Michael Wenzel Weissenwolff

September 30, 2017 | Author: Barbara Albrecht | Category: N/A
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1 Seite 1 Michael Wenzel Weissenwolff Ein früher Selfie aus Oberösterreich Zum historischen Hintergrund einer ...

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Michael Wenzel Weissenwolff Ein früher Selfie aus Oberösterreich Zum historischen Hintergrund einer Porträtmedaille „Was itzt so pocht vnd trotzt ist morgen asch und bein. Nichts ist das ewig sey / kein ertz kein marmorstein.“ Andreas Gryphius 1635

Wer dises sieht, gedenck dabey, Und bild ihm niemand anders ein Wie all Irdisch unbständig sey, Wie es vor gwesn, wirds künfftig seyn, Wie gar kein Herrschafft Hauß noch Gut Was die Zeit gibt nimbt wider die Zeit Bey einen Gschlecht lang bleiben thut. Dise Welt ist voller Eytelkeit. Hans Ludwig Kuefstein (Vater von Michaels Duellgegner Lobgott Kuefstein) 1

Kuefstein, Karl: Studien zur Familiengeschichte der Kuefstein. Bd 3.: 17. Jahrhundert. Wien: Braumüller, 1915, S. 300. 1

Seite | 2

Dank Frau Gabrielle Lobmeyr, Familienarchiv Weissenwolff Steyregg; Frau Elisabeth Kuefstein, Familienarchiv Kuefstein auf Greillenstein; dr. Rodolfo Martini und Elisabetta Pernich, Numismatische Abteilung der Pinakothek des Castello Sforzesco, Mailand; Univ. Doz. Dr. Bernhard Prokisch, Schlossmuseum Linz; Mag. Wilhelm Remes, Archiv der Societas Jesu im Aloisianum Linz, Mag. Niklas Salm-Reifferscheidt-Ungnad-Weissenwolf, Familienarchiv Weissenwolff/Steyregg; Josef Weichenberger, OÖLA für ihre wertvolle Unterstützung und wissenschaftliche Hilfe, sowie Martina, meiner Gemahlin, für ihre Ideen.

Vorwort Betritt man als Laie ein numismatisches Kabinett, fällt der Blick auf die markanten, augenfälligen Objekte. Gold, Größe oder Menge imponieren. Ohne ausreichende Hintergrundinformation, die den Textrahmen der Beschilderung sprengen würde, bleiben die Exponate leblos und der Museumsbesuch wird zum Stochern in kalter Asche. Die mittlerweile zur Verfügung stehenden technischen Mittel ermöglichen uns, solche Seite | 3 Hintergrundinformationen in angenehmer und abwechslungsreicher Form als Mini-Audiofeatures von Museumsbesuchern auf ihren Smartphones via QR-Codes anwählen zu lassen. Auch eine Vorinformation zu Hause mittels Internet oder mobil über MuseumsApp ist denkbar. Auf diese Weise könnte der Besucher/die Besucherin auf einen Glutstock stoßen, der in der Lage ist ein unvermutetes Interesse zu entflammen. Dieser museumsdidaktische Gedanke traf sich im Herbst 2012 mit der Notwendigkeit SchülerInnen des BRG/BORG Kirchdorf vorwissenschaftliche Arbeitsweisen näher zu bringen. Die vorliegende Arbeit ist Teil der aus diesem Grundgedanken entstandenen praktischen Umsetzung. Die numismatisch-historische Studie dient als modellhafte Vorlage für die Einführung in das vorwissenschaftliche Arbeiten. Sie ist in ein umfassenderes Projekt eingebettet, dessen Endprodukt von SchülerInnen geschaffene Prototypen für Audioguides im Linzer Schlossmuseum sind. Der vorliegende Text hat Modellcharakter im Bezug auf formale Kriterien und er enthält wesentliche Informationen für weitere Arbeitsschritte in der Recherchephase für die Sachtexte zu den Audioguides. Die methodische Vorgangsweise beginnt bei Internet- und Bibliotheksrecherche, führt über die Literaturbearbeitung zu Expertengesprächen. Erst dann kommt dieser Text zum Einsatz. Er soll zeigen, was man im Internet alles nicht googeln kann und was uns Wikipaedia vorenthält. In einem weiteren Arbeitsschritt übersetzen die SchülerInnen die einzelnen Kapitel aus ihrem „vorwissenschaftlichen“ Sprachduktus in einen journalistischen Stil. Die entsprechenden Zwischenergebnisse finden sich im Projektblog podcampus.phwien.ac.at/schlossmuseum In der Folge wählen die einzelnen „Redakteure“ einzelne Kapitel zur dramaturgischen Bearbeitung für einen Audiotrack aus. Schließlich arbeiten die SchülerInnen die dramaturgischen Vorschläge mit Radioexperten von Radio B 138 durch und produzieren die besten Tracks zur Vorlage an das Museum im Sommer 2014. Die weitere Vorgangsweise wird nachfolgend festgelegt. Manfred Martin Oberschlierbach, im März 2014

Einleitung Michael Wenzel Weissenwolff starb jung. Er hat das Land nicht erkennbar verändert und schon gar nicht geprägt. Die Bedeutung dieses oberösterreichischen Adeligen – wenn wir seine Kärntner und Wiener Wurzeln nachreihen dürfen - liegt darin, dass er Teil einer Gesellschaftsschicht war, die sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in einem spannenden Umbruch befand, aber auch, dass er die Privilegien einer Adelsfamilie genießen konnte und manchen Gefahren seiner Zeit in besonderem Maß ausgesetzt war. Seite | 4 Einer seiner Großväter galt als gewichtige Stütze der Jesuiten, der andere war Hofkammerpräsident, Landeshauptmann und Vliesritter, ein Urgroßvater war Anführer der Stände gegen den Kaiser, der Schwiegervater der größte Feldherr, den der Kaiser im Dienst hatte, die Tochter Gemahlin eines bedeutenden Reichsfürsten und sein Duellgegner Sohn des kaiserlichen Gesandten am osmanischen Hof und wie sein Großvater väterlicherseits und sein Vater Landeshauptmann im Land ob der Enns. Diese Aufzählung lässt erahnen, dass die Betrachtung des Lebens dieses jungen Mannes aufschlussreiche Einblicke in die Welt des frühbarocken Oberösterreich bietet. Die vorliegende Untersuchung beginnt mit einer Betrachtung der Medaille, erörtert die Wahl und den Hintergrund des Künstlers, der sie schuf und wendet sich im zweiten Teil dem Leben Michael Wenzel Weissenwolffs zu. Seine kurz vor seiner Geburt katholisch gewordenen Vorfahren werden ebenso beleuchtet, wie seine Taufe und die Orte seiner Kindheit. Das Hauptaugenmerk gilt in der Folge seiner Erziehung, seiner Hochzeit und seinem frühen Tod. Bei der Beschreibung der Erziehung Michael Wenzels wurde ein breiter Erziehungsbegriff gewählt, der adelige Werte in der Erziehung Gleichaltriger aus seinem Umfeld und Prägungen durch außergewöhnliche Persönlichkeiten, aber auch jesuitische Erziehungsideale, seine formale Schulbildung, sowie seine Kavalierstour und die Universitätsausbildung in Siena nicht außer Acht lässt. Hinsichtlich der Rekonstruktion der Hochzeit des verheißungsvollen Sprößlings der obderennsischen Familie konnte auf detaillierte Schilderungen von zeitnahen Fürsten- und Kaiserhochzeiten am Wiener Hof und auf die kulturhistorische Arbeit Beatrix Bastls zurückgegriffen werden. Michaels Tod findet keine offizielle Erwähnung, es gibt kein Grab, keine hieb- und stichfeste Spur, die eine Verortung des Leichnams zuließe. Die einzigen prosaischen Anspielungen auf sein Ableben finden wir in der Privatkorrespondenz des Grafen Thürheim. In den Akten zum Cavriani-Prozess ist es ein einzelnes Wort, das neben einer genealogischen Grafik auf eine mögliche Todesursache hinweist. Neben der biographischen Rekonstruktion geht diese Arbeit auf mentalitätshistorische und rechtshistorische Aspekte des Ehrbegriffs und des Duellwesens ein. Bezüge zur jesuitisch geprägten Geisteswelt und zu sozial- und alltagshistorischen Themen wie Hochzeit und Pest werden kurz angerissen. Nach dem Menschen hinter der Medaille beleuchtet die Studie in Kürze auch die Welt hinter dem Menschen Michael Wenzel Weissenwolff. Diese Arbeit stützt sich auf umfassende Vorarbeiten, wie aus dem Literaturverzeichnis ersichtlich ist. An erster Stelle sei hier das unveröffentlichte Manuskript von Frau Gabrielle Lobmeyr, einer Nachfahrin Michael Wenzel Weissenwolffs, hingewiesen. Frau Lobmeyr hat in jahrzehntelanger Arbeit das Familienarchiv Steyregg mit den Beständen zur Familie Weissenwolff beforscht. Professor Bernhard Prokisch vom Linzer Schlossmuseum stellte seine Vorarbeiten für eine Publikation zur Medaille als solcher und zum Künstler, der sie schuf, zur Verfügung. Wilhelm Remes vom Archiv der Jesuiten im Aloysianum am Freinberg in Linz machte den Zugang zu den Regesten der Linzer Jesuiten möglich. Aus den Werken Thomas Winkelbauers, Friedrich Polleroß´ und Mark Hengerers, sowie Ulrike Ludwigs und Beatrix Bastls, konnten Einblicke in die Welt der frühneuzeitlichen Fürstenhöfe, der Mentalitäten und sozialen Rahmenbedingungen gewonnen werden. Die Bestände des oö. Landesarchivs enthalten private Korrespondenz aus dem Bekanntenkreis Michael Wenzels, wie auch die Kataloge der Jesuitenschule, die uns seine Schulzeit einigermaßen erschließen. Es handelt sich bei dieser Arbeit um den Versuch die unterschiedlichen Facetten des Lebens Michael Wenzel Weissenwolffs zu fassen und seine Lebenswelt einer gegenwärtigen Leserschaft zumindest in Ansätzen zu erschließen. Ausgangspunkt ist die Personenmedaille mit seinem Konterfei.

Damit soll die geistige Kraft und der auf taktilen und visuellen Werten beruhende ästhetische Reiz des zentralen Objekts dieses Miniaturkunstwerks aufgespürt“2 werden. Die Antwort auf die Fragen nach dem Verbleib seiner sterblichen Überreste, wie jener seiner engsten Verwandten, die tatsächlichen Hintergründe des Immobilien-Ringtauschs an der Südostecke des Linzer Hauptplatzes und vor allem die Ursache seines Todes bleiben offen, wenngleich stark indizierte Lösungen geboten werden. Seite | 5

Steguweit, Wolfgang: Europäische Medaillenkunst von der Renaissance bis zur Gegenwart. Berlin: Gebr. Mann, 1995, S. 10. 2

Inhalt

1.

Medaillen

7

1.1.

Die barocke Privatmedaille

7

1.2.

Die Weissenwolff-Medaille Cesare Fioris

8 Seite | 6

1.3.

Die Aversdarstellung

9

1.4.

Die Reversdarstellung

11

1.5.

Der Funktionen der Privatmedaille

12

1.6.

Zur Wahl des Künstlers

13

1.7.

Der Künstler

15

1.8.

Die Medaille im Kontext vergleichbarer Porträtmedaillen

17

2.

Der Mensch auf der Medaille: Michael Wenzeslaus Weissenwolff

18

2.1.

Die Taufe

18

2.2.

Der protestantische Familienhintergrund

18

2.3.

Orte der Kindheit

21

2.4.

Erziehung und Bildung

24

2.4.1.

Adelige Erziehung um 1660

24

2.4.2.

Adelige Sitten

25

2.4.3.

Formale Bildung

27

2.4.4.

Die Kavalierstour

29

2.5.

Prägende Einflüsse

33

2.5.1.

Persönlichkeiten in der Familie

33

2.5.2.

Die Jesuiten

36

2.5.3.

Duelle in der Verwandtschaft

38

2.5.4.

Der zeitgenössische Duelldiskurs

39

2.5.5.

Der Ehrbegriff

40

2.6.

Die Hochzeit

41

2.6.1.

Vorbildhochzeiten

41

2.6.2.

Elternkontakte im Vorfeld der Hochzeit

44

2.6.3.

Die Hochzeitsfeierlichkeiten

46

2.7.

Die Pest

47

2.8.

Das Duell

50

2.9.

Der Tod

52

2.9.1.

Tod nach Duell

52

2.9.2.

Tod durch Pest

53

2.9.3.

Der Verbleib des Leichnams

55

2.10.

Die Witwe

56

3.

Zusammenfassung

56

Anhang

58

Literaturverzeichnis

70 Seite | 7

1. Medaillen In Europa entstand die Medaille nach antikenVorbildern in der Renaissance, ausgehend von Italien und Burgund, Ende des 14. Jahrhunderts.3 Die Anfänge reichen zu Antonio Pisanello (1395 -1455), im mitteleuropäischen Raum zu Hans Schwarz, einem Augsburger Künstler aus dem beginnenden 16. Jahrhundert zurück.4 1562 ist die deutsche Bezeichnung „medeyen“, vorerst im Plural, erstmals gesichert erwähnt. Ab 1580 ist die Form „medalie“ in Verwendung.5 Die Bezeichnung „Medaille“ ist, wie jene des „Schauguldiners“ erst dann zulässig, wenn dem vorliegenden Stück kein genormtes Münzgewicht zuordenbar ist.6 Diese Eigenschaft unterscheidet die Medaille klar von der Münze, die primär als Zahlungsmittel fungiert. Die Funktion der Medaille hingegen reichte von einer Zeitungsfunktion, welche die Verbreitung von Erfolgsnachrichten zum Inhalt hatte, über die Funktion der Memoria - des Gedenkens an Ereignisse - bis zur Umsetzung abstrakter Begriffe und Ideen in eine minimalistische Form der Bildhauerei.7 Im Motivbündel für die Herstellung von Guß- oder Prägemedaillen finden wir neben dem Wunsch nach Verbreitung politischer Programme oder Erfolge auch die persönliche Zuwendung in Form einer Widmung oder die schlichte Freude an der Kunst bis hin zum banalen Motiv der Eitelkeit.8 Neben Funktion und Herstellungsmotiv interessiert hier auch der Bildaufbau des Kleinkunstwerks.

1.1. Die barocke Privatmedaille In der numismatischen Abteilung des Linzer Schlossmuseums finden BesucherInnen prominent platziert eine „Hochzeitsmedaille“ aus dem Jahr 1677. Ein weiteres Stück aus gleichem Guß befindet sich unter dem Titel „Verlobungsmedaille“ im Depot der numismatischen Abteilung der Pinakothek des Castello Sforzesco in Mailand. Die gegossene Barockmedaille hatte ihren Ursprung in Rom, wobei Bernini mit dem ersten Auftreten dieser Kleinkunstwerke in Zusammenhang gebracht wird.9 In einer weiteren Phase der Ausbreitung nahmen Florentiner Künstler und solche anderer italienischer Städte die Produktion dieser Prestigeobjekte auf.10 Es war der Mailänder Giuseppe Vismara, der die Kunst der gegossenen Personenmedaille in seine Heimatstadt brachte. Der Mailänder Kardinal Litta hatte den Dombildhauer nach Rom geholt, um dessen bildhauerischen Horizont an der römischen Avant Garde auszurichten.11 Vismara erkannte auch das Potential der gegossenen Vgl. Schulz, Karl: Die Medaille in Österreich. In: Numismatische Zeitschrift, Bd. 100, Sonderdruck, 173 – 207. Wien, 1989, S. 173. 4 Habich, Georg: Die Medaillen der italienischen Renaissance. Berlin, 1922, S. 22f. 5 Jones, William Jervis: A Lexicon of French Borrowings in the German Vocabulary (1575-1648). Berlin: de Gruyter, 1976, S. 431. 6 Ibid. 7 Ibid. 8 Vgl. Ibid. 9 De Caro Balbi, Salvatore: Gian Lorenzo Bernini e la Medaglia barocca romana. In: Medaglia, Nr. 4 (1974). S. 7 – 26. 10 Arese, Franco: Nove schede per Cesare Fiori medaglista. In: Medaglia, S. 182. 11 Vgl. Arese 1973, S. 184. 3

Medaille, die in Rom, wie im übrigen Europa bereits seit etwa 1520 langsam von der Geschlagenen verdrängt worden war. Die nunmehr verbreitete Herstellungsmethode erlaubte höhere Stückzahlen. Das Gießen von Medaillen war zum exklusiven Akt für niedrige Auflagen geworden. Sie hatte also bereits qua Produktionsmethode einen persönlicheren, intimeren Charakter, der durch entsprechende Bildsprache und Gestaltung (Imprese) weiter individualisiert werden konnte. Auch diese Mode der „medaglie fusa“, der gegossenen Medaille in beschränkter Seite | 8 Auflage, fand in Mailand ihre Anhänger. Als Erster fertigte Vismaras Freund Cesare Fiori drei Medaillen an. Der Mailänder Künstler kann somit als erster Mailänder Barockmedailleur angesprochen werden. Auftraggeber bzw. die abgebildeten Personen waren führende Militärs aus der Lombardei, politische Machthaber, wie der spanische Gouverneur, Figuren aus der politischen Administration der Stadt, kirchliche Potentaten, oder Wissenschafter, wie der Wunderkammerarchitekt Manfredo Settala.12 Der vergleichsweise junge und noch unbedeutende, fremdländische „Kavalierstourist“ Michael Wenzel Weissenwolff fällt hier etwas aus der Reihe, wenn auch ein naher Verwandter in der Mailänder Finanzverwaltung tätig gewesen war, wodurch ein loser Bezug seiner Person zur Stadt gegeben scheint. Alle anderen von Fiori auf Medaillen festgehaltenen Persönlichkeiten waren arrivierte Herren am Zenith ihrer Karrieren oder darüber hinaus. Der jüngste ist Pier Pietro Caravaggios gleichnamiger Sohn, der allerdings auch bereits im Berufsleben stand und als Hochschullehrer einen Namen hatte. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage der Auflagenhöhe. Prokisch und Martini verweisen auf Schätzungen, da die Quellenlage hier eher dürftig ist.13 Die geschätzten Zahlen liegen hier bei zwanzig bis fünfzig Stück pro Medaille. Bedenkt man, dass heute die numismatischen Sammlungen in Mailand gerade einmal ein bis zwei Exemplare führender Medailleure aus der Stadt aufweisen, würde das bedeuten, dass sich jeweils dutzende Stücke in Privatsammlungen befinden müssten. Bei einzelnden Stücken ist auch mit Verlust zu rechnen. Besonders Exemplare aus Edelmetall wurden zuweilen weiter verwertet, wie das Beispiel einer goldenen Medaille Cesare Fioris mit dem Abbild Maria Vercellino Viscontis zeigt. Das wertvolle Stück wurde der Kirche Santa Maria d. Miracoli unter der Bedingung überlassen es solle die Heiligige Jungfrau zieren. 1838, lange nach dem Tod des Mäzens wurde sie an einen XXX verkauft.14

1.2. Die Weissenwolff-Medaille Cesare Fioris Die Bildsprache dieser Porträtmedaille weist keine Vanitasmotive auf. Die Biographie des Abgebildeten oberösterreichischen Adeligen führt allerdings die Vergänglichkeit des Menschen durch seinen frühen Duell- oder Pesttod umso dramatischer vor Augen. Schädel, Spiegel, Ziffenblatt, Stundenglas, Flammenurnen oder Sanduhren, kein einziges dieser Symbole aus dem Vanitas-Repertoire der frühneuzeitlichen Kunst finden wir auf dieser Medaille.15 Derlei Motive sind auch auf Medaillen, die man dem Barock zuordnen kann, eher selten. Man findet sie noch eher auf Stücken aus vorbarocker Zeit. Prokisch weist darauf hin16, dass früheste „Elemente der Vergänglichkeitsikonographie“ an Rechenpfennigen aus dem Wiener Gepräge um 1524/5 und somit deutlich vor den ersten Spuren des Barock in unserem Raum zu finden sind. Begleitet sind diese Darstellungen von entsprechenden Sinnsprüchen, wie „In omnibus respice finem“ – „In Allem bedenke das Ende“. Wir finden frühe Mehrfachdarstellungen von Vanitasmotiven, etwa auf einer Medaille von Martin Textorius, wo ein geflügelter Totenkopf, auf einer Weltkugel neben Sanduhr und Jagdhorn sitzend, ein aufgeschlagenes Buch hält, in dem der Sinnspruch „in morte vita“ – Martini 2005, S. 185. Mündliche Auskünfte Bernhard Prokisch am 14. Februar 2014, bzw. Martini am 19. Februar 2014. 14 Arese 1973, S. 188. 15 Vgl. Bergmann, Joseph: Medaillen auf berühmte und ausgezeichnete Männer des österreichischen Kaiserstaates. Bd. 1: Vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Wien: Tendler und Schäfer, 1844. 16 Prokisch, Bernhard: Die Raitpfennigprägung in den österreichischen Erbländern. Teil 1: Text und Katalog. Veröffentlichungen des Instituts für Numismatik und Geldgeschichte, Bd. 12. Wien, 2009, S. 185f. 12 13

„Im Tod ist das Leben“ zu lesen steht.17 Eine Medaille aus dem Jahr 1556 zeigt ein „Tödlein mit Sanduhr und Schlange“ und den Sinnspruch „Vermibus esca sumus“ (Den Würmern sind wir Speise).18 Vanitasmotive kommen auf diesen Kleinkunstwerken vom Mittelalter über die Renaissance bis ins Barock immer wieder vor. Auf der Weissenwolffmedaille fehlen sie. Die Funktion des vorliegenden privaten Stücks ist nicht die Darstellung des Ephemeren, des Flüchtigen und Vergänglichen, sondern jene der Memoria, des Festhaltens eines Seite | 9 Höhepunktes im Leben der dargestellten Person. Durch die Ausgabe der Medaille in Bronze (Edelmetallgüsse sind nicht nachgewiesen) anlässlich seiner Vermählung war der junge Adelssproß, der hier abgebildet ist, mit Namen und Status und mit ihm seine potentiellen Ambitionen in das Gedächtnis der Beschenkten eingeprägt. Es scheint vorerst, dass ein weiterer Akteur im Netzwerk der Gestaltenden im Land ob der Enns oder gar im Reich somit um einen Schritt weiter in die Gesellschaft eingeführt war. Der Guss der Medaille und die folgende Verteilung kann somit als Versuch gesehen werden einen flüchtigen Augenblick festzuhalten und das Potential des darauf dargestellten Mannes zu verkünden, wobei letztere Absicht durch die Bildsprache des Revers zu einem guten Teil unterlaufen wird. Das Besondere und wirklich Einzigartige an diesem Objekt liegt nun aber im Schicksal des Mannes in dem Porträt. Nicht die Bildsprache des Kleinkunstwerks an sich, sondern die Geschichte dahinter macht hier das Unsichtbare sichtbar, das Unfassbare fassbar.19 Die historische Realität prägte dieser Medaille jene Attribute barocker Geisteswelt auf, die hier nicht dargestellt sind und wandte auf diese Weise das Erinnerungsstück zum Memento mori: die junge Ehefrau des dargestellten Gemahls erlebte seinen seelischen Hintritt etwa ein Jahr nach der Trauung, wenige Monate nachdem sie Mutter geworden war und gut zwei Jahre nach dem Tod ihrer eigenen Mutter. Was könnte den Vanitasgedanken stärker zum Ausdruck bringen, als die Gegenüberstellung zweier Augenblicke im Leben dieser jungen Frau: den freudigen Blick auf die Medaille, als sie vor der Vermählung in Wien angeliefert wurde und jenen auf die frische Grabstätte ihres im stolzen Profil auf dem Metallstück abgebildeten Mannes nur wenig später. Nicht die sicherlich aufwändigen Hochzeitsfeierlichkeiten, die Inszenierung, die Musik markierten also im Leben dieses jungen Menschen die Vergänglichkeit und erinnern an die Flüchtigkeit des Augenblicks, sondern sein unerwartetes und vorschnelles Ableben. Aus diesem Grund soll hier neben der Beschreibung des Objekts und einem biografischen Schlaglicht auf den Künstler der historische Hintergrund zur dargestellten Person angerissen werden. Betrachten wir vorerst diesen numismatischen Solitär. Lässt man sich auf die ausdrucksstarke Bildsprache, besonders der Reversdarstellung, ein und folgt den scheinbar spärlichen Details auf der Portraitmedaille auf dem Weg der Recherche, so gewinnt man Einblicke in die Lebenswelt eines früh verstorbenen obderennsischen Adeligen und damit in die oberösterreichische Mentalitätsgeschichte der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus. Der Betrachtung dieser Lebenswelt und der dahinter liegenden Mentalitäten soll diese Arbeit dienen.

1.3. Die Aversdarstellung Mit neuneinhalb Zentimetern Durchmesser zählt das Objekt im Vergleich mit anderen barocken Personenmedaillen zu den Größeren – die ungefähr ein Jahr ältere Hochzeitsmedaille Kaiser

Ibid., 186. Vgl. Prokisch 2009, 186. 19 Vgl. Oechslin, Werner: Barock: ein Ort des Gedächtnisses - Interpretament der Moderne/Postmoderne / Barocco: un luogo della memoria - Riferimenti interpretativi nella Modernità e nel Postmoderno. Tagungsbericht 23.09.2004 - 25.09.2004, Rom, in: HSoz-u-Kult, 26.10.2004, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=561, Einleitungsvortrag: Werner Oechslin. 17 18

Leopold des I. aus dem Jahr 1676 zum Beispiel ist etwas kleiner.20 Auf der Avers Seite der Medaille ist das Brustbild eines Mannes im Profil nach links blickend zu sehen. Der knapp Zwanzigjährige zeigt ein ebenmäßiges Gesicht. Er scheint wohlgenährt, wenn man sein leicht gerundetes Kinn betrachtet. Ein mäßiges Doppelkinn entsprach allerdings auch dem damaligen höfischen Schönheitsideal von Paris bis Wien und darüber hinaus. Die dichte, wallende Lockenpracht wird wohl einer Perücke geschuldet sein. Die stattliche Mähne fällt weit über die Seite | 10 linke Schulter. An der Stelle, wo diese abgebildet sein müsste, lugt ein Löwe hervor und blickt 21 direkt in die Augen des Betrachters. Die Umschrift „MICHAEL VVENZESLAVS S(acri) R(omanorum) I(mperii) COMES ET.C“ identifiziert den Mann nur zum Teil. Der Schriftzug „VVEISSENVVOLFF“ auf der Reversseite vervollständigt die Zuordnung. Ganz unten, links neben der Löwen/Wolfsschnauze finden wir die Signatur des Medaillenherstellers „C. FIORE“. Damit ist jener Mann benannt, der für die künstlerische Ausgestaltung der Medaille verantwortlich war. Rechts neben der Schnauze des Löwen/Wolfes ist die Jahreszahl 1677 zu erkennen. Das Herstellungsjahr ist somit geklärt. Da Michael Wenzel Weissenwolff erst im Jänner 1678 heiratete, liegt ein Aufschub eines ursprünglichen Hochzeitstermins nahe. Als Grund liegt die Einhaltung des Trauerjahres für die Brautmutter, Maria Margareta Montecuccoli, nahe, die erst am 15. Dezember 1676 verstorben war. Da der „Verlobungscontract“, der festhielt, dass sich die Eltern gegenseitig „in mund und hand [die Verehelichung ihrer Kinder]versprochen und zuegesagt [haben]“22, bereits Ende 1674 aufgesetzt wurde, kann es sich nicht um eine Verlobungsmedaille handeln.23 Hochzeitsmedaillen aus Silber und Bronze waren in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zum Teil im höheren Adel, in Gold vor allem aber in der kaiserlichen Familie in unserem Raum zwar bekannt, traten aber davor und im folgenden Jahrhundert wesentlich häufiger auf. Ein zur Zeit der Fertigung des vorliegenden Objekts aktuelles Stück ist die Hochzeitsmedaille Kaiser Leopold des I. anlässlich seiner dritten Vermählung mit Pfalzgräfin Eleonora von Neuburg im Jahr 1676. Ein in Silber gegossenes, vergoldetes Exemplar wird in der numismatischen Abteilung der Kremsmünsterer Kunstsammlung präsentiert. Ein zweites an selber Stelle ausgestelltes Medaillenkunstwerk ist die Hochzeitsmedaille von Kaiser Leopolds Schwester Eleonore zur Vermählung mit Karl V. von Lothringen aus dem Jahr 167824, die Wenzel Michael bei seiner Bestellung in Italien noch nicht gekannt haben konnte. Hier fallen zwei wesentliche Unterschiede zur Weissenwolffschen Medaille auf. Zum einen ist auf der Aversseite beider Medaillen das Brautpaar gestaffelt dargestellt25, während bei Weissenwolff die Braut fehlt. Auf der Medaille der Kaiserinschwester wird das Paar der „Neosponses“, der Neuvermählten, im Halbprofil gestaffelt gezeigt.26Die fehlende Abbildung der Braut bei Weissenwolff könnte dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass Michael Wenzel bei der Bestellung in Mailand kein Konterfei seiner Braut bei sich hatte und Fiore keine ex nulloDarstellung riskieren wollte. Der Medaillenkünstler war dafür bekannt, dass er für jeden Auftraggeber auch eine Zeichnung oder ein Porträt anfertigte. Der zweite Unterschied liegt darin, dass der Funktionsfächer der eben erwähnten Medaillen nicht völlig kongruent erscheint. Während bei den Medaillen aus dem Haus Habsburg Vgl. Daburon, Serge-Claude und Wolfgang Szaivert: Münzen und Medaillen. Das Münzkabinett des Benediktinerstifts Kremsmünster – Katalog zur Ausstellung in der Stiftsbibliothek. Kremsmünster: Stiftsverlag. 2013, S. 36. 21 Auf Fioris Medaille für seinen Lehrer Pietro Paolo Caravaggio aus dem gleichen Jahr finden wir im Avers das gleiche Motiv. Tatsächlich ist der frontal abgebildete Tierkopf auf der Weissenwolffmedaille deutlich schmalschnäuziger und könnte auch an einen Wolf gemahnen. 22 Vgl. Bastl 2000, 34: eine Formel, die dieser im Verlobungsvertrag Herberts von Lamberg mit Maria Salome aus dem Jahre 1619 ähnlich war, ist auch im Falle der vorliegenden Verlobung anzusetzen. 23 Lobmeyr, Gabrielle: Unveröffentlichtes Manuskript. Wien, 2013, unpaginiert. 24 Dauerausstellung im numismatischen Kabinett des Stiftes Kremsmünster, September 2013. 25 Daburon, Serge-Claude und Wolfgang Scaivert: Münzen und Medaillen. Das Münzkabinett des Benediktinerstifts Kremsmünster – Katalog zur Ausstellung in der Stiftsbibliothek. Kremsmünster: Stiftsverlag. 2013, S. 36f. 26 Hilfgott, Marquard: Nummotheka Principum Austriae, Freiburg 1752, 1. Auflage, tabula XVI ad pag. 156. 20

die Devisen der Brautpaare explizit im Schriftkreis auftauchen, bzw. bildlich festgehalten sind27, fehlen diese bei Weissenwolff. Die fehlende Braut und der fehlende Sinnspruch im Vergleich zu den oben beschriebenen zeitgenössischen Stücken verleiht der Weissenwolffmedaille einen verspielteren, unernsteren Charakter, der auf der Reversdarstellung noch verstärkt wird. Bildaufbau und Gesamteindruck tragen weniger einer Zeitungs- oder gar einer politischen Funktion28 Rechnung wie bei den Habsburgermedaillen, wo dies durch die überregionale Seite | 11 politische Bedeutung der Hochzeit wohl eher gefordert war. Dort galt es, der Welt die neue europarelevante, familienpolitische Situation zu verkünden. Bei Weissenwolff mochte es zum Teil eher darum gegangen sein, einen heranwachsenden, bald majoratsfähigen, vogtbaren Landadelsspross in der hofnahen Gesellschaft – am virtuellen Hof – zu platzieren und in den Hofadel einzuführen29, wo er seine Startbahn für eine hoffentlich glänzende Karriere im Lichte seiner väterlichen Vorfahren finden würde. Das Aversbild betont durch das perückenbestückte Haupt auf der Profilbüste im Prachtgewand die Funktion der materiellen und ideellen Selbstergänzung. Verstärkt wird diese Funktion durch die Ähnlichkeit mit unzähligen zeitgenössischen Porträtmedaillen, die der Überhöhung der Dargestellten dienen. Die Ähnlichkeit mit kontemporären Münzprägungen – etwa oberösterreichischer Neufürsten30 - reiht den jungen Reichsgrafen zumindest visuell in die Gruppe der etablierten, weil gefürsteten und mit Münzrecht versehenen, politischen und wirtschaftlichen Vorbilder. Die Möglichkeit, sich in die damals dreihundertjährige Tradition von Medaillenporträts bedeutender Männer einzureihen, entsprach einem auch heute noch in anderer Form verbreiteten menschlichen Bedürfnis. Auf die Gegenwart bezogen, denkt man hier wohl an Handyfotos mit zufällig über den Weg laufenden Prominenten oder die Fotos von Jahrmarktschablonen, die das eigene Konterfei in einen lustigen oder erhöhenden Kontext einbinden. Materielle Selbstergänzung ist uns heute – auch zum Anlass von Vermählungen - nicht fremd. Auf heutige bürgerliche Hochzeiten heruntergebrochen, wird diese Funktion von der Stretchlimousine übernommen, die eine Illusion von als angemessen empfundener Bedeutung und Luxus, in eine sichtbare Überlänge dehnt. Die weit verbreitete Wahl von Vermählungsorten in Prunksälen von Schlössern und Herrenhäusern befriedigt, wenn auch nur für wenige Stunden, den Wunsch nach ideeller Selbstergänzung. Der Wunsch, die eigene Persönlichkeit ideell zu ergänzen, sei es durch Einreihung in die Tradition der Porträtmedaille oder - wie im Fall gegenwärtiger Hochzeitspraktiken – durch Annäherung an den genius loci von Häusern bedeutender Familien, ist in unserem Kulturkreis weitgehend nachvollziehbar und zeitlos.

