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Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Abkürzungsverzeichnis a ADF aha AP Bio-PA Bio-PC Bio-PE Bio-PET Bio-PUR Bio-TPE bzgl. bzw. Ca(OH)2 CaCO3 CH4 CML CO2 CO2-eq. / CO2-Äq. d.h. DP DSD E ECA ECT EEG el. etc. EN EP FCKW Gew.-% GmbH GWP H2O ha HC IfBB ISO KG kg kJ kWh

Jahr Abiotic Depletion Factor Abfallwirtschaft Region Hannover Acidification Potential Bio-Polyamid Bio-Polycarbonat Bio-Polypropylen Bio-Polyethylenterephthalat Bio-Polyurethan Bio-Thermoplastisches Elastomere Bezüglich beziehungsweise Calciumhydroxid Calciumcarbonat Methan Centrum voor Mileukunde in Leiden Kohlenstoffdioxid Kohlenstoffdioxid-equivalent das heißt Degree of Polymerization (=Polymerisationsgrad) Duales System Deutschland Einwohner Ecological Classification Factor for Aquatic Ecosystems Ecological Classification Factor for Terrestrial Ecosystems Erneuerbare-Energien-Gesetz Elektrisch et cetera Europäischen Normen Eutrophication Potential Flourchlorkohlenwasserstoff Gewichtsprozent Gesellschaft mit beschränkter Haftung Global Warming Potential Wasserstoff Hektar Human Toxicological Classification Factor Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe Internationale Organisation für Normung Kommanditgesellschaft Kilogramm Kilojoule Kilowattstunde

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Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

LLC m2 Mio. MJ Mn Mrd. MWh N2O NH4CO3 NIR ODP Pa s PBAT PBS PCL PE PET PHA PLA POCP PP PS PTFE PTT PVAL PVC SF6 sog. t Tg therm. u.a. vgl. z.B. % °C

Limited Liability Company Quadratmeter Million Megajoule Massenmittel der Molmasse Milliarde Megawattstunde Distickstoffoxid Ammoniumcarbonat Nahinfrarotspektroskopie Ozone Depletion Potential Pascal · Sekunde Polybutylenadipat-Terephthalat Polybutylensuccinat Polycaprolacton Polyethylen Polyethylenterephthalat Polyhydroxyalkanoat Polylactid / Polymilchsäure Photochemical Ozone Creation Potenzial Polypropylen Polystyrol Polytetrafluorethylen Polytrimethylenterephthalat Polyvinylalkohol Polyvinylchlorid Schwefelhexafluorid Sogenannte Tonne Glasübergangstemperatur Thermisch unter anderem Vergleiche zum Beispiel Prozent Grad Celsius

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Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Berichts-Kennblatt

Titel: Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover Projekt: "Masterplan Stadt und Region Hannover | 100 % für den Klimaschutz" Projektträger: Landeshauptstadt Hannover, Bereich Umweltschutz Klimaschutzleitstelle Förderung: Das Projekt wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) im Rahmen der nationalen Klimaschutzinitiative 2012 mit den Förderkennzeichen 03KSP009A (RH) und -B (LHH) gefördert. Titel des Vorhabens ist: "KSI: Vorwärts nach weit: Auf dem Weg zur klimaneutralen Region Hannover 2050 Masterplan 100 % Klimaschutz".

Auftraggeber: Landeshauptstadt Hannover -vertreten durch den OberbürgermeisterTrammplatz 2 30159 Hannover

Landeshauptstadt Hannover Bereich Umweltschutz Klimaschutzleitstelle Prinzenstraße 4 30159 Hannover

Durchführende Institution: IfBB – Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe Hochschule Hannover Fakultät II – Maschinenbau und Bioverfahrenstechnik Heisterbergallee 12 30453 Hannover

Autoren: Hans-Josef Endres, Torsten Schmidt Abschlussdatum: März 2014

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Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Zusammenfassung der Ergebnisse Im Rahmen des Projekts der Landeshauptstadt Hannover, "Masterplan Stadt und Region Hannover | 100 % für den Klimaschutz", sollen unter anderem Klimaschutz und Ausbau der Erneuerbaren Energien gefördert werden. Stadt und Region entwickeln mit ihren Projektpartnern geeignete Maßnahmen und Aktivitäten, die in einem strategischen Gesamtkonzept zusammengeführt werden. Die Landeshauptstadt Hannover beauftragte im Rahmen dieses Projekts das Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe, um eine erste grundsätzliche Abschätzung des Einsatzpotenzials von Biokunststoffen zu betrachten. In der Studie sind für das Jahr 2012 Abschätzungen des Kunststoffverbrauches der privaten Haushalte in der Landeshauptstadt und in der Region Hannover getroffen worden. Der petrochemische

Kunststoffbedarf

wurde

dem

alternativen

biobasierten

Kunststoff

gegenübergestellt und der damit verbundene Flächenverbauch der biogenen Rohstoffe ermittelt. Die klimarelevanten Auswirkungen von petrochemischen sowie der biogenen Kunststoffe wurden im Rahmen von Cradle-to-gate ermittelt und gegenübergestellt. An dem Beispiel der kommunalen Beschaffung der Landeshauptstadt und Region Hannover werden die Einsätze von Biokunststoffen sowie die damit verbundenen klimarelevanten Auswirkungen betrachtet. Die grundsätzliche Abschätzung des Kunststoffbedarfs in der Stadt und Region Hannover hat ergeben, dass sich der Kunststoffanteil in den gelben Säcken / gelben Tonnen in 2012 auf ca. 14.722 t petrochemische Kunststoffe beläuft. Werden die petrochemischen Kunststoffe durch biogene Kunststoffe ersetzt, werden rund 14.722 t Biokunststoffe, bzw. 35.185 t an nachwachsenden Rohstoffen (hier Mais) benötigt. Dies entspricht einem Flächenverbrauch von 5.447,19 ha. Vergleicht man diesen Flächenverbrauch mit den landwirtschaftlich genutzten Flächen (Stadt und Region Hannover im Jahre 2010), bedeutet dies eine Flächennutzung von 4,8 %. In der Kohlenstoffdioxidbilanz stehen 33.150 t CO2-eq (Kohlenstoffdioxid-äquivalent) aus petrochemischen Kunststoffen 8.686 t CO2-eq biogenen Kunststoffen gegenüber. Dies bedeutet eine Einsparung von 73,8%. Es wurde die Annahme getroffen, dass Polylactid (PLA) die petrochemischen Kunststoffe zu 100% substituiert. Bei den errechneten CO2-eq-Werten werden Rohstoffe und Werkstoffe unterschiedlich betrachtet. Hierbei wird unterschieden, ob der PLA Anteil mit oder ohne biogenem CO2 ausgewiesen wird. Bei Beiden handelt es sich um Cradle-to-gate Werte; von der Wiege bis zum Fabriktor (= definierter Abschnitt der Verarbeitungskette). Ohne biogenem

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Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

CO2 heißt, dass der Input von biogenem CO2 (damit ist die CO2 Aufnahme der Pflanze gemeint) nicht mit bilanziert wird. Mit biogenem CO2 wird im Zuge der Aufnahme des CO2 in die Pflanze ein negativer CO2 Wert angenommen, daher ist dieser Wert geringer. In dem Anwendungsbeispiel „kommunale Beschaffung von Büroartikeln“ werden in der Stadt und Region Hannover 8,512 t petrochemische Kunststoffe 1 verwendet, die wiederum 8,512 t Biokunststoffen gleichkommen. Für diese Menge werden, auf Basis von PLA, 20,34 t an nachwachsenden Rohstoffen (hier Mais) benötigt. Dies entspricht einem Flächenverbauch von 3,15 ha, bzw. 0,0028 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche (Stadt und Region Hannover im Jahre 2010). In der Kohlenstoffdioxidbilanz stehen 21,48 t CO2-eq aus petrochemischen Kunststoffen 5,022 t CO2-eq biogenen Kunststoffen gegenüber. Dies bedeutet eine Einsparung von rund 76,6%.

Folgende Entsorgungsmethoden kommen für die eingesetzten Biokunststoffe (Basis PLA), in Frage: thermochemisches Recycling sowie Verbrennung. Alle anderen Methoden, wie chemisches Recycling, Kompostierung, Auflösen (Wasser, Meerwasser, Abbau im Erdreich), Umwandlung in Biogas sind Optionen, werden aber derzeitig nicht explizit verfolgt. Bei der direkten Entsorgung der biogenen Kunststoffe, kann mit einem Brennwert von 19 MJ/kg gerechnet werden.

Empfehlungen für den Masterplan-Prozess Durch

den

Nutzen

von

nachwachsenden

Rohstoffen

zur

Erzeugung

der

Biopolymerwerkstoffe und dem zusätzlichen energetischen Nutzen durch direkte (Mit-) Verbrennung entsteht ein Kaskadennutzen mit sehr geringen CO2-Minderungskosten. Um auch nach einer Mehrfachnutzung der biogenen Kunststoffe im Bereich der energetischen Nutzung (Stichwort Kraft-Wärme-Kopplung) Anreize zu schaffen, müssen verschiedene Anpassungen vorgenommen werden. Nicht nur der Einsatz nachwachsender Rohstoffe im Strombereich (Stichwort Erneuerbare-Energie-Gesetz, EEG) sollten gefördert werden, sondern auch die nachwachsenden Rohstoffe, die zuvor stofflich und dann erst energetisch genutzt werden.

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Werte teilweise in Schätzung ermittelt

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Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Politisch müssten auch keine wesentlich Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen erfolgen, sondern nur eine Adaption der bestehenden Regelungen (insbesondere EEG) zur gleichberechtigten Förderung einer (vorherigen) stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Maßnahmenvorschlag

zur

gleichberechtigten

Förderung

der

stofflichen

Nutzung

nachwachsender Rohstoffe:  Die stoffliche Nutzung von Biomasse sollte der energetischen Nutzung gleichgestellt werden, damit sie unter gleichen förderpolitischen Rahmenbedingungen und Maßnahmen verläuft, wie im energetischen Bereich.  Festlegung von biobasierten Werkstoffquoten in bestimmten Bereichen  Neuartige Förderansätze  Insbesondere auch Förderung von beständigen, d.h. langlebigen biobasierten Werkstoffen als CO2-Senken.  Bevorzugte Beschaffung biobasierter Produkte  Definition, Regelung und saubere Verwendung von Begrifflichkeiten 11 Bzgl. Anbau und Verarbeitung müssen Nachhaltigkeitskriterien eingeführt und überprüfbar gemacht werden. Der Industriepflanzenbau darf keine naturschutzfachlich besonders schützenswerten Flächen oder Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand zerstören. Es muss im Interesse des Klima- und Naturschutzes gehandelt werden.

Die

Ergebnisse

der

Studie

liefern

damit

eine

weiterführende konkrete Umsetzung der Erkenntnisse.

Entscheidungsgrundlage

für

eine

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

1. Einleitung 1.1 Hintergrund und Problemstellung Die Landeshauptstadt Hannover und die Region Hannover sowie weitere 18 Städte, Gemeinden

und

Landkreise

wurden

im

Mai

2012

durch

den

damaligen

Bundesumweltminister Röttgen ausgezeichnet, da sie sich aufgrund besonderer Erfahrungen im Klimaschutz und in der Reduzierung des Energiebedarfs im Wettbewerb "Masterplan 100% Klimaschutz" durchgesetzt haben. Bis zum Jahre 2050 sollen die Treibhausgase um 95 Prozent und der Energieverbrauch um 50 Prozent

reduziert

werden.

Mit

dieser

Auszeichnung

begann eine

vierjährige

Projektlaufzeit, welche u.a. Klimaschutz und Ausbau der Erneuerbaren Energien fördern soll. Stadt und Region entwickeln mit ihren Projektpartnern geeignete Maßnahmen, Aktivitäten und Meilensteine. Die Ergebnisse werden in dem strategischen Gesamtkonzept „Masterplan 100% für den Klimaschutz“ zusammengeführt. In der ersten Phase, die bis Ende 2013 andauerte, wurden mit verschiedenen Strategiegruppen Themenstellungen diskutiert und ein Fahrplan für die zweite Phase (Umsetzungsphase) erarbeitet.

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Das IfBB - Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe der Hochschule Hannover gehört der Strategiegruppe Regionale Wirtschaftskreisläufe / Abfallwirtschaft an und erarbeitete in dieser Gruppe selbstständig die Studie „Einsatzpotenzial von Biokunststoffen in der Landeshauptstadt sowie der Region Hannover“.

Durch ein allgemein zunehmendes Umweltbewusstsein und das Bestreben zur Reduzierung der Abfallvolumenströme sowie des Primärrohstoffeinsatzes zur Werkstofferzeugung, rücken bei den verschiedenen Kunststoffen zunehmend auch die Entsorgungseigenschaften mehr und mehr in den Vordergrund. Die sehr vorteilhaften Verarbeitungs- und insbesondere Gebrauchseigenschaften

der

konventionellen

Kunststoffe

sind

jedoch

oft

mit

entsorgungstechnischen Nachteilen verbunden. So bedeutet zum Beispiel die gute chemische

Beständigkeit

eine

hohe

Haltbarkeit

sowohl

in

als

auch

nach

der

Gebrauchsphase oder es verbirgt sich hinter einer guten Verarbeitbarkeit mit flexibler Formgestaltung gleichzeitig ein großes Müllvolumen. Eine Übersicht von allgemeinen Vorteilen und entsorgungstechnischen Nachteilen petrochemischer Polymere ist in Tabelle 1 gegenübergestellt.

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Tabelle 1: Gebrauchs- und Entsorgungseigenschaften petrochemischer Polymere (modifiziert nach [1])

Eigenschaften petrochemischer Polymere Chemische Beständigkeit Hohe Werkstoffvielfalt verhältnismäßig geringer Rohstoffpreis Gute Verarbeitbarkeit Petrochemische Rohstoffbasis

Allgemeine Vorteile Hohe Haltbarkeit Optimaler Werkstoff für fast jeden Anwendungszweck Preiswerter Werkstoff Breiter Gestaltungsspielraum Traditioneller Rohstoff mit konstanter Zusammensetzung

Entsorgungstechnische Nachteile Nicht kompostierbar Sortenreines Recycling schwer möglich Unwirtschaftliches Recycling Hohes Müllvolumen Ungünstige CO2-Bilanz sowie limitierter Rohstoff

Es handelt sich bei Kunststoffen um fantastische Werkstoffe, ohne die ein Leben in Zukunft schwer vorstellbar wäre. Um dies zu verdeutlichen, muss man sich beispielsweise nur einen Nahrungsmittelkonsum oder den Bau eines Gebäudes oder Autos, die Elektro-, Sport- oder Textilindustrie ohne Kunststoffe vorstellen. Darüber hinaus ist unumstritten, dass die Verbrauchsrate der petrochemischen Rohstoffe um ein unvorstellbares Vielfaches schneller von statten geht, als deren Regenrationsrate. Nach langjährigen Diskussionen über die Reichweite der petrochemischen Rohstoffe und der anthropogenen Einflüsse auf den CO2Gehalt in der Atmosphäre hat man jetzt grundsätzlich akzeptiert, dass petrochemische Rohstoffe limitiert sind. Damit laufen wir nicht nur in ein Energieträger- sondern bei Erzeugung von Kunststoffen auch in ein Rohstoffproblem hinein. Derzeit befassen sich die Wissenschaft und Industrie daher neben den erneuerbaren Energien auch zunehmend mit erneuerbaren, biobasierten Rohstoffen zur Kunststofferzeugung. Aus diesem Grund hat in den vergangenen Jahren das Interesse an Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen und biologisch abbaubaren Werkstoffen sowohl in der Politik, in der Industrie als auch beim Verbraucher stark zugenommen. Bei der Entwicklung dieser Biokunststoffe standen in der Vergangenheit hauptsächlich die biologische Abbaubarkeit und damit auch die zertifizierte Kompostierbarkeit als Entsorgungsoption im Vordergrund. Zunehmend richtet sich die Biokunststoffentwicklung jedoch auch auf den Einsatz nachwachsender Rohstoffe als regenerierbare Werkstoffbasis zur Erzeugung langlebiger Polymerwerkstoffe für technische Anwendungen. Dargestellt wird dies in Abbildung 1.

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Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Abbildung 1: Historische Entwicklung von Biokunststoffen [1]

Damit

steht

am

Markt

eine

zunehmende

Anzahl

neuartiger

Biokunststoffe

für

unterschiedlichste Anwendungen zur Verfügung, sowohl für kurzlebige Produkte, wie z.B. Cateringgeschirr, als auch für langlebige technische Anwendungen oder Verpackungen. Im Jahr 2012 war die Biokunststoffproduktion weltweit bei knapp 1,4 Mio t. Abbildung 2 zeigt die Produktionskapazität

nach

Materialtyp

Marktsegmente für das Jahr 2012 dar.

und

Abbildung

3

stellt

die

Einteilung

in

14

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Abbildung 2: Produktionskapazitäten Biokunststoffe 2012 nach Materialtyp, weltweit [2]

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Abbildung 3: Produktionskapazitäten Biokunststoffe 2012 nach Marktsegment, weltweit [2]

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Den Verlauf der weltweiten Produktionskapazität von Biokunststoffen in den Jahren 2010 bis 2012 sowie der Prognose für 2017 zeigt Abbildung 4. Abbildung 5 und Abbildung 6 zeigen die Prognosen für das Jahr 2017 im Detail. Daraus wird deutlich, dass der prognostizierte Anteil an Biokunststoffen massiv zunehmen wird. Vor allem bei den sogenannten Drop-In Lösungen, bei denen die chemischen Vorprodukte aus nachwachsenden Rohstoffen stammen. Das Biokunststoffprodukt hat heute dieselben Eigenschaften und ist chemisch identisch mit den vergleichbaren petrochemischen Kunststoffprodukten.

