Stenografisches Protokoll (Wortprotokoll als Ergänzung der Niederschrift nach 41 der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages)

January 16, 2017 | Author: Damian Böhm | Category: N/A
Share Embed Donate


Short Description

1 Anlage A Sächsischer Landtag Verwaltung Plenardienst, Präsidium, Parlamentarische Geschäftsstelle, Sten...

Description

Anlage A Sächsischer Landtag Verwaltung Plenardienst, Präsidium, Parlamentarische Geschäftsstelle, Stenografischer Dienst

14. Dezember 2015 PD 2.4 Apr 6/5-10 A

Stenografisches Protokoll (Wortprotokoll als Ergänzung der Niederschrift nach § 41 der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages) der Anhörung durch den Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft am 4. Dezember 2015 von 10:00 Uhr bis 13:45 Uhr, im Raum A 600 des Sächsischen Landtages Protokollgegenstand: „Naturnahen Waldumbau in Sachsen durch angepasste Schalenwild- insbesondere Rotwilddichten verbessern“ Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Inhalt: 65 Seiten insgesamt (engzeilig)

Drs 6/1995

2 (Beginn der Sitzung: 10:00 Uhr) Vors. Sebastian Fischer: Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrte Herren Experten! Ich möchte Sie recht herzlich zur Anhörung begrüßen, die wir heute durchführen werden, und die Sitzung hiermit eröffnen. Zur Information aller Anwesenden möchte ich darüber informieren, dass das Landesamt für Archäologie den Ausschuss zu einer Führung durch die im Sächsischen Landtag aktuell stattfindende Ausstellung "Sachsens Geschichte unterm Acker, Landwirte schützen, Denkmale erhalten“ einlädt. Die Führung findet von 13:30 bis 14:00 Uhr im Neubau statt. Sie sind alle herzlich willkommen. Wir treten ein in den Tagesordnungspunkt 1, die öffentliche Anhörung zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, „Naturnahen Waldumbau in Sachsen durch angepasste Schalenwild-, insbesondere Rotwilddichten ermöglichen“. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, die Herren Sachverständigen noch einmal gesondert zu begrüßen, und Sie ersuchen, aufgrund der großen Anzahl, die Sie heute darstellen, bei den 10 Minuten zu bleiben. Ich würde mir dann auch höflich erlauben, sobald Sie die 10 Minuten ausgeschöpft haben, darauf hinzuweisen. Die Damen und Herren Abgeordneten möchte ich nochmals ersuchen, Fragen zu stellen, diese möglichst kurz einzuleiten und sich bitte auf das Notwendige zu beschränken. Die Zuhörer möchte ich bitten, sich jeglicher Beifalls- oder Zustimmungsäußerungen zu enthalten. So ist es in unserer Geschäftsordnung festgelegt. Wir treten in die Anhörung ein. Als Erster erhält Herr Karsten Bergner das Wort. Herr Bergner ist Revierleiter im Forstbetrieb Marienberg-Gelobtland. Herr Bergner, Sie haben das Wort. (Der Sachverständige referiert anhand einer PowerPoint-Präsentation.) Karsten Bergner: Sehr geehrter Herr Vorsitzender Fischer! Sehr geehrte Abgeordnete des Ausschlusses! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal vielen Dank für die Gelegenheit, hier vor Ihnen sprechen zu dürfen. Die Thematik Rotwild beschäftigt nunmehr seit geraumer Zeit auch Sie. Die Meinungslage zu dieser Problematik ist so alt, wie es Interessenkonflikte zwischen Landnutzern gibt. Nicht selten gipfeln sie in politischen Disputen. Ich spreche hier als Förster, Jäger und Vorsitzender einer der größten Hegegemeinschaften in Sachsen zu Ihnen. Viele werden das als widersprüchlich empfinden, aber das Gegenteil ist der Fall. Alles passt es sehr gut zueinander, denn es gibt keinen Konflikt zwischen Wald und Wild, sondern lediglich einen Konflikt zwischen menschlichen Interessen. Sicher werden Sie mir darin zustimmen, dass sich ein naturnaher Wald nicht einzig durch das Vorhandensein bestimmter Baumarten auszeichnet, sondern auch durch den Umstand, dass Wild in ihm artgerecht leben darf. Mit dem Erzgebirge besitzt Sachsen eines der größten Rotwildvorkommen Deutschlands, zählt man die tschechische Seite des Gebirges hinzu, eines der größten Europas. Das ist ein Schatz, den viele Menschen in der Region und auch weit darüber hinaus sehr hoch schätzen. Der Rothirsch lebte ursprünglich in strukturreichen Offenlandschaften. Diese gibt es heute nicht mehr. Sie sind der Zivilisation und der

3 Landwirtschaft zum Opfer gefallen. Die Deutsche Wildtierstiftung kommt dazu zu folgendem Fazit: In Deutschland kommen etwa 200 000 Stück Rotwild auf etwa 25 % der Fläche der Bundesrepublik vor. Wäre sein Lebensraum nicht durch die Zerschneidung der Landschaft und durch politische Vorgaben zusammengeschrumpft und würde sich der Rothirsch gleichmäßig über das Land verteilen, so ergäbe sich eine theoretische Wilddichte von fünf Stück Rotwild je 1 000 Hektar. Gleichzeitig leben in Deutschland aber durchschnittlich 2 300 Menschen je 1 000 Hektar. Auf jeden Hirsch und jedes Stück Kahlwild kommen damit je über 400 Einwohner, die den Lebensraum des Rotwildes auf ganz unterschiedliche Weise nutzen, sei es durch Erholung und Freizeit, Jagd oder Forstwirtschaft. Für den Rothirsch bedeutet jeder Mensch in seinem Lebensraum eine potenzielle Gefahr und damit erhöhte Aufmerksamkeit und manchmal Flucht. Dies führt zu einem weiteren, indirekten Lebensraumverlust, der das Rotwild an seinem arteigenen Verhalten, nämlich der Nutzung halboffener Landschaften, fast überall hindert. Wir Menschen haben den Hirsch in die Wälder zurückgedrängt, und jetzt fragen wir Menschen, welchen Schaden er dort verursacht, und machen ihm ein artgerechtes Leben schwer. (Folie 1: „Wilddichte – Lösung: Dem Wild Raum geben“) Folgt man der Fragengliederung, auf der diese Anhörung basiert, ergibt sich aus meiner Sicht folgendes Bild: Schalenwilddichten werden allgemein als zu hoch bezeichnet; eine Differenzierung von Ort zu Ort findet nicht statt. Nach dieser Pauschalisierung ist die Schalenwilddichte auch dort zu hoch, wo keine Probleme vorhanden sind. Die fehlende Zuordnung der Aussage zu einem konkreten Betrachtungsraum gipfelt zum Beispiel in der Aussage eines Sachsenforst-Vertreters: „Wir wissen nicht, wie viel Wild da ist, aber der Wildbestand ist zu hoch.“ Das ist eindeutig eine Ohnmachtserklärung. Solche Aussagen, ohne Ross und Reiter zu nennen, spalten die an der Diskussion Beteiligten. Es entsteht ein Prinzipienstreit, der zwischen Menschen ausgetragen wird und mit dem Rothirsch schon gar nichts mehr zu tun hat. Die Positionen verfestigen sich, und jeder besitzt die eine, reine Wahrheit. Der Rothirsch wird zwischen den Interessengruppen aufgerieben. Hat man dann noch zweifelhafte Handlungsstrukturen und Verwaltungen ohne Kontrolle, wird der Streit in die Öffentlichkeit getragen. Seit 25 Jahren hat Sachsenforst in den landeseigenen Wäldern im Erzgebirge sowohl die waldbauliche als auch die jagdliche Hoheit inne. Dennoch wird früher wie heute das Problem Wildschäden postuliert. Damit wird klar, dass es entweder kein Problem gibt, dass das Problem mit den vorhandenen Mitteln nicht gelöst werden kann, oder aber das Problem nicht gelöst werden soll, weil es geeignet ist, von anderen Problemen, wie etwa Defiziten im Waldbau, abzulenken. (Folie 2: „Ökologie“) In diese Richtung zielt auch die Frage, ob die ökologischen Vorgaben des Waldgesetzes umgesetzt werden. Dazu Prof. Reichholf, einer der Urväter der

4 ökologischen Lehre: "Die ideale Optimierung aller Wünsche und Ansprüche an den Wald gibt es nicht. Sie wird sich auch nicht generell finden lassen oder gar per Waldgesetz oder Verordnung vorschreiben lassen, und die Ökologie sollte sich auch nicht zum Handlanger bestimmter Interessengruppen bzw. Richtungen machen lassen. Zugrunde liegt der Kampf zwischen Forstwirtschaft und Jagd, nicht das ökologische Geschehen zwischen Wald und Wild. Es wird die Ökologie missbraucht, um bestimmte Interessen zu verfolgen. Ein ökologisches System definiert sich als ein System, aus dem nichts entnommen und in das nichts eingebracht wird.“ Folgt man dieser Definition in aller Konsequenz, kommt man zu dem Schluss, dass es nur eine Form des ökologischen Waldbaues gibt, nämlich, den Wald sich selbst zu überlassen. Bringt man dann noch den Begriff Kosten in die Diskussion ein, muss man sich positionieren, ob man Kosten erstens auf der volkswirtschaftlichen oder der gesellschaftlichen Ebene oder zweitens auf der einzelbetrieblichen Ebene meint. Meint man zweitens, dann stehen betriebliche Kosten im Zentrum des Interesses, und diese sind dann aber auch den Erlösen gegenüberzustellen. Bei der gesellschaftlichen Betrachtungsweise ist die Bilanz um den sozialen Zusatznutzen des Wildes zu ergänzen. So gibt es zum Beispiel nicht wenige Urlauber, die gerade ihr Geld während der Rotwildbrunft in der Region lassen. Auch sollten wir zu einer Gleichbehandlung unserer Wildarten kommen. Während das Rotwild unter dem Vorwand zu hoher Bestände straff bejagt und ihm jeder verbissene und geschälte Baum angelastet wird, gibt es in Sachsen mit dem Wolf eine Wildart, die sich ungehindert ausbreiten darf und für die der Freistaat Zäune und Schäden zahlt. Auch kann man die Kosten, etwa für die Kunstverjüngung, nicht dem Wild anlasten. Sie dient dazu, Baumarten zu etablieren, die gegenwärtig nicht oder nur in begrenzter Zahl im Wald vorkommen. Dies ist aber auf waldbauliche und wirtschaftliche Sünden der Vergangenheit zurückzuführen. (Folie 3: „Zukunftsprognosen“) Nicht standortgerechte Wälder sind durch Fehler der Vergangenheit entstanden. Das Ziel, diese zu korrigieren, ist richtig und kostet den Steuerzahler Geld. Der Zeitraum für die Korrektur sollte einer Optimierung unterworfen werden. An Prognosen über etwaige Folgekosten eines angeblich zu langsamen Waldumbaus möchte ich mich aus gutem Grund nicht beteiligen. Unbestritten ist der Klimawandel und die Notwendigkeit, auf ihn zu reagieren. Der Umbau des Waldes darf aber nicht zu neuen Fehlern führen. Die Frage nach der jagdlichen Herangehensweise zur Verminderung von Wildschäden ist untrennbar mit dem Lebensraum des Wildes verbunden. Gegenwärtig existiert ein Flickenteppich von Jagdmethoden und Jagdhäufigkeiten. Gemeinsam ist diesem System, dass sich die Auffassung der Handelnden jeweils an der Reviergrenze ändert. Das Wild kennt aber diese Grenzen nicht. Es wird immer seinem arteigenen Verhalten folgen. Werden diese Grenzen nicht durch eine großflächige Bewirtschaftung aufgelöst, wird der Streit weitergehen. (Folie 4: „Hegegemeinschaften“) Die Institution, die diese großflächige Bewirtschaftung aller Wildarten leisten kann, ist die Hegegemeinschaft. Sie ist im Sächsischen Jagdgesetz verankert. Unzureichend

5 sind die gesetzlichen Regelungen bezüglich der Hegegemeinschaft. Ungenügend geregelt sind beispielsweise Mitgliedschaft, finanzielle Ausstattung und Sanktionen bei Verstößen. Interessengeleitete Entscheidungsprozesse müssen überwunden werden. Die Jagdpolitik ist aus den Bedürfnissen der Wildtiere abzuleiten. Nur auf Freiwilligkeit und Eigenverantwortung zu setzen wird nicht funktionieren. Die Hegegemeinschaft Erzgebirge wird am 10.12.2015 in Tharandt ein gemeinsames Forschungsprojekt mit der TU Dresden vorstellen, das aus den Mitteln der Jagdabgabe finanziert werden soll. In diesem Rahmen wird unter wissenschaftlicher Federführung ein revierübergreifendes Wildtiermanagement für eine Fläche von 140 000 Hektar erstellt, das unter Berücksichtigung forstlicher und landwirtschaftlicher Interessen, aber auch der Ansprüche des Wildes ortsbezogene Jagdstrategien empfiehlt. Es umzusetzen ist eine Herausforderung, der sich alle verantwortungsbewussten Beteiligten stellen sollten. So, denke ich, lassen sich die Bedürfnisse des Wildes und die Interessen der Menschen unter einen Hut bringen. Allein mit der Büchse lassen sich Wildschäden nicht verhindern, es sei denn, man will das Wild ausrotten. Wer den Rotwildstreit im Erzgebirge verfolgt hat, kann zu der Schlussfolgerung kommen, dass Sachsenforst die eine, reine Wahrheit besitzt. Vielleicht ist das der Struktur des Sachsenforstes geschuldet. Sachsenforst ist eine Behörde, die sich selbst kontrolliert. Verfolgt man die einschlägige Literatur, so kommt man zu dem Ergebnis, dass die Höhe der Wildschäden nicht mit der Höhe des Wildbestandes korreliert. Folglich sind Schäl- und Verbissgutachten ungeeignet, um einzig aus ihnen auf die Höhe des Wildbestandes zu schließen. Gleiches gilt für Rechenmodelle, die auf der Jagdstrecke vergangener Jahre basieren. Um sie anwenden zu können, müssen über einen langen Zeitraum homogene Verhältnisse herrschen, was bereits durch den Waldumbau nicht mehr gegeben ist. Vors. Sebastian Fischer: Kommen Sie bitte zum Schluss. Karsten Bergner: Es ist schlicht falsch, aufgrund solcher Erhebungen immer höhere Abschüsse zu fordern. Die Wildschadensfrage sollte nicht nach der Höhe, sondern nach dem Grund der Schäden gestellt werden, und hier zeigt sich schnell, dass dem Wild durch Straßen, Tourismus und Landnutzung, aber auch durch den ständigen Jagddruck der Zugang zur Nahrung verwehrt wird. Alle 4 Stunden muss Rotwild Nahrung aufnehmen. Es gibt in den Wäldern, in die es der Mensch, wie eingangs erwähnt, zurückgedrängt hat, keine ausreichenden Äsungsflächen und Ruhezonen. So bleibt dem Wild gar keine andere Wahl, als im Schutz der Dickung zu bleiben und dort zu fressen, was ihm zur Verfügung steht: Rinden und Triebe der Bäume. Dies entspricht dem Sicherheitsbedürfnis des Wildes. Lassen Sie uns eine intelligentere Lösung und einen artgerechten Umgang mit unserem Wild finden! Sie als Abgeordnete haben es in der Hand. Danke. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank, Herr Bergner. – Ich möchte darauf hinweisen, dass sämtliche Präsentationen dem Protokoll beigefügt werden, sodass sie die Damen und Herren Abgeordneten vorliegen haben. Weiterhin gibt es, wenn die Anhörung beendet ist, noch die Möglichkeit, dass die Abgeordneten nachfragen.

6 Als Nächster erhält Herr Prof. Dr. Bitter das Wort. Sie sind Vorsitzender des Sächsischen Waldbesitzerverbandes. Bitte sehr. Prof. Dr. Andreas Bitter: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Staatsminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herzlichen Dank, dass ich am heutigen Tage die Gelegenheit habe, aus der Sicht der Waldbesitzer – das ist eine Gruppe, die ganz unterschiedliche Teile der Bevölkerung umfasst – zu diesem Thema Stellung zu nehmen. Ich möchte mich auf das Thema Wald, Waldbau und Waldumbau konzentrieren und von daher das Rotwild in einen entsprechenden Bereich „einhegen“. Wir sind alle miteinander auf dem Weg, multifunktionale Forstwirtschaft weiterzuentwickeln vor dem Hintergrund der Anforderungen, die sich aus der Gesellschaft heraus ergeben, aber auch durch Veränderungen, die zum Beispiel der Klimawandel bewirkt, und wir glauben, dass daher auch ein Waldumbau notwendig ist, um in Zukunft erfolgreich arbeiten zu können. Dazu gehört insbesondere die Erweiterung des Baumartenspektrums; darauf hat mein Vorredner bereits hingewiesen. Es ist aber nicht so, dass die Erweiterung des Baumartenspektrums zwingenderweise mit Kulturen und hohen Kosten verbunden ist, weil es im Grunde auch die Natur gibt, die uns die Naturverjüngung schenkt und mit der wir arbeiten können. Damit lässt sich die Baumartenausstattung wirkungsvoll anreichern, weil Baumarten – es ist hier kurz dargestellt – spezifische Verbreitungsmuster aufweisen, die die „Besiedelung“ von Beständen und Flächen ermöglichen, selbst wenn sie vorher nicht vor Ort waren. Das tatsächliche Problem in diesem Zusammenhang ist selektiver Wildverbiss. Das ist eine zu hohe Wilddichte, die eine entsprechende aufkommende Naturverjüngung in der weiteren Entwicklung mindert. Von daher gesehen ist das natürlich zu Recht der Gegenstand der Diskussion am heutigen Tage. Wir können mit den Ergebnissen der Bundeswaldinventur, die objektiv, unabhängig von der örtlichen Verwaltung und anderen Institutionen erstellt wird, zeigen, dass die entsprechenden Verbissprozente nach wie vor sehr hoch sind und damit die Chancen gemindert sind, dass es zu einem Baumartenwechsel kommt. (Folie: Wildverbiss) 25 % des Laubholzes in Sachsen sind verbissen, und hier sehen Sie die grünen Streifen für Sachsen, die grauen für Deutschland. Wir liegen irgendwo im ähnlichen Bereich, aber trotzdem an einigen Punkten etwas höher. Es gibt auch zwischen den Eigentumsarten keine riesigen Unterschiede. Sie sehen, dass hier zum einen die grüne, zum anderen die blaue Säule vorn liegt. Es ist im Grunde die Frage, wer jetzt mehr Verbissprozente oder Schäden im Bereich hat. Das hängt in Teilen von der Ausgangsbestockung und der dortigen Baumartenverteilung ab – links dargestellt –, die beim Privatwald durchaus relativ breit ist. Insoweit haben wir eine Belastung zu konstatieren, bei der es nicht so ist, dass man singulär das Fehlverhalten einzelner Institutionen und Akteure benennen könnte. Jäger sind draußen, drinnen im Wald, staatlich nicht staatlich, gleichermaßen aktiv und trotzdem in letzter Stelle nicht ganz so erfolgreich, wie wir das alle miteinander vielleicht wünschen.

7 (Folie: Kosten) Es gibt selbstverständlich die Möglichkeit des Zauns. Das ist von der Regierung auch dargestellt worden. Aber das ist sehr teuer, und wir reden dann über 2 500, 3 000, 3 500 Euro Kosten pro Hektar. Das ist auf die Umtriebszeit gerechnet alles, was Sie normalerweise mit dem Wald erlösen können. Aber Sie alle haben recht, wenn Sie sagen, dass es nicht nur um Verjüngung und nicht nur um Kosten gehen kann. Das ist tatsächlich der Fall. Es geht auch nicht nur um Jagd und nicht nur um Rotwild. (Folie: Integratives Landnutzungsmanagement) Wenn Sie die intensive Nutzung der Kulturlandschaft hier anschauen und nicht allein ein rotwildzentrisches Weltbild entwickeln und auch nicht allein auf den Wald sehen, dann müssen Sie die Interaktion zwischen den verschiedenen Landnutzungsarten und die Auswirkungen auf Naturschutz und Tourismus beachten. Darüber hat mein Vorredner bereits gesprochen. Dann muss man erkennen, dass die Jagd an der Stelle eine ganz zentrale Bedeutung hat, weil von dort auf alle diese Landnutzungsformen auf verschiedenen Ebenen Einfluss genommen wird, sich aber andererseits aus der Landnutzung Rückwirkungen auf die Jagd ergeben. Das weiß Herr Zschommler so gut wie Herr Dr. Dittrich, und das ist genau das Thema, über das wir uns unterhalten müssen. Von daher gesehen ist Jagd heute kein Hobby mehr für Einzelne, die in Teilen agieren, sondern wir müssen es, wie man so schön sagt, zusammen denken und dabei – das ist meine Aufgabe – auf das Thema Eigentümerautonomie achten. Mit dem Sächsischen Jagdgesetz haben wir entsprechende Regelungen – beispielsweise Kündigungsrecht für bestimmte Gruppen –, Kooperationsmöglichkeiten, die hierfür eine gute Grundlage bieten. Aber es fehlt offensichtlich tatsächlich an Fakten. Wenn hier von Schäden gesprochen wird, wenn von Eignung oder Nichteignung gesprochen wird, von Wild in Landschaft, dann kann man heute problemlos und eigentlich seit Jahrzehnten Lebensraumbewertungen durchführen. Wir hatten – das ist auch ein Punkt, der erwähnt werden soll – Schalenwildgebiete, die genauso ausgewählt worden sind. (Folie: Lebensraum Schalenwild) Das sind die hier gelb markierten Gebiete. Da haben Sie hohe Waldanteile, aber auch andere Flächen, die ein ganzjähriges Habitat bieten. Wir haben jene aufgelöst, und es ist vor dem Hintergrund dieser Integration der Landnutzung wirklich – denke ich jedenfalls – keine akkurate Forderung, im gesamten Land eine bestimmte Rotwilddichte rechnerisch zu fordern, sondern das muss selektiv erfolgen – ganz richtig. Da gibt es eben weite Bereiche, die im Zweifel nicht geeignet sind. (Folie: Monitoring) Von daher gesehen müssen wir uns fragen: Wie können wir in der Praxis des Jagdvollzugs, der Bewirtschaftung tatsächlich ermessen, ob eine Wildart in einem entsprechenden Ökosystem, in einem Habitat, zurechtkommt oder nicht? Es ist die Ermittlung der Schäden, die ausgelöst werden, durch ein entsprechendes qualitatives, qualifiziertes Monitoring – quantitativ, objektiv, auf messenden Aspekten basierend,

8 keine Schätzung, wie wir das in der Vergangenheit mit entsprechenden Gutachten gemacht haben, weil die in letzter Konsequenz nur kritische Diskussionen verursachen. Es kostet etwas, und das war der Grund, warum wir bei der letzten Novellierung darauf verzichtet haben. Aber die Diskussionen in der heutigen Zeit zeigen, dass es gut investiertes Geld gewesen wäre, dort zu objektiven Ergebnissen zu kommen. Wenn hier vorhin in Rede gestellt worden ist, dass die Höhe des Wildbestandes nicht klar ist, dann ist die Frage, ob das überhaupt eine für uns relevante Zielgröße ist. Lassen Sie es mich bitte mit einem ganz einfachen Bild versuchen: Wenn Sie an Ihrem Fahrzeug einen Platten fürchten, dann können Sie natürlich die Höhe der Karosserie an allen vier Fahrzeugecken vermessen, um gegebenenfalls auf einen Mangel an Luft in einem Reifen zu schließen. Dann haben Sie aber Schlaglöcher und andere Veränderungen, die es gibt, nicht berücksichtigt. Warum nicht direkt zum Ventil des Reifens gehen und dort messen, wo es tatsächlich relevant ist? Das ist ein entsprechendes qualifiziertes Monitoring der Vegetation. In letzter Konsequenz geht es – das hat Herr Bergner auch gesagt – immer um Menschen, die in Bezug auf verschiedene Landnutzungsformen agieren. Die Integration wurde schon angesprochen. Deshalb war es unser Vorschlag, paritätische Hegegemeinschaften zu bilden, in denen eben nicht nur Jagdpächter, Jagdausübungsberechtigte, Jagdrevierinhaber aktiv sind, sondern auch Landnutzer, um damit die mögliche Dualität dieser beiden Gruppen, diese Konfrontation aufzulösen. Herr Bergner vermittelte es fast als einen Antagonismus, den man nicht auflösen könnte. Aber es müssen alle an einen Tisch, und dafür brauchen wir klare Diskussionsund Entscheidungsregeln. (Folie: Kommunikation und Kooperation) Deshalb mein Vorschlag: Kommunikation und Kooperation in paritätischen Hegegemeinschaften. Das Sächsische Jagdgesetz bietet dazu einen rechtlichen Rahmen. Die Unbestimmtheit, die der Vorredner einklagte, ist aus meiner Perspektive die Chance, Regelungen für die Zukunft zu entwickeln, die dann in einem solchen Zusammenhang effektive Kooperation zwischen den Gruppen nach klaren Regeln ermöglichen. Wenn wir integrative Landnutzung meinen, dann müssen wir Instrumente schaffen – ja, Hegegemeinschaften, aber unter Beteiligung aller tatsächlich Betroffenen und Relevanten, weil Landwirtschaft genauso auf Jagd wirkt wie Jagd auf Landwirtschaft, weil Waldwirtschaft genauso auf Jagd und Wild wirkt wie Wild auf Waldwirtschaft. Von daher gesehen braucht es meiner Ansicht nach eine Änderung. Ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank, Herr Dr. Bitter. – Als Nächsten begrüße ich Herrn Dr. Dittrich als Präsident des Landesjagdverbandes Sachsen e. V. Bitte sehr, Sie haben das Wort. Dr. Gert Dittrich: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Liebe Teilnehmer der Beratung! Zur Bitte des Landtages möchte ich einige konkrete Informationen zu dem Schwerpunkt Äser-Rotwild geben. Eine Vorinformation, damit man weiß, wie ich das einschätzen kann: Ich bin als Landwirt mit Spezialgebiet Tierernährung aufgewachsen und habe im Institut für Forstwissenschaften Eberswalde bis 1986 in der Wildforschung gearbeitet.

9 Anschließend bin ich zur oberen Jagdbehörde in Karl-Marx-Stadt, später Chemnitz, gewechselt und habe dort bis zur Wende und auch nach der Wende gearbeitet. Seit 2012 bin ich Rentner und beschäftige mich mit diesen Dingen, mit aus Freude als unter Arbeitsdruck. Schwerpunkte meiner Arbeit waren speziell das Rotwild, Schalenwild, deren Äsungsverhalten sowie die Jagdstatistik der DDR und in der Folge von Sachsen, mit den entsprechenden jagdbehördlichen Aufgaben, die im Jagdwesen des Freistaates Sachsen standen. Ich will gleich konkret anfangen, damit man auch die Relationen einmal erkennen kann. Ich habe leider die Daten recht kurzfristig bekommen, sonst hätten wir eine Repräsentation erstellen können, aber ich lege das nachher auch vor. Im Jahr 1960 – ich gehe einmal etwas weit zurück – wurden im Territorium des Freistaates Sachsen 1 068 Stück Rotwild erlegt. Im Jagdjahr 2014/2015, also das letzte vergangene Jahr, wofür die Daten vorliegen, haben wir 3 697 Stück Rotwild erlegt. Das ist im Vergleich zum Zeitraum bis 1960 eine Steigerung auf 346 %. Zwischenstufen will ich einmal kurz benennen: 1975 waren wir noch bei 998 Stück, 1985 bei 1 729, 1994/1995 bei 5 232 und 2004/2005 bei 4 356 Stück Rotwild. Es ist doch eine ganz erkleckliche Zahl, die sich auch erklären lässt. Dieser Sprung nach 1990 kam zustande, da es eine intensive Rotwildbejagung gab; denn plötzlich war Luft und keiner wusste, wie das weitergeht. Dadurch kamen diese Riesenstrecken zustande. Ich komme dann noch einmal auf einen Schwerpunkt zu sprechen, weil er genau in diesen Bereich passt. Vergleichsdaten von Streckenanteilen in den gemeinschaftlichen und Eigenjagdbezirken bzw. der Verwaltungsjagd – um die es hier anscheinend im Wesentlichen geht – seit 1991/1992 liegen mir inzwischen vor. Bis zum Jagdjahr 2000/2001 wies die Verwaltungsjagd jeweils noch die höhere Rotwildstrecke auf – Relation von 2 296 zu 2 184. In den Folgejahren verschob sich das Verhältnis zugunsten der Gemeinschafts- und Eigenjagdbezirke. Aktuell 2014/2015 sind es 1 719 und in den Gemeinschafts- und Eigenjagdbezirken 1 978. Das ist ein Stand von 97 % bzw. 93 % in 1991/1992. Hier hat also ein Wandel stattgefunden, den man insofern auch erklären kann. Im Freistaat Sachsen existierten bis zum Jahr 2012 insgesamt zehn ausgewiesene Rotwildgebiete, die in 16 Hegegemeinschaften auf einer Fläche von insgesamt 570 000 Hektar aufgegliedert waren. Das sind 39 % der Jagdbezirksfläche im Freistaat Sachsen bzw. sind 95 % der Waldfläche mit Rotwild belegt. Ich bitte, das nicht falsch zu verstehen, aber ich nenne es, dass man einmal annähernd die Relationen weiß. Im analysierten Landkreis Erzgebirgskreis, auf den es im Wesentlichen jetzt ankommt, beträgt die Rotwildfläche circa 88 200 Hektar. Davon sind circa 48 000 Hektar Verwaltungsjagdfläche der Forstbezirke Marienberg, Neudorf und Eibenstock und rund 40 000 Hektar Gemeinschaftsjagdbezirke/Eigenjagdbezirke. Inzwischen haben wir noch keine konkreten Daten vorliegen, wie die Verteilung jetzt aussieht, aber ich denke, das wird sich im Wesentlichen nicht viel ändern. Es ist gegenwärtig ein Projekt von der sogenannten OGS, die diese Situation insgesamt noch einmal beleuchtet und einen aktuellen Stand erarbeiten wird; das haben wir aber im Moment noch nicht greifbar. Auf den konkreten Landkreis Erzgebirgskreis bezogen, wurde seit dem Jagdjahr 1960 die Rotwildstrecke von 308 Stück auf 1 046 Stück im vergangenen Jagdjahr gesteigert.

10 Das ist schon eine enorme Zahl, es sind im Vergleich 340 %, und das liegt auch analog dem Ergebnis in der gesamten Fläche im Freistaat, also im allgemeinen Trend. Ein Vergleich ist zwischen den Gemeinschafts- und Eigenjagdbezirken und den Verwaltungsjagdbezirken in den Landkreisen erst seit 2007/2008 möglich – vorher sind die Zahlen nicht mehr auseinanderzupflücken –, sodass man sagen kann: Von 100 % bei den unteren Jagdbehörden mit 499 Stück und in der Verwaltungsjagd von 434 Stück ist die Strecke insgesamt bei der unteren Jagdbehörde auf im Mittel 409 gestiegen, und im vergangen Jagdjahr waren es 413. Das sind 82 % des Ausgangsbestandes. Im gleichen Zeitraum ist die Strecke in der Verwaltungsjagd von 100 % – 434 – auf 644 gestiegen, das sind 148 %. Im Mittel ergibt sich eine Zahl von rund 410 in den gemeinschaftlichen Jagdbezirken und von 518 in der Verwaltungsjagd. Das ist zunächst ein Gesamtblick. Man kann Rückrechnungsmethoden anwenden und überlegen, wie viele es gibt. Wir wissen tatsächlich nicht, wie viel Rotwild es gibt. Bedenken Sie bitte, auch an der Grenzfläche zur Tschechischen Republik wissen wir es nicht. Wir wissen zwar annähernd, was die Nachbarn machen. Aber sie können uns auch keine genauen Zahlen mitteilen, was dort wirklich passiert. Die Interessenlage zwischen den beiden Ländern ist sehr unterschiedlich. Das liegt immer an der Art oder Eigenart oder Eigentumsart der jeweiligen Jagdbezirke. Das Rotwild wird nach Altersklassen bejagt. Hier sind die Verhältnisse, die prozentualen Anteile in beiden Bereichen gleich – außer in den Altersklassen 3 und 4. Das sind Hirsche, die fünf bis zehn Jahre und älter sind. Dort ist der Anteil in den gemeinschaftlichen Jagdbezirken, Eigenjagdbezirken um das doppelte höher als in der Verwaltungsjagd. Das sollte zum Nachdenken anregen. Unsere Hirsche werden in der Masse in den gemeinschaftlichen Eigenjagdbezirken geschossen. Diesen Vorwurf möchte ich hier nicht bestätigen. Wenn man sich die Zahlen ernsthaft anschaut – und das ist kein Schaden, würde ich sagen, weil ich nur das zählen kann, was im Endeffekt auf der Strecke liegt – und daraus eine Schlussfolgerung zieht, ist es nicht so, wie man das gern hätte. Vielleicht noch ein kleiner Hinweis auf eine Besonderheit, die wir hier in Sachsen haben: Bis zum Jagdjahr 1990 existierte im heutigen Erzgebirgskreis ein Rotwildforschungsbiet in Eibenstock im ehemaligen Landkreis Aue und ein Gebiet der Inspektion Staatsjagd in Neudorf im ehemaligen Landkreis Annaberg. In diesen Gebieten wurden 1990 circa 1 100 Stück Rotwild geschossen. Beide Gebiete lagen im Grenzbereich zur Tschechischen Republik. Ich muss deutlich sagen, wenn ich die beiden Gebiete jetzt „in einen Topf werfe“, sie hatten unterschiedliche Ausgangslagen. Bei dem Rotwildforschungsgebiet sagt schon der Name, worauf es ankam. Ich war übrigens Betreuer für dieses Gebiet. Ich kenne es. In der Inspektion Staatsjagd standen ganz andere Zielsetzungen dahinter. Das weiß jeder. Deshalb würde ich diese Gebiete zwar vergleichen, aber nicht „zusammenschmeißen“. Selbst das letzte Rotwildforschungsgebiet wurde in den Achtzigerjahren von der Staatsjagd übernommen. Dort fand also keine Forschung mehr statt. Das ist schade und fehlt uns heute. Für mich war das ein interessantes Arbeitsfeld.

