Sonderthema. Januar 2017

November 17, 2016 | Author: Johann Dresdner | Category: N/A
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Sonderthema

Januar 2017 EZB leitet langsam die geldpolitische Wende ein – Tempoverschärfung erst Ende 2017 Tapering oder Nicht-Tapering? Einstieg in den Ausstieg wurde vollzogen Druck, die Wende zu beschleunigen, wird im Verlauf von 2017 zunehmen

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Team Postbank Research Dr. Marco Bargel Chefvolkswirt [email protected] Heinrich Bayer [email protected] Dr. Lucas Kramer [email protected] Heinz-Gerd Sonnenschein [email protected]

www.postbank.de Redaktionsschluss: 21. Dezember 2016 Deutsche Postbank AG Zentrale Friedrich-Ebert-Allee 114-126 53113 Bonn Telefon: (0228)920-0

Disclaimer: Alle hier veröffentlichten Angaben erfolgen unverbindlich und stellen Informationsmaterial dar, also weder eine Anlageberatung noch eine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf irgendeines Wertpapiers. Die Informationen in diesem Dokument wurden aus Daten erarbeitet, von deren Richtigkeit ausgegangen wurde; die Deutsche Postbank AG garantiert diese jedoch nicht. Die Angaben dienen ausschließlich zur Information, die dem Investor eine selbständige Anlageentscheidung erleichtern soll.

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EZB leitet langsam die geldpolitische Wende ein – Tempoverschärfung erst Ende 2017 Der EZB-Rat hat auf seiner Sitzung im Dezember die Leitzinsen erwartungsgemäß unverändert gelassen. Jedoch beschloss er, den zeitlichen Rahmen für sein Anleiheankaufprogramm bis mindestens Ende 2017 zu verlängern. Dabei wird die EZB von Januar bis März 2017, wie bisher geplant, Anleihen im Volumen von monatlich 80 Mrd. Euro erwerben. Anschließend wird das monatliche Ankaufvolumen reduziert. Von April bis Dezember wird sich dieses auf 60 Mrd. Euro belaufen. Insgesamt plant die EZB damit für 2017 Ankäufe in Höhe von 780 Mrd. Euro nach 900 Mrd. Euro in diesem Jahr. Die erstgenannte Summe addiert sich zu den Reinvestitionen der Mittel, die der EZB aus Rückzahlungen von Anleihen aus den bisherigen Ankäufen zufließen. Bislang spielten derartige Reinvestitionen keine Rolle, da die Mindestrestlaufzeit der im Rahmen des seit März 2015 laufenden Ankaufprogramms zu erwerbenden Anleihen bis jetzt bei zwei Jahren gelegen hat. Dies bedeutet aber auch, dass ab März 2017 mit Rückflüssen zu rechnen ist. Des Weiteren wurden einige Parameter des Ankaufprogramms geändert, um einer drohenden Knappheit an ankaufbaren Anleihen in einigen Marktsegmenten zu begegnen. So wird die EZB ab Januar 2017 auch Anleihen mit Laufzeiten von einem bis unter zwei Jahren erwerben. Wichtiger ist aber, dass die bisherige, starre Renditeuntergrenze in Höhe des Einlagensatzes von derzeit -0,40% aufgehoben wird. Falls erforderlich, wird die EZB zukünftig auch Anleihen erwerben, deren Renditen darunter liegen. Hingegen wurde auf eine Anhebung der Grenze von 33% für den Anteilserwerb an einer einzelnen Anleihe verzichtet. EZB-Präsident Draghi begründete dies auf der Pressekonferenz, die wie üblich im Anschluss an die EZB-Ratssitzung stattfand, mit einem gestiegenen Bewusstsein innerhalb des EZB-Rates für diesbezügliche rechtliche und institutionelle Beschränkungen. Auch wenn er dies nicht näher erläuterte, deutet unserer Einschätzung nach

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bereits diese grobe Begründung darauf hin, dass die EZB auch in Zukunft auf eine Anhebung dieser Anteilsgrenze verzichten wird. Damit wären die Möglichkeiten, das Potenzial an ankaufbaren Anleihen durch Veränderungen der Parameter weiter zu erhöhen, inzwischen aber sehr eingeschränkt, zumal es aus rechtlicher Sicht noch zweifelhafter sein dürfte, die Verteilung der Anleiheankäufe auf die einzelnen EWU-Länder nach dem EZB-Kapitalschlüssel aufzugeben.