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Abbildung 4: Produktionskapazitäten von Biokunststoffen, weltweit [2]

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Abbildung 5: Prognose Produktionskapazitäten Biokunststoffe 2017 nach Materialtyp, weltweit [2]

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Abbildung 6: Prognose Produktionskapazitäten Biokunststoffe 2017 nach Marktsegment, weltweit [2]

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

In Abbildung 7 sind einige aktuelle Beispiele von „kurzlebigen“ Biokunststoffen dargestellt, die sich bereits am Markt oder in der Markteinführungsphase befinden. Abbildung 8 zeigt aktuelle Biokunststoffe die „langlebig“ sind.

18 Abbildung 7: Aktuelle Anwendungsbeispiele von kurzlebigen Biokunststoffen [3]

Abbildung 8: Aktuelle Anwendungsbeispiele von langlebigen Biokunststoffen [3]

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

1.2 Struktur und Inhalt Im Rahmen der Studie wurde das Einsatzpotenzial von Biokunststoffen und die zugehörigen klimarelevanten Auswirkungen für die Stadt und für die Region Hannover analysiert. Dazu wurde die vorliegende Studie in zwei Bereiche eingeteilt:

1. Abschätzung des Gesamtpotenzials der klimarelevanten Auswirkungen beim Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Im ersten Teil wird für Stadt und Region Hannover abgeschätzt, welche klimarelevanten Auswirkungen ein möglicher Einsatz von biobasierten Kunststoffen haben kann, die in Kaskade 2 genutzt werden. Dazu erfolgt eine erste grundsätzliche Abschätzung. Anhand des durchschnittlichen deutschen Prokopfverbrauchs an Kunststoffen erfolgt eine Abschätzung des Kunststoffbedarfs für die rund 1,1 Mio. Einwohner der Region Hannover. In einem weiteren Schritt wird der Gesamtanteil des Kunststoffabfalls im (privaten) Hausmüll ermittelt. Auf Basis dieser Anwendungsbeispiele erfolgt eine Abschätzung der theoretischen Biokunststoffmengen, der dafür erforderlichen nachwachsenden Rohstoffe und des damit verbundenen Flächengebrauchs in der Region. Im Anschluss wird eine Entsorgung angenommen, die Energie bereitstellt und CO2-neutral ist. 2. Analyse am konkreten Einsatzbeispiel: Kommunale Beschaffung der Region Hannover

In einem Anwendungsbeispiel der Büroartikelbeschaffung für 2014, u.a. für Berufsschulen in der Region Hannover, wird exemplarisch das theoretische Potenzial an Büroartikeln auf Basis biogener Kunststoffe ermittelt. Dieser Arbeitsschritt erfolgt in Zusammenarbeit mit der Region Hannover. Auf dieser Basis erfolgt eine Vorauswahl möglicher Produkte und Werkstoffe, eine Abschätzung der theoretischen Biokunststoffmenge und der dafür erforderlichen nachwachsenden Rohstoffe. Der damit verbundene Flächengebrauch sowie die damit verbundenen klimarelevanten Auswirkungen werden ebenfalls betrachtet. Ergänzt wird dies durch eine Grundlagenbeschreibung im Bereich der abbaubaren biobasierten Biopolymere sowie deren Herstellung und Entsorgung. Des Weiteren wird die Ökobilanzierung an ausgewählten Biopolymeren beschrieben und Grundlagen im Bereich Nachhaltigkeit und CO2-Kreisläufe erläutert. 2

Mehrfachnutzung eines Rohstoffs über mehrere Stufen

19

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

1.3 Datenbeschaffung Um grundsätzliche Aussagen zum Kunststoffverbrauch in der Stadt Hannover sowie der Region Hannover im privaten Sektor treffen zu können, wurden zu Beginn der Recherchearbeiten Wertstoffhöfe und Deponien besucht und zum Thema Stoffströme befragt. Kunststoffe

aus

haushaltsnaher

Sammlung

werden

mittels

des

dualen

Systems

eingesammelt und auch hierüber verwertet. Die DSD – Duales System Holding GmbH & Co. KG bündelt die unternehmerischen Aktivitäten des Grünen Punkts und hält die Wertstoffe in geschlossenen Kreisläufen.

In den nachfolgenden Berechnungen zum Kunststoffverbrauch aus den haushaltsnahen Sammlungen werden die Daten der Abfallbilanz 2012 des Zweckverbands Abfallwirtschaft Region Hannover für das Gebiet der Region Hannover, kurz aha, verwendet. Grundlage für die Abfallbilanzen ist das Niedersächsische Abfallgesetz aus dem Jahre 2003. Damit konnte eine Abschätzung des Kunststoffbedarfes (Schwerpunkt Leichtverpackungen) von der Region Hannover ermittelt werden. Um den Kunststoffanteil in den Leichtverpackungen zu ermitteln, wurde auf eine Untersuchung

des

Witzenhausen-Institut

für

Abfall,

Umwelt

und

Energie

GmbH

zurückgriffen, die eine detaillierte Ermittlung der Kunststoffanteile in den Gelben Säcken bzw. Gelben Tonnen untersucht haben. Diese Untersuchung erfolgte in der benachbarten Stadt Celle. [4] Der Einsatz von bereits verwendeten Biokunststoffen in privaten Haushalten ist unter anderem aufgrund der „Vermischung“ in den Gelben Säcken / Gelben Tonnen schwierig festzustellen, da bislang noch nicht getrennt gesammelt und somit auch nicht aus dem Stoffstrom sondiert wird. Zudem sind die Mengen an verwendeten Biokunststoffen zu gering. Aus diesen Gründen konnten die Bestandsmengen von Biokunststoffen nicht ermittelt werden. Für eine erste allgemeine Abschätzung, innerhalb der CO2-Bilanzierung, geht die vorliegende Studie davon aus, dass keine Biokunststoffe innerhalb der privaten Haushalte in der Stadt und Region Hannover verwendet werden.

Um einen ersten Einblick in das Potenzial von Biokunststoffen innerhalb der kommunalen Beschaffung der Region Hannover darzustellen, wurden anhand einer „konventionellen“

20

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Beschaffungsliste, unter anderem für Berufsschulen, der Kunststoffanteil abgeschätzt und durch biogene Kunststoffe substituiert. Bei der Substitution der entsprechenden petrochemischen Kunststoffe wurde in dieser Studie ein PLA (Polymilchsäure) gewählt. Hierbei handelt es sich um ein Biopolymer, welches sich bisher am Stärksten am Markt etablieren konnte.

1.4 Hochschule Hannover, IfBB - Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe Das IfBB -Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe- gehört zur Fakultät II, Maschinenbau und Bioverfahrenstechnik, der Hochschule Hannover am Standort Ahlem und wurde am 1. November 2011 gegründet. Durch das Institut ist es möglich, dem ansteigenden Bedarf an gebündeltem Fachwissen zum Thema „Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe“ nachzukommen, der sich anhand vieler Aktivitäten, Forschungsanfragen und -projekte bereits lange vor der offiziellen Gründung des IfBB abzeichnete. Mit Unterstützung der Hochschule Hannover gelang es, das IfBB als eigenständiges Institut innerhalb der Hochschule zu etablieren. Seither ist das IfBB zunehmend in Industrieprojekte involviert und als kompetente Institution im Bereich Biokunststoffe national und international gefragt. Diese Entwicklung fördert nicht nur die Stellung von Biokunststoffen am Markt, sondern von der engen Praxisnähe profitiert besonders auch die Lehre. Nach wie vor ist neben Wissenschaft und Forschung die Ausbildung der Studierenden ein wesentliches Tätigkeitsfeld des IfBB. Bei den Forschungsarbeiten am IfBB stehen die Entwicklung, Verarbeitung und industrielle Nutzung von Biokunststoffen und Bioverbundwerkstoffen im Vordergrund. Dies umfasst sowohl thermoplastische als auch duroplastische biobasierte Verbundwerkstoffe. In diesem Themenbereich

wird

unter

anderem

an

gezielten

und

anwendungsorientierten

Materialentwicklungen sowie der Adaption der Verarbeitungsprozesse für diese neuartigen Werkstoffe geforscht. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Charakterisierung der am Markt verfügbaren Biowerkstoffe sowie die Erfassung des Biokunststoffmarktes und die Entwicklung entsprechender frei zugänglicher Datenbanken. Entlang

der

gesamten

Prozesskette,

d.h.

von

der

chemischen

Werkstoff-

und

Rezepturentwicklung über die Maschinenhersteller und Prozessoptimierung bis zu den Biokunststoff verarbeitenden Betrieben und den Anwendern, wie beispielsweise die

21

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Automobilindustrie sowie Unternehmen im Bereich der Entsorgungswirtschaft, findet eine intensive Kooperation statt. Das IfBB verfügt über eine umfangreiche technische Ausstattung. Als Beispiele seien an dieser

Stelle

das

Kunststofftechnikum

mit

modernsten

Spritzgießmaschinen

und

Compoundern sowie Labore zur Materialanalyse genannt. Im Rahmen diverser Forschungsarbeiten ist das IfBB in zahlreiche Forschungsprojekte involviert, ob als Partner oder als Koordinator. Dabei handelt es sich um Förderprojekte auf Bundes- und EU-Ebene sowie um Industrieprojekte.

1.5 CO2-Kreislauf und Nachhaltigkeit CO2-Kreislauf Kohlenstoffdioxid (CO2 und umgangssprachlich auch Kohlendioxid genannt) ist ein geruchloses und wasserlösliches Gas. Laut Kyoto-Protokoll handelt es sich hierbei um das bedeutendste Treibhausgas. Der CO2-Kreislauf ist sehr umfassend. Kohlendioxid kann auf natürliche Weise und durch den

sogenannten

anthropogenen

Effekt

entstehen.

Neben

dem

natürlichen

Verrottungsprozess der Vegetation (Pflanzen und Bäume) zählen auch natürliche Brände oder Vulkanausbrüche hinzu, die das CO2 entstehen lassen. Der von Menschen erzeugte zusätzliche -anthropogene - Effekt, erfolgt unter anderem durch die Verbrennung von fossilen Rohstoffen wie Kohle oder Erdöl, die hauptsächlich im Verkehrssektor, zur Stromund Wärmeerzeugung sowie zur Metallverarbeitung genutzt werden. Abgesehen von den nicht energetischen Prozessen spielt das Konsumverhalten eine große Rolle.

Neben

Kohlendioxid

sind

Methan

(CH4),

Lachgas

(N2O,

Distickstoffoxid),

Fluorchlorkohlenwasserstoff (FCKW) und Schwefelhexafluorid (SF6) die wichtigsten Vertreter der anthropogenen Treibhausgase. Aber CO2 entsteht auch als Nebenprodukt der Zellatmung vieler Lebewesen. Des Weiteren nimmt CO2 bei der Photosynthese von Pflanzen eine wichtige Rolle ein. Pflanzen sind in der Lage, die Energie der Sonne in Form von Stoffwechselprodukten zu speichern. Durch Photosynthese wandelt die Pflanze CO2, Wasser (H2O) und die im Boden enthaltenen Nährstoffe in mehreren Schritten zu Zucker um. Hierbei entsteht das für uns wichtige Produkt, der Sauerstoff. Nach der Kaskadennutzung, zum Beispiel bei der Verbrennung von biogenen Kunststoffen, wird die gespeicherte Sonnenenergie wieder freigesetzt. Im Prinzip wird hier die Photosynthese umgekehrt. Der im biogenen Kunststoff gebundene Kohlenstoff reagiert mit dem Sauerstoff der Luft. In einer kontrollierten

22

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Verbrennung bildet sich ebenso viel Kohlendioxid, wie die Pflanze während ihres Wachstums aufgenommen hat. Man spricht von der sogenannten CO2-neutralen Verbrennung. In Deutschland werden jährlich circa neun Mio. t Kunststoffe verbraucht. Auf den Einwohner herunter gerechnet bedeutet dies einen Verbrauch von rund 110 kg. Davon entfällt rund ein Drittel auf Verpackungen wie Folien, Tragetaschen oder Becher im Haushalt. Heute besteht lediglich ein Prozent der Kunststoffe (weltweit ca. 260 Mio. t/a) auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Das Potenzial ist weitaus größer: Bei Verpackungen und Einweggeschirr, aber auch bei Spielzeug, Sportartikeln oder Gehäusen für Elektrogeräte lassen sich herkömmliche Kunststoffe durch biobasierte Kunststoffe ersetzen. Einen idealen Kreislauf zeigt Abbildung 9. Hier wird die erst stoffliche und im Anschluss energetische Nutzung nachwachsender Rohstoffe in Form der Kaskadennutzung deutlich.

23

Abbildung 9: Idealer Kreislauf von Biokunststoffen [5]

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Ebenso wie bei Produkten auf petrochemischer Basis ist Recycling auch bei den biobasierten Produkten möglich. Hierzu laufen gerade sehr viele Forschungsprojekte um diese Aussage zu festigen. Durch Recycling werden die Grundstoffe „wiedergewonnen“ und damit neue beziehungsweise andere Produkte hergestellt. Am Ende der Nutzungskette sind diese Rohstoffe zum Teil auch kompostierbar. [5] Nachhaltigkeit Im Allgemeinen ist ein schonender Umgang mit der natürlichen Umwelt, gerechte Verteilung des Wohlstandes sowie eine menschliche Gestaltung der Lebensgrundlage für uns Menschen sowie für die nachfolgenden Generationen gemeint. Gemeinsam müssen ökonomische, soziale und ökologische Aspekte in Einklang gebracht und gehalten werden. Nachhaltigkeit wurde erstmals auf der „Rio-Konferenz“ 1992 von der Brundtland-Kommission definiert: Nachhaltige Entwicklung befriedigt die Bedürfnisse der heutigen Generation, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihre eigenen Lebensstile zu wählen. Nachhaltige Beschaffung hat auch im Bereich der öffentlichen Hand einen hohen Stellenwert. Durch die Nutzung nachhaltiger Produkte in der Beschaffung können Städte oder Landkreise mit gutem Beispiel vorangehen. Dies dient dem Schutz der Umwelt, des Klimas und natürlich der Menschen in den Ursprungsländern der Produkte. [6] Drei relevante Dimensionen im Bereich der nachhaltigen Beschaffung:

Abbildung 10: Nachhaltigkeit im Einklang [7]

24

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Innerhalb der in Abbildung 10 genannten nachhaltigen Beschaffung gibt es im Bereich der Rohstoffarten neben den nachwachsenden Rohstoffen auch Recyclingmaterialien, auf die zurückgegriffen werden kann. Durch diese Rohstoffnutzung werden petrochemische Rohstoffe geschont und soweit wie möglich durch regional verfügbare Rohstoffe substituiert. Nachhaltige Produkte erhöhen durch ihre positiven Produkteigenschaften den Nutzen [6]: 

Recyclingfähig



Je nach Werkstoff und Produkt: Kompostierbar



Langlebig und teilweise nachfüllbar (Büromaterialien)



Emissionsarm, enthalten keine gesundheitsgefährdenden Inhaltsstoffe



Anbaubedingungen: Umwelt- , gesundheits- und sozialverträglich



In der Herstellung: Umweltfreundlich, sozialverträglich und ressourcenschonend



Bei regionalem Anbau und Produktion sind kurze Transportwege realisierbar

Nachhaltige Beschaffung muss nicht unbedingt teurer sein. Unter Berücksichtigung ökologischer Kriterien ist auf lange Sicht gesehen sogar Geld einzusparen. Nachhaltige Produkte haben teilweise einen erhöhten Anschaffungspreis. Durch Betrachtung des gesamten Lebenszyklus, inklusive Nutzung und Entsorgung, relativiert sich dies wieder, beziehungsweise sind günstiger als gleiche Produkte auf fossiler Basis. [8]

25

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

2. Grundlagen In dem folgenden Kapitel geht es um die Darstellung von Grundlagen im Bereich der Biopolymere, insbesondere um die Herstellung, den chemischen Aufbau und die CO2Bilanzierung von Polymilchsäure. Des Weiteren werden Entsorgungseigenschaften bioabbaubarer Kunststoffe erläutert.