11 Das wollte ich dazu beitragen. Ich lege die Zahlen noch einmal vor, damit sie zum Protokoll kommen. Das andere haben meine Vorredner bereits gesagt. Ich wollte nur mit Ziffern untermalen, wie es tatsächlich aussieht. Das ist das, was die Jäger in der Streckenliste gemeldet haben. Das betone ich ausdrücklich. Danke schön. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank, Herr Präsident. – Als Nächstes spricht Herr Georg Lindner. Er ist Vorstand der Arbeitsgemeinschaft „Naturgemäße Waldwirtschaft in Sachsen e. V.“ Sie haben das Wort. Georg Lindner: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Staatsminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! (Der Sachverständige referiert anhand einer PowerPoint-Präsentation.) Die Arbeitsgemeinschaft „Naturgemäße Waldwirtschaft“ ist ein Zusammenschluss von Forstwirten, Förstern, Waldbesitzern, Wissenschaftlern und Waldinteressierten und besteht seit 1950. Sie verfolgt das Ziel einer ökosystemgerechten, angepassten Wildbestandsbewirtschaftung. (Folie: Notwendigkeit des Waldumbaus und einer angepassten Jagdstrategie aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft „Naturgemäße Waldwirtschaft [ANW]“) Wir engagieren uns vor allem für den sogenannten Dauerwald, eine Zielvorstellung über angepasste Waldstrukturen in unseren Wäldern. Gehen Sie mit mir bitte dorthin, wo wir heute im Wald stehen. (Folie: Aktuelle Baumartenverteilung Sachsens und notwendige Baumartenverteilung nach Waldzielzuständen) Sie sehen strukturarme Bestände, Fichtenbestände, wie wir sie häufig im Erzgebirge vorfinden. Ich warne davor, diese Bestände heute als Schuld oder Versagen der Förster zu betrachten. Sie sind ein geschichtlicher Prozess. Wir müssen uns vor Augen führen, dass der Wald das langlebigste Öko-System der Erdoberfläche ist. Unsere Bäume benötigen von der Begründung bis zur Ernte 80 bis 120 Jahre. Wenn Sie bedenken, welche geschichtlichen Einflüsse auf dem Wald ruhen, wissen Sie, warum Wälder heute das Aussehen haben, das sie zeigen. Die Welt ändert sich. Etwa seit den Achtzigerjahren haben wir zunehmend mit Sturmkatastrophen im großflächigen Umfang zu tun. Von Nordeuropa bis Südeuropa finden Sie Bilder, zuletzt 2007. Wir sehen uns vor der Aufgabe, Hochrisikobestände, naturferne Waldbestände in naturnähere und vor allem stabilere Waldbestände umzuwandeln – auch um den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Denn diese naturfernen Waldbestände bringen mit sich, dass wir weder zu den Anforderungen an den Hochwasserschutz noch an die Grundwasserneubildung bzw. eine Erhaltung des Erholungswertes des Waldes beitragen und vor allem nicht vor dem Hintergrund steigender Risiken durch den Klimawandel. Dieser wird sich auch in Sachsen nach Aussagen der Experten bis 2100 mit Klima- bzw. Temperaturveränderungen und Niederschlagsveränderungen einstellen.

12 Wenn Sie sich anschauen, dass der Anteil naturnaher Bestände im Privatwald etwa 19 % und im Landeswald etwa 30 % beträgt, wissen Sie, vor welcher Dimension wir stehen, wenn wir stabile Waldbestände schaffen wollen. Wenn Sie sich mit mir die Bilder über die aktuelle Baumartenverteilung in Sachsen anschauen, sehen Sie, dass auf etwa auf 70 % der Waldfläche Sachsens mit 525 000 Hektar Fichte und Kiefer beheimatet sind. Wenn Sie sich das Bild rechts unten anschauen, sehen Sie, wie die Waldzielzustände in Sachsen mit Blick auf Standorte und Klimabedingungen, die hier vorherrschen, aussehen. Dann sehen Sie, dass wir ein erhebliches Potenzial an Arbeit vor uns haben, um diese Zielzustände zu erreichen. Man muss auch sehen, dass sich gerade dort, wo sich die Nadelholzreinbestände, naturferne Nadelholzbestände befinden, überwiegend die Einstände des Rotwildes befinden. Das sind vor allem das Erzgebirge, der Erzgebirgskern, die Flächen in Nordwestsachsen bzw. in Nordostsachsen. Genau in diesen Bereichen wird sich bis 2100 ein gewaltiger Wandel des Waldes vollziehen. Der Freistaat selbst nimmt die Aufgabe einer Waldumwandlung auf etwa 1 300 Hektar pro Jahr bereits in Angriff. Sie müssen wissen, das sind Kosten von 15 bis 20 Millionen Euro. Wir stehen vor einer Aufgabe, die auch von den genetischen Ressourcen des Waldes her zu einem Kraftakt wird, den alle Akteure, die im Wald agieren – Waldbesitzer, Jäger, Verwaltungen – unterstützen müssen. (Folie: Vorteile von Mischwäldern, Sicherung vielseitiger Waldfunktionen) Ich habe bereits die Waldfunktionen angesprochen. Sie wissen, dass jede Waldfläche in Sachsen mit drei Waldfunktionen belegt ist: allen voran Naturschutz, die Landschaft und die Erholung. Die weiteren Funktionen des Waldes – Nährstoffkreislauf, Wasserspeichervermögen, Biodiversität, hohe Stabilität, hohe CO2-Speicherung – müssen parallel dazu gewährleistet werden. Der multifunktionale Wald, den die Gesellschaft einfordert, ist ein sehr hoher Grad an professionellem Tun im Wald. Wie sehen wir derzeit den Wald? (Folie: Zu hohe Schalenwildbestände haben gravierenden Einfluss auf Qualität und Erfolg des Waldumbaus) Sie sehen Schadbilder, wie sie Schalenwildarten derzeit in Sachsen hervorrufen, links verbissener Ahorn, geschälte Fichten, verbissene Terminaltriebe der Weißtanne und vorzeitig und viel zu früh gebrochene Fichtenbestände. Diese Waldbilder bringen Risiken für das Vermögen und die Zukunft des Waldbesitzers mit sich. Sie erfordern ein hohes Engagement in der Jagd. Sie bringen aber auch finanziell enorme Schäden für Waldbesitzer mit sich, und das Wild verarmt oder bringt den Lebensraum selbst zu einer Artenverarmung. Weitere Bilder aus dem Wald: (Folie: Fichtenkultur – Voranbau oder Graswüste) Fichtenreinbestand, Altbestand auf Gneis, vergrast, elfjährige gepflanzte Fichten darunter, jedes Jahr mit Verbissschutzmittel behandelt. Von Haus aus wären es naturnahe Rotbuchenmischwälder. Die Waldgeschichte bringt es mit sich, dass wir

13 diese Bestände behandeln müssen. Die Wälder bringen bei Weitem nicht die Funktion mit sich, die die Gesellschaft von ihnen erwartet. Diese Wälder sind auch unattraktiv für das Wild selbst. (Folie: Fichte im Erzgebirge mit und ohne Zaun) Ein weiteres Bild: Fichtennaturverjüngung hinter Zaun. Wir benötigen etwa zehn Euro pro laufenden Meter, um den Zaun im Wald zu bauen, zu unterhalten und wieder abzubauen. Das ist eine Minimallösung in unseren Wäldern. Das Ziel eines multifunktionalen Waldbaues mit strukturreichen stabilen Beständen ist nicht erreicht. (Folie: Lebensraumqualitäten?) Ich frage Sie: Wo würden Sie als Hirsch lieber hinziehen? In das linke Bild oder in das rechte Bild? Links strukturreiche, artenreiche, stabile und auch für das Wild attraktive Lebensräume, rechts artenarme, einschichtige, strukturarme und für das Wild unattraktive Lebensräume. Ich verweise auf eine Untersuchung von Herrn Friedrich Völk aus Österreich. Er schreibt in seinem Artikel über die Bedeutung von Waldstruktur und Rotwilddichte für Schälschäden: Zwischen der Naturferne des Waldes und dessen Schälanfälligkeit besteht ein statistisch hochsignifikanter Zusammenhang im Vergleich aller österreichischen Bundesländer. Ebenfalls besteht ein statistisch starker Zusammenhang zwischen Naturverjüngungsbetrieb und geringer Schälbelastung sowie zwischen schlagweisem Betrieb und höherer Schälbelastung. An diesem Scheideweg stehen wir heute. Es ist die Frage an alle Akteure: Welche Ziele verfolgen wir für ein zukunftsorientiertes waldbauliches Handeln? Ich habe bereits die wirtschaftliche Situation infolge von Schälschäden betrachtet. (Folie: Ertragsverluste durch Schälschäden) Hier kurz einige Zahlen: Das untere Drittel ist der wertvollste Teil eines Stammes. Hieraus zieht der Waldbesitzer den höchsten Deckungsbeitrag. Wenn Sie geschälte Bestände haben, werden Sie über alle Baumsortimente einen durchschnittlichen Erlös von 56 Euro pro Festmeter Holz erzielen, wenn Sie einen ungeschälten Bestand haben, von 72 Euro. Diese Differenz erbringt im Erzgebirge pro Revier derzeit etwa einen Verlust von 240 000 Euro pro Jahr und im gesamten Landeswald von 8,4 Millionen Euro im Jahr. (Folie: Schälgutachten – objektive Analyse von 1995 – 2009 über alle Eigentumsarten) Ich habe leider über die Ergebnisse der Schälgutachten keine aktuelleren Zahlen gefunden. Bitte sehen Sie zwei Blöcke in diesem Bild: Verwaltungsjagdbezirk links, die Jahre 2006/2009, Wiederholung des sogenannten Schälgutachtens und 2006/2009 außerhalb des Verwaltungsjagdbezirkes befindliche Reviere oder Waldflächen. Man kann nicht sagen, dass es im Wald der Verwaltung des Freistaates Sachsen schlechter aussieht als außerhalb. Es ist genau andersherum der Fall. Wenn Sie sehen, dass eine Toleranzmarge bei 1 % geschälter Stämme je Probekreis liegt, macht das einen

14 Schaden von etwa einer Million Euro aus. Sie sehen, dass dieses eine Prozent weit überschritten ist. Das sind Werte über Neuschälungen, die jedes Jahr eintreten – Prozent der aufgenommenen Stämme je Probekreis in zwei zwanzig- bis vierzigjährigen Beständen. (Folie: Schälgutachten 2015 – nur Staatswald – Zielbaumarten) Das sind die aktuellsten Bilder aus dem Schälgutachten 2015. Wir sehen, dass das Problem Neuschäle ist. Nach dem neuen Jagdgesetz haben wir leider keine Möglichkeit für Vegetations- und Schälgutachten mehr. Jetzt muss der Landeswald herhalten. Sie sehen, dass es auch in der Neuschäle Problemfelder gibt. Es gibt Gott sei Dank genug andere hoffnungsvolle Flächen. Aber es besteht hier enormer Handlungsbedarf. Vors. Sebastian Fischer: Kommen Sie bitte zum Schluss. Georg Lindner: Das Verbissgutachten ergibt etwa die gleiche Farbverteilung. (Folie: Verbissgutachten 2015 – nur Staatswald – Hauptbaumart) Wenn wir uns die Streckenentwicklung beim Abschuss des Rotwildes im Freistaat Sachsen anschauen, stellen wir fest, dass wir von einem hohen Abschuss des Jahres 1992/1993 zu einem sinkenden Abschuss kommen. (Folie: Streckenentwicklung Rotwild im Freistaat Sachsen) Das bedeutet aber nicht, dass es eventuell zu einer Ausrottung oder Ausmerzung des Rotwildes käme, sondern es geht darum, dass wir einen situationsangepassten Abschuss in Sachsen erfüllen. Wenn Sie den gesamten Zuwachs eines Jahres abschöpfen, können Sie etwa den Winterbestand des Rotwildes errechnen. Sie brauchen nur die Strecke mal drei zu nehmen, dann kommen Sie auf den Ausgangsbestand. Wir sind von 18 000 Stück Rotwild ausgegangen und sind bei etwa 10 000 Stück gelandet. Keine Ausmerzung. Wenn Sie den Zeitraum der Betrachtung noch länger hinziehen, merken Sie, dass wir aus der DDR-Zeit mit niedrigen Abschüssen kommen. Zur Wendezeit gab es einen enormen Anstieg. Heute nähern wir uns einer Population an, die mit Sicherheit bereits um die 10 000 Stück erreicht hat. (Folie: Wirtschaftliche Konsequenzen zu hoher Wildbestände für die Waldeigentümer) Die wirtschaftlichen Risiken wurden genannt. Ich stelle einmal entgegen, was ein Waldbesitzer letztendlich an Nutzen aus der Jagd zieht. Wenn er 30 Euro je Hektar Pacht bekommt, ist das viel. Meist ist es weit weniger. Sie kennen den Pachtzins. Rechnen Sie die Kosten dagegen. (Folie: Zusammenfassung) Wir plädieren für den Waldumbau als weitsichtiges Instrumentarium, um der Gesellschaft in Sachsen gerecht zu werden. Wir fordern die Anpassung der Wildbestände in Sachsen. Wir sind der Meinung, wenn der Wald naturnäher wird –

15 erinnern Sie sich bitte an mein Bild des Scheidewegs –, hat auch das Wild ausreichend Lebensraum, der hochwertig ist und der die Verantwortung aller Akteure in Sachsen dahin bringen muss, dass wir dieses Vorhaben unterstützen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Als Nächster erhält Herr Henrik Lindner das Wort. Er ist Geschäftsführer der Stiftung Wald für Sachsen und stellvertretender Landesvorsitzender der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Bitte sehr. Henrik Lindner: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Staatsminister! Sehr geehrte Abgeordnete des Sächsischen Landtages! (Der Sachverständige referiert anhand einer PowerPoint-Präsentation.) Zum Waldumbau in Sachsen: (Folie: Waldumbau in Sachsen – größtes sächsisches Umweltschutzprojekt aller Zeiten) Wir bezeichnen es gern als größtes sächsisches Umweltschutzprojekt aller Zeiten. Der Waldumbau fördert den Klimaschutz, den Bodenschutz, den Hochwasserschutz. Er dient der Biotopverbesserung. Er erhöht die Artenvielfalt. Er erhöht den Erholungswert, fördert die nachhaltige Produktion des Rohstoffes Holz, und er erhöht die Stabilität unserer Wälder. Diese Aufzählung ist nicht abschließend, aber sie zeigt die Notwendigkeit. Ich glaube, es sind sich alle einig, dass der Waldumbau alternativlos ist. Der Freistaat Sachsen hat gleich nach der Wende mit dem Waldumbau begonnen. Ich habe hier einige Zahlen aufgeschrieben. Seit 2006 wird landesweit in über 1 200 Hektar Waldumbau betrieben. Hauptsächlich werden die Baumarten Rotbuche, Eiche, Tanne und Bergahorn eingebracht. Von 2006 bis 2014 wurden Aufwendungen von durchschnittlich 15 Millionen Euro pro Jahr im Landeswald getätigt. Das sind über 140 Millionen Euro in diesem Zeitraum. Der Waldumbau wurde auch im Privatwald von 1998 bis 2012 mit circa 17 Millionen Euro auf rund 5 000 Hektar gefördert. Das sind Kosten von 8 000 bis 12 000 Euro pro Hektar. Diese Investitionen gilt es zu sichern. Ich möchte Ihnen an einem Beispiel aus der Vergangenheit zeigen, was passiert, wenn man den Waldumbau als Generationenprojekt nicht konsequent weiterbetreibt. (Folie: Wiedereinbringung der Weißtanne von 1952 bis 1990 im Westerzgebirge Bereits in den Fünfziger- und Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts haben engagierte Förster damit begonnen, in die Bestände Rotbuche Weißtanne und Bergahorn einzubringen. Im Rahmen meiner Diplomarbeit habe ich mich mit der Wiedereinbringung der Weißtanne von 1952 bis 1990 im Westerzgebirge beschäftigt. Das Untersuchungsgebiet war rund 20 000 Hektar groß. Davon waren 15 000 Hektar Wald. Das Untersuchungsgebiet umfasst ungefähr zu zwei Dritteln den heutigen Forstbezirk Eibenstock.

16 In mühevoller Archivarbeit habe ich herausgefunden, dass im Zeitraum vor allem von 1958 bis 1964 rund 530 000 Weißtannen auf einer Fläche von rund 80,3 Hektar auf 180 Flächen gepflanzt wurden. Die Pflanzung erfolgte fast ausschließlich unter Zaunschutz. 1964 standen im Untersuchungsgebiet 100 Kilometer Zaun. Das ist die Luftlinie von hier bis nach Leipzig. So lang war der Zaun, der dort stand. Im zweiten Schritt bin ich hinaus in den Wald gegangen und habe anhand von alten Karten versucht, diese Weißtannenanbauten wiederzufinden. Das Ergebnis war absolut ernüchternd. (Folie: Bilanz im Jahr 1996) Von den 180 Anbauten waren noch 80 Stück, das heißt 47,2 % lokalisierbar. Das heißt, da hat man irgendwo noch eine Tanne oder zwei oder drei Exemplare gefunden. Man hat gesehen, dort wurde einmal etwas getan. Die einstige Anbaufläche ist von 80,3 Hektar auf 13,3 Hektar, das heißt auf 16,6 % geschrumpft. Von den ursprünglich rund 530 000 Tannen waren noch rund 26 000 vorhanden. Das sind 5 %. Von diesen waren circa 5 000 Tannen, das heißt 1 %, ohne bzw. nur mit geringen Schäden. Das ist eine Bilanz, die wahrlich nicht ermutigt. Die Erfolgsquote steht in keinem Verhältnis zum getätigten Aufwand. (Folie: Wald. Deine Natur) Hier habe ich einige Fotos mitgebracht, was man vorgefunden hat. Das Bild 1 zeigt eine rund dreißigjährige Tanne, die ständig verbissen wurde und nicht wachsen konnte. Das Bild Nummer 2 ist ein historisches Foto aus dem Jahr 1967. Es ist ein Schwarz-weißBild und etwas schlecht zu erkennen. Das ist eine komplett vom Rotwild verbissene Fläche. Dort wurde im Winter – man sieht, es liegt Schnee – ein Tannenvoranbau komplett vom Wild aufgefressen. Die Bilder 3 und 4 sind Bilder aus dem Jahr 1996. Wenn es Tannen doch geschafft haben, aus dem Äser des Rotwildes herauszuwachsen, wurden sie geschält. Das wertvollste Stammstück wurde geschält und damit entwertet. Was waren die Gründe für diese ernüchternden Ergebnisse des Tannenanbaus? Im Prinzip waren das die Wildbestände. (Folie: Abschussentwicklung Rotwild im Untersuchungsgebiet 1962 – 2014) 1962 war der Höhepunkt des Tannenanbaus. Im Jahre 1963 wurde das Wildforschungsgebiet gegründet. Man sieht, dass die Abschusszahlen und damit auch der Rotwildbestand in den Folgejahren extrem angewachsen sind. Ich habe eine Zahl gefunden. 1983 wurde eine Schälschadenserhebung gemacht. Fast 47 % der Fläche waren geschält. Erst im Jahr 1990 mit der Wende wurde der Abschuss erhöht, und der Wildbestand im Raum Eibenstock sank auf ein heute waldverträgliches Maß ab. (Folie: Wiedereinbringung der Weißtanne von 1952 bis 1990 im Westerzgebirge)

17 Hier sehen Sie noch einmal die Gründe für das Scheitern der Wiedereinbringung der Weißtanne von 1952 bis 1990 im Westerzgebirge. Das war der Anstieg der Rotwildbestände ab 1965 durch die Errichtung des Wildforschungsgebietes. Dort wurde eine massive Winterfütterung durchgeführt. Ich habe einige Zahlen dazu gefunden. Im Jahr 1965 wurden über 43 Tonnen Futtermittel zur Fütterung des Wildes in den Wald gebracht, darunter hauptsächlich Heu, Rüben und Silage. Dann wurde im Wildforschungsgebiet der Güteklassenabschuss eingeführt. Alttiere wurden als Zuwachsträger geschont. Jäger, die sich nicht an diese Vorgaben gehalten haben, mussten mit klaren Sanktionen rechnen. Außerdem stand die Entwicklung starker Trophäenträger im Vordergrund. Von 1964 bis 1988 wurden 161 Medaillenhirsche im Untersuchungsgebiet erlegt. Man kann sagen, die Weißtannen sind dem Rotwild und dem Trophäenkult, der damals herrschte, zum Opfer gefallen. (Folie: Ergebnisse Verbiss- und Schälgutachten) Wenn man vor dem Hintergrund des gescheiterten Tannenanbaus im letzten Jahrhundert die Ergebnisse des aktuellen Verbissgutachtens betrachtet, machen wir uns Sorgen. Das Gutachten 2015 ergab die schlechtesten Ergebnisse seit 2006. Sowohl der Verbiss als auch die Schäle sind gestiegen. Aber nicht überall. Es gibt in Sachsen sogenannte Leuchttürme. Wir bezeichnen die Gebiete als Leuchttürme, in denen der Verbiss auf ein waldverträgliches Maß zurückgeführt werden konnte und damit die Wildbestände. Das sind der Tharandter Wald, die Region im Forstbezirk Neustadt um Cunnersdorf und im Forstbezirk Eibenstock. Weißtanne, Rotbuche und Bergahorn können in diesen Bereichen ohne Zaunschutz gepflanzt werden. Sie können es mir glauben, auch in diesen Bereichen gibt es Rehe und Hirsche. Ich kann das speziell für das Westerzgebirge sagen. Ich bin dort zu Hause und viel im Wald unterwegs. Man findet Spuren dieser Tiere, nur eben in angepasster Höhe. (Folie: Schälgutachten 2015 – nur Staatswald – Hauptbaumart) Beim Schälgutachten 2015 sieht man ein ähnliches Bild. Es gibt kaum Schälschäden in den genannten Bereichen Tharandt, Cunnersdorf, Eibenstock. In den anderen Gebieten gibt es erhebliche Schälschäden. Mein Vorredner hat gesagt, 240 000 Euro Verluste pro Revier jedes Jahr durch Schälschäden. Das ist nicht tolerierbar. (Folie: Forderungen der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald) Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald fordert deshalb: Der Waldumbau muss mit der Schaffung von artenreichen, naturnahen, leistungsfähigen und stabilen Wäldern höchste Priorität haben. Der Waldumbau muss im Rahmen der Vorgaben aus der Waldstrategie 2050 in allen Eigentumsarten konsequent fortgesetzt werden. Die entsprechenden finanziellen Mittel sind im Haushalt bzw. über entsprechende Förderinstrumente zur Verfügung zu stellen. Der wichtigste Punkt zum Gelingen des Waldumbaus kommt als Letztes. Das ist die Herbeiführung waldverträglicher Schalenwildbestände als zwingende Voraussetzung für den dauerhaften Erfolg des Waldumbaus. Wenn wir es nicht schaffen, für den aktuellen Waldumbau waldverträgliche Wildbestände herbeizuführen, besteht die Gefahr, dass der Waldumbau dasselbe Schicksal erleidet wie die Ansätze im letzten Jahrhundert. Im Prinzip kann man sagen, das Steuergeld verschwindet dann im Magen von Rehen und Hirschen.

18

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank, Herr Lindner. – Als Nächstes erhält Herr Dr. Michael Luthardt das Wort. Er ist ehemaliger Referatsleiter für ökologische Waldwirtschaft im Ministerium für ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz, Abteilung Forst und Naturschutz. – Vielleicht sagen Sie auch, welches Bundesland das ist. Das steht hier nicht. Sie sind aber gleichzeitig Vorsitzender des Vereins „Weltnaturerbe Buchenwald Grumsin e. V.“ Sie erhalten das Wort. Bitte sehr. Dr. Michael Egidius Luthardt: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Staatsminister! Meine Damen und Herren! Ich komme aus Brandenburg und freue mich, dass ich heute zu Ihnen sprechen darf. Es ist ganz nett, wenn man einmal Gäste aus einem anderen Bundesland hierher holt. Ich muss aber sagen, ich kenne mich in Sachsen sehr gut aus. Ich habe hier in Tharandt mein Studium gemacht. Meine beiden Kinder leben in Sachsen. Ich bin hier ganz gut verwurzelt. (Der Sachverständige referiert anhand einer PowerPoint-Präsentation.) Ich bin jetzt Leiter des Landeskompetenzzentrums Forst in Eberswalde. Einige kennen das sicherlich. Ich möchte mich in meinem Vortrag hauptsächlich auf den vorliegenden Antrag konzentrieren. Ich beginne mit einem Bild, das keine Wildtiere zeigt, sondern den Wald, um den es geht. Ich spreche hier zum Wald und nicht über die Tiere. Aber natürlich kommen wir auch noch darauf zu sprechen. Eine zentrale Frage des vorliegenden Antrages ist: Ist es möglich, eine Naturverjüngung der Hauptbaumarten auf dem Standort der natürlichen Waldgesellschaft ohne Schutzmaßnahmen zu erzielen? Das ist eine Frage, die sich hier durchzieht. Ich habe einmal einige Thesen aufgestellt. Ja, es wäre möglich, wenn der Strukturreichtum des Landschaftsraumes sowie das Vorhandensein der fruktifizierenden Baumarten der potenziellen natürlichen Vegetation vorhanden wären. Zum Landschaftsraum gehört nicht nur der Wald, meine Damen und Herren, sondern dazu gehört auch die Landwirtschaft und Offenland. Wir müssen nicht nur selektiv den Wald sehen, sondern wir müssen auch sehen, was drumherum ist. Das gilt letztendlich auch bei der Frage des Wildes. Dann wäre es möglich. Es ist nicht möglich, wenn wir großflächige Reihenbestände ohne Baumarten der natürlichen Vegetation haben. Es ist möglich, wenn der Äsungskapazität des Landschaftsraumes angepasste Wildbestände vorhanden sind. Das ist klar. Ich komme zu einer These. Verzeihen Sie mir, ich denke, es ist insgesamt auf Sachsen projiziert nicht möglich, dass wir heute die Baumarten der potenziellen natürlichen Vegetation ohne Schutzmaßnahmen natürlich verjüngen können. Das wurde von meinen Vorrednern schon auf den Bildern gezeigt. Wir haben nach wie vor vorherrschende Reihenbestände der Baumarten Fichte und Kiefer. Aber wir haben auch großflächige landwirtschaftliche Strukturen und die hohen Schalenwildbestände. Das ist diese These. Ich sage auch, es ist kein Geheimnis, ich komme aus Brandenburg. Dort ist es genauso.

19 Das sind Bilder aus Brandenburg. Unstrukturierte Kiefernbestände mit keinem Unterwuchs außer Blaubeere in diesem Fall sind in Nordsachsen auch vorhanden. Das ist der große Zustand unserer Wälder. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, dass sich diese mit natürlichen Baumarten natürlich verjüngen könnten. Ich sagte schon, man sollte den Wald immer in einem großen Kontext, in einem Landschaftsraum sehen. Dazu wurde das von Herrn Prof. Bitter dargelegte Verfahren zur wildökologischen Lebensraumbewertung genannt. Das ist aus Eberswalde. Ich muss ein wenig Werbung in eigener Sache machen. Das ist ein gutes Instrument, mit dem man die Diskussion wieder auf normale Beine stellen kann. Was gehört zu dieser Lebensraumbewertung? Die Qualität und Quantität der Winteräsung. Das ist der Flaschenhals. Was findet das Wild im Winter vor, in der Zeit, in der die Vegetation relativ rar ist? Ist im Lebensraum Deckungsschutz vorhanden? Dazu gehören Deckungsstrukturen im Wald, aber auch in der offenen Landschaft. Hecken gehören dazu. Wenn das nicht vorhanden ist, ist der Lebensraum nicht hochwertig genug. Die Wilddichte ist dann entsprechend niedriger. Störungen im Wildlebensraum wurden schon genannt. Wir haben immer wieder Zerschneidung, Straßen, aber auch Besucher, die in den Wald kommen und die Jäger selbst. Das sind Störfaktoren. Das sind die Hauptkriterien einer Lebensraumbewertung. Wenn diese Kriterien in einem schlechten Zustand sind, kann dort umso weniger Wild sein. Sie sehen das Foto eines Lebensraumes mit vielen Strukturen, wie er ideal wäre. Sie sehen Wald, Feldverteilung. Sie sehen aber auch schöne Hecken. Dieser Lebensraum würde eine höhere Wilddichte tragen können. Das winterliche Nahrungsangebot ist eine entscheidende Größe für unsere Schalenwildpopulation. Wenn sie im Winter in der Offenlandschaft nichts finden, gehen sie durch den Wald und verbeißen die Knospen. Das ist dann unser größtes Problem. Das Rehwild ist für mich der Hauptfaktor, der unsere Entmischung in den Wäldern vorantreibt. Das Schalenwild hat einen großen Einfluss auf die Arten- und Strukturvielfalt im Wald. Ich möchte Ihnen auch noch etwas anderes sagen, was heute noch nicht zur Sprache kam. Das Rehwild bevorzugt seltene Baum- und Straucharten. Wir haben in unserem Weltnaturerbe Grumsin ein Verbissgutachten gemacht. Das ist ein Buchenwaldgebiet. Wir haben acht Baumarten in der Verjüngung im Zaun. Ohne Zaun wächst nur eine Baumart durch, die Rotbuche. Das zeigt, dass eine Entmischung stattfindet. Aus Gesichtspunkten des Artenschutzes haben wir eine Entmischung. Seltene Pflanzenarten, zum Beispiel Orchideen, werden vom Rehwild verbissen, sind nicht mehr auffindbar. Wir haben ein Vegetationsgutachten in diesem Gebiet. 1960 waren seltene Pflanzenarten vorhanden. Jetzt sind sie weg. Das Wild hat nicht nur den ökonomischen Faktor, sondern ist auch artenschutzmäßig, naturschutzmäßig zu sehen. Eine Frage in dem Antrag war, dass es mit dem Waldumbau viel zu langsam geht. Hier ist meine These: Waldumbau braucht Zeit. Ich bitte Sie, das zu berücksichtigen. In Brandenburg sagt man die drei „J“ – „Jeld“, „Jeist“ und „Jeduld“. Das sind diese drei Dinge, die ich immer wieder beachten muss. Auch in Naturwäldern bräuchte es zwei

20 Waldgenerationen, bis wir gewisse naturnähere Strukturen hätten, wenn wir die Fichtenforste liegen lassen und nicht mehr bewirtschaften würden. In Reihenbeständen sollte man mit Initialpflanzungen vorgehen. Das ist meine These. Ich denke, wir warten viel zu lange. Wenn es dort keine fruktifizierenden Baumarten gibt und wir nichts tun, können wir sehr lange warten, bis sich etwas tut. Also müssen wir herangehen und Initialpflanzungen machen, vorzugsweise plätzeweise Truppnesterpflanzung, damit die Baumarten dort hineinkommen, damit sie später einmal fruktifizieren können und ihren Samen weitertragen. Ich bin der Meinung, dass wir in naturfernen Lebensräumen weiterhin Zäune benötigen, auch wenn wir Baumarten pflanzen. Das ist meine These. Wenn wir etwas pflanzen und keinen Zaun bauen, können wir das Geld gleich zum Fenster hinausschmeißen. Hier noch ein Beispiel aus Brandenburg. Das ist ein Beispiel einer plätzeweisen Pflanzung von Eichen, Buchen und Kiefern. So etwas wäre möglich – das haben wir schon getestet –, ohne einen flächigen Unterbau zu machen. In dem Antrag gab es noch die Frage zu jagdlichen Möglichkeiten. Welche Möglichkeiten werden gesehen, um diesem Problem beizukommen? Nach meiner Kenntnis aus der Praxis sind die Ansitzdrückjagd oder die Intervalljagden eine Möglichkeit. Das Wild sollte nicht ständig durch die Einzeljagd beunruhigt werden, sondern man sollte eine gezielte Intervalljagd konzentriert mit Hunden durchführen und das Wild dann wieder in Ruhe lassen. Jagdbezirksübergreifende Gesellschaftsjagden haben sich auch bei uns relativ gut bewährt – wenn alle mitmachen. Ich bin absolut der Meinung, dass wir unbedingt flächendeckende Verbiss- und Schälgutachten brauchen. Es sollten einfache Verfahren sein. Sie sollten nicht teuer sein. Die gibt es. Sie sind schon erprobt. Dazu gehören zum Beispiel Weisergatter und Transektverfahren. Das ist nicht sehr teuer. Das kann man machen. Wir brauchen es, um eine Bewertung des Zustandes unserer Wälder zu haben. Damit bin ich am Ende. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank, Herr Dr. Luthardt. – Als Nächstes erhält Herr Prof. Dr. Müller das Wort. Sie sind Professor für Waldschutz an der TU Dresden am Institut für Waldbau und Forstschutz. Sie haben das Wort. Prof. Dr. Michael Müller: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Staatsminister! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für die Einladung und die Möglichkeit, hier Stellung zu nehmen. Ich verstand und verstehe meine Stellungnahme hier in erster Linie auch, auf die Antwort der Staatsregierung einzugehen. (Der Sachverständige referiert anhand einer PowerPoint-Präsentation.) Aus dem Grunde steht dort als Erstes „Zustimmung zu der Antwort der Staatsregierung“. Die Zahlen kann ich nicht im Einzelnen verifizieren, aber sie sind in sich schlüssig. Insofern betrifft es das Bild und die Fragestellung sicher sehr gut. Ich habe mir einige Ergänzungen herausgesucht, um aus meinem Fachgebiet, dem Waldschutz, Untersetzungen darzustellen und zu vertiefen, was einige Vorredner sagten. Mit der Wiederholungshäufigkeit wird es hoffentlich auch beweiskräftig.