1.4. Die Reversdarstellung Die Herkunft der Medaille ist durch die in Italien verbreitete bildliche (im Gegensatz zu der hierorts üblicheren heraldischen) Darstellung bereits angedeutet. Selbst italienische Porträtmedaillenkünstler, wie Antonio Abondio, gingen von bildhaften Reversseiten zu den mitteleuropäisch üblicheren, weniger aufwändigen Wappendarstellungen über, wenn sie länger hier tätig waren.31 Die Reversseite unserer Medaille zeigt keinen emblematischen Bildaufbau: wir haben ein reichhaltiges Icon, einen knappen Titulus mit dem Namen des Porträtierten, aber – wie bereits Vgl. ibid, 37. Daburon/Szaivert 2013, S. 43. 29 Kuefstein 1905, 299: das vogtbare Alter lag bei 22. Michael Wenzel war bei seinem Tod eineinhalb Jahre jünger. 30 Vgl. die Aversbilder des zeitnah geschlagenen Dukaten, Talers und Halbtalers Graf Georg Ludwig Sinzendorfs aus dem Jahr 1676 (Hippmann, Fritz: Münzen und Geldersatzmittel. In: Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich, Folge 5: Numismata Obderennsia I. Linz, 1997, S. 213. 31 Schulz 1989, 178. 27 28

erwähnt - keine Imprese, keinen Sinnspruch, wie er bei ähnlichen Medaillen meist zu finden ist.32 Das Icon weist einen stark narrativen Charakter auf. Links oben wendet sich ein Amor im Flug nach rechts unten und schießt einen seiner schicksalshaften Pfeile auf einen großen Vogel, vielleicht einen Adler, der einen Wolf neckisch (?) in den Bauch kneift. Der Wolf, von links nach rechts laufend, wendet sich ebenfalls um und blickt zu Adler und Amor auf. Der Pfeil könnte auch ihm gelten, oder eher beiden Tieren. Die Landschaft, die der Wolf durchstreift, öffnet sich links bis zum Horizont. Davor folgen dem wahrscheinlich weiß gedachten Wolf „zwey silberne oder Seite | 12 weisse vermittels goldener Halsbänder aneinander gekupelte weisse Hund/Jagd-Hund“, die in der Weissenwolffschen Wappenbeschreibung aus dem Jahre 1702 zum einen im vierten Schild, Rücken an Rücken aufsteigend, und auf dem dritten, also rechten Helm hintereinander stehend gezeigt werden.33 Auf der rechten Seite läuft der bedrängte Wolf vor dem Hintergrund eines Berges. Sowohl der große Aar, möglicherweise auch der Berg, spielen auf die Braut Weissenwolffs, Ernestine (auch: Ernesta, Christina oder Faustina) Barbara Montecuccoli, bzw. deren Familie an. Im Familienwappen der Montecuccoli, einem alten Adelsgeschlecht aus Modena in habsburgischen Diensten, finden wir vier Adler. Der Berg wiederum dürfte auf den Herkunftsort der Braut, den Monte Cucculo – den Kuckucksberg in Frignano bei Modena - anspielen. Die bereits erwähnte neckische Geste des Adlers, der einen flüchtenden Wolf im Augenblick der amourösen Verstrickung bauchwärts beschnäbelt, erscheint auf einer Hochzeitsmedaille nur dann sinnvoll, wenn man weiß, dass von Montecuccolis Töchtern, also auch der Braut, berichtet wurde, dass sie „zu den lebhaftesten und bizarrsten am ganzen Wiener Hof“34 gezählt wurden. Diese anekdotische, verspielte Facette des kneifenden Adlers, die sich uns nicht vollends erschließt, macht das Bild zu einem „intimen Denkmal im handlichen Format“35, dem etwas Privates anhaftet, das einer rein repräsentativen, offiziellen Funktion der Medaille entgegen steht. Dieser funktionale Widerspruch von „Nachricht an die Öffentlichkeit“ und privater Anspielung, macht in der Betrachtung des Bildes einen Spannungsbogen auf, der sich einer endgültigen Auflösung entzieht und damit dem Objekt seinen eigenen Reiz verleiht. Nüchtern betrachtet sehen wir die von Amor verursachte Vermählung zweier Adelsgeschlechter, dargestellt in heraldisch-allegorischer Bildsprache mit einem (vorerst) nicht auflösbaren Bildelement.

1.5. Die Funktionen der Privatmedaille Auf der Aversseite überwiegt die offizielle, repräsentative Absicht, den Porträtierten in die Elite der damaligen Gesellschaft einzureihen. Das Icon gibt vor, eine persona publica zu präsentieren. Ein Mann in vollem Gepränge, von der Kleidung bis zum Haar, für den militärischen, wie modischen Auftritt gerüstet, bietet sein Profil wie unzählige Männer seiner Zeit, die Erfolgsmomente oder errungene Machtpositionen auf Medaillen festzuhalten gedachten. Schlachtensiege, gelungene politische Verbindungen, Aufnahme in den Orden des Goldenen Vlieses, vermeintliche und tatsächliche Höhepunkte politischer Karrieren, all das waren Erfolge, auf die mit der Ausgabe von Porträtmedaillen in finanziell potenten Adelskreisen verwiesen wurde.

Hier sei abermals auf die zeitgenössische Hochzeitsmedaille Kaiser Leopold des I. aus dem Jahr 1676 verwiesen. Hoheneck, Johann Georg Adam: Die Löbliche Herren Herren Stände deß Erzherzogthumb Oesterreich ob der Ennß; als: Prälaten, Heren, Ritter und Staedte, oder Genelaog und historische Beschreibung von deroselben Ankunfft, Stifft, Erbau- und Fortpfaltzung, Wappen, Schild und Helmen, ihren Clöstern, Herrschafften, Schlössern und Staedten, u. u., Passau: gedruckt bei Gabriel Mangold, 1732, S. 766f. 34 Schreiber, Georg: Raimondo Montecuccoli. Feldherr, Schriftsteller und Kavalier – ein Lebensbild aus dem Barock. Styria:Graz/Wien/Köln, 2000, S. 248. 35 Steguweit, Wolfgang: Europäische Medaillenkunst von der Renaissance bis zur Gegenwart. Berlin: Gebr. Mann, 1995, S. 9. 32

33

Michael Wenzels Verlobung oder Hochzeit war aber kein politisch relevanter „Erfolg“ und wies auch nicht auf dynastische Veränderungen hin, die im Schicksal unzähliger Untertanen wirkmächtig werden konnten, wie dies bei den Hochzeiten Kaiser Leopolds des I. möglich war. Mit seinen zwanzig Jahren war Michael Wenzel noch nicht einmal Majoratsherr, erst mit 22 hätte er die politische Geschäftsfähigkeit erreicht, wäre er vogtbar geworden. Die öffentliche Anmutung des Avers verliert ihre Schärfe auch durch das Fehlen des Namens der familia „Weissenwolff“ auf dieser Seite. Der Vorname Michael Wenceslaus nennt die persona privata, allein Seite | 13 der Reichsgrafentitel spielt nochmals auf seine öffentliche Rolle an. Die Dichotomie „öffentlich privat im Sinne getrennter Sphären“ 36 ist, wie für das Spätmittelalter und die frühe Neuzeit insgesamt - geradezu archetypisch - auf dieser Medaille nicht trennscharf dargestellt. Es ist etwas von beidem: eine Privatmedaille mit Elementen einer öffentlichen Anmutung. Noch mehr als um den splendor familae, geht es hier um den Glanz der persona privata Michael Wenzels, der bei seinen Gestaltungswünschen nicht wie etwa der Kaiser auf eine Staatsräson Rücksicht nehmen musste.37 Die Reversseite verstärkt diesen Eindruck und gewährt einen intimeren Blick auf den Moment des Liebesglücks. Hier steht/stehen die Privatperson(en) im Vordergrund, wenn auch Versatzstücke aus beiden Familienwappen ins Bild gesetzt werden. Der Autor des Bildprogramms möchte die Erinnerung an einen flüchtigen Moment wach halten, vielleicht auch die Sinne für das Gegenwärtige anregen38 und die in einem Moment empfundene Freude mit nachfolgenden BetrachterInnen teilen. An diesem Punkt berührt uns dieses kalte Metallstück auch heute noch. Diese Rührung erwärmt uns für die nähere Betrachtung des Lebens des dargestellten Menschen, die hier nur angerissen werden kann (s. Kapitel 1.9.).

1.6. Zur Wahl des Künstlers Zum Anlass der Verlobung Michael Wenzel Weissenwolffs mit Ernestina Barbara Montecuccoli einige Monate vor der Vermählung am 27. Jänner 1678 wurde beim Mailänder Künstler Cesare Fiore die vorliegende Medaille in Auftrag gegeben. Es stellt sich die Frage, warum bei diesem Auftrag ein Mailänder Medailleur zum Zug kam. Gab es nicht auch in der näheren Umgebung des Bräutigams Künstler, die Medaillenaufträge annahmen? Zum einen war die Blüte der Gussmedaille nach dem Ableben Kaiser Rudolf des II. in unserem Raum vorrübergehend zurückgegangen.39 Zum anderen finden wir auch nach der siegreich überwundenen Türkenbelagerung noch in den 1680er Jahren wesentlich weniger österreichische Medaillen zu diesem besonderen Anlass, dem glorreichen Sieg über die Türken, als solche, die außerhalb Österreichs dazu entstanden. Zwei Wiener Medaillentypen stehen hier 100 Medaillen von 20 „ausländischen“ Medailleuren gegenüber.40 Schulz befindet, dass es nach 1612 in Österreich zu keinen nennenswerten Medaillen kam, räumt allerdings ein, dass in den Schlickschen Münzstätten Joachimstal und Kremnitz auch um die Mitte des 17. Jahrhunderts sehr wohl eine Produktion für das Kaiserhaus gab, die dann nach 1654 nachließ. Im Bedarfsjahr 1677, als die Familien der zu Vermählenden die Vorbereitungen für die Hochzeit trafen, stand etwa Johann Permann als Verfertiger von Medaillen zur Verfügung. Der gebürtige Südtiroler produzierte von 1676 bis 1678 für das Kaiserhaus, wobei das prominenteste Stück die oben erwähnte Hochzeitsmedaille zur dritten Vermählung Kaiser Leopold des I. war. Permann ist bekannt für sein „alchimistisches Medaillion“ aus dem Jahr 1677, dem EntstehungsVgl. von Moos, Peter: Das Öffentliche und das Private im Mittelalter. Für einen kontrollierten Anachronismus. In: Gert Melville und Peter von Moos (Hrsg): Das Öffentliche und das Private in der Vormoderne. Köln/Weimar/Wien – Böhlau, 1998, S. 3 – 83. Zit. nach Bastl 2000, S. 26. 37 Vgl. Bastl, Beatrix: Tugend, Liebe, Ehre. Die adelige Frau in der Frühen Neuzeit. Wien/Köln/Weimar – Böhlau, 2000, S. 30. 38 Steguweit, Wolfgang: Europäische Medaillenkunst von der Renaissance bis zur Gegenwart. Berlin: Gebr. Mann, 1995, S. 9. 39 Vgl. Schulz 1989, 180. 40 Vgl. Schulz 1989, 179. 36

jahr des hier untersuchten Stückes. Daneben schuf Johann Bernhard Fischer von Erlach – zwar in Rom – aber doch auch zumindest eine Medaille in dieser Zeit. Auch der böhmische Bildhauer Ignaz Johann Bendl stand zur Wahl.41 Man kann also nicht davon sprechen, dass es in Österreich oder in der bayrischen Nachbarschaft im fraglichen Zeitraum an fähigen Medailleuren völlig fehlte. Der interessierte Adel konnte auch auf Künstler in Nürnberg und Augsburg zurückgreifen. In unserem Fall gibt es allerdings klare Bezüge der als Auftraggeber in Frage kommenden Seite | 14 Familien zum nördlichen Italien. Wer erteilte Fiore aber nun den Auftrag? Wir können uns nur spekulativ an eine Antwort annähern. Einerseits könnte die oberitalienische Familie des Brautvaters, bzw. dieser persönlich, diese Bestellung in seinem Kulturkreis durchgeführt haben, da dort die Medaillenkunst auch im späten 17. Jahrhundert in Blüte stand. Als hochranginger italienisch-stämmiger Militär war er den anderen von Fiore porträtierten Medaillenträgern, wie Trotti, Visconti oder Cabrera de Toledo geistig am nächsten. Noch näher liegt folgende Erklärung: der junge „Cavaglier“ Michael Wenzel befand sich von März bis August 1677 während seiner „Länderreis“ durch Oberitalien in Mailand. Von dieser Kavalierstour schickte er seinem „freyle braut“ auch hin und wieder Geschenke.42 Der junge Weissenwolff dürfte die Medaille in Mailand persönlich in Auftrag gegeben haben. Das großzügige Budget von über 48000 Gulden für die vergleichsweise kurze Kavalierstour43 hätte dem jungen Bildungsreisenden diese Anschaffung durchaus ermöglicht. Eine andere Frage ist jene nach dem Motiv Michael Wenzels, seine materielle Selbstergänzung in Form einer Porträtmedaille zu suchen. Er kannte die Hochzeitsmedaille Kaiser Leopold des I. und Porträtmedaillen anderer Adeliger, die sich damit erfolgreich selbst darstellten und wirkungsvolles „Branding“ für ihre Familienklientel betrieben. Der junge Weissenwolff war auch mit Medaillen als „Leistungsabzeichen“, die zur Ehre gereichten, vertraut. In seiner Linzer Jesuitenschule war es bis 1616/8 üblich, dass Schüler für besondere Leistungen neben Büchern „Prämienmedaillen“ erhielten. Obwohl Michael Wenzel erst 60 Jahre später diese Schule besuchte, ist anzunehmen, dass solche Medaillen dort den Schülern und Studiosi präsentiert wurden und deren Interesse erweckten, so wie es heute mit Smartphones erstellte Selfies bei Jugendlichen tun. Die Ähnlichkeit von privaten Personenmedaillen mit heute erstellten Selfies in Dimension und Inhalt ist tatsächlich verblüffend. Wenige Jahre nach seinem Abgang vom Linzer Jesuitenkolleg hatte der aufstrebende junge Herr nun die finanziellen Mittel und die Gelegenheit, eine Medaille mit seinem Konterfei zu bestellen und in der Folge selbst ausgeben zu lassen. Zu jener Zeit war die Zahl aktiver Medaillengraveure auch in Mailand übersichtlich. Individuell gestaltete Personenmedaillen waren wie erwähnt eine neue Mode und nach dem Dreißigjährigen Krieg und der Mailänder Pest von 1630 lief die Produktion von prestigebringenden Luxuswaren ohne praktische Funktion erst langsam an. Suchte Michael Wenzel Weissenwolff, der 1677 hier einen Teil seiner Kavalierstour absolvierte, einen Medaillenkünstler, so hatte er die Wahl zwischen drei Männern, die auch am Dom und in anderen lokalen Sakralbauten als Bildhauer und Maler tätig waren. Der älteste war der bereits erwähnte Giuseppe Vismara (1633-1703) 44, der insgesamt etwa 70 Medaillen anfertigte.45 Sein Kollege Carlo Simonetta (1635-1687) hinterließ im Vergleich dazu in diesem Genre keine nennenswerten Spuren.46 Die Wahl fiel auf Cesare Fiore (1636-1702), einen engen Freund Vismaras. Im Bereich der Medaillenkunst war Fiori nicht die schlechteste Wahl. Da von Simonetta keine nennenswerten Medaillen überliefert sind, kann nur der direkte Vergleich der Medaillen Fioris und Vismaras einer Einschätzung der künstlerischen Qualität dienen. Beide Ibid., 181. Lobmeyr, Gabrielle: unveröffentlichtes Manuskript. Wien, 2013, unpaginiert. 43 Vgl. Ibid., unpaginiert. 44 Lorioli, Vittorio: Medaglisti e incisori italiani dal 15. al 19. secolo. O.O: Litostampa Istituto Grafico, 1993, S. 35. 45 Arese 1973, S. 184. 46 Mündliche Auskunft Rodolfo Martini im Castello Sforzesco am 19. Februar 2014. 41 42

Künstler haben im Abstand von zwei Jahren je eine Medaille für ihren Lehrer Pietro Paolo Caravaggio sen. angefertigt. Fioris Porträtdarstellung wirkt in der Ausarbeitung des Faltenwurfs der Oberbekleidung realitätsnaher und in der Personendarstellung lebendiger und kraftvoller.47 Arese spricht von einem höheren künstlerischen Talent bei Fiore, das sich unter anderem in einem überlegenen Spiel mit den Schattenwirkungen des Bassoreliefs zeige. Die Begründung sieht der Kunsthistoriker in der Tatsache, dass Fiori als produktiverer Kupferstecher in der Arbeit an der Miniaturdarstellung besser geübt gewesen sei als Vismara, dessen Stärken in der Bearbeitung Seite | 15 des Marmors gelegen hätten. Im Gegensatz zu Vismara wandte sich Fiori nach seiner neunten Medaille im Jahre 1682 völlig von dieser Kunstform ab und widmete den Rest seiner künstlerischen Laufbahn dem gemalten oder gestochenen Porträt.48

1.7. Der Künstler Cesare Fiori49 (auch Fiore oder Florus) wurde in oder in der Nähe von Mailand etwa um 1636 geboren50. Er wuchs jedenfalls in diesem intellektuellen und künstlerischen Zentrum auf und wurde von Vater Gerolamo früh Carlo Cane di Gallerate zur Anleitung in der Malerei zugeführt. Im Alter von acht Jahren fertigte er ein Porträt seines Vaters an.51 Gleichzeitig erhielt der Heranwachsende eine Ausbildung beim Architekten und Mathematiker Pietro Paolo Caravaggio52. Er wurde somit früh mit der höheren Mailänder Gesellschaft vertraut gemacht, die „ihn an ihren Tafeln liebend aufnahm“.53 Im Alter von neunzehn Jahren führte Fiori untergeordnete Arbeiten für die Fabbrica del Duomo aus, fünf Jahre später wurde er für die Bemalung eines monstranzartigen Gerätes (Nivola) von Ss. Chiodo zur Aufbewahrung des Heiligen Nagels bezahlt.54 Beide Arbeiten sind verloren. Anfang der 60er Jahre heiratete Fiori Maria Elisabetta Ignazi, die ihm 14 Kinder gebar, von denen die meisten im Kindesalter verstarben.1669 gehörte der nunmehrige Familienvater zu den Gründern der Accademia Ambrosiana. In der Malerei wird ihm ein mit 1667 datiertes Porträt Giovanni Batista Comerios zugeschrieben.55 Als sein erstes gesichertes und erhaltenes Werk gilt die zusammen mit Ambrogio Besozzi 1671 geschaffene Kardinalserhebung von Friedrich Borromäus“.56 Eine „Geburt des Hl. Karl (Borromäus)“ als Teil der auch heute noch jährlich im November präsentierten Quadreria zum Datum der Geburt des Patrons im Mailänder Dom wird ebenfalls Fiori zugeschrieben.57 Aus den folgenden Jahren sind vermehrt Porträts überliefert. Fiori malte 1666 ein Bildnis Giovanni Battista Ferrari Bianchis und im gleichen Jahr porträtierte er in Venedig den dort im Exil lebenden Abt Boisot.58 Zu seinen Auftraggebern zählte auch Cosimo III., Großherzog der Toskana. Von den unzähligen Stichen Fioris ist jener der Wunderkammer Manfredo Settalas der Ibid., S. 185. Ibid. 49 Zuweilen findet sich die Schreibung „Fiori“. Siehe dazu: von Duisburg, Carl Ludwig: Berliner Blätter für Münz-, Siegel- und Wappenkunde. › Vierter Band. 1868. Bd. 9, 245 – 247: Cesare Fiore und seine Medaillen, S. 246. 50 Vgl. Caprara, Vittorio (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 48, Roma, 1997, gefunden und zuletzt geprüft am 13. August 2013 auf www.treccani.it – l´encyclopaedia italiana: http://www.treccani.it/enciclopedia/cesare-fiori_%28Dizionario_Biografico%29/ zuletzt geprüft am 1. September 2013. 51 Arese 1973, S. 182. 52 Der ältere der drei Mathematiker gleichen Namens (1617 – 1688), s. http://www.cosmovisions.com/Caravaggio.htm, zuletzt geprüft am 12. 10. 2013. 53 Vgl. Arese 1973, S. 182. 54 Saur, K.G.: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker. München/Leipzig, 2004. S. 229. 55 Caprara 1997: http://www.treccani.it/enciclopedia/cesare-fiori_%28Dizionario_Biografico%29/ zuletzt geprüft am 1. September 2013. 56 Saur 2004, S. 229. 57 Arese 1973, S. 183. 58 Arese 1973, S. 183. 47 48

heute populärste, da diese frühe voraufklärerische Form der musealen Sammlung von Naturalia, Exotica, Mineralia und Artificialia gegenwärtig eine neue Anziehungskraft entfaltet.59 Im Bereich der Medaillen haben sich neben der vorliegenden Weissenwolffmedaille sechs weitere im numismatischen Kabinett der Pinakothek des Castello Sforzesco in Mailand erhalten. Lorioli spricht von insgesamt „circa neun Stück“.60 Arese präzisiert die Werkliste indem er sechs datierte und signierte Stücke anführt, ein undatiertes Signiertes, sowie zwei anonyme Medaillen, die er „mit Sicherheit“61 Fiori zuschreibt. Der Mailänder Künstler fertigte zu jeder Porträtmedaille Seite | 16 auch einen Stich oder ein Ölporträt des Auftraggebers an. Diese Werke sind großteils erhalten und erlauben seltene Einblicke in die künstlerische Arbeitsweise. Während die Zeichnungen, Stiche und Bilder realistisch gehalten sind, lässt der Künstler bei den Medaillen einer emblematischen Interpretation Raum.62 Da zu sechs in Mailand aufbewahrten Medaillen diese Parallelwerke erhalten sind, liegt nahe, dass auch für das siebte Exemplar, jenes von Michael Wenzel Weissenwolff, ein Bildnis angefertigt wurde, das ebenfalls noch existieren könnte. Fioris früheste Medaille zeigt Marchese Gian Galeazzo Trotti, einen verdienten und vielfach ausgezeichneten Feldmarschall der Stadt Mailand. Sie stammt aus dessen Todesjahr 1670. Fünf Jahre später entwarf Fiori eine Medaille für Teobaldo Visconti, einen Militärarchitekten, Strategen und Politiker. Im Entstehungsjahr der Weissenwolffmedaille fertigte Fiore eine Porträtmedaille für Vercellino Maria Visconti, einen ehemaligen General im Dreißigjährigen Krieg, der zum Zeitpunkt der Darstellung Mitglied des Mailänder Geheimen Rats war. Visconti war wie Michael Wenzels Großvater Vliesritter. Diese Medaille weist eine Parallele zum Untersuchungsobjekt auf: im Avers lugt aus dem übergeworfenen Mantel des Abgebildeten ein Löwe. Es folgt im Jahr 1677 eine Medaille für Fioris Lehrer, den Mathematiker und Architekten Pietro Paolo Caravaggio, den Älteren. Bekannt ist darüber hinaus noch das ebenfalls 1677 von Fiore entworfene Stück für den befreundeten Manfredus Septalius (Manfredo Settala), einen Kanoniker des Mailänder Doms, der sich als Naturwissenschafter und wie unten ausgeführt als musealer Sammler einen Namen machte.63 Im gleichen Jahr fand nun die Begegnung mit Michael Wenzel Weissenwolff statt, der die hier untersuchte Personenmedaille in Auftrag gab. Zwei Jahre später, 1679, entstand eine Medaille für Enriquez de Cabrera e Toledo Giovanni Tomaso, den später verbannten Admiral und Staatsrat Karl des II. von Spanien, damals aber Gouverneur und somit Stellvertreter Karls in Mailand.64 Auch hier verband Fiori eine Freundschaft mit dem Abgebildeten, der für zwei von Fioris Kindern als Taufpate in Erscheinung tritt. Den Abschluss von Fioris Arbeit an Medaillen bildet ein 1682 entstandenes Exemplar, das Ranuccio II. Farnese zeigt, der im Alter von sechzehn Jahren den Thron in Parma bestieg.65 In den folgenden Jahren wandte sich Fiore der Malerei, der Architektur im Bereich der Altargestaltung und der Illustration von Büchern zu.66 Der vielseitig begabte Fiore war in Mailand nicht nur als Künstler, sondern auch als Degenfechter, Tänzer und Fahnenträger seiner Stadt bekannt.67

Vgl. Ausstellung „La Wunderkammer di Manfredo Settala“ im Palazzo Flupsi, Mailand, 2014. Lorioli, S. 31. 61 Arese 1973, S. 184. 62 Ibid., S. 185. 63 Vgl. Philosphical Transactions of the Royal Society: Some Observations communicated by Signor Manfredus Septalius from Milan, concerning Quicksilver found at the roots of Plants, and Shels found upon In-land Mountains. London. 1665, p 493, gefunden auf http://rstl.royalsocietypublishing.org/content/2/23-32/493.1.full.pdf+html, zuletzt geprüft am 13. August 2013. 64 Vgl. von Duisburg, Carl Ludwig: Berliner Blätter für Münz-, Siegel- und Wappenkunde. › Vierter Band. 1868. Bd. 9, 245 – 247: Cesare Fiore und seine Medaillen, S. 245f. 65 Arese 1973, S. 194. 66 Vgl. Semenzi, Giuseppe Girolamo: Il mondo creato diuiso nelle sette giornate. Poesie mistiche des P.D. Giuseppe Girolamo Semenzi. Milano: nella stampa di Carlo Antonio Malatesta; nella contrada di San Margarita, 1686. 67 Caprara 1997, ibid. 59 60

Erwähnenswert ist sein als Kunstobjekt zur Medaille in augenfälligem Gegensatz stehendes Castrum doloris, ein Trauergerüst, ein „Festapparat anlässlich der Exequien für die Herzogin von Uceda“ aus dem Jahr 1671.68 Der gigantische, altarhaft anmutende und mit aufwändig drapiertem, schwarzem Samt überzogene Pavillion war nur für die Dauer der Begräbnisfeierlichkeiten für die verblichene Fürstin vor Santa Maria della Scala in Mailand aufgestellt. Dieses in Größe. Bildsprache, Vergänglichkeit und Thematik konträre Werk spannt die Bandbreite von Fiores Schaffen vom Medaillenentwurf zum architektonischen Großprojekt. Seite | 17 Der vielseitige Lombarde starb im am 3. Juni 1702 in seiner Heimatstadt. Sein im Bereich der Medaillenkunst produktiverer Freund Vismara fertigte in den 1680er Jahren eine Medaille mit Fioris Porträt an. Das einzige bekannte Exemplar befindet sich in der numismatischen Sammlung der Bibliotheca Ambrosiana in Mailand und ist zurzeit weder zugänglich noch beforschbar, da diese Sammlung geschlossen ist.69 Somit ist zumindest ein Abbild dieses Porträtkünstlers erhalten, der in der Mailänder Kirche Santa Maria della Conca begraben liegt.70

1.8. Die Medaille im Kontext vergleichbarer Porträtmedaillen Eine kontrastive Betrachtung des hier untersuchten Objekts mit anderen österreichischen Medaillen aus dem 17. Jahrhundert wirft ein stärkeres Licht auf die Solitärstellung der Weissenwolffmedaille. Gian Pietro de Pomis und Hans Georg Perros Porträtmedaille Johann Baptist von Werdenbergs aus dem Jahr 1624 zeigt avers das Profil Werdenbergs mit seinem Namen im Schriftkreis. Revers finden wir einen einfachen, klaren Bildaufbau den Sinnspruch „Über dem Schicksale ist die Weisheit“. Eine sich in den Schwanz beißende Schlange umschließt, zum Kreis gekrümmt, einen Stern. Das beschriebene Bild ist über einer grasbewachsenen Erdkugel schwebend in Szene gesetzt.71 Dieses Bild mit dem über eine Landschaft gesetzten Tier steht, wenn auch surrealistisch überhöht, dem Reversbild der Medaille Michael Wenzels bereits etwas näher.72 Die zeitnähere „Karussellmedaille“ Erzherzog Ferdinand Karls von Matthias König aus dem Jahr 1652 ist der Weissenwolffmedaille avers bereits sehr ähnlich, revers zeigt sich ein komplexerer narrativer Bildaufbau ohne Imprese oder Schriftkreis.73 Am nächsten kommt unserem Stück wohl die vor 1656 entstandene Porträtmedaille des Reichsfürsten Ottavio Piccolomini von Aragona, Herzogs von Amalfi. Wie Raimondo Montecuccoli, Michael Wenzels Schwiegervater, war Piccolomini Generallieutenant und Vliesritter und zu seiner Zeit – eine Generation vor Montecuccoli, der 24 Jahre später starb – einer der herausragenden Feldherrn des Kaisers. Im Avers nicht wesentlich unterschieden, zeigt diese Medaille auf der Reversseite eine Landschaft, eine Bucht mit Teilen einer Flotte, über der ein überdimensionaler Mond steht. Der Umstand, dass das Wappen der Piccolimini fünf Monde enthielt, und dieser Himmelskörper dominant in die Landschaft gesetzt wurde, könnte für den Reversbildaufbau der Weissenwolfmedaille vorbildhaft gewesen sein, wo ebenfalls heraldische Elemente vor dem Hintergrund einer Landschaft narrativ wirksam werden. Einzigartig bleibt bei allen Parallelen und Ähnlichkeiten die Darstellung des privaten, ja intimen, animalisch verbrämten Moments des Sich-Verliebens bei gleichzeitiger körperlicher Berührung auf der vorliegenden Weissenwolffschen Porträtmedaille. Zuffi, Stefano (Hrsg.): Jahrhunderte der Kunst. Bd. 4. Mailand: Electa, 2006, dt. Ausgabe: Berlin: Parthas, 2007. S. 82f. 69 Schriftliche Auskunft: dr. Rodolfo Martini am 28. Februar 2014, Mailarchiv Martin. 70 Arese 1973, S. 184. 71 Schulz 1989, 180. 72 Bergmann, Joseph: Medaillen auf berühmte und ausgezeichnete Männer des österreichischen Kaiserstaates. Bd. 1: Vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Wien: Tendler und Schäfer, 1844., S.345 et tabula 21, pag. 112. 73 Schulz 1989, 180. 68

Erwähnenswert ist sicher noch die Absenz der Braut im Aversbild, die es dem Betrachter erschwert, das Stück als „Verlobungs-„ oder gar „Hochzeitsmedaille“ anzusprechen. Vergleichbare Medaillen aus dem gleichen Hochzeitsjahr, wie jenes für Karl V. von Lothringen zur Vermählung mit Eleonore von Österreich gegossene Kleinkunstwerk oder die Hochzeitsmedaille Kaiser Leopolds und Kaiserin Margarita Teresas aus dem Jahr 1666 zeigen Gemahl und Gemahlin gestaffelt im Profil.74 Andererseits gab es keinen fixierte Bildprogrammatik für solche Stücke. Ihre Besonderheit lag wesentlich in dieser gestalterischen Freiheit und die Verlobte dürfte Seite | 18 zum Zeitpunkt der Bestellung nicht in Mailand gewesen sein. Die Weissenwolffmedaille weist somit in der Nutzung der damals auftauchenden gestalterischen Freiheit eine Solitätärstellung auf, die sie in der Aussage als widersprüchliches Unikat erscheinen lassen.

2. Der Mensch auf der Medaille: Michael Wenzeslaus Weissenwolff 2.1. Die Taufe Wir wissen zumindest namentlich, wer zugegen war, als Michael Wenceslaus Franciscus Josephus Januarius Weissenwolff 75 am 14. September 1658 in Wien getauft wurde. Die Taufe wurde üblicherweise nicht zu Hause76 zelebriert. Aufgrund der hohen Säuglingssterblichkeit war nach der Geburt eine möglichst zeitnahe Taufzeremonie geboten. Der Täufling wurde in den meisten Fällen von Bediensteten in die Kirche getragen. Als „patrones“ werden in der Taufmatrik der Schottenkirche an erster Stelle zwei Menschen genannt: Geörg Rimele und Ameley Haßin. Ob es Bedienstete des Hauses, Diener und Hebamme, oder Spitalsarme waren – was damals vorkam – entzieht sich unserer Kenntnis. Weiters führt der Pfarrer Hanns Schifer an.77 Hier dürfte es sich um ein Mitglied der Freiherren Schifer auf Dachsberg und Freyling handeln, die mit Helmhard Christoph befreundet waren.78 Hinter der Abkürzung „Obht.“ (Obhut?) wird schließlich noch die Amme Veronica Steinerin angeführt. Keine der erwähnten Personen musste eigenhändig unterschreiben, wie dies später üblich wurde. Der Namenspatron des Kindes, Mutterbruder Michael Wenzel Franziscus Althann, scheint in der Taufeintragung nicht auf. Noch dürfte die schriftliche Taufmatrik als Dokument mündliche Vereinbarungen und Bezeugungen in der juristischen Aussagekraft nicht überstiegen haben. Die Anwesenheit von Verwandten war aufgrund der geburtsnahen Taufe nicht üblich und wurde erst für eine später angesetzte Feierlichkeit erwartet.