2.1 Biomasse und nachwachsende Rohstoffe Biomasse

Alle Stoffe organischer Herkunft, d.h. in Natur lebende und wachsende Materie und daraus resultierende Abfallstoffe, werden als Biomasse bezeichnet. Das heißt, Biomasse beinhaltet:  In Natur lebende Phyto- und Zoomasse (Pflanzen und Tiere),  Daraus resultierenden Rückstände bzw. Nebenprodukte (z.B. tierische Exkremente),  Abgestorbene (aber noch nicht fossile) Phyto- und Zoomasse (z.B. Stroh)  Im weiteren Sinne alle Stoffe, die durch eine technische Umwandlung und/oder Nutzung entstanden sind (z.B. Papier und Zellstoff, Schlachthofabfälle, organische Hausmüllfraktion, Pflanzenöl, Alkohol etc.).

Allgemeine Vorteile von Biomasse:  eine regenerative Energieform  indirekte Nutzung der Sonnenenergie  chemisch gebundene Sonnenenergie  Energie ist lagerbar und transportierbar

Nachwachsende Rohstoffe

Nachwachsende Rohstoffe (auch als NawaRo oder NR bezeichnet) sind land- und forstwirtschaftliche Rohstoffe pflanzlichen und tierischen Ursprungs, die außerhalb des Nahrungs- und Futtermittelbereiches stofflich oder zur Erzeugung von Wärme, Strom oder Kraftstoffen genutzt werden.

26

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Nachwachsende Rohstoffe werden auch als regenerative Rohstoffe bezeichnet. Die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen ist vielfältig. Abbildung 11 zeigt eine Aufteilung in Nutzungsgebiete.

27 Abbildung 11: Aufteilung nachwachsender Rohstoffe bzgl. Nutzung

Energiepflanzen werden ausschließlich für die energetische Nutzung angebaut. Von Industriepflanzen spricht man, wo der Anbau für die chemische oder biotechnologische Nutzung angedacht ist.

2.2 Definition Biokunststoffe Der Begriff Biopolymer wurde eigentlich erst in den letzten Jahrzehnten durch die zweite Untergruppe dieser Polymerwerkstoffe, d. h. durch Polymere, die auf nachwachsenden Rohstoffen basieren und zugleich kompostierbar sind, geprägt. Abbildung 12 zeigt eine erste allgemeine Darstellung für Biopolymere, die kompostierbar waren.

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Abbildung 12: Erste, explizit als Biopolymere bezeichnete Werkstoffe waren kompostierbar und basierten auf natürlichen nachwachsenden Rohstoffen [1]

28

Abbildung 13: Nachwachsende Rohstoffe zur Erzeugung von Biopolymeren [1]

An nachwachsenden Rohstoffen können für Biopolymere insbesondere Cellulose, Stärke, Zucker, Pflanzenöle und darauf basierende Folgeprodukte, sowie teilweise auch Lignine und Proteine als Werkstoffkomponenten eingesetzt werden; dargestellt in Abbildung 13. Aus diesen

Biopolymeren

können

Biokunststoffe

hergestellt

werden.

Im

Laufe

der

Entwicklungszeit hat sich der Begriff Biokunststoff auch für andere Kunststoffgruppen

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

etabliert und wird aktuell für drei unterschiedliche Materialgruppen verwendet (modifiziert nach [9]):  Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen (biobasierte Kunststoffe): Bei Kunststoffen, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden, steht die Vorsilbe „Bio“ für die Herkunft der Rohstoffe und grenzt biobasierte Kunststoffe von den konventionellen, petrochemisch basierten Kunststoffen ab. Biobasierte Kunststoffe können die gleichen Eigenschaften haben, wie Kunststoffe aus Erdöl.  Biologisch abbaubare Kunststoffe: Bei biologisch abbaubaren Kunststoffen beschreibt die Vorsilbe „Bio“ die Eigenschaft des Materials und zeigt, dass ein Abbau durch Mikroorganismen (Kompostierung) erfolgt. Die biologisch abbaubaren Kunststoffe können sowohl aus nachwachsenden Rohstoffen aber auch aus Erdöl hergestellt sein; siehe Abbildung 13.  Biokompatible Kunststoffe: Bei biokompatiblen Kunststoffen drückt die Vorsilbe „Bio“ das Einsatzgebiet eines Kunststoffes in einem lebenden Organismus aus. Biokompatible Kunststoffe sind biologisch verträgliche Kunststoffe, die als Medizinprodukte im Körper von Menschen oder Tieren eingesetzt werden. Dies können Kunststofffäden sein, die sich im Körper langsam auflösen, aber auch Hüllmaterialien für Tabletten. Es können aber auch Implantate sein, die dauerhaft im Körper verbleiben. Biokompatible Kunststoffe können aus nachwachsenden Rohstoffen sowie aus Erdöl hergestellt sein. Der heutige Trend bei biobasierten Kunststoffen sind sogenannte Drop-In Lösungen. Dabei stammen die chemischen Vorprodukte aus nachwachsenden Rohstoffen. Daraus werden Kunststoffe

hergestellt,

die

chemisch

und

in

ihren

Eigenschaften

denen

aus

petrochemischen Rohstoffen entsprechen. [9]

2.3 Herstellung von PLA (Polylactide acid) 2.3.1 Einführung Herstellung von PLA Das derzeit mengenmäßig wichtigste Biopolymer ist mit großem Abstand das auf Milchsäure basierende Polylactid (PLA oder

PolyLacticAcid

oder

Polymilchsäure).

Milchsäure

29

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

(2-Hydroxypropionsäure) ist eine ubiquitäre 3, natürliche, in den zwei optisch aktiven Formen der

L(+)-

und

D(–)-Milchsäure

Biopolymerbaustein

wird

sie

vorkommende

technisch

Säure.

insbesondere

Neben auch

ihrem als

Einsatz

als

Säuerungsmittel,

Geschmacksstoff und Konservierungsmittel in der Lebensmittelindustrie, der Textil-, der Leder- und der pharmazeutischen Industrie sowie als Ausgangsstoff zur Synthese einer Vielzahl von weiteren Chemikalien wie z. B. Acetaldehyd verwendet. Etwa 70 – 90 % des Weltproduktionsvolumens an Milchsäure wird auf fermentativem Wege hergestellt [10], [11], [12]. Unter Fermentation wird allgemein die Umsetzung von biologischen Materialien mit Hilfe von Bakterien-, Pilz- oder Zellkulturen oder aber durch Zusatz von Enzymen verstanden. In Bioreaktoren (Fermentern) werden dazu optimierte Bedingungen (Temperatur, Nährstoffangebot, pH-Wert, Sauerstoffgehalt und andere) eingestellt, unter denen die Mikroorganismen großtechnisch Stoffe synthetisieren, die sich auf rein chemischem Wege nur schwer bzw. gar nicht herstellen lassen. So werden heute neben

den

Rohstoffen für

Biopolymere

auch

einige medizinische

Produkte wie

beispielsweise Insulin, Hyaloronsäure, Streptokinase und eine Vielzahl von Antibiotika (z. B. Penicillin) mit Hilfe der Fermentation erzeugt. Der biotechnologische Herstellungsweg für die Milchsäure und die anschließende Erzeugung des Polylactids ist jedoch mit einem gewissen verfahrenstechnischen Aufwand verbunden und bestimmt, neben den Substratkosten, daher auch wesentlich die Herstellkosten [13], [14], [15] und die Ökobilanz [12], [16], [17]. Durch Optimierung der Prozesstechnik sowie Steigerung der Ausbeute und durch Skalierungseffekte konnte der Preis für PLA in den letzten 15 Jahren von ursprünglich deutlich über 10 Euro/kg auf Werte um die 1,5 – 2,0 Euro/kg reduziert werden. Eine weitere signifikante Senkung der Herstellkosten scheint für die Zukunft insbesondere über eine Reduzierung der Rohstoffkosten, d. h. Einsatz von biogenen Rest- oder Abfallstoffen wie z. B. Molke, Melasse oder lignocellulosehaltigen Abfällen möglich. In diesem Bereich liegen jedoch deutlich weniger umfangreiche Erfahrungen vor als beim Einsatz von glucose- oder stärkehaltigen Substraten. Der wesentliche Vorteil bei PLA liegt insbesondere auf der effizienten mikrobiologischen „Veredelung“

eines breiten biogenen Rohstoffbandes zuckerhaltiger

Nährstoffe zu

Milchsäure mit Umsatzraten von mehr als 95 % des eingebrachten Kohlenstoffs. Bezogen auf das Endprodukt PLA beträgt der Umsatz mehr als 70 % [15], [18], [19]. Geht man beispielsweise von Maisstärke aus, so können mit einem Hektar 2,5– 5 t PLA [20] erzeugt

3

allgegenwärtig, überall verbreitet

30

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

werden. PLA kann grundsätzlich aus jeder stärkehaltigen Pflanze wie Zuckerrüben oder Weizen hergestellt werden. Ein weiterer Vorteil ist sicher auch das resultierende Eigenschaftsprofil der Polylactide. Im Vergleich zu den meisten anderen Biopolymeren haben die Polylactide ein technisch schon recht

ausgereiftes

Eigenschaftsprofil

hinsichtlich

der

Verarbeitungs-

und

Gebrauchseigenschaften. Zudem ist PLA neben den stärke- und cellulosebasierten Biopolymeren ein Werkstoff, der inzwischen im Vergleich zu den konventionellen Polymeren auch zu konkurrenzfähigen Preisen auf dem Weltmarkt verfügbar ist.

2.3.2 Herstellungsprozess Grundsätzlich gibt es eine Vielzahl von Mikroorganismen, die zur biotechnologischen Erzeugung von Milchsäure befähigt sind. Im Rahmen der industriellen Milchsäureproduktion werden insbesondere grampositive 4, nicht-sporenbildende, fakultativ anaerobe homo- und heterofermentative

Milchsäurebakterien

eingesetzt.

Bei

Milchsäureerzeugung entstehen spezifische optisch aktive

5

der

fermentativen

Formen der Milchsäure.

Während bei den in der Regel nicht so produktiven homofermentativen Milchsäurebakterien das alleinige Fermentationsprodukt L(+)-Milchsäure ist, erzeugen heterofermentative Lactobakterien

ein

racemisches

Gemisch 6

aus

L-

und

D-Milchsäure

mit

einem

dominierenden D-Anteil. Das Verhältnis zwischen L- und D-Milchsäure hängt dabei im Wesentlichen von der Bakterienkultur selbst und deren Alter sowie dem pH-Wert ab [14], [18], [21], [22]. Die durch synthetische Produktion erzeugte Milchsäure ist immer eine racemische Mischung, d. h., sie ist optisch immer inaktiv. Synthetische Milchsäure wurde in nennenswerten Mengen seit den 60er-Jahren mittels unterschiedlicher Herstellrouten produziert. Da die fermentativen Prozesse inzwischen kostengünstiger sind und die Nachfrage nach natürlich hergestellter Milchsäure angestiegen ist werden heute jedoch nur noch kleinere Mengen an Milchsäure insbesondere in Asien noch synthetisch hergestellt.

4

Bakterien, die sich in der Gram-Färbung blau/violett anfärben. Das Gegenstück zu grampositiv ist

gramnegativ, die sich u.a. im Aufbau ihrer Zellwände unterscheiden. 5

Eigenschaft mancher Substanzen, die Schwingungsebene polarisierten Lichtes zu drehen; man

unterscheidet zwischen rechts- und linksdrehenden Substanzen. 6

Substanzgemisch, das aus zwei Stoffen (im selben Mischverhältnis) besteht und deren Moleküle wie

Bild und Spiegelbild aufgebaut sind.

31

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Abbildung 14: Prozessschritte zur Erzeugung von Polylactidwerkstoffen und -bauteilen [1]

Zur

fermentativen

Erzeugung

der

Milchsäure

als

Polymerrohstoff

werden

den

Mikroorganismen als Nährstoffquelle verschiedenste Kohlenhydrate, z.B. kurzkettige Saccharide wie Glucose, Saccharose, Maltose, Laktose oder Stärke (die enzymatisch verzuckert wird) angeboten, die dann bei der Fermentation zu Milchsäure verstoffwechselt 32

werden. Die Abbildung 14 gibt einen Überblick über die einzelnen Herstellschritte. Substratkonditionierung Im Rahmen der biotechnologischen Herstellung erfolgt zunächst eine Konditionierung und ggf. Vorbehandlung der Substrate, wie z. B. eine (enzymatische) Hydrolyse von Stärke. Parallel zur Substratbereitstellung und -aufbereitung erfolgt im optimalen Falle eine Vorfermentation,

die

sogenannte

Inokulation,

in

der

sich

zunächst

die

später

milchsäureerzeugenden Mikroorganismen unter entsprechend optimierten Bedingungen, insbesondere hinsichtlich des Nährstoffangebots, d. h. zusätzliche N-Quellen wie z. B. Hefe-, Fleisch- oder Malzextrakt, vermehren. Milchsäurefermentation In der anschließenden Hauptfermentation erfolgt dann unter anaeroben Bedingungen und Zuführung des Substrates bei konstantem pH-Wert die Erzeugung der Milchsäure als Rohstoff.

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Milchsäureisolierung Die anschließende Isolierung der Milchsäure erfolgt dabei derzeit meist mittels einer Neutralisationsreaktion, bei der zunächst eine Base, wie z. B. Ca(OH)2 zugeführt wird und nach weiteren Filtrationsprozessen im nächsten Schritt dann mittels Schwefelsäure aus der wässrigen Calciumlactatlösung neben großen Mengen an Calciumsulfat die Milchsäure entsteht. Zur pH-Wert-Stabilisierung stellen jedoch NH4CO3 oder CaCO3 bessere Alternativen dar. Sie führen zur Bildung von Ammoniumsulfat als Dünger oder zu gasförmigen

CO2.

Die

Milchsäure

wird

anschließend

u. a.

durch

Ultra-

und

Nanofiltrationsverfahren gereinigt und zu einer ca. 80 %igen Lösung aufkonzentriert [12], [14]. Eine andere noch günstigere Methode, an der zur kontinuierlichen Isolierung der Milchsäure noch gearbeitet wird, führt über eine Mikrofiltration und Elektrodialyse mit speziellen bipolaren Membranen aus der flüssigen Phase. Aufgrund der vergleichsweise hohen Membrankosten wird auch zur Abtrennung der Milchsäure von der Kulturbrühe überwiegend eine CO2-gestützte Trialkylaminextraktion eingesetzt werden. Dieses Verfahren wird derzeit von Cargill, soweit bekannt ist, favorisiert. 33

Synthese/Polymerisation Aus

der

Milchsäure

werden

dann

durch

eine

sogenannte

Oligokondensation

niedermolekulare Prepolymere (DP = 30 – 70, d. h. Mn < 5.000 g/mol) erzeugt, die dann bei höheren Temperaturen und reduzierten Drücken zu Dilactiden depolymerisiert werden. Aufgrund der enantiomeren Konfigurationsisomerie der Milchsäure entsteht dabei, wenn keine besonderen Vorkehrungen getroffen werden, ein stereoisomeres Gemisch aus Meso(Di-)Lactiden mit einem höheren L-Anteil; vgl. Abbildung 15.

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Abbildung 15: Mesolactid, als Ausgangsrohstoff für PLA [1]

Bei der Lactiderzeugung werden zwei gängige Verfahren unterschieden. Bei dem ersten Verfahren wird mittels einer temperatur- und druckunterstützten, katalysatorgesteuerten (als Katalysator kann eine organometallische Verbindungen, zum Beispiel Zinnoctoat dienen) sogenannten

Ringöffnungspolymerisation

(Vakuumdestillation)

der

nicht

-unter

polymerisierten

vakuumtechnischer

Monomere

Entfernung

(Entmonomerisierung)- das

hochmolekulare Polylactid (DP=700- 15.000, d. h. Mn >>50.000 g/mol) erzeugt (Abbildung 16). Bei

diesem

verfahrenstechnisch

aufwendigen

Prozessschritt

der

Ringöffnungspolymerisation erfolgt ein Anstieg der Viskosität von Werten < 1 Pa s (Monomer) auf

Werte

< 103

Pa

s

(Polymer).

Dazu

werden

in

der

Regel

konventionelle

Rührkesselkaskaden und aus der Polyesterchemie bekannte Horizontalreaktoren eingesetzt. Darüber hinaus gab es und gibt es immer wieder Forschungsarbeiten, deren Ziel die reaktive Extrusion, d. h. die Darstellung einer kontinuierlichen Ringöffnungspolymerisation in gleichläufigen Doppelschneckenextrudern ist. Der Schwerpunkt liegt dabei aufgrund der begrenzten Verweilzeit im Extruder auf der Untersuchung möglichst hochreaktiver Katalysatoren und der Erzeugung verschiedenster PLA-Copolymere. Obwohl dabei grundsätzlich die Polymerisation im Extruder erfolgreich durchgeführt und hinsichtlich der Effizienz der Katalysatoren Verbesserungen erzielt wurden, waren die Ergebnisse bisher nicht ausreichend für eine industrielle Umsetzung.