21

Wenn es um das Erzgebirge geht, reden wir in Sachsen in erster Linie über zukünftige Rotbuchen- und Rotbuchenmischwälder, Bergmischwälder, in trockenen Bereichen auch über Eichenwälder und Eichenmischwälder. Ich möchte hinzusetzen, dass die zukünftigen Rotbuchenwälder – bei den Bergmischwäldern kann man sich noch nicht so ganz klar sein – sehr wahrscheinlich äsungsärmer sein werden als die heutigen Fichtenwälder. Herr Bergner nannte vorhin eine Zahl, die ich nicht verifizieren kann. Aber nehmen wir einmal an, fünf Stück pro 1 000 Hektar wäre der natürliche Wildbestand. Dann ist das weit weg von dem, was wir heute haben. Wir haben heute mindestens das Zehnfache und mehr. Daraus kann man schlussfolgern: Wenn wir in Zukunft mit Rotbuche wirtschaften wollen – das ist in Deutschland die Mutter des Waldes –, müssen wir berücksichtigen, dass die Rotbuche ähnlich schälbeliebt und auch schälgefährdet ist, wie heute die gemeine Fichte. Das heißt, was zur gemeinen Fichte gezeigt wurde und was ich auch noch zeigen werde, trifft für Rotbuche in ähnlicher Art und Weise zu. Weil diese Wälder von Natur aus äsungsärmer wären, wären sie von Natur aus auch wesentlich wildärmer. Das führt zur zwangsläufigen Schlussfolgerung, wenn wir diesen Waldumbau betreiben – und das müssen wir und wollen wir auch für die Zukunft –, dann müssen wir die Schalenwildbestände weiter daran anpassen. Das bedeutet niedrigere Wildbestände als wir heute haben. Hier sehen Sie, wie so etwas aussehen kann. Bei Rotbuche kann das auch so aussehen. Das hält recht lange an, weil die Rinde lange schälfähig bleibt. Wir wissen heute, dass das sehr schnell zur Bruchgefährdung der Rotbuche führt. Das ist in Zukunft nicht anders, als das heute bei der gemeinen Fichte der Fall ist. Offen ist noch – deshalb steht am Ende ein Fragezeichen –, ob auch die Folgegefährdung bei der Rotbuche so groß ist. Das kann etwas geringer sein. Dazu brauchen wir in Zukunft unbedingt Forschungen. Auf der rechten Seite sehen Sie einen Waldumbaubestand, ein Voranbau mit Rotbuche und der Kiefer. Ich muss zugeben, ich lebe in Brandenburg oder bin zumindest dort geboren. Ich bin hier in Sachsen beruflich tätig. Wir haben das Problem in den Beständen jetzt schon. Sobald die Bäume schälfähig werden, das heißt dem Äser genug Wiederstand entgegensetzen, werden sie geschält. Das sind ideale Wildeinstände, sehr gute Deckung – und wir brauchen Lösungen, damit wir diese Zukunftsbestände auch über die Zeit durchbringen. Darüber wurde schon viel gesagt. In der Antwort 7 gibt es eine Aussage zu Jagdruhephasen in Wäldern. Auch in Sachsen ist es eine hervorragende Lösung, dass mit dem Eintreten von Notzeitfütterungen sofort absolute Jagdruhe einzutreten hat. Ich weiß nicht, ob in den letzten zwei Jahren überhaupt jemand eine Notzeitfütterung beantragt hat. Daran können Sie ermessen, für wie notwendig das die Jäger erachten. Ich glaube nicht, dass es das gab oder nur in sehr seltenen Fällen, jedenfalls wesentlich seltener als das früher der Fall war. Ich habe keine Zahlen dazu. Ich habe nie wieder etwas davon gehört. Im Allgemeinen sind auch die Setz- und Aufzuchtzeiten oder die Winterzeit eine gute Idee, in der das Wild ein großes Ruhebedürfnis hat. Diese Dinge wurden bereits erprobt. Jagdruhezeiten sind wesentlich besser als Jagdruhegebiete.

22 In der Antwort 9 wurde etwas dazu gesagt, dass man weiterhin analysieren will, um die Entwicklung von Wert- und Stabilitätsverlusten weiter zu untersetzen. Das begrüße ich ausdrücklich, ebenso, dass eine konsequente Analyse zu einer – wenn auch vielleicht nur virtuellen – Buchung der entsprechenden Vermögensverluste führt. Das ist heute nicht der Fall. Die Vermögenseinflüsse durch Wild oder andere Schadfaktoren werden teilweise erfasst, vielleicht auch noch bewertet, aber nicht finanziell in das Betriebsergebnis eingeführt. Dabei muss man berücksichtigen – das klingt jetzt ziemlich hart, aber ich kann es Ihnen untersetzen –, Schalenwild dürfte bei diesem Prozess der potenziell bedeutsamste biotische Schadfaktor in unseren Wäldern überhaupt sein, das heißt, bedeutsamer als Borkenkäfer, Mäuse und blatt- und nadelfressende Insekten zusammen. Ich bin sicher, dass Sie von den Schäden der letztgenannten Arten schon viel gehört haben. Warum ist das so? Ich habe es „Paradoxon der relativen Unsichtbarkeit“ genannt. Das ist nicht unsichtbar, aber man kann nur Dinge sehen, von denen man weiß, dass sie existieren, und wenn man gründlich analysiert. Ich zeige Ihnen einige Bilder aus meiner Heimat. Aber das nordsächsische Tiefland sieht nicht anders aus. Sie sehen Kiefernreihenbestände. Die nächsten Bilder sind von dem gleichen Standort. Wenn Sie hier eine Wildverbissaufnahme machen, kommen Sie zu dem Ergebnis, dass kein Wildverbiss vorliegt. Genau das hat die Bundeswaldinventur auch getan. Man muss sich die Frage stellen, ob dort überhaupt Bäume von Natur aus gedeihen würden, wenn andere Einflüsse gemindert wären, die verbissen werden könnten. Dieser Ausfall der Verjüngung, die das Wild völlig verhindert, ist augenscheinlich zu machen, wenn man die Wildbestände entsprechend anpasst. Das ist nicht allzu weit von dem ersten Bild entfernt, nur 50 Kilometer. Wie im „Hatzfeldt-Projekt“ kann es aussehen, wenn Sie die Wildbestände anpassen. Wenn Sie hier eine Wildverbissaufnahme machen würden, würden Sie Wildverbiss feststellen. Dann steht lustigerweise manchmal dort: Der Zustand hat sich zu dem ersten Bild verschlechtert. Das ist Unsinn. Jetzt sind endlich Bäume da, die verbissen werden könnten. Sie sehen auch: Dort stehen Eichen, große Ebereschen, und alles ist Naturverjüngung ohne Zaun. Sie sehen ebenso drei Douglasien, die auch ohne Zaun wachsen können. Hier ist der Wildbestand bei 0,5 Stück Rotwild pro 100 Hektar, genau bei dem, was Herr Bergner vorhin als naturnahen Wildbestand bezeichnet hat. Ich sage es ganz deutlich: Wenn wir heute für unsere Zielstellung zu hohe Wildbestände haben, liegt das daran, dass Menschen das so wollten oder billigend in Kauf genommen haben. Mit anderen Worten: Wir können es ändern. Die Schäle führt zu Stabilitätsverlusten, unter Umständen Bruch über die gesunde Seite. Dann haben wir unsere waldbauliche Freiheit eingebüßt, auch wenn vielleicht noch gesunde Bäume danebenstehen. Das führt zu Folgeaufwendungen, weil Sie wegen der Borkenkäfergefahr bei Fichte aufräumen müssen. Auf dem nächsten Bild sehen Sie einen Wurzelbruch. Der Drehpunkt des Baumes liegt am Boden. Sonst wäre der Wurzelteller herausgehoben. Das heißt, die Fäule liegt in der Wurzel. Der Baum ist wegen der Fäule abgebrochen. Solche Folgen werden in den meisten Fällen durch Wildschäle verursacht.

23 Auf der linken Seite des Bildes sehen Sie den Baum, wie er von außen erscheint, wenn er die Rotfäule hat. Rechts sehen Sie ihn aufgeschnitten, damit Sie einen Eindruck von diesem Ereignis bekommen. Das zieht sich über Jahre hinweg. Vorhin wurden schon einige Zahlen genannt. Ich glaube, sie sind wesentlich höher. Wir sind dabei, solche Dinge zu modellieren, sprich: auf der linken Seite die Bildung gesunden Holzes mit der Zeit und auf der rechten Seite die Fäule. Irgendwann raubt die Fäule mehr gesundes Holz als gleichzeitig zuwächst. Spätestens dann sind Sie aus ökonomischen Gründen gezwungen, den Baum zu fällen. Ob er dann schon seine Zieldimension erreicht hat, ist das eine. Das ist für den Waldbesitzer ein Verlust. Das Zweite ist: Jeder rote Punkt auf dem Foto zeigt einen Stamm, der ein Fäuleereignis hat. Vorhin wurden Zahlen pro Kubikmeter genannt – durch die Umstufung von Sägeholz auf Industrieholz von 20 bis 30 Euro. Wenn Sie das hochrechnen, kommen sehr hohe Millionenbeträge heraus. Das ist in der Vergangenheit geschehen. Es sollte uns lehren, dass uns das nicht wieder passieren darf. Das sind nicht alles frische Schälen. Sie liegen teilweise zehn, 20 Jahre zurück. Das sollte uns zeigen, dass wir diese Dinge nicht länger ertragen dürfen. Damit bin ich bei den Schlussfolgerungen. Für meine Begriffe sind die jagdrechtlichen Regelungen im Freistaat Sachsen sehr gut. Aus vielen Gesprächen in anderen Ländern – ich komme viel herum – darf ich Ihnen sagen, dass Sachsen um dieses Jagdrecht von vielen Jagdrechtsinhabern beneidet wird, aber auch von vielen Jägern. Das liegt vor allem daran, dass die Grundbesitzer, die die Inhaber des Jagdrechtes sind, gemeinsam mit den von ihnen beauftragten Jägern die Möglichkeit haben, zielorientierte und lokal angepasste Entscheidungen zu treffen. Das kann zwischen einem rehwildorientierten Ansatz in der Waldbewirtschaftung und dem wertvollen Holz liegen, es zu betreiben. Das lässt unser Recht zu. Wir haben eine riesige Vielfalt von Waldbewirtschaftungszielstellungen. Das kann man nur mit einer Vielfalt von Jagdregimen beherrschen, nicht mit einem einheitlichen. Es ist völlig klar, dass die Herangehensweisen unterschiedlich sind. Sie können nachbarschaftlich funktionieren. Das haben wir in Studien längst bewiesen. Die tatsächlichen Wildeinflüsse müssen stärker in den Fokus gerückt und finanziell untersetzt werden. Ob es tatsächlich gebucht wird, ist eine andere Frage. Aber der Anschein, nur zu sagen, beim Kreis wurde nicht viel angemeldet, wir haben also keine Schäden, ist eine völlige Fehlannahme. Viele sehen das nicht, weil sie nicht wissen, wo sie messen sollen. Hinzu kommen Ansprüche der Gesellschaft an Leistungen der Wälder, die immer vielfältiger werden. Ich habe nur Biodiversität hingeschrieben, aber es wurden bereits Klimaschutz, Wasserbereitstellung usw. genannt. Das ist ein Thema, das mich sehr beunruhigt. Denn wir konsumieren das alles, was Waldbesitzer hervorbringen. Aber wir bezahlen nicht einen einzigen Cent dafür. Das führt dazu, dass der Waldbesitzer keinen Verlust hat, wenn die Dinge nicht entstehen oder vernichtet werden – unter anderem durch Wildeinflüsse. Denn wir lohnen ihn vorher nicht dafür. Aber die Gesellschaft fordert diese Dinge. Es ist eine gute Idee, wenn man Holz oder andere Produkte aus einem biodiversen Wald endlich einmal bezahlen oder besser bezahlen würde, als das aus einer Fichten- oder Kiefernplantage. Ich darf Ihnen sagen, dass eine plantagenartige Waldbewirtschaftung mit Kiefern und Fichten heute ökonomisch funktioniert. Das ist nicht die Frage.

24

Aber wir wollen unsere Wälder für die Zukunft anders aufstellen. Deshalb müssten Stimulierungs-, Belohnungsregelungen etwas anders aussehen, als sie heute sind, damit sich das selbst reguliert und diejenigen, die ihre Wildbestände anpassen, von ihrem Wald einen höheren Nutzen haben; nicht nur, dass sie an Kosten sparen. Wir haben so etwas ausgerechnet. Beim „Hatzfeldt-Projekt“ sind es 160 Euro pro Jahr und Hektar Einnahme, die der Waldbesitzer erzielt. Das sind über die fünfjährige Projektlaufzeit 8 Millionen Euro auf ungefähr 5 500 Hektar Substitutionskosten, weil er nicht pflanzen und nicht zäunen muss. Damit ein Abschlusswort zu den Zäunen, die mehrfach genannt wurden. Ich widerspreche Herrn Luthardt ein wenig. Die Bilder zeigen, es geht sehr viel, wenn man nur will. Wer Zäune baut, muss mehr Wild erlegen. Man zäunt Wildlebensraum weg, und zwar den wertvollsten. Wer Zäune baut, ist nicht etwa nur jemand, der Geld hinausschmeißt, sondern er kann auch keine höheren Wildbestände tragen. Er nimmt dem Wild Lebensraum weg. Deshalb ist das zukünftig gesehen für die Initialpflanzung und für Spezialgebiete usw. unbenommen. Wenn man Feldenklaven oder so etwas hat und darin Wald ist, muss man den schützen, weil sich das Wild dorthin zurückzieht. Aber generell ist das keine bzw. nur die schlechteste Lösung. Danke schön. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank, Herr Prof. Dr. Müller. – Als Nächstes erhält Herr Henrik Thode vom Ökologischen Jagdverein Sachsen e. V das Wort. Bitte sehr. Henrik Thode: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Staatsminister! Sehr geehrte Damen und Herren! (Der Sachverständige referiert anhand einer PowerPoint-Präsentation.) Auch ich möchte mich für die Gelegenheit bedanken, in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des ökologischen Jagdvereins heute hier reden zu dürfen. Beruflich bin ich als Forstsachverständiger unterwegs. (Folie: Ökologischer Jagdverein Sachsen e. V.) Für uns als Ökologischer Jagdverein steht ganz klar die Prämisse, dass wir die Jagd als eine Dienstleistung begreifen, die selbstverständlich im Einklang mit den anderen Landnutzungsarten stehen soll. Für uns ist klar: Der Wald zeigt, ob die Jagd stimmt. Auf der Grundlage der schon beschriebenen Wilddichten kann ich das im Weiteren belegen. Im Grunde kann ich meinen Vorrednern sehr dankbar sein. Es wurde schon jede Menge zu dieser Thematik gesagt, sodass ich mich auch noch auf andere Punkte konzentrieren kann. (Folie: Paradigmenwechsel in der Forstwirtschaft) Der Paradigmenwechsel in der Forstwirtschaft – weg von fichtenbetonten Altersklassenwäldern hin zu naturnahen Dauerwäldern – ist unserer Auffassung nach alternativlos.

25 (Folie: Klimaforschung) Wir haben in der Klimaforschung in den letzten Jahren jede Menge Grundlagen gelegt. Wir haben den Klimawandel erkannt. Wir wissen, was passiert. Im Grunde geht es jetzt darum, dass wir die Erkenntnisse aus diesen Geschehnissen entsprechend umsetzen. Im Zuge des Klimawandels nehmen die Extremereignisse zu. Auf der Folie erkennt man, wie sich die Sturmholzmengen in den einzelnen Jahren verändert haben, welchen Belastungen die Forstbetriebe ausgesetzt sind. (Folie: Hochwasser und seine Entstehungsgebiete) Der Klimawandel betrifft nicht nur die Forstwirtschaft allein. Sachsen war in den letzten Jahren extrem von Hochwasserereignissen betroffen. Es ist gerade die Frage, was Forstwirtschaft, was Jagd mit Hochwasser zu tun haben. Selbstverständlich reden wir hier über die Hochwasserentstehungsgebiete, über die Mittelgebirge, wie die Mittelgebirge aussehen. Laut Studien sind in Sachsen in den letzten Jahren 650 Millionen Euro in den Hochwasserschutz gegangen. Das ist eine gewaltige Zahl. Dahinter stecken gewaltige Anstrengungen. Selbstverständlich müssen wir alles dafür tun, dass der Wald seinen Beitrag dazu leistet, indem wir von diesen strukturarmen Fichtenwäldern wegkommen hin zu dauerwaldartigen Waldbildern. Auch ich habe Ihnen einige Fotos mitgebracht. Selbstverständlich teilen wir die Antworten der Staatsregierung auf diese Anfrage. Wir sind einer Meinung. Rotbuchenbestände können in den mittleren und höheren Lagen des Erzgebirges nur mit massiven Schutzmaßnahmen etabliert werden. In den oberen und den Kammlagen ist auch die Fichtennaturverjüngung nicht an jedem Ort gesichert. Sie sehen ein Beispiel für eine Fichtenaufforstung mit interessamten Verbiss, hier ein geschältes Stangenholz. Man fragt sich, was aus einem solchen Wald einmal werden soll. Darüber braucht man nicht lange nachzudenken, weil die Bäume im Zuge von entsprechenden Schneedrucklagen zum Teil abbrechen und wir derartige Schadbilder in den Wäldern vorfinden. (Folie: Strecken in nie dagewesener Höhe) Das ist eine Folie, die ich einem Vortrag aus dem Staatsbetrieb Sachsenforst entnommen habe. Wir sehen noch einmal die Entwicklung der Rotwildbestände von 1965 bis in die Jahre 2005/2006. Wir können konstatieren, dass das Rotwild – wenn wir es in diesem Zeitkorridor betrachten wollen – eine bisher nie dagewesene Höhe erreicht hat und weiterhin auf einem sehr hohen Niveau anhält. Wenn wir uns dazu einmal die Wälder anschauen – auf der rechten Seite eine geschälte fünfzigjährige Fichte. Wenn ich mir als Sachverständiger die älteren Fichtenbestände anschaue – auch im Erzgebirge –, kann man sehen, dass wir früher nicht diese Wilddichten hatten. Wenn Sie auf der linken Seite in das Altholz schauen, wo sind dort die Schälschäden? Links oben habe ich Ihnen zur Erinnerung die Grafik noch einmal eingeblendet, wie sich die Rotwildbestände entwickelt haben. (Folie: Streckenentwicklungen)

26 Das Rotwild steht nicht allein in seiner Entwicklung. Damwild, Muffelwild, Rehwild, Schwarzwild – sicherlich mit einem Potpourri verschiedener Ursachen – alle Schalenwildarten befinden sich auf einem relativ hohen Niveau. (Folie: Schälgutachten 2015 – nur Staatswald - Zielbaumarten) Zu den Schälgutachten, wenn man sagt, was in den letzten 25 Jahren erreicht wurde: Ich denke schon, dass wir in Sachsen einige Erfolge erreicht haben, zum Beispiel wenn ich an den Forstbezirk Eibenstock denke – die Grafik haben Sie heute schon einmal gesehen –, wenn ich an den Tharandter Wald denke. Beide Bereiche sind blau umrandet. Dort ist es gelungen, waldverträgliche Wildbestände herzustellen. Dort ist man auf dem richtigen Weg. Dementsprechend kann man dort die Erfolge erkennen. In den Antworten der Staatsregierung klang einige Male die Frage an, dass die Informationslage zum Privat- und Körperschaftswald sehr gering ist. Sie sehen die Eigentumsverteilung: grün der Landeswald, blau der Privatwald, die anderen Eigentumsarten – landesweit insgesamt mit 39 %. Sie sehen, dass der Landeswald im Erzgebirge eine sehr bedeutende Eigentumsart ist. Wir haben aber auch ausreichend Privatwald. Über diesen Privat- und Körperschaftswald wissen wir im Hinblick auf die Verbiss- und Schälgutachten relativ wenig. Das motiviert uns zu der Antwort, diese Gutachten auf die anderen Eigentumsarten, auf jeden Fall auf die Gemeinschaftsjagdbezirke und den Körperschaftswald, auszudehnen. (Folie: Wenn fachlich alles klar ist: Warum dann dieses?) Wenn dann fachlich alles klar ist, warum dann dieses? – Um es einmal ganz klar aus Sicht des Ökologischen Jagdverbandes herauszustreichen: Wir sehen das Rotwild im Erzgebirge nicht als gefährdet an. Wir denken – das ist die Schlussfolgerung, wenn man den Vorträgen meiner Vorredner gelauscht hat –, dass die Schalenwilddichten zu hoch sind, auf jeden Fall in diesem Zeitraum, in dem wir waldökologisch die Wende schaffen müssen, weg von den Altersklassenwäldern hin zu den dauerwaldartigen Waldstrukturen. (Folie: Was nun?) Was nun? Man muss sagen, Sachsen hat ungefähr 11 000 Jagdscheininhaber. Ein Teil dieser Jagdscheininhaber nimmt – warum auch immer – diese fachlichen Grundlagen, die wir alle schon x-mal aufbereitet haben, die wir x-mal erläutert haben, nicht zur Kenntnis. Wir haben dort ein beträchtliches Konfliktpotenzial. Wir müssen auch sagen, dass diese Jagdscheininhaber die Jagd zu einem überwiegenden Teil in ihrer Freizeit ausüben. Das beruflich oder von oben nach unten durchzuregieren, geht nicht. Man muss eindeutig sagen: Wenn wir die Wende in den Wäldern schaffen wollen, brauchen wir alle 11 000 sächsischen Jäger ohne Ausnahme. Wenn ich mir dann noch überlege, dass wir circa 80 000 sächsische Waldbesitzer haben, gibt es ein Konfliktpotenzial, bei dem man fragen muss, wie man dieses abarbeiten kann. Die Veranstaltungen, die wir in den letzten zwölf Monaten hatten, an denen ich auch teilnehmen wollte, sind sicherlich ein sehr wichtiger Schritt. Aber ich glaube, dass wir Institutionen schaffen müssen, wo die Konflikte der Menschen, die in Sachsen in einem breiten Spektrum vorhanden sind, geregelt werden können.

27 Damit bin ich am Ende. Ich möchte mit dem kurzen Satz schließen: Die 11 000 sächsischen Jagdscheininhaber werden gebraucht, und zwar dringend. Ohne sie wird es nicht gehen. Vielen Dank. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Als Nächstes erhält Herr Carsten Wilke das Wort. Er ist Präsident des Deutschen Forstvereins. Bitte sehr. Carsten Wilke: Sehr geehrter Herr Vorsitzender Fischer! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrter Herr Staatsminister Schmidt! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich herzlich für die Gelegenheit zur Stellungnahme in der heutigen Anhörung. Ich vertrete den Deutschen Forstverein, der 1899 in Schwerin gegründet wurde und der bundesweit zurzeit über 6 000 Mitglieder hat. Ich verweise auf meine schriftliche Stellungnahme, die ich dem Ausschuss am 26. November zur Verfügung gestellt habe, und möchte meine Aussagen mit den folgenden zwölf Punkten zusammenfassen: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich kann Ihnen jetzt nicht ersparen, dass manches schon gesagt wurde, nur noch nicht von mir. Das liegt in der Natur des Umstandes, wenn man ein W im Namen hat und im Alphabet etwas weit hinten steht. Erstens. Die Wälder Sachsens sind wie alle Wälder Deutschlands das Resultat einer langen geschichtlichen Entwicklung und Zusammenhänge. Zweitens. Die Wälder Sachsens weisen im Vergleich mit den Wäldern anderer Bundesländer einen hohen Anteil von Nadelwäldern auf. Der Anteil von Laubwäldern oder Laubmischwäldern ist vergleichsweise klein. Drittens. Die Wälder in Sachsen sind relativ strukturarm. Das heißt, sie werden von wenigen Baumschichten – in vielen Fällen nur einer – gebildet. Viertens. Die Naturnähe der sächsischen Wälder ist gering, die Naturnähe der jungen Waldbestände in Sachsen allerdings signifikant höher. Fünftens. Die Zeitreihen von Abschusszahlen von Schalenwild, insbesondere Rotwild, liegen im Durchschnitt zwischen drei bis fünf Stück pro 100 Hektar Wald. Diese Kennzahl des Abschusses erlaubt den Rückschluss, dass die Rotwilddichte in den Wäldern Sachsens bei konstant 10 Stück pro 100 Hektar Waldfläche liegt. Es ist in der jagdkundlichen Literatur weitgehend anerkannt, dass Rotwilddichten von maximal zwei Stück pro 100 Hektar Waldfläche im Einklang mit den Zielen der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft stehen. Sechstens. Es ist fachlich unstrittig, dass den Besonderheiten der Forstwirtschaft, die Bindung an die Verhältnisse von Boden und Klima, die Langlebigkeit der Bäume und die Länge der Forstproduktion, die Ungewissheit über die Ansprüche kommender Generationen und die Identität von Produkt und Produktionsmittel – Holz wächst nur an Holz – nachhaltig durch einen vielfältigen, gemischten, stabilen und anpassungsfähigen Wald am besten entsprochen wird.

28 Siebtens. Reine Nadelwälder – so auch die in Sachsen vergleichsweise weitverbreiteten Fichtenwälder sind risikoanfällig gegen Stürme, Eis- oder Schneebruch. Erwähnt werden muss auch, dass der Verkauf von Fichtenholz in überragendem Maß zum wirtschaftlichen Erfolg der Forstbetriebe beiträgt. Achtens. Die Waldstrategie 2050 der Sächsischen Staatsregierung zieht hieraus die fachlichen Konsequenzen und strebt einen Waldumbau an, bei dem Laubwälder ausgedehnt und Mischwälder etabliert werden sollen und reine Fichtenwälder zurückgehen. Die Angaben des Staatsbetriebes Sachsenforst bestätigen, wie für den sächsischen Staatswald die Umsetzung dieser Zielstellung voranschreitet. Neuntens. Aus den Fragestellungen der heutigen Anhörung lässt sich meines Erachtens ein etwas schematisch statistisches Verständnis von Waldumbau erkennen. Von einer solchen Sichtweise möchte ich ausdrücklich abraten. Schematismus ist im Waldbau keine gute Herangehensweise. Historische Beispiele der älteren und jüngeren Vergangenheit auch in Sachsen belegen dies. Viel mehr rate ich dazu, der Kompetenz der Forstleute zu trauen, die die jeweils örtlich angepasste und beste Lösung zur Zielerreichung eines Waldumbaus auch unter Achtung von Sparsamkeitsaspekten leisten. Die Forstleute beherrschen die Kultur, die Saat, die Naturverjüngung, den Voranbau, den Unterbau, die Lichtstellung und die Lichtsteuerung, die Vorratshaltung als einige Beispiele von Elementen, die zur Zielerreichung beitragen. Zehntens. Der Waldumbau muss den Faktor berücksichtigen, dass sich die klimatischen Verhältnisse ändern werden. Das wird besonders Einfluss auf die Baumartenwahl haben. Hierzu, meine Damen und Herren Abgeordneten, verweise ich auf einen Artikel unserer Mitgliederzeitschrift „Pro Wald“ von Hermann Spellmann. Sie haben diese Zeitschrift vorliegen. Elftens. Während die Forstleute keinen Einfluss auf die Umweltbedingungen nehmen können, sind die Auswirkungen, Einschränkungen und Belastungen, die überhöhte Schalenwilddichten bedingen, durch die Herstellung angepasster Dichten zu verringern. Hier bedarf es der Anwendung von effektiven Jagdmethoden. Auch hierzu ein Verweis auf den Ihnen vorliegenden Artikel von Holger Koth aus der Zeitschrift „Pro Wald“ vom September dieses Jahres. Zwölftens. Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass nach meinem Dafürhalten die Bestimmungen des § 18 des Sächsischen Waldgesetzes die Aufgabe, um die es hier geht, vorzeichnen. Sie, meine Damen und Herren, haben als Abgeordnete diese Bestimmungen im Gesetz fixiert. Mit einer solchen anspruchsvollen Zielerwartung folgen Sie meines Erachtens sehr genau und präzise der großen sächsischen Forsttradition, die sich in Namen wie Hans Carl von Carlowitz und Heinrich Cotta versinnbildlichen lassen. Diese beiden gehören zu den größten Forstleuten, die die lange forstliche Tradition Deutschlands je hervorgebracht hat. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank, Herr Wilke. – Als Nächstes erhält Herr Gunter Zschommler das Wort. Er ist Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

29 Gunter Zschommler: Danke. – Sehr geehrter Herr Vorsitzender Fischer! Sehr geehrter Herr Staatsminister Schmidt! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich möchte die Gelegenheit nutzen, einige Worte zu dem von Ihnen gesetzten Thema „Naturnaher Waldumbau“ an Sie zu richten. Ich denke, von meinen Vorrednern wurde schon sehr viel gesagt. Ich werde deshalb abweichend von meinem Manuskript meine Redezeit etwas kürzen. Mein Vorredner sprach gerade Heinrich von Cotta an, der den sprachlichen Begriff vom Waldbau eingeführt hat. Dieser ist angelegt am Ackerbau, also vom aktiven Handeln bestimmt. Sie wissen, ich bin aktiver Landwirt. Insofern ist das für mich keine unbekannte Materie. In dem von Ihnen vorgegebenen Wortteil „naturnah“ ist inbegriffen, dass es keine naturüberlassene Sache ist. Naturnah heißt aktives Handeln, aktive Beteiligung der Eigentümer, der Menschen, die das gestalten. Insofern sprechen wir bei naturnahem Waldumbau von veränderten Wäldern mit eigenen Zielstellungen, die von uns als Menschen gesetzt sind. Das kann und darf keine Aufgabe allein des Staatsbetriebes Sachsenforst sein, sondern dazu müssen alle Waldbesitzer, alle Grundeigentümer gleichermaßen mit ins Boot. Ich denke – das geht auch aus der Stellungnahme der Staatsregierung hervor –, dass Sachsenforst auf dieser Ebene schon sehr aktiv ist und insofern seiner Vorreiterrolle durchaus gerecht wird. Im späten Frühjahr dieses Jahres waren wir zum Thema „Rotwild“ im Erzgebirge zu einer Rundfahrt unterwegs und konnten uns von den verschiedensten Anbaubedingungen, Zäunungen, Nichtzäunungen, niedrigen und höheren Lagen und auch den unterschiedlichen Einflüssen von verschiedenen Wildarten auf den Waldbau überzeugen. Es war sehr eindrucksvoll sichtbar, dass in einer Zäunung eine Jungkultur hochkam, bei der die Zäunung zum Schutz vor Muffelwild stand, nicht vor Rotwild. Gegenüber stand eine wunderbare Buchenverjüngung, die nicht gezäunt war, weil man in der Zäunung eine Weißtanne als seltenere Baumart eingebracht hat, die man besonders schützen wollte. Auf dieser Flurfahrt waren auch Waldteile zu sehen, die – wie in einigen Bildern dargestellt – ziemlich „leergefressen“ waren. Dort war nur noch Hochwald und keine Unterbaumart. Wenn man dort den Waldumbau will, kann man auch jetzt schon einen jagdlichen Schwerpunkt setzen. Das ist nach unserem Sächsischen Jagdgesetz möglich. Vor zwei Jahren, als das Jagdgesetz zur Diskussion stand, haben das alle Beteiligten so gewollt. Wir brauchen das nur anzuwenden. Wir müssen nichts Neues erfinden. Die jagdlichen Schwerpunkte können und sollten wir nicht von hier aus in die Region hineintragen. Das können die Leute vor Ort viel besser entscheiden, als wir das – mit Verlaub – hier in der Runde können. Dazu gibt es Hegegemeinschaften oder andere Vereinigungen, auch im größeren Stil. Wenn man an einer Stelle einen jagdlichen Schwerpunkt setzt, muss man sich in der Jagd an anderer Stelle etwas zurücknehmen und dem Wild Lebensraum geben. Ich denke, dass die Diskussion beim Rotwild momentan ein wenig in eine sich verselbstständigende Richtung geführt wird. Man kann aus heutiger Sicht das Rotwild

30 nicht pauschal für Fehler, die vor 100 oder 200 Jahren beim Waldbau – von mir aus auch vor 50 Jahren – gemacht wurden, büßen lassen und sagen, wir müssen jetzt auf Bestände von 0,1 oder eins pro 100 Hektar kommen. Das ist eine Sache der Eigentümer, die mit ihrem Eigentum verantwortungsbewusst umgehen. Die Ziele können voneinander abweichen. Die Vorbildfunktion des Tharandter Waldes wurde angesprochen. Es ist sicherlich gegeben, dass dort der Verbiss und die Schäle deutlich geringer sind. Dann müssen wir aber auch zur Kenntnis nehmen, dass dort zukünftig das Rotwild kurz vor dem Ausschießen ist und nur noch als Pendelgebiet, Rückzugsgebiet oder vereinzelt Zuwandergebiet auftreten wird. Wir haben gestern einen interessanten Vortrag von Herrn Dr. Eisenhauer gehört. Auch dem war das zu entnehmen. Beim Rotwild gibt es aus unserer Sicht noch weitere Aspekte zu berücksichtigen. Dem Wild sollte man Ruhezonen oder Ruhegebiete einrichten. Daneben gibt es das leidliche Thema „gelenkter Tourismus“. Es traut sich niemand, das in der Öffentlichkeit zu diskutieren, weil man es als Wirtschaftsfaktor sieht. Ich möchte es trotzdem hier ansprechen. Sollte es unser Wille sein, dass die Landschaft – egal ob Feld oder Wald – immer und überall von jedem und zu jedem Preis mit irgendwelchen Freizeitaktivitäten nutzbar ist? Oder sollten wir als – ich sage einmal – intelligente Gesellschaft unseren Mitbewohnern, dem Wild, einen gewissen Raum geben? Ich möchte in dem Zusammenhang auch das leidige Thema „Leinenzwang für Hunde“ ansprechen. Ich weiß aus den Erfahrungen der Diskussion um das Jagdgesetz: Mein Hund hat das noch nie getan. Es ist immer der erste Radfahrer, der vom Rad heruntergeholt wird. Die Hunde laufen alle neben dem Herrchen am Waldweg. Nur auf meinen Feldern kommen manchmal rein zufällig einzelne Hunde allein an. Das Herrchen ist sicherlich in erreichbarer Nähe. Wenn ich sie schon auf dem Feld sehe, wird das das Wild, das viel vorsichtiger und aufmerksamer ist, registrieren. Das wird sich in Bewegung äußern. Das Wild hat dann wieder Energieverbrauch, und es muss diesen Energieverbrauch wieder ausgleichen. Insofern, denke ich, sind viele Dinge hausgemacht. Die Lösungen sind, wie ich schon sagte, nicht hier, sondern in den Regionen zu finden. Danke. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank, meine Herren Sachverständigen. Wir treten nun in die Fragerunde ein, zuerst die Obleute. Herr Abg. Günther für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte sehr. Wolfram Günther, GRÜNE: Es geht darum, einige valide Daten zu bekommen. Vor einigen Jahren wurde abgeschafft, dass auch in den privaten Jagdbezirken die Schälund Verbissgutachten erstellt werden. Ist das vielleicht keine gute Idee gewesen? Sollte man das vielleicht zurückdrehen? Ich habe heute schon viel Lob für das sächsische Jagdrecht gehört. Wäre das vielleicht ein Punkt, über den man nachdenken sollte? Vors. Sebastian Fischer: An wen geht die Frage konkret? Wolfram Günther, GRÜNE: Wer sich gern dazu äußern möchte.