2.2. Der protestantische Familienhintergrund Michael gehörte – wie seine zwei Jahre ältere Schwester - bereits zu jenen Familienmitgliedern, die nicht mehr den Namen „Ungnad“, und auch nicht wie später manche Nachfahren die Kombination, sondern ausschließlich den Namen „Weissenwolff“ in der Domanig, Karl: Die deutsche Medaille in kunst- und kulturhistorischer Hinsicht. Wien: Anton Schidl, 1907, S. 62, Nr. 400, Tafel 44 et fehlt Leopold Medaille. 75 Taufmatriken der Pfarre Zu unserer Lieben Frau bei den Schotten Wien 1658, 14. September. 76 Hofkammerarchiv, Hofquartierbuch Leopold I Nr. 14, Teil 5., zit. nach: Hengerer, Mark: Kaiserhof und Adel in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Konstanz: Universitätsverlag Konstanz, 2004, S. 97, Fußnote 394. Demnach wären die Weissenwolff in den ersten Regierungsjahren Leopold I. im Haus Nr. 681 untergebracht gewesen. 77 Taufmatrik, Schottenpfarre Wien, s. Anm. 35. 78 Helmhard Christoph trat bei der Hochzeit Theodosius Schifers mit Susanna Eleonora Kuefstein eine Woche vor Michael Wenzels Vermählung im Jahr 1678 als Trauzeuge auf. Trauungsmatrik, Stadtpfarre Linz, siehe Anm. 111. 74

Taufmatrik aufwiesen. Ab dem Zeitpunkt der Erhebung in den Reichsgrafenstand im Jahr 1646 verwendeten die Ungnad den Namenszusatz „von Weissenwolff“.79 Erst im 19. Jahrhundert kam der alte „Ungnad“-Name wieder auf.80 Das ursprünglich süddeutsche, dann kärntnerischsteiermärkische Geschlecht kann ab dem Beginn des 17. Jahrhunderts als „obderennsisch“ oder, wie man heute sagen würde „oberösterreichisch“ gelten. Auffallend ist die Zahl an Konvertiten in Michaels Großelterngeneration. Dieses Seite | 19 Phänomen der zur katholischen Religion bekehrten Protestanten ist eine nähere Betrachtung wert. Vorerst sei ein Blick auf diese Verwandtschaft gewährt. Die Taufnamen des Säuglings schließen hier bereits wesentliche Verwandtschaftsbeziehungen auf. Der älteste Bruder der Mutter, Maria Susanna Ebronia, hieß Michael Wenzel Ferdinand Althann. Der katholische König (von Böhmen) Ferdinand IV. war bei ihm für die Namen „Wenzel“ und „Ferdinand“ Pate gestanden. „Michael“ war der erste Taufname seines Vaters, Michael Adolph Althann. Der Name des Erzengels wird bis heute in der Familie Althann vergeben.81 Einzelne protestantische Familienmitglieder der Althann zählten noch in den 1670er bis 1690er Jahren zum niederösterreichischen Adel, wobei hier um 1674 nur noch 16 % der Grafen und Barone Protestanten waren.82 Michael Wenzels Großvater, Michael Adolph Althann, war allerdings ein prominenter, früher Konvertit. Er war im November 1618 Gründervater der „Militia Christiana“, eines gegenreformatorischen Ritterordens unter dem Schutz der Hl. Jungfrau und des Erzengels Michael.83 Seine „Umkehr“ nach eigenen Angaben von einem mystischen Erlebnis auf der Karlsbrücke ausgelöst wurde. In der Haustradition der Jesuiten von St. Anna in Wien trug sich dieses Bekehrungserlebnis im Jahr 1599 folgendermaßen zu:84 „Als der junge Freyherr einmal in Prag über die Karlsbrücke ritt, „da sahe er in der Mitte der Brucken ein sehr kostbahres / und künstliches Crucifix-Bild / welches die Catholische(n) in hohen Ehren hatten […]“. Der lutherische Freiherr habe sich über die Ehrenbezeigungen, die dem Kruzifix von den katholischen Passanten erwiesen wurden, ereifert und gedacht: ´O eine unleydentliche Thorheit der Papisten! Einem Holtz / und Stein ein solche Ehr beweisen / als wann sie Christum vor Augen hätten!´ Er habe im Vorbeireiten das Kruzifix wütend angeblickt und den Hut trotzig `vest an sein Haubt gedrückt´. Da habe sich Gott seiner erbarmt und ihn durch ein Wunder bekehrt: ´Kaum ware er [an] der Bildnuß vorbey geritten / da sihet er augenscheinlich / daß er vor denen Füssen seines Pferds die Brucke sich zertheile / ein entsetzlicher Abgrund Tieffe biß zu dem Wasser / wohin er sich schon gestürtzt zu werden glaubte /seye: Sein Schrocken ware so groß / daß er sich nicht verwusste; nachdeme er sich erholet hatte / vermerkte er/ woher diese Gefahr entstanden: Bereuet unverzöglich die Unehr / welche er der Bildnuß seines gecreutzigten Erlösers zugefüget hat: Kehret sich alsobalden um / steiget vor der Bildnuß von dem Pferd / fallet auff seine Knye / und verehret dieselbe viel demüthiger / als er ungebärtig er sich selbe verunehret hat. Von dannen ware sein erster Weg nach dem Collegio der Gesellschaft Jesu, allwo er als ein unverhoffter Gast erstlich mit Verwunderung / nach erkandter Ursach mit Freuden empfangen / Der vollständige Name Davids lautete nach der Erhebung in den Grafenstand in Pressburg „David Ungnad Graf (nach 1652: Reichsgraf) von Weissenwolff, Freiherr von Sonn- und Ennsegg, Herr auf Steyregg, Parz und Reinleiten, Rech-, Spil- und Luftenberg, Roith mit Meggenhofen und Kematen, Köppach samt Gröbming, Gries- und Walterskirchen. Schriftliche Auskunft: Gabrielle Lobmeyr, am 31. Oktober 2013. 80 Mündliche Auskunft: Gabrielle Lobmeyr, am 21. August 2013. 81 Schriftlicher Hinweis: Gabrielle Lobmeyr, am 31.Oktober 2013. 8282 Vgl. Schreiber 2013, 44. 83 Winkelbauer, Thomas: Fürst und Fürstendiener. Gundaker von Liechtenstein, ein österreichischer Aristokrat des konfessionellen Zeitalters, Oldenbourg: Wien/München, 1999, S. 138. 84 Ibid., 135. 79

und nach gebührender Zeit im Catholischen Glauben vollkommen unterrichtet ist worden.“ Diese spontanen Konversion – wenn wir dem apologetischen Bericht des Jesuiten folgen dürfen, der diese Geschichte 1713 drucken ließ, steht in einer Reihe ähnlicher Fälle bei Michael Wenzels mittelbaren Vorfahren. Während Großvater Michael Adolph in der Folge rasch als Musterbeispiel des frühen Seite | 20 länderübergreifenden, „gesamtösterreichischen“ Adels galt85, stammte sein Großvater väterlicherseits aus einer Exulantenfamilie. Michael Wenzels Urgroßvater väterlicherseits, Andre Ungnad von Sonnegg, war aus Glaubensgründen in das norddeutsche Exil in Emden gegangen und hatte seine Besitzungen in den Habsburgerländern verloren. Darunter war pikanterweise auch ein Teil seiner Bibliothek, den sein Urenkel Michael Wenzel während seiner Zeit in der Linzer Jesuitenschule in den 1670er Jahren zum Studium angeboten bekam, da die Bücher der protestantischen Adeligen vom Kaiser den Jesuiten geschenkt worden waren.86 Andres Sohn, David II. Ungnad, war nach dem Besuch der Ritterakademie (Hohe Schule) in Altdorf87 ins Land ob der Enns zurückgekehrt, hatte sich hier mit der protestantischen Jörgererbin vermählt und war zusammen mit ihr 1633 zum katholischen Glauben konvertiert.88 Ungnad war damit nicht alleine. Die meisten protestantischen oberösterreichischen Herren und Ritter konvertierten in dieser Zeit nach den strengen Patenten Kaiser Ferdinand II: Ende der 1620er Jahre. 1636 war die überwiegende Mehrheit des oberösterreichischen Adels katholisch.89 David Ungnad und seine Frau hatten in diesem Jahr auf dem Linzer Hauptplatz Gelegenheit, die Hinrichtung des letzten protestantischen Bauernaufstandführers, Martin Aichinger, mitzuverfolgen. Der Laimbauer, so sein Vulgoname, wurde zusammen mit sechs Personen, darunter sein vierjähriger Sohn, auf einer Bühne exekutiert. Aichinger “…wurde zuerst mit einer rotglühenden Zange an beiden Brüsten gezwickt; danach nagelte der Henker seine rechte Hand an den Block und schlug ihm diese und anschließend den Kopf ab. Die übrigen sechs Verurteilten wurden ebenfalls enthauptet und anschließend gevierteilt. Unmittelbar vor ihrer Hinrichtung beichteten sie am Fuß des Schafotts einem katholischen Priester ihre Sünden…“90 Eigentlich sollten die Verurteilten bei lebendigem Leib in vier Stücke gehauen, die Zunge sollte ihnen herausgerissen, der Kopf abgeschlagen und die sterblichen Überreste öffentlich aufgehängt, bzw. aufgesteckt (Kopf) werden. Nachdem diese Strafe – auch für den Vierjährigen Sohn – in Aussicht gestellt worden war, gelang es den Linzer Jesuiten den Laimbauer zur Konversion zu „überreden“.91 David Ungnad hatte seine Konversion wie erwähnt – drei Jahre zuvor unter glücklicheren Umständen vollzogen. Auch sein Verhältnis zu den Jesuiten war entspannter. Innerhalb von wenigen Jahren war er im Herrenstand des Landes zu finden und begann eine Karriere bei Hof. Nachdem er 1646 gegraft worden war, wurde er zum Hofkammerpräsidenten ernannt. 1656 kehrte er nach Linz zurück und wurde zum Landeshauptmann bestellt. Dieses Amt übte er bis zu seinem Ableben im Jahr 1672 aus. Einzelne männliche Familienmitglieder von Michael Wenzels jörgerischer Großmutter väterlicherseits fanden sich nach ihrer Konversion ebenfalls auf einem glänzenden Karriereweg. Zu nennen wäre hier Johann Quintin Jörger, auf den später eingegangen wird. Ibid. Vgl. Katzinger, Willibald, Monika Klepp, Gerhart Marckhgott und Erika Sokolicek: Die Geschichte des Akademischen Gymnasiums Linz. Linz: Trauner, 1999, S. 101. 87 Vgl. Schreiber 2013, 94. 88 Vgl. Rill (Hrsg.): Linzer Regesten C III C 1, Nr. 228b (für 1633), S. 83. 89 Vgl. Schreiber 2013, 211. 90 Winkelbauer, Thomas: Ständefreiheit und Fürstenmacht, Teil 1. Österreichische Geschichte 1522 – 1699, .hrsg. v. Herwig Wolfram. Wien: Überreuter, 2003, S. 73. 91 Vgl. Winkelbauer 2003, 73. 85 86

Insgesamt gesehen musste dem jungen Michael Wenzel Weissenwolff das Muster: „Konversion – Karriere“ zutiefst vertraut sein. Er kannte wohl auch jene inneren und äußeren Motivbündel, die diese Menschen dazu bewegten, die Konfession zu wechseln. Sie sind im Einzelfall der Forschung in so gut wie allen Fällen verborgen geblieben, da autobiographische und andere Angaben dazu, etwa aus Ego-Dokumenten, sofern sie auf uns gekommen sind, interessensgeleitete Färbungen aufweisen.92 Ein weiterer Grund ist, dass man es nicht nur mit Seite | 21 Motivbündeln, also mehr als einem Motiv zu tun hat, sondern dass sich diese Motive über die Zeit verändern und überlagern. Wenn der oberösterreichische Adelige Christoph Karl Fernberger 1621 in den Niederlanden gegenüber einem französischen Grafen seine protestantische Konfession verleugnete und vorgab, katholisch zu sein, um „mehr an die basteten als an das beten“93 denken zu können, und diese dann auch zu verschlingen, kann man aus diesem einen Quellenbeleg nicht die Gottlosikeit des Vorchdorfer Adeligen ableiten. Ein weiteres Beispiel für eine Aufweichung der Konfessionsgrenzen bietet Gundaker von Polheim, der die heilige Kommunion evangelisch und katholisch vollziehen ließ, als er schwer erkrankt war, was den Zirn des Kaisers hervorrief.94 Zwischen sorglosem Opportunismus und verunsicherter Gottesfurcht spielten die unterschiedlichsten Motivhintergründe. Man war jedenfalls bestrebt, die Konversion nicht als opportunistischen Akt der Chancenmaximierung darzustellen, oder als Ergebnis einer rationalen Abwägung von Vor- und Nachteilen, sondern als göttlich inspiriertes Zurückfinden in den Schoß der katholischen Kirche. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die Eliten das Land mit Hilfe der katholischen Kirche für leichter regierbar hielten, als mit der im 16. Jahrhundert etablierten, äußerst heterogenen, nicht zentralistischen protestantischen Kirchenstruktur. Diese These bedarf allerdings einer Bestätigung durch einschlägige Quellen. Eine Grundvoraussetzung für die mehr oder weniger spontanen Konversionen des 17. Jahrhunderts lag in der Tatsache, dass „die Habsburger in ihren Erblanden bereits um 1600, aus böhmisch-österreichischen und ausländischen Adelsfamilien eine ihnen treu ergeben katholische Führungsschicht …[formten], welche mit den wichtigsten Hofund Staatsämtern betraut wurde.“95 Das war zumindest der realpolitische, strukturelle Nährboden, auf dem die Rekatholisierung fußen konnte. Zur Verortung der Väter- und Großvätergeneration Michael Wenzels von Weissenwolff in der damaligen Adelsgesellschaft scheint es sinnvoll Petr Maťas idealtypische Klassifizierung anzuwenden.96 Die Weissenwolff gehörten demnach nicht zu den vornehmsten „neuen Fürsten“, den Auersperg, Dietrichstein, Lobkowicz, Liechtenstein oder Schwarzenberg, die ihrem Rang angemessene Residenzen und eine entsprechende Hofhaltung finanzieren konnten und deren Domänen in mehreren Erbländern verstreut lagen. Die Weissenwolff der fünf Dezennien von 1640 bis 1690 sind der hoffähigen Aristokratie aus reichen Grafengeschlechtern zuzurechnen, denen zum Teil reine Titularämter (Kämmerer, Geheimer Rat) zuerkannt wurden, die aber auch höchste Funktionen, wie jene des Hofkammerpräsidenten bekleiden konnten. Gleichzeitig waren sie in der Lage dem Herrscherhaus über ihre einflussreichen Ämter in der Landesverwaltung als Vertreter der Stände gegenübertreten.97

2.3. Orte der Kindheit

Vgl. Kapitel: Typologie der adeligen Konversionen. In: Winkelbauer, Thomas: Fürst und Fürstendiener. Gundaker von Liechtenstein, ein österreichischer Aristokrat des konfessionellen Zeitalters, Oldenbourg: Wien/München, 1999, S. 85 – 145. 93 Wernhardt, Marianne: Karl Christoph Fernberger, Linz, 2003, S. 48. 94 Schreiber 2013 68. 95 Schreiber 2013, 47. 9696 Vgl. Maťa, Petr: Svět české aristokracie (1500 – 1700), Česká historie 12, Praha 2004. 97 Vgl. Schreiber 2013, 47. 92

In Wien wohnten Michael Wenzels Eltern Helmhard Christoph und Susanna Ebronia zum Zeitpunkt seiner Geburt entweder noch im Hofquartier des Großvaters, Ecke Rotenturmgasse/Lugegg,98 oder sie hatten ein uns unbekanntes Quartier bezogen. Es war angebracht ein Haus in Wien zu besitzen, da ein eigener Wohnsitz „das symbolische Kapital [der Familie] verstetigt und [sie] der Unberechenbarkeit einer Stellung am Kaiserhof entzieht.“99 In Michaels drittem Lebensjahr verstarb seine Mutter am 7. Jänner 1671. 100 Wenig später segnete seine Tante Maria Margarethe, eine achtundzwanzigjährige Hofdame der Kaiserin, das Zeitliche. Seite | 22 Da sich Vater Helmhard Christoph rasch wieder vermählte und an seiner Karriere bei Hof als Kämmerer und geheimer Rath arbeitete, scheint es nicht abwegig, dass Michael und seine zwei Jahre ältere Schwester ins Land ob der Enns gebracht wurden, wo sie zwischen Steyregg und Linz bei den Großeltern aufwuchsen. Dort war Großvater David II. Ungnad von Weissenwolff bereits seit fünf Jahren oberösterreichischer Landeshauptmann und bewohnte bis zur Renovierung, bzw. dem Neubau des Freihauses am Hauptplatz bis in die 1660er Jahre wohl das Jörgersche Freihaus am Hofberg, das aus dem Vermögen seiner Gemahlin stammte. In den Jahren um Michaels Geburt weilte David berufsbedingt wenig auf seinen Gütern. Er begleitete den Kaiser als Geheimer Rat auf Huldigungs- und Krönungsreisen, vertrat ihn auf dem Immerwährenden Reichstag zu Regensburg und war erst am 1. August 1658, also sieben Wochen vor Michaels Niederkunft, Begleiter Kaiser Leopolds bei dessen deutscher Königswahl in Frankfurt.101 Mittlerweile hatte der Großvater aber bereits seinen Lebensmittelpunkt in Linz und Steyregg gefunden, was für eine Aufnahme der halbverwaisten Enkelkinder in den Haushalt der Großeltern sprach. Diese Verschiebung des großväterlichen Wohnortes hatte sich auch im Kauf eines Freihauses am Linzer Hauptplatz (heutige Nr. 27, früher Nr. 141) niedergeschlagen, auf den unten näher eingegangen wird. Auf Michael Wenzel lagen als erstgeborenem Weissenwolffschen Sohn die dynastischen Hoffnungen des Vaters. Er würde das Haus in das nächste Jahrhundert führen, so es der Wille des Herrn war. Für eine profunde Ausbildung und einen fruchtbaren Ort für eine vielversprechende Jugend wollte gesorgt sein. Es scheint, als wäre das nunmehr Weissenwolffsche Freihaus zum Linzer Quartier des viel beschäftigten Vaters und zur Heimat der heranwachsenden Enkel geworden. David II. Ungnad von Weissenwolff das Haus von den Jesuiten, die das Objekt zwanzig Jahre davor eigentlich erworben hatten um auf diesem Grundstück die Ignatiuskirche zu bauen. Hier, im Herzen der Landeshauptstadt, hätte die Jesuitenkirche, der spätere Alte Dom, den Linzer Hauptplatz architektonisch dominiert.102 Die Familientradition der Weissenwolf103 legt nahe, dass sich der Landeshauptmann David II. Ungnad zu diesem Zeitpunkt in harten Verhandlungen mit der Gesellschaft Jesu bezüglich des Klosters Pulgarn und den Machtverhältnissen in seinen Herrschaften befand. Die Tatsache, dass die Jesuiten das Hauptplatzgrundstück zuerst der Stadt Linz und damit David Weissenwolff überlassen haben um ihre Kirche in der Schmidgasse (heute Domgasse) zu „verstecken“ fällt jedenfalls auf und könnte auf ein Junktim in den oben erwähnten Verhandlungen zurückzuführen sein. Es ist aber auch fraglich, ob das Grundstück mit dem Haus Nr. 27 ein idealer Bauplatz für die Jesuitenkirche gewesen wäre. Geostet hätte das Bauwerk dem Platz die Seite gezeigt. Die Stirnseite wäre wie jetzt in der Domgasse knapp an das gegenüberliegende Haus herangerückt Mündliche Auskunft: Gabrielle Lobmeyr, 21. August 2013. Polleroß, Friedrich: Die Kunst der Diplomatie. Auf den Spuren des kaiserlichen Botschafters Leopold Joseph Graf von Lamberg (1653-1706). Petersberg: Michael Imhoff, 2010, S. 17. 100 Vgl. Hoheneck, Johann Georg Adam: Die löbliche(n) Herren Stände des Erz-Herzogthumb Österreich ob der Enns, Passau, gedruckt bei Gabriel Mangold, 1732, S.777. 101 Winkelbauer 1999, 162. 102 Remes, Wilhelm: Das Wirken der Jesuiten in Linz zur Zeit von Reformation und Gegenreformation. In: Freinberger Stimmen – Jahresbericht des Kollegium Aloysianum, S. 6 – 26. Linz, 2005, 11f. 103 Mündliche Auskunft: Fr. Gabrielle Lobmeyr, am 21. August 2013. Diese Darstellung bestätigt die Österreichische Kunsttopographie, hrsg. vom Institut für österreichische Kunstforschung des Bundesdenkmalamtes. Bd. 16: Die kirchlichen Kunstdenkmäler der Stadt Linz, bearbeitet von Justus Schmidt. Wien: Schroll, 1964, S. 175. 98 99

und wäre nicht optimal zur Geltung gekommen. Das Hauptplatzsüdende mit der Seitenansicht einer bedeutenden Kirche abzuschließen wäre zumindest eine ebenso ungewöhnliche Lösung, wie das schließlich durchgeführte Abrücken vom Platz. David Ungnad könnte das hervorragend gelegene Freihaus langfristig durchaus im Hinblick auf die Geburt seines ersten männlichen Enkels erworben haben. Noch im Jahr von Michael Wenzels Geburt ließen die Weissenwolff das bestehende Gebäude (Wohnhaus Gera) abtragen und „von neuem wieder aufbauen.“104 Aus diesem Grund ähneln sich die Fassade dieses Seite | 23 Haues und jene des alten Rathauses bis heute. Die Fertigstellung dieses Neubaus, der bis mit seiner Rückseite bis an die Stadtmauer am Graben reichte, dauerte wohl einige Jahre. Der Großvater dürfte dann nach der Um- und Aufbauphase wohl in seinem neu erworbenen Freihaus am Hauptplatz gewohnt haben.. Dieses Freihaus an der Südecke des Hauptplatzes verdient auch aus anderen Gründen eine nähere Betrachtung. Im Jahr 2013, nach einem knapp 350jährigen Schicksal, dessen bemerkenswertesten Wendungen bereits mehrfach auch in populären Medien geschildert wurden,105 erfolgte eine weitere Adaptierung und Generalsanierung des Gebäudes für die Zwecke des 21. Jahrhunderts. Das Gebäude hat seine eigene Geschichte. Vom 27. August 1818 bis Ende 1919 lebte hier der französische Revolutionär und gefürchtete Polizeiminister Joseph Fouché als politischer Asylant, nachdem er von der Regierung Ludwig des XVIII. seiner Ämter entledigt worden war 106 In der Mitte des 20. Jahrhunderts war das Gebäude Schauplatz einer gewaltsamen Arisierung und später nur teilweisen Restitution des ersten und zuweilen größten oberösterreichischen Warenhauses Kraus und Schober.107 Das Gebäude befand sich damals noch bis 1969 im Besitz der Familien Szapary/Thurn und Taxis/Salm-Reifferscheidt.108 Arisiert wurden Infrastruktur und Warenlager, sowie der Privatbesitz der Familie Schwarz. Auch für Michael Wenzel, den Grafenspross aus dem 17. Jahrhundert, hatte das Haus eine besondere Bedeutung, auf die später eingegangen wird. Einen Teil seiner Kindheit verbrachte Michael Wenzel wohl auch auf den verschiedenen Gütern, etwa in Ennsegg, vor allem aber in Steyregg, wo er – zwar nur einmal nachweislich -„die Herbstferien verbrachte.“109 Darüber hinaus wird er bis zu seiner Kavalierreise ab dem sechzehnten Lebensjahr auch einen guten Teil seines Lebens in Wien, zuweilen auch bei Hof als „point of contact“ zugebracht haben um in die für ihn zukünftig relevante Gesellschaft eingeführt zu werden.110

Krejczi, Hanns: Stadt an der Donau – Linz, 1951, S. 282. Sturmberger, Hans: Fouchés Linzer Asyl - das Stadtpalais Weißenwolff. Linzer Volksblatt 1952 Nr. 250 – et Oberösterreichische Nachrichten 1953 Nr. 269. Beilage "Heimat und Welt". 106 Vgl. Daniek, Edmund:Joseph Fouche als Emigrant in Österreich. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Linz, 1961 (1962), S. 138-163. 107 John, Michael: Über ein Linzer Warenhaus. Kraus & Schober, eine erfolgreiche Unternehmerfamilie und eine Spurensuche in Israel. In: Linz aktiv, Nr. 130, Frühjahr 1994, S. 47-54. 108 Mündliche Auskunft von Gabrielle Lobmeyr am 31. Oktober 2013. Frau Lobmeyr berichtet, dass der gesamte österreichische Weissenwolffsche Besitz der kinderlosen Gräfin Irene Szapary, geborene Weissenwolff, gehört habe. Henriette Thurn und Taxis löste diesen Besitz auf Leibrente ab. Das Gebäude war ab Mitte des 19. Jahrhunderts immer vermietet, unter anderem auch an das Warenhaus Kraus und Schober der Familie Schwarz. Erst 1969 wurde das Gebäude von Niklas Salm-Reifferscheidt, Frau Lobmeyrs Vater, verkauft.. 109 Familienarchiv Steyregg, AV-Liste 233. Zit. Nach: Lobmeyr, Gabrielle: Unveröffentlichtes Manuskript. Wien, 2013. 110 Vgl. Hengerer 2004, 22. Er war somit, wie seine zukünftige Braut, Teil des virtuellen Hofes, wo gelernt wurde, wie die Klientelsysteme funktionieren, die er später im besten Fall zu bedienen hatte. Zum Begriff des „virtuellen Hofs“ siehe Hengerer, Mark: Adelsintegration am Kaiserhof (1618-1665). Zeremoniell, Personal, Finanzen, Netzwerke. Ein Dissertationsprojekt. In: Frühneuzeit-Info 9, 1998, S. 274-279, S. 275f. 104 105

2.4. Erziehung und Bildung 2.4.1. Adelige Erziehung um 1660 Die „Rearistokratisierung der frühneuzeitlichen Ständegesellschaft“ 111, in der Praxis das Seite | 24 Verdrängen der bürgerlichen Räte aus der Landes- und Staatsverwaltung und die Reservierung des Zugriffs auf die wesentlichen Kirchen- und Hofämter, sowie die hohen Offiziersränge, beförderte das Bildungsbewusstsein in adeligen Kreisen im 17. Jahrhundert. Dabei sollte der heranwachsende Adelige nicht zur wissenschaftlichen Pedanterie geführt werden. Das nonchalante Parlieren über Mode, Architektur und Kunst, verbunden mit einer sprezzatura im Auftreten, die sich bis zum neuen italienischen Fechtstil durchzog, bei dem ein Arm scheinbar überflüssig im Hintergrund baumeln durfte, waren wichtiger als intellektuelle Brillianz oder wissenschaftliche Detailverliebtheit.112 Durch die ständig geführten Kriege und militärischen Bedrohungen des 17. Jahrhunderts rangierten Militärkarierren neben Hofämtern im oberen Bereich der Berufswünsche adeliger Jünglinge. In Michaels Fall kam noch dazu, dass sein Schwiegervater, der seit seiner Kindheit mit den Weissenwolff bekannt war, sicherlich ein großes militärisches Vorbild abgegeben hat. Wir können aus einem Dokument aus dem Nachlass von Raimondo Montecuccoli eine Vorstellung darüber beziehen, wie ein Jüngling in Michaels Alter von seinem Vater auf eine Hofkarriere vorbereitet wurde.113Montecuccoli verfasste diesen erzieherischen Leitfaden im vierten Lebensjahr für seinen einzigen Sohn Leopold Philipp. Mit geringen individuell bedingten Abstrichen war die Liste von Regeln und Empfehlungen gewiss auch für Leopolds fünf Jahre älteren späteren Schwager, Michael Wenzel Weissenwolff, gültig, insbesondere wenn man weiß, dass die Väter befreundet waren und wesentliche Werthaltungen teilten. Montecuccoli beginnt seine Schrift mit Gedanken zur Gesundheitspflege: „Die Luft muss rein und temperiert sein, daher sollen die Gemächer meines Sohnes stets gehörig sauber gehalten werden. Man fege sie zu einer Zeit aus, wenn er ausgegangen ist, damit der Staub ihm nicht in die Nase eindringe; man öffne die Fenster, sobald es das gute Wetter zulässt, damit frische Luft hereinkomme; dies tue man so oft als möglich, nur selten aber bei feuchter Luft und räuchere alsdann mit etwas Wacholderbeeren die Gemächer aus. Im Winter darf der Ofen nicht zu stark geheizt, sondern nur mäßig und nach und nach das Gemach erwärmt werden.“114 Die Sorge um eine „gute Luft“ wird verständlich, wenn man in Betracht zieht, dass Pesterreger und Ursachen von Infektionskrankheiten im Allgemeinen nicht bekannt waren und man mangels anderer Erklärungen die schlechte Luft (vgl. mal-aria) verantwortlich machte. Es folgt eine Warnung vor dem Aufenthalt des Kindes im Laboratorium „wenn daselbst destilliert wird, damit die feinen und durchdringenden Dämpfe ihm nicht die Lunge angreifen“.115 Das Verbot, „dass der Lehrer in keinem Falle in seinem Gemache chemische Versuche vornehme, keinen Rauch erzeuge, keine Mineralien, Metalle oder was es irgend sei, schmelze, noch sonst derlei Experimente vornehme“116 deutet auf die Anstellung von Privatlehrern hin, deren Unterrichtsmethode auch heute noch aktuell erscheint. Vgl. Schreiber, Arndt: Adeliger Habitus und konfessionelle Identität. Die protestantischen Herren und Ritter in den österreichischen Erblanden nach 1620. Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsband 58, Wien: Böhlau, 2013, S. 14. 112 Vgl. Ibid. S.15 113 Montecuccoli, Raimund: Unterweisung meines Sohnes Leopold (Instruzione di Leopoldo mio figlio), Wien, 19. Mai 1670; übersetzt in: Veltzé, Alois: Ausgewählte Schriften des Raimund Fürsten Montecuccoli. General-Lieutenant und Feldmarschall, Band 4: Miscellen, Correspondenz. Wien/Leipzig: Braumüller, 1900, S. 161 – 168. 114 Montecuccoli 1670, 161. 115 Ibid. 116 Ibid. 111

Hinsichtlich der Ernährung ordnete Montecuccoli für seinen Sohn an, dass er morgens eine Fleischbrühe mit ein oder zwei Stück Brot, oder saisonal passendes, wie Butter oder frische Eier bekommen sollte. Vom Fleischgenuss beim Frühstück rät der penible Vater ab um den Magen nicht zu belasten. Für das Mittagessen gab es keine Einschränkungen, außer, dass in Maßen gegessen werden sollte. Die Mahlzeit sollte mit flüssigen Speisen beginnen, die von härteren gefolgt wurden. Trinken sollte das Kind erst, wenn es feste Nahrung zu sich genommen hatte. Der fürsorgliche Vater rät weiter, dass zwischen den Mahlzeiten und während des Gehens Seite | 25 nur selten und wenig gegessen werden solle. Als empfehlenswerte Getränke werden Limonade, Fenchel- oder Gerstenwasser und ab und zu ein Glas gewässerten Weins genannt. Der in zahlreichen Feldzügen körperlich hart geprüfte Vater rät zu Bewegung des Körpers nach den Unterrichtsstunden, vor allem im Freien und in den Gärten, aber auch zu ausreichend sozialem Umgang „auf Besuch zu jungen, ihm ebenbürtigen Edelleuten und in die Klöster, aber stets unter Beaufsichtigung seines Hofmeisters […] damit er nicht übermäßig esse und nicht trinke oder irgendwelche üble Gewohnheiten oder Untugenden sich aneigne.“117 Montecuccolis Hinweise auf die Bedeutung des Fechtens und Tanzens und natürlich des Reitens galten sicherlich auch für Michael Wenzel. Vor dem Schmiedtor, also direkt neben dem Weissenwolffschen Haus war erst wenige Jahre vor Michaels Geburt eine „Sporthalle“, ein Ballhaus errichtet worden. Fecht- und Tanzmeister gab es damals in Linz seit fünf Jahrzehnten und waren damit in unmittelbarer Nachbarschaft etabliert und verfügbar.118 Alle weiteren Ratschläge Montecuccolis würden den Rahmen des Kapitels sprengen und sind im Anhang zu finden.

2.4.2. Adelige Sitten Französische Vorbilder beeinflussten das Verhalten und veränderten die Sitten des zentraleuropäischen Adels ebenso wie italienische. Die von Graf Baldassare Castiglione formulierten Verhaltensregeln überformten althergebrachte Usancen und bildeten das Leitbild des „honnete homme“ heraus119, dem barocke Jünglinge wie Michael Wenzel Weissenwolff nachstrebten. Aus dem breiten Repertoire der Benimmregeln des Barock und des comme il faut bei Hof sei hier nur ein Beispiel aus dem fürstlichen bzw. höfischen Tafelzeremoniell herausgegriffen, mit denen jeder heranwachsende Adelsspross vertraut gemacht werden musste. Die Weissenwolffsche Tafel war zwar keine fürstliche, wird sich aber in vielen Einzelheiten den nachfolgenden Schilderungen angenähert haben. War die Familie bei Hof in Wien, so wurde der Nachwuchs auch in diesen Bereich des adeligen Lebens ganz natürlich eingeführt. „Niemand durfte ohne die Bewilligung des Marschalls oder dessen, der seinen Dienst versah, , zur adeligen Tafel geladen werden oder sich dazusetzen. Der Vorschneiderdienst wechselte wöchentlich. Wer an der Reihe war vorzuschneiden, musste sich vor der Mahlzeit, sobald durch Trommeln oder Läuten das Zeichen zum Anrichten gegeben wurde, zur Küche verfügen und, wenn man die Speisen auftrug, vor diesen hergehen. Die Edelknaben, der Kammerdiener, der Leibschneider und das Kanzleipersonal sollten sich, wenn es ihr Dienst zuließ, zum Speisentragen einfinden. Nur notfalls sollten auch die – sozial niedriger gestellten – Lakaien Speisen auftragen. Die Aufträger mussten vor der fürstlichen Tafel dem Vorschneider die Speisen der Reihe nach „mit reverenz“ (also mit Verbeugung) darreichen, dieser übernahm sie und stellte sie auf die

Ibid. Katzinger, Willibald, Monika Klepp, Gerhart Marckhgott und Erika Sokolicek: Die Geschichte des Akademischen Gymnasiums Linz. Linz: Trauner, 1999, 26. 119 Vgl. Schreiber 2013, S. 15. 117 118

fürstliche Tafel. Sobald die Speisen aufgetragen waren, hatte er es – mit gehöriger Verbeugung (buk) – dem Fürsten zu melden. Sobald sich dieser an den Tisch gesetzt hatte, musste der Vorschneider mit „diefer reverenz“ an den Tisch treten, die Serviette mit Handkuss vom Tisch nehmen und über die Schulter oder auf „die wehr“ (Degen oder Dolch?) legen. Im Verlauf der eigentlichen Mahlzeit führten Vorschneider, Edelknaben, Kammerdiener und Lakaien einen regelrechten Tanz mit zahlreichen Verbeugungen Seite | 26 zwischen der Küche, der Kredenz und der fürstlichen Tafel auf.“120 Der persönliche Erzieher oder „hofmeister“ Michael Wenzels war wohl, ebenso wie es im Hause Liechtenstein Usance war, angehalten den Knaben sauber zu halten „mit anlegen, waschen, kämpeln, negl abschnaiden, klaider, schuech, stifl geputzter zu haltten, das haar aufraiben, sauber eingenestelter, strimpf aufgepuntner halten unnd also forthan, was jungen leutten vonnötten und wol ansteht, demselben nachzustreben.“121

120 121

Winkelbauer 199, 369. Ibid., 371.