34

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Abbildung 16: Ringöffnungspolymerisationsreaktion von Polylactid [1]

Die am Ende entstehende Mikrostruktur (Konformation) des PLAs und damit die resultierende Produktqualität (Kristallinität, mechanische Kennwerte, Tg) kann neben der kostspieligen Erzeugung reiner Monomere bzw. Dimere (L,L-Lactid, D,D-Lactid, vgl. Abbildung 15) oder der Aufreinigung der racemischen Gemische als Ausgangsmonomere auch teilweise durch die kontrollierte Ringöffnungspolymerisation beeinflusst werden. Wie bei konventionellen Polymeren führt auch beim PLA ein zunehmender Polymerisationsgrad und eine zunehmende Kristallinität grundsätzlich zu einer Zunahme der Festigkeit, des elastischen Verformungswiderstandes, des Quellwiderstandes, der Glasübergangs- und der Schmelztemperatur. Das zweite Verfahren zur Polymerisation der Milchsäure, der in Japan insbesondere von Mitsui favorisiert wird, ist die direkte Erzeugung eines hochmolekularen PLAs aus Milchsäure mittels einer Polykondensationsreaktion in einem (organischen) Lösemittel. Das Lösemittel dient dabei insbesondere auch zur Aufnahme und zum Abtransport des bei dem Kondensationsprozess entstehenden Wassers. [1] Gegenüber der Ringöffnungspolymerisation ist dieser Einsatz eines Lösemittels ein Nachteil, da dadurch die Einbindung in eine entsprechende Chemieanlage erforderlich ist. Ohne Lösungsmittel

sind

jedoch

die

Reaktionszeiten

zu

lang

und

die

resultierenden

Molekulargewichte zu niedrig. Die Kosten der PLA-Kondensationsreaktion liegen derzeit auch etwas oberhalb der Kosten der Ringöffnungspolymerisation. Höhere Molekulargewichte und reinere Polymere, die nach der Rekristallisation aus dem Lösemittel weder Katalysatorreste

noch

Fremdstoffe

Polykondensationsverfahrens Ringöffnungspolymerisation

enthalten,

gegenüber zeichnet

sich

der

sind

dagegen

die

Vorteile

Ringöffnungspolymerisation.

dagegen

dadurch

aus,

dass

des Die keine

niedermolekularen Komponenten während der Polymerisation entfernt werden müssen und

35

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

die

Ringöffnungspolymerisation

sowohl

im

Batch-

als

auch

im

kontinuierlichen

Reaktorverfahren durchgeführt werden kann, (z. B. Nukleierungsmittel, Stabilisatoren). Durch abschließende Compoundierung 7 des PLAs und Zugabe weiterer Additive und/oder Blendkomponenten entsteht dann der Polymerwerkstoff Polylactid (PLA) in der kommerziellen Granulatform. Um das PLA-Granulat z. B. gegen eine erhöhte Feuchteaufnahme nach der

Herstellung

zu

stabilisieren,

erfolgt

meist

noch

durch

eine

entsprechende

Prozessführung eine Nachkristallisation des PLAs. Im kristallinen Zustand ist die chemische Stabilität vom PLA im Vergleich zum amorphen PLA höher und z. B. die Wasseraufnahme, das Quellverhalten oder auch die Geschwindigkeit des biologischen Abbaus geringer. Neben der Erzeugung der PLA-Homopolymere gibt es auch verschiedene Ansätze zur Erzeugung unterschiedlicher PLA-Copolymere mit modifizierten Eigenschaftsprofilen durch die Einpolymerisierung verschiedener Esterverbindungen, z. B. auf Basis von Glykolsäure bzw. Polyglykoliden oder Caprolacton bzw. Polycaprolactonen. Neben dem größten PLA-Hersteller, Firma NatureWorks LLC aus den Vereinigten Staaten von Amerika, gibt es noch weitere Hersteller von kleineren Mengen PLA und/oder speziellen PLA-Typen insbesondere in Asien, wie z. B. Toyota, Toray, Hisun Biomaterial, Purac oder Durect Corporation sowie einige Unternehmen, die derzeit Milchsäure- sowie PLAProduktionskapazitäten aufbauen. [1]

2.4 Entsorgung bioabbaubarer Kunststoffe Durch ein allgemein zunehmendes Umweltbewusstsein und das Bestreben zur Reduzierung der Abfallvolumenströme sowie des Primärrohstoffeinsatzes zur Werkstofferzeugung, rücken bei den verschiedenen Kunststoffen zunehmend auch die Entsorgungseigenschaften mehr und mehr in den Vordergrund. In den vergangenen Jahren hat das Interesse an Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen und biologisch abbaubaren Werkstoffen in sämtlichen Bereichen stark zugenommen. Neben dem idealen Kreislauf der biogenen Kunststoffe, Abbildung 9, zeigt Abbildung 17 eine erste Übersicht von Entsorgungseigenschaften von Biopolymeren. In dem weiteren Verlauf dieses Kapitels werden die einzelnen Entsorgungsoptionen dargestellt und beschrieben. 7

Verfahren zur Kunststoffaufbereitung durch Beimischung z.B. von Füllstoffen oder Additiven zur

Verbesserung der Eigenschaftsprofile

36

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Abbildung 17: Entsorgungseigenschaften von Biopolymeren (modifiziert nach [23])

Thermomechanisches Recycling

37

In Deutschland werden die vier Polymere PP, PE, PET und PS recycelt; teilweise auch PVC. Laut Bundesumweltamt wurden im Jahre 2011 fast 5,45 Mio. t Kunststoffabfällen zu 99 % verwertet; 42 % werkstofflich, 56 % energetisch und je 1 % ausgeführt und deponiert [24]. Im Bereich des klassischen thermomechanischen Recyclings gibt es für die verschiedenen thermoplastischen Biopolymere wenige Erfahrungen. Es kann jedoch grundsätzlich von gleichen Problemstellungen wie bei dem Recycling konventioneller thermoplastischer Kunststoffe, d. h. einem Downcyclingeffekt und dem Wunsch nach möglichst sortenreinen Abfällen ausgegangen werden. Der überwiegend auf einen molekularen Molekülabbau zurückzuführende Downcyclingeffekt wird bei den Biopolymeren wegen ihrer meist geringeren thermomechanischen und chemischen Beständigkeit stärker ausgeprägt sein. So kann es z. B. aufgrund der Hydrolyseanfälligkeit der häufig als Polyester vorliegenden Biopolymere, ähnlich wie bei den konventionellen Polyestern, bei der wiederholten thermischen Beanspruchung insbesondere in Gegenwart von Feuchtigkeit zu einer Depolymerisation der Biopolymere kommen. Zudem

führt

PET

auch

zu

einer

„Verunreinigung“,

der

etablierten

Wiederverwertungsprozesse, bzw. PET beeinflusst den Stoffstrom negativ. Bei PE, hingegen sind 10 % Verunreinigungen kein Problem; je nach PE-Typ. Chemisch strukturgleiche

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Biokunststoffe

(Drop-In.-Lösungen

z.B.

Bio-PET,

Bio-PE,

usw.)

lassen

sich

wie

herkömmliche, petrochemisch basierte Kunststoffe recyceln. Wie sich größere Mengen an Biopolymeren im Gesamtabfallstrom auswirken, darüber gibt es derzeit noch wenige Erkenntnisse; die Forschungen werden jedoch auf diesem Gebiet aktuell massiv vorangetrieben. Wie Abbildung 19 zeigt, können Biopolymere jedoch grundsätzlich z. B. aufgrund ihres charakteristischen Nahinfrarot-Spektrums im Abfallstrom identifiziert werden. Die PET-Recycling-Quoten, richtungsweisend aus 2005, sind in Abbildung 18 dargestellt. Die Bundesrepublik Deutschland hat hier eine PET-Recycling-Quote von mehr als 60%.

38

Abbildung 18: PET-Recycling-Quoten in Europa [1]

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Abbildung 19: Unterschiedliche Nahinfrarot-Spektren zur Charakterisierung der Biopolymere [1]

Chemisches Recycling Biopolymere, wie z.B. Polylactide oder Polyhydroxyalkanoate haben oftmals aufgrund der chemischen Grundstruktur eine geringere chemische Beständigkeit als konventionellen Kunststoffe .Die Untersuchung des chemischen Recyclingverhaltens von Biopolymeren, wie z. B. insbesondere die thermomechanisch induzierte PLA-Hydrolyse, ist Gegenstand aktueller Forschungsarbeiten. Kompostierung Bei der Kompostierung von Biopolymeren handelt es sich im Grunde um ein natürliches Recycling der einzelnen Elemente, insbesondere des Kohlenstoffs und des Wasserstoffs. Im Rahmen der Kompostierung, d. h. beim Endabbau der Biopolymere entstehen als Abbauprodukte hauptsächlich Kohlendioxid und Wasser. Diese Verbindungen stellen im Weiteren jedoch wieder die wesentlichen Rohstoffe für die Photosynthese von Biomasse bzw. nachwachsenden Rohstoffen für die erneute Biopolymererzeugung dar – d. h., sie werden nur zum temporären Gebrauch der Natur entnommen und es handelt es sich um einen stofflich geschlossenen Kreislauf.

39

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

In der Natur werden jährlich allein ca. 100 Mrd. t Cellulose und nochmals die gleiche Menge an Hemicellulose und Lignin „leise und unauffällig“ auf- und abgebaut. Dem gegenüber steht die von Menschen produzierte weltweite Müllmenge von nur circa 1 Mrd. Jahrestonnen. Vor diesem Hintergrund zeigt sich das grundsätzliche Potenzial der Kompostierung als eine mögliche Entsorgungsoption. Industrielle Kompostierung Es hat sich gezeigt, dass die als kompostierbar zertifizierten Biopolymere unter den Bedingungen der industriellen Kompostierung gut abgebaut und verstoffwechselt werden. Das bedeutet, dass das System der Kompostierung von zertifizierten Biopolymeren technisch grundsätzlich funktioniert, jedoch gibt es hinsichtlich der Kompostierungslogistik noch Optimierungsbedarf. In Kompostierungsanlagen sind Biokunststoffe per Gesetz nicht mehr erwünscht; Müllbeutel für Küchenabfälle sind hier die Ausnahme. Eine Kompostierung ist jedoch nur da sinnvoll, wo Abbaubarkeit gleichzeitig auch einen zusätzlichen funktionalen Vorteil bietet, wie z. B. Hüllen von Grablichtern, die zusammen mit dem Grabschmuck abgeräumt werden können, Folien in der Landwirtschaft, die nach Gebrauch nicht eingesammelt und entsorgt, sondern untergepflügt werden können, Wäschesäcke, die sich in der Waschmaschine auflösen, Tragetaschen, die zugleich als Kompostsäcke mit dem Kompost entsorgt werden können oder resorbierbare Implantate, die gemäß dem Regenerationsverlauf im menschlichen Körper abgebaut werden usw. Bei diesen Anwendungen ergibt die Kompostierbarkeit einen zusätzlichen Nutzen. Im Gegensatz dazu stellt jedoch eine zwanghafte „Kommandokompostierung“ mit einer erzwungenen getrennten

Erfassung,

Sammlung

und

Transport

zur

einer

industriellen

Kompostierungsanlage nur einen zusätzlichen Aufwand und damit eine Entropieproduktion ohne zusätzlichen Nutzen dar. Die Menge des bei der Kompostierung erzeugten CO2 entspricht exakt der CO2-Menge, die auch bei der Verbrennung mit einem zusätzlichen energetischen Nutzen freigesetzt würde.

Häusliche Kompostierung Die

gemäß

den

entsprechenden

Normen

zertifizierte

Kompostierbarkeit

von

Biopolymerwerkstoffen darf nicht grundsätzlich mit einer vollständigen Abbaubarkeit im häuslichen Kompost gleichgesetzt werden. Häufig glaubt der Verbraucher irrtümlich, dass er ein Biopolymerprodukt auf die Wiese legen oder es in seinem Blumentopf eingraben kann, damit es sich dort selbständig auflöst. Die zertifizierte Kompostierbarkeit macht jedoch nur eine Aussage darüber, dass sich ein aus einem bestimmten Material bestehendes Produkt

40

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

mit

vorgegebenen

(ausreichend

Wandstärken

Sauerstoff

Temperaturentwicklung,

und

unter

industriellen

Feuchtigkeit,

Vorhandensein

Kompostierungsbedingungen

regelmäßiges

entsprechender

Umsetzen

der

Mikroorganismen)

in

Miete, einer

bestimmten Zeit biologisch abbaut. Insbesondere in Asien gibt es vor dem Hintergrund des Platzmangels und der Entsorgungslogistik von Bioabfall Ansätze die Kompostierung im häuslichen Bereich durch beheizte Müllcontainer zu unterstützen, damit eine Kompostierung auch im häuslichen Bereich möglich ist [25]. Verbrennung Die Verbrennung ist eine Entsorgungsoption, die neben einem qualitativ hochwertigen Recycling bei vertretbarem Aufwand favorisiert werden kann, da sie einen maximalen Kaskadennutzen generiert. Je höher der biobasierte Werkstoffanteil im Biopolymer ist, desto klimafreundlicher kann bei der Verbrennung zusätzlich Energie bereitgestellt werden. Biogaserzeugung Eine weitere, bisher kaum betrachtete Entsorgungsmöglichkeit der Biopolymere, stellt letztlich die Verstoffwechselung zu Biogas (Methan), d. h. die Biogas-Produktion z. B. aus Biopolymerverpackungen dar. Typischerweise wird in einer Biogasanlage unter anaeroben Bedingungen aus organischen Substraten (Gülle, Energiepflanzen, Silage u. a.) in mehreren Schritten Biogas gebildet. Das lässt den Schluss zu, dass Biopolymere auch für Biogasanlagen ein möglicher Rohstoff ist. Nach neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen, ist eine Entsorgung mittels Biogasanlagen jedoch nicht zielführend [26]. Biogas als Einzellösung Konzerte),

-zum stark

Beispiel mit

für

Veranstaltungen

Nahrungsmittelresten

(Großevent,

verschmutztes

Sportveranstaltungen, Cateringmaterial

oder

Bioabfallsäcke- kann technisch funktionieren. Problematisch sind denkbare Fehlwürfe oder aber auch eine nicht fachgerechte Behandlung der Miete 8. Produktspezifische Entsorgung Unter der produktspezifischen Entsorgung werden die Optionen dargestellt, bei denen Entsorgung direkt mit dem Produkt oder der Anwendung bzw. dem Einsatz des Produktes verknüpft ist. Teilweise gibt es dazu entsprechende Prüfnormen, die die Charakterisierung

8

Lagerung des zu vergärenden Materials an dem Standort der Biogasanlage

41

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

des Abbauverhaltens jeweils unter den speziellen anwendungsspezifischen Einsatz- bzw. Entsorgungsbedingungen regeln. Auflösen/Abbau in Wasser Es gibt einige wasserlösliche Kunststoffe wie z. B. verschiedene Polyvinylalkohole. Bei diesen Polymeren kommt es beim Lösevorgang in Wasser zu einer makroskopischen Werkstoffdissoziation. Auf Basis dieser Eigenschaft finden wasserlösliche Polymere z. B. Einsatz als Wäschesack, als Umverpackung von Spülmaschinentabs oder grundsätzlich als Verpackungswerkstoff im Bereich der Marine. Bei diesen Anwendungen steht die makroskopische Materialdissoziation im Vordergrund. Dabei führen die verschiedenen Abbaumechanismen zu einem makroskopischen Bauteilund möglicherweise auch zu einem partiellen mikroskopischen Primärabbau, ohne dass jedoch dadurch ein sicherer Endabbau der Spaltprodukte gewährleistet ist. Die vollständige Endabbaubarkeit des wasserlöslichen Polymers wird im Wesentlichen durch die vollständige Abbaubarkeit

der resultierenden Molekülfragmente bestimmt. Sind die oligomeren

Molekülfragmente nicht vollständig abbaubar, d. h. in kürzerer Zeit verstoffwechselbar, so kommt es am Ende zu einer Akkumulation der Spaltprodukte im Wasserhaushalt der Erde. Bei den wasserlöslichen Polymeren fällt die Unterscheidung zwischen nur wasserlöslich, nicht, partiell oder vollständig bioabbaubaren sowie kompostierbaren Biopolymeren besonders schwer. Auflösen/Abbau im Erdreich Der Abbau im Erdreich ist eine Entsorgungsvariante, insbesondere für Produkte im Agrarbereich wie z. B. Mulchfolien oder Blumentöpfe. Durch den Abbau in terrestrischen Systemen entfällt der Aufwand für das Einsammeln und das Reinigen des meist mit Erde verschmutzten Produktes sowie die Entsorgung des Produktes selbst. Gleichzeitig bietet sich durch den Abbau des Biopolymers die Möglichkeit einer kontrollierten Freisetzung von Wirkstoffen wie Dünger oder Herbiziden. Beim Abbauverhalten spielen neben einer nicht zu langen Abbauzeit insbesondere auch die Auswirkungen der Abbauprodukte auf die Bodenqualität eine entscheidende Rolle. Kommt es zu einem nicht vollständigen Abbau und zur Bildung von umwelt- oder besser bodenschädlichen Substanzen, so führt dies zu einer Verschlechterung der Bodenqualität. Teilweise gibt es auch hier entsprechende Prüfnormen zu Charakterisierung des terrestrischen Abbaus.