Tapering oder Nicht-Tapering? Die beschlossenen Maßnahmen geben zwar einen klaren Ausblick auf das effektive geldpolitische Handeln der EZB im kommenden Jahr. Gleichwohl bleibt Spielraum für Interpretationen, was die Beschlüsse für den mittelfristigen Ausblick für die EZB-Geldpolitik bedeuten. So wehrte sich EZB-Präsident Draghi auf der Pressekonferenz heftig dagegen, die Reduzierung des Ankaufvolumens als Tapering zu klassifizieren. Vielmehr beharrte er darauf, dass die Maßnahmen überhaupt keine Anzeichen seien, dass die EZB beabsichtige, sich aus den Märkten zurückzuziehen. Über ein Tapering, dessen Begrifflichkeit er eng auslegt und unter dem er ein sukzessives Zurückfahren der Anleiheankäufe auf Null versteht, sei im EZB-Rat auch überhaupt noch nicht diskutiert worden. Zugleich betonte er, dass der Expansionsgrad der Geldpolitik weiterhin außerordentlich hoch und der EZB-Rat auch bereit sei, das Ankaufprogramm, sofern erforderlich, weiter zu verlängern und/oder das Ankaufvolumen wieder zu erhöhen. Die Position, dass der EZB-Rat überhaupt nicht beabsichtige, sich aus den Märkten zurückzuziehen, verteidigte Draghi auch vor dem Hintergrund der neuen Projektionen des EZB-Mitarbeiterstabs für Wachstum und Inflation in den kommenden Jahren. Dabei blieben Überraschungen hinsichtlich der Jahre 2016 bis 2018 aus. Die

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bisherigen Projektionen wurden weitgehend bestätigt. Für das Jahr 2019, für das erstmals Projektionen vorgelegt wurden, rechnet die EZB mit einem BIP-Wachstum von 1,6%. Die Inflation soll von 0,2% (2016) über 1,3% (2017) und 1,5% (2018) im Jahre 2019 auf 1,7% steigen. Der Inflationsausblick erscheint uns nicht unvernünftig. Für das kommende Jahr erwarten wir dieselbe Steigerungsrate wie die EZB und für die nachfolgenden Jahre gehen wir ebenfalls von einem moderaten, weiteren Anziehen des Teuerungstrends aus. Dabei könnten die Projektionen der EZB aber auch etwas übertroffen werden.

EZB-Anleiheankäufe enden frühestens Mitte 2018

Gleichwohl halten wir die Inflationsprojektion der EZB von 1,7% für 2019 für ein ausgesprochen interessantes Ergebnis, insbesondere im Kontext mit den diesbezüglichen Erläuterungen Draghis. Dieser vertritt die Meinung, dass eine Inflationsrate von 1,7% noch nicht wirklich nahe bei 2% liegen würde. Mit anderen Worten: Der EZB-Präsident erwartet für 2019 immer noch eine Verfehlung des EZB-Inflationsziels von unter, aber nahe bei 2%, was grundsätzlich ein Festhalten an einem sehr expansiven geldpolitischen Kurs rechtfertigen würde. Wir möchten dem entgegenhalten, dass eine Inflationsrate von 1,8%, in jedem Fall aber eine von 1,9% dann aber unzweifelhaft das offizielle EZBInflationsziel erfüllen würde, und schließen gleich die Frage an, ob fehlende 0,1 oder 0,2 Prozentpunkte in einer auf drei Jahre angelegten Projektion es tatsächlich rechtfertigen, sich derart hart gegen die Möglichkeit eines Politikwechsels zu positionieren.

verlieren die extremen Maßnahmen, die die EZB mit ihren massiven Ankäufen, den Langfristtendern und ihrem negativen Einlagensatz ergriffen hat, aber zunehmend ihre Berechtigung. Dies gilt erst recht, als deren negative Begleiterscheinungen, wie die Außerkraftsetzung der Marktmechanismen in einigen Segmenten des Finanzmarktes, die Gewöhnung an extrem niedrige Zinsen bei Unternehmen und Verbrauchern sowie die damit verbundene Gefahr von Preisblasen bei Vermögenswerten im Zeitablauf immer stärker in den Vordergrund treten werden.

Einstieg in den Ausstieg wurde vollzogen Zugegebenermaßen hat diese Frage eher rhetorischen Charakter. Bei einer kontinuierlichen und deutlichen Annäherung an ihr Inflationsziel kann sich die EZB unserer Ansicht nach nicht mit der Möglichkeit eines sukzessiven Politikwechsels beschäftigen, sondern sie muss. Denn mit jeder Annäherung an die 2%-Marke reduzieren sich die ohnehin bereits kaum noch wahrnehmbaren Deflationsrisiken weiter. Damit

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Mrd. Euro/Monat

Mrd. Euro 3000

80

2500

60

2000

40

1500 1000

20

500 0

0 2015

2016

2017

2018

Ankäufe - zügige Var. (l.S.) Ankäufe - langsame Var. (l.S.) Anleihebestand - zügige Var. (r.S.) Anleihebestand - langsame Var. (r.S.) Quelle: Thomson Reuters Datastream; Prognosen Postbank