2.4.3. Formale Bildung In Linz war bereits Mitte des 16. Jahrhunderts von den protestantischen Ständen die „Landschaftsschule“ eingerichtet worden, die sich zuerst in Enns an unbekanntem Ort, nach einer „zweiten Gründung“ dann im Ennser Minoritenkloster und schließlich im Gebäude des heutigen Landhauses an der Promenade in Linz befand.122 Im Jahr 1600 und nach kurzem Hin Seite | 27 und Her wiederum 1601 wurde diese Schule gegen den ständisch-protestantischen Widerstand geschlossen.123 In der gleichen Zeit kam der Jesuit Georg Scherer124 als Prediger in die Stadtpfarrkirche und begann an einem katholischen Schulprojekt zu arbeiten. Zu Jahresbeginn 1608 war ein fünf- später sechsjähriges Gymnasium etabliert, in dem neun Knaben unterrichtet wurden. Finanziert wurde die Schule durch das Priorat Pulgarn, also die jesuitischen Herrschaftsnachbarn der Weissenwolff in Steyregg.125 Nach der Niederlage der protestantischen Stände am Weißen Berg wurde die evangelische Schule im Jahr 1624 endgültig geschlossen und 1628 als katholische Schule wieder eröffnet. 1636 kam es zur endgültigen Schließung, da die Jesuiten meinten, dass eine kleine Stadt wie Linz keine zwei Schulen brauche.126 So fand Helmhard Christoph nur eine Bildungsinstitution in Linz vor, als es um die Beschulung seines Sohnes ging. Diese Bildungseinrichtung befand sich zwar in unmittelbarer Nähe seines Freihauses in der Schmidgasse/Jesuitengasse/Domgasse hinter dem Bauplatz für die Ignatiuskirche in einem nach der Grundsteinlegung 1652 durch Landeshauptmann Hans von Kuefstein errichteten neuen Gebäude. Die jesuitischen Erziehungsziele der Selbständigkeit, beruflichen Tüchtigkeit und die Fähigkeit auf Andere zu wirken stimmten mit jenen des Adels überein. Die Jesuitenschule hatte aber zu dieser Zeit neben ihren unbestrittenen Vorteilen auch ihre Schwächen, die vor allem in der Fokussierung auf den lateinsprachlichen Unterricht lag. Die Muttersprache oder gar Fremdsprachen wurden nicht gelehrt. 1650 wurden in einer Klasse 8-Jährige neben 22-Jährigen unterrichtet und nicht alle Schulanfänger waren für den Unterricht geeignet, sodass eine Vorbereitungsklasse eingeführt werden musste.127 Michaels Vater hatte keine Wahl, aber auch die Starhemberg, die Haydn zu Dorff aus Schlierbach, die Thürheim aus Kefermarkt, die Salburg aus Leonstein, die Clam, Schallenberg und Galla128 schickten ihre Kinder in diese Schule.129 Eine Gefahr bezüglich des Umgangs eines heranwachsenden Adeligen der 1660er Jahre war der Umgang mit nicht glaubensfesten Katholiken. Der Prager Kardinal Ernst Adalbert von Harrach hielt etwa alle „Schallenberger für

Die Annahme, dass sich die erste, von Fredericus Lagus geführte Schule im Schloss Luftenberg befunden hätte, wird von Katzinger in Zweifel gezogen (Katzinger – 1998, S. 31). Dagegen hält Salm-Reifferscheidt (schriftliche Auskunft am 29.12.2013) eine auf eigene Recherchen und die Webseite des Akademischen Gymnasiums gestützte Variante, die wie folgt lautet: „Die Landschaftsschule war laut Webseite des Akademischen Gymnasiums Linz 1542 von Philipp Melanchthon in Luftenberg gegründet worden. Sie siedelte von Enns nach Linz, zurück nach Enns und 1574 endgültig in das Landhaus nach Linz. Von den Jesuiten übernommen, kam die Schule in das Haus Domgasse 12 und von dort ins Jesuitenkollegium, Domgasse 1. Nach Aufhebung des Jesuitenordens kam die Schule in das Haus Pfarrplatz 17.“ 123 Vgl. Katzinger, Willibald, Monika Klepp, Gerhart Marckhgott und Erika Sokolicek: Die Geschichte des Akademischen Gymnasiums Linz. Linz: Trauner, 1999, S. 3f. 124 Gaisberger; Joseph: Geschichte des k.k. akademischen Gymnasiums zu Linz. Linz: Eigenverlag des Museums Francisco-Carolinum, 1855, S. 10f. Scherer wird vom Autor die Konversion des Bäckersohnes und späteren Kardinals Melchior Khlesl zugeschrieben. 125 Vgl. schriftliche Auskunft von Herrn Niklas Salm-Reifferscheidt am 29. Dezember 2013: „Pulgarn war über die rein nachbarschaftliche Beziehung seit alten Zeiten mit Steyregg historisch verbunden. Es war eine Steyregger Stiftung aus dem frühen 14. Jahrhundert an den Hl. Geist Orden.“ 126 Vgl. Gaisbauer 1855, 18. 127 Ibid. 21. 128 Möglicherweise eine orthographische Verkürzung von „Gallas“, vgl. Clam-Gallas Palais in der Prager Altstadt und Wien. Näher liegt eine Abstammung vom steirischen Baron Georg Sigmund von Galler (StLA Graz, Landrecht, Sch. 246, Familie Galler, Heft 11, zit. nach Schreiber 2013, 210.) 129 Vgl. OÖLA, Archiv des Linzer Lyzeums, Hs. 12a. Catalogus Studiosorum Lincensi Gymnasio – Secundum Classes distinctus ab Anno 1646, 1646 – 1715, pag. 134 – 201. 122

heretici“. 130 Die mit den Ungnad-Weissenwolff befreundeten Schifer erlebten diese Versuchung an Eva Christina. Nachdem sie von Michael Wenzels Großmutter, Maria Elisabeth Ungnad zur Konversion zur „alten Kirche“ gebracht worden war, setzte der jungen Dame ihr Bräutigam Christoph Ernst Schallenberg zu sich wieder dem Protestantismus zuzuwenden.131 Vielleicht auch um den jungen Sproß vor derartigen „Verführungen“ zu schützen, kam Michael erst mit zehn ins Gymnasium. Als er noch privat unterrichtet wurde, Michael war sieben Seite | 28 Jahre alt, hatte das Jesuitengymnasium 341 Schüler. Den Privatunterricht düfen wir ansetzen, wenn die beiden in Kapitel 2.4.5.1. besprochenen Briefe von ihm formuliert wurden. Sie stammen zumindest aus seiner Feder. Michaels Eltern und Erzieher empfanden den Besuch der „Parva“, der Vorbereitungsklasse, jedenfalls nicht als notwendig und der kleine Lateinschüler begann seinen Schulbesuch Anfang November 1669 im Alter von 11 Jahren in der ersten Klasse „Pryncipis“ unter Magister Andreas Huebman, der zweimal mit der Klasse aufstieg.132 Unter den Klassenkameraden fand Graf Michael etwa den jungen Grafen Christoph Schallenberg und seinen Bruder Joannes Christoph, Graf Ferdinand Thürheim, siebzehn Buben aus der Nobilität neben den Söhnen von Bürgersöhnen, wie einen Georg Gruber, Georg Eder, Fidelis Zuderl, Laurenz Zetl, oder Esaias Winterl. Insgesamt bestand die Klasse aus 63 Schülern.133 In diesem Jahr erfolgte die Verlobung mit seiner späteren Braut. Noch aber war Latein im Fokus seines Interesses. In der zweiten Klasse, „Grammatica“, waren es bereits zehn Schüler weniger. In der folgenden „Syntax“-Klasse teilte sich Michael den Klassenraum mit 65 weiteren Schülern. Es folgte die Oberstufe, beginnend mit der Poesieklasse, die 50 Schüler zählte. Die Eltern des Klassenkameraden Fidelis hatten den Nachnamen von „Zuderl“ auf „Zudrell“ geändert, vielleicht auch um einer weiteren „spetlichen nachred“ vorzubeugen. Klassenkollege Carolus Söll war aus schwerwiegenden Gründen von der Schule gewiesen worden, was in der Zeit von Michaels Schulbesuch nur dieses eine Mal vorkam.134 In der Abschlussklasse der „Rhetoren“ war Michael bereits der einzige Graf unter vierzehn „nobiles“ in einer Klasse von 53 Schülern. Die Rhetores, wie die Schüler seiner Klasse genannt wurden, lernten am Vorbild von Aristoteles und Cicero.135 Der Schwund an adeligen Schülern in der Oberstufe muss nicht auf eine mangelnde Eignung der abgegangenen noblen Herren gelegen haben. Akademische Brillanz wurde nur für jene als nötig erachtet, die „der einen magister in den schuelen oder einen praeceptor abgeben will“, wie Fürst Karl Liechtenstein in seinen Erziehungsrichtlinien festhielt. 136 Das Führungspersonal des Reiches sollte sich nicht in wissenschaftlicher Pedanterie verstricken. Die Schulung von Führungsqualitäten oder die erforderlichen Fertigkeiten für eine politische Zukunft erhoffte man sich eher von einem Militär- oder Hofdienst. Die im Jahr 1669 für weiterführende Studien am Jesuitenkollegium eingerichtete „Academie“, die auch als „Lyceum“ bezeichnet wurde, besuchte Michael Wenzel laut Schülermatriken nicht.137 Diese höhere Anstalt im gleichen Gebäude befand sich im Aufbau und bot philosophische, theologische und juristische Vertiefung, wie auch Mathematik, Logik, Physik, Metaphysik, Ethik und Kanonisches Recht als Gegenstände an. Die Lehrer waren im Gymnasium, wie im Lyzeum junge Geistliche, die oft nach einem Jahr oder früher an andere Stellen versetzt wurden. Außerdem herrschte ein Klassenlehrersystem, wie wir es heute ähnlich von der Volksschule kennen: ein Lehrer unterrichtete alle Gegenstände, Keller, Katrin und Alessandro Catalano (Hrsg.): Die Diarien und Tagzettel des Kardinals Ernst Adalbert von Harrach (1598-1667), 2.Bd., Wien, 2010, S. 749. 131 Vgl. Schreiber 2013, 211. 132 Catalogus Studiosorum Lincensi Gymnasio., pag. 166. 133 Ibid., pag. 184. 134 Ibid., pag. 192 et 190. 135 Katzinger 1998, 66. 136 Zitiert nach: Winkelbauer – 1999, 480. 137 OÖLA, Archiv des Linzer Lyzeums, Hs. 1, Catalogus Studiosorum des Lyceums der Gesellschaft Jesu in Linz, 1670 – 1736. 130

was die didaktischen und methodischen Stärken einzelner Lehrkräfte nicht optimal, die Schwächen aber sehr wohl zur Geltung bringen musste. Zudem wechselten an der Linzer Jesuitenschule die Lehrer sehr häufig. Im Zeitraum des Bestehens waren von 562 Lehrern 470 nur ein oder zwei Jahre an der Schule bevor sie an einen anderen Ort berufen wurden. Nur ein einziger Lehrer blieb sechs Jahre im Lehrkörper.138 Ein wesentliches Unterrichtsprinzip der Jesuiten war die „Concertatio“ – die Pflege von Seite | 29 Wettbewerben/Wettkämpfen. Die Schüler hatten regelmäßig zu certieren, wobei jedem Schüler ein anderer Konkurrent zugewiesen wurde. Diese „Aemuli“ hatten auf die Fehler des Partners zu achten und diese zu verbessern.139 Die Vorteile dieser „Partnerarbeit“ und des „Peer Learning“ hatte ein privat unterrichteter Schüler nicht. Auch die Gelegenheit, vor einer Klasse von mehreren Dutzend Schülern vorzutragen und das „Aufführen“ – heute würden wir „Präsentieren“ sagen – zu üben, war in der Jesuitenschule gegeben. Es fällt auf, dass die Gymnasiallehrer nur zwischen 20 und 26 Jahre alt waren, manche wesentlich jünger. So ist auch ein Siebzehnjähriger und ein Achtzehnjähriger als Lehrer gelistet. Der Beruf des Gymnasiallehrers galt nicht als angesehen. Man hielt das Unterrichten für eine mühselige Arbeit, die mit dem geistigen Verfall des Lehrers ende. Nicht wenige Jesuiten zogen dem Schuldienst die Mission in den gefährlichsten Landstrichen Chinas oder Indiens vor und ein General hoffte, dass viele die Schule mit ihrem Schweiße begössen, um für ein langes Martyrium die Krone zu erringen, die zwar nicht köstlich in den Augen der Menschen, wohl aber in den Augen der Engel sei. 140 Für den heranwachsenden Michael Wenzel dürften die vielen Schulkameraden in „seiner Gasse“, also in unmittelbarer Nachbarschaft anregend gewesen sein, wenn man bedenkt, wie schwierig es wohl gewesen sein musste etwa in Steyregg „geeigneten“ Umgang für den Jüngling zu finden. Helmhard Christoph oder die Erzieher der beiden Geschwister hatten jedenfalls Gelegenheit, sich aus dieser doch eher erlesenen Gruppe von oft Gleichaltrigen, einen passenden Umgang für die Linzaufenthalte des Sohnes zu suchen. Schließlich fanden sich unter den Absolventen mögliche Sittenvorbilder, wie der spätere Beichtvater Kaiser Leopold I., Pater Menengatti. Freilich waren auch hier nicht alle Studiosi als Vorbild geeignet. Etwa 30 – 60 Studenten waren auch in der Schmiedgasse im Anomäischen Haus Domgasse 12 (heute VKB) untergebracht und machten zum Teil mit anderen Studenten, Soldaten und Lakaien die Gassen um das Weissenwolffsche Haus mit „Schießen, Schreien und in anderst Weg sich erzeigenden Insolentien“141 unsicher. Der Rektor des Linzer Gymnasiums, Balthasare Geraldino, könnte aufgrund seiner Herkunft einen Impuls für Michaels Wahl von ausschließlich italienischen Reisezielen für seine Kavalierstour gegeben haben.

2.4.4. Die Kavalierstour Nach Vollendung des sechzehnten Lebensjahres, Ende 1674, begann Michael Wenzel den dritten Teil seiner Ausbildung zur politischen, militärischen oder wirtschaftlichen Führungspersönlichkeit. Neben einer formalen, schulischen Bildung und der durch die Familie und ihr Umfeld tradierten Usancen und Werte gehörte zur Ausformung eines Adeligen, der zur Führung des Hauses, zur Patronage fähig sein sollte, die so genannte „Länderreis“ oder Kavalierstour. Sie führte gemeinhin an die führenden Universitäten der damaligen abendländischen Welt, in Flandern, in Frankreich oder in Oberitalien, teilweise darüber hinaus,

Vgl. Katzinger 1998, 68. Vgl. Katzinger 1998, 67. 140 Vgl. Katzinger 1998, 68f. 141 Katzinger 1998, 81. 138 139

auch nach Holland oder in deutsche Länder.142 Gundakar von Liechtensteins Bruder riet seinem Großneffen Maximilian, der etwa 20 Jahre älter als Michael Wenzel war, auf seiner Länderreise „ein wissenschaft oder erkanthnuß zu schepfen und den unterschied derselben gewohnheiten, sitten und policeien, gueten und bösen verstehen zu lernen […]“143 Seite | 30 Die universitären Studien standen allerdings nicht im Zentrum der Reisen. Diese zählten, wie bereits erwähnt, für eine adelige Karriere nicht zur obersten Priorität. Wohin die Studienreise führen sollte, hing davon ab, welche Karrierewege man für seine Zukunft geplant hatte. Für einen Sproß des katholischen Dienstadels im habsburgischen Umfeld wie Michael Wenzel waren neben Reichshofrat und Reichskirche das kaiserliche Heer und der diplomatische Dienst erstrebenswerte Betätigungsfelder. Letzterer war von Vertretern der Sinzendorf, Kuefstein, Lamberg, Starhemberg, Kaunitz, Kinsky und Waldstein stark dominiert.144 Um sich auf den Dienst eines Botschafters vorzubereiten war es angeraten, bei der Kavalierstour Stationen wie Rom oder Paris anzusteuern, wo neben einem profunden kunsthistorischen Studium der gesellschaftliche Umgang in diesen Kreisen, sowie das Taxieren und Knüpfen von Netzwerken wesentlicher Teil der Ausbildung war. Man studierte Italienisch und Jus und nahm Fecht-, Tanz-, Reit- und eventuell Musikunterricht. Im Kontakt mit den anderen jungen Fürsten und Adeligen vermochten die Studenten die Kenntnisse der höfischen Rangordnung auszubauen und ihre Stellung weit weg von ihrer Familie zu leben. Statusrelevante Selbstvergewisserung und Einübung in zeremonielle Umgangsformen waren die grundlegenden didaktischen Arbeitsfelder.145 Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Neffe der Kaiserin, befand sich etwa zur gleichen Zeit wie Michael Wenzel auf Kavalierstour. Bei seinen Aufenthalten in Rom (1675) und Wien (1677) waren Höflichkeitsbesuche und das Trainieren sozialer Fertigkeiten auf vordiplomatischem Parkett zentraler Bestandtteil.146 Eine Karriere im Militär stand Michael Wenzel grundsätzlich offen. Sein Schwiegervater Raimund Montecuccoli hatte als erfahrener Militär in höchsten Ämtern sicherlich den Überblick und die Möglichkeit, seinem Schwiegersohn bei der Planung einer militärischen Karriere behilflich zu sein. Der Weg an den Wiener Hof konnten ihm Vater und Großvater ebnen, nur die Reichskirche war nach seiner Heirat, vor allem aber durch seine Erziehung zum zukünftigen Familienoberhaupt, verwehrt. Im Falle unseres Protagonisten führte die Reise in die Heimat seiner Verlobten und in benachbarte Gebiete. Diese Beschränkung fällt auf, wenn man bedenkt, dass etwa die Kavalierstour seines Altersgenossen Maximilian Liechtensteins nach Flandern, Spanien, England, Italien (auch Rom) und in die Niederlande geführt hatte. Auch dauerte seine Tour vier Jahre statt drei wie im Falle Michael Wenzels. Dieser Umstand ist wohl auch dem Umstand geschuldet, dass die Liechtenstein in Böhmen durch den Umbruch nach dem Weissen Berg zu unvorstellbaren Reichtümern gelangt waren. In Begleitung eines Lehrers/Erziehers begab sich der im Vergleich zum jungen Liechtenstein nicht ganz so wohlbestallte, aber durch die Erbschaft seiner Großmutter finanziell gut ausgestattete Oberösterreicher zur Vermehrung seiner Bildung, zur Erweiterung seines Horizonts und zur Vertiefung seiner sprachlichen Fertigkeiten auf die Reise.147 Ratgeberletieratur zu solchen Reisen war eben erst veröffentlicht worden.Michael Wenzels Zeitgenosse aus dem unterennsischen Landadel, Helmhard Hohberg, verfasste eine Hauslehre für Adelige, die Vgl. Schreiber 2013, 308f. Zit. nach Winkelbauer 1999, 480. 144 Vgl. Polleroß, Friedrich: Die Kunst der Diplomatie. Auf den Spuren des kaiserlichen Botschafters Leopold Joseph Graf von Lamberg (1653-1706). Petersberg: Michael Imhoff, 2010, S. 10. 145 Keller, Katrin: Zwischen Zeremoniell und „desbauche“. Die adelige Kavalierstour um 1700. In: Wolfgang Schmale und Reinhard Stauber (Hrsg.): Menschen und Grenzen in der Frühen Neuzeit (=Innovationen 2). Berlin, 1998, S. 259 – 282, S. 270 et 271, zitiert nach Polleroß 2010 146 Ibid. 12. 147 Vgl. Lobmeyr, Gabrielle: Unveröffentlichtes Manuskript. Wien, 2013, unpaginiert. 142 143

Ratschläge enthielt, was bei der Wahl eines Begleiters oder Hofmeisters zu beachten sei.148 Er verlangte Gottesfurcht nicht nur in der Theorie, sondern auch „per Praxin´“, Abstinenz in jeder Hinsicht, Nüchternheit und Bescheidenheit, politische „Prudentz“ und Kenntnis der Zielländer. Hohberg warnt vor Großstädten und verdächtiger Gesellschaft und rät, die jungen Herren keine tieferen Bekanntschaften einzugehen, wobei der Zeitvertreib nicht zu kurz kommen sollte und Mußestunden bei der Betrachtung von Kirchen verbracht werden konnten. Der Hofmeister hatte Seite | 31 Begegnungen mit interessanten Künstlern und gesellschaftlich relevanten Persönlichkeiten zu arrangieren und organisierte natürlich auch Besuche von Kunstkammern und architektonischen Sehenswürdigkeiten.149 Die Herren Studiosi sollten dabei von „Unfurm, Übelstand und Laster“, sowie von Nacherey/Geschleck und Fürwitz“ ferngehalten werden.150 Der unschätzbaren Archivarbeit Gabrielle Lobmeyrs verdanken wir Kenntnisse über Michael Wenzels Itinerar: 19. Jänner 1675 9. Februar 1675 26. Juli 1675 9. November 1676 12. Dezember 1676 25. Dezember 1676 13. März 1677 5. Juni 1677 13. August 1677

Venedig Siena (Studienvorbereitungen) Siena (Inskription an der Universität) letzter Beleg für Aufenthalt in Siena (Studienende nach eineinhalb Jahren) Venedig Mailand (Weihnachtsmesse) Chiambri (sic!) eher: Chiari bei Turin Turin, Genua, Bozen Mailand (Medaillenauftrag aus dieser Zeit)

Diese Angaben geben jeweils den Bestimmungsort der Geldsendungen des Vaters an Michaels Hofmeister an. Wie Geldsendungen über große Distanzen durchgeführt wurden, erfahren wir aus der Korrespondenz des Grafen Thürheim mit seinem „wohlgeborenen, lieben Sohn, Christoph Wilhelm“, der sich kurz nach Michael Wenzel in Oberitalien auf Kavalierstour befand. Thürheim erlegte die gewünschte Summe bei einem vertrauenswürdigen Kaufmann, „der es mit selbiger post an herrn Rezonico, et Cernezi in Venedig übermachen und dise solches gelt Ihrer Hochwürden P. Redori (dem Reisebegleiter) in parma erlegen lassen werde…“.151 Der gesamte Studienaufwand betrug somit 46.924 Gulden und 29 Kreuzer. Die Quellen deuten auf Unstimmigkeiten bezüglich der Abrechnung mit dem Hofmeister hin, da noch aus dem Jahr 1678 und vom 20. Februar 1695 – lange nach Michaels Tod – Geldforderungen des Hofmeisters belegt sind.152 Das Erbe seiner Mutter war damit so gut wie aufgebraucht. Was Michael Wenzels Vater von seinem Sohn auf dieser Reise erwartete, unterscheidet sich wohl nicht wesentlich von den Erwartungen Graf Thürheims an seinen nur wenig früher in Parma studierenden Sohn Christoph Wilhelm. Aufschlussreich ist hier der am 7. Februar 1678 verfasste Brief Thürheims. Michael Wenzel war zu dieser Zeit bereits einige Monate von seiner Kavalierstour zurück und erwartete in Wien seine Vermählung wenige Tage später. Er mochte von seinem Vater ähnliche Briefe erhalten haben: „…allaine deines professoris logica wellische aussprach dir das latein zu verstehen schwehr machet, wirst dich dahero wohl mit Eyffer und fleis auf die waillische sprach begeben, und dahin trachten muessen, auf das du dieselbe ergreiffest, welches freylich jetzt anfenglich dir schwehr fallen und hart ankhumben wirdt, hernach aber einen gewungenen handel haben wirst: Vgl. Polleroß, Friedrich: Die Kunst der Diplomatie. Auf den Spuren des kaiserlichen Botschafters Leopold Joseph Graf von Lamberg (1653-1706). Petersberg: Michael Imhoff, 2010, S.71. 149 Vgl. ibid. 150 Hohberg, Wolf Helmhard von: Georgica curiosa aucta I. Das ist: umbständlicher Bericht und klarer Unterricht von dem adelichen Land- und Feldleben, Bd. 1, Nürnberg, 1695, S. 147f. 151 OÖLA, HA Weinberg, Familienakten. Brief Graf Thürheims an seinen Sohn, 17. Oktober 1679, p. 341. 152 Vgl. Familienarchiv Steyregg, AVBUCH, Fach 76, Nr. 46. 148

mir zweifelt nit, weil dich auch dahin ermahnet haben, das du dein jetzige Zeit wol anlegest, sonderlich in der philosophie, denn wer khein gueter philosophus, wirdt auch khein jurist, und in anderen wissenschafften nit fortkhumben, und khein philosophus kanst nit werden, da du nit die logicam recht verstehest, welche una principia vis scientia ist…“153 Im gleichen Brief berichtet Graf Thürheim, dass Sigerl, sein jüngerer Sohn in Linz alleine sei und Seite | 32 schon ganz gut das „fletel pfeifft“. Der Vater ermahnt seinen Sohn dann noch, nach seiner Heimkehr das Geigenspiel nicht zu vernachlässigen , weil jemand, der in jungen Jahren ein Instrument erlernt „wirdt desthalben in gesellschafften beliebt, und angenumb.“154 Dieses Bemühen um das „Angenommenwerden“ und die gesellschaftliche Beliebtheit finden wir in den Liechtensteinischen Instruktionen an dessen Sohn nicht. Die Liechtenstein waren zu diesem Zeitpunkt bereits „angenumben“. Die Thürheim hingegen hatten erst nach dem Weißen Berg ihre Weinberger Herrschaft von den protestantischen Zelkingern erworben. Die Weissenwolff standen wohl bezüglich gesellschaftlicher Arriviertheit irgendwo zwischen den Liechtenstein und den Thürheim. Entsprechend lagen ihre Erziehungsrichtlinien auch zwischen jenen der Thürheimschein Aufsteiger und der im engsten Kreis des Kaisers angekommenen, hochadeligen und hochbegüterten Liechtenstein. Über Michael Wenzels Studien, seine Präferenzen, Sprachkenntnisse lebendiger Fremdsprachen und die Fähigkeit Musikinstrumente zu spielen hat sich leider keine Nachricht erhalten. Wohl haben wir Kenntnis von einem 1651 erschienenen Leitfaden für Kavalierstouren, dem ersten seiner Art in deutscher Sprache und von Details aus der Kavalierstour eines Michael Wenzel sicherlich bekannten Zeitgenossen: Leopold Joseph Lamberg. Das Ratgeberbüchlein von Martin Zeiller, einem erfahrenen Hofmeister, der auch bereits einen Althann unter seinen Fittischen gehabt hatte, war ein Handbuch mit praktischen Tipps.155 Zeiller forderte Schwimm, Koch- und Wandertraining vor Antritt der Reise und erstellte eine Liste brauchbarer Gegenstände: Schlösser zum Versperren von Türen und Schränken in Gasthäusern, ein Feuerzeug, Nähzeug, ein Regenmantel, Kerzen und Kompass gehörten ebenso dazu wie Schlafhauben und Schlafhosen. Auf keinen Fall sollte ein guter Degen fehlen.156 Aus Polleroß Schilderungen der Kavalierstour des nur fünf Jahre älteren Leopold Joseph Lamberg und seines Bruders Karl Adam erhalten wir ein detailgenaues Bild davon, was Michael Wenzel etwa in Venedig erwartete.157 Wenige Monate vor Michael Wenzel erreichten die Lambergbrüder in einer „Landgutsche“ Mestre am 7. Mai 1674. Sie ließen sich von zwei Ruderern in die Lagunenstadt bringen, was einen Gulden und 36 Kreuzer kostete. Von einem heutigen Besuchsprogramm unterschied sich das damalige wohl nur durch die Besichtigung des Zeughauses, die damals mehr Interesse erweckte. Markusplatz, Dom, Arsenal und die Glashütten auf Murano gehörten bereits damals zum Standard. Der Campanile wurde bestiegen, wundersame Tiere beschaut und der Dogenpalast durfte auch nicht fehlen. Die Weiterreise auf das italienische Festland erfolgte auf einem Postboot. Zu Land mietete man einen Vetturino, eine Kutsche mit Kutscher, ein Taxi, gewissermaßen. Als die Lambergbrüder am 20. Mai in Siena ankamen, war Michael Wenzel bereits drei, vier Monate vor Ort und hatte seine Studienvorbereitungen getroffen. Zwischen 1669 und 1684 – die Weissenwolffschen und Lambergischen Studienjahre lagen in diesem Zeitraum – studierten in dieser beliebten Universitätsstadt bis zu vier Söhne „der Familien Salburg, Waldstein, Wurmbrandt, Saurau, Trauttmanstorf, Herberstein, Rosenberg, Sinzendorf, Kaunitz, Nostitz, Montecuccoli, Wratislav von Mitrowitz, Auersperg, Dietrichstein, OÖLA – HA Weinberg/Familienakten, Brief Graf Thürheims an seinen Sohn, 7. Februar 1678, pag 320. Ibid. 155 Vgl. Polleroß, Friedrich: Die Kunst der Diplomatie. Auf den Spuren des kaiserlichen Botschafters Leopold Joseph Graf von Lamberg (1653-1706). Petersberg: Michael Imhoff, 2010, S 72. 156 Ibid. 157 Ibid. 74. 153 154

Königsegg, Lobkowitz und Tilly.“158 Die jungen Herren waren alle in die Universitätsmatrikel der Deutschen Nation inskribiert. Leopold Philipp Montecuccoli war wenige Jahre nach seinem angeheirateten Onkel, Michael Wenzel, ebenfalls zum Studium hierher geschickt worden. Man konnte in Siena sicher sein auf Jünglinge in gleicher Lage zu treffen, mit denen man sich auch in der Muttersprache austauschte. Die Lambergbrüder reisten 1675 nach Turin und Mailand voraus, wo Michael Wenzel erst Ende Seite | 33 1676 ankam. Er besuchte allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit die gleichen Sehenswürdigkeiten, wie seine Landsleute. Dazu zählten „…die galerie deß Governatore, daß Cabineth des Canonici, die Bibliothekca Ambrosiana, daß Castel, den thurn des thumbs…“ 159und das Castello Sforzesco, sowie den „damals unvollendeten Dom“.160 Die Lamberg besuchten auch die Wunderkammer des mit dem Papst Alexander VII. befreundeten Kanonikers Manfredo Settala, für den übrigens Cesare Fiori, Michael Wenzels Medailleur, ebenfalls eine Privatmedaille fertigte. Dieses Museion beherbergte Gemälde von Leonardo, Tizian, Raffael und Tintoretto ebenso wie musikalische und naturwissenschaftliche Instrumente neben Globen, Mineralien, Porzellan, Medaillen und Münzen.161 Es wäre ungewöhnlich, hätte sich Michael Wenzel bei seinem Mailandbesuch 1677 nicht hier die Idee zur Fertigung seiner Medaille geholt.

2.5. Prägende Einflüsse 2.5.1. Persönlichkeiten in der Familie Der Vater, Helmhard Christoph, verfolgte seine Karriere am Wiener Hof, wo „er mit dem Cammer-Schlüssl und nachgehends mit der geheimen Raths Würde begnadet“ 162. also in einen engeren Kreis um den Kaiser aufgenommen wurde. Die Zahl der kaiserlichen Kammerherrn hatte sich seit Rudolf II. zwar drastisch vervielfacht, sodass Leopold I. 300 dieser „unwürckhlichen“, „würckhlichen“ und „Ehren-Camerer“ mit dieser höfischen Ehre versehen hatte, wobei Anwärter und Ausgeschiedene nicht mitgerechnet sind. Die Weissenwolff, vornehmlich Großvater David II. Ungnad, zählten zu den wenigen Hofbeamten, die Hofquartier und Besoldung beanspruchen durften.163 Leopold I. schätzte ihre Dienste und sie zählten nicht zu jenen 50 bis 60 Kämmerern, die die kaiserliche Retirade betraten, und durch ihre Zahl zu kaiserlichen Beschwerden führten.164 Der obderennsische Konvertit und sein Sohn hoben sich in der höfischen Gesellschaft unter den Gleichgestellten hervor und standen klar über dem Kammerlappenhofmeister, dem Kammerzwergendiener oder gar jenen Zwergendienern, die „unverschambter weis, wie in einem Paurnhaus“165 in die kaiserlichen Zimmer liefen. Als besoldeter, mit Hofquartier versehener langdienender kaiserlicher Vertrauter stand David am oberen Ende der Hofgesellschaft. Obwohl auch der Großvater ein vielbeschäftigter Mann war und auch mehrere Monate im Jahr in Wien bei Hof verbrachte, hat Michael Wenzel zu ihm eine besondere Beziehung aufgebaut. Dies erschließt sich aus den bereits erwähnten zwei Briefen, die er an seinen Polleroß, Friedrich: Die Kunst der Diplomatie. Auf den Spuren des kaiserlichen Botschafters Leopold Joseph Graf von Lamberg (1653-1706). Petersberg: Michael Imhoff, 2010, S. 77. 159 Zit, nach: ibid, S. 108. 160 Ibid. 161 Vgl. Ibid. 162 Hengerer, Mark: Ungnad von Weissenwolff, pdf-Dokument auf Konstanzer Online Publikations-System (KOPS), http://kops.ub.uni-konstanz.de/bitstream/handle/urn:nbn:de:bsz:352-202374/Hengerer_Ungnad.pdf?sequence=1, zuletzt geprüft am 1. August 2013, S. 1532. 163 Vgl. Hengerer, Mark: Kaiserhof und Adel in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Eine Kommunikationsgeschichte der Macht in der Vormoderne. In der Reihe: Historische Kulturwissenschaft, Bd. 3, UVK: Konstanz, 2004, S.94 et S. 101. 164 Vgl. Ibid. 235. 165 Hengerer 2004, 235. 158

Großvater schrieb. Die beiden selbst verfassten aber möglicherweise angeleiteten, persönlichen Texte gewähren einen Einblick in die Welt des jungen Schülers. Am 4. April 1667, Michael war achteinhalb, schrieb er in gutem Latein anlässlich der nahenden Osterfeiertage einen Brief an seinen geliebten Großvater, der aus einer Lektion mit einem Privatlehrer entstanden sein könnte, da der fortgeschrittene Lateinunterricht unter anderem aus dem Verfassen von Briefen bestand.166 „An den sehr geehrten Herrn Großvater Vor der Tür steht Ostern […] Anbetung des Osterlammes […]“. Der Bub leitet den Brief mit einem philosophischen Gedanken über die Dankbarkeit ein und sendet mit dem Brief dem Großvater ein rotes Osterei „als meine Gabe an Dich, […] für alles Gute, was ich schon früher empfing, wie überhaupt nichts Schlechtes gegen den Enkel von dem besten Großvater hervorgehen kann.“ Das Ei ist als dankbare Geste eines Klienten an den Patron gedacht. Der Bub bittet den Großvater ihn weiterhin „wie bisher zu lieben, ich will ewig wieder lieben.“167 Zwei Tage nach seinem neunten Geburtstag (16. September 1667) schreibt Michael aus Sehnsucht wieder einen Brief an seinen Großvater. Darin berichtet er über eine Wallfahrt am 14. und 15. August: „Man beschloss auch mit mir eine Wallfahrt nach Tafferl vor dem Fest des Geburtstages der Hl. Jungfrau“ […] „Unter den übrigen Gründen dieser Wallfahrt […] an erster Stelle den ganzen Stammbaum empfohlen, für dessen Erhaltung […] und für das Wachstum und die Erweiterung unseres Geschlechtes haben wir unsere Bitten an die Mutter aller Gnade gerichtet […]. Am folgenden Festtag der Hl. Jungfrau sind wir nach dem fruchtbaren Steyregg zurückgekehrt und werden die Herbstferien hier verweilen.“168 Beide Briefe lassen eine didaktische Absicht eines Privatlehrers durchscheinen, der sicherstellt, dass der Schützling das Wesentliche lernt und seine Gedanken in die von den Altvorderen gewünschten Bahnen gelenkt werden. Der Adressat, David II. Ungnad, kann sich nicht in Steyregg aufgehalten haben, Linz ist ebenso unwahrscheinlich, weil dann ein Wiedersehen möglich gewesen wäre. David II. Ungnad hielt sich wohl in Wien bei Hof auf. Michael wiederum musste sich vom 16. August bis Anfang November in Steyregg aufgehalten haben, da das Schuljahr erst nach dem 28. Oktober begann. „Simoni und Judi gehen die Studenten in d´ Studi“ war ein Spruch, der an diesen alten Schuljahresbeginn erinnerte.169 Schulbeginn in der Linzer Jesuitenschule war zumindest 1679 der Montag nach Allerseelen, wie wir aus einem Brief Graf Thürheims an seinen Sohn erfahren. In diesem Jahr wurde der Schulbeginn allerdings wegen der in Linz grassierenden Pest ins Neue Jahr verschoben.170 Zwei Jahre später, am 31. Juli 1669, am Tag des Hl. Ignatius, wurde hinter dem Weissenwolffschen Haus auf dem Linzer Hauptplatz in der Schmiedgasse (heute Domgasse) in der Mitte der Schwelle zum Eingangsportal der Grundstein zum Bau der Linzer Jesuitenkirche gelegt. Noch wurde die Dreifaltigkeitskirche auf dem Alten Markt unter dem Schloss von den Jesuiten – auch als Grablege – genutzt. Von dieser Kirche sind heute im Pflaster des Alten Marktes noch die Umrisse markiert. In den folgenden zehn Jahren, es sollten auch die letzten Vgl. Katzinger 1998, 37. Lobmeyr, Gabrielle: Die Weissenwolff in Oberösterreich. Unveröffentlichtes Manuskript. Wien, 2013, S. 6. Transkription und Paraphrase von Gabrielle Lobmeyr. Der Brief findet sich im Familienarchiv Steyregg, ohne AVListen Nummer. 168 Ibid, AVListe 233. 169 Vgl. Katzinger 1998, 67. 170 Vgl. OÖLA - Herrschaftsarchiv Weinberg – Herrschaftsakten, Sch. 1169/C3, pag. 339. 166 167