42

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Auflösen/Abbau im Organismus (Verzehren, Bioabbau) Hierbei handelt es sich meist um medizinische Anwendung, entweder zur kontrollierten Freisetzung von Medikamenten oder zur Unterstützung des Heilungsverlaufes nach chirurgischen Eingriffen. Die in diesem Zusammenhang bekannteste Anwendung sind resorbierbare Fäden aus PLA, die auch im Körperinneren eingesetzt werden können, da sie nicht nachträglich wieder entfernt werden müssen. Aus gleichem Grunde wurden auch in den letzten Jahren verschiedene temporäre Implantate wie Knochenschrauben zur Fixierung von Frakturen u.ä. aus PLA entwickelt. Neben diesen Anwendungen gab es auch verschiedene Ansätze, die Biopolymere als essbare Verpackung zu etablieren. Diese Ansätze sind jedoch u. a. daran gescheitert, dass eine solche essbare Verpackung aus lebensmittelhygienischen Gründen wieder eine zusätzliche Umverpackung benötigt. Littern Mit Littern wird das einfache und achtlose Wegwerfen von Produkten, d. h. das Entsorgen in die Umwelt, wie man es z. B. sehr häufig an Autobahnausfahrten oder Parkplätzen oder auch nach Massenveranstaltung findet, bezeichnet. Da das Wegwerfen ungeachtet der Abbaubarkeit und der ökologischen Auswirkung erfolgt, würden sich in diesem Fall, bei Verwendung entsprechender bioabbaubarer Polymere, die achtlos weggeworfenen Abfälle mit der Zeit selbständig auflösen und abgebaut. Umgekehrt wird hier beim Einsatz von Biopolymeren befürchtet, dass dadurch die Wegwerfmentalität zunimmt und dass der Verbraucher im Weiteren dann nicht mehr zwischen abbaubaren und nicht abbaubaren Kunststoffabfällen unterscheidet.

2.5 Brennwerteigenschaften In dem folgenden Unterkapitel wird der energieträgerspezifische Begriff Brennwert und der Vollständigkeit halber der Heizwert beschrieben. Dies ist relevant, da nach der stofflichen Nutzung auch die Verbrennung, also die energetische Nutzung biogener Kunststoffe, erfolgen kann. Die Bereitstellung von End- bzw. Nutzenergie aus biogenen Kunststoffen kann auf direktem oder indirektem Weg erfolgen. Als direkter Weg sei hier die Verbrennung genannt; siehe auch Seite 41, Verbrennung. Der indirekte Weg ist eine vorherige Umwandlung, bzw. Weiterverarbeitung, in entsprechende Sekundärenergieträger, die dann mittels thermochemischer (z.B. Vergasung oder Verflüssigung) oder biochemischer (z.B. anaerober Abbau; siehe dazu auch Biogaserzeugung, Seite 41) Verfahren genutzt werden

43

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

können. In diesem Themenfeld besteht jedoch noch Forschungsbedarf. Das IfBB realisiert aktuell

weiterführende

feuerungstechnischen

und

tiefer

Eigenschaften

gehende

Untersuchungen

(Heizwert,

Emissionen,

im

Bereich

Vergleiche

der der

Verbrennungsprodukte, Analyse der Brandgase, Aschegehalt, Ascheerweichung etc.) der Biopolymere. Der Heizwert definiert die Wärmemenge, die bei der vollständigen Oxidation von 1 kg Brennstoff -ohne Berücksichtigung der Kondensationswärme des im Abgas befindlichen Wasserdampfes- freigesetzt wird. Früher wurde der Heizwert als unterer Heizwert bezeichnet. Der Brennwert entspricht der Wärmemenge die verfügbar wird, wenn auch die Kondensationswärme des bei der Verbrennung gebildeten Wasserdampfes zurückgewonnen wird. Der Brennwert wurde früher als kalorischer Brennwert oder oberer Heizwert bezeichnet. Angegeben werden Heizwert und Brennwert in kJ/kg oder kWh/kg bzw. MJ/kg oder MWh/kg. Abbildung 20 zeigt eine Übersicht unterschiedlicher Kunststoffe im Vergleich zu Heizöl, Kohle oder Holz. PLA zeigt einen Brennwert von 19,2 MJ/kg auf. Innerhalb der biogenen Kunststoffe ist dies ein niedriger Brennwert. Jedoch im Vergleich zu biogenen Festbrennstoffen stellt PLA einen ähnlichen Wert wie Holz dar.

44

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Abbildung 20: Brennwerte im Vergleich [1]

45 Relevant sind darüber hinaus auch die Emissionen bei der Verbrennung von Biopolymeren. Aufgrund der biobasierten Zusammensetzung der Biopolymere wird zunächst allgemein von einem

theoretisch

geringeren

Schadstoffpotenzial

bzgl.

möglicher

entstehender

Verbrennungsgase ausgegangen. Kritischer werden hier jedoch die in den Biopolymeren oft enthaltenden und meist unbekannten Additive betrachtet. Diesbezüglich gibt es aber auch bei den Biopolymeren noch keine langfristigen Erkenntnisse. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass das Verbrennungsverhalten der Biopolymere exakt dem Verbrennungsverhalten von konventionellen Kunststoffen entspricht. Das bedeutet, dass ebenso wie bei konventionellen Kunststoffen auch, der Brennwert oder die resultierenden Emissionen ausschließlich von der Materialzusammensetzung, d.h. der chemischen Struktur der beteiligten Elemente abhängen und der Rohstoffursprung diesbezüglich keinen Einfluss hat. Das bedeutet weiter, dass zum (Mit-)Verbrennen der Biopolymere aus technischer Sicht keine Modifikation oder Anpassung der bestehenden Verbrennungstechnologien für konventionelle Kunststoffe erforderlich sind. Der wesentliche Vorteil bei der Verbrennung von PLA, bzw. Biopolymeren, ist die je nach biobasiertem Werkstoffanteil CO2-neutrale Energieerzeugung.

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

2.6 Ökobilanzierung von Biopolymeren insbesondere PLA 2.6.1 Methodik und Stand der Technik Definition Bei der Ökobilanzierung 9 handelt es sich um eine Methode, mit der Umweltaspekte und wirkungen von Produktsystemen analysiert werden können. Definiert ist die Methode heute durch die ISO EN 14040 und 14044. Erstmals wurde der Begriff Ökobilanzierung 1984 in einer Packstoffstudie des Schweizer Bundesamts für Umweltschutz verwendet. Die Ökobilanz besteht grundsätzlich aus vier Komponenten, vgl. Abbildung 21.

46

Abbildung 21: Rahmen einer Ökobilanzierung [27]

Die Erkenntnisse einer Ökobilanzierung können in vielfältiger Weise direkte Anwendung finden, beispielsweise zur Entwicklung oder Verbesserung von Produkten, der strategischen Planung, in politischen Entscheidungsprozessen oder im Marketing. Eine genauere Betrachtung der einzelnen Schritte der Ökobilanzierung erfolgt in den folgenden Kapiteln.

9

Engl. LCA (Life Cycle Assessment).

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Festlegung des Ziels und Untersuchungsrahmen Im ersten Schritt der Ökobilanzierung wird das Ziel der Studie formuliert, hierzu gehört der Anwendungsbereich, das Erkenntnisinteresse und die Zielgruppe. Weiterhin wird in diesem Schritt geklärt, wie detailliert und in welchem Umfang ein bestimmtes System untersucht wird (Systemgrenzen). Auch die funktionelle Einheit (die Basis für den Vergleich in der Ökobilanzierung) wird festgelegt. Zur Festlegung des Untersuchungsrahmens gibt es 4 Hauptvarianten: • • • •

Cradle-to-grave (Wiege bis zur Bahre) Cradle-to-gate (Wiege bis zum Fabriktor) Gate-to-grave (Fabriktor bis zur Bahre) Gate-to-gate (Fabriktor bis zum Fabriktor) [27], [28]

Cradle-to-cradle (Wiege zur Wiege) ist eine relativ neue Form und steht u.a. für einen kontinuierlichen Materialkreislauf. Da dieser jedoch noch nicht in den hier genannten Normungen aufgenommen wurde, wird Cradle-to-cradle nicht als Hauptvariante erwähnt. Zukünftig ist Cradle-to-cradle sicherlich im Bereich von neuen Materialien und Konzepten interessant, da innerhalb der technischen Kreisläufe die Materialien so verwendet werden, dass sie nach der Gebrauchsphase sortenrein getrennt und komplett wiederverwendet werden können. Die Cradle-to-grave - Variante stellt hierbei den gebräuchlichsten Untersuchungsrahmen dar und umfasst den in Abbildung 22 stark vereinfacht dargestellten Lebensweg.

Abbildung 22: Stark vereinfachter Lebensweg eines Produktes [28]

47

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Die erste Lebensphase ist die Herstellung, diese gliedert sich in die Gewinnung der Rohstoffund Energieträger, die Herstellung von Zwischenprodukten und die Herstellung der Endprodukte. Der zweite Schritt in der Lebensphase ist die Nutzung des Endproduktes. Der letzte Lebensphasenabschnitt ist die Beseitigung bzw. Verwertung. Innerhalb und zwischen den einzelnen Lebensphasen werden Transportschritte benötigt, um die Produkte in die nächste Phase zu überführen. Sachbilanz Bei der Sachbilanz handelt es sich um eine Stoff- und Energieanalyse auf der Basis einer vereinfachten Systemanalyse. Erfasst werden die Wechselwirkungen des untersuchten Systems mit seiner Umwelt in Form von Inputs und Outputs. Hierbei wird das System in seine einzelnen Module runtergebrochen, um eine möglichst transparente Bilanzierung zu erhalten. Die kleinsten in der Sachbilanz berücksichtigten Bestandteile werden als Prozessmodule bezeichnet, vgl. Abbildung 23. [27]

48

Abbildung 23: Schematische Darstellung eines Prozessmoduls (ohne Koppelprodukte) [29]

Auf der einen Seite nimmt das Prozessmodul Inputs auf. Hierzu zählen Vorprodukte, Energie, andere Inputs (wie Wasser, Luft und Fläche) und Hilfs- und Betriebsstoffe. Auf der

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Outputseite entsteht das Produkt 10, aber auch Abwärme, Abwasser, Abluft und weitere Emissionen in Luft, Wasser und Boden. Wirkungsabschätzung Über verschiedene Bewertungsmethoden kann eine Wirkungsabschätzung der Ergebnisse aus der Sachbilanz erfolgen. Hierbei beinhaltet die Wirkungsabschätzung sowohl verbindliche als auch optionale Bestandteile. Verbindliche Bestandteile: 

Auswahl der Wirkungskategorien, -indikatoren und Charakterisierungsmodelle



Klassifizierung (Zuordnung der Sachbilanzergebnisse)



Charakterisierung (Berechnung der Wirkungsindikatorwerte)

Hierbei

weist

jede

Bewertungsmethode

ihre

eigenen

Charakteristika

und

Anwendungsgebiete auf. Methoden der Wirkungsabschätzung: 

Methode der kritischen Belastungsmengen



Methode der ökologischen Knappheit



Materialintensität pro Serviceeinheit



Schadenfunktions-Methode



Äquivalenzwert-Methode [28]

Die Äquivalenzwert-Methode 11 des „Centrum voor Milieukunde in Leiden“ 12 basiert auf wissenschaftlichen Äquivalenzwerten und genießt eine hohe internationale Akzeptanz. Anwendung findet diese Methode insbesondere auch für Wirkungsabschätzungen in der Automobilindustrie.

Zur Wirkungsabschätzung nutzt die CML-Methode eine Reihe von Wirkungsindikatoren: 

Treibhauspotenzial/Klimawandel 13 (GWP - engl. Global Warming Potential)



Versauerungspotenzial (AP - engl. Acidification Potential)



Eutrophierungspotenzial/Überdüngung (EP - engl. Eutrophication Potential)

10

Auch Koppelprodukte sind hier möglich.

11

Auch CML-Methode genannt.

12

Umweltinstitut der Universität Leiden, Niederlande.

13

Bei einem Zeithorizont von 100 Jahren.

49

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover



Ozonabbaupotenzial (ODP - engl. Ozone Depletion Potential )



Ozonbildungspotenzial/Sommersmog (POCP - engl. Photochemical Ozone Creation Potential)



Humantoxizität (HC - engl. Human Toxicological Classification Factor)



Aquatische Ökotoxizität (ECA - engl. Ecological Classification Factor for Aquatic Ecosystems)

 Terrestrische Ökotoxizität (ECT - engl. Ecological Classification Factor for Terrestrial Ecosystems) 

Erschöpfung abiotischer Ressourcen (ADF - engl. Abiotic Depletion Factor) [30]

Hierbei stellen die ersten fünf Kategorien (GWP bis POCP) im Bereich der Biowerkstoffe die wichtigsten Indikatoren dar. [1] Auswertung Im letzten Schritt der Ökobilanzierung erfolgt die Auswertung. Hierzu werden die Ergebnisse aller drei vorangegangenen Schritte für die Beantwortung der Ausgangsfrage (Ziel der Studie bzgl. CO2-Bilanzierung) benutzt, sodass die Erkenntnisse aus der gesamten Studie in die Entscheidungsfindung einfließen. Hierbei werden die Ergebnisse der Wirkungsabschätzung auf ihre Relevanz hin überprüft. Zudem kann die Robustheit oder Sensitivität der Daten auf geringe Veränderungen von einzelnen Parametern und Annahmen getestet werden. Eine Szenarienanalyse gibt die Möglichkeit, verschiedene Entwicklungsalternativen zu betrachten und in Beziehung zum Grundszenario zu setzen. [28]

2.6.2 PLA (Polymilchsäure) Bei PLA handelt es sich um das Biopolymer, welches sich bisher am Stärksten am Markt etablieren konnte. Entsprechend nimmt es auch eine Vorreiterrolle in Bezug auf Ökobilanzen zu Biopolymeren ein. Eine Vielzahl von Ökobilanzen mit Fokus auf PLA im Vergleich zu konventionellen Kunststoffen wurden bereits durchgeführt [29] [31] [32] [33] [34] [35]. In der Metaanalyse von R. Essel und M. Carus [36] wurden 6 Ökobilanzstudien zu PLA hinsichtlich Treibhauspotenzial und fossilen Ressourcenverbrauch miteinander verglichen um einen Überblick über die Performance von PLA bei unterschiedlichen Anwendungen und im Vergleich zu unterschiedlichen konventionellen Polymeren zu erhalten, vgl. Tabelle 2. Weitere Wirkungskategorien wurden nicht betrachtet.

50

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Tabelle 2: Analysierte PLA-Studien [36]

In Tabelle 3 sind das Treibhauspotenzial sowie der Verbrauch fossiler Ressourcen bei der Herstellung von PLA aufgezeigt. Die unterschiedlichen Studien nutzen hierbei sowohl eine unterschiedliche Rohstoffbasis als auch Allokationsmethoden. Das Treibhauspotenzial liegt in einem Bereich von 0,50 bis 2,38 kg CO2-eq./kg PLA und der fossile Ressourcenverbrauch zwischen 30,55 und 67,45 MJ/kg PLA, vgl. Tabelle 3. Tabelle 3: Treibhauspotenzial und Verbrauch fossiler Ressourcen bei der Herstellung von PLA [36]

51

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Die Abbildung 24 und die Abbildung 25 zeigen die Kennwerte für PLA im Vergleich zu konventionellen Kunststoffen. PLA zeigt sowohl beim fossilen Ressourcenverbrauch als auch beim Treibhauspotenzial im Schnitt die geringsten Potenziale. Angemerkt sei hierbei, dass das biogene CO2 welches von der Pflanze während der Wachstumsphase aufgenommen wurde, hierbei mit bilanziert wird.

Fossiler Ressourcenverbrauch in MJ/kg

120 100 80 60 40 20 0 PLA

PP

HDPE

LDPE

PET

PS

PC

Abbildung 24: Fossiler Ressourcenverbrauch in MJ/kg für PLA im Vergleich zu konventionellen Polymeren (modifiziert nach [36])

Treibhauspotenzial in CO2-Äq./kg

8 7 6 5 4 3 2 1 0 PLA

PP

HDPE

LDPE

PET

PS

PC

Abbildung 25: Treibhauspotenzial in CO2-eq./kg für PLA im Vergleich zu konventionellen Polymeren (modifiziert nach [36])

52

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Neben den Wirkungskategorien Treibhauspotenzial und fossilen Ressourcenverbrauch sind auch die weiteren Kategorien wie Versauerung oder Eutrophierung nicht zu vernachlässigen. Nach T. Rehl und M. Kohl [37] lassen sich für Biokunststoffe im Vergleich zu petro-basierten Kunststoffen für die unterschiedlichen Wirkungskategorien folgende Tendenzen ableiten, vgl. Tabelle 4. Tabelle 4: Tendenz der Biokunststoffe im Vergleich zu petro-basierten Kunststoffen für unterschiedliche Wirkungskategorien [37]

53

Während sich, wie auch in der Analyse von PLA gezeigt hat, für Biopolymere in den Wirkungskategorien Treibhauspotenzial und abiotischer bzw. fossiler Ressourcenverbrauch Vorteile herausstellen, haben die Biopolymere in den weiteren Kategorien wie Eutrophierung, Versauerung oder Wasserverbrauch einen Nachteil. Dies ist in dem landwirtschaftlichen Anbau der Biomasse zur Biopolymerherstellung begründet.