31 Vors. Sebastian Fischer: Gut. – Herr Prof. Bitter, bitte. Prof. Dr. Andreas W. Bitter: Ich habe in meiner Präsentation darauf hingewiesen, dass wir der Auffassung sind, dass eine flächendeckende Beobachtung dieses Phänomens und dieser Entwicklung über ein qualifiziertes Monitoring unverzichtbar ist und dass die Aufwendungen, die dort nötig wären und die man in der Vergangenheit zumindest gescheut hat, in jeder Hinsicht gerechtfertigt zu sein scheinen, um zu wissen, auf welchem Weg wir uns befinden. Die immensen Ausmaße möglicher Schäden und Belastungen sind in den Darstellungen deutlich geworden. Im Verhältnis dazu ist es im Grund ein kleines, ein derartiges System wieder einzuführen und weiterzuentwickeln. Es ist auf dieser Seite des Tisches mehr oder minder unumstritten, dass das eine hilfreiche Grundlage für die weitere Entwicklung der Diskussion ist. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank, Herr Prof. Bitter. – Als Nächstes Herr Wilke, bitte. Carsten Wilke: Herr Abg. Günther, ich kann das nur unterstützen, was Herr Bitter eben sagte. In vielen anderen Bereichen der Umweltmedien beschäftigen wir uns mit der Frage der Beobachtung von Veränderungen, sowohl im Biotischen wie auch im Abiotischen, ob das Fragen von Luftmessungen sind und solche Fragen, die letztlich für Sie als Abgeordnete Entscheidungsgrundlagen für Politik liefern. Insofern ist ein Abbild der Natur in dieser Frage – wie sieht es aus beim Verbiss- und Schälschaden durch Rotwild und Rehwild – eine wichtige Grundlage, um hier zu objektivieren, um ein klares Bild zu haben und daraus abzuleiten. Wichtig ist, dass Zeitreihen kontinuierlich sind. Die Methodiken zu diesen Dingen existieren, aber sie haben insbesondere ihren Wert, wenn sie kontinuierlich durchgeführt werden. Dann sind sie eine wichtige Grundlage, aber nicht die alleinige. Das muss man deutlich sagen. Sie sind ein wichtiger Indikator, der für diese Fragestellung von Bedeutsamkeit ist. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Prof. Dr. Müller, bitte. Prof. Dr. Michael Müller: Wir Menschen wollen immer über alles mehr wissen. Wenn ich richtig informiert bin, ist nur aufgehoben worden, dass es der Staat für alle macht. Es ist nicht verboten, Wildverbiss- oder Schälerhebungen zu machen. Sie können das selbst tun, können auch andere beauftragen. Vielleicht kann man das finanziell unterstützen. Ich weiß es nicht. Ich möchte nur die Gegenseite darstellen. Wenn ich Waldbesitzer wäre, der einen Eigenjagdbezirk hat, und das Rotwild ist für mich das Allerwichtigste und der Wald nur Kulisse für meine Jagd, dann betone ich noch einmal, ist das rechtlich gesehen nicht verboten. Es trifft zwar nicht die Appelle des Gesetzes. Dann ist jeder Baum eine Äsungspflanze für mein Wild. Dann will ich nicht erheben. Was wollen Sie als Staat machen, wenn Sie sagen, bei Ihnen ist der Wildverbiss zu hoch. Dann sagt er: Für mich ist der nicht zu hoch. Wenn wir so etwas großflächig machen, ist das immer nur eine Einflusserhebung. Das ist keine Schadenserhebung. Eine Schadensbewertung können wir erst vornehmen, wenn wir den Eigentümer, den Inhaber des Jagdrechtes, gefragt haben, ob seine Ziele gefährdet sind. Erst dann wird aus dem Wildeinfluss ein Schaden. Das heißt, wenn wir Schaden bewerten wollten, müssen wir jeden einzelnen der Grundbesitzer interviewen und fragen, ob seine Ziele gefährdet sind. Nur dann ist es ein Schaden.

32 Ich kann nur betonen: Mir wäre es recht, wenn es flächendeckend wäre. Aber man muss für die Aussage sehr vorsichtig sein, was das tatsächlich auf der Fläche bedeutet. Sollten Sie jemanden kritisieren wollen, ist die Frage aus welchem Grund, der rechtliche Hintergrund. Wenn Sie ihn veranlassen wollen, etwas zu ändern – wie soll das geschehen? Wenn derjenige mit einem naturnahen biodiversen Zustand der Erfolgreichere wäre, würde er es ganz von selbst machen. Dann brauchen wir auch nicht mehr zu kontrollieren. Leider ist das im Augenblick nicht der Fall. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Als Nächster hatte sich Herr Bergner gemeldet. Karsten Bergner: Herr Günther, es ist durchaus nicht so, dass nur im Sachsenforst Schäl- und Verbissschäden erhoben werden. Es ist auch so, dass die Landkreise, sprich: die unteren Forstbehörden das tun. Ich war vor 14 Tagen erst mit der unteren Forstbehörde im Erzgebirgskreis unterwegs. Natürlich erheben sie diese Schäden nicht so detailliert, wie das im Landeswald geschieht. Die Erhebung der Landkreise für die Gemeinschaftsjagdbezirke sieht folgendermaßen aus: Sie haben über ihre Fläche ein Raster gelegt und gehen dorthin. Dort gibt es Förster, studierte Forstleute, die sich diese Punkte anschauen und nach einem festen Schema aufnehmen. Sie ordnen das nur so ein: grüner Punkt, gelber Punkt, roter Punkt. Roter Punkt bedeutet: Die Waldverjüngung ist gefährdet. Bei Gelb ist Wildeinfluss vorhanden, aber noch nicht bestandsgefährdend, und bei Grün ist alles okay. Prof. Müller hat recht, der rote Punkt – waldbauliches Ziel gefährdet – ist das Problem. Woher will der Förster vom Landratsamt wissen, welches waldbauliche Ziel der Förster auf dieser Fläche hat? Aber die Erhebung prinzipiell gibt es nach wie vor nicht nur für den Staatswald. Vors. Sebastian Fischer: Herr Prof. Dr. Bitter, bitte. Prof. Dr. Andreas W. Bitter: Das ist aus meiner Perspektive eine sehr interessante und ich hoffe auch lehrreiche Diskussion über Begriffe und Verfahren. Es ist von Herrn Kollegen Müller vollkommen rechtgesprochen, dass er sagt, man sollte vielleicht von dem Begriff der Wildschadenserhebung Abstand nehmen. Wir können im Grunde auch von einem Vegetationsgutachten oder einem Monitoring der Vegetationsentwicklung sprechen. Dann wären wir sicherlich in dieser Hinsicht sauber und widerspruchsfrei. Ich glaube, da sind wir uns alle einig. Dann gibt es den zweiten Punkt, auf den Herr Bergner hingewiesen hat, der im Zusammenhang mit dem steht, was Herr Müller ausgeführt hat. Wenn in der Erhebung quasi gleich das Urteil in Bezug auf ein möglicherweise divergierendes oder eine große Vielfalt von Zielen enthalten ist, ist das in dem Zusammenhang kein angemessenes Verfahren. Es geht darum, ein Monitoring auf der Basis einer einheitlichen Methodik über alle Waldbesitzarten hinweg zu entwickeln, nicht um Waldeigentümer und Bewirtschafter zu kontrollieren, sondern nur, um den Status zu beschreiben. Dazu muss detailliert aufgeführt werden, welche Vegetationsmerkmale wir dort vorfinden. Einige dieser Merkmale – wenn zum Beispiel Terminalknospen fehlen und anderes – können durchaus individuell als Schäden interpretiert werden. Wenn andere in dieser Hinsicht aus ihrer Perspektive dort keinerlei schädigende Wirkung, sondern nur den Nutzen einer Äsung sehen, ist das auch in Ordnung. Aber für das, was wir in einem politischen Prozess über die verschiedenen Landnutzungsformen und Akteure in diesem Lande befördern sollten, wären nach einem objektiv formulierten Verfahren erhobene Daten

33 über den Zustand zum Beispiel der Vegetation, aber vielleicht auch anderer Elemente des Waldes, glaube ich, von großer Nützlichkeit. Danke. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Als Nächstes Herr Lindner. Georg Lindner: Ich stelle einmal die Frage, ob ein Verbissgutachten oder eine Erhebung der Verbissschäden zielführend ist. Es wurden Bilder gezeigt. Ich weiß, es ist schwierig, wenn eine solche Fülle von Bildern auf einen einstürzt. Besonders beeindruckt haben mich die Bilder aus dem Forstbetrieb von Graf Hatzfeldt in Brandenburg. Wenn Sie den Zustand der Wälder gekannt haben, als es noch MfS-Schießplatz war und wie der Wald heute aussieht, dann gehen Ihnen die Augen auf. Ihnen gehen nicht nur die Augen auf, weil Sie plötzlich merken, hoppla, in dem Wald kommen plötzlich mehr Baumarten vor, als man überhaupt vermutet hat. Er hat nichts anderes gemacht. Er hat Holz eingeschlagen und gejagt. Er hat nicht darauf gewartet, bis ein Verbissgutachten vorliegt, das ihm sagt, Herr Graf Hatzfeldt, Sie müssen jetzt endlich im Wald einmal loslegen. Wenn wir das Ziel verfolgen, stabile strukturreiche und artenreiche Wälder zu schaffen, müssen wir nicht erst warten, bis wir einen Ist-Zustand erheben, damit wir sagen können, was alles verbissen ist, sondern wir müssen unseren Wald sehen – ich habe auch Bilder von strukturarmen Waldbeständen gezeigt –, dann weiß ich, in welche Richtung ich agieren muss. Zielzustand ist aus meiner Sicht stabile artenreiche Waldzustände. Wenn ich die erreichen will, weiß ich, was ich zu tun habe. Danke. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. Herr Wilke hatte sich gemeldet. Bitte. Carsten Wilke: Ich will noch einmal eine Interpretation für Sie darstellen. Das ist schlichtweg die Situation, wie deutsche Jagdgesetze nach meinem Verständnis diese Situation beurteilen. Einschlägig ist, dass eine festsetzende Behörde, die einen Abschussplan festsetzt – das ist vermutlich auch in Sachsen der Landkreis – objektiv darüber befinden muss, ob ein Abschuss dazu geeignet ist, eine land- und forstwirtschaftlich uneingeschränkte Bodennutzung zu ermöglichen. Die Frage, ob der Eigentümer etwas mehr oder weniger hat, ist zunächst einmal eine, die nicht unmittelbar in dieser Entscheidungsfindung in der rechtlichen Dimension steht. Wenn diese Entscheidung einer Behörde möglicherweise fehlerhaft ist, nämlich ein zu geringer Abschuss festgesetzt wird, die hinterher – – Damit sieht man, dass das nicht ausschließlich ein Eigentümerwille ist, sondern auch eine Frage von objektiven Kriterien, nach denen eine Verwaltungsbehörde fehlerfrei eine Entscheidung trifft. Wenn sie das nicht tut, droht ihr unter Umständen von jemandem, der davon betroffen ist und sagt, der Abschuss ist zu gering und ich habe Schaden im Wald, hinterher ein Amtsmissbrauch- und Amtshaftungsanspruch. Diese Zusammenhänge sollte man nicht ausblenden. Ich verstehe die Eigentümerdiskussion. Sie spielt auch in der Praxis eine Rolle. Nur noch einmal für Ihren Hintergrund: Das ist die Konstruktion, warum deutsche Jagdgesetze, so, wie sie seit 1848 sind – – Denn vor 1848 mussten Grundeigentümer oder diejenigen, die die

34 Land- und Forstwirtschaft bewirtschafteten, ein Recht hinnehmen, das sozusagen ein Regalrecht war, Wildstände hinnehmen zu müssen, ohne sich dagegen wehren zu können und ohne einen Anspruch zu haben, die Schäden ersetzt zu bekommen, die dadurch entstehen. Das muss man in diesem Zusammenhang sehen. So sind deutsche Jagdgesetze noch heute aufgebaut. Vors. Sebastian Fischer: Herr Zschommler, bitte. Gunter Zschommler: Gerade wurde das Stichwort Abschusspläne genannt. Ich bin der Meinung, wir Deutschen machen sehr gewissenhaft Pläne und Gegenpläne und Korrekturpläne. Da sind wir sehr kreativ. Vielleicht kann sich der eine oder andere noch an die lebhafte Diskussion erinnern, als wir die Rehwildpläne abgeschafft haben. Das war stellenweise eine Diskussion, die nicht vergnügungssteuerpflichtig war. Heute redet niemand mehr davon. Das Rehwild ist immer noch da. Es wird nicht mehr und nicht weniger geschossen. Ich denke, die Jäger sind verantwortungsbewusste Leute. Nicht umsonst heißt der Jagdschein „Grünes Abitur“. Sie wissen, was sie tun. Herr Günther, so gern Sie der Verwaltung vielleicht mit neuen Aufgaben zuarbeiten wollen: Ich denke, wir sind die Leute, die das in der Praxis ausbaden müssen. Wir sind mit Richtlinien und Verordnungen so weit gesegnet, dass es genug ist. Ich möchte nach wie vor – dazu stehe ich – mit meinem Eigentum machen wollen, was ich für richtig halte. Wenn ich in meinem Gehölz einen Sprung Rehe stehen habe, der mich nicht stört, weil ich ihn gern möchte, dann möchte ich nicht, dass eine Behörde kommt und sagt, Nein, Herr Zschommler, das dürfen Sie nicht, weil da vielleicht zu viel Verbiss ist. Mit Verlaub: Ich bin nicht für weitere Pläne und Recherchen. Danke. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Thode, bitte. Henrik Thode: Ich möchte noch einmal an die Konflikte erinnern, die ich versucht habe, in meinem Vortrag zu umreißen. Wir haben 11 000 sächsische Jäger. Wir haben eine große Menge von Landeigentümern, und wir haben dort eine Menge Konflikte. Die Konflikte sind so groß, dass sie auch den Landtag erreicht haben. Meine tiefe Überzeugung ist, dass diese Konflikte regional vor Ort gelöst werden müssen. Dort muss man sich sicherlich auch aneinander abarbeiten. Dazu können Vegetationsgutachten, wie sie meine Vorredner beschrieben haben, einen guten Beitrag leisten, eine Grundlage bilden. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. Mir liegen vonseiten der Obleute keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit schließe ich die Obleute-Fragerunde. Wir treten in die normale Fragerunde ein. Frau Dr. Pinka, bitte. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Ich habe das weitergegeben. Vors. Sebastian Fischer: Dann Frau Kagelmann für die Fraktion DIE LINKE. Kathrin Kagelmann, DIE LINKE: In welcher Funktion auch immer – ob Frau oder Abgeordnete, das ist letztlich gleich. Sehr geehrte Herren! Damen haben wir in der Runde überhaupt nicht, fällt mir auf. Es ist nicht gegendert. Herzlichen Dank für Ihre

35 Beiträge. Wir haben die erste Frage ausführlich debattiert. So richtig zufrieden, sehr geehrte Herren, bin ich immer noch nicht. Herr Prof. Bitter, Sie haben von einem qualitativen Monitoring gesprochen. Dann gab es sehr unterschiedliche Äußerungen der Sachverständigen. Offen gestanden bin ich mir nicht ganz klar über die tatsächlichen Indikatoren, über die Kriterien, die Sie an ein solches qualitatives Monitoring anlegen wollen. Dient es tatsächlich nur dem Ziel der Konkretisierung von Abschussplänen? Oder geht es eher in ein zeitliches größeres Wildtiermanagement, was ich für zielführender halten würde? Wenn Sie sich noch imstande fühlen – wir haben bereits umfangreich debattiert –, bitte ich Sie, dazu noch etwas zu sagen. Ich habe eine zweite Frage. Insbesondere bei Herrn Dr. Dittrich ist die unterschiedliche Jagdpraxis in den Verwaltungsjagdbezirken und den Eigenjagdbezirken angeklungen. Nun kann das entweder als Kritik oder einfach als Darstellung unterschiedlicher Jagdpraxis verstanden werden. Vielleicht helfen Sie mir einmal mit einer Einordnung. In beiden Fällen ist offensichtlich die Jagdstrecke in den Jahren angestiegen, aber sehr unterschiedlich. Vielleicht können Sie mir helfen. Wie ordnen Sie das ein? Ist das eine gut und das andere schlecht? Würden Sie einen Weg vorgeben wollen, dass man diese Entwicklung angleicht? Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank, Frau Abg. Kagelmann. Die erste Frage ging an Herrn Prof. Dr. Bitter. Prof. Dr. Andreas W. Bitter: Frau Abg. Kagelmann, im Grunde leben wir im Dschungel dreier Begriffe. Auf der Folie stand „qualifiziert“. Zwischen zeitlich haben wir über „qualitativ“ gesprochen und darüber hinaus noch über „quantitativ“. Wenn wir ein Monitoring aufbauen, das den tatsächlichen Erkenntnisbedürfnissen, dem Informationsbedarf gerecht wird, ist es aus meiner Perspektive ein qualifiziertes Monitoring, weil es den Zweck erfüllt, den es soll. In Bezug auf das, was wir tatsächlich auf der einzelnen Fläche machen und was wir erheben, können wir zwischen einem quantitativen Ansatz und einem qualitativen Ansatz unterscheiden. Wenn wir Pflanzen zählen und zählen jene Pflanzen, die keinen Terminaltrieb mehr haben und von daher gesehen nicht mehr ungestört weiterwachsen können, wäre das ein quantitativer Ansatz. Dann habe ich die Möglichkeit, von Jahr zu Jahr zu sagen, es sind 10 %, 20 %, 15 %, dann einmal wieder 18 % etc. Das wäre das, was als ein qualifiziertes Monitoring in der Fläche von großer Bedeutung ist. Das, was uns Herr Bergner aus der Arbeit der Landkreise berichtet hat, war ein qualitatives Verfahren, bei dem nur gesagt wird: rot, gelb, grün. So, wie wir beispielsweise bei bestimmten politischen Positionen unter Umständen rot gleichermaßen oder ungleichermaßen sympathisch finden, wäre es so, dass ein bestimmtes Phänomen hier auch gleichermäßen als grün oder vielleicht gelb oder rot empfunden wird. Das hat er kritisiert. Das hat auch Kollege Müller angesprochen. Was dem einen sein Uhl ist, ist dem anderen sein Nachtigall. Wenn er das Rotwild haben will, stört es ihn nicht, dass es frisst. Wir wollen nicht, dass es nur einfach rot, gelb, grün charakterisiert wird, sondern dass wir das in der Zeit in der Entwicklung verfolgen können.

36 Dann haben wir die Grundlage, auf Basis eines quantitativen Verfahrens – am besten noch mit einer statistischen Absicherung – zu sagen, wie wir unter Umständen unsere Landnutzung, aber auch unser Wildmanagement anpassen müssen, damit es zukünftig eine bessere Situation ist, bei der derartige Schadensmerkmale, also Merkmale, die von manchen als Schadensmerkmale interpretiert werden, nicht mehr auftreten. Der Kollege Wilke hat dankenswerterweise darauf hingewiesen, dass es zum einen die Eigentümerautonomie gibt, von der ich auch sprach, und zum anderen das Recht, das sich gleichermaßen an alle richtet und eine Integration über die verschiedenen Eigentümerinteressen hinweg möchte. Wir haben von Herrn Thode gehört, 80 000, 70 000 Waldeigentümer, 10 000 Jäger – sehr viele Menschen – und durchschnittlicher Waldbesitz 2,7, 2,8 Hektar, sodass in dem Moment Jagdrecht und Jagdausübungsrecht auseinanderfallen, wenn es der eine Eigentümer möchte, der andere aber vielleicht nicht. Was Herr Müller sagte, passt insbesondere, wenn Sie große geschlossene Eigenjagdbezirke haben. Wunderbar. Dann ist Eigentum so groß, dass man selbst einen Jagdbezirk hat. Dann passt das. In allen anderen Fällen müssen wir in dem Zusammenhang Interessenausgleich zwischen diesen Gruppen bewerkstelligen, die ich nannte. Deshalb mein Plädoyer für ein integratives Landnutzungsmanagement auf der Basis eines qualifizierten – das heißt in meinem Fall quantitativen – Verfahrens der Vegetationsermittlung, Beobachtung, um dann eine wichtige Größe in der Hand zu haben, mit der man sagen kann, wie es zukünftig weitergeht und das vielleicht im Rahmen einer solchen paritätischen Hegegemeinschaft, zu der alle relevanten Faktoren zusammengezogen werden. Die können miteinander kommunizieren und den Ansatz verfolgen, den Herr Zschommler sehr betont hat, dass es regional geschehen muss. Genau das muss in entscheidungsrelevanten Befundeinheiten passieren. Danke. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. Die zweite Frage ging an Herrn Dr. Dittrich. Dr. Gert Dittrich: Vielen Dank für die Frage. Ich habe zwar in meiner Ausführung bewusst auf eine Unterscheidung über die jagdliche Tätigkeit in den einzelnen Bereichen verzichtet. Ich habe nur einmal die blanken Zahlen dargestellt. Das hängt sicher von der Intensität der Bejagung in den einzelnen Bereichen ab, von der Interessenlage, von dem Auftrag, den die Jäger über ihre Jagdgenossenschaften haben; denn diese entscheiden mit über die Abschussplanung im Gegensatz zur Verwaltungsjagd, die einen staatlichen Auftrag erfüllt. Das sind sehr große Unterschiede. Im Endeffekt kommt es auf dasselbe heraus. Die Strecken waren 2007 fast gleich. Damals überwog die Strecke bei den gemeinschaftlichen Eigenjagdbezirken. Gegenwärtig überwiegt in unserem Bereich die Strecke in der Verwaltungsjagd. Jetzt kommt es darauf an, wie jeder das sieht. Die Interessenlage ist verschieden. Ich sage das einmal am Beispiel des Rehwildes. In den Neunzigerjahren hatten wir eine Strecke von 40 000 Stück Rehwild. Man war erschrocken, dass so viel möglich ist. Kurz danach ging die Strecke zurück. Wir liegen jetzt immer noch bei rund 30 000 im Jahr. Wir haben nicht das Potenzial genutzt, das vorhanden ist. Ich kann das deshalb beim Rehwild sagen, weil es relativ gleichmäßig über die gesamten Jagdbezirke in Sachsen verteilt

37 ist. Beim Rotwild konzentriert es sich auf 55 % der Waldfläche. Der Waldbesitzer entscheidet letztendlich, was in seinem Wald geschieht. Es gibt Vorstellungen bei den Waldbesitzern – ich sage es einmal drastisch –, denen ist der Waldbau gleich. Er will in seinem Gebiet lieber Rotwild haben. Der andere möchte lieber mehr Wald entstehen lassen. So breit schwankt das auch in den einzelnen Jagdbezirken, je nachdem, wie die Interessenslage ist. Letztendlich entscheiden – wie gesagt – die Jagdgenossen darüber, was dort passiert. Deshalb habe ich vermieden, in meine Ausführungen eine Wertung hineinzubringen. Allein von den Zahlen her ist zu sehen, was geht. Es zeigt sich, dass am Anfang dieses Vergleichszeitraumes die Strecken in den unteren Jagdbehörden oder den Gemeinschaftsjagdbezirken höher waren als in der Verwaltungsjagd. Das kippte in den Jahren 2010/2011 jählings um. Dieser Trend setzt sich fort, während sich das in den Gemeinschaftsjagdbezirken langsam wieder annähert. Wenn man einmal kühn sagt, wenn in der Verwaltungsjagd pro Jahr neun Stück je 100 Hektar im Schnitt geschossen werden, können Sie sich vorstellen, dass wahrscheinlich die dreifache Mange vorhanden ist. Wir werden sehen, dass wir anhand der großen Strecken noch viel zu tun haben, um auf den Stand zu kommen, um den Waldumbau zu sichern. Das bezahlt letztendlich die Allgemeinheit. Das wollen wir nicht vergessen. Die einzelne Jagddurchführung würde ich jetzt nicht werten wollen. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank, Herr Präsident. – Als Nächstes hatte sich Herr Prof. Dr. Müller gemeldet. Bitte. Prof. Dr. Michael Müller: Vielleicht eine Untersetzung dessen, was Kollege Bitter ausgeführt hat: Wir haben solche Methoden zum Einflussmonitoring. Das ist keine Frage. Es gibt viele verschiedene, auch einige sehr gut geeignete. Man könnte eine theoretische Zielstellung aus den Appellen des Gesetzes ableiten, indem man sagt, das ist das, was der Gesetzgeber als ideal empfunden hat. Das wäre eine vorbildliche Entwicklung. Wir haben die Kenntnisse von unseren Standorten und unseren Waldstrukturen zu sagen, welche Waldentwicklung von Natur aus oder naturnah auf diesem Standort zu erwarten wäre. Man könnte eine theoretische Zielstellung ableiten. Es ist nur die Frage, ob das die des Eigentümers ist. Bis dahin könnte man gehen. Dann hätten Sie ein einheitliches Maß, mit dem Sie messen können. Dann können Sie den Eigentümer noch fragen, warum er es nicht macht, oder ihn fragen, ob er das nicht weiß oder nicht gemerkt hat. Ich hatte dazu ausgeführt, dass die Leute oftmals in Unwissenheit nicht sehen, wie groß der Einfluss des Wildes sein kann. Wenn er sagt, das interessiert mich nicht, ich möchte das genau so, dann ist das so. Solange es dadurch nicht andere gesellschaftliche Einschränkungen oder Gesetzesverstöße gibt, zum Beispiel Kahlschlagsverbot oder so etwas, muss man das akzeptieren. Ich finde es auch gut, weil es ein guter Wettbewerb ist und weil gerade diese den Gesetzesappellen entgegen gerichteten Waldbewirtschaftungsstrategien zeigen, dass offensichtlich die Interessiertheit durch unsere Rechtslage, die wir geschaffen haben, nicht groß genug ist, dass es diese Waldbesitzer von selber tun. Daran muss man aus meiner Sicht arbeiten. Wir werden nicht zwingen. An die Behörde zu denken, dass diese – und das trifft nur zu, wenn die Behörde den Plan nicht bestätigt, sondern einschränkt, wenn sie ihn erhöht, ist es genauso schwierig, aber sie geht in die Mithaftung, wenn Schäden eintreten, wenn sie ihn verringert – dass die

38 Behörde jemanden zwingen könnte, mehr Wild zu erlegen – das, meine Damen und Herren, vergessen wir bitte sofort. Das führt zu keinerlei Lösung. Wenn es die Leute und die 11 000 Jäger nicht von selbst tun – die entscheiden selbst im Auftrag ihres Jagdrechtsinhabers –, dann passiert das nicht. Die Streckenverläufe sagen uns nicht viel. Aber sie sagen uns, dass der Wildbestand gestiegen ist, wenn sie lange konstant sind oder steigen. Diese Rückrechnungsmethode, die manchmal in Zweifel gezogen wird, ist eine hundertprozentig sichere Methode. Wenn Sie über mehrere Jahre Streckenzahlen hernehmen und das als Ansatz bringen – nur zur Erläuterung: Das geht davon aus, jedes Kind braucht eine Mama und einen Papa. Das Geschlechterfeld ist normalerweise eins zu eins, wenn auch manchmal gestört. So können Sie zurückrechnen. Was bei einer seriös angewendeten Rückrechnung herauskommt, ist der Mindestbestand, der da sein muss. Sonst hätten Sie diese Tiere nicht erlegen können. Das kann wesentlich höher sein. Auch die Angepasstheit ist eine relative Geschichte. In dem „Hatzfeldt-Projekt“ – ich habe das Projekt geleitet – ist es so, dass dort die angepasste Wilddichte Rehwild als wir angefangen haben, bei vier Stück pro 100 Hektar liegt. In einem Jagdbezirk im Sachsenforst, den ich sehr gut kenne, in dem alles ohne Zaun und ohne Verbiss wächst, liegt die Rehwilddichte aus der Streckenrückrechnung im Frühjahr mindestens bei 15. Trotzdem funktioniert alles. Das hat etwas mit Angebot von Natur aus zu tun, mit Lebensraum, mit Deckung und Nahrung. Das großflächige Wildmanagement kam gerade wieder als Begriff. Ich kann es nur noch einmal betonen, dann lasse ich es: Wir müssen uns aus meiner Sicht davon trennen, dass es eine großflächige einheitliche Wildbewirtschaftung gibt. Das ist nicht zielkonform. Wenn die Ziele so unterschiedlich sind, muss sie unterschiedlich sein. Wir müssen daran arbeiten, dass bei kleineren – – Herr Bitter sagte das schon, bei großen Jagdbezirken ist es kein Problem, die existieren nebeneinander. Neben dem „HatzfeldtProjekt“ gibt es ein Rotwildjagdgebiet. Dazwischen ist nur ein Waldweg. Das funktioniert ohne Probleme. Bei den Jagdgenossenschaften ist es etwas schwieriger. Aber die Zukunft ist aus meiner Sicht bei sehr unterschiedlichen, angepassten Jagdregimen, nicht bei einem einheitlichen. Das kann nicht funktionieren. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Als Nächstes Herr Wilke. Carsten Wilke: Frau Abgeordnete, ich will an die beiden Vorredner anknüpfen und keine Wertungen über die Effektivität von unterschiedlichen Jagdmethoden vornehmen. Aber eines – da nehme ich jetzt einmal eine Anleihe bei Prof. Müller: Sie haben vielleicht das Foto von ihm in Erinnerung, wo er auf der linken Seite ein Foto von einem reich strukturierten sächsischen Wald mit verschiedenen Baumarten und gestuft zeigte und rechts daneben einen Kiefernforst aus Brandenburg, der relativ langweilig aussah. Wenn Sie diesen Wald links anstreben, brauchen Sie Jagdmethoden, die auf der großen Fläche funktionieren, die mit Hundeeinsatz funktionieren, das, was heutzutage in der Jagdpraxis als Bewegungsjagden, Stöberjagden, Ansitzdrückjagden ausgedrückt wird, denn das, was er sagt, dieser Hirsch, der sich links wahrscheinlich wohlfühlt, ich bin mehr ein Frischling und mag das anders sehen. Aber ein Hirsch mag so sein. Der bleibt dort drin. Das heißt, mit herkömmlichen Methoden wird es immer schwieriger, das Wild unter solchen Bedingungen effektiv zu bejagen. Dann müssen Sie auf solche

39 Methoden zurückgreifen. Ein bestimmtes Waldbild, das Sie vor Augen haben, setzt auch eine bestimmte zu favorisierende Jagdart voraus. Die beiden Dinge haben einen inhaltlichen Zusammenhang. Sonst springt man an dieser Stelle zu kurz. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Als Nächster Herr Dr. Luthardt. Der. Michael Egidius Luthardt: Vielen Dank. Ich wollte nur kurz zu diesem Verfahren zur Einschätzung des Wildes auf die Waldvegetation etwas sagen. Ich will es einmal so bezeichnen. Ich bin eindeutig dafür, dass man eine landesweite Einschätzung machen sollte, was der Eigentümer damit macht. Das muss man ihm freistellen. Das ist klar. Aber ich bin auf jeden Fall dafür. Ich möchte auch noch einmal sagen, es sollte ein einheitliches Verfahren sein. Es gibt sehr viele unterschiedliche Verfahren. Wenn man sagt, jeder kann das machen, wie er will, haben wir zehn unterschiedliche Verfahren und können keinen Überblick über das Land haben. Das wäre schade. Deshalb bin ich dafür, dass man hier staatlicherseits eingreift und ein Verfahren vorgibt. Jeder kann frei entscheiden, ob er das nach diesem Verfahren macht oder nicht. Das ist, denke ich, notwendig. Sonst haben wir einen Wirrwarr. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Als Nächstes nimmt Herr Abg. Urban das Fragerecht für die AfD-Fraktion wahr. Bitte sehr. Jörg Urban, AfD: Vielen Dank auch von meiner Seite an die Sachverständigen. Ich habe wieder viel gelernt. Ich gebe es ehrlich zu. Ich bin weder Jäger noch Förster. Ich habe als Erstes eine Frage an Herrn Luthardt. Wir haben viel über die Verbissschäden von Rotwild gesprochen. Sie haben vorhin angedeutet, dass es auch noch andere Wildarten gibt. Für mich ist noch nicht deutlich geworden, zu wieviel Prozent ungefähr die Verbissschäden, von denen wir reden, auf die Rechnung des Rotwildes gehen. Oder welchen Anteil haben das Rehwild oder andere Schalenwildarten? Ist das Rotwild das Schlimmste von allen, was die Verbissschäden angeht? Oder ist das nur ein Aspekt? Das Zweite sind andere Baumarten. Kann man, indem man gezielt mit Baumarten eine größere Vielfalt in die Wälder bringt, die für Verbisse nicht so anfällig sind, etwas tun, um nicht nur mit Zäunen arbeiten zu müssen? Gibt es Baumarten, die prinzipiell von Schalenwild nicht gern gefressen werden, die aber zu einer neuen Struktur führen würden? Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. Die Frage richtete sich nur an Herrn Dr. Luthardt? Jörg Urban, AfD: Es kann auch gern jemand anderes etwas dazu sagen. Vors. Sebastian Fischer: Gut. Herr Dr. Luthardt, bitte sehr. Dr. Michael Egidius Luthardt: Sie haben gefragt, welchen Anteil das Rotwild bei den Verbissschäden hat. Das ist örtlich sehr unterschiedlich. In Sachsen, im Erzgebirge, wird es wahrscheinlich das Rotwild sein, das den Hauptanteil ausmacht. Aber flächendeckend haben wir es mit dem Rehwild zu tun. Beim Rotwild haben wir nur örtliche Schwerpunkte, aber Rehwild ist flächendeckend vorhanden. Ich denke, der Anteil des Rehwildes am Verbiss ist höher. Rehwild hat die besondere Spezialität, dass es ein Selektierer ist. Rehwild sucht sich ganz gezielt die Schmankerln aus, also die