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Lebensjahre Michael Wenzels sein, wuchs das damals neben dem Schloss zweitgrößte Gebäude der Stadt in den Himmel. Man kann sich vorstellen, wie der kleine Bub aus dem Fenster seines Wohnhauses, oder direkt von der Domgasse aus den Fortschritt der Arbeiten an dem Großbauwerk verfolgte. Mit dem stetig größer werdenden „Alten Dom“, wie der Sakralbau seit der Errichtung des „Neuen oder Mariendoms“ im 19. Jahrhundert heißt, wuchs auch Michael Wenzels Bewusstsein seines Standes, seiner Standesehre und seiner späteren Möglichkeiten im Land, bei Hof und im Reich. Schon die Adresse des Heranwachsenden spiegelte die bedeutende Seite | 35 Position der Weissenwolff am Schnittpunkt der geistlichen und weltlichen Macht im Landl wider. Ihre älteren Linzer Häuser, das ehemalige Jörgersche Freihaus auf dem Hofberg und das gegenüber liegende Haus Nr. 22, standen noch näher am regionalen Machtzentrum, dem Linzer Schloss, das auch zuweilen als kaiserliche Residenz genutzt wurde. Zu diesen Zeiten, manchmal für Tage, manchmal für Wochen, war Linz gewissermaßen der Nabel des Heiligen Römischen Reiches, wenn man bedenkt, dass ein beträchtlicher Teil des Hofstaats angehalten war, den Kaiser zu begleiten. Anfang des 18. Jahrhunderts – unter Ferdinand Buonaventura Weissenwolff, einem Halbbruder Michael Wenzels - wurde das Vorstadthaus (heute Landstraße 12/Arkade) erworben. Dass dort der Arzt Klara Hitlers, Edmund Bloch, praktizierte und bis zu seiner Auswanderung nach New York 1943 auch wohnte, sei hier nur am Rande erwähnt.171 Ein weiteres Linzer Haus aus dem Besitz der Weissenwolff war das ursprünglich „Genadenheim“ genannte, spätere Majoratshaus, Kapuzinerstraße 18, das heute noch in der Nähe der Kapuzinerkirche steht. Es stammte aus jörgerschem Besitz und war von Wolfgang Jörger „als Altersversorgungsheim für Bedienstete gekauft worden und gehörte zur Herrschaft Lustenfelden“.172 Im Jahr 1671, als Michael dreizehn Jahre alt war, wurde sein Großvater zum Ritter des Ordens des Goldenen Vlieses ernannt. Vor der ehrenvollen Verleihung verblich der verdiente Vierundsechzigjährige im folgenden Jahr und Michael Wenzel verlor nach der Mutter eine weitere enge Bezugsperson. Zwei Jahre später folgte die Großmutter väterlichseits ihrem Gemahl ins Grab. Sie vermachte ihrem Enkel testamentarisch bereits 1668 um seinen zehnten Geburtstag 50000 Gulden. Die Auszahlung war wie folgt geregelt: „Ab seinem 18. Jahr soll man ihm von desen zu seinen Raisen oder Nothwendigkheiten die Zinsen[auszahlen] wan er mit der Hilf Gottes das acht und zwanzigste Jahr erlangt, Eigenthümber sein“.173 Es war diese Großmutter, Maria Elisabeth, geborene Jörger, die ihrem Gemahl den weiten Besitz in die Ehe mitgebracht hatte. Ansprüche ihrer Verwandten auf Teile ihres Besitzes hatte der damalige Landeshauptmann, Heinrich Ludwig Graf Kuefstein ab 1633 abgelehnt.174 Des Kaisers Machtwort sicherte dem Ungnad-Jörgerschen Paar die Erbschaft endgültig. Wesentlich unterstützt wurde David II. Ungnad vom Passauer Fürstbischof und herausragenden Förderer der Jesuiten175, Erzherzog Wilhelm, dem Onkel des Kaisers Leopold, der ihm als Lehensherr von Steyregg gegen eine Zahlung von 62 000 fl mit der Herrschaft bei Linz belehnte. 1648 war David II. Ungnad zum Hofkammerpräsidenten vereidigt worden. Das Amt des Landeshauptmanns, das er 1656 von Kuefstein übernommen hatte, übergab er 1671 an Heinrich Wilhelm Graf Starhemberg.176 Die Freundschaft mit den Kuefstein sollte noch einen unangenehmen Bruch erleiden, wie unten ausgeführt ist. Vgl. Hamann, Brigitte: Hitlers Edeljude: Das Leben des Armenarztes Eduard Bloch, Piper: München, 2008. Schriftlicher Hinweis Fr. Gabrielle Lobmeyr vom 31. Oktober 2013, E-Mailarchiv des Autors. 173 Familienarchiv Steyregg, AVListe 27 et OÖLA, Landschaftsarchiv, Akte 275/8, zit. nach: Lobmeyr, Gabrielle:. Unveröffentlichtes Manuskript. Wien, 2013. 174 Vgl. dazu Gabrielle Lobmeyr in einem Hinweis vom 31.Oktober 2013 (E-Mailarchiv des Autors): „Die jörgerschen Besitzungen waren als Fideikommiss nur ungeteilt an den ältesten männlichen Nachkommen vererbbar. Nach der Verurteilung Helmhard Jörgers nach dem Weissen Berg war das Fideikommiss aufgelöst. In der Folge erhielt Helmhard Jörger nach Prozessen Teile der Güter wieder zurück, die fideikommisliche Erbeinschränkung war aber weggefallen. Seine Tochter, Davids Gemahlin, konnte den Besitz nun Erben. Die geschilderte Rechtslage wurde von Teilen der Verwandtschaft in Zweifel gezogen, der Streit schließlich mit Hilfe Kuefsteins vom Kaiser zugunsten d 175 Vgl. Neue Deutsche Biographie, Bd. 6, S. 234. 176 Erst 1675 übernahm sein Sohn Helmhard Christoph die Landshauptmannschaft. 171 172

Man kann nur vermuten, welche Episoden aus der Familiengeschichte Vater und Großvater dem Heranwachsenden weitergegeben hatten. Es ist anzunehmen, dass – spätestens bei Erscheinen des panegyrischen Büchleins des kaiserlichen Historikers Calin177, als Michael bereits sein siebzehntes Lebensjahr erreicht hatte – der Vater den Sohn über die konfessionellen, sozialen und wirtschaftlichen Brüche im Leben seines Urgroßvaters Andrä178, vor allem aber seines Großvaters David II. aufklärte, wenn diese Erziehungsaufgabe nicht bereits von diesem selbst übernommen worden war. Dass die protestantische Vergangenheit der Familie dabei auch positiv Seite | 36 dargestellt wurde, kann nicht ausgeschlossen werden, da David „seine Kontakte zu den ehemaligen Glaubensgenossen nach seiner Konversion aber trotz der rasanten Karriere in kaiserlichen Diensten nicht ab [brach], sondern noch in den fünfziger Jahren zu den wichtigsten Ansprechpartnern der bedrängten [protestantischen] Reichsstädte [war].“179 2.5.2. Die Jesuiten In Linz waren die Jesuiten mit der Ankunft Georg Scherers im Jahr 1600 im kleinen Kreis wirkmächtig geworden, 1601 begann er seine Predigttätigkeit, 1608 entstand auf sein Betreiben die Jesuitenschule.180 Nicht allen waren die Jesuiten in Linz willkommen. Neben den Protestanten, die keine Freude über die reformierte katholische Konkurrenz haben konnten, waren auch die Geistlichen der Stadtpfarrkirche nicht erfreut über die kircheninternen Mitstreiter. Noch 1672 nahm der Stadtdechant Michael Rotmayr Kelch und Schlüssel der Linzer Hauptkirche an sich, musste ihn allerdings auf Drängen des Landeshauptmanns Heinrich Wilhelm Starhemberg wieder herausrücken.181 Bereits ein halbes Jahrhundert nach ihrer Ankunft in Linz begannen die Jesuiten in der Südostecke der Stadt durch ein Ringtauschgeschäft und Immobilienerwerb über Strohmänner ein jesuitisches Machtzentrum zu schaffen, dem weder die protestantische, noch die innerkatholische Opposition standhalten konnte. Die Massentaufe von etwa 1000 Menschen im Jahre 1633 kann als äußeres Signal für die jesuitische Machtübernahme in Linz und darüber hinaus gesehen werden.182 Mit der bildungsaffinen Gesellschaft Jesu standen die Weissenwolff unter anderem über das in der Nähe seiner Herrschaft Steyregg befindliche Kloster Pulgarn in wechselhafter Verbindung. Zum einen rührte die Beziehung zu den Jesuiten von Michaels Großvater, David Ungnad von Weissenwolff, Freiherr von Sonegg. Zeitnah zu seiner eigenen Konversion und jener seiner Jörgerschen Gemahlin im Jahr 1633183 hatte er sich mit den Ordensmännern über strittige Messstiftungen in Steyregg verglichen und den protestantischen Friedhof in Steyregg an die Jesuiten übergeben.184 Der Steyregger Lehensherr, Bischof von Passau, Jesuit und Erzherzog von Österreich, Leopold Wilhelm Habsburg, hatte kurz davor David Ungnad von Weissenwolff mit Vgl. Calin, Franciscus Domenicus: Ritterlicher Schau-Platz/Aller Dapfferen und Wolverdienten Helden/so auß dem vortreffelichen Geschlecht deren von Weissenwolff, von vil hundert Jahren her/nach und nach entsprossen seynd. Wien, 1675. Es fällt auf, dass Calin Michaels protestantischen Urgroßvater Andrä Ungnad von Weissenwolff, Freiherr von Sonnegg (später auch Ennsegg), der es nach der kaiserlichen Pardonierung vorzog, im norddeutschen Exil zu bleiben, statt nach Österreich zurückzukehren, in der Aufzählung der Vorfahren weglässt. 178 Vollständiger Titel: Andrä Ungnad von Weissenwolff, Freiherr von Ennsegg (nach dem Kauf von Schloss Ennsegg). 179 Winkelbauer 1999, 100. 180 Vgl. Katzinger, Willibald, Monika Klepp, Gerhart Marckhgott und Erika Sokolicek: Die Geschichte des Akademischen Gymnasiums Linz. Linz: Trauner, 1999, S. 26f. 181 Linzer Regesten – Schriftleitung Hanns Krejczi, Bd 1, C III C, Littera Annuae 1600 – 1773, bearb. v. Gerhard Rill. Linz, 1954, Nr. 241. 182 Ibid., Nr. 228b.: „1.000 Personen werden von den Jesuiten bekehrt, darunter zwei besonders angesehene Männer: David Ungnad, der bisher den Jesuiten in Pulgarn Schwierigkeiten bereitet hatte; Casparus a Starnberg, der als Kenner der lutherischen Glaubenslehre („hereticarum dogmatum gnarus“) bekannt ist, nachdem er sich mehrmals mit den Patres ausgesprochen hatte.“ 183 Ibid. 184 Vgl. Hengerer 2013, 1536. 177

Steyregg belehnt. Zum anderen war Michaels bereits erwähnter Großvater mütterlicherseits, Michael Adolph Althann185, bedeutender Förderer der Jesuiten und Stifter zahlreicher jesuitischer Einrichtungen.186 Inwieweit man das doch erst rezent konvertierte familiäre Umfeld Michael Wenzels als jesuitisch geprägt bezeichnen kann ist allerdings fraglich, da es die im Hauskauf 1658 angesprochenen Differenzen gab187 und man auch im seelsorgerischen Bereich etwa in Steyregg immer wieder unterschiedliche Auffassungen auftraten. Für eine emotionale Nähe zur Gesellschaft Jesu spricht wiederum die Grablege der Weissenwolff in der Dreifaltigkeitskirche am Seite | 37 Alten Markt und die Umbettung bzw. Bestattung von drei Generationen Weissenwolff in der neuerbauten Ignatiuskirche gegenüber ihres Freihauses in der Domgasse ab 1680. In den Jahren vor der Auflösung des Ordens im 18. Jahrhundert war das Verhältnis bereits merklich abgekühlt.188 Zu Michael Wenzels Zeiten scheinen die Beziehungen allerdings gut gewesen zu sein. David Ungnad erscheint mehrmals bei Preisverleihungen an Jesuitenschüler.189 Die Ordensleitung erlaubte den Ungnad-Weissenwolff die Anbringung ihres Wappens, wie auch die Einrichtung einer Familiengruft zu linker Hand in der Linzer Ignatiuskirche.190 Am 3. und 10. Dezember 1673 erteilte der Provinzial der Jesuiten, P. Adamus ab Oettinga für Helmhard Christoph Weissenwolff und dessen Nachkommen bis in die dritte Generation das Begräbnisrecht in der Ignatiuskirche.191 Gräfin Franziska Weissenwolff spendete 1674 500 Gulden für den Kirchenbau192, ihr Gemahl Helmhard Christoph die gleiche Summe zwei Jahre später für die Errichtung eines Seitenaltars.193 Als sich die Aufbringung der Mittel für den Hauptaltar als ungesichert erwies, wandten sich die Jesuiten an Landeshauptmann Helmhard Christoph, der die Errichtung des letzten Bauelements über die Stände ausfinanzieren ließ.194 Trotz all dieser Zuwendungen war das Verhältnis zwischen den Weissenwolff und den Jesuiten ambivalent. Bereits 1659 – ein Jahr nach dem Abschluss des Immobiliendeals an der Südostecke des Linzer Hauptplatzes – gerieten die Jesuiten in Streit mit David Ungnad wegen der Errichtung einer Schenke in Pulgarn.195 Neben diesen Differenzen über die jesuitische Ausbreitung in seinem persönlichen Machtbereich der Herrschaft Steyregg und deren Umgebung, die sich bis 1670 hinziehen,196 unterstützt David Ungnad die Jesuiten allerdings auf der Ebene der Landeshauptmannschaft. Er befahl im gleichen Jahr, dass jedes Buch von Jesuiten auf protestantische und andere schädliche Inhalte geprüft werden soll, bevor es in Umlauf gebracht

http://www.geneall.net/D/per_page.php?id=141133, zuletzt geprüft am 21. August 2013. Winkelbauer 1999, 164f. 187 Bereits 1633 bemühten sich die Jesuiten beim Salzburger Erzbischof Paris Lodron um die Überlassung des Petershofgrundstückes in der heutigen Domgasse (dort wo jetzt die Ignatiuskirche steht). Erst Jahre später überließen die Benediktiner von St. Peter das Grundstück und die Jesuiten kauften über einen Strohmann (Gera) das spätere Weissenwolffsche Freihaus, Hauptplatz 27, an. 188 Mündliche Auskunft: Gabrielle Lobmeyr, Wien, 21. August 2013. Es existiert im Privatarchiv Steyregg umfassende Korrespondenz bezüglich unterschiedlicher Differenzen. 189 Linzer Regesten – Bd. C III C 1, 139, et Bd. C III C 2, 26, Nr. 364 190 Mündliche Auskunft Gabrielle Lobmeyr, 21. August 2013. Die österreichische Kunsttopographie (hrsg. vom Institut für österreichische Kunstforschung des Bundesdenkmalamtes. Bd. 16: Die kirchlichen Kunstdenkmäler der Stadt Linz, bearbeitet von Justus Schmidt. Wien: Schroll, 1964, S. 175) erwähnt weder Wappen noch Gruft, noch Seitenaltar in Verbindung mit den Weissenwolff. An die vielfache politische und finanzielle Unterstützung der Weissenwolff beim Kirchenbau und dessen Ausstattung erinnert heute nichts. Auch die sterblichen Überreste der dorthin verbrachten oder dort beigesetzten Familienmitglieder sind verschwunden. 191 Linzer Regesten, C III C, Bd. 2, 103, Nr. 257. 192 Linzer Regesten, C III C, Bd. 2, 106, Nr. 270. 193 Linzer Regesten, C III C, Bd. 2, 116, Nr. 295. 194 Vgl. Österreichische Kunsttopographie, hrsg. vom Institut für österreichische Kunstforschung des Bundesdenkmalamtes. Bd. 16: Die kirchlichen Kunstdenkmäler der Stadt Linz, bearbeitet von Justus Schmidt. Wien: Schroll, 1964, S. 175. 195 Linzer Regesten C III C. Bd. 2, 34, Nr. 90. 196 Vgl. Der Passauer Bischof verlangt von den Jesuiten Belege, die das Schankrecht in Pulgarn, das Dreifaltigkeitspatrozinium auf dem Hofberg und die Erbauung der Kalvarienbergkirche in Margarethen legalisieren würden, scheitert aber an der Unterstützung Kaiser Leopolds für die Gesellschaft Jesu. Linzer Regesten C III C, Bd. 2, 83, Nr. 211. 185 186

werden durfte.197 Daraufhin führten die Schüler des Jesuitenkollegiums das Drama „David pastor“ auf. Davids Enkel Michael Wenzel war als Zwölfjähriger zu dieser Zeit bereits an dieser Schule. Nach Wien (1553), Innsbruck (1562), Hall (1573) und Graz im gleichen Jahr hatte die Linzer Jesuitenschule mit ihrem Gründungsdatum (1608) relativ spät ihre Tätigkeit aufgenommen.198 Krejci199 beschreibt detailliert, wie die Jesuiten den Plan fassten, außerhalb der Stadtmauern südöstlich der bestehenden Stadt ein großes Areal für ein Kollegium, ein Seminar und eine Kirche, sowie landwirtschaftliche Anlagen zu erwerben. Nachdem dieser Plan der Stadterweiterung aufgegeben war, versuchten die Jesuiten den Salzburgerhof der Benediktiner von St. Peter von Erzbischof Paris Lodron zu erwerben, was misslang. In der Folge erwarb Erasmus von Gera als Strohmann für die Jesuiten das Haus Hauptplatz 27, wobei dieser Kauf erst 1642, nach drei Jahren, von der Stadt genehmigt wurde. Der vom Haus Habsburg unterstützte Ankauf des Salzburgerhofes, der schließlich doch mit einigen Schwierigkeiten durchgeführt wurde, ermöglichte nun 1669 die Grundsteinlegung zur Ignatiuskirche. Schule und Seminar waren bereits in den fünfziger Jahren gebaut worden und der Schulbetrieb war bereits aufgenommen. Die hervorragenden Lateinkenntnisse des kleinen Michael Wenzel waren wohl diesem jesuitischen Bildungseifer geschuldet und durchaus beachtenswert, wie man aus den bereits abgehandelten Briefen an den Großvater erkennen kann.200 Inwieweit es innerhalb der Familie, bei den Eltern, oder bei Michael Wenzel selbst Vorbehalte oder eine Distanz zu den jesuitischen Idealen und Praktiken gab, ist für uns nicht fassbar. Ebensowenig können wir eine vollständige Identifizierung mit diesen Idealen festmachen, wie dies bei anderen Konvertiten, wie etwa Gundaker Liechtenstein in ihrem Verhältnis zu Piaristen und Kapuzinern, möglich ist. 201 Auch ein klares und jahrzehntelanges Engagement für die Jesuiten, wie bei Michael Adolph Althann, Michaels Großvater, können wir bei David und Helmhard Christoph Weissenwolff nicht nachweisen.

2.5.3. Duelle in der Verwandtschaft Es gab eine Reihe von Ereignissen in der Familie Ungnad-Weissenwolff, die den heranwachsenden Weissenwolff interessieren und formen mussten. Als Michael sechs war, fand sein Onkel, Hans David Ungnad, auf einer Kavalierstour in Paris im einundzwanzigsten Lebensjahr sein Ende.202 Solche tragischen Ereignisse wurden wohl in der Familie besprochen, die Hintergründe reflektiert und Meinungen dazu abgewogen. Daraus bezogen die Kinder ihre ethischen Grundwerte mindestens ebenso stark, wie aus der geistlichen Erziehung. Es gab zahlreiche weitere, spektakuläre Fälle aus dem engeren und weiteren Umfeld Michaels. Sie haben gemeinsam, dass die verletzte Ehre in einem Duell außerhalb der Reichweite der landesfürstlichen Rechtsgewalt wieder hergestellt werden sollte. Michael musste etwa auch um die Umstände des Todes Wolf Ludwig Jörgers gewusst haben. Der einzige Sohn Helmhard Jörgers, eines weiteren protestantischen Urgroßvaters unseres Michael, war im Dezember 1624 bei einem Duell in Linz gefallen.203

Vgl. Ibid, 82, Nr. 209. Katzinger et al. 1993, S. 22. 199 Österreichische Kunsttopographie, Bd. 16, 162. 200 Familienarchiv Steyregg, AVListe 233, Brief vom 16. September 1667, sowie vom 4. April 1667. 201 Vgl. Winkelbauer 1999. 505f. 202 Vgl. Hengerer, Mark: Ungnad von Weissenwolff. pdf-Dokument auf Konstanzer Online Publikations-System (KOPS), http://nbn.resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-202374, zuletzt geprüft am 1. August 2013, S. 1531f. Eine exakte Schilderung dieses Duells findet sich im Familienarchiv Steyregg. 203 Hoheneck 1732, 465. 197 198

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Michael hatte wohl auch etwas von dem etwas weiter entfernten Verwandten Johann Quintin Jörger gehört, der zum Zeitpunkt von Michaels Geburt vierunddreißigjährig dem Höhepunkt seiner Karriere im Umfeld des Kaisers und in unmittelbarer Nähe von Michaels Vater und Großvater entgegen strebte. Kannte er auch die abenteuerlichen Details aus dessen jungen Jahren? Als ungefähr zwanzigjähriger Heißsporn hatte der später höchst erfolgreiche Konvertit auf seiner Kavalierstour in Leyden einen Bürgermeistersohn getötet. Daraufhin sah er sich Seite | 39 gezwungen in Frauenkleidern nach Frankreich zu fliehen.204 Es ist zumindest denkbar, wenn nicht sehr wahrscheinlich, dass diese Aventüren mit unterschiedlichem Ausgang dem jungen Adeligen aus Steyregg bekannt waren. Wir dürfen davon ausgehen, dass Michaels Ehrbegriff von diesen Ereignissen und den Gesprächen darüber geformt wurde.

2.5.4. Der zeitgenössische Duelldiskurs Ließ man im ausgehenden Mittelalter noch den Zweikampf unter Aufsicht eines Gerichtes und unter den Augen der Öffentlichkeit als Gottesurteil in zweifelhaften Strafprozessen zu, so verschwand diese Form der Urteilsfindung allmählich im 15. Jahrhundert aus der europäischen Rechtspraxis.205 Abgesprochene Zweikämpfe nach vorgegebenen Regeln außerhalb von Ritterspielen breiteten sich im 16. Jahrhundert von Italien und Frankreich aus, um im 17. Jahrhundert auf das Reich auszuweiten, wobei der Begriff „Duell“ oder „duellum“ erst etwa um 1660 nur einer bereits vorhandenen Kulturpraxis übergestülpt wurde. Es kam also nur ein neuer Name für etwas, das man vorher noch als „balgereyen, grein- und raufhändel, selbst=Rache, oder ausfordern“ bezeichnet hätte. Das Duell changierte semantisch irgendwo zwischen Hausfriedensbruch und Fehde, wobei noch lange nicht an die ausgefeilten Regeln aus Duellbüchern des 19. Jahrhunderts zu denken war.206 Um die Mitte des 17. Jahrhunderts wuchs – von Frankreich ausgehend – der Bedarf nach einer rechtlichen Grundlage für die Verurteilung dieses aus unterschiedlichen Gründen von den obersten Gerichtsherrn und Monarchen nicht erwünschten Phänomens. Kaiser Leopold I. wählte in der Bekämpfung von Duellen eine Vorgehensweise die im Reich jeder Territorialmacht eine auf regionale Bedürfnisse und Usancen abgestufte Rechtssprechung ermöglichte. Er bestätigte 1668 ein auf dem Reichstag zu Regensburg eingebrachtes Rechtsgutachten zur Duellproblematik, das nie zum Reichsgesetz wurde. In seiner Landgerichtsordnung für das Land Österreich ob der Enns (Leopoldina) aus dem Jahr 1677 kommt der Begriff „Duell“ nicht vor. Dieses Deliktbild wird in diesem Codex von Bestimmungen zum Landfriedensbruch, Totschlag und anderen tödlichen Handlungen und zur Notwehr abgedeckt.207 Dabei galt die unmittelbar gesetzte Wiederherstellung der Ehre durch Töten des Ehrverletzenden als nicht zu bestrafende Notwehr.208 Für Angehörige des höheren Adels galten milde Strafen, da offenbar das durch Ehrabschneidung geminderte symbolische

Vgl. Wurm, Heinrich: Die Jörger von Tollet. Linz/Graz, 1955, S. 188. Neumann, Sarah: Vom Gottesurteil zur Ehrensache? Deutungsvarianten des gerichtlichen Zweikampfs im Mittelalter. S. 93 – 104. In: Ludwig, Ulrike, Barbara Krug-Richter und Gerhard Schwerthoff (Hrsg.): Das Duell. Ehrenkämpfe vom Mittelalter bis zur Moderne. Reihe: Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven, Bd. 23. Konstanz – UVK, 2012. 206 Vgl. Ludwig, Ulrike: Das Recht als Medium des Transfers. Die Ausbreitung des Duells im Alten Reich. S. 159 – 173. In: Ludwig, Ulrike, Barbara Krug-Richter und Gerhard Schwerthoff (Hrsg.): Das Duell. Ehrenkämpfe vom Mittelalter bis zur Moderne. Reihe: Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven, Bd. 23. Konstanz – UVK, 2012. 207 Neue Landtgerichts Ordnung des Erzhertzogthumbs Oesterreich ob der Enns (Leopoldina), Linz: gedr. bei Caspar Freyschmid, 1677, beigebunden: Adeliches Criminalprivilegium …von Leopoldo Denen zweyen Obern Politischen Ständten/ des Ertzherzogthumbs Oesterreich ob der Enns…ertheilet. Linz: gedr. bei Caspar Freyschmid, 1675. 208 Ibid., Articul 5, §§1-12, S. 112 – 118. 204 205

Kapital der Standesehre einer straffreien Wiederherstellung bedurfte. Im Einzelfall entschied der Richter über Strafausmaß oder Freispruch.209 Die zu erwartenden strafrechtlichen Konsequenzen für Duellanten waren aktuelles Gesprächsthema, sicherlich auch in den Haushalten der oberösterreichischen Landeshauptmänner. Michael Wenzel konnte aus solchen häuslichen Diskussionen zur Thematik des Duells Kenntnis darüber gehabt haben, dass er qua Funktion und Stand seines Vaters und Seite | 40 Großvaters im Falle einer Tötung eines Gegners im Zuge eines Duells keine strafrechtlichen Konsequenzen zu erwarten hatte. Eine andere Frage war die Ächtung von Duellen durch die Gesellschaft und vor allem durch die Kirche. Der Gunstentzug des Kaisers konnte ebenfalls durchaus Karrierechancen mindern. Die Kirche wiederum sah im Duellieren ein Spiel mit dem höchsten gottgegebenen Gut, dem Leben. Dies konnte nur als sündhaft gewertet werden, wobei der kirchliche Fervor in verschiedenen Territorien des Reiches unterschiedlich stark ausfallen konnte.210

2.5.5. Der Ehrbegriff Michael Wenzel wurde ein Ehrbegriff anerzogen, der Prestige, Reputation und sozialen Rang umfasste, welche als „symbolisches Kapital“ eines Adeligen galten. Dieses symbolische Kapital steigerte seine Möglichkeiten „bei Hof und von den Ständen Ressourcen zu mobilisieren.“ Als Ressourcen kann man finanzielle Zuwendungen, Belehnungen, Ämter, oder einfach Nähe zum Hof verstehen. Winkelbauer vergleicht dieses Kapital mit den materiell ebenfalls nicht greifbaren Karrierechancen eines Managers.211 Letztlich ging es bei einem Ehrverlust um eine verringerte Zugangsmöglichkeit zu Finanzquellen. Diese Ehre musste verteidigt werden, da es sich bei einer Verletzung der Ehre nicht zuvorderst um eine Frage einer persönlichen Beleidigung oder Kränkung handelte, sondern um die Wahrnehmung einer Verantwortung als Patron, oder zukünftiger Regierer eines Hauses, dessen Ressourcenzugänge gesichert sein wollten. „Die meisten alltäglichen Streitigkeiten, Bezichtigungen, Beschimpfungen, Beleidigungen (Injurien) und Tätlichkeiten […] der frühen Neuzeit erklären sich ebenso wie Präzedenz-, Zeremoniell- und Titularstreitigkeiten an den Fürstenhöfen und in den Landtagen […] aus dem Bestreben die eigene Ehre bzw. die Ehre der Familie oder seines Herrn auf dem Weg der retorsiven Selbsthilfe zu schützen oder zu verteidigen.“212 Winkelbauer nennt hier gleich eine Reihe von möglichen Ehrverletzungen, die hier exemplarisch kurz vorgestellt werden sollen. Präzedenzstreitigkeiten entstanden über die Frage, wer bei einem offiziellen Anlass (Jagdbegleitung des Kaisers, Erbhuldigungsumzüge, Fronleichnamsprozessionen, einfache Gottesdienste), vorstehen, vorsitzen, vorgehen, vorreiten, oder bei der Tafel „fürschneiden“ durfte. Wurde letzteres auf dem fürstlichen Hof von sich abwechselnden „Fürschneidern“ erledigt, war das „Vorstehen“ eine Frage der Position in Relation zur wichtigsten anwesenden Persönlichkeit (Kaiser, Vliesritter, Präsidenten der Hofämter etc.). Beim „Vorsitzen“ ging es um die Position an der Tafel, deren „obere stell“ begehrt war, das „Vorgehen“ und „Vorreiten“ bezog sich auf bewegte Situationen, bei denen jedem eine Position zugeordnet war und bei Engpässen dem Ranghöheren das Recht des Vortritts überlassen werden musste, was heute noch in grundlegenden Benimmregeln beim Betreten von Häusern, Räumen und Sälen beachtet wird. Nicht Ibidem, Adeliches Criminalprivilegium. Ludwig, Ulrike, Barbara Krug-Richter und Gerhard Schwerthoff (Hrsg.): Zugriffe auf das Duell. Zur Einleitung. S. 11 – 25, S. 11. In: Das Duell. Ehrenkämpfe vom Mittelalter bis zur Moderne. Bd. 23: Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven. Konstanz – UVK, 2012. 211 Vgl. Winkelbauer 1999, 289. 212 Winkelbauer 1999, 290. 209 210

unwesentlich war auch, wer beim Reichen der Hand zum Gruß die „oberhandt“ behalten durfte um in dieser Situation den Hierarchieunterschied zu markieren. Zeremonielle Streitigkeiten entbrannten über die Frage, wer in welcher Situation sein Haupt bedeckt lassen konnte, musste oder durfte. Am spanischen Hof etwa gab es drei Klassen von Fürsten (Grandes), von denen eine den Hut aufsetzen durfte, bevor sie begann mit dem König zu sprechen, die Angehörigen der zweiten Klasse begannen zu sprechen und setzten dann den Hut auf und jene der dritten Fürstenklasse durfte den Hut erst aufsetzen, nachdem sie mit dem König gesprochen hatten. Alle in der Hierarchie niedrigeren Herren hatten in Gegenwart des Königs hutlos zu bleiben.213 Welche Fehltritte man in der Verwendung der richtigen Titel begehen konnte, ist leicht vorstellbar, weshalb hier nicht näher darauf eingegangen werden soll. Wesentlich ist, dass die Möglichkeiten, die Ehre eines Adeligen zu verletzen, so dass dieser nicht einfach darüber hinwegsehen konnte, viel breiter gestreut waren, als dies nach heute wirkmächtigen Ehrbegriffen vorstellbar ist.

2.6. Die Hochzeit Nach der Vollendung seiner Kavalierstour im Herbst 1677 war ein wesentlicher Teil von Michael Wenzels Ausbildung abgeschlossen. Er hatte studiert und war im Hinblick auf seine zukünftige Karriere in die höchsten Kreise am Wiener Hof eingeführt worden. Eine nächste Stufe auf dem Weg in das innere Machtzentrum des Reiches war für jeden Aspiranten die standesgemäße Vermählung, die von einer prachtvoll choreographierten und klug durchgeplanten Hochzeitsfeier gerahmt werden musste. Schließlich war die Heirat einer der grundlegenden machtpolitischen Akte, die ein Adeliger setzen konnte, wenn er seinen Besitz friedvoll mehren wollte.214

2.6.1. Vorbildhochzeiten Was waren die großen Vorbildfeierlichkeiten für die Hochzeit des Sohnes eines hohen Hofbeamten und Landadeligen im Grafenstatus, dessen Großvater David zum Vliesritter ernannt worden war? Zehn Jahre vor Michaels Geburt erlebten seine Großeltern 1648 (Michaels Vater war erst vierzehn) mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Teil der Hochzeitsfeierlichkeiten Kaiser Ferdinand III. mit Erzherzogin Maria Leopoldine. Die gedehnte Cousinage mit der 24 Jahre jüngeren Tirolerin setzte unausgesprochen eine Norm in Bezug auf akzeptable Verwandtschaftsnähe und Altersunterschied. Obwohl die Oper erst zu Beginn des Jahrhunderts mit Claudio Monteverdi entstanden war, gehörte sie bei dieser Hochzeit bereits zum erwartbaren Programmablauf. Zum Anlass passend wurde das Werk „I Trionfi d´Amore“ von Felice Sances (Musik) aufgeführt werden sollte. Zwei Todesfälle verhinderten Aufführungen zuerst in Linz und einen zweiten Versuch in Preßburg.215 Als Ferdinands Gemahlin früh verstarb, heiratete er 1651 in kleinem Rahmen in Wiener Neustadt Eleonora Gonzaga von Mantua. Dass aus der Heimat Claudio Monteverdis – er war dort Sekretär des Fürsten gewesen – bezüglich einer Hochzeitsoper beachtenswerte Impulse zu erwarten waren, liegt nahe. Die einzige bekannte Feierlichkeit bestand allerdings aus einem Feuerwerk vor

Vgl. Winkelbauer 1999, 299, Fußnote 72. Seifert, Herbert: Der Sig-prangende Hochzeit-Gott. Hochzeitsfeste am Wiener Kaiserhof 1622 -1699. Dramma per musica, Bd. 2, Wien – Musikwissenschaftlicher Verlag, 1988, S. 7. 215 Vgl. Seifert 1988, 21. 213 214

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dem Wiener Burgtor, bei dem die Namenszüge der Neuvermählten zum Leuchten gebracht wurden und einem allegorischen Spiel: „Ein Wagen mit feurigen Rädern kam durch ein Tor gefahren; auf ihm stand Fama (die Göttin des Ruhmes und des Gerüchts), in der einen Hand zwei brennende Herzen, in der anderen eine Posaune (oder Trompete). Die Pforte des Tempels, der auf dem Schauplatz errichtet worden war, öffnete sich, und Fama präsentierte der darin Seite | 42 sitzenden Venus, der Göttin der Liebe, die Herzen, die Venus auf einem Altar dem Apollo opferte. Vulcanus und Mars trugen einen Zweikampf aus. Ein Symbol der Zeit zerschmetterte jedoch die Fechtenden. Im dritten Teil schließlich sah man auf zwei Pforten die Buchstaben „VIVAT“ und dazu wieder die Namen der Neuvermählten brennen. Der Tempel wurde entzündet, und auf ihm erschien der den Kaiser symbolisierende Adler im Feuer. Mit zahlreichen Raketen, Böllern und Salven schloss diese allegorische Vorstellung.“216 Der damals siebzehnjährige Helmhard Christoph und auch seine spätere Braut hatten Gelegenheit diese Festlichkeiten zu erleben. Fünfzehn Jahre später – ihr Sohn Michael Wenzel war bereits acht Jahre alt – konnten verlesene Gäste wieder einer besonderen Kaiserhochzeit beiwohnen. Leopold I. vermählte sich mit der spanischen Infantin Margarita Theresia im Jahr 1666 und Michaels Vater, Helmhard Christoph, ritt der aus Spanien angereisten Braut in Villach entgegen.217 Die Hochzeit galt als die „umfangreichste, prächtigste, kostspieligste und auch im übrigen Europa Beachtung findende“ 218am Wiener Hof des 17. Jahrhunderts und darüber hinaus. Reiste eine Braut von weit her an, so wurde sie in ihrem Heimatort per procuratorem oder per procuram (durch einen Stellvertreter) vermählt. Bei dieser Zeremonie nahm ein säkulärer Vertrauter, oft ein Kirchenmann, die Stelle des Bräutigams ein. Diese Vermählung wurde dann nach Ankunft der Braut bei ihrem Bräutigam im Zuge der eigentlichen Hochzeitszeremonie konfirmiert, also bestätigt.219 Dieses zeremonielle Element, das die Braut nach Verlassen des Elternhauses absichern sollte und den symbolischen Eintritt unter Schutz und Schirm des Gemahls bezeichnete, kam bei Leopolds Hochzeit natürlich wieder zum Tragen. Der Herzog von Medina de las Torres stellte den procurator und General Raimund Montecuccoli, der spätere Schwiegervater Michael Wenzels, wurde auserkoren, die Braut von Spanien nach Wien zu geleiten. Im Falle von Michael Wenzels Hochzeit war eine Prokuratorenhochzeit nicht nötig, da das Brautpaar bereits vor der Ehe in Wien wohnhaft war. Für die Komposition der Hochzeitsmusik wurde der damals sehr erfolgreiche Pietro Antonio Cesti (1623-1669) gewonnen. Der ehemalige Minoritenpater – Antonio war sein Klostername komponierte auch die Geburtstagsmusik für die zukünftige Kaiserin, die sich noch auf der Anreise befand. Seine Oper „La Dori“ ist zwischen 1657 und 1689 mindestens 28 Mal inszeniert worden. Michael Wenzel und seine zukünftige Frau mussten zumindest von dem Erfolgsstück gehört haben. Cesti machte sich zusammen mit dem Librettisten Francesco Sbarra (1611 – 1668) und dem Österreicher Johann Heinrich Schmelzer (um 1620 – 1680) an die Arbeit zur Hochzeitsoper „Il Pomo d´Oro“. Schmelzer steuerte fünf Arie per il Balletto a Cavallo bei, eine pompös-festliche Musik, die auch für die Hochzeit eines Landadeligen mit Hofaspirationen geeignet war. Schon bei der Geburtstagsoper „Nettuno e Flora festeggianti“ hatte Kaiser Leopold I. höchstpersönlich einen kleinen kompositorischen Beitrag geleistet. Das Schlussballett wurde von Prinz Karl V. von Lothringen und elf adeligen Kammerherren selbst getanzt.220 Eigenbeiträge waren demnach auf Fürstenhochzeiten nicht ausgeschlossen. Was dies im Falle von Michael