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

3. Abschätzung des Gesamtpotenzials der Stadt und Region Hannover In diesem Kapitel geht es um eine grundsätzliche Abschätzung des Kunststoffverbrauches der privaten Haushalte in der Landeshauptstadt und in der gesamten Region Hannover sowie um die klimarelevanten Auswirkungen von alternativ eingesetzten biobasierten Kunststoffen, die zunächst stofflich und anschließend energetisch genutzt werden. Dazu erfolgt die Abschätzung des Gesamtanteils an Kunststoff im dualen System „Grüner Punkt“ der privaten Haushalte. Weiterhin erfolgt eine Abschätzung der theoretischen Biokunststoffmengen, der dafür erforderlichen nachwachsenden Rohstoffe und des damit verbundenen Flächengebrauchs sowie

der

durch

eine

entsprechende

Entsorgung

CO2-neutral

bereitstellbaren

Energiemengen.

3.1 Potenzialermittlung für das Jahr 2012 Um das Potenzial an Biokunststoffen in der Stadt Hannover sowie in der Region Hannover aufzuzeigen, wurden die Leichtverpackungen im gelben Sack beziehungsweise in der gelben Tonne der privaten Haushalte ermittelt.

Das Einsammeln und Transportieren von Leichtverpackungen in der gesamten Region Hannover wird durch den Zweckverband Abfallwirtschaft Region Hannover, aha, realisiert. Der Zweckverband ist ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger in der gesamten Region Hannover. Mehrheitlich beteiligt ist der Zweckverband an der Abfallentsorgungsgesellschaft Region Hannover mbH und an der Abfallbehandlungszentrum Hannover GmbH. Bezüglich der weiteren Verarbeitung und Verwertung der Verkaufsverpackungen bestehen unter anderem mit der Dualen System Deutschland GmbH (DSD – Der Grüne Punkt) Leistungsverträge. Zu den Leichtverpackungen zählen Verkaufsverpackungen aus Metall (zum Beispiel Getränkedosen,

Aluminiumschalen

oder

Kronkorken),

Verkaufsverpackungen

aus

Kunststoffen (zum Beispiel Reinigungsmittelflaschen, Plastikfolien oder Joghurtbecher) sowie

Verkaufsverpackungen

aus

Verbundmaterialeien

(Kaffeeverpackungen

oder

Saftkartons seien hier als Beispiele genannt). Nach dem Niedersächsischen Abfallgesetz gibt der Zweckverband für die Region Jahresabfallbilanzen bekannt. Eine Auswahl der angelieferten Abfallmengen aus dem Jahre

54

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

2012 ist in Tabelle 5 aufgeführt. Tabelle 6 zeigt die Wertstofferfassung, inkl. dem Dualen System. Daraus geht hervor, und ist somit Grundlage dieser Studie, das im Jahre 2012 30.411 t an Leichtverpackungsmaterial in der Stadt und Region Hannover angefallen sind. Dies entspricht bei 1.135.967 Einwohnern einen pro Kopf Verbrauch von 27 kg; gerundet. Tabelle 5: Angelieferte Abfallmengen der Region Hannover (modifiziert nach [38])

Angelieferte Abfallmenge [t]

Kilogramm pro Einwohner [kg/E]

Hausabfall

195.629

172

Gewerbeabfall

57.138

50

Baustellenabfall

4.039

4

Sperrabfall

45.453

40

Bioabfall

27.014

24

Grünabfälle

147.633

130

8.497

7

Abfall- bzw. Stoffart

Straßenkehricht

55 Bauschutt, rein

73.003

64

Tabelle 6: Wertstofferfassung, inkl. dem Dualen System (modifiziert nach [38])

Wertstofferfassung [t]

Kilogramm pro Einwohner [kg/E]

Altmetall

8.559

8

Altholz

45.225

40

Altpapier

102.644

90

Leichtverpackungen

30.411

27

Elektroschrott

8.252

7

Abfall- bzw. Stoffart

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

In dieser Studie wurden die Einwohnerzahlen aus den Angaben von aha verwendet, die auch in den jährlichen Abfallbilanzen gemeldet sind. 14

Vergleicht man den Verbrauch der Einwohner pro Kilogramm der letzten sieben Jahre, ist zwar eine Verbrauchssteigerung festzustellen, die sich jedoch nicht sprunghaft verändert, sondern sich über mehrere Jahre verteilt. Waren es 2006 noch 24 Kilogramm pro Einwohner und von 2007 bis 2009 noch gleichbleibend 25 Kilogramm pro Einwohner, betrug in den vergangenen drei Jahren, von 2010 bis 2012, der Verbrauch an Leichtverpackungen jeweils 27 Kilogramm pro Einwohner. Als Prognose für das Jahr 2013 ist eine leichte Steigerung zu erwarten. Der konstante Verbrauch kann unter anderem darauf zurückgeführt werden, dass die Einwohner in der Stadt und Region Hannover zwar den Grünen Punkt vom normalen Hausmüll trennen, aber möglicherweise auch viele Leichtverpackungen im Restmüll entsorgt werden. Ein weiterer Grund für den konstanten Verbrauch kann darin liegen, dass die Menge an Leichtverpackungen (im Jahre 2006 von 27.467 t auf 30.411 t in 2012) gestiegen ist und sich im gleichen Zeitraum die Einwohnerzahl verändert hat. Zuerst genanntes ist nach Meinung der Verfasser jedoch der überwiegende Grund. 56 Eine Aufschlüsselung der Kunststoffteile im Leichtverpackungsanteil nach Kunststoffsorten durch den Zweckverband ist nicht bekannt. Auf Nachfrage beim DSD wurde eine Aufschlüsselung zwar zugesagt, jedoch lag diese bei Abgabe der vorliegenden Studie nicht vor. Daher wurden nach den Recherchearbeiten folgende Annahmen je Einwohner getroffen:

Der Anteil der Leichtverpackungen beläuft sich auf 27 kg je Einwohner. Davon sind circa 48% (= 12,96 kg) Kunststoffanteile. Der Verpackungsanteil beläuft sich anteilig auf 35%, 12% stoffgleiche Nichtverpackungen und 1% der gelbe Sack selbst (modifiziert nach [4]). Der

14

An dieser Stelle sei erwähnt, dass im Jahre 2013 die Zahlen des sogenannten „Zensus 2011“ vom

Statistischen Bundesamt veröffentlicht wurden. Aus den demografischen Grunddaten des Zensus 2011 geht hervor, dass in der Stadt und Region Hannover, per 09. Mai 2011, 1.102.240 Einwohner leben. Das sind rund 30.000 Einwohner weniger, als in der Abfallbilanz 2011 erwähnt worden sind; per 01. Januar 2011 1.132.130 Einwohner. Diese Zahlen wurden aufgrund der oben genannten Gründe jedoch nicht berücksichtigt.

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

jeweilige Kunststoffanteil an ausgewählten Kunststoffen -prozentual- im gelben Sack / Tonne wurde an der Kunststoffverarbeitungsmenge 2011 [39] angelehnt: Petrochemische Kunststoffe: Polyethylen (PE)-Anteil von 50,4 %: 6,53 kg Polypropylen (PP)-Anteil von 31,8 %: 4,12 kg Polystyrol (PS)-Anteil von 10,9 %: 1,41 kg Polyethylenterephthalat (PET)-Anteil von 6,9 %: 0,89 kg

Der Anteil an aktuell, auf biogener Basis in der Stadt und Region Hannover, verwendeten Biokunststoffen wurde in dieser Studie vernachlässigt.

Aufgrund der heutigen Erfahrung, des künftigen technologischen Fortschritts sowie der grundlegenden Datenermittlung legt der Verfasser für diese Studie die Annahme fest, dass die oben genannten petrochemischen Kunststoffmengen theoretisch zu 100 % durch Kunststoffe auf Basis von PLA substituiert werden können.

Somit entsprechen 12,96 kg petrochemische Kunststoffe auch 12,96 kg biogene Kunststoffe 57

auf Basis von PLA. Für das Jahr 2012 bedeutet dies ein Potenzial bei 1.135.967 Einwohnern an biogenen Kunststoffen für die Stadt und Region Hannover von 14.722,13 t.

3.2 Rohstoffermittlung und Flächenbedarf Die Anbaufläche von nachwachsenden Rohstoffen betrug in Deutschland im Jahre 2012 rund 2,5 Mio. Hektar. Auf dieser Fläche wurden Industrie- und Energiepflanzen, wie zum Beispiel Sonnenblumen, Raps oder Kartoffeln angebaut.

Laut einer Untersuchung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. aus Gülzow ist die Zunahme der Anbaufläche für Industriepflanzen größtenteils auf Änderungen der statistischen

Zuordnung

(bei

Industriestärke),

zum

Teil

aber

auch

auf

Anbauflächenerweiterungen bei Arznei- und Färbepflanzen und auf eine stärkere Nutzung von Industriezucker zurückzuführen. Im Jahr 2012 belegten Energie- und Industriepflanzen knapp 21 Prozent unserer deutschen Ackerflächen; Energiepflanzen allein wachsen auf knapp 18 Prozent. Der Anbau

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

nachwachsender Rohstoffe in den Jahren 1999 bis 2012 ist in Abbildung 26 dargestellt. Zusammen mit organischen Reststoffen, Holz aus dem Forst und Importen lieferte die Bioenergie im Jahre 2012 mit Abstand den größten Anteil aller Erneuerbaren Energien in Deutschland. Der Energie- und Industriepflanzenanbau könnte auf bis zu 4 Millionen Hektar anwachsen, ohne die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln zu gefährden, so die Fachagentur. [40]

58

Abbildung 26: Anbau von nachwachsenden Rohstoffen in Deutschland [40]

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Die Landeshauptstadt Hannover, siehe Abbildung 27, verfügt über eine Gesamtfläche von etwa 20.414 ha. Davon wurden im Jahre 2010, 1.783 ha als landwirtschaftliche Fläche genutzt. Die Aufteilung der landwirtschaftlichen Fläche erfolgt unter anderem in Ackerflächen (1.359 ha) und Brachflächen (49 ha). [41]

59

Abbildung 27: Darstellung Gebiete der Landeshauptstadt Hannover [42]

Das Umland, also die Region Hannover abzüglich der Landeshauptstadt, siehe Abbildung 28, verfügt über eine Gesamtfläche von etwa 208.686 ha. Davon wurden im Jahre 2010, 110.575 ha als landwirtschaftliche Fläche genutzt. Die Aufteilung der landwirtschaftlichen Fläche erfolgt unter anderem in Ackerflächen (93.369 ha) und Brachflächen (2.511 ha). [41]

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

60

Abbildung 28: Darstellung Gebiete der Region Hannover ohne der Landeshauptstadt Hannover [43]

Zur Umrechnung der Biokunststoffmengen (Basis PLA), wird die Annahme getroffen, dass Mais als nachwachsender Rohstoff verwendet wird. Diesbezüglich wird mit einem Flächenbedarf von 2,7 t Biokunststoff je Hektar gerechnet, was einem durchschnittlichen Flächenbedarf von 0,37 Hektar je Tonne PLA entspricht. Abbildung 29 zeigt grafisch -in Form einer sogenannten Prozessroute- den Flächenbedarf und die Menge an Mais die benötigt wird, um eine Tonne PLA herzustellen.

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

61

Abbildung 29: Prozessrouten von PLA im Vergleich [20]

Dabei wird auch aufgezeigt, welche unterschiedlichen nachwachsenden Rohstoffe verwendet werden können, um PLA herzustellen. Der Anbau der nachwachsenden Rohstoffe für die Biokunststoffe sollte möglichst in der Region Hannover angebaut werden. Es ist anzumerken, das Zuckerrohr zwar den geringsten Flächenbedarf benötigt, aufgrund der klimatischen Bedingungen jedoch im tropischen Raum beheimatet ist.

Bei Annahme von 14.722,13 t petrochemischen Kunststoffen entspricht dies 14.722,13 t an Biokunststoffen, bzw. 35.185 t an Maisrohstoff. Somit kann nachfolgende Rechnung aufgestellt werden: 14.722,13 𝑡 𝑥 0,37

ℎ𝑎 = 5.447,19 ℎ𝑎 𝑡

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

5.447,19 ha Fläche werden in der gesamten Region Hannover für die Produktion von PLA benötigt. Dies bedeutet einen Flächenverbrauch pro Einwohner und Jahr von rund 0,0048 ha (= 48 m²). Hinsichtlich Flächennutzung sind an die Biomasseproduktion für Biokunststoffe mindestens die

gleichen

Nachhaltigkeitsanforderungen

wie

für

die

Biomasseproduktion

bzgl.

energetischer Nutzung bzw. der Biokraftstoffe zu stellen.

Abschließend kann gesagt werden, wenn die petrochemischen Kunststoffe durch PLA ersetzt werden, werden rund 14.722 t an Biokunststoffen, bzw. 35.185 t an Maisrohstoff, benötigt. Dies entspricht einem Flächenverbrauch von 5.447,19 ha. Vergleicht man diesen Flächenverbrauch mit den landwirtschaftlich genutzten Flächen (Stadt und Region Hannover im Jahre 2010), bedeutet dies eine Flächennutzung von 4,8%.

3.3 CO2-Bilanz des Gesamtpotenzials In Kapitel 3.1 Potenzialermittlung für das Jahr 2012, wurden die Kunststoffmengen sowie die Kunststoffanteile ermittelt, die im Rahmen des DSD in den privaten Haushalten anfallen. Um die Kohlenstoffäquivalente von petrochemischen Kunststoffen zu ermitteln, bezieht sich die nachfolgende Rechnung nicht auf die einzelnen Einwohner, sondern auf die Stadt und Region Hannover insgesamt.

Die verschiedenen petrochemischen Kunststoffarten haben, bezogen auf Cradle-to-gate, unterschiedliche Kohlenstoffäquivalente [44]: PE-Anteil: 2,1 kg CO2-eq je kg Material PP-Anteil: 1,9 kg CO2-eq je kg Material PS-Anteil: 3,4 kg CO2-eq je kg Material PET-Anteil: 3,2 kg CO2-eq je kg Material Bezogen auf den Anteil der Kunststoffe in den privaten Haushalten von 12,96 kg resultieren die folgenden Kohlenstoffäquivalente für petrochemische Kunststoffe:

62

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

PE-Anteil 50,4%: 6,53 𝑘𝑔 × 2,1

𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 × 1.135.967 𝐸𝑖𝑛𝑤𝑜ℎ𝑛𝑒𝑟 = 15.577,51 𝑡 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 𝑘𝑔 𝑀𝑎𝑡𝑒𝑟𝑖𝑎𝑙

PP-Anteil 31,8%: 4,12 𝑘𝑔 × 1,9

𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 × 1.135.967 𝐸𝑖𝑛𝑤𝑜ℎ𝑛𝑒𝑟 = 8.892,34 𝑡 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 𝑘𝑔 𝑀𝑎𝑡𝑒𝑟𝑖𝑎𝑙

PS-Anteil 10,9%: 1,41 𝑘𝑔 × 3,4

𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 × 1.135.967 𝐸𝑖𝑛𝑤𝑜ℎ𝑛𝑒𝑟 = 5.445,82 𝑡 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 𝑘𝑔 𝑀𝑎𝑡𝑒𝑟𝑖𝑎𝑙

PET-Anteil 6,9%: 0,89 𝑘𝑔 × 3,2

𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 × 1.135.967 𝐸𝑖𝑛𝑤𝑜ℎ𝑛𝑒𝑟 = 3.235,23 𝑡 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 𝑘𝑔 𝑀𝑎𝑡𝑒𝑟𝑖𝑎𝑙 𝑺𝒖𝒎𝒎𝒆 = 𝟑𝟑. 𝟏𝟓𝟎, 𝟎𝟗 𝒕 𝑪𝑶𝟐 − 𝒆𝒒

Es wird die Annahme getroffen, dass PLA die oben genannten petrochemischen Kunststoffe zu 100% substituiert. Hierbei muss unterschieden werden, ob der PLA Anteil mit oder ohne biogenem CO2 ausgewiesen wird. Bei den oben errechneten CO2-eq-Werten, und bei den weiteren Berechnungen in dieser Studie, handelt es sich um die Umweltauswirkungen der Rohstoffe und der Werkstoffe; den sogenannten Cradle-to-gate Werten (von der Wiege bis zum Fabriktor = definierter Abschnitt der Verarbeitungskette). Ohne biogenem CO2 bedeutet, dass der Input von biogenem CO2 (damit ist die CO2 Aufnahme der Pflanze gemeint) nicht mit bilanziert wird. Mit biogenem CO2 wird im Zuge der Aufnahme des CO2 in die Pflanze ein negativer CO2 Wert angenommen, daher ist dieser Wert geringer. Der Wert der petrochemischen Kunststoffe ist für die Betrachtung im Vergleich zum biogenen Kunststoff ohne biogenes CO2 besser, da in diesem Schritt nicht das CO2 eingerechnet ist, welches im petrochemischen Kunststoff gebunden ist. In Deutschland führt dieser zusätzlich gebundene Kohlenstoff bei einer Verbrennung zu weiterem CO2. Ohne biogenes CO2 bedeutet somit, dass der Input von biogenem CO2 (= CO2 Aufnahme der Pflanze) nicht mit bilanziert wird. Marktführer im Bereich PLA-Herstellung ist das Unternehmen NatureWorks LLC mit weltweit über 80% Marktanteilen (2013). NatureWorks gibt die praxisbezogenen Kohlenstoffäquivalenten, mit denen nachfolgend gerechnet wird, wie folgt an [1], [2]:

63

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

PLA Anteil ohne biogenem CO2: 2,41 kg CO2-eq je kg Material PLA Anteil mit biogenem CO2: 0,59 kg CO2-eq je kg Material Bezogen auf den Anteil der Kunststoffe in den privaten Haushalten von 12,96 kg resultieren die folgenden Kohlenstoffäquivalenten für beide PLA-Anteile: PLA (ohne biogenem CO2): 12,96 𝑘𝑔 × 2,41

𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 × 1.135.967 𝐸𝑖𝑛𝑤𝑜ℎ𝑛𝑒𝑟 = 35.480,33 𝑡 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 𝑘𝑔 𝑀𝑎𝑡𝑒𝑟𝑖𝑎𝑙

PLA (mit biogenem CO2): 12,96 𝑘𝑔 × 0,59

𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 × 1.135.967 𝐸𝑖𝑛𝑤𝑜ℎ𝑛𝑒𝑟 = 𝑘𝑔 𝑀𝑎𝑡𝑒𝑟𝑖𝑎𝑙

𝟖. 𝟔𝟖𝟔, 𝟎𝟓 𝒕 𝑪𝑶𝟐 − 𝒆𝒒

Somit kann festgehalten werden, dass sich die Kohlenstoffdioxidbilanz der biogenen Kunststoffe auf 8.686 t CO2-eq für die Stadt und Region Hannover beläuft. Dem gegenüber stehen petrochemische Kunststoffe mit 33.150,09 t CO2-eq. Dies bedeutet eine Minderung von 24.464,04 t CO2-eq, bzw. 73,8 %. Grafisch ist dies in der nachfolgenden Abbildung 30 dargestellt.