40 Baumarten, die selten sind. Diese nehmen sie an, und die schmecken ihnen besonders gut. Ich denke, es mit anderen Baumarten zu versuchen, die nicht so anfällig sind – da kommt man schnell in den Bereich der sogenannten fremdländischen Baumarten. Das halte ich für nicht zielführend. Es geht vorrangig um unsere heimischen Baumarten, obwohl ich nichts generell gegen diese anderen Baumarten sagen will. Ich denke, es geht um unsere heimischen Baumarten. Die werden alle verbissen. Umso seltener sie in einem Gebiet sind, umso mehr werden sie angenommen. Wenn es in dem ganzen Bereich nur eine Eberesche gibt, wird die garantiert verbissen. Das findet das Rehwild. Es ist schwierig in solchen Bereichen, dass man alle Baumarten haben will, die vorkommen würden. Vors. Sebastian Fischer: Herr Lindner hatte sich gemeldet. Henrik Lindner: Vielen Dank. Ich wollte zu dem Thema Zäune etwas sagen, was Herr Urban angesprochen hat. Ich habe in meinem Vortrag gesagt, für den Tannenanbau im letzten Jahrhundert wurden 100 Kilometer Zaun gebaut. Trotzdem war am Ende nichts mehr da. Wir sollten uns davor hüten, Waldbau hinter Zäunen zu machen. Es gibt einen einfachen Grund: Der Zaun ist ein erheblicher Kostenfaktor. Zäune bringen keine hundertprozentige Sicherheit, gerade in Zeiten von häufigen Sturmereignissen. Im Wald ist Bruch. Der Zaun ist kaputt. Das Wild ist drin. Der Zaun kann fünf Jahre dicht gewesen sein. Wenn Wild einige Wochen drin ist, ist die gesamte Investition gefährdet – trotz Zaun. Der andere Aspekt ist, dass durch Zäune Äsungsfläche und Lebensraum für das Wild genommen werden. Noch einmal: Waldbau hinter Zäunen wird langfristig nicht funktionieren. Danke. Vors. Sebastian Fischer: Herr Prof. Dr. Müller. Prof. Dr. Michael Müller: Das ist mein Fachgebiet. Zu den Wildarten Rehwild, Konzentratselektierer, hat Herr Luthardt schon etwas gesagt. Wer anderen Wildarten nachhängt, die hin und wieder einmal Sachsen besuchen, möge berücksichtigen, dass auch Elche Konzentratselektierer sind und großen Hunger haben und insofern stark auf die Waldverjüngung einwirken, was Verbiss betrifft. Das liegt am Ernährungstyp – Konzentratselektierer, Mischäser oder Raufutteräser. Da kann man dem Bambi nachweinen. Das ist einfach so. Das kann man nicht ändern. Zu den Baumarten möchte ich eines ergänzen: Herr Luthardt sagte es schon. Allgemeine Beliebtheit, Besonderheit und auch die Auswirkungen. Baumarten reagieren unterschiedlich auf Verbiss. Bei der Rotbuche wäre das zum Beispiel nicht ganz so tragisch. Sie hat wechselständige Knospen. Das heißt, der Verlust an Höhenwachstum würde sehr schnell ausgeglichen werden. Wenn Sie beispielsweise einen Ahorn nehmen – eine typische Baumart, die wir im Erzgebirge zu erwarten hätten, auch im Tiefland – hätte gegenständige Knospen. Wenn der Terminaltrieb weggebissen wird, gibt es einen Zwiesel. Zumindest ist die Gefahr sehr groß, dass die Bauform verlorengeht. Dadurch ist der einzelne Einfluss durch das Wild bei der Baumart viel schwerwiegender, obwohl der Einfluss selbst – Verbiss – genau der gleiche ist. Es gibt

41 eine Rangfolge, die man beachten muss. Deshalb kann der gleiche Einfluss schwerwiegend unterschiedlich sein. Zu den anderen Baumarten: Wir wollen mit naturnahen Baumarten arbeiten. Also wechseln wir nicht. Es gibt schon einige. Eines darf ich sagen: Naturverjüngungen sind auf jeden Fall weniger gefährdet. Sie haben auch in Trockenzeiten – das ist klimawandelrelevant – in der Wurzel ein ungestörtes Wurzelwachstum, dadurch immer gut Anschluss. Sie vertrocknen nicht so schnell. Man braucht sich das nur bei der Eiche im Tiefland einmal anzuschauen – gepflanzte und Naturverjüngungsbäume. Sie sind unbeliebter beim Wild. Sie sind nicht hochgedüngt wie die Pflanzen aus der Baumschule. Die sind viel nahrhafter und inhaltsreicher. Das merkt das Rehwild und verbeißt diese Pflanzen aus der Baumschule viel intensiver als Naturverjüngungen. Auch das spricht dafür, es auf ganzer Fläche einzuregulieren und das der Natur anzunehmen. Das würde auch den Ärger mit der menschlichen Zielstellung zum Wild verringern, weil der Einfluss dann viel geringer ist. Beim gleichen Wildbestand haben Sie wesentlich geringere Wildeinflüsse auf Naturverjüngungen, als das bei Kunstverjüngungen der Fall ist. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. Es gibt Ergänzungswünsche von Herrn Dr. Luthardt. Bitte sehr. Dr. Michael Egidius Luthardt: Ich wollte nur kurz etwas klarstellen, weil es um das Thema Zäune ging und weil ich in meinem Vortrag ein wenig für die Zäune gesprochen hatte. Um das klarzustellen, muss ich einschränkend sagen: Ich bin generell für einen Waldumbau ohne Zäune. Das muss möglich sein. Aber ich habe das gemeint bezogen auf großflächige unstrukturierte Reihenbestände. Wenn wir dort eine Initialpflanzung hineinbringen wollen mit Baumarten –ich bin sehr dafür, dass man eine kleinflächige Initialpflanzung hineinbringt – die müssen aus meiner Sicht gezäunt werden. Diese meinte ich, nicht dass wir generell zäunen. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Lindner. Georg Lindner: Ich muss noch einmal für die Aktionsgemeinschaft „Naturgemäße Waldwirtschaft“ Werbung machen. Wir diskutieren hier ständig über Zäune und Baumarten, die schälresistent sein sollen und was weiß ich. Von welchen Zielbildern diskutieren wir eigentlich? Wir diskutieren nach wie vor über strukturreiche, artenreiche Wälder. Ich muss sagen, in Sachsen gibt es eine ganze Reihe von Forstbetrieben, die das Glück haben, über 75 Hektar Waldfläche zu besitzen. Damit sind sie ein Eigenjagdbezirk, und damit bestimmen sie selbst, was in dem Wald passiert. Unter 75 Hektar haben Sie Ihre Entscheidungsautonomie verloren und müssen das an den Vorsitzenden der Jagdgenossenschaft abgeben. Sie können auf ihn einwirken, aber ob er mitmacht oder nicht – vielleicht ist er nur Jagdpächter. Das gibt es alles. In diesen Betrieben stellte sich eines ein: Es wurde gejagt, gejagt, gejagt, nicht mit dem Ziel der Ausrottung, aber mit Sicherheit, um angepasste Wildbestände zu erreichen. Was passierte? Es haben sich in der Verjüngung mehr Baum- und Straucharten eingestellt, als zunächst vermutet wurde. In diesen Betrieben hat sich nach zehn, 15 Jahren eine Waldstruktur entwickelt, in der das Wild keine Rolle mehr spielt. Aber Sie müssen im Wald erst einmal harte handwerkliche Arbeit leisten, damit es soweit kommt. Sie können dann einen Zustand erreichen, bei dem der Wildeinfluss keine Frage mehr ist. Sie jagen natürlich weiter.

42

Das ist der Punkt, den ich immer wieder erwähnen muss. Wie gesagt, die Verjüngungsfreudigkeit des Waldes ist gegeben. Samentragende Baumarten haben wir genug im Wald. Es ist manchmal erstaunlich, dass sich selbst in den fernsten Kiefernwäldern plötzlich Buchen oder Eichen einstellen. Es gibt einen Eichelhäher. Es gibt andere Tierarten, die das verbreiten. Plötzlich steht dort etwas, und Sie sind erstaunt. Das ist für mich waldbaulicher Idealzustand. Er ist realisiert. Ich rede jetzt nicht von Dingen, die fernab liegen oder theoretisch oder Natur sind, sondern sie sind wirklich praktizierte Lebensrealität. Danke. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Als Nächstes erhält das Fragerecht Herr Abg. von Breitenbuch, CDU-Fraktion. Bitte sehr. Jörg Urban, AfD: Ich hatte eigentlich noch zwei andere Fragen. Vors. Sebastian Fischer: Herr Urban, Sie haben eine Nachfrage? – Bitte sehr. Jörg Urban, AfD: Ich hatte noch zwei andere Fragen. Ich habe keine Nachfrage. Vors. Sebastian Fischer: Bitte sehr, dann die zwei anderen Fragen. Jörg Urban, AfD: Wenn das zulässig ist. Vors. Sebastian Fischer: Selbstverständlich. Jörg Urban, AfD: Ich stelle sie vielleicht direkt, damit wir schneller durchkommen. Das eine ist die Frage paritätische Hegegemeinschaften. Das wurde angesprochen. Dazu hätte ich gern eine Auskunft von den beiden anwesenden Jägern, dem Herrn Dittrich und dem Herrn Zschommler, wie sie dazu stehen, dass man die Landnutzer mit in die Hegegemeinschaften hineinnimmt. Dazu hätte ich gern eine Rückkopplung. Die zweite Frage geht mehr in Richtung Ausweichflächen für das Wild, was aus meiner Sicht Naturschutzflächen im Wald bzw. Totalreservatsflächen sein könnten. Dazu hätte ich gern eine Stellungnahme von Prof. Bitter als Vertreter des privaten Waldbesitzes. Es gibt auch sehr viele kleine Flächen. Ich denke dort eher in die Richtung, dass man, wie man es in der Landwirtschaft macht, auch eine staatliche Förderung dafür geben könnte, dass man den Wald in Ruhe lässt, ihn für das Wild bereitstellt und nicht nur für die Nutzung. Das sind die beiden Fragenkomplexe. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank, Herr Abg. Urban. Zuerst erhält Herr Dr. Dittrich das Wort. Dr. Gert Dittrich: Zu der paritätischen Hegegemeinschaft habe ich kein Problem. Das finde ich gut, weil dort die Grundeigentümer auch etwas zu melden haben. Die Möglichkeit besteht auch nach dem Gesetz.

43

Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Zschommler. Gunter Zschommler: Paritätische Hegegemeinschaften kann man jetzt schon machen, wenn man das möchte. Vielleicht muss ich so viel vorwegschicken: Ich bin kein Jäger. Ich bin Vorsitzender der Jagdgenossenschaften. Das sind diejenigen, die Vertreter des Grund und Bodens sind. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn diese sich mit in die Hegegemeinschaften einbringen. Ich habe es in meinen Ausführungen schon gesagt. Die Jäger sind – mit Verlaub gesagt – Dienstleister des Grundeigentümers. Sie haben die Zielstellung, die der Grundeigentümer festlegt, im Rahmen des gesetzlichen Spielraums umzusetzen. Insofern sollten die Jagdgenossenschaften in diesen Hegegemeinschaften nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern entscheidendes Gremium sein. Damit bin ich stellenweise nicht ganz bei meinen Vorrednern. Ich denke, es gibt viele Jagdgenossenschaften, die ihren Jägern klar sagen, was sie möchten, wie viele Wildschäden sie tolerieren. Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass es keine Wildschäden gibt, sowohl beim Schwarzwild wie auch bei den Wiederkäuenden. Es wird immer Wildschäden geben. Es sei denn, wir schaffen das Wild komplett ab. Das muss man wissen. Die Frage ist das Maß der Dinge – wie immer im Leben. Zum naturnahen Wald hält sich meine Euphorie in Grenzen. Ich sage das einmal so deutlich. Wenn das ein Eigentümer machen will, kann man das gern anbieten. Es sollte aber nicht per Obermufti geschehen. Ein Anreizprogramm ist möglich. „Vertragsnaturschutz“ ist jetzt schon ein geflügeltes Wort, aber nicht per Gesetz. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Prof. Dr. Bitter. Prof. Dr. Andreas W. Bitter: Es war von Förderung für bestimmte Waldaufbauformen oder Stilllegung die Rede. Das ist, glaube ich, ein interessantes Instrument für die Zukunft. In vielen Darstellungen am heutigen Tage ist die unermessliche Vielfalt der Ökosystemleistungen, die wir von den Wäldern erwarten, beschrieben worden. Die finden bisher nur in begrenztem Umfang in Bezug auf Finanzierung und Förderung ganz speziell Berücksichtigung. Im Regelfall finanzieren sich Forstbetriebe nach wie vor zu 95 % aus dem Holz. Insoweit ist das sicherlich ein Thema, an dem gearbeitet werden sollte, wenn Gesellschaft Leistungsspektren weiterentwickelt und eine professionelle Leistungsentwicklung erwartet. Nur vor dem Hintergrund Kleinprivatwald ist es etwas, das weitere Anpassungen und Schritte erfordert, beispielsweise, dass dann zumindest von der Organisation her gemeinschaftlich gewirtschaftet wird, ohne Eigentümer- oder individuelle Interessen dabei nicht zu berücksichtigen, weil als Vertragspartner für entsprechende Gestaltungen, die eine Relevanz in der Landschaft haben, häufig nur größere Flächen bzw. Bewirtschafter von größeren Flächen infrage kommen. Trotzdem kann es ein interessanter Beitrag sein, wenn man einzelne kleine Flächen im Sinne entsprechender Trittsteine – zum Beispiel, dass man einen Wald stilllegt oder so etwas – – Das ist sicherlich eine Möglichkeit, aber das setzt weitere entschiedene Maßnahmen seitens der Politik voraus, damit wir dafür die entsprechenden Grundlagen haben. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Prof. Dr. Müller.

44

Prof. Dr. Michael Müller: Da zum zweiten Mal gerade Andeutungen gemacht wurden, wenn man bestimmte Waldbilder erzeugen wollte oder keine Wildschäden haben will, muss man das Wild ausrotten, möchte ich dem ausdrücklich und sehr heftig widersprechen. Rehwild können Sie mit jagdlichen Mitteln nicht ausrotten. Das funktioniert nicht. Das geht einfach nicht. (Kathrin Kagelmann, DIE LINKE: Beim Wolf hat man es schon mal geschafft!) Beim Rehwild geht es aber nicht. Ab drei Stück pro Hektar entzieht es sich unserer Büchse, und dann war es das. Beim Rotwild könnte man das. Aber da ist es nicht notwendig. Wir haben sehr viele Beispiele, wo es Wildbestände, auch Rotwildbestände gibt und keine Schäden mehr. Selbst hohe Zielstellungen mit Mischbeständen, naturnaher Waldbewirtschaftung – – Ein Beispiel hatte ich Ihnen genannt. Eine Rotwildpopulation funktioniert. Funktionierende gibt es im „Hatzfeldt-Projekt“. 50 Stück sind für eine funktionierende Population notwendig. Das ist auch da. Ob man damit Jägerträume erfüllen kann? Ich bin selbst – damit Sie das wissen – seit über 30 Jahren Jäger, ich glaube, auch einigermaßen passioniert. Für die Wildruhezonen, so hatte ich das verstanden, die Totalreservate – – Ich wünschte, wir hätten einmal die Kraft, einen Nationalpark einzuzäunen und darin nicht zu jagen. Wir würden erleben, gegen welche Windmühlenflügel wir teilweise auch vom Vermehrungsvermögen des Wildes wir kämpfen. Das liegt an der intensiven Ernährung in der Landwirtschaft des Wildes. Es gibt Vermehrungsraten und Sterblichkeitsraten, die weit von dem entfernt sind, was von Natur aus eintreten würde. Eines muss ich sagen: Es hat bisher nie funktioniert. Die Frage der Wildruhezonen gibt es seit 40, 50 Jahren. Das geistert immer herum. Ich kenne keine richtige, die funktioniert hat. Sie müssten wirklich das Jagen lassen, und zwar dort, wo sich vor allem im Winter das Wild von Natur aus einstellt, egal, wem es gehört. Der muss dort auf Jagd verzichten. Im Übrigen sind solche Wildruhezonen im Winter normalerweise die Talauen. Das sind wir mit unseren Straßen, unseren Häusern und dergleichen. Wenn man das trennen wollte, sind wir sehr schnell beim Konzept der Wintergatter. Die gibt es in Deutschland auch. Das ist das Ende der Jagd. Dann haben wir einen Tierpark, den wir erlegen, mit Fleischerhandwerk und so etwas. Ich denke, das ist kein gutes Konzept. Deshalb haben wir dem das Konzept der Wildruhezeiten entgegengesetzt. Wenn man dann im Wald Ruhe lässt, ist der ganze Wald eine Ruhezone, wenn man so will. Das erfordert das Einverständnis aller Jagdausübungsberechtigten. Aber diese Zeiten liegen in Zeiten, die jagdlich unattraktiv sind. Das hat sich eher bewährt als Wildruhezonen. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Zschommler. Gunter Zschommler: Vielleicht noch einmal zur Klarstellung: Ich weiß nicht, in welche Richtung Ihre Frage ging. Sollte sie in die Richtung Jagdruhe gehen, § 6a Bundesjagdgesetz, dann natürlich nein. Wir haben eine Bejagungspflicht in Deutschland, in Sachsen. An dieser sollten wir flächendeckend festhalten. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Damit sind alle Fragen beantwortet. Jetzt ist der Abg. von Breitenbuch, CDU-Fraktion, an der Reihe. Bitte sehr.

45

Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Auch von der CDU-Fraktion herzlichen Dank an die Sachverständigen. Der erste Fragekomplex geht in Richtung Jagdstrategie. Herr Bergner sprach in seinem Vortrag von ständigem Jagddruck, der herrsche. Deshalb an alle Sachverständigen die Frage: Was ist die richtige Jagdstrategie auf Rotwild, gerade wenn wir das betonen, was Prof. Müller sagte, die Vielfalt in den Bejagungen in den einzelnen Revieren? Sehen die Sachverständigen einen Bedarf daran, über die Hegegemeinschaft eine zentralere Steuerung einzurichten? Darum geht es letztendlich beim Vorschlag von Herrn Bergner. Dazu hätte ich gern von Herrn Bergner, aber auch von allen anderen, noch einmal eine Meinung. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Bergner, bitte. Karsten Bergner: Die eine richtige Jagdstrategie für Rotwild gibt es schlicht und ergreifend nicht. Das Rotwild hat Sommereinstände. Das Rotwild hat Wintereinstände. Vielleicht kann ich es am besten an diesem Forschungsprojekt veranschaulichen, das nächste Woche angeschoben werden soll. Deshalb ist das immer ein Kompromiss der verschiedenen Landnutzer. Wenn ich zum Beispiel auf dem Erzgebirgskamm jage und durch eventuelle Futtergaben oder was weiß ich dafür sorge, dass das Wild nicht in seine Wintereinstände abwandern kann, ist das auch eine Jagdstrategie. Die ist aber grundsätzlich falsch. Sie ist wildbiologisch falsch. Naturgemäß würde das Rotwild jetzt in seine Winterlebensräume ziehen. Wenn es dort bejagt wird, kommt es zu Schäden, weil das Rotwild im Winter seinen Energiebedarf herunterfährt. Das ist ganz einfach so. Dafür kann das Rotwild nichts. Das ist biologisch. Wenn ich das mit Treibjagden von diesem geringen Level immer wieder hochschubse – dass muss nicht einmal eine Treibjagd sein, das kann dieser Hund sein, der nicht an der Leine ist, das kann Tourismus sein –, habe ich die Schäden. Deshalb dieser ganzheitliche Ansatz. Selbstverständlich müssen die Jagdstrategien einen örtlichen Bezug haben und örtlich unterschiedlich sein. Sie orientieren sich an den Zielstellungen der Grundbesitzer, und zwar nicht nur der Waldbesitzer, sondern auch der Besitzer landwirtschaftlicher Flächen. In diesem Projekt soll ein Mediator zum Zuge kommen, dass erst einmal erfragt wird, welche unterschiedlichen Zielstellungen es in dieser Region gibt und wie man diese unter einen Hut bringen kann. Erst wenn man das geschafft hat, kann man auf die Jagdstrategie abstellen. Dazu gibt es die Hegegemeinschaft wie ein Dachverband über den ortsbezogenen Strategien. Bevor wir die Hegegemeinschaften immer weiter ausbauen, müssen wir zusehen, dass alle mitmachen. Ich nenne Ihnen ein aktuelles Beispiel. Ich habe aus der Geschäftsführung Sachsenforst in dieser Woche einen Brief erhalten. Darin steht, Sachsenforst kann seinen gesetzlichen Auftrag nicht erfüllen, wenn er Mitglied der Hegegemeinschaft ist. An so etwas müssen wir arbeiten. Erst wenn wir dahin gekommen sind, geht es weiter. Das wird ein sehr langer Weg sein. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Als Nächster hat sich Herr Georg Linder gemeldet. Bitte.

46 Georg Lindner: Ich glaube, es gibt in der Bejagung keinen Schematismus. Die Waldstrukturverhältnisse sind sehr unterschiedlich. Ich versuche einmal, das etwas zu strukturieren. Wenn Sie strukturarme Wälder haben, müssen Sie schießen. Dann müssen Sie dafür sorgen, dass Strukturen entstehen. Wenn Sie strukturreiche Wälder haben, fühlt sich das Wild darin wohl. Es ist weniger sichtbar. Aber Sie haben – das zeigen die Studien aus Österreich – wenig Schneebelastung und wenig Verbissbelastung. Aber es ist eine Entscheidung des jeweiligen Eigentümers oder der Eigentümergemeinschaft, wie auch immer die organisiert ist. Entscheidend ist, dass Sie bewusst Ihren Waldzustand wahrnehmen und eine Zielvorstellung haben. Dann können Sie aus meiner Sicht die richtigen Handlungsstrategien oder Schubladen für Ihr Bejagungskonzept ziehen. Ich halte nichts von einem Schematismus zu sagen, wir legen das nur in Abschussplänen fest. Dann haben wir den richtigen Weg. Wenn wir die Offenlandbereiche einbeziehen, ist es sicherlich so, dass wir dort mehr Strukturen brauchen, mehr Deckung, auch im Sinne von mehr Ruhe für das Wild. Ich glaube nicht, dass wir beim Rotwild mit einem permanenten Bejagen glauben, zum Erfolg zu kommen. Ich glaube, dass wir eine sogenannte Intervalljagd benötigen, wo wir zwischen hoher Jagdaktivität und niedriger bzw. null Jagdaktivität wechseln. Nur so kommen wir beim Rotwild zu den Abschusszahlen, die wir benötigen, um arten- und strukturreiche Wälder zu schaffen. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Henrik Lindner, bitte. Henrik Lindner: Ich möchte noch einmal an die Ergebnisse der Verbiss- und Schälgutachten erinnern. Darin waren die drei Leuchttürme enthalten, von denen ich sprach: Tharandter Wald, Cunnersdorf, Eibenstock. Vielleicht sollte man einmal schauen, wie es die Leute dort geschafft haben, die niedrigen Wildbestände zu erreichen. Sie können auf jeden Fall nicht alles falsch gemacht haben. Das sollte auch für andere Jagdbezirke beispielgebend sein. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Thode, bitte. Henrik Thode: Ich möchte meinem Vorredner Georg Lindner uneingeschränkt zustimmen, möchte aber auf einen zusätzlichen Aspekt aufmerksam machen, und zwar dass die praktische Jagdausübung in der Vergangenheit sehr stark einer Tradition unterlegen war, die einen weiteren Aufbau der Wildbestände initiiert. Dort müssen wir den Ausweg finden. Wir brauchen angepasste Jagdstrategien. Das kann man vom grünen Schreibtisch aus nicht sagen, ob Drückjagd mehr wird oder wie auch immer. Aber Fakt ist, die gewählten Jagdstrategien im Sinne eines möglicherweise falsch verstandenen waldgerechten Traditionalismus dürfen unsere grundsätzliche Zielstellung nicht konterkarieren. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Wilke. Carsten Wilke: Die Problematik vom Tätigwerden innerhalb von Hegegemeinschaften und der Wirksamkeit, die dort angestrebt wird, ist eine, dass es sicherlich gute Beispiele dafür gibt, wie das funktionieren kann. Es gibt aber auch die anderen. Das ist, glaube ich, das Problem. Das ist am Ende auch eine menschliche Frage. Ich will damit ausdrücken: Wenn die Hegegemeinschaft darüber eine Verständigung hat, welcher Wald als Grundlage für die Wildbewirtschaftung angestrebt wird, welche Aussagen in § 18 Ihres Waldgesetzes getroffen werden und wie die Waldstrategie der Sächsischen

47 Staatsregierung ist, ist ein bestimmtes Waldbild vorgeprägt. Es ist jetzt die Frage: Bekennt sich eine Hegegemeinschaft in ihrer Fläche – – Bei der Frage Rotwild sind Hegegemeinschaften ein gutes Maß der Dinge, weil diese Wildart eine enorme raumgreifende Lebensweise hat. Wenn da eine Verständigung stattfindet, was erzielt werden soll, kann das gut funktionieren. Ich bitte um Verständnis, ich kenne die sächsischen Verhältnisse nicht genügend, um mich aus dem Fenster zu lehnen. Aber ich kenne die Beispiele, wo in Hegegemeinschaften jagdliche Interessen mit der höchsten Priorität versehen werden. Darunter finden sich dann die Grundeigentümer oder zumindest einige von ihnen nicht wieder. Dann haben Sie ein Problem. Ich könnte mir vorstellen, aus den Beschreibungen heraus ist das das Problem Ihres sächsischen Staatsforstbetriebes. Wenn er den Eindruck hat, dass in einer Hegegemeinschaft ein Ziel verfolgt, ein Bild von Wald gesehen wird, das nicht dem entspricht, was die Staatsregierung mit ihrer Strategie verfolgt und was vermutlich das Fachministerium Sachsenforst vorgibt, dann ist dort ein Problem. Das führt unter Umständen zu solchen Schriftsätzen, wie Herr Bergner sie erwähnte. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einen ganz anderen Aspekt erwähnen, um nicht Dinge zu wiederholen. Ein Sachverhalt, der meines Erachtens immer wieder in der Analyse von Jagdergebnissen weit über Sachsen hinaus eine Rolle spielt, ist, dass der konsequenten Erfüllung des Kahlwildabschusses, also der weiblichen Teile einer Rotwildpopulation, zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird. Denn dort ist – die Biologie will es so – das angelegt, was später an Nachwuchs und weiterer Populationsentwicklung stattfindet. Diese Seite bedarf der großen Aufmerksamkeit in der Bejagung. Das geschieht aus meiner Sicht in vielen Fällen zu selten. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Dr. Luthardt. Dr. Michael Egidius Luthardt: Es war die Frage, ob die Hegegemeinschaft das Gremium wäre, in dem man einen Interessensausgleich, eine Interessensdiskussion haben könnte. Ich denke, ja, das ist durchaus möglich. Ich gehe noch einen Schritt weiter. Sie haben sicher vorhin bei meiner Präsentation gemerkt, dass ich immer den ganzheitlichen Ansatz suche, dass ich nicht nur den Wald sehe, sondern die gesamte natürliche Umwelt, zu der auch andere Landnutzer gehören. Ich weiß nicht, wie es in Sachsen ist. Aber ich denke, es ist ähnlich wie bei uns in Brandenburg. Es gibt bei den Landratsämtern verschiedene Beiräte. Es gibt den Beirat für die untere Jagdbehörde, für die Fischereibehörde, für die Naturschutzbehörde usw. Dort sitzen Fachleute, die die Behörden beraten sollen. Dort sitzen die Interessenvertreter, die Lobbyvertreter der Nutzergruppen. Deshalb sage ich, es wäre viel sinnführender, einen Beirat der Landnutzer, einen Gesamtbeirat zu machen, in dem alle sitzen und sich austauschen können. Wir haben das bei uns im Kleinen in dem Weltnaturerbe gemacht. Dort gibt es einen solchen Beirat, in dem alle sind. Dann findet man sehr schnell heraus, dass es verschiedene Interessen gibt, zum Beispiel der Jäger, der Jagdzeiten usw. und des Fremdenverkehrs. Wir haben den Fremdenverkehrsverband in diesem Beirat. Die planen Wanderwege, wo man sagt, hier geht das nicht, einen Wanderweg zu planen, weil es da andere Vorstellungen gibt.

48 Ich finde, man müsste vielmehr miteinander über diese Dinge reden, in welchem Gremium auch immer. Nach einzelnen Sitzungen schimpft jeder über jeden und sagt, die spinnen ja, was machen die denn da usw. Man muss ein Forum schaffen, in dem man sich miteinander austauschen kann. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Zschommler. Gunter Zschommler: Zum Thema richtige oder nicht richtige Jagdstrategie: Ich denke, das ist in den Regionen festzulegen. Man kann keine pauschale Aussage treffen. Das, was vielleicht auf dem Erzgebirgskamm funktioniert, muss nicht unbedingt in der Dübener Heide funktionieren, einfach von den räumlichen Gegebenheiten her, von der Zusammensetzung der Eigentümer oder von den Zielrichtungen der Eigentümer. Zum Thema Wintereinstände, das Wild in Ruhe lassen: Wenn das Wild im Wintereinstand ist, wird es dort Schäden geben. Es muss geklärt werden, wer den bezahlt. Wenn das Wild zur Hauptjagdzeit in anderen Regionen steht und dort „geerntet“ werden kann, kann es nicht sein, dass ein Dritter das zu dulden oder zu bezahlen hat. Zum Thema Jagd, Jagdruhe oder Intervalljagd: Ich glaube nicht, dass das Wild unterscheiden kann, auf welche Wildart der Jäger gerade ansitzt. Insofern bitte ich, das leidliche Problem Schwarzwild – – Mir wird nachgesagt, dass ich das immer wieder thematisiere. Aber als Landwirt ist das ein Hauptproblem. Wenn ich Jagdruhe mache und das Rotwild schonen will, werde ich auf alles Wild Jagdruhe haben. Ob das zielführend ist, möchte ich bezweifeln. Vors. Sebastian Fischer: Herr Prof. Dr. Müller, bitte sehr. Prof. Dr. Michael Müller. Das haben wir in mehreren Studien exerziert. Das funktioniert hervorragend. Die Jagdruhezeiten sind Zeiten, in denen sich das Wild im Winter im Wald einstellt, wo es Ruhe braucht. Das betrifft insbesondere den Februar und den März, teilweise auch den Januar. Es gibt die Sommerzeit, wo das Wild ohnehin zum größten Teil im Acker steht. Mein Vorschlag ist, dass man über Grenzen hinweg denken müsste. Wenn die Waldjäger im Wald kein Schwarzwild erlegen können, mögen die Landwirte – man spricht manchmal von grünen und grauen Jägern – die Kollegen aus dem Wald einladen. Wenn im Winter und Herbst die Bewegungsjagden im Wald sind, gibt es die Gegeneinladung für die Leute, die sonst im Feld jagen. Ich finde das immer etwas verbissen auf der Fläche. Darüber muss man deutlich einmal nachdenken. Die Frage war sehr eindeutig: Gibt es Bedarf an Steuerung? Aus meiner Sicht nicht. Hegegemeinschaften können funktionieren, wenn es eine gegenseitige Interessenlage gibt. Man muss etwas davon haben. Solange Hegegemeinschaften – ich sage das jetzt absichtlich – eine gegenseitige Überwachungsgemeinschaft sind, insbesondere was Trophäenträger betrifft, kann es nicht funktionieren. Es wäre eine gute Idee, wenn sich darin die verschiedenen Jagdstrategien gegenseitig über ihren Erfolg, über ihre Herangehensweise, über die Altersklassenzusammensetzung, über den Gesundheitszustand des Wildes unterrichten. Aber wenn Sie sich einmal anschauen, was da passiert, dann wundere ich mich nicht, dass das auseinanderbricht. Dort würde

49 ich auch austreten. Das ist klar. Ich kenne aber auch welche, die gut funktionieren. Das möchte ich noch einmal betonen. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Bergner. Karsten Bergner: Ich möchte noch einmal das verdeutlichen, was Herr Zschommler gerade sagte. Was passiert, wenn das Rotwild in seinem Wintereinstand steht und dort zu Schaden geht? Wer bezahlt das? Rotwild bejagen wir vom 1. August bis 31. Januar. Was passiert, wenn am 1. Februar das Rotwild zu Schaden geht? Sprich: in der Zeit, in der keine Jagdzeit ist? Deshalb vorhin mein Appell: Allein mit der Waffe können wir die Wildschäden nicht in den Griff bekommen. Zu den Ruhezonen: Das Rotwild bejagen wir ab 1. August. Aber auf Rehwild wird ab 16. April gejagt. Ab 16. April sitzen die Jäger auf der Kanzel, und es knallt. Jetzt sage ich das ganz unweidmännisch – die Jäger mögen mir das verzeihen: Woher soll der Rothirsch wissen, dass er nicht gemeint ist, wenn es von jeder Kanzel nach Jäger stinkt und überall knallt. Es hängt kein Zettel draußen. Der Rothirsch hat auch keinen Kalender, dass er sagt, das hast du gut gemacht, Jäger, ich bin erst in einem halben Jahr dran. Das funktioniert nicht. Die Wildarten interagieren zusammen. Zum Beispiel gibt es einen sehr großen Einfluss der Schwarzwildbejagung und der Schwarzwildpopulation auf das Birkwild. Auch das ist etwas, was in dem Forschungsprojekt untersucht werden soll. Das ist der Punkt, weshalb der NABU dieses Forschungsprojekt unterstützt. Es ist eine Seltenheit, dass sich Jäger und der NABU zu so etwas einmal zusammenschließen können. Ich denke, dass es hier eine übergeordnete Interessenlage gibt, wo man das in der Gesamtheit sehen muss und nicht nur auf eine einzelne Wildart abstellen sollte. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Jetzt ist noch einmal Herr Lindner an der Reihe. Georg Lindner: Herr Bergner, wer zwingt Sie, von April bis Ende Januar im Wald zu sitzen und zu jagen? Wer? Sie haben die freie Wahl der Jagdmethode. Sie können Ihren Abschuss auch bei einer einzigen Drückjagd erlegen, wenn Sie die Jagd professionell vorbereiten und wenn Sie das wollen. Dann haben Sie einen Tag Unruhe im Revier und den Rest des Jahres – 364 Tage – Ruhe. Dann reden wir, glaube ich, nicht mehr über Schäden. Karsten Bergner: Herr Lindner, das funktioniert – wie Herr Prof. Bitter schon sagte – in großen Gebieten. Jetzt bin ich der Besitzer von 75 Hektar. Dann hänge ich sehr davon ab, wie in den Gebieten um mein Jagdrevier herum gejagt wird. Das hat imaginären Einfluss auf mein Jagdgebiet. Georg Lindner: Herr Bergner, dann komme ich auf Sie zurück. Dann haben Sie die Möglichkeit, mit Ihren Jagdnachbarn einen Dialog zu führen. Dann gibt es eine Terminabstimmung für eine gemeinsame großräumige Jagd. Dann haben Sie das Thema auch vom Tisch. Karsten Bergner: So ist das. Die Grundlage dafür ist die Hegegemeinschaft.