Seifert 1988, 22. Duftschmied, Lorenz: Balletto - Battaglia – Lamento. Außermusikalische Botschaften der österreichischen Barockmusik. In: Österreichische Musikzeitschrift. Millenium special, 51. Jahrgang, 2000. S. 49 – 57, S. 50. 218 Ibid., 23. 219 Ibid., 24. 220 Ibid., 25f. 216 217

Wenzels Hochzeit hieß, bleibt uns (vorerst) allerdings verborgen, da wir keine Kenntnisse über seine musikalischen Fähigkeiten haben. Die beeindruckende Kaiserhochzeit fand dann einen nächsten Höhepunkt, als der Kaiser seiner Braut ein Stück nach Schattwien (heute Schottwien)221 entgegenritt und ihr dort incognito begegnete, wobei sie ihn sogleich erkannte. Am 5. Dezember 1666 wurde die Braut in Wien feierlich empfangen, Leopold I. wartete in einem türkischen Zelt, bestieg dann ein spanisches Ross und ritt wiederum seiner Braut entgegen. Diese Seite | 43 bewegte sich in einer sechsspännigen Prunkkarosse ihrem Neospons entgegen. Der Hochzeitszug traf sich bei der Augustinerkirche, wo der päpstliche Nuntius die Vermählung bestätigte. Den Abschluss an dieser Stelle bildete ein Te Deum mit Salutschüssen aus Kanonen und Musketen. In der Hofburg folgte ein Bankett mit Musikbegleitung. Nach formellen Besuchen zündete man am 8. Dezember ein Feuerwerk beim Stadtgraben mit dem Titel „Von Himmeln entzindete und durch allgemainen Zuruff der Erde sich himmelwerts erschwingende Frolockhungs-Flammen…“ „Lust-Kugeln“, „Schläge“ und „Feuersterne“, sowie erleuchtete Schriftzüge bildeten hier den Höhepunkt.222 Weitere Programmpunkte waren eine Ausfahrt der Hofgesellschaft mit 75 Schlitten, ein „Glückshäfen“ – eine Lotterie mit Geschmeide für die Hofdamen als Preise - und das am 24. Jänner 1667 auf dem Burgplatz aufgeführte Rossballett, an dem alle berittenen Herren in Wien teilzunehmen aufgefordert waren. Der Inhalt, der auch Michael Wenzels Eltern, möglicherweise auch ihn als Achtjährigen beeindruckt haben könnte, sei hier kurz geschildert: Das riesige Schiff Argo setzte sich vor der Amalienburg (heute Nationalbibliothek) auf den Burgplatz in Bewegung. Die Besatzung bestand aus Matrosen und den Argonauten, sowie der geflügelten Fama (personifiziertes Gerücht), die erzählt, dass das Schiff aus dem Sternenhimmel hier an die Donau gekommen sei. Ihr Kostüm bestand aus Augen, Ohren und Zungen, sowie einer Trompete. Sie vermeldet, dass die Argonauten Schiedsrichter im Kampf zwischen Luft und Wasser sein werden. Der Titel des Spiels war ja „Sieg=Streitt deß Lufft und Wassers“. Die Luft wurde vom Feuer unterstützt, das Wasser von der Erde. Der Sieger des Wettstreits sollte das Goldene Vlies erhalten. In der Folge treten die von Fama angekündigten vier Elemente auf. Zuerst, angeführt von Prinz Karl von Lothringen, die Luft in der Farbe der Morgenröte, dann die Göttin der Luft, Juno, die den Pfauenwagen mit der Luft und allen Luftgeistern und Greifen und einem Regenbogen zieht. Auf dem Regenbogen befindet sich erwartungsgemäß seine Göttin Iris. Graf Enea Caprara führt den grellrot kostümierten Zug des Feuers an, bestehend aus einem Berg mit Vulcanus und seinen Schmieden, begleitet von 24 Zyklopen. Die Farbe des Wassers unter der Führung des Grafen von Sulzbach ist grünliches Hellblau. Der Zug wird von Neptun geführt, begleitet von Wellen und Wassergottheiten, gefolgt von Winden. Oberstallmeister Gundaker Graf Dietrichstein führt den grünen Erdenzug in einem Garten mit Springbrunnen, Statuen und Zypressen. Die von Nymphen umgebene Berecynthia wird von Satyrn zu Fuß begleitet. Selbstverständlich sind alle Darsteller mit Edelsteinen, Edelmetallen und Federbüschen geschmückt. Der folgende Kampf wird durch einen Deus ex machina beendet und der Tempel der Ewigkeit verdeckt, von oben hereinschwebend, die Palastdekoration. In einem prunkvollen Triumphzug folgen 300 Reiter den 12 Genien der habsburgischen Kaiser, allen voran Leopold I. persönlich. Das Rossballett findet seinen Höhepunkt in zwölf geometrischen Konstellationen, in deren Mitte sich meist der Kaiser bewegt. Insgesamt wirkten bei diesem Spektakel über 200 Musiker aus der ganzen Stadt mit. Es war kein öffentliches Schauspiel, nur einem Teil der Bürgerschaft wurden Karten zugestanden, wobei die Begleitung durch Diener nicht gestattet war. Die Hochzeitsfeierlichkeiten waren damit allerdings noch lange nicht beendet. Bis zur Fastenzeit folgte eine Wiederholung des Rossballetts, mehrere Opernaufführungen und zahlreiche Vergleiche zur Schreibweise den abgekommenen Ortsnamen Schadwienn an der Steyr für Leonstein. Unveröffentlichtes Manuskript „Der Landsberg und seine Umgebung“, Grünburg/Pernzell, 2008, S. 27. 222 Vgl. Ibid., 29. 221

„wirtschafften“ (gesellige Abendgesellschaften) adeliger Häuser. Nach einer letzten Oper und einem Gran Ballo gingen die Feiern in die Fastenzeit über, wobei auch hier noch musikalische Darbietungen (Sepolcri) im Zusammenhang mit der Hochzeit gegeben wurden.223 Jesuitendramen und Oratorien ließen die Unterhaltungsserie nicht abreißen und nach Ende der Fastenzeit begann man die Feierlichkeiten wieder aufzunehmen, die in der Aufführung der Hochzeitsoper „Il Pomo d´Oro“ zum Geburtstag der Kaiserin am 12. Juli 1668, gipfelte. Der Inhalt sei wiederum gerafft wiedergegeben224, da die Funktion einer Fürstenhochzeit sehr gut Seite | 44 zum Vorschein kommt, die – mit den erwähnten Abstrichen – auch der Weissenwolffschen Hochzeit zugeschrieben werden kann: Amore und Himeneo besingen nach dem üblichen Prolog die habsburgischen Erbländer und das Kaiserpaar, wünschen baldige Nachkommenschaft. Nach einem Szenenwechsel in die Unterwelt wirft Discordia (Zwietracht) einen Apfel für „die Schönste“ in die Tafelrunde, worauf Juno, Pallas und Venus in den erwarteten Streit treten. Schiedsrichter Paris wählt Venus zur Schönsten und macht sich auf, seinen versprochenen Lohn, die spartanische Schönheit Helena, aufzusuchen. Es folgen die üblichen Intrigen, statt des trojanischen Krieges wird die Festung des Mars belagert, die den Apfel birgt. Zeus entschließt sich das Getümmel zu beenden, konfisziert den Zankapfel und gibt ihn der Schönsten, Weisesten und Mächtigste zu geben. Die drei Damen wähnen sich jeweils in seiner Gunst, jede freut sich, den Apfel zugesprochen bekommen zu haben und die gespannte Stimmung löst sich in einem Ballett auf. Die neuvermählte Kaiserin darf sich dank verschiedener Anspielungen als Personalunion der drei beschenkten Göttinnen wähnen, womit dem Auftrag gebenden Kaiserpaar die angemessene Reverenz erwiesen war. Der fünfzehnjährige Michael Wenzel hätte nach Graz reisen müssen um der nächsten Kaiserhochzeit Leopold des I. in Graz beizuwohnen, was sich knapp vor Schulbeginn seiner Rhetoresklasse in Linz ausgegangen wäre. Einzelne musikalische und dramaturgische Elemente dieser Hochzeiten wurden, falls leistbar und als angemessen empfunden, mit hoher Wahrscheinlichkeit bei der Hochzeitsgestaltung Michael Wenzels im Jänner 1678 berücksichtigt. Neben Cestis Opern, Schmelzers Tänzen, Sonaten, der auch für Barockmusiklaien sehr leicht zugänglichen Ciaccona in A-Moll, seiner Fechtschul und seiner Trauermusik Lamento sopra la morte Ferdinandi III. a tre (1657) waren auch die Battaglie und Mysteriensonaten Heinrich Ignaz Bibers (1644-1704) um 1675 in unserem Raum bekannt. Welche Musik zu Michael Wenzels Vermählung oder zu seinem Begräbnis gewählt wurde, hat sich bedauerlicherweise nicht erhalten. Für letzteren Anlass hätte sich wohl Schmelzers Requiem empfohlen.

2.6.2. Elternkontakte im Vorfeld der Hochzeit Abgesehen von der von den Eltern arrangierten Verlobung Michael Wenzels mit Ernestine Barbara Montecuccoli im Jahr 1674 gibt es zu den letzten Kontakten der Brauteltern vor der Hochzeit eine dichtere Quellenlage. Zu den Vorbereitungen der dritten Hochzeit Leopold des I. war am 28. November 1676 Seine kaiserliche Hoheit persönlich mit Gefolge in Linz eingetroffen, wo er mit Entourage sechs Tage verweilte.225 Der Kaiser war nach dem Hinscheiden seiner zweiten Frau, Felicitas Claudia, auf dem Weg seine Braut, die wittelsbachische Prinzessin Eleonore Magdalena von Pfalz

Vgl. Ibid. 34. Vgl. Seifert 1988, S. 38f. 225 Vgl. Boshoff (Hrsg.): Geschichte der Stadt Passau. Regensburg: Pustet, 2010, S. 182. 223 224

Neuburg am 14. Dezember in Passau zu ehelichen.226 Dabei kam es zu einem Zwischenfall.227 Raimondo Montecuccoli, Präsident des Hofkriegsrates und verdienter Feldherr des Kaisers war dem Kaiser und seinem Gefolge nach Linz vorausgereist um leichter frische Pferde und Quartier auf dem Weg von Wien zu erhalten, als dies im zahlreichen kaiserlichen Gefolge möglich gewesen wäre. Der mittlerweile schwer von Gicht und Arthritis geplagte Kriegsheld pflegte bei Aufenthalten in Linz im Haus Hauptplatz 34, dem Gasthof zum Schwarzen Adler, abzusteigen. Seite | 45 Diesmal kam es zu einem Eklat, da hier bereits Pfalzgraf Anton Ludwig von Zweibrücken mit Familie ohne vorherige Anmeldung Quartier bezogen hatte. Dieser protokollarische Faux pas der fehlenden Anmeldung sollte für den deutschen Herrn noch eine verweigerte Audienz und eine vorerst unbestimmte Wartezeit auf eine solche beim Kaiser zu Folge haben. Montecuccoli aber hatte keine standesgemäße Unterkunft. Freundlicherweise stellte ihm Helmhard Christoph Weissenwolff eine Bleibe im Freihaus David Ungnads, Hauptplatz 27, zur Verfügung. Hier sei ein kleiner Vorgriff erlaubt: kurz nach diesem Aufenthalt bei den Weissenwolffs in Linz erhielt Montecuccoli die Nachricht, dass seine Frau Maria Margareta in Wien von den Pocken befallen worden war. Als er dort ankam, war seine Gemahlin bereits verstorben. Die geborene Dietrichstein hatte am 15. Dezember den Kampf gegen die damals unheilbare Krankheit verloren. Sie war 1657 gleichzeitig mit Maria Margarete Ungnad, der mittlerweile verstorbenen Tante Michael Wenzels, Hofdame bei Kaiserin Eleonore gewesen.228 Die Dietrichstein, die Montecuccoli und die Weissenwolff waren seit Jahrzehnten über den Wiener Hof miteinander vertraut und höchstwahrscheinlich gut befreundet. Michael Wenzels Großvater war, wie Montecuccoli selbst, kurz vor seinem Tod in den engen Kreis der Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies aufgenommen worden. Diese Umstände hatten neben der unvermeidbaren Nähe der jeweiligen Familienoberhäupter am Wiener Hof nun auch wesentlich zur Lösung von Montecuccolis Quartierproblem in Linz bei. Raimondo Montecuccoli blieb jedenfalls bis zur Ankunft des Kaisers am 28. November und in der Folge für die Dauer des Aufenthaltes des Kaisers in Linz bis zum 4. Oder 5. Dezember im Weissenwolffschen Stadtpalais, das diese Bezeichnung erst durch Historiker des 20. Jahrhunderts erhielt, zur Wohnung. Bei diesem längeren Aufenthalt und bei weiteren Besuchen um die Jahreswende 1676/7229hatte der alternde und nunmehr verwitwete Feldherr keine Gelegenheit seinen bereits seit zwei Jahren mit seiner Tochter verlobten Michael Wenzel Weissenwolff noch näher kennen zu lernen, da sich dieser noch in Oberitalien auf Studienreise befand. Es bot sich aber sehr wohl die Gelegenheit mit seinem Vater den Inhalt eines Hochzeitsvertrages vorzubesprechen. Wir wissen nicht, ob bei einem dieser Besuche Montecuccolis jüngste Tochter Ernestina Barbara, 230 die prospektive Braut, anwesend war um ihre zukünftige Familie in der Gastgeberrolle kennen zu lernen. Auch wie oft, oder wie lange sich die Verlobten in den drei Jahren vor ihrer Vermählung sahen, ist uns nicht bekannt. Während seiner Studien in Italien traf Michael seine Braut, wenn überhaupt, nur zu kurzen Besuchen. Den siebenundfünfzigjährigen Montecuccoli, dem für seine großartigen militärischen Verdienste die Erhebung in den Fürstenstand in Aussicht gestellt worden war, musste nach dem Tod seiner Gemahlin die Versorgung und Zukunft seiner Kinder besonders beschäftigt haben. Verstärkt wurde diese Sorge auch durch einen Unfall wenige Wochen später, am 28. Dezember 1676, als der Postwagen, in dem er nach Wien reiste, in die vereiste Ybbs einbrach. Montecuccoli „stand Vgl. Rausch, Wilhelm: Der Türkenbesieger Raimund Montecuccoli in Linz. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Linz, 1964 (1965), 99-130, S. 101. 227 Vgl. Schreiber, Georg: Raimondo Montecuccoli. Feldherr, Schriftsteller und Kavalier – ein Lebensbild aus dem Barock. Styria:Graz/Wien/Köln, 2000, S. 264f. 228 Vgl. Schreiber, Georg: Raimondo Montecuccoli. Feldherr, Schriftsteller und Kavalier – ein Lebensbild aus dem Barock. Styria:Graz/Wien/Köln, 2000, S.137. 229 Vgl. Rausch, 102. 230 Wir folgen hier der Schreibweise ihrer Vornamen in der Trauungsmatrik Michael Wenzel Weissenwolffs mit Ernestina Barbara Montecucculi, Trauungsbuch Schottenpfarre Wien, 23. Jänner 1678, pag. 135f. Daneben findet man andere Schreibweisen, wie Maria Ernesta, oder Faustina Barbora bei Schreiber – Montecuccoli, 2000 und anderen Autoren. 226

schon bis zum Halse im Wasser, bis er endlich vom Postillion und Mitreisenden gerettet wurde.“231 Dem alternden Vater war seine Endlichkeit vor Augen geführt worden. Mit Dekret vom 8. Jänner 1677 wurde sein vierzehnjähriger Sohn „unter die kaiserlichen Edelknaben eingereiht“232 und war somit hinsichtlich seiner Ausbildung versorgt. Seine jüngsteTochter Barbara war ja bereits verlobt und wuchs dem heiratsfähigen Alter entgegen. Seite | 46

2.6.3. Die Hochzeitsfeierlichkeiten Wir haben keine unmittelbaren Quellen zur Hochzeit, keine Einladungslisten, keinen Briefverkehr, keine Schilderungen. Eine Einladungsliste könnte einen klaren Eindruck von den sozialen und materiellen Umständen des „Hauses Weissenwolff“ im Jahr 1678 vermitteln.233 Um ein Bild dieses Höhepunktes in Michael Wenzels Leben zu zeichnen, müssen wir auf zeitnahe Hochzeiten aus unserem Raum zurückgreifen. Das unerreichbare Vorbild für Michael Wenzels Hochzeit mit Ernestina Barbara war wohl die bereits erwähnte Kaiserhochzeit Leopold des I. im Jahr 1666, deren Feierlichkeiten sich in das Folgejahr hinzogen. Auch die drei weiteren bereits erwähnten Hochzeitsfeiern (siehe Kapitel 2.6.1. hatten Vorbildcharakter, wenn auch wesentlich geringere Mittel zur Verfügung standen und der Repräsentationsbedarf merklich unter dem kaiserlichen lag. Die dritte, in barockem Überschwang bereits stark reduzierte Kaiserhochzeit Leopold des I. – diesmal in Passau ohne Rossballet und Opernaufführung - am 14. Dezember 1676 war da bereits ein realistischeres Vorbildereignis. Eine weitere Hochzeit konnte zwar nicht zum Vorbild genommen werden, durch ihre Zeitnähe erhalten wir allerdings ein sehr gutes Bild von einer Fürstenhochzeit, die allerdings wieder einige Rangstufen über jener Michael Wenzels lag. Es handelt sich um die Vermählung der Erzherzogin Eleonore Maria mit Herzog Karl V. von Lothringen drei Wochen nach Michael Wenzels Hochzeit in Wien. Sie ist eben aufgrund der Zeitnähe eine nähere Betrachtung wert. Die Funktion begann am Hochzeitstag Anfang Februar um sieben Uhr abends in der Burgkapelle. Michael Wenzels Hochzeit fand hingegen bei den Schotten in Wien am 17. Jänner 1678 statt. Vollzogen wurde die Habsburgerhochzeit von Bischof Graf Kollonitsch und zwei Prälaten, bei Michael Wenzel dürften es rangniedrigere Geistliche gewesen sein. Neben dem üblichen „Veni Creator Spiritus“ und dem „Te Deum“ gab es „Applausi per musica“ 234 , die wir uns auch bei Michael Wenzels Feierlichkeiten vorstellen dürfen. Festmusiken, wie „Amor vittorioso“ und „Le Pompe dell´Istro“ von Draghi waren bei solchen Anlässen zu erwarten. Die Prägung der Hochzeitsmedaillen und der heute im Stift Kremsmünster verwahrte Deckelpokal aus Glas235 aus der Aussteuer Ernestina Montecuccolis lassen vermuten, dass die Feierlichkeiten bei der Weissenwolffschen Hochzeit für oberösterreichische Verhältnisse aufwändig und prunkvoll gestaltet waren. Ob der Kaiser persönlich oder jemand aus seiner Familie den Feierlichkeiten beiwohnte, wäre im kaiserlichen Itinierar oder biographischen Aufzeichnungen nachzuprüfen. Wir dürfen eine habsburgische Anteilnahme aber angesichts der großzügigen Geschenke des Kaisers an

Schreiber 2000, 264. Ibid., 267. 233 Vgl. Bastl, Beatrix: Tugend, Liebe, Ehre. Die adelige Frau in der Frühen Neuzeit. Wien/Köln/Weimar – Böhlau, 2000, S. 149f. 234 Seifert 1988, 50. 235 Das Objekt ist in Vitrine 2 der Pokalsammlung im Zuge einer Führung durch die kunsthistorischen Sammlungen des Stiftes zu besichtigen. Hinsichtlich Zeitpunkt der Aufnahme in die Stiftssammlung oder darüber, wie der Pokal an das Stift kam, kann das Stift keine Auskunft geben (vgl. Emailverkehr des Autors mit Pater Klaudius im Herbst 2013, Privatarchiv Martin). 231 232

Helmhard Christoph in den Jahren zuvor annehmen.236 Ein Feuerwerk, oder ein Jesuitenspiel sind nicht belegt. Einen Triumphbogen und weitere Musik von Schmelzer, Draghi oder Cesti dürfen wir uns auch ohne Quellenevidenz vorstellen. Besonders passende Instrumentalstücke waren von den drei Komponisten zu ähnlichen Anlässen in den Jahren zuvor ausreichend geschaffen worden.237 Hinsichtlich des Festmahls, das nach der Trauungszeremonie angesetzt war, dürfen wir Seite | 47 auf eine sehr anschauliche Vergleichsquelle zurückgreifen. Ein gutes Jahr nach der Weissenwolffschen Hochzeit ehelichte Fürst Anton Florian von Liechtenstein eine Tochter des Grafen Thun, der die Feierlichkeiten beschrieb. Ein Speisezettel hat sich erhalten238 und gibt Einblick in die damals übliche Hochzeitskulinarik. Die hochzeitsbezogene Nahrungsaufnahme dauerte vom 6. bis zum 12. Mai. Dem geladenen Gast bot sich eine Fülle von unterschiedlichen Fleischspeisen, die durch deftige aber auch nach heutigen Maßstäben durchaus „gesunde“ Beilagen ergänzt wurden. Zwischen „saladt“, „spärgl“, „kalter milch“ und „torten mit gebachenen öpfel“ gab es uns Bekanntes, wie „aldte hiener mit Nudl“, „kölber pradten“ oder „Rindtfleisch mit sauer krautt“. Weniger vertraut sind wir mit „budter koch“, „pastetten von einen IntiAnischen Hann“ (Putenpastete), oder „fareß“ (das mit Pfeffersoße bereitete Vordergehäse).239 Der Speiseplan der Vermählungsfeiern zu Michael Wenzels und Ernestinas Hochzeit im Jänner 1678 wird sich nicht wesentlich unterschieden haben, obwohl man – der Herkunft der Braut geschuldet – die eine oder andere mediterrane oder oberitalienische Spezialität erwarten konnte. Spätestens mit Beginn der Fastenzeit 1678 waren die Weissenwolffschen Hochzeitsfeierlichkeiten beendet. Übertriebener Fleischgenuss stand im Verdacht, den Sexualtrieb unbotmäßig zu steigern, was in dieser speziellen Lebenssituation allerdings nicht unerwünscht gewesen sein dürfte. Am 27. November des Jahres kam die Tochter des jungvermählten Paares, Maria Theresia, in Prag zur Welt.240 Das Glück der jungen Familie sollte allerdings bald ein Ende finden.

2.7. Die Pest In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war die tatsächliche Ursache für die Pest, der Krankheitserreger, noch unbekannt. Dennoch war man hinsichtlich der Formulierung erklärender Thesen bereits näher an der erst im 19. Jahrhundert erforschten Wahrheit als im Mittelalter, als noch äußerst abstruse Vorstellungen verbreitet wurden. So legte im Zuge der großen Pest von 1348 eine Kommission der führenden Mediziner in Paris folgenden Bericht vor: „Man weiß, daß in Indien und den Ländern am großen Meer die Gestirne, welche mit den Sonnenstrahlen und der Hitze des Himmelsfeuers kämpfen, ihren Einfluß besonders auf das Meer ausüben und heftig gegen seine Gewässer ankämpfen. Dabei entstehen Dämpfe, welche die Sonne verdunkeln und ihr Licht in Finsternis umwandeln. Diese Dämpfe bilden einen Kreislauf des Steigens und Fallens von 28 Tagen. Schließlich wirken die Sonne und ihr Feuer so stark auf das Meer ein, daß sie eine große Menge davon anziehen und in Dampf verwandeln, der sich in die Luft erhebt. Ist nun irgendwo das Wasser durch verendete Fische verdorben, kann es durch die Sonnenwärme nicht mehr aufgelöst und weder in heilsamen Dampf noch Hagel, Schnee oder Reif Hengerer 2004, 580: „ Der Sohn des Landeshauptmanns des Landes ob der Enns, Helmhard von Weissenwolff, stand als Kämmerer und Hofkammerrat mit einem Geschenk von 736 fl. an der Spitze (1665), ein andermal ganz oben (1656: 360 fl.)“ 237 Vgl. Seifert 1988, 48f. 238 Bastl, Beatrix: Tugend, Liebe, Ehre. Die adelige Frau in der Frühen Neuzeit. Wien/Köln/Weimar – Böhlau, 2000, S. 218f. 239 Vgl. Ibid. 240 Lobmeyr 2013, o. pag. 236

verwandelt werden, sondern die Dünste verbreiten sich in der Luft und hüllen manche Gegenden mit Wolken ein. So geschah es in Arabien, Teilen Indiens, in den Ebenen und Tälern Mazedoniens, in Albanien, Ungarn, Sizilien und Sardinien, wo kein Mensch am Leben blieb…“241 In der Volksmeinung waren im 14. Jahrhundert noch Berichte Geistlicher zum Ursprung der Pest verbreitet, in denen behauptet wurde, dass die Pest 1347 in Indien ausgebrochen sei, nachdem es Seite | 48 dort Frösche, Schlangen, Eidechsen, Skorpione und vielerlei giftige Tiere geregnet habe. Dieses „Unwetter“ sei von einem schrecklichen Hagelschlag gefolgt worden, die Überlebenden wären durch ein vom Himmel fallendes Feuer getötet worden, bzw. vom entstandenen undurchdringlichen Rauch. 242 Zur Zeit der für uns relevanten Pestwelle in den Jahren 1679/80 sah der Wiener Prediger Abraham a Sancta Clara Kometen, ungünstige Planetenkonstellationen, Südwinde und Wetterunbilden als pestverursachend: „Anno 1582. führte der Comet mit sich im Majo / zu Prag /in Thüringen / Niederland / vnd andern Orthen ein so reissende Pestilentz / daß selbige in Thüringen allein 37000 / in Niederland aber / 46415. auffgerieben: Das ein Comet allhier vmb diese Zeit seye erschienen / wird es niemand mit Warheit können behaubten; Das aber eine schädliche Conjunction der Gestirn von oben herab diß Jahr seye gewest / hat es ohnlängst ein berühmtister Medicus in einem [31] Tractatl sattsamb erwiesen. Was die Lufftzeichen anbelanget / seynd diese die vnbeständige Gewitterung der Zeiten / Sudwindige Constitution, überhäuffige Regen / an deme allen diß Jahr kein Abgang gewest / so werden auch die stinckende Nebel beschuldiget / als ob sie die Pest verkünden / deren zwar etliche verwichenen Herbst seynd vermerckt worden. Meinem Sinn nach wird die Pest verursachet nicht allein durch die Nebel / sondern auch durch gottlose Nebulones.“ 243 Diese und andere dem Aberglauben verhaftete, antike Vorstellungen hatte sich über das Mittelalter gehalten, wo etwa in Montpellier ein Gelehrter in der Meinung ein brauchbares und nutzbringendes Prophylaktikum zu schaffen ein Astrolabium konstruierte.244 In offiziellen Texten des späten 17. Jahrhunderts, wie der Pestordnung für Oberösterreich von 1679245, wurden zumindest nicht mehr die „Südwinde“ als Pestverursacher gesehen.246 Demzufolge finden wir in diesem Dokument keine Ratschläge, wie jenen, nur die nordseitigen Fenster der Häuser zum Lüften zu öffnen.247 Helmhard Christophs Pestordnung zeigt zumindest bereits, dass die mangelnde Hygiene als Verursachungshintergrund erkannt worden war. Nach den immer wiederkehrenden Heimsuchungen durch den Schwarzen Tod während des Dreißigjährigen Krieges verschwand die Pest keineswegs aus Oberösterreich. 1648 wurde in Linz ein Magister sanitatis eingesetzt, der die Kranken im Lazarett zweimal täglich besuchen sollte um Medikamente zu verabreichen. Die Zustände in diesem Siechenhaus waren katastrophal. Die Zimmer waren überfüllt, die hygienischen Verhältnisse völlig unzureichend und Brennholz war nicht ausreichend vorhanden. Bei leichter Besserung wurden die Rekonvaleszenten umgehend entlassen und die Ernährung bestand hauptsächlich aus Suppen.248 Bergdolt 1994, 71. Vgl. Ibid. 35. 243 A Sancta Clara, Abraham: Mercks Wienn. Das ist des wütenden Tods eine umbständige Beschreibung[…]. Wien: Peter Paul Bivian; der Löbl, 1680. Holzinger, Michael: Berliner Ausgabe, 2013, S. 31. 244 Vgl. Bergdolt 1994, 26. 245 Siehe Anhang. 246 Vgl. Bergdolt 1994, 21. 247 Vgl. Bergdolt 1994, 248 Vgl. Bohdanowicz, Franz: Die Pest in Oberösterreich. In: Linzer Volksblatt. Beilage „Welt und Leben“, 1930, Fortsetzung 9, S. 184. 241 242

Im folgenden Jahr wurden zahlreiche Pestfälle aus unterschiedlichen Gemeinden des Landes gemeldet und 1650 ist die Pest wieder in Linz und im Kremstal zu finden.249 Im Herbst des Jahres starben in Steinbach an der Steyr laut Angaben des Pfarrers etwa 100 Personen. Erst 1651 war die Seuche zwar aus Linz verschwunden erfasste aber Mauthausen und Gallneukirchen, sodass in Linz wieder Vorkehrungen getroffen werden mussten.250 Michael Wenzel war vier, als Braunau von der Pest heimgesucht wurde, als er acht war, bedrohte die Krankheit wieder Linz und trat in Seite | 49 den folgenden Jahren immer wieder am Land auf.251 Zur Zeit der Geburt der Tochter Michael Wenzels im November des Jahres 1678 tauchten die ersten Berichte über erste Pestfälle in der Wiener Leopoldstadt auf. Innerhalb weniger Monate überschritt der Schwarze Tod die Stadtmauern. Im Februar 1679 hielt sich Michael Wenzel jedenfalls in Linz auf und im März starb er auf Ennsegg. An keinem der beiden Orte war die Pest zu diesem Zeitpunkt vermeldet. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass Michael Wenzel sich zwischendurch auch in Wien oder an einem anderen kontaminierten Ort aufhielt. Der junge oberösterreichische Adelige erlebte so weder die Pestwelle in Prag, noch jene in Linz. Auch die 130 Bauernaufstände, die ab November seines Sterbejahres Böhmen in die Krise stürzten, waren nunmehr seine Sorge nicht mehr. Kaiser Leopold I. floh mit der Regierung am 23. August 1679 nach einem Umweg über Mariazell von Wien nach Prag, wo er am 24. September mit Gefolge während der beginnenden Aufstände auf dem Land eintraf.252 Die Pest forderte in Wien in diesen Monaten tausende Todesopfer.253 Der Kaiser war im Übrigen mit dem Hofstaat neben der Seuche auch vor den Türken aus Wien nach Prag ausgewichen. Leopold sah sich einer dreifachen, schweren Herausforderung gegenüber. Nach wenigen Monaten war die Krankheit auch in der Moldaustadt eingeschleppt worden. Im September 1679 erreichte sie Linz und im August 1680, als die Pest hier bereits ein gutes halbes Jahr abgeklungen war, befand sich der Kaiser in St. Wolfgang.254 Von Juli 1680 bis April 1681 residierte er mit kleinen Unterbrechungen (Wallfahrten) in Linz. Erst dann wurde die Residenz wieder nach Wien zurück verlegt, wo die Türken nicht mehr lange auf sich warten lassen sollten.255 Seit der Antike und dann während der großen Pestwellen des Mittelalters, galt die Flucht als die sicherste Präventivmaßnahme gegen den Schwarzen Tod. Der schwarze Tod war dem kaiserlichen Tross scheinbar auf den Fersen geblieben, vor allem auch mangels eines wirksamen Quarantänesystems, wie es in Mittelmeerländern vorzufinden war. In Ragusa – dem heutigen Dubrovnik – war es bereits seit 1377 üblich, Anreisende für sechs Wochen in einem Quarantänekomplex, der aus sechs Häusern bestand, festzuhalten.256 Wer die Stadt betreten wollte, musste jeweils eine Woche in einem der Häuser verweilen. War die reisende Person nach Ablauf der Woche für gesund befunden, rückte sie in das nächste Haus vor, sodass die Infektion eines Gastes mit einer Krankheit, die eine Inkubationszeit von unter 42 Tagen hatte, ausgeschlossen war. Hatte die große Pestwelle um 1350 noch den Tod von 25 Millionen Menschen in Europa, das waren über 30 % der Gesamtbevölkerung zur Folge, so waren es um 1679 in Mitteleuropa nur einige zehntausend Tote.257 Die Folgen früherer Pestwellen waren im kollektiven Gedächtnis von Michael Wenzels Zeitgenossen noch bekannt. Die große Pest des 14. Jahrhunderts gilt bis Vgl. Ibid. 208. Vgl. Ibid. 12. Fortsetzung, 216. 251 Vgl. Bohdanowicz, 12. Fortsetzung, 223. 252 Vgl. Winkelbauer 2003, 120. 253 Die Zahlen schwanken enorm (12000 bis 50000) und sind aufgrund fehlender Statistiken und Eintragungen in Totenbücher auch nicht exakt festzumachen, auch weil zwischen Pesttoten und Opfern anderer Infektionskrankheiten nicht differenziert wurde. 254 Höllwöger, Franz: Das Ausseerland. Geschichte der Gemeinden Alt-Aussee, Bad Aussee, Grundlsee, Mitterndorf und Pichl. Bad Aussee: Selbstverlag Kurverwaltung Bad Aussee, 1956, S. 147. 255 Vgl. Winkelbauer 2003, 121. 256 Bergdolt, Klaus: Der Schwarze Tod in Europa. Die große Pest und das Ende des Mittelalters. München: Beck, 1994, S. 26. 257 Vgl. Ibid. 191f. 249 250

heute als „die größte interpersonelle Vermögungsumbildung in so kurzer Zeit“.258 Intoleranz Fremden gegenüber, Argwohn gegenüber Kulturunterschieden und die Auflösung von gesellschaftlichen Grundregeln waren Begleiterscheinungen jeder drastischen Bevölkerungsausdünnung, auch des erst kurz vor Michael Wenzels Geburt beendeten Dreißigjährigen Krieges. Wie in Steyr und Enns waren im Jahr 1679 in Linz die Stadtwachen angehalten, keine erkrankten Personen in die Stadt zu lassen oder auch solche, welche nicht „40 Tage die quarantana gebräuchigermaßen überstandten“ 259 haben. Dies war aber offensichtlich weniger effizient als die für Ragusa beschriebenen, strengen Quarantänemaßnahmen. Auch in Linz, wohin der Hof mit Michael Wenzel, seiner Frau und der wenige Monate alten Tochter vor der Krankheit geflohen war, brach die Pest aus und erreichte die Heimat der Weissenwolff in stärkerem Ausmaß als in den letzten Jahrzehnten. Vorerst hatte Michael Wenzel allerdings noch andere Sorgen.