64

petrochemische Kunststoffe 33.150,09 t CO2-eq

biogene Kunststoffe 8.686,05 t CO2-eq

0%

20%

Einsparungen gegenüber petrochem. Kunststoffen 24.464,04 t CO2-eq

40%

60%

80%

100%

Abbildung 30: Kohlenstoffdioxidbilanz der biogenen Kunststoffe von Region und Stadt Hannover

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

4. Abschätzung der kommunalen Beschaffung Es wird der Einsatz von Biokunststoffen in der kommunale Beschaffung in der Stadt und der Region Hannover und die damit verbundenen klimarelevanten Auswirkungen betrachtet. Dieser Arbeitsschritt zur Identifizierung möglicher Anwendungsfelder bzw. möglicher Produkte wird in Zusammenarbeit mit der Region Hannover realisiert. Im Anschluss daran erfolgt anhand der Vorauswahl der entsprechenden Produkte die Ermittlung der anteiligen Menge an biogenen Kunststoffen sowie deren Flächenbedarf und deren CO2-Bilanz im Vergleich zu petrochemischen Kunststoffen.

4.1 Potenzialermittlung für das Jahr 2014 Von

der

Beschaffungsstelle

der

Region

Hannover

in

Zusammenarbeit

mit

der

Klimaschutzleitstelle - III.2- der Region Hannover wurde eine Liste von verschiedenen Produkten im Bereich „Bürobedarfsartikel“ für das Jahr 2014 erarbeitet und zur Verfügung gestellt. Hierbei handelte es sich um die erste Aufstellung dieser Art, die den Schwerpunkt „umweltfreundliche Produkte“ sowie Alternativen zu konventionellen Büroartikeln (z.B. Recyclingmaterial oder die Kennzeichnung „Blauer Engel“) aufgezeigt hat. Diese Liste wurde dem Rahmenvertrag „Bürobedarfsartikel 2014“ zugrunde gelegt. Zusätzlich wurden anhand dieser Liste alle Artikel auf Basis von petrochemischen Kunststoffen sowie deren Kunststoffarten analysiert. Artikel ohne einen Kunststoffanteil, wie z.B.

Stempelkissen

aus

Metall,

Ordnerrückenetiketten

oder

Haftnotizen,

wurden

vernachlässigt. Es sei an dieser Stelle aber erwähnt, das auch bei diesen Produkten auf positive Umwelteigenschaften geachtet wird.

Beispiele der Bürobedarfsartikel:       

Folie für Drucker Inkjet Folie für Drucker Laser Prospekthüllen DIN A 4 Sichthülle, für Format A4 Register A – Z, 20-teilig, Kunststoff Stehsammler Gelroller

      

Fineliner Flipchartmarker Kugelschreiber, mit Metallclip Radierer Briefablage Heftgerät Lineal

65

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Von 83 Bürobedarfsartikeln wurden 28 Kunststoffartikel ausgesucht und nach den unterschiedlichen

Kunststoffarten

aufgeschlüsselt.

Im

Anschluss

wurde

der

Beschaffungsartikel gewogen und mit der Anzahl multipliziert, die als Beschaffungsmenge durch die Beschaffungsstelle der Region Hannover angenommen wurde. Wo keine genaue Deklaration machbar war, wurde das Material mit anderen -gleichgestellten Artikelnverglichen

und

die

petrochemische

Kunststoffart

von

diesem

„externen“

Produkt

übernommen.

Folgender Kunststoffanteil wurde für die Region Hannover ermittelt:

PE-Anteil:

446,97 kg

PP-Anteil: 1.342,7 kg PS-Anteil: PET-Anteil:

361,34 kg 977,6 kg

PVC-Anteil: 276,55 kg

SUMME: 3.405,16 kg 66 Um auch ein ähnliches Potenzial für die Landeshauptstadt Hannover abschätzen zu können, wurde die Annahme getroffen, dass die gleichen Büroartikel zum Einsatz kommen, wie in der Region

Hannover

auch.

Die

Landeshauptstadt

Hannover

hat

keine

zentrale

Beschaffungstelle und daher stehen auch keine konkreten Daten zur Verfügung. Aus diesem Grund wurde für die folgenden Berechnungen die fiktive Annahme getroffen, das das Potenzial etwa das 1,5 fache der Beschaffungsstelle der Region Hannover darstellt.

Somit

ergibt

sich

für

die

Abschätzung

Landeshauptstadt Hannover folgende Menge:

PE-Anteil:

670,46 kg

PP-Anteil: 2.014,05 kg PS-Anteil:

542,01 kg

PET-Anteil: 1.466,40 kg PVC-Anteil:

414,83 kg

SUMME: 5.107,75 kg

der

petrochemischen

Kunststoffe

der

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

In dem Anwendungsbeispiel „kommunale Beschaffung von Büroartikeln“ werden in der Stadt Hannover 5.107 kg und in Region Hannover 3.405 kg petrochemische Kunststoffe verwendet. In Summe bedeutet es für dieses Anwendungsbeispiel einen Anteil für 2014 von 8.512 kg an petrochemischen Kunststoffen.

4.2 Rohstoffermittlung und Flächenbedarf Aufgrund der heutigen Erfahrung, des künftigen technologischen Fortschritts sowie der grundlegenden Datenermittlung, wird auch bei der kommunalen Beschaffung die Annahme getroffen, dass die oben genannten petrochemischen Kunststoffmengen theoretisch zu 100% durch Kunststoffe auf Basis von PLA substituiert werden können.

Somit entsprechen 5.107 kg petrochemische Kunststoffe für die Landeshauptstadt Hannover auch 5.107 kg biogene Kunststoffe auf Basis von PLA, bzw. 3.405 kg petrochemische Kunststoffe für das Umland der Region Hannover auch 3.405 kg biogene Kunststoffe auf Basis von PLA. In Summe bedeutet dies für die Region Hannover 8.512 kg an biogenen Kunststoffen.

Zur Umrechnung der Biokunststoffmengen in den Flächenbedarf wird, wie in Kapitel 3.2 Rohstoffermittlung und Flächenbedarf beschrieben, ein durchschnittlicher Ertrag von 2,7 t PLA je Hektar angesetzt, was einem durchschnittlichen Flächenbedarf von 0,37 ha/t entspricht.

Somit kann nachfolgende Rechnung aufgestellt werden:

8,512 𝑡 𝑥 0,37

ℎ𝑎 = 3,149 ℎ𝑎 𝑡

3,15 ha werden 2014 in der Stadt und Region Hannover für die Produktion von Biokunststoffen auf Basis von PLA benötigt, wenn die ausgewählten Büroartikel in der kommunalen Beschaffung zum Einsatz kommen.

Abschließend kann gesagt werden, wenn 2014 petrochemische Kunststoffe durch biogene Kunststoffe ersetzt werden, werden in der kommunalen Beschaffungstelle von Büroartikeln in

67

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

der Stadt und in der Region Hannover rund 8,512 t an PLA, bzw. 20,34 t an Maisrohstoff, benötigt. Dies entspricht einem Flächenverbrauch von 3,15 ha. Vergleicht man diesen Flächenverbrauch mit den landwirtschaftlich genutzten Flächen (Stadt und Region Hannover im Jahre 2010), bedeutet dies eine Flächennutzung von 0,0028%.

4.3 CO2-Bilanz der kommunalen Beschaffung Im vorangegangenen Kapitel wurden die Kunststoffmengen abgeschätzt, die im Rahmen der kommunalen Beschaffung in der Stadt und Region Hannover eingesetzt werden. In diesem Kapitel wird die CO2-Bilanz im Bereich der Kunststoffmengen der kommunalen Beschaffung betrachtet. Die verschiedenen petrochemischen Kunststoffarten haben unterschiedliche Kohlenstoffäquivalente / Cradle-to-gate Werte [44]:

PE-Anteil: 2,1 kg CO2-eq je kg Material PP-Anteil: 1,9 kg CO2-eq je kg Material PS-Anteil: 3,4 kg CO2-eq je kg Material PET-Anteil: 3,2 kg CO2-eq je kg Material PVC-Anteil: 2,7 kg CO2-eq je kg Material Somit ergibt sich das Kohlenstoffäquivalent für die kommunale Beschaffung der Region Hannover auf Basis der zuvor genannten Daten wie folgt:

PE-Anteil: 446,97 𝑘𝑔 × 2,1

𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 = 𝑘𝑔 𝑀𝑎𝑡𝑒𝑟𝑖𝑎𝑙

938,63 𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞

PP-Anteil: 1.342,7 𝑘𝑔 × 1,9

𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 = 2.551,13 𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 𝑘𝑔 𝑀𝑎𝑡𝑒𝑟𝑖𝑎𝑙

PS-Anteil: 361,34 𝑘𝑔 × 3,4

𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 = 1.228,55 𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 𝑘𝑔 𝑀𝑎𝑡𝑒𝑟𝑖𝑎𝑙

68

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

PET-Anteil: 977,6 𝑘𝑔 × 3,2

𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 = 𝑘𝑔 𝑀𝑎𝑡𝑒𝑟𝑖𝑎𝑙

3.128,32 𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞

PVC-Anteil: 276,55 𝑘𝑔 ∗ 2,7

𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 = 𝑘𝑔 𝑀𝑎𝑡𝑒𝑟𝑖𝑎𝑙

746,68 𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞

𝑺𝑼𝑴𝑴𝑬: 𝟖. 𝟓𝟗𝟑, 𝟑𝟏 𝒌𝒈 𝑪𝑶𝟐 − 𝒆𝒒 Auch in dem Anwendungsbeispiel der kommunalen Beschaffung wird unterschieden, ob der PLA Anteil mit oder ohne biogenem CO2 ausgewiesen wird. Ebenso handelt es sich bei den errechneten CO2-eq-Werten um Cradle-to-gate Werte. Bezogen auf den Anteil der Kunststoffe in der kommunalen Beschaffung der Region Hannover von 3.405 kg resultieren die folgenden Kohlenstoffäquivalente für beide PLAAnteile: 69 PLA (ohne biogenem CO2): 3.405 𝑘𝑔 × 2,41

𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 = 8.206 𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 𝑘𝑔 𝑀𝑎𝑡𝑒𝑟𝑖𝑎𝑙

PLA (mit biogenem CO2): 3.405 𝑘𝑔 × 0,59

𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 = 𝑘𝑔 𝑀𝑎𝑡𝑒𝑟𝑖𝑎𝑙

𝟐. 𝟎𝟎𝟖, 𝟗𝟓 𝒌𝒈 𝑪𝑶𝟐 − 𝒆𝒒

Um an dieser Stelle das Potenzial für die Stadt Hannover abschätzen zu können, wurde auch hier die Annahme getroffen, dass die gleichen Büroartikel zum Einsatz kommen und das Potenzial das 1,5 fache darstellt. Somit ergibt sich das Kohlenstoffäquivalent für petrochemische Kunststoffe bei der kommunalen Beschaffung der Stadt Hannover wie folgt: 𝑺𝑼𝑴𝑴𝑬: 𝟏𝟐. 𝟖𝟗𝟎 𝒌𝒈 𝑪𝑶𝟐 − 𝒆𝒒

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Bezogen auf den Anteil der Kunststoffe in der kommunalen Beschaffung der Stadt Hannover von 5.107,75 kg resultieren die folgenden Kohlenstoffäquivalenten für beide PLA-Anteile:

PLA (ohne biogenem CO2): 5.107,75 𝑘𝑔 × 2,41

𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 = 12.309,67 𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 𝑘𝑔 𝑀𝑎𝑡𝑒𝑟𝑖𝑎𝑙

PLA (mit biogenem CO2): 5.107,75 𝑘𝑔 × 0,59

𝑘𝑔 𝐶𝑂2 − 𝑒𝑞 = 𝑘𝑔 𝑀𝑎𝑡𝑒𝑟𝑖𝑎𝑙

𝟑. 𝟎𝟏𝟑, 𝟓𝟕 𝒌𝒈 𝑪𝑶𝟐 − 𝒆𝒒

Somit kann festgehalten werden, dass sich die Kohlenstoffdioxidbilanz der biogenen Kunststoffe innerhalb der kommunalen Beschaffung auf 2.008,95 kg CO2-eq für die Region Hannover beläuft. Dem gegenüber stehen petrochemische Kunststoffe mit 8.593,31 kg CO2eq. Die

Kohlenstoffdioxidbilanz

der

biogenen

Kunststoffe

innerhalb

der

kommunalen

Beschaffung der Stadt Hannover beläuft sich auf 3.013,57 kg CO2-eq. Petrochemische Kunststoffe stehen mit 12.890 kg CO2-eq gegenüber. Ein Überblick der kommunalen Beschaffung in der Region und Stadt Hannover sowie deren CO2-Einsparungspotenzial ist in Tabelle 7 gegenübergestellt. Abbildung 31 zeigt die CO2-Bilanz für die kommunale Beschaffung der Region und Stadt Hannover. Die Einsparungen, gegenüber den petrochemischen Kunststoffen, beziffern sich in beiden Bilanzen auf jeweils 76,62%.

70

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Tabelle 7: Kohlenstoffdioxidbilanz der kommunalen Beschaffung

biogene Kunststoffe [kg CO2-eq] petrochemische Kunststoffe [kg CO2-eq] Einsparungen [t CO2-eq]

Region Hannover (ohne Landeshauptstadt Hannover)

Stadt Hannover

Region und Stadt Hannover kumuliert

2.008,95 (bzw. 8.206 ohne biogenem CO2)

3.013,57 (bzw. 12.309,67 ohne biogenem CO2)

5.022,52 (bzw. 20.515,67 ohne biogenem CO2)

8.593,31

12.890,0

21.483,31

6.584,36

9.876,43

16.460,79

petrochemische Kunststoffe 8.593,31 t CO2-eq

0%

20%

71

Einsparungen gegenüber petrochem. Kunststoffen 6.584,36 t CO2-eq

biogene Kunststoffe 2.008,95 t CO2-eq

40%

60%

80%

100%

petrochemische Kunststoffe 12.890,0 t CO2-eq

biogene Kunststoffe 3.013,57 t CO2-eq

0%

20%

Einsparungen gegenüber petrochem. Kunststoffen 9.876,43 t CO2-eq

40%

60%

80%

100%

Abbildung 31: Kohlenstoffdioxidbilanz der kommunalen Beschaffung für die Region und Stadt Hannover

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

5. Empfehlungen für den Masterplan-Prozess Die weltweiten Rohstoffvorräte sind begrenzt. Rohstoffe die wir jetzt verbrauchen, stehen nachfolgenden Generationen nicht mehr zur Verfügung. Die effiziente Nutzung dieser knappen Ressourcen ist eine Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung. Der vermehrte Energieverbrauch, die Verwendung von petrochemischen Produkten oder das Nutzerverhalten im Bereich Mobilität sind nur drei wichtige Beispiele. Das alltägliche Handeln muss nachhaltig geprägt werden. Die Reduktion von petrochemischen Kunststoffen im täglichen Gebrauch ist nur ein Gebiet mit einem enormen Potential. Durch den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen in der Produktion und eine Änderung des Kaufverhaltens der Endverbraucher ist ein guter Weg eingeschlagen. Den künftigen Generationen in Kindergärten und Schulen muss bewusst gemacht werden, dass das bisherige Handeln ohne Ressourcenschonung nicht mehr möglich ist. Die Verwendung von petrochemischen Einkaufstüten oder die eingeschweißten Lebensmittelprodukte werfen die Frage auf, ob diese Verwendung noch zwingend notwendig ist. Im Rahmen von Schulungen für Lehrer und Schüler sollten die Umweltthemen in der Bevölkerung verankert werden. Mit kontinuierlichen Pressemitteilungen und klaren Erklärungen von Umweltthemen, zum Beispiel auf den Internetseiten der Kommunen, 72

können aktuelle Themen kommuniziert und gleichzeitig dabei aufgeklärt werden.