50 Georg Lindner: Dazu brauchen Sie keine Institution. Das können Sie auch von Mensch zu Mensch über den Gartenzaun erledigen. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. Das ist doch sehr informativ. – Herr Prof. Dr. Müller. Prof. Dr. Michael Müller: Die Jagdzeit auf Rehwild ab 16. April ist eine große Errungenschaft. Es ist außerdem aus Klimawandelveränderungen, Vegetationsentwicklungen und dergleichen notwendig. Ich mache den Gegenvorschlag: Machen Sie das andere Wild am 16. April mit auf, eine Jagdzeitensynchronisation. Am 31. Mai machen wir für die Aufzuchtzeit des Wildes wieder zu. Das gibt es schon als Erprobung. Ich kann Ihnen das vorweisen. Das funktioniert ganz hervorragend. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Jetzt hat das Fragerecht Herr Abg. Heinz für die CDU-Fraktion. Andreas Heinz, CDU: Das möchte ich gern wahrnehmen. Dass sich hier neun Sachverständige relativ einig zu sein scheinen, was sich auch mit meinem Weltbild deckt, geht die erste Frage an Herrn Bergner. Sie hatten in Ihrem Schlussplädoyer angedeutet: Lassen Sie uns doch eine vernünftige Lösung finden. Dann wäre jetzt die Frage: Wie sähe die in Ihren Augen aus, und gibt es Länder mit vergleichbaren Strukturen? Damit meine ich jetzt nicht den Norden von Finnland, sondern Länder mit vergleichbaren Strukturen, wo das, was Ihrer Meinung nach vernünftig wäre, auch praktiziert wird. Wenn diese Frage beantwortet ist, habe ich noch eine zweite Frage. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. An wen ging die erste Frage? Andreas Heinz, CDU: An Herrn Bergner. Vors. Sebastian Fischer: Herr Bergner, bitte sehr. Karsten Bergner: Länder mit vergleichbaren Strukturen: Das ist sehr schwer, weil sich die Erfahrungen eines Landes nicht zwangsläufig auf ein anderes übertragen lassen müssen. Ich will nicht wieder mit dem Thema Wolf anfangen und Schweden ins Feld führen. Aber gehen Sie einmal davon aus, die Bevölkerungsdichte und die Zivilisationsdichte in Deutschland haben grundsätzlichen Einfluss auf den Lebensraum des Rotwildes. Allein durch die Infrastruktur, die in Deutschland zweifellos sehr ausgebaut ist, kommt es zu den Lebensraumzerschneidungen. Deshalb würde ich mich weigern, von einem Land auf ein anderes zu schließen. Die intelligentere Lösung – ich habe gesagt, es kann nicht sein, dass einer die reine Wahrheit hat. Ich habe sie auch nicht. Wenn Sie mich jetzt fragen, wie viel Wild im Erzgebirge steht, muss ich mit den Schultern zucken. Woher soll ich das wissen? Jetzt habe ich ein Revier in Freiberg. Da schaue ich mich um, und es kommt kein Rotwild vor. Dann sage ich: Oh, hier gibt es kein Rotwild mehr. Das ist alles aus der Sichtweise des Betrachters. Genau daher der Ansatz, dort nicht irgendwo – ich will nicht sagen Konfliktparteien, aber die Beteiligten – einzubringen, sondern wenn es keiner richtig wissen kann, soll es doch die Wissenschaft bringen. Die Wissenschaft muss doch immer neutral sein.

51

Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Abg. Heinz, bitte. Andreas Heinz, CDU: Sie führen eine Diskussion oder suggerieren, dass es so, wie es im Moment läuft, nicht laufen kann und sollte, können uns aber nicht sagen, wie es Ihrer Meinung nach läuft. Als Politiker schaut man ganz gern, wie es andere machen, ob es dort besser geht. Andere könnten sein: Thüringen, Rheinland-Pfalz, vergleichbare Strukturen, wie gesagt: nicht der Norden von Finnland. Wenn es dort die Probleme nicht gibt, was ich nicht weiß, aber da Sie nicht zufrieden zu sein scheinen, müssten Sie uns darlegen, wo es woanders besser läuft. Karsten Bergner: Man könnte darüber reden, dass es zum Beispiel für diese Hegegemeinschaften, wenn man sie als das Gremium sieht, in dem diese Regelungen stattfinden, eine Pflichtmitgliedschaft gibt. Dann kann sich dort keiner entziehen. Das ist zwar ein wenig – ich will nicht sagen – Gewalt, aber es ist so. In der Berufsgenossenschaft bin ich auch Mitglied und will es nicht sein. Dann kann ich mich zumindest dort einbringen und nicht aus der Verantwortung stehlen. Dann müssen wir davon ausgehen, dass es meines Wissens zum Beispiel in Thüringen die zweizügige Verwaltungsstruktur nicht gibt. Ein Kollege hat das vorhin angesprochen. Es gibt dieses Gremium der Landnutzer. Die müssen an einem Tisch sitzen. Dieser eine Tisch ist zum Beispiel der Jagdbeirat bei den unteren Jagdbehörden. Dort sitzen Jägervertreter, Naturschutzvertreter, Tourismusvertreter, Vertreter der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft. Es ist alles drin. Die haben beratend auf die untere Jagdbehörde einzuwirken, um entsprechende Abschusspläne zu generieren. Mehr als einen Abschussplan zu machen, kann die Behörde schlecht. Auf der anderen Seite gibt es das, dass jeder Forstbezirk seine eigene untere Jagdbehörde ist. Sprich: Die Wälder von Sachsenforst gehen komplett an der unteren Jagdbehörde der Landratsämter vorbei, im Gegensetz zum Beispiel zur Bundesforstverwaltung. Diese plant wieder bei den Landkreisen. Das ist, glaube ich ein Fakt, um den man sich Gedanken machen sollte, um alle an einen Tisch zu bringen, damit wir erst einmal reden können. Das ist der erste Schritt. Vors. Sebastian Fischer: Es gibt eine Nachfrage. Herr Abg. Heinz, bitte. Andreas Heinz, CDU: Gut. Dann würde ich das einmal zusammenfassen und eine Frage an alle stellen. Für Sie wäre eine Pflichtmitgliedschaft in Hegegemeinschaften und eine geänderte Verwaltungsstruktur intelligenter. Das wäre sozusagen Ihre Botschaft. Damit wären all die Probleme oder Meinungsverschiedenheiten zu lösen. Meine Frage an alle – ich bitte darum, diese nur mit ja oder nein zu beantworten – ist: Sehen Sie bei derzeitiger Wald- und Wildbewirtschaftungsstrategie im Freistaat Sachsen das Rotwildes, besonders die Hirsche, im Bestand gefährdet? Bitte nur ja oder nein. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank, Herr Abg. Heinz. Bevor wir diese Ja-und-neinRunde machen, hatte sich Prof. Dr. Müller gemeldet. Prof. Dr. Michael Müller: Was soll es bringen, eine Pflichtmitgliedschaft zu erzwingen? In Thüringen gibt es das. Es funktioniert auch nicht. Wenn Sie konsequent sind,

52 müssten Sie der Hegegemeinschaft die Entscheidungsgewalt übertragen, aber auch die volle Haftung. Da kann ich Ihnen sofort sagen: Das findet nicht statt. Dabei geht es um Millionen. Das wird niemand auf sich nehmen wollen. Ich muss auch bezweifeln, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Wir reden eigentlich über eine Anfrage. Ich merke immer mehr, es geht um ein bestimmtes Gebiet. Ich sage Ihnen: Nach meinem Dafürhalten ist auch dort alles in Ordnung. Die Leute machen nebeneinander und in Gebieten, die auch groß genug sind, etwas Unterschiedliches. Das ist klar. Wir sollten uns endlich abgewöhnen, immer auf den Nachbarn zu schauen. Der Nachbar macht das, was er für richtig erachtet. Solange das Wild nicht ausgerottet wird, gibt es keine Gefahr. Das ist nicht der Fall. Zur Pflichtmitgliedschaft kann ich nur sagen: Für mein Dafürhalten muss man von einer Gemeinschaft etwas haben. Wenn ich das nicht habe, gehe ich auch nicht hin. Vors. Sebastian Fischer: Herr Wilke möchte ergänzen. Bitte sehr. Carsten Wilke: Ich bitte um Nachsicht. Es reizt mich doch, zu diesem Thema eine Sichtweise zu geben, da ich Einblicke in Rheinland-Pfalz oder in Hessen habe, auch was Hegegemeinschaften angeht. Herr Abg. Heinz, eines darf man nicht vergessen: Sie haben hier in Sachsen eine Waldsituation, wo Sie vor dem Wunsch stehen, großflächige weitreichende Fichtenwälder, die in ihren Strukturen – – Sie haben den Anspruch, diese zu verändern, auch zu verbessern. In diesem Ausmaß gibt es aus den verschiedensten Gründen in ähnlichen Mittelgebirgslagen – Thüringen kenne ich zu wenig, aber ich kenne es in den alten Bundesländern ein wenig mehr, das ist völlig vorwurfsfrei – immer schon eine andere Situation. Das ist die besondere Herausforderung, die Sie haben. Ich habe deshalb in meiner Stellungnahme gesagt, wenn das in den nächsten Jahrzehnten erreicht werden soll, was an Strategie hier im Raum steht und was sich an Auftragslage aus Ihrem Gesetz ergibt, muss man für einige Jahrzehnte erst einmal die Dinge dahin bringen, dass diese Strukturen anders sind. Die anderen Herren haben das sehr häufig geschildert. Wenn man einmal einen Schritt weiter ist, entkrampft sich manches. Aber an der Stelle, an dieser Schwelle stehen Sie. Deshalb sage ich: Es gibt funktionierende Hegegemeinschaften. Es gibt sie auch mit Zwangsmitgliedschaften. Es gibt unbestreitbar sehr aufwendige Verfahren der Abstimmung und der Meinungsherbeiführung in diesen Gremien. Dann gibt es immer noch das Mitwirken von Behörden. Das ist nicht einfach. Aber Sie spüren, denke ich, auch aus Anlass der politischen Auseinandersetzungen in Ihrem Land, dass es ein komplexes und nicht ganz einfach zu lösendes Thema ist. Also reagiert man mit entsprechenden Strukturen darauf. Sie können funktionieren. Ich teile nicht den Defätismus, dass das gar nicht funktionieren kann. Aber es bedarf Zeit und Geduld. Sie hatten eine präzise Frage gestellt, Herr Abgeordneter. Darauf lautet meine Antwort: nein. Vors. Sebastian Fischer: Gut. Dann haben wir das einmal. Es ging darum, ob der Bestand des Rotwildes in der derzeitigen Situation gefährdet ist. Ich würde Sie jetzt der Reihe nach aufrufen. Zuerst Herr Bergner. Karsten Bergner: Ich weiß es nicht, weil ich die Zahlen nicht kenne.

53

Vors. Sebastian Fischer: Danke. – Herr Prof. Bitter. Prof. Dr. Andreas W. Bitter: Der Bestand ist nicht gefährdet. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Dr. Dittrich. Dr. Gert Dittrich: Der Bestand ist nicht gefährdet. Vors. Sebastian Fischer: Danke. – Herr Lindner. Georg Lindner: Nein. Vors. Sebastian Fischer: Herr Lindner. Henrik Lindner: Der Bestand ist nicht gefährdet. Vors. Sebastian Fischer: Herr Dr. Luthardt. Dr. Michael Egidius Luthardt: Nein. Vors. Sebastian Fischer: Herr Prof. Dr. Müller. Prof. Dr. Michael Müller: Nein. Vors. Sebastian Fischer: Herr Thode. Henrik Thode: Nein. Vors. Sebastian Fischer: Herr Wilke. Carsten Wilke: Noch einmal: nein. Vors. Sebastian Fischer: Stimmt. Entschuldigung. Herr Zschommler. Gunter Zschommler: Auch nein. Vors. Sebastian Fischer: Gut. Das ist ein relativ klares Meinungsbild. Vielen Dank. – Als Nächstes nimmt Herr Abg. Winkler sein Fragerecht für die SPD-Fraktion wahr. Bitte sehr. Volkmar Winkler, SPD: Auch von mir herzlichen Dank für die sehr interessanten Ausführungen. Ich muss das bestätigen. Auch ich habe dazugelernt. Meine ursprüngliche Frage hat sich erledigt. Ich habe aus dem Grund jetzt nur noch eine Frage an Herrn Bergner. Sie haben festgestellt, dass dieser Antrag und die Anhörung aus einem regionalen Konflikt heraus geboren sind. Es gab den Vorschlag einer Petition. Da wurde eine Aussage getroffen. Herr Bergner, Ihr Name steht darunter. Die staatlich ausgegebene Devise lautet: totschießen. Bleiben Sie nach dieser Anhörung bei dieser Aussage? Können Sie das auch weiterhin bestätigen? Wie stehen Sie zu Ihrer eigenen Veröffentlichung?

54 Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Bergner, bitte. Karsten Bergner: Dazu ein aktuelles Beispiel: Bei einer Jagd aktuell in Marienberg haben 122 Jäger sieben Stück Rotwild erlegt. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder es war nicht mehr da, oder es waren Dilettanten am Werk. Ich kenne die Kollegen, die das gemacht haben. Das sind gestandene, studierte Forstleute. Es sind keine Dilettanten. Nun kann jede Jagd einmal gut und einmal schlecht laufen. Aber es zeigt sich – deshalb auch vorhin meine Antwort: Ich weiß es nicht. – Es wurde hier viel Eibenstock und Tharandter Wald genannt. Der Minister Schmidt war dabei, als der Vorsitzende der Hegegemeinschaft „Tharandter Wald“ mitgeteilt hat, die TU Dresden hat eine Wildbestandsermittlung gemacht und kam auf 19 Stück Rotwild für den ganzen Tharandter Wald, woraufhin die Verwaltungsjagd einen Abschussplan von 25 Stück eingereicht hat. Rechnen, glaube ich, kann jeder selber. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Als Nächstes nimmt sein Fragerecht wahr der Abg. Wähner, CDU-Fraktion. Bitte sehr. Ronny Wähner, CDU: Vielen Dank auch von mir noch einmal an die Sachverständigen. Als Nichtforstwirt und Nichtjagdscheininhaber war es für mich sehr lehrreich, das einmal so dargeboten zu bekommen. Ich vertrete meinen Wahlkreis im Erzgebirge, Altlandkreis Annaberg. Von daher bin ich mit dem Thema vor Ort betraut, und man hört die eine oder andere Meinung. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Sie als Fachkundige noch zu zwei Punkten zu befragen. Einmal geht es um das Thema Wildbestände oder Rotwildbestände an sich. Es wurden mehrfach die Hochrechnungen über die Strecke gemacht, die erlegt wurde, was für mich nachvollziehbar ist. Trotzdem gibt es immer noch die Aussage der Bevölkerung, das wird immer weniger. Man sieht kaum noch einen Hirsch. Oder bei der Hirschbrunft hört man kaum noch einen Hirsch. Ich habe die Frage: Gibt es andere Methoden, die verlässlich sind, mit denen man einen Einblick bekommt, welche Bestände es gibt? Wie zuverlässig ist so etwas? Macht so etwas überhaupt Sinn? Das würde mich interessieren. Die Frage geht an alle Sachverständigen. Darf ich gleich noch die zweite Frage stellen? Vors. Sebastian Fischer: Selbstverständlich, Herr Abgeordneter. Ronny Wähner, CDU: Wir haben auch Leuchttürme. Mein Wahlkreis liegt im Forstrevier Neudorf. Dort ist man noch an der Arbeit. Aber wir haben den Leuchtturm Eibenstock. Auch andere wurden angesprochen. Wie hat man es dort geschafft? Das würde mich interessieren. Das ist nicht so weit weg von unserer Region. Das wären meine zwei Fragen an alle Sachverständigen. Danke. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. Wer fühlt sich berufen zu antworten? – Bitte sehr, Herr Prof. Bitter. Prof. Dr. Andreas W. Bitter: Danke, Herr Fischer. – Herr Abg. Wähner, herzlichen Dank für diese Frage. Sie haben nach Verfahren gefragt und die Verfahrensfrage

55 abgeschlossen mit der Generalfrage: Macht es überhaupt Sinn? Darauf möchte ich zurückkommen. Ich glaube, es ist nicht unser Problem, dass wir angeblich keine Daten über die Höhe eines Bestandes haben, weil sich daraus keine handlungsrelevanten Aussagen oder Entscheidungen ableiten lassen. Es wird immer in des Waldes Tiefe und der Nächte Dunkel bleiben, wo ganz genau eine entsprechende Zahl liegt. Die kann man im Zweifelsfall mit einer entsprechenden Fehlergröße in einer bestimmten Bandbreite angeben. Das ist meiner Ansicht nach hier alles gemacht worden. Dann muss man fragen: Warum braucht man unter Umständen bestimmte Zahlen oder so etwas? Um beispielsweise Populationen zu sichern, eine genetische Diversität oder so etwas. Aber das ist alles etwas, das außer Frage steht, dass es da keine Gefahren gibt. Wir haben diesen liebenswürdigen Freistaat Sachsen nicht als Insel im Meer, sondern tatsächlich vernetzt in Europa. Es gibt anschließende Rotwildgebiete in der Tschechischen Republik. Davon war die Rede. Es gibt anschließende Rotwildgebiete in Polen, und es gibt anschließende Rotwildgebiete in Brandenburg. Es gibt überall noch den freien Grenzverkehr. Für Rotwild gilt Schengen uneingeschränkt. (Heiterkeit) Von daher gesehen sind die notwendigen Potenziale auf jeden Fall langfristig und gegen jeden Zweifel und auch gegen den Zweifel von Herrn Bergner – er möge es mir nachsehen – gesichert. Sie können trotzdem auf Basis einer entsprechenden politischen Mission oder einfach nur, weil Sie es genau wissen wollen und in letzter Konsequenz der Wissenschaft in dieser Hinsicht auch Wundertaten zutrauen, dort weiter arbeiten und forschen lassen. Aber es bringt uns in unserer Diskussion – so habe ich jedenfalls ganz persönlich den Eindruck – nicht einen Schritt weiter. Es sei denn, es kann jemand nach Hause gehen und sagen das machen wir jetzt auch noch. Aber es wird in Deutschland so lange gezählt und gerechnet, wie wir managen. Es hat in dem Zusammenhang keine Wirkung gehabt. Danke. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Lindner, bitte. Henrik Lindner: Ich möchte an die zweite Frage von Herrn Wähner anschließen, wie das in diesen Gebieten geschafft wurde, die Wildbestände zu reduzieren. Ich komme aus Lauter-Bernsbach. Wir sind fast Nachbarn. Ich weiß, dass konsequent und intensiv gejagt werden muss, um dieses Ziel der niedrigen Wildbestände zu erreichen. Jagd ist harte Arbeit und muss professionell durchgeführt werden. Ich möchte Herrn Thode etwas widersprechen. Wir brauchen nicht unbedingt die 11 000 Jagdscheininhaber. Dabei sind viele Sonntagsjäger. Jagd muss – wie gesagt – professionell sein, und es ist harte Arbeit. So funktioniert das. Es muss über einen längeren Zeitraum konsequent gejagt werden. Das wurde dort oben gemacht. Vors. Sebastian Fischer: Herr Dr. Dittrich, bitte. Dr. Gert Dittrich: Es ist tatsächlich so. Ich kann auch bestätigen, was Herr Lindner sagte. Es gibt einige Methoden dafür. Allein – ich sage es einmal, das war auch mein Hobby – aus den Strecken eine Rückrechnung. Man kann das nach Altersklassen machen. Das geht alles. Es ist mit viel Arbeit verbunden. Man kann aber auch draußen

56 an einem bestimmten Tag Zählungen machen, dass jeder Jäger meldet, was er gesehen hat. Das ist in der Gesamtschau ein sehr großer Aufwand. Das ist keine Frage. Das könnte man alles machen. Das sind keine neuen Dinge. Aber es muss einmal jemand zusammentragen. Dann wird man sehen, wie es aussieht. Man kann das mit den Streckenergebnissen vergleichen. Machbar ist es. In der Königsbrücker Heide hat man das mit dem Flugzeug gemacht. Das geht sicher im Erzgebirge nicht. Man hat gestaunt, was alles da ist. Aber machbar ist das. Das ist auch eine Aufgabe einer Hegegemeinschaft, keine Frage. Die Strecke allein ist das Ergebnis, was von dem, was da ist, übrig geblieben ist. Es ist machbar, aber sehr arbeitsintensiv. Das muss ich dazusagen. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. Damit haben wir die Frage beantwortet. – Die nächste Frage stellt der Abg. von Breitenbuch. Bitte sehr. Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Ich habe eine Nachfrage an Herrn Thode. Sie haben vorhin die Jäger angesprochen, weidmännisches Jagen. Verändern sich die Jäger? Gibt es mit dem Generationswechsel eine Veränderung? Wie beurteilen Sie das? Ich habe noch die Frage an die Sachverständigen: Wie wird sich Jagd in der Effizienz verändern? Ich hatte vorhin ein wenig auf Jagdstrategie abgehoben. Wie beurteilen Sie das? Die Frage geht an die beiden Vertreter der Jägerschaft, aber auch an alle. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. Ein Vertreter der Jägerschaft ist auf jeden Fall Herr Dr. Dittrich. Dann hatten wir Herrn Prof. Dr. Müller. Bitte sehr, Herr Dr. Dittrich. Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Ich hatte Herrn Thode angesprochen. Henrik Thode: Ich denke, dass wir eine ganze Menge Informationen zu den sächsischen Jagdscheininhabern zusammentragen könnten. Ich kann Ihnen aber diese Frage jetzt hier nicht beantworten. Ich sage einmal, es ist für mich ein echtes Phänomen. Es gibt eine fundierte Jagdausbildung. Wir reden von einem „grünen Abitur“ und gleichwohl sind sich die Sachverständigen einig, wie sich das Klima verändert, wie wir darauf reagieren müssen, wie sich Populationen verändern. Wir haben eine unbestimmte Gruppe von Jägern, die sich diesen Informationen, diesem Wissensstand zumindest in ihrer praktischen Jagdausübung verweigert. Das ist mein persönlicher Eindruck. Ich kann gern korrigiert werden. Das ist in meinen Augen in der Tat ein Phänomen, bei dem wir nicht wegschauen und alle zusammen überlegen sollten, wie wir an diese Geschichte besser herankommen. Wir liegen dort nicht übereinander. Ich denke schon, dass wir alle 11 000 Jäger brauchen und dass wir mit diesen 11 000 Jägern ein sehr gutes Potenzial haben, die Aufgaben der Zukunft zu leisten. Aber mein persönlicher Eindruck ist: Irgendwie ist der Wurm drin. Auch wenn ich das jetzt nicht genauer identifizieren kann. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Dr. Dittrich, bitte. Dr. Gert Dittrich: Vielleicht noch eine Bemerkung dazu. Ich bin etwas vorbelastet. Das ist aber nicht zu ändern. Damit müssen manche leben. Da ich mich mit dieser und jener Geschichte intensiv beschäftigt habe – ob das die Wildforschung ist oder auch die Jägerausbildung, die ich mache, und die Jägerprüfung: Ich muss Ihnen, Herr Thode, in

57 großen Teilen recht geben. Das ist eigentlich in jeder Sparte so. Ich sage es vorsichtig in Anführungsstrichen. „Hobby“ ist es sicher nicht. Es ist harte Arbeit, die ich zu meinem normalen Arbeitsverhältnis betreibe, auch wenn es häufig am Wochenende passiert. Von diesem Bild muss man wegkommen. Wie bei jedem anderen Hobby sollte ich das Bedürfnis haben, mich weiter zu qualifizieren. Es gibt so viel Neues, auch auf dem Gebiet der Wildforschung. Es ist manchmal nicht mehr alles sofort zu erfassen. Es ist schwer. Es liegt auch an uns, dass wir an unsere Mitglieder – das sind nur knapp über 50 % – solche Dinge weitervermitteln können. Wir haben noch lange nicht alle erreicht. Das ist Künstlerpech, sage ich einmal. Aber es ist sicher ein heißes Eisen, dass man sich damit einmal befasst. Wenn ich zu den Österreichern schaue oder zu anderen Nachbarn, da sind so viel Munition und gute Erfahrung drin. Die müssen wir aufgreifen und unseren Jägern vermitteln. Wenn wir aber eine Fortbildungsveranstaltung machen, fehlt eine ganze Menge. Das ist weiß Gott so. Ich bitte um Nachsicht. Ich gehöre auch zur älteren Gruppe. Wir haben einen großen Teil, wenn nicht ein Drittel Mitglieder – jetzt kann ich nur einmal für den Landesjagdverband sprechen –, die 65 Jahre und älter sind. Uns fehlt die Jugend. Warum? Die gehen zwar gern und intensiv zur Jagd. Ich sehe es bei mir in der Familie. Ich brauche nur den Vergleich anzustellen. Aber sie haben letztendlich die Zeit nicht. Wenn wir dann noch kommen und sagen, jetzt müssen wir aber Qualifizierung machen, die dringend notwendig wäre, sitzen höchstens noch einige Ältere da und wenig Jüngere. Das ist eine Sache, die wir anfassen müssen. Das ist ganz klar. Es ist eine Menge Arbeit damit verbunden. Wenn es dann noch Ärgernisse gibt, wird es noch schwieriger. Die machen sowieso, was sie wollen. Da gehen wir gar nicht erst hin. Man muss das einmal vom menschlichen Punkt aus betrachten. Wir haben noch viel zu ackern, um etwas hinzubekommen. Es tut mir leid, aber ich muss es sagen. Es bringt nichts, wenn wir uns etwas vormachen. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Als Nächstes hatte sich Herr Dr. Müller gemeldet. Prof. Dr. Michael Müller: Wir haben in fünf Projektgebieten in Thüringen und fünf in Brandenburg mit einer Jagdfläche von weit über 100 000 Hektar die Waldbesitzer und die Jäger befragt, was ihr vorrangiger Sinn der Jagd ist. Wir haben Kategorien vorgegeben: das Erfüllen der Waldbesitzerinteressen, dass Jagd Hobby und Freizeitgestaltung ist, dass es um Trophäen geht oder um Einkommen oder um Sonstiges. Unter „Sonstiges“ stand manchmal auch: Ich brauche einen guten Grund, um von zu Hause wegzukommen. (Heiterkeit) Das war aber nur eine verschwindende Minderheit. Sowohl bei den Waldbesitzern wie auch bei den Jägern war die vorrangige Antwort: den Zielen der Waldbesitzer zu dienen. Das war bei den Jägern etwas geringer als bei den Waldbesitzern. Das ist selbstverständlich bei den Waldbesitzern. Das war bei beiden der Rang 1. Der Rang 2 war bei beiden: Es ist Hobby und Freizeitgestaltung. Das ist ganz erstaunlich, denn das treibt uns Jäger in den Wald. Ich bin Begehungsscheininhaber und muss dafür, dass ich

58 meinem Besitzer eine Dienstleistung mache, sogar bezahlen. Normalerweise müsste das andersherum sein, auch bei den Werten, die dadurch erzielt werden. Aber das ist die Eintrittskarte, dort seiner Freizeitpassion nachzugehen. Das Einkommen war sowohl bei den Waldbesitzern wie auch bei den Jägern nachrangig. Es gab natürlich Pächter, die sagten, es gehe ihnen darum, kostendeckend oder gewinnbringend zu sein. Bei den Waldbesitzern war das auch nachrangig. Das heißt, die Waldbesitzer sind viel mehr daran interessiert, dass ihre Ziele erfüllt werden, als dass sie von den Jägern oder den Jagdpächtern Geld bekommen. Die letzte Station war bei beiden die Trophäen, auch bei den Jägern, was sogar im Fernsehen suggeriert wird. Das war völlig nachrangig. Dass die Waldbesitzer nicht an Trophäen interessiert waren – für die, die jagen –, hat uns nicht gewundert, aber dass die Jäger daran wenig interessiert sind. Bis uns ein Licht aufgegangen ist: Das meiste Wild hat keine Trophäen, das weibliche nicht – es sei denn, man nimmt den weiblichen Fuchs – und das Jungwild auch keine. Die meisten dicken Trophäen können sich nur die leisten, die ein entsprechend dickes Portmonee haben. Insofern stimmen sehr viele Dinge überein. Deshalb ist es ein Paradoxon. Es liegt auch daran, dass die Inhaber des Jagdrechtes ihren Jägern oft nicht deutlich genug sagen, was sie von ihnen erwarten. Wir haben völlige Vertragsfreiheit, um das hineinzuschreiben. Hier kommen wir vielleicht wieder zum Sachsenforst zurück. Der weiß ganz genau, was er will. Viele andere Waldbesitzer wissen das vielleicht nicht oder haben keine Phantasie, was sie verlangen könnten. Hier ist ein großes Weiterbildungsangebot gefragt, damit die Leute wissen, was sie von ihrem Wald haben können. Der ist mittlerweile richtig wertvoll geworden. Wir haben solche Ergebnisse. Es ist nicht so, dass wir es nicht wüssten. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Dr. Luthardt, bitte. Dr. Michael Egidius Luthardt: Es ist schon gesagt worden, dass es einen großen Handlungsbedarf gibt, was die Reduzierung der übermäßigen Wildbestände angeht. Ich sehe es etwas kritisch, wenn wir schauen, wie die Jägerschaft strukturiert ist. Ich kann für Brandenburg und für meinen Umkreis sprechen. Ich kann auch bestätigen, was Herr Dr. Dittrich sagte. Sie ist altersmäßig schon weit über dem hinaus, dass man irgendwann körperlich auch nicht mehr so kann. Andererseits haben wir es noch mit einem anderen Phänomen zu tun. Ich wohne auf einem Dorf, in das viele Leute aus der Hauptstadt kommen, Berliner ins Umfeld ausschwärmen. Dort hat die Jagd ein sehr geringes Ansehen. Die Akzeptanz der Jagd ist bei solchen Leuten sehr gering. Sie sehen es meist als etwas Schlimmes an. Da werden kleine Rehe totgeschossen. Das sind ganz schlimme Leute. Es werden immer mehr Hochsitze umgesägt usw. Wir haben es immer mehr damit zu tun, dass es eine Gegenbewegung solcher Jagdgegner gibt. Das ist ein schwieriges Problem. Immer mehr Menschen wohnen in den Städten. Die wissen nicht mehr, dass man Wild auch schießen kann, dass es wunderbar schmeckt. Ich kann nicht sagen, wie man das ändern soll. Man muss die Jagd wieder im gesellschaftlichen Kontext als etwas Gutes darstellen. Sie muss wieder ein positives Image bekommen. Dazu gehört auch die Politik. Sie muss das tun, denke ich. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Wilke, bitte.

59

Carsten Wilke: Herr Abg. von Breitenbuch, Ihre Frage zielt im Kern auf die Grundarchitektur des deutschen Jagdwesens ab. Herr Müller hat das in seinen Ausführungen eben illustriert. Wir haben ein Revierjagdsystem. Ich bekenne mich gleich dazu: Ich bin ein glühender Anhänger des Revierjagdsystems, aber es hat bestimmte Folgerungen. Jagdrecht hängt an dem Recht Eigentum, Grund und Boden. Derjenige, der das Jagdrecht hat, hat in diesem Jagdwesen eine enorme Verantwortungsstellung, in der er sich in weiten Teilen nur selbst Rechenschaft ablegt. Wir haben das gehört: Was will der Eigentümer und was nicht. Jetzt fällt aber dieses Jagdrecht sehr häufig mit dem Jagdausübungsrecht auseinander. Der, der das Jagdausübungsrecht wahrnimmt, ist nicht mehr der Jagdrechtsinhaber, sondern er hat es von ihm gepachtet. Da gehen die Dinge weiter, die Herr Müller sagte, die Frage, was der eigentlich verfolgt. Ist das immer identisch mit dem, was der eigentliche Eigentümer des Jagdrechts will? Der Jagdausübungsberechtigte hat aber in unserem deutschen Jagdsystem und Jagdrecht eine sehr starke Stellung. Daraus ergeben sich manche der Dinge. Die Wahrnehmung von Eigenverantwortung – – Was Herr Dr. Dittrich sagte, ist, glaube ich, von großer Ehrlichkeit geprägt, dass hier eine Frage der Qualität von Jagdausübung eine Rolle spielt. Das ist eine Entwicklung. Frau Kagelmann ist jetzt nicht da, aber zu ihrem Trost würde ich sagen: Die Jagd wird in Zukunft sehr viel weiblicher. Es ist signifikant erkennbar, dass mehr Frauen diesem Geschäft nachgehen. Vielleicht verändert das etwas. Ich weiß es nicht. Dann gibt es auf dieser Seite nicht mehr so viele Platzhirsche wie jetzt. Vielleicht haben Sie in zehn oder 15 Jahren eine Anhörung, bei der hier mehr Damen sitzen. Vielleicht haben sich dann Dinge geändert. Ich weiß es nicht. Aber man muss die Grundkonstruktion im Hintergrund bewahren. Sie hat Riesenvorzüge, aber manche der Konflikte, die wir hier diskutieren, sind dadurch impliziert. Wünschen Sie sich bitte kein Lizenzjagdsystem. Das ist auch grauenhaft. Vors. Sebastian Fischer: Herr Lindner. Georg Lindner: Ich glaube, ein einfacher Gedankenansatz wäre: Erörtern Sie doch einmal in Ihren Revieren und mit allen Verantwortlichen die Frage: Was bremst uns im Jagderfolg? Wir haben gehört, es gibt 11 000 Jäger in Sachsen. Zum überwiegenden Teil sind es Jäger, die in ihrer Freizeit jagen gehen. Gehen Sie jagen, wenn Sie Magenschmerzen haben, weil Sie auf die Jagd gehen dürfen, weil Ihnen dort wieder jemand sagt, in dem Teil darfst du das nicht schießen? Du hast schon drei Sauen geschossen und musst erst warten, bis der andere – – Der Rehbock war zu jung usw. Was bremst die Jagdfreude? Das ist aus meiner Sicht eine wichtige Frage; denn dann kommen Sie sehr schnell auf großartige Erkenntnisse, die sich im Alltag auftun. Ich sage einmal: Diese Bremsen wären leicht zu lösen. Man muss vielleicht manche Denkstruktur auflösen. Man muss vielleicht manchen ein wenig auf die Sprünge helfen. Aber es gibt nichts Schöneres, als mit einigen Leuten zusammen zu jagen, sie einzuladen, denen Freude zu vermitteln. Ohne diesen psychologischen Faktor „Freude“ geht es aus meiner Sicht nicht, einmal abgesehen von den Ausbildungsinhalten. Ich bin der Meinung, dass wir die Ausbildung der Jäger wesentlich ändern müssen.