2.8. Das Duell Der junge Vater Michael Wenzel ist zunächst am 10. Februar 1679 im Land ob der Enns fassbar, als der „derzeit(ige)“260 Verwalter der „landshauptmannschaft“ dieses Landes, Sigmund Balthasar Kriechbaum von Kirchberg und Hehenberg, Christoph Graf Thürheim auf Schloss Weinberg in einem Brief ersucht, ihm über das an diesem Tag angesetzte Duell zwischen Michael Wenzel Weissenwolff und dem siebenundzwanzig Jahre älteren Lobgott Graf Kuefstein zu berichten, falls es stattgefunden habe.261 Offenbar waren die beiden Landeshauptmannsnachkommen, Lobgott Graf Kuefstein und der junge Reichsgraf Weissenwolff zu Jahresbeginn 1679 in Streit geraten, wobei die Familien grundsätzlich befreundet waren. Lobgotts Onkel Hans Ludwig hatte als Landeshauptmann die Erbschaftssache David Ungnads von Weissenwolff, bzw. dessen Jörgerscher Gemahlin, in den 1630er Jahren erfolgreich unterstützt. Am 20. Jänner 1655 bezeugte David zusammen mit Hans Reichhardt Starhemberg das Testament von Lobgotts Vater Hans Ludwig262 und Michaels Vater, Helmhard Christoph, war noch am 10. Jänner 1678, eine Woche vor Michaels Wiener Hochzeit, Trauzeuge bei der Hochzeit von Lobgott Kuefsteins Tochter in der Linzer Stadtpfarrkirche.263. Die Gründe, wie auch die unmittelbaren Ursachen für den Zwist im folgenden Jahr bleiben allerdings im Dunkeln. Wir wissen, dass die Anlässe für ein Duell durchaus banal erscheinen konnten: „…versehentliche oder absichtliche Missachtungen, […] eine spontane Ohrfeige oder Gewalttätigkeit, […] eine abfällige Bemerkung oder ein Lachen zum falschen Zeitpunkt.“264 Darüber hinaus gab es allerdings zahlreiche ehrabschneidende Handlungen, die den Adeligen als Patronatsherren und Hofaspiranten eigen waren, wie in Kapitel 2.3.8. geschildert. Abgesehen von den bereits erwähnten Fällen in der engeren Verwandtschaft gab es in Michaels Umfeld zahllose Fälle von Ehrverletzung, die im Rahmen eines Duells gelöst wurden. Gotthard Starhemberg, der Neffe des Hofmarschalls, kam 1657 bei einem Duell ums Leben.265 Vgl. Ibid. 192. Vgl. Bohdanowicz 1930, 13. Fortsetzung, S. 224. 260 OÖLA - Herrschaftsarchiv Weinberg, Weinberger Akten, Sch. 1401. 261 OÖLA - Herrschaftsarchiv Weinberg, Weinberger Akten, Sch. 1401. 262 Vgl. Kuefstein, Karl: Studien zur Familiengeschichte der Kuefstein. Bd 3.: 17. Jahrhundert. Wien: Braumüller, 1915, S. 299. 263 www.matricula.eu, Trauungsbuch der Stadtpfarre Linz 1667-1737: l44hhhh03_00097.jpg. Die Braut war Eleonore Susanna Kuefstein, der Bräutigam Benedikt Theodosius Schifer Freiherr von Freiling auf Daxberg und Gallham. Die Schifer (Helmhard und Erasmus) finden sich 1647 in einer Liste des niederösterreichischen Herrenstandes augsburgischer Konfession – NÖLA St. Pölten, Religions- und Kirchenwesen, HS 288, zit. nach Schreiber 2013, S. 42. 264 Speitkamp, Winfried: Ohrfeige, Duell und Ehrenmord. Eine Geschichte der Ehre. Stuttgart: Reclam, 2010, S. 136. 265 Vgl. Heilingsetzer, Georg:Heinrich Wilhelm von Starhemberg (1593-1675). Ein oberösterreichischer Adeliger der Barockzeit. Univ. Diss. Wien, 1970, S. 79. 258 259

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Paul Sixt Graf Trautson erwähnt in seiner Korrespondenz ein Duell, das wegen der Verwendung des Französischen im Jahr 1658 angekündigt wurde. Die Kontrahenten einigten sich dann allerdings „auff Teutsch“.266 Im Jahr 1662 kam es im weiteren Verwandtschaftskreis der Weissenwolff zu Duellandrohungen (Dietrichstein) und Kämpfen mit tödlichem Ausgang (Lamberg).267 Ein Graf Khevenhiller (=Khevenhüller) duellierte sich mit einem Scherffenberg zwischen Kärntnertor und Stubentor. Es sekundierte ein Graf Althann bei diesem Seite | 51 ungewöhnlichen Duell, das zu Fuß ausgetragen wurde, wobei man aus fünfzehn Schritt Entfernung mit Pistolen aufeinander schoss, bevor man drei Gänge mit dem Degen ausfocht. Üblicher war das Bestreiten des Duells mit der Kugel auf dem Pferd.268 Gewöhnlich fand das Ritual vor den Toren der Stadt statt, in der Stadt, aber vor allem bei Hof galt derartiges Verhalten als schwerer Verstoß gegen das kaiserliche Gewaltmonopol und den Hausfrieden. Erst in der Mitte des 17. Jahrhunderts kam es, ausgehend von Frankreich, zu offiziellen Duellverboten. Im Reich hingegen erschien im Jahre 1668, fünf Tage nach dem zehnten Geburtstag Michael Wenzels, ein vom Kaiser bestätigtes Reichsgutachten zum Thema „Duell als Strafdelikt“. Darin werden alle Situationen, Voraussetzungen und Rechtsfolgen hinsichtlich eines Duells juristisch erwogen und bis ins Detail reflektiert. Dieses Gutachten floss zwar erst 1688 in die Reichsgesetzgebung ein, wurde aber vielerorts als Grundlage für lokale Regelungen herangezogen und sicherlich auch im Haus Weissenwolff diskutiert.269 Michael Wenzel war also mit der Thematik des Duells sowohl aus der verwandtschaftlichen Praxis, wie auch aus häuslichen Gesprächen konfrontiert und gezwungen, sich in dieser Frage, spätestens nach seiner Volljährigkeit, auch selbst zu positionieren. Es fällt auf, dass beide Kontrahenten des hier untersuchten Duells das Jahr 1679 kaum überlebten, Michael Wenzel verstarb am 23. März 1679 und Lobgott Kuefstein im folgenden Jahr am 2. November. 270 Als Beweis für die tatsächliche Abhaltung des Duells kann dies allerdings nicht gewertet werden, wenn auch bei Michael Wenzel die Abhaltung eines Duells indiziert erscheint. Lobgotts Enkel, ein junger „cauaglier“ fand am 8. Oktober 1728 in Pont á Mousson in Lothringen „wo er sich in Sequestrierung seiner Studien der Philosophie befand. bey 21 Jahre alt, zu meinem [seines Vaters Max Lobgotts, Anm. d. Autors] unausschpröchlichen Leydwesen durch den unerforschlichen Willen Gottes“271 den Tod. Die „absterbung des herren grafen Max Diengott von Khuefstein“272 führte in der Folge zu einem Erbschaftsstreit zwischen den Kuefstein und den Thürheim. Hier als Todesursache wiederum ein Duellum anzunehmen ist mangels Absicherung durch Quellen unzulässig. Das Unglück eines jung verstorbenen Stammhalters traf allerdings auch die Kuefstein ebenso wie wenige Jahre zuvor die Weissenwolff. Duelltod war in Michael Wenzels Kreisen als Todesursache auch im 17. Jahrhundert, als die Zahl der bekannten Fälle noch vergleichsweise gering war, weit verbreitet. Sollte das Duell nicht verhindert worden sein, so war die Chose für Michael Wenzels Vater äußerst peinlich. Als Landeshauptmann war er nicht nur Stellvertreter des Landesfürsten und dem niederösterreichsichen Landeshauptmann untergeben, sondern auch oberster Richter im Land.273 Viermal jährlich hatte er den Vorsitz im obersten Landgericht zu führen und wäre in bei einer Duellanklage gegen seinen Sohn Partei gewesen. Für diesen Fall war seine Vertretung durch den Landesanwalt, seinen Stellvertreter, vorgesehen, was der eingangs zitierte Brief auch Vgl. Allgemeines Verwaltungs Archiv, Familienarchiv Harrach, K. 448, Trautson an Harrach, 27. April 1658, zitiert nach Hengerer 2004, S. 212, Anm. 814. 267 Vgl. Hengerer 2004, 212, Anm. 814. 268 Ibid., Anm. 820. 269 Ludwig, Ulrike, Barbara Krug-Richter und Gerd Schwerhoff (Hrsg.): Das Duell. Ehrenkämpfe vom Mittelalter bis zur Moderne. In: Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven. Bd. 23. Konstanz: UVK, 2012. S. 166. 270 Lobmeyr, Gabrielle: Unveröffentlichtes Manuskript. Wien, 2013. 271 Herrschaftsarchiv Weinberg – Fremde Familien: Verlassenschaften, Sch. 1390, fasz. dat. 26.1.1729 272 Ibid. 273 Vgl. Putschögl, Gerhard: Landeshauptmann und Landesanwalt in Österreich ob der Enns im 16. und 17. Jahrhundert. In: Mitteilungen des OÖLarchivs, Bd. 9, S.265-290, 1968, S. 268f. 266

nahe legt. Da es offenbar öfter durch Adelige verursachte Malefizsachen, also Kriminalfälle „die den Tod berührten“ gab, hatte Kaiser Leopold I. 1675, also erst gute drei Jahre vor dem angekündigten Duell, ein adeliges Kriminalprivileg herausgegeben, das ein eigenes Gericht für Adelige und den Herrenstand vorsah.274 Ob dies ein Vorteil oder ein Nachteil für die adeligen Straftäter war, kann ohne einschlägiges Quellenstudium nicht beurteilt werden. Die Tatsache, dass wir den Begräbnisort Michael Wenzels nicht kennen, ist nicht unbedingt darauf zurückzuführen, dass er ein „unehrenhaftes Begräbnis“ gehabt hätte. Vielmehr Seite | 52 wurden die Weissenwolff zu seiner Zeit in der Dreifaltigkeitskirche auf dem Linzer Hofberg bestattet und 1680 in die soeben geweihte Ignatiuskirche umgebettet. Im 19. Jahrhundert, nach der Umbettung der dort bestatteten Bischöfe in den Neuen Dom, verliert sich die Spur der sterblichen Überreste. Heute ist die Familiengruft jedenfalls leer und nicht mehr als solche erkennbar. Bereits gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Räumlichkeiten in der Krypta mit einem Ausgang in die Domgasse als Luftschutzkeller genutzt (Vgl. Kap. 2.9.3. Verbleib des Leichnams). Selbst wenn das Duell stattgefunden hat und Michael Wenzel einen Monat danach an den Folgen verstorben wäre, wäre ein „unehrliches Begräbnis“ außerhalb der Friedhofsmauer für ihn nicht in Frage gekommen. Hochgestellte Persönlichkeiten wie sein Vater hatten die Möglichkeit in einer Leichenpredigt festzuhalten, dass der Verstorbene einen „seligen Hintritt vor den Herrn“ hinter sich gebracht habe und somit der Ehre der Familie angemessen bestattet werden konnte. Ein „seeliger Hintritt“ bedingte, dass der Duellant seinem Gegner verzieh, ein Credo kundtat und sanft entschlief. 275

2.9. Der Tod 2.9.1. Tod nach Duell Gabrielle Lobmeyr vermutet, dass Michael Wenzel einen Monat nach dem bereits erwähnten Duell mit Lobgott Kuefstein an den Folgen einer Verletzung verstarb. Die einzige direkte Erwähnung seines Ablebens finden wir im Weinberger Herrschaftsarchiv in einem Brief Christoph Leopold Graf Thürheims (1629 – 1689) an seinen Sohn Christoph Wilhelm (1661 – 1738) im Collegio Nobili in Parma vom 6. April 1679: „…das der junge graff v. Weissenwolf zu Enseeg an einem hitzigen fieber gestorben, wirst schon wissen, desenhalben sein herr vatter in wienn sehr betriebt, weil Er vil auf Ihn in ländern (Studienreise), auch jetzt bis zu seiner verehelichung aufgewendet; die junge wittib ist des general lieutenant fürsten Montecuccoli dochter….“276 Man könnte annehmen, dass Thürheim seinem Schreiber, auch wenn der Adressat sein eigener Sohn war, keine Indiskretionen in die Feder diktiert hat. Das hier genannte „hietzige Fieber“ könnte demnach eine euphemistische Umschreibung für einen durch hitziges Temperament verschuldeten Tod sein. Die ursächliche Duellverletzung könnte Thürheim durchaus aus Gründen der Diskretion weggelassen haben. Lobmeyrs These ist weiters durch den Vermerk auf einem Übersichtsblatt zu den Verwandtschaftsbeziehungen der Weissenwolff-Cavriani in den Akten des Cavriani-Prozesses gestützt. In diesen Akten geht es um einen Erbschaftsstreit in Michael Wenzels Verwandtschaft. In der dem Faszikel beigelegten, graphisch-genealogischen Darstellung steht der Name Michael Wenzels mit Lebensdaten in einem Kreis. Daneben ist das

Ibid. 273. Vgl. Ludwig 2012, 142f. 276 OÖLA Herrschaftsarchiv Weinberg – Herrschaftsakten, Sch. 1169/C3, pag. 339. 274 275

Wort „duell“ vermerkt. Leider ist das Dokument (noch) nicht zitiert. Es müsste sich im Familienarchiv Steyregg befinden.277 Zusammenfassend kann man festhalten, dass trotz aller angeführten Unsicherheiten und Indizien, sowie des ominösen Briefes an Thürheim die Annahme eines duellbedingten Todes von Michael Wenzel Weissenwolff ein Konstrukt wider die Evidenz der derzeit verfügbaren Quellen darstellt, aber nicht gänzlich auszuschließen ist.

2.9.2. Tod durch Pest Eine weitere Denkmöglichkeit besteht darin, dass Michael Wenzel und Lobgott Kuefstein das Duell abhielten, unverletzt überlebten und Michael Wenzel dann einen Monat später an der Pest starb. „Hitziges Fieber“ war der gängige Terminus für die im Todesjahr Michael Wenzels in Wien, Prag und Linz grassierende Pest. Die Begriffe „Pest“ oder „Pestilenz“ kommen in den oberösterreichischen Sanitätsakten dieser Zeit so gut wie nie vor. Die gebräuchlichen Termini waren „hietziges Fieber“ bzw. „laidige Infection“.278 Bei näherer Betrachtung findet man Abweichungen von dieser Regel. „Pest“ kommt als Begriff etwa in Helmhard Christoph Weissenwolffs im Todesjahr seines Sohnes veröffentlichter Pestordung279 vor, das am 4. September 1679 der versammelten Bürgerschaft von Gmunden vorgelesen wurde und kurz vorher veröffentlicht worden war. Graf Thürheim, der „hitziges Fieber“ als Todesursache für Michael Wenzel angibt (s. Kapitel 2.9.1.) verwendet wenige Monate später den Begriff „pest“ um seinem noch immer in Italien weilenden Sohn die aktuellen Nachrichten mitzuteilen.280 Bohdanowicz erwähnt, dass die Bezeichnung „pest“ den bislang häufiger Wort „hitziges Fieber“ in einem Gutachten der Mediziner Mastella und Khurz vom 12. Oktober 1679 ersetzt.281 Der Pesttod wurde von Michael Wenzels Vater in der von ihm veröffentlichten Pestordnung für Österreich ob der Enns als „wol verdiente Straff [Gottes]“ gesehen.282 Dass aber auch die Ankündigung eines unerlaubten Duells als nicht gottgefällig gesehen wurde, dürfen wir voraussetzen. Helmhard Christoph wäre in diesem Fall wohl daran gelegen gewesen, dass über die Chose nicht allzuviel gesprochen wurde, was als Motiv für die oben erwähnte Diskretion Thürheims ausreichen würde. Die Thürheim kannten Michael Wenzel und besonders seinen Vater sehr gut. Der Sohn dieses Weinberger Grafen, Ferdinand Thürheim, war Michael Wenzels Klassenkamerad im Jesuitengymnasium gewesen und Thürheims bereits erwähnter Sohn, Christoph Wilhelm, besuchte diese Schule fünf Klassen unter ihm.283 Hinsichtlich einer Pestinfektion zählte Michael Wenzel auch zu einer in kirchlichen Kreisen vermuteten Risikogruppe. Ein päpstlicher Leibarzt, Chalin de Vinario, hatte im 14. Jahrhundert Personengruppen identifiziert, die er für besonders gefährdet hielt. Es waren dies durch einen Überschuss an „Hitze und Feuchtigkeit“ gekennzeichnete Personen:284

Lobmeyr, Gabrielle: mündliche Auskunft, 21. August, 2013. Vgl. Heist, Helga: Die Pest von 1679 in Oberösterreich. Vortrag im Depot des OÖ- Landesmuseums vom 13. März 2013. 279 Weissenwolff, Helmhard Christoph (Auftraggeber): Infections-Ordnung für die arme nothleidende Gemeinde auff dem Land. Lintz: gedr. bey Johann Jacob Mayr, 1679. Transkribiert von Anna Födermayr in: Historisches Steyregg. Geschichtliche Sammelblätter. Hrsg. Stadtgemeinde Steyregg. Nr. 5, Jg. 2003, S. 5-17. Volltext im Anhang. 280 OÖLA Herrschaftsarchiv Weinberg – Familienakten. Brief Graf Thürheims an seinen Sohn in Parma vom 17. Oktober 1679, pag. 342. 281 Bohdanowicz 1933, 14. Fortsetzung, 231. 282 Ibid., 6. 283 Catalogus Studiosiorum 1674, pag. 55. 284 Vgl. Bergdolt 1994, 68. 277 278

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„Zarte und zu einem Übermaß an Feuchtigkeit neigende Organismen waren mehr der Infektion ausgesetzt, so Neugeborene, Kinder, Frauen und Jugendliche. Sie starben in solchen Zeiten immer zuerst, danach die schwachen, zarten und cholerischen Organismen mit erweiterten Poren, die viel Hitze aufweisen. Sie kommen gleich nach den Kindern, z.B. Frauen nach der Menstruation mit vierzehn oder fünfzehn Jahren und Jünglinge um die zwanzig, die viel Samen verlieren, ferner sportlich trainierte Personen, die oft Beischlaf halten und Bäder nehmen.“285 Wenn wir Graf Thürheim beim Verfassen seines Briefes Diskretion als Motiv für die Vermeidung des Duelltodes und seine Umschreibung mit „hietziges Fieber“ unterstellen wollen, ist es angesichts solcher „Volksmeinungen“ durchaus denkbar, dass der Sohn eines populären Adeligen von der Identifikation mit solchen Menschengruppen oder deren Verhalten nicht in Verbindung gebracht werden sollte, wollte man Anstand bewahren. Dabei hätte man wohl die sportliche Betätigung und das Baden wohl noch eher erwähnt als die übrigen Details. Es existiert noch ein weiteres, zugegebenermaßen schwaches Indiz für eine Pesterkrankung des jungen Weissenwolff. Michael Wenzel starb auf Schloss Ennsegg. Wäre er im Duell verletzt worden, so hätte man die Verletzung, so sie lebensbedrohlich war, sicherlich in Linz oder Wien im Beisein der besten Ärzte behandeln lassen. Der beinahe entlegene Aufenthaltsort lässt eher an eine Flucht vor der Pest denken. Bereits während der großen Pestwelle um 1350 galt der Rückzug auf ein Landgut, wo durch Musik und Spiel ein Entspannungseffekt zu erwarten war, als heilsam oder zumindest als das wirksamste Prohylaktikum.286 Starb Michael Wenzel an der Pest, so musste er sich die Krankheit in Prag, Wien oder außerhalb von Linz zugezogen haben, da sie in Linz nachweislich erst nach seinem Tod, im September 1679 hier auftrat. Thürheim schildert den Ausbruch der Pest in Linz und die Folgen in Wien: „…Im Übrigen weist du uns mein lieber sohn noch alle in guetem Ergehen. In Linz sol in denen vorstätten, sonderlich in den weingarten die pest auch schon einerissen seindt etliche heisser schon gespehrt und das grosse haus Ferdinand von Salburg zu B[…] völlig der hausmeister, sein weib und das khind ausgestorben, in der statt aber ist noch gueter luft, auf allerheyl[igen] wirdt man die schuellen alda nit öffnen, vermein[tlich] erst auf das Neye Jahr, werden den Sigerl derweil alhie behalten und privatim instruirn lassen. Zu wien gehet es sehr starkh her, und weil die krankheit nit nachlassen seindt schon über 80 Jesuiten, und gegen 70 Cappuziner daran, wie auch die Carlmeliter an der hambyru[…], und die Augustiner auf der landtstrassen völlig ausgestorben…“.287 Ein Aufenthalt in Prag vor seinem Ableben ist nicht unwahrscheinlich. Dort war vier Monate zuvor im November 1678 seine Tochter zur Welt gekommen. In Wien könnte er aus beruflichen oder geschäftlichen Gründen gewesen sein. Auch eine Ansteckung auf einer Reise zwischen diesen Orten ist nicht auszuschließen. Trotz aller Hinweise und Thesen bleibt uns die Gewissheit über Michael Wenzels Todesursache versagt. Erst wenn man in der Familienkorrespondenz verwandter Personen eine eindeutige Erwähnung des Duelltodes fände, wäre der Beweis erbracht. Auch eine Leichenpredigt, oder eine Klärung von Michaels Bestattungsort wäre hilfreich.

Ibid. 69. Vgl. Bergdolt 1994, 25. 287 OÖLA – HA Weinberg/Familienakten. Brief Graf Thürheims an seinen Sohn Christoph Wilhelm in Parma am 17. Oktober 1679, pag. 342. 285 286

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2.9.3. Der Verbleib des Leichnams Wir haben einen derzeit noch unbelegten Hinweis von Fr. Gabrielle Lobmeyr, dass Michael Wenzel in Ennsegg am 23. März 1679 verstorben ist. Starb er an den Folgen des Duells, so scheint eine feierliche Beisetzung in der Gruft der soeben geweihten Ignatiuskirche unwahrscheinlich. Ein Begräbnis unter Ausschluss einer größeren Öffentlichkeit in Ennsegg oder Seite | 55 Steyregg wäre denkbar. Für beide Fälle fehlt in den Pfarrmatriken der Beleg. Bei Ennsegg allerdings fehlt für diesen Zeitraum das Totenbuch, weshalb auch kaum ein Beleg erbracht werden kann. War die Todesursache die Pest, so hätte nichts gegen eine Überführung des Leichnams nach Linz in die Dreifaltigkeitskirche oder eben in die neuerrichtete Familiengruft der Weissenwolff in der Ignatiuskirche gesprochen. Am 30. September 1930 wurden zwar die sterblichen Überreste der ersten vier Linzer Bischöfe in den Neuen Dom übertragen und auch die „spärlichen Überreste der ehedem darin (in der Gruft) beigesetzten Personen herausgehoben und in eine der Grabkammern zusammengegeben“288, Reste adeliger Bestattungen (außer jener der Bischöfe) finden allerdings keine Erwähnung. An anderer Stelle finden wir in derselben Quelle eine Schilderung der Gruftöffnung: „…Elf Gruftschächte wurden geöffnet und die dort befindlichen Überreste in einem einzigen untergebracht. Es fand sich, dass neben P. Georg Scherer, den wir unbehelligt ließen, drei Minoriten lagen – an dem braunen Kleid und der Kapuze waren sie erkenntlich. – Nur bei dreien von den elf exhumierten Leichen war der Schädel noch erhalten (sic) alles übrige nur eine körnige Kalkmasse. Bei einem Minoriten war das Tuch des Kleides noch unzerreißbar fest. Diese elf hatten ungefähr 240 – 250 Jahre dort gelegen. …“289 Wurde nur die Weissenwolffsche Familiengruft bei dieser Öffnung nicht behelligt? Gab es sie noch? Warum finden der Mäzen und Unterstützer David Ungnad-Weissenwolff, sein Sohn Helmhardt und seine Enkel, die hier liegen sollten, keinerlei Erwähnung? Die Weissenwolff waren nicht die einzigen säkulären Adeligen, die in dieser Gruft ihre letzte Ruhe fanden. 1808 wurde dort die Erzherzogin Elisabeth, Tochter Maria Theresias, beigesetzt. Die unverheiratete, „kropferte Liesl“ hatte den Wunsch geäußert, hier ihre letzte Ruhe finden zu wollen.290 Der Sarkophag der Kaisertochter müsste sich allerdings noch unberührt in der Gruft befinden.291 Woditschka bietet eine Erklärung, die das Rätsel über den Verbleib der Weissenwolffschen Überreste auflösen könnte: „Im Hintergrunde der Gruft ist ein sogenannter Beinbrunnen, der sich tiefer hinabsenkt als der niedrigste Wasserstand des Donaustromes. Pillwein schreibt darüber: „Dahin wurden die Gebeine der Vermorschten in dieser stillen Behausung geschafft. 1823 wurden so, als man bei Restaurierung der Pfarrkirche den Einsturz der dortigen Gruftgewölbe besorgte, alle Gebeine der adeligen und bürgerlichen Familien, die dort begraben lagen, beigesetzt. Der zuletzt eingesenkte Sarg enthielt die Überreste des berühmten Handelsmannes und Bürgermeisters von Linz, Johann Adam Pruner, der am 22. Juni 1678 hier geboren wurde, und am 7. Februar 1734 sein verdienstvolles Leben beschloss, beweint von

O.A.: Nachrichten aus der österreichischen Provinz der Jesuiten, Jg. 1930, S. 13. Ibid., 16. 290 Woditschka, Karl: Die Ignatiuskirche. Alter Dom in Linz – Ein Juwel der Barockzeit. Linz: Selbstverlag, o.J., S. 42. 291 Vgl- Österreichische Kunsttopographie, hrsg. vom Institut für österreichische Kunstforschung des Bundesdenkmalamtes. Bd. 16: Die kirchlichen Kunstdenkmäler der Stadt Linz, bearbeitet von Justus Schmidt. Wien: Schroll, 1964. 288 289

seinen achtbaren Mitbürgern, von allen Frommen, Armen, Witwen und Waisen.“ (Die Domkirche, S. 13).“292 Der Bauunfall, der teilweise Einsturz des Gewölbes, die anschließende „Umbettung“ der adeligen und bürgerlichen Überreste würden das Verschwinden der Weissenwolffsärge und -überreste erklären. Als stützendes Indiz könnte man Pillweins Erwähnung und Heraushebung eines „besonderen“ Sarges deuten. Da der Historiker eine „Geschichte der Stadt Linz“ verfasste, wäre Seite | 56 es nachvollziehbar, dass er von den Adels- und Bürgersärgen jenen eines berühmten Linzer Bürgermeisters wählt, und die Särge der Landeshauptmänner David und Helmhard Christoph Weissenwolff unerwähnt lässt. Merkwürdig bleibt die unterlassene Erwähnung dieser prominenten Belegung allemal.

2.10.

Die Witwe

Ernestina Weissenwolff war den üblichen Verlöbnismodalitäten entsprechend finanziell durch einen Ehevertrag abgesichert293, der sich allerdings nicht erhalten hat. Dabei stand Ernestina nach landesüblichem Brauch die am Tag nach der Hochzeitsnacht ausbezahlte „freye morgengaab“ von mehreren Tausend Gulden nun zur Verfügung. 294 Zusätzlich war die adelige Witwe in dieser Zeit mit einem „wittum“ oder „Witwenstuhl“ abzusichern.295 Darüber hinaus konnte die Mitgift, das Heiratsgut, nach etwas mehr als einem Jahr Ehe kaum aufgebraucht oder verzehrt gewesen sein. Materielle Anteile, wie Mobilar oder Hausrat mussten ebenfalls noch vorhanden sein. Die junge Mutter, Ernestina Barbara, heiratete einen Khevenhüller, mit dessen Töchtern die kleine Maria Theresia Weissenwolff aufwachsen konnte. Ihr weiteres Schicksal und jenes ihrer und Michaels Tochter bieten einen von unzähligen Erzählfäden, die ihren Anfang in einem von Tausenden Objekten des Linzer Schlossmuseums nehmen.

3. Zusammenfassung Die Medaille ist in ihrer Bildsprache an eine Medaille des General-Lieutenants Ottavio Piccolomini angelehnt, einem älteren Kollegen von Michael Wenzels Schwiegervater Raimondo Montecuccoli. Im Avers möchte der Auftraggeber repräsentieren, wobei die Braut fehlt und nur über die heraldische Symbolik im Revers erscheint. Das Reversbild weist das Stück als Privatmedaille aus und verweist in sehr privater Manier auf jenen intimen Moment im Leben des Brautpaars, in dem sie von Amors Pfeil getroffen wurden. Aufgrund dieser eher intimen Note, aber auch aufgrund des Fehlens der Braut im Avers kann das Stück wohl nicht als „Hochzeitsmedaille“ angesprochen werden. Die Privatmedaille Michael Wenzel Weissenwolffs diente der ideellen Selbstergänzung wie auch der Präsentation des adeligen Aspiranten am virtuellen Hofes des Kaisers, d. h. bei jenen hofnahen Personen, die Hofämter noch nicht, noch, oder nicht mehr innehatten, sowie deren Familien. Michael Wenzels Ehrgeiz lässt sich vielleicht auch an der Größe des Stückes ermessen, falls er selbst den Auftrag während seines Mailandaufenthaltes erteilte. Der junge Mann aus dem frisch gegraften Geschlecht, dessen Großvater zum Vliesritter ernannt worden war, war nach dieser Hochzeit am virtuellen Hof“ in Wien aber auch in den höheren Kreisen in Oberösterreich eingeführt und konnte auf die nächsten Karriereschritte zugehen. Ibid., 42f. Vgl. Bastl, Beatrix: Tugend, Liebe, Ehre. Die adelige Frau in der Frühen Neuzeit. Wien/Köln/Weimar – Böhlau, 2000, 294 O.A.: Sechzehnter Bericht über das Museum Francisco Carolinum. Jahresbericht. Bd. 16, Linz: Wimmer, 1856, S. 12f. 295 Vgl. Bastl 2000, 76f. 292 293

Sein unvermittelter Tod nur ein Jahr nach der Vermählung, dessen Ursachen zwischen zeitgebundenem Ehrbegriff, Duellfolgen und Pest liegen, verleiht der Medaille eine besondere Note der Flüchtigkeit und Vergänglichkeit. Nach dem Ableben Michael Wenzels veränderte das repräsentative Stück seine Bedeutung und wurde zum mahnenden Erinnerungsgegenstand an den allzu jung verstorbenen Vater, Gemahl und oberösterreichichen Hoffnungsträger. Die Tatsache, dass seine Gebeine, mit hoher Wahrscheinlichkeit aber jene seines Vaters und Großvaters in Seite | 57 einem Brunnen in der Gruft ihrer Familienkirche entsorgt wurden, verstärkt den der Medaille anhaftenden Vanitasgedanken ebenso, wie der vorschnelle Tod des abgebildeten Bräutigams. Unbeleuchtet bleiben die Hintergründe des Immobiliengeschäfts zwischen Jesuiten, Stadt Linz und Landeshauptmann Helmhard Christoph, dem Ringtausch um die Domgassenobjekte, die Gründe für die Entsorgung der sterblichen Überreste der Kirchenmäzene und schließlich auch die letzte Gewissheit über die Ursache des frühen Todes Michael Wenzel Weissenwolffs.

Anhang I.

Erziehungsleitfaden Montecuccoli - 1670

Montecuccoli, Raimund: Unterweisung meines Sohnes Leopold (Instruzione di Leopoldo mio figlio), Wien, 19. Mai 1670; übersetzt in: Veltzé, Alois: Ausgewählte Schriften des Raimund Fürsten Montecuccoli. General-Lieutenant und Feldmarschall, Band 4: Miscellen, Correspondenz. Wien/Leipzig: Braumüller, 1900, S. 161 – 168. „4. Zum Schlafen genügen acht oder neun Stunden; um 10 Uhr begiebt er sich zur Ruhe und steht um 7 Uhr, oder wann es ihm beliebt auf, damit das Wachsthum seines Körpers nicht behindert werde. Unter Tags darf er sich niemals angewöhnen zu schlafen, ausser er hätte während der Nacht sich nicht genügend ausgeruht. 5. Man achte darauf, dass der Körper täglich seine natürlichen Bedürfnisse regelmässig verrichte und wenn ihn Unverdaulichkeit oder übergroße Weichleibigkeit befiele oder sonst irgend ein ungewöhnlicher Zustand eintreten würde, so soll es sogleich bekannt gegeben werden, damit man bei Zeiten das nothwendige Mittel dagegen anwenden könne. 6. Obgleich mein Sohn von sehr lenksamem und gehorsamem Gemüthe ist, so bedarf er gleichwohl auch einer liebreichen Strenge, stets aber soll im Nothfalle die Bestrafung mit aller Sanftmuth, niemals jedoch mit Schlägen, welche der Gesundheit überaus schaden, erfolgen, es wäre denn, dass dies ohne Zorn und Leidenschaftlichkeit geschieht. Betreffs der Übungen 1. Der Tanzlehrer soll ihn unterweisen, wie er die Verbeugung zu machen und seinen Körper mit Anstand zu tragen habe. Derselbe hat einmal des Tages in den beschäftigungsfreien Stunden zu kommen un ihn liebreich und ohne Künsteleien zu unterrichten. 2. Der Reit-Unterricht, die Fecht- und Voltagier-Übungen sind für ihn noch zu anstrengend; man muss ihn aber in der Erholungszeit und während des Spazierengehens an solche Orte führen, wo ähnliche Übungen vorgenommen werden, damit er ihre Ausführung von anderen sehe. 3. Auf gleiche Weise soll er die Übungen mit der Pike und Muskete betreiben. 4. Er spiele Federball oder schlage zuweilen den Ball mit dem kleinen Raket, durchaus aber darf er nicht müßig stehen und zusehen, wenn junge Leute spielen, damit er nicht von einem Ball getroffen werde, wie ich dies häufig gesehen habe. 5. Diese obenerwähnten Übungen im Tanzen und im Gebrauche der Waffen müssen ihm nur von den besten Meistern und sonst von niemandem Anderem beigebracht werden, denn es ist von Wichtigkeit, dass die ersten Übungen genau und richtig ausgeführt werden, um sich an dieselben zu gewöhnen, was später sehr schwer zu ändern ist; denn ob gut oder schlecht, was man im zarten Alter pflegte, kommt immer wieder zurück. II. Betreffs der Ausbildung des Geistes soll mein Sohn in den Pflichten gegen Gott, gegen die Anderen und gegen sich selbst unterrichtet werden. Gegen Gott: 1. Er wisse, dass er von Gott, dem Schöpfer aller Dinge erschaffen wurde und dass er in dieses vergängliche Leben gesetzt sei, um einstens einzugehen zur glückseligen Anschauung Gottes in ein ewiges Leben. 2. Er lerne den kleinen Katechismus auswendig und wiederhole ihn öfters; man erläutere ihm alle Puncte, damit er ihn wohl verstehe. 3. Das Morgengebet verrichte er gleich nachdem er sich angekleidet, sowie auch das Abendgebet vor dem Auskleiden; sie seien kurz, aber sollen knieend, mit Andacht und Aufmerksamkeit verrichtet werden und bestehen in dem Vaterunser, dem Ave Maria, dem Credo, in einer kurzen Erweckung von Reue und Leid und in einer Anrufung des Schutzengels. Er gewöhne sich an, diese Gebete abwechselnd einmal in lateinischer und einmal in deutscher Sprache zu sagen. 4. Bei dem Ave Marialäuten, sei es des Morgens, des Mittags oder Abends, soll er das gewöhnliche Gebet verrichten. Des Morgens, wenn die heilige Messe in der Haus-Capelle gelesen wird, hat er

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hiebei zu ministrieren. Wenn er sich zur Tafel setzt oder von derselben aufsteht, soll er das „benedicte“ und das „agimus gratias“ beten. 5. Er muss jeden Monat oder alle zwei Monate einmal die Beichte verrichten, je nachdem es der Pater Berwig für nothwendig finden wird. Pflichten gegen Andere: 1. Er begegne achtungsvoll den Höheren, unter welchen vorzüglich der Vater, die Mutter und die Lehrer zu berücksichtigen sind. Er sei artig und höflich gegen Gleiche, sowie gefällig, aber nicht zu vertraulich mit den Niederen. 2. Die Achtung gegen die Höheren erfordert, dass er sich nicht in ihrer Gegenwart setze oder sich bedecke, nicht ungebührliche Handlungen begehe und mit schuldiger Achtung und Beilegung ihres Titels zu ihnen spreche. 3. Die Höflichkeit gegen Gleiche erfordert es, niemals mit den Händen zu spielen, nicht in Zorn zu gerathen, im Gespräche nicht hartnäckig zu streiten und nicht dasjenige abzusprechen, was die Gesellschaft behauptet. Hierher gehören auch die Besuche, die unerlässlich sind um die Bekanntschaften zu pflegen und die Freundschaft aufrecht zu erhalten, wobei der Ausführung jener Complimente Aufmerksamkeit zuzuwenden ist, welche man bei ähnlichen Gelegenheiten anzuwenden pflegt. 4. Die Freundlichkeit gegen Untergebene besteht darin, dass man sie nie beleidige, weder durch Gebärden, noch durch Worte, noch auf andere Weise; dass man die Diener mit guter Art befehlige, sie zurechtweise wenn sie fehlen, sie nie schlage und wenn sie es verdienen, durch die Hand eines Anderen züchtigen lasse. Gegen sich selbst: 1. Geist und Gemüt bilde man dahin aus, dass er sich angewöhne, stark zu sein in Gefahren und sich nicht zu fürchten; sich nur mäßig und nicht allzuviel den Vergnügungen hingebe, sei es im Essen, im Trinken oder in anderen sinnlichen Genüssen; nach Recht Jedem das Seinige zu geben, nichts zu nehmen und Niemandem Gewalt anzuthun; verständig und klug zu sein, um das zu erkennen, was man in allen Fällen zu thun oder zu unterlassen habe; dies kann er leicht lernen aus den Handlungen, welche er bei Anderen beobachtet, aus der Ausübung oder allgemeinen Gewohnheit dessen, was man zu thun pflegt, aus dem, was uns die Vorfahren überliefert haben, endlich aus jenem, was er seiner Erinnerung nach bei ähnlichen Gelegenheiten selbst schon ausgeübt hat. 2. Die Studien sollen anderthalb Stunden Vormittags und eine Stunde Nachmittags und nicht länger dauern, um den Eifer nicht zu erlahmen; dann hat er aber desto mehr Aufmerksamkeit und Fleiss hiebei zu verwenden. 3. Täglich soll er deutsch und lateinisch, Gedrucktes und Geschriebenes lesen, um es richtig, fertig und leicht zu beherrschen. 4. Er lerne die Grundsätze und Anfangsgründe der lateinischen Sprache, ohne sich vorläufig in anderen Sprachen einzulassen, um sich nicht zu verwirren. 5. Er lese Fabeln des Aesop, sowie die Lehrsätze und Weisheitsregeln der Griechen und Römer, welche ihm durch ausgewählte Gleichnisse und Sinnbilder zu beleuchten sind, damit das Gedächtnis dadurch gestärkt werde und seine Fassungskraft die Eigenthümlichkeiten, Kräfte, sowie die Ursachen und ihre Wirkungen besser erkenne; er wende sie offen an, lerne auch die gegenseitigen Beziehungen, die sie unter einander haben, damit sie sich gegenseitig erklären. Er forsche hiebei aus den Wirkungen nach den Ursachen, das ist von den mehr bekannten Dingen nach den weniger klaren oder durch Abstrahierung, indem er ihre Eigenschaften gründlich untersucht und sich Ideen und Maximen im Allgemeinen bildet. 6. In diesen zwei Worten fasst man die ganze Logik zusammen: „Ex notionibus“. 7. Von der eigenen würde hängt ein großer Theil des Wissens ab. Die ganze Rechtsgelehrsamkeit ist eine Sammlung des göttlichen und menschlichen Wissens, von der Würde Desjenigen bekräftigt, welcher sie ausdrückt. Das Ansehen und das Zeugniss großer Männer dient zur Regel und Richtschnur: das „ipse dixit“ der Pythagoräer hatte die Kraft, den Verstand einer Anzahl Philosophen in unbedingter Hingebung zu dem Lehrer zu fesseln.