Zusammengefasst bewegt sich die EZB mit ihren Maßnahmen und deren Begründung inzwischen auf einem Grat, der in den letzten Monaten schon schmaler geworden ist und im Verlauf des kommenden Jahres noch deutlich schmaler werden dürfte, zumindest wenn sich die Erwartung einer Fortsetzung der konjunkturellen Erholung und eines spürbaren Anstiegs der EWU-Inflationsrate bestätigt. Auch wenn die Äußerungen Draghis etwas anderes suggerieren, interpretieren wir den Beschluss, das Ankaufvolumen zu reduzieren, als Startschuss für die geldpolitische Wende. Es ist der Einstieg in den Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik. Allerdings dürfte das Wendemanöver noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Durch die deutliche Verlängerung der Mindestlaufzeit des Ankaufprogramms um neun Monate bis Ende 2017 hat sich der EZB-Rat bis weit ins kommende Jahr hinein zunächst einmal von jeglichem

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Handlungsdruck befreit, solange keine unerwarteten, extremen Herausforderungen auftreten. Selbst wenn man mit der strategischen Ausrichtung der EZB nicht einverstanden ist, kann dieses Vorgehen aus taktischer Sicht als durchaus geschickt bezeichnet werden, da sich für die 1. Jahreshälfte 2017 eine Vielzahl von Unsicherheitsfaktoren abzeichnet, die geldpolitische Richtungsentscheidungen erschweren würden. Zu nennen sind hier insbesondere der anstehende Brexit-Antrag, etliche Wahlen in Ländern der Eurozone, aber auch die derzeit noch unklare Ausrichtung der USWirtschaftspolitik und deren unsichere Auswirkungen auf die konjunkturelle Entwicklung im Euroraum.

Druck, die Wende zu beschleunigen, wird im Verlauf von 2017 zunehmen Zu Beginn der 2. Jahreshälfte 2017 wird sich aber aller Voraussicht nach ein Teil der offenen Fragen geklärt haben. Die EZB dürfte damit im kommenden September keine Ausrede mehr haben, ihren grundlegenden Kurs zu definieren. Sofern sich bis dahin keine massive Verschlechterung des Inflationsausblicks ergeben hat – womit wir nicht rechnen, eher schon mit dem Gegenteil – kann dies nur darauf hinauslaufen, den jetzt beschlossenen Einstieg in den Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik konsequent fortzusetzen. Dies wird dann sicherlich nicht bedeuten, dass die EZB ihre Anleiheankäufe Anfang 2018 Schlag auf Fall aussetzt. Vielmehr ist mit einer schrittweisen Reduzierung zu rechnen. So könnte sie z.B. das Ankaufvolumen von monatlich 60 Mrd. Euro Ende 2017 pro Monat um 10 Mrd. Euro reduzieren. Für wahrscheinlicher halten wir aber ein Zurückfahren des Ankaufvolumens in Schritten von 20 Mrd. Euro. In einer zügigen Variante könnte die EZB im 1. Quartal 2018 noch monatlich Anleihen im Wert von 40 Mrd. Euro erwerben. Im 2. Quartal würde sie das Volumen auf monatlich 20 Mrd. zurückfahren, um dann zur Jahresmitte die Ankäufe vollständig einzustellen. In einer langsamen Variante würden die Reduktion auf 20 Mrd. Euro erst zum Juli 2018 erfolgen. Das Ankaufprogramm würde dann bis Ende 2018 laufen.

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Gemessen an dem in der zügigen Variante zu erwartenden Anleihebestand von über 2,6 Billionen Euro zur Jahresmitte 2018 erscheint der Mehrerwerb von 180 Mrd. Euro oder rund 7% des Bestandes in der langsamen Variante nahezu vernachlässigbar. Ganz so trivial ist die Differenzierung aber nicht. Denn zu dem zusätzlichen Volumen kommt der Tempoverlust beim Vollzug der geldpolitischen Wende. Dieser wiegt umso schwerer, als die EZB bereits klar kommuniziert hat, dass die Leitzinsen auch nach der Einstellung der Anleiheankäufe noch für geraume Zeit auf dem aktuellen oder aber einem niedrigeren Niveau bleiben werden. D.h., selbst in der langsamen Variante ist vor der Jahresmitte 2019 kaum mit einer ersten Leitzinserhöhung zu rechnen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Kollateralschäden, die die ultraexpansive Geldpolitik bis dahin möglicherweise angerichtet hat, in beherrschbaren Grenzen halten. In diesem Kontext wäre es auch zu begrüßen, wenn sich der EZB-Rat endlich einmal entscheiden könnte, ein neues Signal der geldpolitischen Flexibilität auszusenden. Diese kann nicht immer nur darauf hinauslaufen, ggf. den Expansionsgrad zu erhöhen, sondern sollte insbesondere bei steigender Inflationsrate und anhaltendem Wirtschaftswachstum auch beinhalten, den Expansionsgrad ggf. zu reduzieren. Heinrich Bayer

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