60 Das beginnt bei der Kenntnis des Wildverhaltens, der Wildbiologie im Zusammenhang mit den Lebensräumen. Da fehlt es hinten und vorn. Als Jäger muss ich meine gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen. Ich muss wissen, dass ich nur ein Teil eines Systems bin, aber nicht das System schlechthin. Es gehört dazu, dass ich mich ein Jahr einmal mit weniger Strecke zufriedengebe, und im anderen Jahr klappt es besser. Es kann auch nicht jedes Jahr ein Superhirsch sein. Jagdfreude muss sich aus meiner Sicht ein wenig auch über die Akzeptanz in der Bevölkerung oder meinen Jagdnachbarn widerspiegeln. Es kann nicht nur sein, dass wir uns an der Entenzahl hochziehen, um entsprechende Befriedigung zu finden. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank für die Antwort. – Als Nächstes erhält das Fragerecht Frau Dr. Pinka, Fraktion DIE LINKE. Bitte sehr. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Vielen Dank, Herr Fischer. Ich habe nur zwei kleine Fragen, würde aber gern auf den Antrag zurückkommen und sagen, dass ich mich freue, dass es diese Kooperation zwischen Sachsenforst und der TU Dresden gibt, dass man sich vielleicht mit der Hegegemeinschaft moderiert und vielleicht aus dem Rotwildbestand als Erkenntnis hat, dass man einen Wildmanagementplan braucht. Das könnte herauskommen. Ich habe vorhin einen Zwischenton gehört mit diesen Verjüngungen. Sie sagten, möglicherweise können wir von unserer Strategie, die wir in Sachsen haben, die Forstpflanze an manchen Standorten in Größenordnungen zu entwickeln, zurückfahren, wenn wir bessere Naturverjüngungen hätten. Kann man das steuern? Würden die Bedarfe an Waldnachbau kommen? Oder müssen wir mit woanders entwickelten Pflanzen arbeiten, wenn die dann so gut gefressen werden? Vors. Sebastian Fischer: An wen geht die Frage? Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: An Herrn Prof. Müller vielleicht. Vors. Sebastian Fischer: Herr Prof. Müller, bitte sehr. Prof. Dr. Michael Müller: Nach meinem Dafürhalten ist das bereits der Fall. Ich erzähle Ihnen einmal eine kleine Geschichte. Ich hatte Gäste aus Russland, die sehr stark mit Baumschulen wirtschaften. Die wollten mir nicht glauben, dass ich denen rund um den Uni-Standort keine Baumschule zeigen kann, weil keine mehr existiert und künstliche Pflanzungen draußen nicht in Größenordnungen gemacht werden, aber sehr viel Naturverjüngung läuft. Dann sind Sie waldbaulich sehr frei. Wenn Sie unter den schattenertragenden Baumarten Buche, Fichte wieder schattenertragende Baumarten im Verjüngungsvorrat haben, können Sie oben nutzen, wenn der Markt am besten ist. Die nächste Generation steht schon da. Das können Sie sich draußen anschauen. Im Tharandter Wald steht in Größenordnungen Naturverjüngung. Sturmereignisse haben natürlich Kunstverjüngung hervorgerufen oder das Bedürfnis danach. Ansonsten läuft Naturverjüngung in Größenordnungen. Das ist so. Vors. Sebastian Fischer: Eine Nachfrage? – Bitte sehr. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Ich meine, Sachsenforst hat doch noch mindesten vier solcher Baumschulen, oder? Graupa und was weiß ich nicht alles.

61 Prof. Dr. Michael Müller: Ja. Aber im Vergleich zu DDR-Zeiten oder auch zu Nachwendezeiten ist das nicht allzu viel. Zu Sachsenforst müssen die Kollegen von dort antworten. Ich kann es nur aus Brandenburg sagen. Dort war ich damals als Referatsleiter zuständig. Wir hatten 50 Baumschulen. Davon existiert nur noch ein Bruchteil. Es ist viel weggebrochen, weil das Bedürfnis an Pflanzenanzucht nicht mehr in dem Maße existiert, für Sonderanzuchten schon. Wenn Sie für bestimmte Herkünfte, für bestimmte Lagen, Generhaltung, etwas haben wollen, muss man bestimmte Dinge vorhalten und das betreiben. Natürlich gibt es auch das Bedürfnis an Kunstverjüngung. Wenn Sie beispielsweise einen Oberstand haben, wo Sie das Material aus genetischen Gründen nicht haben wollen, weil es früher einmal aus dem Tiefland geholt wurde oder eine völlig falsche Herkunft aus dem Ausland ist, oder wenn Sie völlig wandeln wollen, wie Herr Luthardt vorhin sagte, Sie haben einen Fichtenreihenbestand, wollen dort aber schneller zum Buchenanteil kommen, müssen Sie eine Kunstverjüngung machen. Dafür wird auch Kapazität vorgehalten. Aber wenn es mit Naturverjüngung geht, kann man das heute sehr gut tun. Das wird im Sachsenforst für mein Dafürhalten in Größenordnungen gemacht. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. Damit ist die Frage beantwortet. – Als Nächstes erhält das Fragerecht Herr Abg. Günther. Bitte sehr. Wolfram Günther, GRÜNE: Danke. Ich möchte noch einmal auf unseren Antrag zurückkommen. Vielleicht überlegen sich die anderen Fraktionen, ob sie dem Antrag zustimmen oder vielleicht noch einen Änderungsantrag dazu stellen. Der Hintergrund ist der naturnahe Waldumbau mit dem Fernziel der gerade angesprochenen Naturverjüngung. Wir haben alle verstanden, wenn man das nicht macht oder mit Zäunen macht, kann das im Prinzip keiner zahlen. Das ist nicht wirtschaftlich und auf Dauer auch nicht sicher. Es muss nur ein Baum umfallen, dann sind zehnjährige Erfolge über Nacht auf einmal weggefressen. Deshalb meine Frage in so einer Stufenfolge: Erstens. Wenn Sie dem zustimmen, dass es das Problem gibt, dass wir erst einmal zu einem naturnahen Waldumbau kommen müssen mit dem Fernziel Naturverjüngung, ist die zweite Frage: Kann man auf dem Weg politisch etwas helfen? Wir sind hier als Ausschuss des Landtags da. Wenn Sie das auch bejahen und das alles vorausgesetzt, ist unser Antrag, den wir GRÜNEN dazu gestellt haben, hilfreich? Wenn nein, was wäre Ihr Vorschlag, was man politisch machen könnte? Ich würde jeden Sachverständigen bitten, kurz darauf zu antworten. Vors. Sebastian Fischer: Gut. Dann fangen wir bei Herrn Bergner an. Karsten Bergner: Ich würde gern beide Fragen mit ja beantworten. Selbstverständlich ist die Naturverjüngung nicht nur Fernziel. Sie ist in weiten Teilen schon gegeben. Ich selbst bewirtschafte 1 000 Hektar Wald. Ich mache nicht nur Hegegemeinschaft. Das ist mehr Freizeitbetätigung. Ich als Bewirtschafter von 1 000 Hektar Wald würde mir zum Beispiel wünschen, dass das Land Sachsen seine Förderregularien mehr nutzt. Ich könnte mir vorstellen, dass die Forsteinrichtung besser gefördert wird. Sprich: dass mir als Waldbesitzer gesagt wird, hier hast du den und den Boden und die und die Baumart ist die beste. Es ist nicht jeder Waldbesitzer Förster. Jeder kann es nicht wissen. Dann ist es so, dass die Förderung gegenwärtig nur auf sehr ausgewählte Baumarten abzielt – welchen Hintergrund auch immer das hat. Wenn man dort etwas aufmachen würde – am besten kann man die Leute über den Geldbeutel fangen. Ich will nicht sagen, Sie sollen die Leute mit Geld ködern. Bei Weitem nicht. Aber wenn Sie die privaten

62 Waldbesitzer dort etwas mehr unterstützen könnten, wäre das für mich das Instrumentarium überhaupt. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Prof. Dr. Bitter, bitte. Prof. Dr. Andreas W. Bitter: Herr Günther, herzlichen Dank für die Frage. Man merkt, wir nähern uns Weihnachten, weil eine Art von Wunder geschieht. Wenn ich mit meinem Nachbarn die ganze Zeit über gegebenenfalls doch im Zweifel unterschiedliche Positionen vertreten habe, so kann ich mich an dieser Stelle seinen Ausführungen vollumfänglich anschließen. Es ist tatsächlich so, dass Naturverjüngung heute schon das Ziel der Veranstaltung sein muss, nicht erst das Fernziel. Es war sicherlich so, dass Ihr Antrag, Herr Abg. Günther, nützlich war, weil er uns es ermöglicht hat, am heutigen Tage hier zu diskutieren. Aber es ist tatsächlich so, dass es vor dem Hintergrund des Leistungsangebotes und der Leistungsanforderung der Gesellschaft ein Problem ist, das, was an Leistungsperspektive auf den Folien entwickelt wurde, vor dem Hintergrund des Klimawandels langfristig sicherzustellen. Die Förderung zum Beispiel einer Zielbestockungsplanung – das meinte Herr Bergner – wäre vor dem Hintergrund sinnvoll, dass man auf die Standorte und die Regionen bezogen abgesicherte Empfehlungen hat, welche Baumarten sich vor dem Hintergrund unterschiedlicher betrieblicher Ziele dort zukünftig bewähren werden und dass in Bezug auf die Förderung von Waldbewirtschaftungsplänen und Forstplanung – die sind jetzt als neue Tatbestände eingeführt worden – praxisgerechtere Fördersätze formuliert werden. Das wäre das, was ich gern noch hinzufügen würde. Es gibt heute Formulierungen, die für ganz kleine Flächen vergleichsweise großzügige Werte mit sich ziehen. Das macht Sinn, weil dort auf den Hektar gerechnet hohe Transaktionskosten zu tragen sind. Aber dass es dann total abbricht, wenn die Betriebe etwas größer werden, macht meiner Ansicht nach keinen Sinn. Wir brauchen die Kooperation von Groß und Klein, von Jung und Alt bei den Jägern und darüber hinaus, damit es in der Gruppe funktioniert. Insoweit gibt es in Bezug auf Förderung und Finanzierung einen erheblichen Gestaltungsbedarf. Danke. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Dr. Dittrich, bitte. Dr. Gert Dittrich: Ich kann es kurz machen. Ich bin kein Forstwirt, sondern Landwirt. Ich weiß, was dort passiert. Ich kann das auch nur begrüßen, wenn für die privaten Waldbesitzer etwas mehr hinzukommt. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Lindner. Georg Lindner: Ich könnte es mir jetzt einfach machen und sagen: Ich biete an, Exkursionen in die entsprechenden Betriebe hier in Sachsen oder in Brandenburg zu machen, wo man sich anschauen kann, wie einfach dieser Weg ist, zur Naturverjüngung oder zu strukturreichen Waldbeständen zu kommen. Aber es ist so, dass wir nicht überall die gleichen Verhältnisse oder Ausgangssituationen haben. Ich denke, dass es wichtig ist, was die Förderung des Waldbewusstseins überhaupt angeht, stolz zu sein, Waldbesitzer zu sein, stolz zu sein, dass man einen strukturreichen Wald hat, dass es ein Besitzerstolz sein kann, nicht dass wir immer nur

63 meinen, wir müssen finanzielle Anreize schaffen, einfach Freude am Wald entwickeln, die Akteure, die am Wald mitwirken, bis hin zu den Jagdgenossenschaften durch Weiter- und Fortbildung diese Motivation zu fördern. Das halte ich für ganz wichtig, um auf breiter Ebene anzusetzen. Es gibt sicher noch die eine oder andere Bremse in der Bürokratie. Wenn Sie das Jagdgesetz nutzen und ausreizen, haben Sie schon viele jagdliche Instrumentarien zur Hand. Beim Rotwild wünsche ich mir mehr Lockerungen. Hier ist die eine oder andere Jagdbehörde aus meiner Sicht zu restriktiv. Das muss nicht mehr sein. Hier ist vielleicht mehr Dialog erforderlich. Im Grunde genommen hätten wir vieles selbst in der Hand, wenn wir sagen, wir sind stolz auf unseren Wald und auf das, was wir erreicht haben. Das gilt für alle. Danke. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Lindner, bitte. Henrik Lindner: Vielleicht noch einmal zum Thema Naturverjüngung. Naturverjüngung funktioniert nur, wenn die entsprechenden Samenträger vorhanden sind. Im Waldumbau, zum Beispiel wenn man Buche, Tanne, Bergahorn in die Bestände einbringen will, fehlen in der Regel die Samenträger, sodass man diese in der ersten Waldgeneration erst einmal wieder pflanzen muss, dann waldverträgliche Wildbestände herstellen. Die nächste Waldgeneration kommt dann kostenlos über Naturverjüngung. Fichtenaturverjüngung funktioniert sicherlich. Sie ist im Oberstand da. Zur Tanne gab es einmal eine Erhebung Anfang der Neunzigerjahre. Da gab es in Sachsen noch 2 000 Alttannen über 60 Jahre. Das ist praktisch nichts. Wir müssen die Bäume in der ersten Generation wieder einbringen. In der nächsten Generation müssen sie sich verjüngen. Zum Thema Förderung: Ich finde es gut, dass der Waldumbau wieder gefördert wird. Es müssten nur einige bürokratische Hemmnisse beseitigt werden. Es müsste irgendwann einmal wieder funktionieren. Danke. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Dr. Luthardt. Dr. Michael Egidius Luthardt: Soweit ich das mitbekommen habe, ist der Antrag zunächst eine Frage an die Staatsregierung gewesen. Ich weiß nicht, welche politischen Handlungsfelder sich daraus ableiten werden. Ich denke, zumindest ist aus der Antwort der Staatsregierung und aus der heutigen Anhörung klar geworden, dass der Waldumbau in Sachsen unbedingt notwendig ist, dass er weitergeführt werden muss. Ich denke, Ziel sollte es sein, das über die Naturverjüngung zu machen. Das ist das große Ziel, an dem man festhalten muss. Nichtsdestotrotz brauchen wir für diese Übergangsperiode Geld für Waldumbau, für Pflanz- und Schutzmaßnahmen. Wir kommen nicht darum herum, dass man als Politikerin oder als Politiker schaut, wenn es um die Finanzen geht, dass man sagt, aha, dafür müssen wir auch noch etwas Geld übrig haben. Ich denke, das wäre ein gutes Resultat.

64 Die Fragen finde ich richtig und halte sie für zielführend. Das hat auch heute die Diskussion gezeigt. Eines ist noch wichtig, dass Waldumbau nur mit angepassten Wildbeständen geht. Das ist, denke ich, klar herübergekommen. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Prof. Müller. Prof. Dr. Michael Müller: Vielen Dank für die Anfrage. Ich denke, dass das Protokoll für Waldbesitzer und für Jäger zur Weiterbildung Pflichtlektüre sein könnte. Zum Zweiten: Sie fragten, was man aus politischer Sicht tun kann. Wir brauchen wieder ein besseres Image der Jagd. Es ist ein völlig falsch verstandener Tierschutz, der an die Oberfläche kam. Wenn man sein Handwerk als Jäger versteht, hört das Tier nicht einmal den Schuss. Vergleichen wir das bitte einmal mit dem sonstigen Erwerb von fleischlicher Nahrung, die wir zu uns nehmen, dann sollte man auch hier den Sinn sehen. Es ist eine nachhaltige Nutzung einer nachwachsenden Ressource. Es ist eine wunderbare Freizeitgestaltung und hat viele Vorteile gegenüber anderen Hobbys oder Freizeitgestaltungen, die wir heutzutage einfach so akzeptieren. An dem Image müssen wir unbedingt auf allen Ebenen arbeiten. Ich träume immer von selbstregulierenden Systemen. Das habe ich mehrfach angedeutet. Nach Möglichkeit sollten die Waldbesitzer für das belohnt werden, was wir politisch wollen. Der Waldbesitzer, der einen naturnahen Waldbau macht, der solche naturnahen biodiversen Systeme hervorbringt, bringt die höchste Leistung für die Gesellschaft und hoffentlich für sich selber. Aber das Letztere steht oftmals infrage, ob das für ihn persönlich auch die höchste Leistung ist. Das ist nicht einfach und auch nicht mein eigentliches Themengebiet. Zur Förderung kann ich eines sagen. Sie können im Protokoll der Anhörung zum Jagdgesetz nachlesen, wo ich die Frage gestellt habe, warum fördern wie eigentlich Zäune und Pflanzen und nicht Waffe und Munition? Das Ergebnis der richtigen Handhabung des Letzteren ist im Wald das bessere. Aber der Waldbesitzer bekommt nichts. Mit anderen Worten: Bis auf ein Bundesland ist es so, dass Naturverjüngungen dem Waldbesitzer keine Fördermittel bescheren, während ihm das Pflanzen und manchmal das Zäunen Fördermittel bescheren. Ich bin ein großer Anhänger einer ergebnisorientierten Förderung. Das heißt, wenn das Ergebnis im Wald eingetreten ist, sollte er das Geld bekommen. Der Weg, wie er dorthin kommt, ob er pflanzt, ob er sät, ob er jagt, ob er Zäune baut, sollte ihm möglichst selbst überlassen sein. Dann werden wir sehr schnell sehen, wohin sich die Waage entwickelt, weil dann die Waldbesitzer sofort bei dem Erfolg eines habitatangepassten Wildbestandes, den man mit Jagd herstellen kann, auch wirklich im Portmonee bemerken. Das ist etwas, was wirklich wirksam ist. Das wäre aus meiner Sicht auch kurzfristig machbar. Natürlich müssen Sie, wenn heute ein Waldbesitzer kommt und sagt, ich will in fünf Jahren eine gelungene Naturverjüngung vorweisen, dann auch das Geld geben. Dann kann nicht dahinterstehen: nach Maßgabe des Haushaltes. Wenn das zum ersten Mal schiefgeht, war es das wieder mit der erfolgversprechenden, ergebnisorientierten Förderung. Danke schön. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Thode. Henrik Thode: Ich denke, dass die Diskussionen heute gezeigt haben, dass der Waldumbau alternativlos ist. Der Staatsbetrieb Sachsenforst mit seinen circa

65 200 000 Hektar Betriebsfläche und seinen circa 1 300 Hektar jährlich praktizierten Waldumbau ist an einer sinnvollen Obergrenze. Das war auch eine Frage aus dem Antrag. Im Vergleich zu den anderen Nachbarbundesländern, in die ich ein wenig Einblick habe, leistet der Staatsbetrieb Sachsenforst Überdurchschnittliches, was Flächen angeht. Was Baumartenwechsel angeht, braucht sich, glaube ich, der Freistaat nicht zu verstecken. Zur Frage, was die Politik unterstützen kann: Ich würde sagen, der Staatsbetrieb und die Akteure vor Ort brauchen politischen Rückhalt und Unterstützung, dass dieser Weg weiter beschritten werden kann. Wir haben gesehen, wie Forstbezirksleiter von Eibenstock und Marienberg in die Presse geraten sind. Das wäre, glaube ich, auch wichtig. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Wilke. Carsten Wilke: Herr Abgeordneter, ich denke, dass von dem Paneel hier deutlich geworden ist, dass das, was Ihr Antrag bezweckt richtig und zutreffend ist und – so empfinde ich es – auch im Einklang steht mit der Logik der gesetzlichen Bestimmungen in Ihrem Land, der Strategie, die die Staatsregierung verfolgt, und dem Handeln Ihres staatlichen Forstbetriebes. Insofern ein klares Ja an dieser Stelle. Politische Folgerung: Es muss für die nächsten Jahre auch politisch die Priorisierung klar sein. Wenn ich diese ambitionierten Ziele habe, bedeutet das in einer Zielhierarchie – das ist für Politik, glaube ich, nichts Ungewöhnliches – eine hohe Priorität für dieses Ziel. Jagdliche Zielstellungen, die hier deutlich geworden sind, müssen politisch in einer geringeren Priorität eingeordnet werden. Man kann nicht beide Dinge gleichrangig miteinander verfolgen. Das wird in der sächsischen Situation nicht zielführend sein. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank. – Herr Zschommler. Gunter Zschommler: Zum ersten Teil Ihrer Frage, wie weit wir mit dem naturnahen Waldumbau sind: Ich denke, die Vorredner haben das schon ausgeführt. Wir sind dort auf gutem Weg. So würde ich das einschätzen. Es zeigt uns auch, dass Sie vor zwei Jahren mit der Entscheidung zum Jagdgesetz die richtigen Weichen gestellt haben, dass wir in Sachsen – da können Sie sich in anderen Bundesländern durchaus umhören – ein vernünftiges und gutes Jagdgesetz und Jagdverordnung haben. Daran gilt es, unumstritten festzuhalten und nicht morgen früh schon wieder neue Ideen zu entwickeln. Zum zweiten Teil, wie die Politik unterstützen kann, was wir eventuell finanziell besser machen können: Ich höre es sehr gern, dass der Landtag finanziellen Spielraum hat. Ich komme zu gegebener Zeit bei den AUW-Maßnahmen auf Sie zurück, wenn das Geld nicht reicht. Bis dahin würde ich sagen, nutzen wir erst einmal die Förderprogramme, die wir haben, und stellen uns den zukünftigen finanziellen Anforderungen des Landes, die anstrengend genug werden. Vors. Sebastian Fischer: Vielen Dank, Herr Zschommler. – Meine Herren Sachverständigen, ich bedanke mich, dass Sie heute so zahlreich hier erschienen sind und Rede und Antwort gestanden haben. Ich möchte mich von Ihnen verabschieden. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Arbeitstag. (Schluss der Anhörung: 13:45 Uhr)

Anlage A 1

Naturnahen Waldumbau in Sachsen durch angepasste Schalenwild-insbesondere Rotwilddichten ermöglichen Anhörung auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN 04.12.2015

Karsten Bergner Dipl. - Ing. (FH) Forstwirtschaft Revierförster Vorsitzender Hegegemeinschaft Erzgebirge

Wilddichte Die Wilddichte ist von Ort zu Ort unterschiedlich , von kein bis zu viel Wild. Wildschäden entstehen durch hohe Konzentrationen von Wild, nicht nur durch zu hohe Wildbestände an sich.

Lösung: Dem Wild Raum geben

Quelle SMUL, http://www.wildkorridor.de/pdf/132_Zukunftswerkstatt_Wildkorridor_Katrin_Mueller.pdf

Ökologie (Definition) ist das System der ungestörten, wechselseitigen Beziehungen der Lebewesen zueinander und zu ihrer Umwelt. Jede wirtschaftliche Erwartung an einen Lebenraum steht der ungestörten wechseseitigen Beziehung entgegen.

http://www.schwerdtfisch.net/index.php?option=com_content&vi ew=article&id=77&Itemid=101

http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/styles/800w400h/public/medien/384/bilde r/2_schaubild_wald_funktionen_2015-05-05_1.png?itok=6kN70fnI

Staatswald muss nicht nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten genutzt werden.

Kosten durch Wildschäden Die Kosten / Nutzenrechnung kann man auf

betrieblicher Ebene oder auf

gesellschaftlicher Ebene durchführen. BetrieblicherAnsatz: keinWild- kein Schaden kein erstrebenwerter Zustand

Gesellschaftliche Ebene: sozialer Nutzen des Wildes für die Gesellschaft - ein Gewinn

Zukunftsprognosen

Zukunftsprognosen haben oft einen eigennützigen Hintergrund der Verfasser

Jagdstrategie Hoher Jagddruck - Konzentration des Wildes - Hohe Schäden

Großflächige Hegegemeinschaften richtig ausstatten und weiterentwickeln, Erkenntnisse der Wissenschaft anwenden, Rotwildlebenräume schaffen, Wildruhezone ausweisen, Rotwild erlebbar machen.

Hegegemeinschaften Es gibt keinen Wild -Wald - Konflikt. Der Mensch – Mensch - Konflikt lässt sich lösen. Die Lösungen der Konflikte bedürfen Regeln, die von allen Beteiligten anerkannt werden und sie erfordern Kompromissbereitschaft. Die Aufgabe: Erstellung von Lebensraumgutachten, Gemeinsame Bejagungskonzepte, revierübergreifende Bejagung.

Artgerecht nicht ungerecht!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit

Anlage A 2

„Naturnahen Waldumbau in Sachsen durch angepasste Schalenwild - insbesondere Rotwilddichten ermöglichen“

Prof. Dr. A.W. Bitter Sächsischer Waldbesitzerverband e.V.

Verjüngung

Ziel:

Multifunktionale Forstwirtschaft mittels standortsgerechter, (klima-) stabiler Wirtschaftswälder - Baumartenmischung - Strukturierung - Anpassungsfähigkeit - Leistungspotential

Strategie:

Funktionsorientierter Wald(um)bau Æ Mittels Erweiterung des Baumartenspektrums durch Voranbau und Naturverjüngung!

Verjüngung

Naturverjüngung – das unterschätzte Potential: vgl. Martens, 2010

- Eiche, Buche zoochore Verbreitung = Hähersaat auch in Nadelholzreinbeständen (Wagner et al., Stimm u. Knoke, 2004)

-

Ahorn, Esche, Hainbuche . . . anemochore Verbreitung = Windausbreitung Æ Ökologische Beimischung !! Æ Wirtschaftsbaumart

.. aber: ... S Wildverbiss! Selektiver

Wildverbiss - mehrfach, Höhenklasse 347 lfm Zaun / ha -> 34 % der Fördersumme für Zaunbau = 2428 EUR / ha Förderfläche Forstjournal, 2011

waldwissen.net

Integratives Landnutzungsmanagment

• Landwirtschaft • Forstwirtschaft Jagd

• Naturschutz • • •

• Tourismus

Eigentümerautonomie

Lebensraum Schalenwild Eignung von Lebensräumen? Wildökologische Lebensraumbewertung • Winteräsung - Wald - Offenland • Deckungsschutz • Zerschneidung und Störung (HOFMANN et al. 2008)

Flächenanteile in %

Landnutzung Falkenstein Gewässer, Moor, Fels Grünland Wald Acker Siedlung, Verkehr, Gewerbe

Weißkollm

Bad Lausick

Marienstern

1,45

35,01

3,67

1,47

12,01 71,35

6,66 53,01

13,29 14,25

13,46 19,63

5,55 9,64

3,02 2,30

57,75 11,03

58,56 6,88

Monitoring „If you can not measure it, you can not manage it!“ Robert S. Kaplan, Harvard Business School, Erfinder der Balanced Scorecard

Qualifiziertes Monitoring der Vegetation als Basis zielorientierter Wildbewirtschaftung Weiterentwicklung Inventurverfahren - permanente Plots - Statistische Absicherung der relevanten Baumarten - Regionalbezug Weiser- u. Dauerbeobachtungsflächen Gemeinsame Revierbegänge

Kommunikation und Kooperation

Paritätische Hegegemeinschaften Vorstand der Hegegemeinschaft (paritätisch aus Vertretern der 1. und 2. Kammer)

Geschäftsführer (vereidigter Sachverständiger)

1. Kammer

Mitgliederversammlung

Jagdpächter (Jagdausübungsberechtigte)

Körperschaft ö. R. / e.V.

2. Kammer

Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbezirke

Vertreter Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz

Vielen Dank Für Ihre Aufmerksamkeit !

Anlage A 3

Notwendigkeit des Waldumbaus und einer angepassten Jagdstrategie aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW)

Anlage A 4

Strukturarme Nadelholzforste überwiegen in Sachsens Wäldern, sie werden den Anforderungen der Gesellschaft nicht gerecht: • Bodenverschlechterung • eingeschränkter Lebensraum Artenverluste + Wildschäden • verminderter Hochwasserschutz • schlechtere Trinkwasserbildung • Ertragsausfälle durch Katastrophen • eingeschränkter Erholungswert steigende Risiken durch Klimawandel Aktuelle Baumartenverteilung Sachsens und notwendige Baumartenverteilung nach Waldzielzuständen In weiten Teilen Sachsens wären Eichen (gelb)- und Buchenmischwälder (grün) natürlich

Legende FICHTE KIEFER LÄRCHE Sonstiges Nadelholz

Fichten (grau)- und Kiefernforste (orange) überwiegen aktuell

EICHE BUCHE Hartlaubholz BIRKE Weichlaubholz

Vorteile von Mischwäldern Sicherung vielseitiger Waldfunktionen hohe CO² Speicherung hohe Erholungswirkung

Strukturreichtum

hohe Stabilität

hohe Holzvorräte + hoher Holzzuwachs + Liquidität

Erhaltung des NährstoffKreislaufes

Biodiversität hohes Wasserspeichervermögen

hohe Trinkwasserqualität ständige Bodenbeschattung – keine Austrocknung

Zu hohe Schalenwildbestände haben gravierenden Einfluss auf Qualität und Erfolg des Waldumbaus

Fichtenkultur – Voranbau oder Graswüste 100% Verbiss – von Natur aus stände hier Rotbuche Artenvielfalt und Hochwasserschutz?

Forstbezirk Eibenstock

Fichte im Erzgebirge mit und ohne Zaun Zaunbau kostet 10 € pro lfd. Meter Forstbezirk Eibenstock

Was ernten unsere Enkel?

Forstbezirk Eibenstock

Lebensraumqualitäten?

Ertragsverluste durch Schälschäden geschälter Stamm Durchschnittserlös 56 €/m³ Holz

ungeschälter Stamm Durchschnittserlös 72€/m³ Holz

Einbußen pro Revier im Erzgebirge:

240.000 € pro Jahr

Einbußen im Landeswald des Erzgebirges:

8.4 Mio € pro Jahr

Schälgutachten (objektive Analyse von 1995 – 2009 über alle Eigentumsarten) Schälprozent Verwaltungsjagdbezirke (VJB) - andere Jagdbezirke (aJB) innerhalb der Schalenwildgebiete 4 Intensitätsstufe 1 (einzelne Schälspuren)

3,5

Schälprozent [%]

3 Intensitätsstufe 2 (bis 1/3 des Stammumfanges geschält)

2,5 2

Intensitätsstufe 3 (1/3 bis 2/3 des Stammumfanges geschält)

1,5 1

Intensitätsstufe 4 (mehr als 2/3 des Stammumfanges geschält)

0,5 0 2006

2009 VJB

2006

2009 aJB

Schälgutachten 2015 (nur Staatswald - Zielbaumarten)

Verbissgutachten 2015 (nur Staatswald - Hauptbaumart)

Abschussentwicklung Rotwild ab 1990 Abschusszahlen außerhalb der Verwaltungsjagdbezirke werden nicht durch körperlichen Nachweis sondern nur durch Abschussmeldung erhoben („Postkartenabschüsse“ )

Streckenentwicklung Rotwild im Freistaat Sachsen

Abschussentwicklung Rotwild ab 1960 Abschusszahlen außerhalb der Verwaltungsjagdbezirke werden nicht durch körperlichen Nachweis sondern nur durch Abschussmeldung erhoben („Postkartenabschüsse“ )

Streckenentwicklung Rotwild im Freistaat Sachsen

Wirtschaftliche Konsequenzen zu hoher Wildbestände für die Waldeigentümer

Einnahmen

Ausgaben

ca. 30 €/ha Jagdpacht

104 €/ha Wildschaden 10 €/ lfm für Wildschutzzäune

Wer bilanziert ?

12 – 94 €/ha Risikosteigerung durch Entmischung im Wald Millionenschäden durch Schälung……

Zusammenfassung • Waldumbau ist Zukunftsvorsorge und alternativlos • Ein besserer Lebensraum durch Waldumbau dient allen Tier- und Pflanzenarten • Unnatürlich hohe Wildbestände behindern den Waldumbau und schränken Eigentümerrechte ein • Verbiss- und Schälschäden sind z. T. noch unverantwortlich hoch • alle Arten sind uns wichtig, nicht nur das Rotwild • Im Kern der Rotwilddiskussion im Erzgebirge geht es um den Erhalt von Privilegien für Teile der Jägerschaft

Danke für die Aufmerksamkeit

| 01.12.2012 | Stephan Schusser

Wald. Deine Natur.

Anlage A 5

Waldumbau in Sachsen größtes sächsisches Umweltschutzprojekt aller Zeiten

- Klimaschutz - Bodenschutz - Hochwasserschutz - Biotopverbesserung - Erhöhung der Artenvielfalt - Erhöhung des Erholungswertes - Nachhaltige Produktion des Rohstoffes Holz - Erhöhung der Stabilität der Wälder ©Pixelio

Wald. Deine Natur.

Waldumbau in Sachsen - Seit 2006 über 1.200 Hektar pro Jahr im Landeswald - Baumarten: Rotbuche, Eiche, Tanne, Bergahorn u. a. - Von 2006 bis 2014 Aufwendungen von durchschnittlich 15 Mio. € pro Jahr im Landeswald - Förderung des Waldumbaus im Privatwald von 1998 bis 2012 mit ca. 17 Mio. € auf rund 5.000 Hektar - Kosten von 8.000 bis 12.000 € pro Hektar

©atka

Wald. Deine Natur.

Wiedereinbringung der Weißtanne von 1952 bis 1990 im Westerzgebirge -Untersuchungsgebiet 20.282 Hektar, davon 15.478 Hektar Wald -Im Zeitraum Pflanzung von ca. 530.000 Tannen auf 80,3 Hektar (180 Flächen) -Pflanzung nur unter Zaunschutz (1964: ca. 100 km Zaun)

©D. Windheim

Wald. Deine Natur.

Bilanz im Jahr 1996 600.000

200 Anbauten

180 180

160

500.000

140

527.699

400.000

120 300.000

100 80 80

60 40

200.000 100.000

20

26.483

4.920

Tannen existent

Tannen ohne Schäden

0

0

Tannen gepflanzt 90

Anbaufläche 80 in ha 70

80,3

60 50 40 30 20 10 0

13,3

- Von den 180 Anbauten waren noch 80 (47,2%) lokalisierbar - Die einstige Anbaufläche ist von 80,3 ha auf 13,3 ha (16,6%) geschrumpft - Von 527.699 Tannen waren noch 26.483 (ca. 5%) existent - Unter diesen fanden sich nur 4920 (ca. 1%) ohne bzw. nur mit geringen Schäden - Eine Bilanz die wahrlich nicht ermutigt. Die Erfolgsquote steht in keinem Verhältnis zum getätigten Aufwand

Wald. Deine Natur.