Neben den Bürgerinnen und Bürgern, sollte sich die Industrie ihrer Verantwortung bewusst sein

und

sich

gegen

eine

nachhaltige

Produktion

nicht

mehr

verschließen.

In

Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen können neue Verfahren und Produkte entwickelt werden. Das nachhaltige Handeln ist wichtig und nutzt den künftigen Generationen. Ein rechtzeitiges Handeln und das Vernetzten mit anderen Akteuren in der Stadt und der Region Hannover ist zu empfehlen, damit die Wichtigkeit dieses Themas vermehrt kommuniziert wird. Die Abfallmengen der Leichtverpackungen sind in den letzten drei Jahren stagniert, bzw. unverändert. Dies liegt u.a. an der sog. Nichttrennung. Hier muss erneut aufgeklärt werden, was genau in die gelben Säcke/Tonne gehört und die sog. Fehlwürfe vermieden werden.

Eine

mehrfache

stoffliche

Nutzung

von

biobasierter

Rohstoffen

ermöglicht

Nutzungskaskaden mit einem optimalen Verhältnis von maximaler Wertschöpfung zu minimalen ökologischen Auswirkungen. Nach einer mehrfachen stofflichen Nutzung kann problemlos eine anschließende energetische Verwertung biobasierter Materialen erfolgen.

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Umgekehrt schließt dagegen die direkte energetische Nutzung von Biomasse eine anschließende stoffliche Nutzung aus. Zur Rückführung des gebildeten CO2 in wieder nutzbare Biomasse über Photosynthese sind zunächst wieder Flächen und Bereitstellungssowie Konversionsprozesse mit entsprechenden ökologischen Auswirkungen erforderlich. Biobasierte Werkstoffe stellen somit biobasierte Energieträger dar, die vorher stofflich genutzt werden sollten. Die politischen Ansätze zur Förderung der Bioökonomie 15 könnten und sollten um diesen Aspekt der förderpolitisch gleichgestellten Behandlung von stofflicher und energetischer Nutzung von Biomasse ergänzt werden. Der Aktionsplan 16 zur stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe könnte neben der Forschung und Entwicklung damit ebenfalls noch stärker auch die Markteinführung der biobasierten Wirk- und Werkstoffe durch entsprechende Rahmenbedingungen unterstützen.

Maßnahmen zur gleichberechtigten Förderung der stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe: 73

Die stoffliche Nutzung von Biomasse sollte der energetischen Nutzung gleichgestellt werden, damit sie unter gleichen förderpolitischen Rahmenbedingungen und Maßnahmen verläuft, wie im energetischen Bereich. Dadurch würde auch eine höhere Marktdurchdringung der biobasierten Materialwirtschaft kurzfristig realisiert, die Wirtschaft in diesem Bereich angekurbelt und das vorhandene ökologische Potenzial in der Praxis umgesetzt. Ein Ansatz wäre dabei z.B. die Umrechnung der

biobasierten

Werkstoffe,

Werkstoffkomponenten

oder

Basischemikalien

in

Energieäquivalente und die anschließende Förderung gemäß dem Erneuerbare-EnergienGesetz (EEG). Die derzeit bevorzugte Förderung der energetischen Nutzung von Biomasse und daraus hergestellter Energieträger (z.B. Bioalkohole, Pflanzenöle oder Biogas) führt

15 16

Bundesministerium für Bildung und Forschung: Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (ehemals Bundesministerium für

Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) hat einen Aktionsplan zur stofflichen Nutzung von nachwachsenden

Rohstoffen

verfasst.

Dieser

Aktionsplan

enthält

unter

anderem

eine

Bestandsanalyse sowie wirtschaftliche, Umwelt- und soziale Aspekte. Neben der Stärkung von Forschung und Entwicklung geht es um Markteinführung, Sicherung der Rohstoffbasis und Nachhaltigkeit.

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

dagegen dazu, dass aus förderpolitischer Sicht die nachwachsenden Rohstoffe der stofflichen Nutzung vorenthalten werden. Festlegung von biobasierten Werkstoffquoten in bestimmten Bereichen Beispielsweise für Tragetaschen, PET-Flaschen oder im Automobilbereich. Dies kann analog zu den Quoten im Bereich der energetischen Nutzung, bzw. Biokraftstoffe erfolgen. Ab 01.01.2015 muss die Mineralölindustrie den Treibhausgasausstoß ihrer Kraftstoffe reduzieren. Hier wird die Mineralölindustrie nachhaltig produzierte Biokraftstoffe einsetzen um diese Quoten (sogenannte Treibhausgas-Quote) erfüllen zu können.

Neuartige Förderansätze Im Rahmen der Altautoverordnung könnte die energetische Verwertung biobasierter Werkstoffe/Bauteile der Altautos der stofflich recycelten Quote zugerechnet werden, da es sich beim Verbrennen der biobasierten Werkstoffkomponenten und der anschließenden Fixierung des gebildeten CO2 über natürliche Photosynthese um ein stoffliches „CO2Recycling“ handelt.

Insbesondere auch Förderung von beständigen, d.h. langlebigen biobasierten Werkstoffen als CO2-Senken. Wird beispielsweise ein Polyethylen auf Basis eines biobasiertes Ethanols hergestellt und anschließend im Baubereich als Isolierfolie oder Wasserrohr eingesetzt, so bleibt das im Rahmen der Photosynthese über den Rohstoff im biobasierten Werkstoff fixierte CO2 über viele Jahrzehnte gespeichert. Bei diesem Ansatz ist der nach entsprechenden Standards eindeutig bestimmbare biobasierte Kohlenstoff im Werkstoff das Maß für die Menge an fixiertem CO2. Bevorzugte Beschaffung biobasierter Produkte Bevorzugte Beschaffung biobasierter Produkte, zum Beispiel Büromaterialien (siehe Kapitel 4.1 Potenzialermittlung für das Jahr 2014), Möbel, oder Bauprodukte durch die öffentliche Hand. Definition, Regelung und saubere Verwendung von Begrifflichkeiten Es muss eine klare Regelung, bzw. saubere Verwendung und somit eine genau Zuordnung der Fachbegriffe erfolgen. Als Beispiel sei an dieser Stelle „Old and New Economy

74

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

Werkstoffe“ oder „Drop-Ins“ genannt. Negative Beispiele für Begrifflichkeiten sind „Öko-PET“, „petroleum free“ oder „CO2 reduzierte Werkstoffe“. Politisch müssten auch keine wesentlich Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen erfolgen, sondern nur eine Adaption der bestehenden Regelungen (insbesondere EEG) zur gleichberechtigten Förderung einer (vorherigen) stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Zudem ist insbesondere im stofflichen Bereich die Verwendung nachwachsender Rohstoffe alternativlos. An Stelle des nicht nachhaltigen Einsatzes petrochemischer Rohstoffe bieten nur die nachwachsenden Rohstoffe eine regenerierbare, langfristig sicher verfügbare Rohstoffalternative. Bzgl. Anbau und Verarbeitung müssen Nachhaltigkeitskriterien eingeführt und überprüfbar gemacht werden. Der Industrie- und Energiepflanzenbau darf keine naturschutzfachlich besonders schützenswerten Flächen oder Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand zerstören. Es muss im Interesse des Klima- und Naturschutzes gehandelt werden. Es darf kein Biomasseanbau auf geschützten Flächen, wie z.B. bewaldete Flächen, Grünland mit großer biologischer Vielfalt oder Feuchtgebiete gefördert und realisiert werden. Bewaldete Flächen sind Primärwälder und sonstige naturbelassene Flächen, die z.B. mit einheimischen Baumarten bewachsen sind. Die Erhaltung von landwirtschaftlicher Flächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand muss gewährleistet sein. Hierzu zählen zum Beispiel Erosionsvermeidung, Erhaltung der organischen Substanz im Boden und Schutz der Bodenstruktur, Instandhaltung von Flächen -die aus der landwirtschaftlichen Erzeugung genommen wurden- und der Bereich der Bewässerung. Der Biomasseanbau bietet die Vielfalt, unsere Kulturlandschaft zu erweitern und die teilweise engen landwirtschaftlichen Fruchtfolgen aufzulockern. Derzeit wird das Potenzial nicht ausgeschöpft; gerade im Bereich der Energiepflanzen. Das liegt unter anderem daran, dass die Landwirte vorzugsweise Arten anbauen, die sie kennen und mit konventioneller Technik bearbeiten können. Die Fachagentur Nachwachsender Rohstoffe e.V. unterstützt deshalb Anbauversuche, um andere geeignete Energiepflanzen-Arten zu erforschen und bekannter zu machen. Hier kann

75

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

der Masterplan ansetzen und Projekte umsetzen. Dies kann kombiniert werden mit Förderprojekten, die neue Anbaumethoden untersuchen und neue Sorten züchten. Die oben angesprochene Auflockerung der Fruchtfolge im Energiepflanzenbau bietet unter anderem folgenden Vorteile (modifiziert nach [45]):  mehr Boden- und Pflanzengesundheit  Alternativen für schwache Standorte  Vorteile bei (voraussichtlicher) Klimaveränderung mit trockeneren und wärmeren Jahreszeiten  ökologisch: größere Artenvielfalt, auch bei der Begleitflora und -fauna  abwechslungsreicheres Landschaftsbild und damit Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung

76

Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

6. Literaturverzeichnis [1]

Endres, Siebert-Raths. Technische Biopolymere -Rahmenbedingungen, Marktsituation, Herstellung, Aufbau und Eigenschaften. s.l. : Carl Hanser Verlag, 2009. ISBN 978-3-446-41683-3.

[2]

IfBB–Institut_für_Biokunststoffe_und_Bioverbundwerkstoffe. 30453 Hannover, Heisterbergallee 12 : s.n., 2013. Hochschule Hannover - Fakultät II Maschinenbau und Bioverfahrenstechnik.

[3]

Siebert-Raths, A., IfBB. Regionale Stoffkreisläufe am Beispiel von Biokunststoffen. 24. Januar 2013. Einführungspräsentation im Rahmen der 3. Sitzung der SG Reg. Wirtschaftskreisläufe; im Projekt Masterplan 100% für den Klimaschutz Stadt und Region Hannover.

[4]

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Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

7. Anhang: Klimaneutrale Potenzialanalyse Die Vermeidung und Reduktion von CO2 sind Themen, mit denen sich unsere Gesellschaft jetzt und in Zukunft verstärkt auseinandersetzen muss. Die hier vorliegende Potenzialanalyse leistet dazu einen Beitrag, da sie nach Fertigstellung klimaneutral gestellt wurde. Dabei wurde darauf geachtet, unnötige Emissionen zu vermeiden, um einen möglichst kleinen CO2-Fußabdruck zu hinterlassen. Dies bezieht sich auf alle Emissionen, die bei der Erstellung der Arbeit an sich und bei den dazugehörigen auswärtigen Tätigkeiten angefallen sind. Der Aufwand für zum Beispiel Bürostrom, Mobilität, Druck der Studie in Papierformat sowie der Arbeitsaufwand wurden berechnet, in einer Analyse wurden die Emissionsquellen aufgelistet und einer CO2-Bilanz zugeführt. Im Ergebnis waren es 1,88 t CO2-eq, die im Anschluss zur Kompensation der Emissionen dauerhaft im Klimaaufforstungsprojekt „KIKONDA FOREST RESERVE“ in Uganda gebunden wurden. Das besondere daran ist, dass neben der Kompensation auch soziale Aspekte mit unterstützt wurden. Abbildung 32 zeigt das offizielle Zertifikat der klimaneutralen Potenzialanalyse.

Hintergrundinformationen zum Klimaaufforstungsprojekt „KIKONDA FOREST RESERVE“ in Uganda: In der ugandischen Hochebene Ostafrikas liegt das Waldprojekt Kikonda. Es umfasst eine Fläche von 120 km² und bietet über 1.000 Menschen und ihren Familien eine gesicherte Existenzgrundlage. Die

beispielhafte

Verbindung

ökologischer

und

sozialer

Belange

machen

dieses

Aufforstungsprojekt zum ersten Projekt dieser Art, welches sowohl nach den strikten Kriterien der Climate, Community & Biodiversity Standards (CCBA), als auch nach dem CarbonFix Standard (CFS; jetzt „WWF Gold Standard“) zertifiziert wurde. Diese Vorgaben garantieren neben einem verantwortungsvollen Umgang mit Mensch und Natur, ein ökologisch

faires,

transparentes

und

nachhaltiges

Projektmanagement.

Durch

die

unabhängigen Kontrollen des TÜV-SÜD wird in regelmäßigen Abständen überprüft und verifiziert, dass alle Vorgaben eingehalten werden und die Wuchstumsmodelle den real gespeicherten CO2-Mengen entsprechen. Bis Ende 2010 wurden im Kikondaprojekt über 2,75 Million Bäume (Karibische Kiefer und einheimische Baumarten) auf einer Fläche von 2.500 ha gepflanzt; dies entspricht rund 2.500 Fußballfelder. Diese Bäume werden insgesamt ca. 500.000 Tonnen CO2 speichern,

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Potenzialanalyse zum Einsatz von Biokunststoffen in der Region Hannover

was dem durchschnittlichen CO2-Jahresausstoß von 50.000 Menschen in Deutschland entspricht. Ende 2012 wurde diese Fläche nochmals verdoppelt. Neben einem gesichertem Einkommen der Arbeiter, profitiert die ansässige Bevölkerung von den freiwilligen Leistungen des Projektbetreibers global-woods. Konkret sind dies Community Projekte, die Bereitstellung von Unterkünften für Angestellte, medizinische Versorgung und die Unterstützung der örtlichen Schulen. Großflächige Gebiete der Kikonda Forest Reserve sind von der Bewirtschaftung ausgenommen und wurden vom Projektbetreiber als Lebensraum- und Naturreservate unter Schutz gestellt. Dies ermöglicht den langfristigen Fortbestand bedrohter Tierarten und deren Lebensräume und dient langfristig der Erhaltung und Wiederherstellung der Arten- und Habitatvielfalt. Ein Großteil der Anbaufläche bleibt der Renaturierung vorbehalten, um den einzigartigen Mikrokosmos zu erhalten und seltenen Tierarten wie Antilopen, Nilpferden und Affen ein natürliches Rückzugsgebiet zu bieten. Das zur Weiterarbeitung verwendete Holz vermeidet zudem die illegale Abholzung in Naturschutzwäldern in Uganda, Kongo und dem Sudan. Als Pionier im Klimaschutz rief global-woods ein Ausbildungsprogramm ins Leben, welches die Bevölkerung der umliegenden Siedlungen im eigenständigen Pflanzen von Bäumen und deren anschließender Pflege schult. Über 300 Familien in der direkten Nachbarschaft beteiligten sich bisher und so wurden rund 200.000 zusätzliche Bäume in der direkten Umgebung des Projektes gepflanzt. Lokale Fachkräfte wurden weitergebildet und in Zusammenarbeit mit internationalen Experten konnte so ein Team aufgebaut werden, das heute als Vorbild für nachhaltige und ökologische Forstwirtschaft in Uganda gilt.

Bis global-woods im Jahr 2002 mit den Aufforstungsaktivitäten in Kikonda begann, war die Gegend gezeichnet durch rücksichtslosen Raubbau und Plünderung der letzten verbliebenen Waldinseln. Seither hat sich das Bild deutlich gewandelt. Aus den einstmals degradierten Flächen wurde schrittweise eines der sich am besten entwickelnden Gebiete des Distriktes.

Ein multidisziplinäres Team von Forst-und Wirtschaftsexperten aus Deutschland, Uganda und Südafrika gewährleisten ein verantwortungsvolles, effizientes und professionelles Projektmanagement. Für den vorausschauenden Ansatz von professionellem Management bei gleichzeitiger Integration der angrenzenden Kommunen und deren Bevölkerung erhielt global-woods in den Jahren 2006, 2008 und 2010 die Auszeichnung des renommierten „Best Planter Award“. [46]

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Abbildung 32: Klimaschutzzertifikat [46]

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