Bild 1: Durch ständigen Verbiss geschädigte 30-jährige Weißtanne

Bild 3 und Bild 4: Schälschäden

Bild 2: extremer Verbiss an Tannenkultur

Wald. Deine Natur.

Wald. Deine Natur.

Wiedereinbringung der Weißtanne von 1952 bis 1990 im Westerzgebirge Gründe für das Scheitern: - Anstieg der Rotwildbestände ab 1965 durch Einrichtung eines Wildforschungsgebietes (1963) - massive Winterfütterung - Güteklassenabschuss, Schonung von Alttieren als Zuwachsträger - Entwicklung starker Trophäenträger stand im Vordergrund ©D. Windheim

Wald. Deine Natur.

Ergebnisse Verbiss- und Schälgutachten

Quelle: Staatsbetrieb Sachsenforst

Wald. Deine Natur. Verbissgutachten 2015

(nur Staatswald – Hauptbaumart)

Quelle: Staatsbetrieb Sachsenforst

Wald. Deine Natur.

Schälgutachten 2015 (nur Staatswald – Zielbaumarten)

Quelle: Staatsbetrieb Sachsenforst

Wald. Deine Natur.

Forderungen der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald - Der muss Waldumbau mit der Schaffung von artenreichen, naturnahen, leistungsfähigen und stabilen Wäldern höchste Priorität haben - Der Waldumbau muss im Rahmen der Vorgaben aus der Waldstrategie 2050 in allen Eigentumsarten konsequent fortgesetzt werden. Die entsprechenden finanziellen Mittel sind im Haushalt bzw. über entsprechende Förderinstrumente zur Verfügung zu stellen. - Herbeiführung waldverträglicher Schalenwildbestände als zwingende Vorrausetzung für den dauerhaften Erfolg des Waldumbaus

©D. Windheim

Wald. Deine Natur.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! ©O. Shvadchak

Anlage A 6

Naturnaher Waldumbau in Sachsen durch angepasste Schalenwild insbesondere Rotwilddichten ermöglichen Anhörung zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sächsischer Landtag Dresden, 4.12.2015 Dr. Michael Egidius Luthardt

Ist es möglich, eine Naturverjüngung der Hauptbaumarten der auf dem Standort natürlichen Waldgesellschaft ohne Schutzmaßnahmen zu erzielen? • Ja, bei einem Strukturreichtum des Landschaftsraumes (Wald und Offenland) sowie dem Vorhandensein von fruktifizierenden Baumarten der pnV

• Nein, in großflächigen Reinbeständen ohne Baumarten der pnV

Ja, wenn der Äsungskapazität des Landschaftsraumes angepasste Wildbestände vorhanden sind.

Insgesamt in Sachsen nur in wenigen Bereichen möglich Vorherrschende Reinbestände von Fichte und Kiefer, großflächige Landwirtschaft, hohe Schalenwildbestände

Wald nicht isoliert betrachten Æ Landschaftsräume Verfahren zur wildökologische Lebensraumbewertung (Waldkundeinstitut Eberswalde, Landeskompetenzzentrum Forst Eberswald, Thünen Institut)FE

Kriterien der Lebensraumbewertung • Qualität und Quantität der Winteräsung • Vorhandener Deckungsschutz • Störungen im Wildlebensraum • Zerschneidungen des Wildlebensraumes

Das winterliche Nahrungsangebot ist eine entscheidende Größe im Leben der heimischen Schalenwildpopulationen

Schalenwild hat einen großen Einfluss auf Arten- und Strukturvielfalt im Wald • Gehölzverbiss, Fege- und Schälschäden • Bevorzugung seltener Baum- und Straucharten • Verbiss der Bodenvegetation Æ Artenschutzaspekt

Waldumbau braucht Zeit • In Naturwäldern zwei Baumgenerationen • In großen Reinbeständen Initialpflanzungen (plätzeweise, Trupp- und Nesterpflanzung) • Zäune werden bei Pflanzungen weiterhin gebraucht • Klimaplastische Wälder

Jagdliche Möglichkeiten

• • • •

Ansitz- Drückjagden Intervalljagden Einsatz von Hunden Jagdbezirksübergreifende Gesellschaftsjagden

Flächendeckende Verbiss- und Schälgutachten unbedingt notwendig!

Fakultät Umweltwissenschaften

Fachrichtung Forstwissenschaften Institut für Waldbau und Waldschutz Professur für Waldschutz Prof. Dr. Michael Müller Pienner Straße 8 01737 Tharandt

Sachverständigenanhörung Thema:

Naturnahen Waldbau in Sachsen durch angepasste Schalenwild- insbesondere Rotwilddichten ermöglichen

Dresden, 04.12.2015 Waldschutz

Tharandt

Stellungnahme: 1. Zustimmung zur Antwort der Sächsischen Staatsregierung 2. Ergänzungen und Untersetzungen • zu Antwort 1: Zukünftige sehr naturnahe Rotbuchen- und Bergmischwälder werden zumeist äsungsärmer sein als die heutigen Fichtenwälder. Rot-Buche ist zudem eine ähnlich schälbeliebte und teilweise schälempfindliche Baumart wie die Gemeine Fichte (Forschung wünschenswert) Æ weitere Anpassung der Wildbestände erforderlich

Dresden, 04.12.2015

Prof. M. Müller

Folie 2

Waldschutz

Tharandt

Abb.:

Führt Schäle an Rot-Buche regelmäßig zur Ausbildung von Fäule und kurzfristig zu Destabilisierung und Wertminderung? Dresden, 04.12.2015

Prof. M. Müller

Folie 3

Waldschutz

Tharandt

Stellungnahme (Fortsetzung 1): •

zu Antwort 7: Jagdruhephasen in Wäldern haben sich nicht nur bei Notzeitfütterung (hier unbedingtes Erfordernis) sondern auch im Allgemeinen (z. B. Juni/Juli und Februar/März) bewährt.

Dresden, 04.12.2015

Prof. M. Müller

Folie 4

Waldschutz

Tharandt

Stellungnahme (Fortsetzung 2): •

zu Antwort 9: Die Analyse der „Entwicklung von Wert- und Stabilitätsverlusten des Holzvorrates“ ist sehr begrüßenswert und sollte weiterentwickelt werden. Bisher gibt es keine konsequente Analyse und „Buchung“ von Vermögensverlusten durch Schadfaktoren in Wäldern. Schalenwild dürfte dabei der potenziell bedeutsamste biotische Schadfaktor in Wäldern sein, d. h. bedeutsamer als Borkenkäfer, Mäuse und blatt-/nadelfressende Insekten zusammen. Æ Paradoxon der relativen Unsichtbarkeit

Dresden, 04.12.2015

Prof. M. Müller

Folie 5

Waldschutz

Tharandt

Abb.: Es kann in Kiefernwäldern gleichen Standortes so aussehen. Dresden, 04.12.2015

Prof. M. Müller

Folie 6

Waldschutz

Tharandt

Abb.: Es kann für Wald und Wild aber auch so wie hier im „Hatzfeldt-Projekt“ aussehen. Dresden, 04.12.2015

Prof. M. Müller

Folie 7

Waldschutz

Tharandt

Fotos: MIßBACH, 1987 Abb.: Schäle an Gem. Fichte führt regelmäßig zur Ausbildung von Fäule und damit zu mittelfristiger Destabilisierung und Wertminderung Dresden, 04.12.2015

Prof. M. Müller

Folie 8

Waldschutz

Tharandt

Wurzelbruch Abb.:

Schäle an Gem. Fichte führt regelmäßig zur Ausbildung von Fäule und damit zu mittelfristiger Destabilisierung und Wertminderung Dresden, 04.12.2015

Prof. M. Müller

Folie 9

Waldschutz

Tharandt

Abb.: Schäle an Gem. Fichte führt regelmäßig zur Ausbildung von Fäule und damit zu mittelfristiger Destabilisierung und Wertminderung Dresden, 04.12.2015

Prof. M. Müller

Folie 10

Waldschutz

Höhe in m SK 4 417 DMF

Höhe in m SK 4 414 DM

Höhe in m SK 4 353 DMF

Modellierung über Stammmantelkurven, Sorten und Verwertungsmöglichkeiten gegeben

Höhe in m SK 4 260 DMF

Höhe in m SK 4 353 DM

Höhe in m SK 4 412 DMF

Höhe in m SK 4 417 DM

Höhe in m SK 4 260 DM

Höhe in m SK 4 351 DMF

Höhe in m SK 4 412 DM

Höhe in m SK 4 414 DMF

Höhe in m

Modellierung der Fäuleentwicklung, Sortenmodifikation und geminderte Verwertungsmöglichkeiten neu zu entwickeln

Abb.: Durchmesserentwicklung von Bäumen der Gem. Fichte in cm der Schälklasse 4

45 40 35 30 25 20 15 10 5 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

Höhe in m SK 4 351 DM

10

Tharandt

Dresden, 04.12.2015

Prof. M. Müller

Folie 11

Waldschutz

Tharandt

Abb.: Schäle an Gem. Fichte führt regelmäßig zur Ausbildung von Fäule und damit zu mittelfristiger Destabilisierung und Wertminderung Dresden, 04.12.2015

Prof. M. Müller

Folie 12

Waldschutz

Tharandt

Schlussfolgerungen: -

-

-

Die jagdrechtlichen Regelungen im Freistaat Sachsen sind sehr gut, weil sie sich sehr nahe am Stand des Wissens befinden und den Inhabern des Jagdrechtes (Grundeigentümer/-besitzer) zusammen mit den von ihnen beauftragten Jägern die Möglichkeit geben, zielorientierte Entscheidungen bei der Bejagung des Wildes zu treffen. Die tatsächlichen Wildeinflüsse und ggf. im Abgleich mit den Zielen der Inhaber des Jagdrechtes resultiere Schäden müssen deutlicher ausgewiesen werden und auch stärker zu finanziellen Konsequenzen führen. Hinzu kommen Ansprüche der Gesellschaft an andere Leistungen der Wälder, die ebenfalls stark von Wildeinflüssen betroffen sein können (z. B. Biodiversität) Dresden, 04.12.2015

Prof. M. Müller

Folie 13

Anlage A 8

Naturnaher Waldumbau durch angepasste Schalenwildbestände ermöglichen

Henrik Thode ö.b.v. Sachverständiger für Forstwirtschaft

Vorsitzender des ÖJV Sachsen e.V.

Ökologischer Jagdverein Sachsen e.V. „ Nach Jagdgesetz anerkannte Vereinigung der Jägerschaft „ Definition der Jagd als ökologische Dienstleistung, die im Einklang mit den anderen Landnutzungsarten steht. „ Nur im Einklang mit der übrigen Landnutzung ist Jagd zukunftsfähig. „ Keine Verfolgung von einseitigen Zucht- und Hegezielen hinsichtlich einer Aufwertung von Wildbeständen „ Ablehnung einer trophäenorientierten Jagd „ Ganzheitliche Sicht auf die Ökosysteme „ Positive Sicht auf die Rückkehr der Prädatoren (Wolf, Luchs)

Der Wald zeigt, ob die Jagd stimmt!

H. Thode

2

Paradigmenwechsel in der Forstwirtschaft

3

H. Thode

Klimaforschung

Diagnose: 0,7 K

Projektion: 1,1 – 6,4 K

(1900 – 2000)

(2000 – 2100)

H. Thode

4

2. Auswirkungen auf den Wald

Hochwasser und seine Entstehungsgebiete

Hochwasser in Dresden Blick von Augustusbrücke zum Italienischen Dörfchen am 06.06.2013; Aehlig, Anja; Quelle: www.mdr.de

Hochwasser in Dresden Blick von Augustusbrücke zum Italienischen Dörfchen am 06.06.2013; Aehlig, Anja; Quelle: www.mdr.de

Stark verbissener Anbau Fichte in den oberen Lagen (Landeswald)

Hochwasser in Dresden Blick von Augustusbrücke zum Italienischen Dörfchen am 06.06.2013; Aehlig, Anja; Quelle: www.mdr.de

Starke Schälschäden in den oberen Lagen (Landeswald)

Hochwasser in Dresden Blick von Augustusbrücke zum Italienischen Dörfchen am 06.06.2013; Aehlig, Anja; Quelle: www.mdr.de

Sich in Auflösung befindende Bestandesstrukturen durch Schneedruck nach Rotwild-Schäle (Landeswald)

1 Idee

H. Thode

Zuwachs II 08.10.2015

10

Fichtenbestand, ca. 120 Jahre, H. Thode H. Tho Th T ho h od de e ungeschält

Fichtenbestand, ca. 50 Jahre,11 geschält

Streckenentwicklungen

12

Schälgutachten 2015 (nur Staatswald Zielbaumarten)

IInformationslage nformationslage iim m PrivatPrivat- und und Körperschaftswald K örperschaftswald

14 4

Wenn fachlich alles klar ist: Warum dann dieses?

15

H. Thode

Was nun? „ Ca. 11.000 Jagdscheininhaber, die zum erheblichen Teil in ihrer Freizeit tätig werden „ Was wissen wir tatsächlich über die sächsischen Jagdausübenden und ihre Motivationen? „ „ „ „ „ „

Über Altersstrukturen … Über Erfahrungen, Kenntnisse, Fertigkeiten … Jagd als Dienstaufgabe, als berufliche Notwendigkeit … Berufliche Hintergründe … Praktizierte Jagdmethoden und Erfolgsstatistiken … Wissen um die Entwicklungen in der Umwelt …

Vielleicht kann sich Forschung nicht nur auf wildökologische oder jagdbetriebliche Fragestellungen konzentrieren. Muss auch der Jäger selbst stärker in den Fokus rücken?

16

Zusammenfassung „ Die Schalenwildbestände im Allgemeinen sowie die Rotwildbestände im Besonderen sind zu hoch und behindern einen erfolgreichen Waldumbau. „ Der eingeschlagene Weg des Staatsbetriebes Sachsenforst um eine weitere Reduktion der Schalenwildbestände ist alternativlos und notwendig. Ggf. ist der SBS auf seinem Weg zu unterstützen. „ Nachteilig ist die schlechte Informationslage im Privat- und Körperschaftswald. Der ÖJV tritt für die Ausweitung der Verbiss- und Schälgutachten zumindest in den Gemeinschaftsjagdbezirken und für den Körperschaftswald ein. „ Die 11.000 Jagdscheininhaber werden gebraucht. Dringend.

17

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Ökologischer Jagdverein Sachsen e.V. Dipl. Ing. Henrik Thode Vorsitzender ---------------------------------------------------Waldhäuser 10 01737 Kurort Hartha Tel.: 035203 - 39235 Fax.: 035203 – 44594 Funk: 0173 - 1644839 [email protected] www.oejv-sachsen.de

Anlage A 9 Deutscher Forstverein e.V. Der Präsident

DFV e.V. x Büsgenweg 1 x 37077 Göttingen

Herrn Sebastian Fischer - MdL Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt und Landwirtschaft des Sächsischen Landtags Postfach 12 07 05 01008 Dresden

Mainzer Str. 82 65189 Wiesbaden Tel.: 0611/815-1600 Fax: 0611/815-1972 [email protected] Geschäftsstelle: Büsgenweg 1 37077 Göttingen Tel: 0551/3796-265 Fax: 0551/3796-237 [email protected] www.forstverein.de

Entwurf einer Stellungnahme als Sachverständiger im Rahmen der Anhörung des Sächsischen Landtags, Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft – Landtagsdrucksache 6/1995: Naturnahen Waldumbau in Sachsen durch angepasste Schalenwild – insbesondere Rotwilddichten ermöglichen.

Sehr geehrter Herr Ausschussvorsitzender Fischer, Ich bedanke mich für die Gelegenheit als Sachverständiger die Arbeit Ihres Ausschusses zu unterstützen und gebe folgende Stellungnahme ab.

Frage 1 Inwieweit herrschen im Staatswald, Körperschaftswald und Privatwald Schalenwilddichten, insbesondere Rotwilddichten, die eine Naturverjüngung der Hauptbaumarten der auf dem Standort natürlichen Waldgesellschaften ohne Schutzmaßnahmen zulassen?

Deutscher Forstverein e.V. xGeschäftsführer: Marcus Kühling Bankverbindung: Kreissparkasse Schwalm-Eder xBLZ 520 521 54 xKonto 014 500 14 18 Seite 1 von 8

Anlage A 9 Antwort 1 Treffsicher geeignet für die Beurteilung einer an die landeskulturellen Verhältnisse angepasste Schalenwilddichte, welche im Sinne des § 21 des Bundesjagdgesetzes eine ordnungsgemäße forstwirtschaftliche Bodennutzung gewährleistet, ist der Verbiss an Forstpflanzen. Der Verbiss ist ein Schaden, der junge Bäume erheblich beeinträchtigt. Die Ergebnisse der Bundeswaldinventur 3 (im folgenden BWI 3) für den Freistaat Sachsen belegen, dass der Verbiss bei den Laubbaumarten sowie der Weißtanne so hoch ist, dass eine Verjüngung dieser Baumarten ohne Schutzmaßnahmen nicht erfolgversprechend ist. Erschwerend kommt hinzu, dass der Anteil von Laubbaumarten, mit Ausnahme des Landes Brandenburg, der geringste aller Bundesländer ist. Das forstbetriebliche Verbiss- und Schälschadenmonotoring, welches Sachsenforst für den Landeswald im 3-jährigen Turnus durchführt, untersetzt diese Ergebnisse BWI 3 und weist gegenüber der Großrauminventur eine räumlich differenzierte Intensität der Verbiss- und Schälschäden aus. Zudem werden Baumarten, die bei der BWI unterrepräsentiert sind, mit höherer Zuverlässigkeit erfasst. Das gilt z.B. für die Weißtanne. Die Baumart Buche, in Sachsen relativ selten, in anderen Bundesländern (mit Ausnahme Brandenburg) weit verbreitet, wird stark durch Verbiss beeinträchtigt. Als Reaktion der sächsischen Forstbetriebe auf den Verbißdruck kann der hohe Anteil von Waldflächen gewertet werden, die mit Zäunen geschützt werden. Lt. BWI 3 sind in Sachsen 18.737 ha Wald mit Zäunen geschützt, dies entspricht 3,7 % der Waldfläche. Sachsen liegt damit im oberen Drittel im Vergleich mit anderen Bundesländern (Durchschnittswert bundesweit 2,5 %). Die Verbissbelastung wird für Bäume zwischen 20 und 130 cm erhoben, wobei nicht zwischen jungen Bäumen aus natürlicher oder aus künstlicher Verjüngung durch Pflanzung oder Saat unterschieden wird. Um die Vorteile einer natürlichen Verjüngung von Wäldern auszunutzen, müssen die Ausgangsbestände über eine entsprechende Baumartenzusammensetzung verfügen. Der Anteil von Wäldern in Sachsen, die aus reinen Nadelbäumen bestehen, oder bei denen die Nadelbäume in Mischwäldern dominieren, ist der zweithöchste im Vergleich der Bundesländer.

Deutscher Forstverein e.V. xGeschäftsführer: Marcus Kühling Bankverbindung: Kreissparkasse Schwalm-Eder xBLZ 520 521 54 xKonto 014 500 14 18 Seite 2 von 8

Anlage A 9 Ein naturnaher Waldumbau muss aus verschiedenen Gründen eine Verschiebung der Waldflächenanteile in Sachsen vom reinen Nadelwald zu Laub- und laubholzbetonten Mischwäldern forciert anstreben. Neben der natürlichen Verjüngung sind auch künstliche Verjüngungen erforderlich. Die Befunde der BWI 3 belegen, dass die Schalenwilddichte diesen Waldumbau stark behindert.

Frage 2 Inwieweit werden die ökologischen Vorgaben des Waldgesetzes für den Freistaat Sachsen (SächsWaldG), insbesondere die der § 16, 18 und 24 SächsWaldG, hinsichtlich Waldgesundheit, Stabilität, Arten- und Strukturvielfalt in den sächsischen Revieren umgesetzt? Antwort 2 Für eine Beurteilung von Waldgesundheit, Stabilität, Arten- und Strukturvielfalt sind folgende Parameter geeignet: -

Verteilung der Waldfläche auf Laub- und Nadelwald

-

Grad der Naturnähe der Baumartenzusammensetzung insgesamt und der Baumartenzusammensetzung der Waldverjüngung

-

Art und Menge des Totholzes im Wald

-

Anteil und Ursachen von außerplanmäßigen Holznutzungen (sog. Kalamitätsnutzungen).

Die Wälder Sachsens spiegeln in deutlichem Maße die industrielle Vergangenheit insbesondere die Montanindustrie der letzten Jahrhunderte wider. 39,7% der Wälder Sachsens sind lt. BWI 3 reine Nadelwälder (zweithöchster Wert im Bundesvergleich nach Brandenburg); nur 13,5 % sind reiner Laubwald; 14,2 % Laubwald mit Nadelholzbeimischung.

Für die Waldgebiete Deutschlands kann festgehalten werden, dass Nadelbaumbestände signifikant anfälliger sind gegen Schäden durch Wetterereignisse (Sturm, Schneebruch, Eisbruch, Dürre). Diese empirisch belegbaren Fakten sind auch wissenschaftlich begründet. Die relativ größere Anfälligkeit gegenüber Naturereignissen macht Nadelwälder in Deutschland auch anfällig für Folgeschäden durch Insekten.

Deutscher Forstverein e.V. xGeschäftsführer: Marcus Kühling Bankverbindung: Kreissparkasse Schwalm-Eder xBLZ 520 521 54 xKonto 014 500 14 18 Seite 3 von 8

Anlage A 9 Sachsen weist gemeinsam mit Brandenburg die geringsten Mengen von Totholz auf, ca. die Hälfte der Totholzmengen im Bundesdurchschnitt. Eine geringe Totholzmenge bedeutet auch, dass die Arten, deren Lebensgrundlagen auf dem Zersetzen von abgestorbenem Holz beruhen, selten sind. Die genannten Befunde finden weitere Bestätigung durch die relativ geringen Waldflächen in Sachsen, die über Beimischungen zur herrschenden Baumart verfügen. 34 % der Wälder wachsen ohne Mischbaumarten, im Bundesdurchschnitt beträgt der Wert 24 %. Die Naturnähe der Wälder Sachsens liegt bei 26 % und ist geringer als im Bundesdurchschnitt. In der Jungbestockung, d.h. in den Beständen, die in Zukunft Sachsens Wälder prägen werden, liegt dieser Wert bei 40 %. Hier sind die Anstrengungen der Forstbetriebe ablesbar, eine Veränderung des Waldaufbaus durch einen Waldumbau im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziffer 2 SächsWaldG zu verfolgen.

Frage 3 Welche Kosten entstehen dem Staatsbetrieb Sachsenforst, den Eigentümern des Körperschaftswaldes und den Privatwaldbesitzern durch Kunstverjüngung und den Bau von Zäunen um Waldverjüngungen zu etablieren und Wildverbiss zu verhindern? Antwort 3 Nach Angaben des Staatsbetriebs Sachsenforst (Geschäftsbericht 2014) wurde im Zeitraum seit 2006 durchschnittlich 1.200 ha junge Wälder (s.g. „Kulturen“) gepflanzt und dafür jährlich durchschnittlich 15 Mio. € aufgewendet. Rechnerisch entspricht dies 12.500,-- € pro Hektar Kulturfläche, was in Anbetracht des überwiegenden Laubholzanteils ein angemessener und plausibler Wert ist. Es ist davon auszugehen und kann als gesicherte Praxis gelten, dass die Anlage von Laubholzkulturen im Körperschafts- oder Privatwald Sachsens vergleichbaren Kostenaufwand erzeugt. Die Anlage einer Kultur zum Waldumbau kann in Sachsen (wie in anderen Bundesländern auch) aus Mitteln des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung Ländlicher Räume gefördert werden. 2014 betrug die durchschnittliche Zuwendung pro Hektar Kulturfläche ~ 3.000,€.

Deutscher Forstverein e.V. xGeschäftsführer: Marcus Kühling Bankverbindung: Kreissparkasse Schwalm-Eder xBLZ 520 521 54 xKonto 014 500 14 18 Seite 4 von 8

Anlage A 9 Forstbetriebe schützen Jungpflanzen vor Verbiss aber auch vor dem sog. „Verfegen“ oder „Schlagen“ durch männliches Reh- oder Rotwild durch Zäune oder einen Einzelschutz der Pflanze. Für Errichtung eines Zauns, Kosten des Materials, Kosten der Kontrolle des Zauns auf Dichtigkeit, sowie Abbau und Entsorgung des Zauns nach seinem Verwendungszyklus von ca. 6 Jahren kann ein Betrag von 1.000,-- € pro ha kalkuliert werden. Für die lt. BWI 3 in Sachsen gezäunte Fläche stellt dies einen Geldbetrag von geschätzt zwischen 10 und 20 Mio. € dar. Der Einzelschutz einer Pflanze kann für Material, Montage, Kontrolle, Abbau mit 4,-- € pro Stück kalkuliert werden. In seiner Stellungnahme beziffert das Sächsische Staatsministerium die jährlichen Kosten für Schutzmaßnahmen für die gesamte Staatswaldfläche (205.000 ha) auf 2 Mio. € jährlich.

Frage 4 Welche Kosten entstehen dem Freistaat Sachsen jährlich durch Kalamitäten (abiotische und biotische Schadfaktoren) in nicht standortgerechten Wäldern? Antwort 4 Wie unter Antwort 2 geschildert sind die in Sachsen relativ häufigen Nadelwälder risikoanfälliger als Laubwälder einzustufen. Die Langlebigkeit von Wäldern bringt es mit sich, dass diese Risikoanfälligkeit nur in theoretischen Studien ökonomisch verglichen und kalkuliert werden kann. Ich verweise hierzu auf einschlägige Literatur, z.B. STAUPENDAHL und MÖHRING, Forstarchiv 82, Heft 1 (2011), S. 10 – 19. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte lassen eine gesicherte Schätzung zu, wonach die Wahrscheinlichkeit, dass ein reiner Fichtenwald dreimal so oft wie ein reiner Buchenwald und zweimal so oft wie Eichen- oder Kiefernwälder von Kalamitäten betroffen wird. Hinzuweisen ist aber der Vollständigkeit halber darauf, dass ebenfalls auf der Basis gesicherter langjähriger Erfahrungen, der wirtschaftliche Ertrag aus reinen Fichtenbeständen deutlich größer ist als der aus Beständen anderer Baumarten.

Deutscher Forstverein e.V. xGeschäftsführer: Marcus Kühling Bankverbindung: Kreissparkasse Schwalm-Eder xBLZ 520 521 54 xKonto 014 500 14 18 Seite 5 von 8

Anlage A 9 Frage 5 Inwieweit werden die Zielvorgaben der Waldstrategie 2050 für den Freistaat Sachsen aktuell erfüllt, eine kontinuierliche Fortführung des Waldumbaus im Staatswald des Freistaates Sachsen mit 1.300 bis 1.500 ha je Jahr umzusetzen? Antwort 5 In der Strategie strebt die Sächsische Landesregierung die Erhöhung des Anteils von Laubbaumarten auf 40 % an, von derzeit unter 30 %. Bei einer Waldfläche von 500.000 ha entspricht dies, rein rechnerisch, einem Waldumbau auf 50.000 ha für einen Zeitraum von ca. 35 Jahren, jährlich ca. 1.400 ha. Die Angaben des Staatsministeriums belegen den planvollen Beginn dieses ambitionierten Programms. Von einer strikt schematischen Vorgehensweise, womöglich über Jahrzehnte hinweg, wird aber abgeraten. Ein solcher Zwang kann zu Fehlentwicklungen und falscher Allokation von finanziellen Ressourcen führen. Zielführender ist es, den örtlich Verantwortlichen die Kompetenz zu belassen, die situativ richtigen Entscheidungen zu treffen einen anspruchsvollen, naturnahen, standortgerechten, vielfältigen und die Stabilität und Resilienz der Wälder verbessernden Waldbau zu betreiben. Schematismus ist zu unterlassen, er birgt eher die Gefahr naturferne Handlungen erzwingen zu wollen.

Frage 6 Welche Folgekosten für den Freistaat Sachsen sind durch einen zu langsamen klimagerechten Umbau der Wälder, durch zu langsame Umstellung auf standortgerechte Mischwälder mit vermehrtem Laubholzbesatz sowie durch zu hohen Bestand an standortfremden Bäumen und Gehölzen durch klimabedingte Folgeschäden (Sturm, Hochwasser) zu erwarten?

Deutscher Forstverein e.V. xGeschäftsführer: Marcus Kühling Bankverbindung: Kreissparkasse Schwalm-Eder xBLZ 520 521 54 xKonto 014 500 14 18 Seite 6 von 8

Anlage A 9 Antwort 6 Unter Verweis auf die Antwort 5 erscheint die Vorgehensweise der Sächsischen Landesregierung fachgerecht und fundiert. Zu rasche Waldumbaumaßnahmen vertragen sich generell nicht mit der Langlebigkeit und der Komplexität von Waldökosystemen. Bezüglich des Waldumbaus vor dem Hintergrund von klimatischen Veränderungen verweise ich auf den Artikel von Prof. Dr. H. Spellmann et al in der November 2015 Ausgabe der Zeitschrift ProWALD. Zur Weitergabe an die Mitglieder des Ausschusses füge ich diesem Schreiben Mehrexemplare bei.

Frage 7 Welche Erfahrungen existieren bei der Verminderung von Schalenwilddichten insbesondere Rotwilddichten im Wald im Hinblick auf die jagdliche Herangehensweise (praktische Jagdmethoden, Jagdhäufigkeiten und Bejagungsperioden auch im Winter sowie hinsichtlich des Zufütterns bzw. Nichtfütterns des Rotwildes) in den verschiedenen Regionen Sachsens mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen? Antwort 7 Eine erschöpfende Beantwortung dieser Fragestellung würde den Rahmen der Anhörung sprengen, denn sie zielt auf den gesamten Aspekt der Hege und Bejagung speziell des Rotwildes: Eckpunkte für eine erfolgreiche Regulierung von Rotwildbeständen, die eine ordnungsgemäße forstwirtschaftliche Bodennutzung erlauben sind u.a.: -

Revierübergreifende Bewegungsjagden, hierzu verweise ich auf den Artikel von Holger Koth aus der September Ausgabe 2015 der Zeitschrift ProWALD, Mehrexemplare füge ich bei.

-

Konsequente Erfüllung der Abschusspläne bei adulten weiblichem Rotwild („Alttiere“), da nur dadurch eine Population abgesenkt und auf waldverträglichem Niveau gehalten wird

-

Zufütterung im äsungsarmen Winterhalbjahr nur mit Heu von Wildwiesen. Heu kommt der Äsung am nächsten, welche Rotwild unter ungestörten Verhältnissen bei seinen winterlichen Wanderungen von den Gebirgen und Mittelgebirgen in die Tallagen und –auen vorfinden würde. Alle anderen Futtermittel sind untauglich, z.T. gesundheitsschädlich und induzieren das Schälen von Baumrinden.

Frage 8 Deutscher Forstverein e.V. xGeschäftsführer: Marcus Kühling Bankverbindung: Kreissparkasse Schwalm-Eder xBLZ 520 521 54 xKonto 014 500 14 18 Seite 7 von 8

Anlage A 9 Welche Strategien und Maßnahmen betreibt Sachsenforst in den unterschiedlichen Revieren, um naturnahen Waldumbau zu ermöglichen und Wildschäden im Wald zu vermeiden? Antwort 8 Der Waldumbau, den die Sächsische Landesregierung in der Waldstrategie verfolgt, erfordert für den Zeitraum bis 2050 konsequent den Grundsatz Wald vor Wild. Entsprechend dürfen auch für SBS jagdliche Ziele nur nachrangig gegenüber den waldbaulichen Zielen eingeordnet werden.

Frage 9 Inwieweit sind regelmäßige Verbiss- und Schälgutachten im Staatswald, Körperschaftswald und Privatwald geeignet, Erkenntnisse über erforderliche Abschusszahlen zu generieren? Antwort 9 Durch systematische Erhebungen von Verbiss und Schälschaden entsteht ein objektives Bild von den Auswirkungen und Beeinträchtigungen ordnungsgemäßer forstwirtschaftlicher Bodennutzung. Sie sind als Zeitreihen unerlässlich um die Planmäßigkeit und Wirksamkeit der Bejagung zu ermessen und sind deswegen kontinuierlich und methodisch fundiert durchzuführen.

Mit freundlichen Grüßen

(Carsten Wilke)

Deutscher Forstverein e.V. xGeschäftsführer: Marcus Kühling Bankverbindung: Kreissparkasse Schwalm-Eder xBLZ 520 521 54 xKonto 014 500 14 18 Seite 8 von 8

Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft

Stand: 16.12.2015

Anhörung Drs 6/1995 – „Naturnahen Waldumbau in Sachsen durch angepasste Schalenwild insbesondere Rotwilddichten ermöglichen“ Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4. Dezember 2015, 10:00 Uhr, Raum A 600 Sachverständige Name

Funktion und/bzw. Institution

Karsten Bergner

Revierleiter Forstbetrieb Marienberg-Gelobtland

Prof. Dr. Andreas W. Bitter

Vorsitzender Sächsischer Waldbesitzerverband e. V.

Dr. Gert Dittrich

Präsident Landesjagdverband Sachsen e. V.

Georg Lindner

Henrik Lindner

Dr. Michael Egidius Luthardt

Vorstand Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft LG Sachsen e. V. Geschäftsführer Stiftung Wald für Sachsen Stellv. Landesvorsitzender der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald ehem. Referatsleiter für Ökologische Waldwirtschaft im Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz Brandenburg; Abt. Forst und Naturschutz Vorsitzender des Vereins „Weltnaturerbe Buchenwald Grumsin e.V.“

Prof. Dr. Michael Müller

Professor für Waldschutz TU Dresden – Institut für Waldbau und Forstschutz

Henrik Thode

Ökologischer Jagdverein Sachsen e. V.

Carsten Wilke

Präsident Deutscher Forstverein e. V.

Gunter Zschommler

Vorsitzender Landesarbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer

View more...

Comments

Copyright � 2017 SILO Inc.