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Es kommt sehr zu beachten, ob die Wahrheit aus einem oder dem anderen Munde geht. Mit derselben ungleichen Gewalt und Schnelligkeit entflieht der Pfeil einem und demselben Bogen, der von verschiedener Hand gespannt ward. Der Beifall der Scharfsinnigsten in einer und der selben Wissenschaft ist die Stimme der Wahrheit selbst.

II.

PESTORDNUNG 1679 von Helmhard Christoph Weissenwolff Weissenwolff, Helmhard Christoph (Auftraggeber): Infections-Ordnung für die arme nothleidende Gemeinde auff dem Land. Lintz: gedr. bey Johann Jacob Mayr, 1679. Transkribiert von Anna Födermayr in: Historisches Steyregg. Geschichtliche Sammelblätter. Hrsg. Stadtgemeinde Steyregg. Nr. 5, Jg. 2003, S. 5-17.

Von Meydung der Sache, so zur Pest Ursach geben 1. Wird Mäniglich beweglich ermahnet, mit wahrer Andacht, Hertzens-Rew und Layd über die begangene Sünden, zu GOTT sich zubekehren, und umb Abwendung dieser zwar wol verdienten Straff innbrünstig zu bitten. 2. Solle alle Unordnung in Essen und Trincken, wie auch die unnöthige Zusammenkunfften, beforderist aber die Geniessung deß Brandwein, stinckenden Käß, ungesunden oder Wurmstichigen Obbst und desß darvon gebresten Mosts, Erd-Schwammen, und derley andern schädlichen Sachen unterlassen und herentgegen gute Mässigkeit gehalten. Dann gute Sauberkeit so wol an dem aignen Leib, als auch in denen Leibs-Kleydern (welche zu Zeiten an den frischen Lufft zu hencken, und vor dem Anlegen mit dem hernach benannten Rauch-Werck wol zu berauchen seynd) und ein gleichmässiges in dem Hauß-Weesen beobachtet, und zu diesem Ende die Rdo. Schwein, Tauben, Königl. Aichhorn, unnutze Hund und Katzen abgeschafft, denen Ratzen und Mäusen kein Gifft gelegt, auff daß sie nicht in Wincklen verfaulen und gifftigen Gestank verursachen, todte Hüener und dergleichen anders alsobald auß denen Häusern und Höffen gethan, der Rdo. Müst, Körrach, alte Lumpen und Hadern, todte Krebs, Ayer, Obbst.Schalen, S.V.Harm, Spielwasser, Kuchl-Tranck, angefeuchter Aschen keines wegs vor die Häuser auff die Gassen, und öffentliche Strassen geworffen oder geschüttet, noch weniger in denen Häusern in die Länge auffbehalten, sondern ehe solche Sachen verfaulen, abseits und an solche Oerther warzu die Leut ni also gemeiniglich zu kommen pflegen, zeitlich gebracht, dann die stinckende Haar-Grueben, sonsten Haar-Rötzen genannt, wo nicht gar auff eine Zeitlang abgethan, wenigist fern von denen Häussern, oder denen gemainen Strassen gehalten – Ingleichen die S.V. Möhrungen oder Sinckgrueben nicht anderst, als bey kaltem, stillen und nicht Windigen Nächten geraumbet. Item das Waschen und Körtzen machen in Oder nächst bey denen Häusern eingestellet, dann von denen Fleischhackern das Inslet nicht in denen Häusern, sondern auff freyem Feld aßgelassen werden. 3. (sic!) fehlt

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4. Die unbewohnte Zimmer sollen zum durchstraiffenden Lufft offen gehalten, die Wohnzimmer aber täglich etlich mahl mit Kronaweth-Schaitten oder Küen-Holtz, oder mit Schweffel, WaldRauch, Aggstain, Kronaweth-Beer, oder andern beliebenden Berauchungen erfrischet- Nicht weniger dergleichen Rauch von Kronaweth- Aichenem Holtz und Laub, in denen Haußhüren gemachet; - Auch wo die Gefahr grösser erscheinte, bevorderist unter Essens-Zeit haisser Essig, Seite | 61 worinnen Kronaweth-Beer und Rosmarin gebaitzet auff glüende Stain oder Ziegel gespritzet, und Zwiffel, Knobloch, oder Gaffer in denen Zimmern, wie auch under denen Tühren auffgehencket werden. 5. Solle man sich der Gemeinschaft frembder verdächtiger Leuth gäntzlich entschlagen, und dergleichen Niemandts, ohne Unterschied der Persohnen, wann sie auch gleich Befreundt wären, in die Herberg annehmen, und ebenfahls die von verdächtigen Orthen kommende Wahren, Speisen, oder auch das Gelt, ohne daß es vorhero mit Laugen oder warmen Wasser wohl außgewaschen, sonderlich aber keine Leibs Kleyder, Böth- und Leingwand, Beltzwerck, rauche Kotzen und dergleichen andere Sachen in die Häuser im geringsten annehmen, oder auch sonst mit denenselben umbgehen.

Vom Vorbehaltungen, oder Praeservativen an denen Orthen, wo die Contagion sich vermerken lasset.

1. Wofern auß Verhängnuß Gottes die laidige Seuch an einem Orth sich bezaigete, sollen die annoch gesunde, welche einen sondern Schrocken und Forcht vor dieser Kranckheit tragen, wofern es ihr Stand zuläst, sich zeitlich beyseiths machen. 2. Welche aber von Inficirten Orthen nicht weichen können, sollen, sovil möglich zu Hauß, bevorderist in Regenwetter, und ungesunden Neblen und Nachtlufft, verbleiben, auch ihre Zimmer gegen dem Wind von dem jenigen Orth, mit denen Inficirten Persohnen selbst, sondern auch mit denen, so ihnen auffwartten oder sonst mit selbigen umbgehen, kein Gemeinschaft pflegen; Ihre Bether, Kleyder, Speisen, Trinckgeschier, Messer, Löffl, wie auch daß Orth selbst, alwo die Inficierte Ligerhafft seynd, gäntzlich meyden, und ins Gemein all das jenige woll beobachten, was von Meydung der Ursachen, worvon die Pest herrühret under hievor stehenten ersten Articul begriffen ist; Beynebens aber: 3. Sollen dergleichen Leuth alle Morgen Nüechter von einer Praeservativ Latwerg (so in denen Apotecken zuhaben) zway oder drey/oder von Theriac ein guten Messerspitz voll, oder von Kranaweth-Salzen einen haöben Löffl voll nehmen; gar Arme Leuth können ain-oder zway gute Messerspitz voll gestossenen gemainen Schweffel, oder Schweffel-Blüe mit Butter auff Brodt, oder etlich frische, oder in Essig gebaitzte Kronaweth-Beer, oder etlich Rautten Blätlein, oder ein Lorbeer, oder ein Knoblauch Zehel Eessen, oder vier Tropffen Kronaweth-Oel auff einem Löffl voll Suppen, oder bissen Brodt, oder einer halben Arbesgroß Gaffer nehmen. Man kann auch Schwämbl in Weinrautten- oder Gifft-Essig gebaitzt, oder in Kranaweth, Oder Aggstein Oel befeuchter in Knöpffen tragen unnd öffter dazu Riechen, auch mit gemeltem Essig oder Oel die Pulß Ader an Händen und Schläfen schmieren; Ingleichem die Naßlöchl und Augen, wol auch zu Zeiten das gantze angesicht darmit Waschen. Es kann auch gar nutzlich das Scorpion-Oel täglich under die Achsel, in die Schoß, und hinder die Ohren warmblecht angeschmiert werden. Nicht weniger solle man öffter Zitwer, Angelica, Pimpernell, oder Alland-Wurzel, Zitronen- oder Pomerantz-Schallen, Kronaweth, oder Lorbeer, welches nur zum besten zuhaben, oder beliebig ist, im Mund halten und Keuen. Oder man kann alle dise gleich vorbesagte Species von jedwederer gleich vil, oder deren vier oder fünf mit einer halben Hand voll Weinrautten und Nußkern in zway Seitel Essig einbaitzen und von disem Gifft-Essig ein halben Löffl voll täglich nehmen. Ingleichen kann ein Haselnuß ausgehölt, darein lebendig Quecksilber gethan, das Löchl mit einem Spanischen Wachs vermacht, oder in ein Tückel auffgedörrtes Krotten-Pulver genähet, und die Nath mit Theriac wohl wohl bestrichen, für ordinari unter Tags am Halß getragen werden. Der gemeine Gifft-Essig wird also gemacht: Nimb Weinrauten, Knoblauch, grosse

Nußkern, zeitige frische Kronabet-Beer, Ringl-oder Scmaltz-Blüml, jedes ein halbe Hand voll zerschneyd und stoß es grobleicht, legs in ein Maaß Holer-Rosen, oder gemeinen guten Wein-Essig, laß auff einem warmen Offen oder Feurstatt drey, vier, oder mehr Tag und Nacht also stehen und arbeiten, letzlich seihe es durch ein doppelt sauberes Tüchl, und behalt das durchgesihene in wol vermachten grossen Glaß fleissig auff. Die Faces aber, oder das überblibene im Tüchl kann mit Nutzen zum Gebrauch, warvon hernach stehend Meldung beschehen wird. Auffbehalten werden. 4. Seite | 62 Belangend aber die jenige Persohnen, so bey denen an der laydigen Seuch erkranckten, umb ihnen auß Christlicher Lieb außzuwarten nothwendig seyn müssen, sollen sich, sovil möglich, hüeten mit denenselben nit nüchtern umzugehen, auch sich befleissen mit denen Krancken nur nach der Seithen zu reden, beynebens, sovil es die Gelegenheit zulasst, die Nasen zuverhalten, oder ein Schwammen mit Gifft-Essig, Aggestein- oder Kronabet-Oel angefeuchtet darvor sambteinem nrinnenden Liecht von Wachs in Handen zu halten, auß dem Wohn-Zimmer umb frishen Lufft zuholen, offter zugehen, wohlriechender Krauter umb das Beth der erkranckten Persohn legen, Essig auff glüehende Stain in die Zimmer spritzen und also in allem dahin trachten, damit sowol der inficirte Athem deß Krancken, als auch der Dampff des Beths, so vil es sich bey deieser Krancken-warthern, Wartherinnen abgehalten werden. Benebens werden dergleichen Persohnen zu einem innerlichen Praeservativ von der shcon obbedeutten Gifft Latwerg, oder von einem Theriac zway gute Messerspiz voll, oder vier, fünff, sechs in siben Tropffen frisches KranawethOel in einem Süppel , oder von dem hiervor verstandenen Gifft-Essig einen Löffel voll zunehmen haben. Die gar Arme brauchen auch in solchen Fällen (wie bereiths hiervor Andeutung beschehen ist) einen guten Messerspitz voll gestossenen gemeinen Schwebl mit Butter auff Brodt, oder etliche frische wolzeitige, oder in Essig gebaitzte Kranaweth-Beer, oder eines Hanff-Kerns groß Gaffer, oder ein halbe Loorbeer, Weinrautten-Blättl, oder einen Knoblauch-Zehen, oder Trincken in der Noth Nüechtern ihren aignen Urin, kewer öffters im Mund Zitwer, Angelica, oder Maister-Wurtzen, Loorbeer, Pomerantzen-Schällen, Salvey oder Rosmarin. 5. Letztlichen werden dergleichen Persohnen, so denen Infcirten außwarthen nicht weniger die Todten-Graber, dann die jenigen so die Inficierte von einen Orth zum andere zutragen pflegen, ernstlich emahnten, daß sie sich zu andern Gesunden Persohnen obwohlen sie an ihnen selbst ainigen Infection nicht empfinden tuhn, gleichwohlen keines Weegs, und noch weniger in grossen Zusambenkunfften und Versammlung der Leuth, sowol in denen Kirchen, als Anderwerts begeben, sondern betrachten sollen, daß sie zu dieser Absonderung und Enthaltung der Gemeinschaft anderer Leuth, umb dieselbe nicht zu Inficieren, und grösser Unglück zu verhuetten, sowol im Gewissen schuldig, als auch auff widrige Betrettung von denen Obrigkeiten ernstlich zubestaffen seyen.

Von Curirung der würcklich Inficirten

1. So jemands mit Frost und Hitz, Kopffwehe, Mattigkeitt aller Glieder, trucken umb den Magen, Erbrechen, Schlaffsucht angegriffen wurde, der solle alsobald von andern Leuthen sihe absöndern, und von selbst wol bedencken, daß, wie länger derselbe bey Verspihrung dieser anstossenden Kranckheit die Gebrauchung der erforderten Mitteln auffschrieben, und zugleich under andern Gesunden herumb gehen wurde, je gefährliher hernachgehents die zum öfftern gar zu spat anwendente Artzney- und Hülffs-Mittl, und beynebens vor GOTT und vor der Welt unverantwortlicher Falle, wann durch solch verschweigende gefährliche Zuständ noch mehr andere inficirt werden. 2. Dargegen aber können derley abgesönderte inficirte Leuth beyzeiten nach empfindenter Alteration, oder vermerckenden Kranckheut von einer Schwitz-Latwerg (welche in denen Apotecken in Bereitschafft zufinden) so die Persohn starck einer Nuß groß ein schwache halb sovil entweder nur für sich, oder in Weinrauten, oder Cardobenedict-Wasser, oder von SchwitzPulver ein halbs Quint in eim Löffel voll Kronabet-Beer, Atich- oder Holler-Saltzen, oder Kütten-Safft nehmen, und anderthalb oder zwey Stund wol Schwitzen, hernach sich abtrücknen, und daß Leingewand verändern lassen. Und sollte die inficirte Persohn sih alsdann mit einem Süpp oder andern Speisen oder Labnuß erquicken, nit alsbald in der Hitz trincken, noch sonsten

erkälten, und kann dies Schwitzen 2,3 oder mehrmal, so nit alles besser, allzeit über 7, 9 oder 12 Stund widerholt werden. 3. Welche Peulen hinter denen Ohren, Achßlen, oder in der Schoß, oder sonsten am Leib BrennBlattern befinden, sollen den schmertz-hafften Orth warm halten, und alßbald mit Scorpion – Weis Lilien –Weintrautten – oder Camillen – Oehl warm schmieren, und folgendes Köchel so haiß als zu leyden aufflegen und alle 2 Stund vernewern, bis das Zaichen vergangen, oder Seite | 63 eröffnet. Man nehme Saurtaig ein Ay groß, 3 oder 4 gebratene Zwibl, hart gesotene Ayerdotter 2 oder 3, Saltz, einen Löffl vol mit Lein-Oel, Butter, Milch oder Schmeer, so vil vonnöthen, zum Köchel gesotten, und zwischen zway Tücheln haiß auffgelegt. Wer 3 oder 4 Feigen, oder ein halbes Loth Theria, oder sovil Pulver von Krotten darzu nehmen kann, wird bäldere Besserung haben. Item kann das bey Machung deß offtgedachten Gifft-Essig im Tüchl überblibene mit Scorpion-Oel und frischem Butter zu einem Köhl gemacht, und auff die auffgefahrene vergiffte Dippel, von welchen es das Gifft wol außziecht, warm überschlagen werden. gesotten, und zwischen zway Tücheln haiß auffgelegt. Wer 3 oder 4 Feigen, oder ein halbes Loth Theria, oder sovil Pulver von Krotten darzu nehmen kann, wird bäldere Besserung haben. Item kann das bey Machung deß offtgedachten Gifft-Essig im Tüchl überblibene mit Scorpion-Oel und frischem Butter zu einem Köhl gemacht, und auff die auffgefahrene vergiffte Dippel, von welchen es das Gifft wol außziecht, warm überschlagen werden. 4. Die geöffnete Geschwär sollen mit Hönig, Ayerdotter und Terpentin, oder gemeinem Hartz, jedes gleich vil wol vermischet, Pflasterweiß täglich 2 oder 3 mahl auffzulegen, geheylt werden. Die Brenn-Blattern können entweder jetzt gemelter massen verbunden, oder mit Schmaltz, in welhen etliche Ayerdotter starck außgebachen, hernach auff kalt Wasser, oder Kraut-Surr gegossen, und wanns erkalt, mit Waitzen- oder Wintergrüen-Blat auffgebunden werden. So diese Blattern umb sich fressen, kann man Terra Sigillata, oder Bolus, oder nur Bachoffen-Laim mit Essig oder Ayerklar anfeuchten, unnd die Blatern täglich 2 mahl umbstreichen. Man sollte aber wol beobachten, daß alle Pflaster und Tüchl, so auff dergleichen Beulen und Blattern gelegen, entweder fleissig begraben oder verbrennet werden. 5. Welche wegen starcken Brechen nichts im Magen behalten können, sollen ein Ay groß Saurteig, ein Hand voll Wermuth und Braun Balsamb-Kraut, oder sovil Weinrauten nehmen, und mit Essig zum Pflaster kochen, und haiß auff den Magen legen lassen, und alle Stund biß auff Besserung widerholen. 6. Welche starcken Durchbruch leyden, können ingleichen diß Pflaster brauchen, sollen auch ein Quint Terra Sigillata Bolus oder Theriac in einem Löffl voll Kütten- oder gesottenen Biern-Safft, oder Kronabet-Saltzen einnehmen, und all 5 oder 6 Stund biß auf Besserung widerholen, oder können 10 bis 12 Tropffen Kronabet-Oel in einem Löffel voll Suppen trincken. Neben deme ist zu beobachten, daß man dazumahl all saure und gesaltzne Sachen, so sonsten gar dienstlich, wie auch das übrige Trincken meyden solle. 7. Das erhitzt, schmertzhaffte Haubt kan mit Rosen- oder Holer- oder gemeinen Essig mit AyerKlar vermischet (darbey ein wenig Saffran oder Gaffer sehr dienstlich) öffter eingebunden werden. 8. Die Breun und Durst sollen mit Saliter- oder Breun-Zeltl im Wasser zerlassen, oder mit Vitriol, Schwebl oder Saliter-Geist lieblich angesäuret (darunter auch Hauß-Saurampf, und Krebsen-Safft nutzlich zu vermischen) mit gurglen und Trincken gemildert. 9. Sonsten aber vor den Ordinari-Trunck ein Wasser, worinnen Kronabet-Beer, Weinschaidling, Weinstein, Stein-Wurtzl, kleine Weinbeer, Fenchel und Aneys gesotten, oder wofern alle dise Species von denen gemainen armen Leuthen nicht zu überkommen wären, ein anders von jungen Aichbum-Blättern und Rinten gesottenes Wasser, so absonderlich gut , wann ein Durchfahl verhanden, gebraucht werden. Man kan auch ein Stück glüenden neuen Ziegl in einen frischen Wasser ablöschen, und etwas von Breun-Zeltlein darein legen, oder auch in Ermanglung anderer

Mittl, nur mit einer neugebäheten Hauß-Brodts-Rinten, und einer glüenden Kohlen das Wasser ablöschen, und mit ein wenig Essig ansäuren. 10. Die Speisen der Krancken sollen von geringer Verdawung seyn, als nemblich von Hennen-und Rindsuppen, Hennen- Kalbs- oder Lemmern Fleisch, frischen Ayern, Panatl, Ayrkoch und dergleichen etc. Absonderlich aber, solle man sich von Anfang nicht überladen, jedoch zu Mittag allezeit etwas mehrers, als zu Nachts geniessen, wann aber bisweilen die Krancken schier kein Seite | 64 Speis annehmen wollen, da mus man sie alsdann gleichsamb darzu nöthigen, damit dardurch die Kräfften erhalten werden. 11. Wann nun solcher Gestalt mit der Hülff GOTTES jemands an disem gefährlichen Zustand curiret worden, so solle derselbe seine vorhin gehabte Kleyder und Bethgwand ferners nit gebrauchen, sondern verbrennen, oder tieff in die Erden vergraben, da aber solches denen armen bedürfftigen Leuthen, so mit mehrern Kleydern oder Bethgwand nicht versehen seynd, gar zu beschwerlich fallete, wenigst solche Kleyder eine geraume Zeitlang an frischen durchstreichenden Lufft hencken, auch sonst wol außsäubern, nicht weniger vor dem Anlegen zum öfftern außrauchen, daß Lein – und Bethgwandt aber, neben denen gleich hievor verstandenen Vorsehungen, in ein fliessendes Wasser eine Zeitlang hencken, und darüber wol außwaschen lassen. 12. Dann werden sich noch über dises dergleichen curirte Leuth 6 Wochen lang von der Gemeinschafft anderer uninficirter an einem frischen gesunden und abgesönderten Orth auffzuhalten haben.

Was nach Absterben der Inficirten Persohnen, oder auch in inficirten Häusern zu beobachten seye?

1. Wann jemands an der Infection verstorben, sollte man den Todten-Cörper bald und bey der Nacht still und tieff begraben, auch womöglich, auff dem Todten Cörper ungelöschten Kalch, damit selbiger desto ehender verzöhret und hierdurch die schädliche Exhalationes oder ErdDämpff verhüettet bleiben, geschüttet werden. 2. Dann solle man die inficierte Wohn-Zimmer wenigst in die zwey Monath unbewohnter lassen, auch mit Schwebel-, Kronabet-, oder Küehn-Fewr behutsamb und wol berauchen, in gleichen einen von Bachoffen durchlöcherten haissen Laib Brodt darinnen auffhencken und solchen wann er erkaltet vergraben,auch Gifft- oder Rauten-Essig auff glüende Küßlstain oder Ziegel giessen, die inficierte Kleyder und Bethgewandt aber alsobald nach dem Todtfahl verbennen oder vergraben lassen, auch alle andere von dem Patienten gebrauchte Mobilien, wo nicht gäntzlich zu Pulver verbrennet, oder vergraben, doch wenigst an frischen Luhft in freyem Feld wohl außgelüfftert, gerainigt und gesäubert werden. 3. Letztlich, wielen diese Infections-Ordnung mehreren Thails nur für die Arme, Hülfflose, welche keine Sanitatis Magstrum, oder so genante Todten-Lasser, oder Pest-Baader haben, angesehen ist, damit sie sich auff allen Nothfall desto besser darnach richten, und in Obacht nemmen können; Als wird im übrigen allen und jeden Geist- und Weltlichen Obrigkeiten hierdirch zugleich Anlaß gegeben, daß Sie auß Christlicher Lieb weitere gute Anstalten machen, auff daß nit allein dieser Ordnung fleissig nachgelebet, sondern auch denen armen Erkranckten, sowohl die erforderte Artzney, als Nahrungs- Mittel an die Hand geschafftet, mithin verhüettetwerde, damit dieselbe nicht zum öfftern bloß auß Ermanglung der erforderten Hülffs-Mittl Krafft- und Hülffsloß vergehen müssen. Zu welchem Ende dan auch in allen und Jeden Apotecken diß Lants von ihren vorgesetzten Obrigkeiten Ernstliche Verord-nung gethan werden solle, damit die Apotecker sich mit denen bedürfftigen Artzneyen in guter Beraitschaft halten, auch hierzu gute unnd frische Ingedentia, welche ihre Würckung thun mögen, keineswegs aber alte, oder verdorbene Sachen gebrauchen, nicht weniger die armen bedürfftige Leuth mit dem Werth vor die Artzeyen nicht überschätzen, sondern mit einem billichen unnd leydentlichen sich begnügen lassen.

Übersetzung in eine hochdeutsche Variante des 20. Jahrhunderts Über die Vermeidung all dessen, was die Pest verursachen kann. 1. Es wird jedermann ernsthaft ermahnt, mit wahrer Andacht, Herzenstreue und –leid über die begangenen Sünden sich zu Gott zu bekehren und um Abwendung dieser zwar wohl verdienten Strafe inbrünstig zu bitten. 2. Es soll alle Unordnung in Essen und Trinken, wie auch unnötige Zusammenkünfte, besonders aber der Genuss von Branntwein, stinkendem Käse, gesundem und wurmstichigem Obst und des davon gepresstem Mosts, von Erdschwämmen, und derlei anderem schädlichen Sachen unterlassen und stattdessen gute Mäßigkeit gehalten werden. Weiteres soll gute Sauberkeit (Reinlichkeit) sowohl am eigenen Leib als auch in dem Kliedungsstücken (welche Zuzeiten an die frische Luft zu Hängen und vor dem Anziehen mit dem hernach benannten Räucherwerk gut zu räuchern sind) und gleichermaßen im Hauswesen beachtet werden; deshalb sollen Schweine, Tauben, Kaninchen, Eichhörnchn, unnütze Hunde und Katzen abeschafft werden; Ratten und Mäuse soll kein Gift gelegt werden, damit sie nicht in Winkeln verfaulen und giftigen Gestank verursachen; tote Hühner und dergleichen sollen alsbald aus Häusern und von Höfen entfernt werden; Mist, Kehrlicht, alte Lumpen und Hadern, tote Krebse, Eier und Obstschalen, Harn, Spülwasser, Küchenabfall, feuchte Asche darf keineswegs vor die Häuser auf die Gassen und öffentlichen Straßen geworfen oder geschüttet, noch weniger in den Häusern lange aufbewahrt werden, sondern ehe solche Sachen verfaulen, sollen sie beizeiten abseits und an solche Orte gebracht werden, wohin die Läute üblicherweise nicht zu kommen pflegen; weiteres sollen die stinkenden Flachsabfallgruben, sonst Haarrötzen genannt, wenn nicht eine Zeit lang abgeschafft, sodoch fern von Häusern oder öffentlichen Strassen gehalten werden. Die Senkgruben sollen nicht anders als in kalten, stillen und nicht windigen Nächten geräumt werden. Ebenso soll das Waschen und Kerzenmachen in der Nähe der Häuser eingestellt werden, weiteres soll von Fleischhackern das „Inslet“ nicht in den Häusern, sondern auf freiem Feld ausgelassen werden. 4. Unbewohnte Zimmer, sollen zum Durchlüften offen gehlaten werden, die Wohnzimmer aber täglich einigemal mit Wachholderscheitern oder Kiefernholz, oder mit Schwefel, Waldmeister, Bernstein, Wachholderbeeren, oder anderen beliebigem Räucherwerk erfrischt werden. Ebenso soll rauch von Wacholder- oder Eichenholz und Laub in den Höfen, Vorhäusern und den Haustüren gemacht werden. – Auch wo die Gefahr größer erscheint, besonders zu Essenszeiten, soll heisser Essig, in dem Wacholderbeeren und Rosmarien gebeizt sind, auf Glühendem Stein oder Ziegel gespritzt, und Zweiebel, Knoblauch oder Kampfer in den Zimmern wie auch unter den Türen aufgehängt werden. Man soll sich der Gemeinschaft fremder verdächtiger Läute gänzlich entsagen.

Über Vorkehrungen und Schutzmaßnahmen an den Orten, wo sich die Krankheitserreger zeigen. (20.Jahrhundert) 2. Welche aber von infizierten Orten nicht weichen können, sollen so viel wie möglich zu Hause bleiben, besonders bei Regenwetter, bei ungesundem Nebel und bei Nachtluft, auch ihre Zimmer gegen den Wind von demjenigen Ort, wo Infizierte sind, wohl verwahren. Sie sollen nicht nur mit den infizierten Personen selbst, sondern auch mit denen, die sie pflegen oder sie sonst betreuen, keine Gemeinschaft pflegen; ihre Betten, Kleider, Speisen, Trinkgeschirr, Messer und Löffel, wie auch den Ort selbst, wo die Infizierten

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liegen, sollen sie gänzlich meiden; und im allgemeinen sollen sie all das beachten, was über die Vermeidung der Ursachen, von denen die Pest herrührt, im oben stehenden ersten Artikel angeführt ist. 3. Es sollen dergleichen Leute jeden Morgen nüchtern von einer „Präservativ Latwerg“ (wie in den Apotheken zu haben) zwei oder drei/oder von „Theriac“ eine gute Messerspitze voll oder von Wacholder-Brei einen halben Löffel voll einnehmen; sehr arme Leute können eine oder zwei gute Messerspitzen voll gestoßenen „gemeinen“ Schwefel oder Schwefel-Blüte mit Butter auf Brot oder einige Seite | 66 frische oder in Essig gebeizte Wacholder-Beeren oder einige Rauten-Blättchen, ein Lorbeer-Blatt oder eine Knoblauch-Zehe essen oder vier Tropfen Wacholder-Öl auf einen Löffel Suppe oder einen Bissen Brot oder Kampfer von der Größe einer halben Erbse nehmen. Man kann auch Schwämme – in Weinrauten oder Gift-Essig gebeizt oder in Wacholder- oder BernsteinÖl angefeuchtet – an Knöpfen tragen und öfter daran riechen, auch mit einem Gemisch aus Mehl und Essig oder Öl die Pulsadern an Händen oder Schläfen einschmieren, desgleichen auch die Nasenlöcher und die Augen und wohl auch zeitweise das ganze Gesicht damit waschen. Es ist auch von Nutzen, täglich „Scorpion-Öl“ unter die Achseln, in den Schoß und hinter die Ohren angewärmt zu schmieren. Außerdem soll man öfter „Zitwer, Angelica, Pimpernell oder Alland-Wurzeln“, Zitronen- oder Orangenschalen, Wacholder oder Lorbeer – was am ehesten zu haben oder einem am liebsten ist – im Mund halten und kauen. Oder man kann alle gleich diese genannten Arten – von jedem gleich viel – oder deren vier oder fünf mit einer halben Hand voll Weinrauten und Nußkernen in zwei Seitel Essig einbeizen und von diesem Gift-Essig täglich einen halben Löffel voll nehmen. Desgleichen kann eine Haselnuß ausgehöhlt, Quecksilber hineingetan und das Löchlein mit Spanischem Wachs verschlossen werden, oder es kann „aufgedörrtes Kröten-Pulver“ in ein Tüchlein genäht und die Naht mit Theriac wohl bestrichen und für gewöhnlich tagsüber am Hals getragen werden. Der „gemeine Gift-Essig“ wird so gemacht: Nimm Weinrauten, Knoblauch , große Nußkerne, reife, frische Wacholderbeeren, Ringel- oder Schmalzblumen, jeweils eine halbe Hand voll, zerschneide und zerstampfe alles grob und lege es „in ein Maaß Holer-Rosen“ oder gemeinen guten Weinessig, laß es auf einem warmen Ofen oder einer Feuerstelle drei, vier oder mehr Tage und Nächte stehen und arbeiten, seihe es schließlich durch ein doppeltes, sauberes Tuch und bewahre das Durchgeseihte in einem gut verschlossenen, großen Glas wohl auf. Die Farce aber oder das im Tal Übriggebliebene kann mit Nutzen zum Gebrauch aufbewahrt werden, worüber nachstehend berichtet wird. 4. Was aber diejenigen Personen betrifft, die notwendigerweise bei den an der leidigen Suche Erkrankten sein müssen, um sie aus christlicher Liebe zu betreuen, so sollen sie sich so viel wie möglich hüten, mit ihnen nüchtern umzugehen, auch sich bemühen, mit den Kranken nur von der Seite zu reden, außerdem, soweit es die Gelegenheit zulässt, die Gelegenheit zulässt, die Nase zuhalten, oder einen Schwamm, mit Gift-Essig, Bernstein – oder Wacheloder-Öl angefeuchtet, davor halten samt einem brennenden Wachslicht in Händen. Sie sollen auch öfters aus dem Wohnzimmer gehen um frische Luft zu holen, wohlriechende Kräuter um das Bett der erkrankten Person lege, Essig auf glühende Steine in den Zimmern spritzen und so in allem sich bemühen, dass sowohl der infizierte Atem des Kranken wie auch die Ausdünstung des Bettes – soweit es sich bei dieser Krankenbetreuung tun lässt – von den Krankenwärtern oder Wärterinnen abgehalten werden. Außerdem werden diese Personen zu einem inneren Schutz von der schon erwähnten „Gifft-Latweg“ oder von einem Theriac zwei gute Messerspitze voll, oder vier, fünf, sechs bis sieben Tropfen frisches Wacholder-Öl in einer Suppe oder von dem oben erwähnten Gift-Essig einen Löffel voll zu nehmen haben. Die sehr Armen brauchen auch in solchen Fällen – wie bereits angedeutet – eine gute Messerspitze voll gestoßenen gemeinen Schwefel in Butter aufs Brot oder einige frische reife oder in Essig gebeizte Waholderbeeren oder Kampfer in der Größe eines Hanf-Korns oder in ein halbes Lorbeer - oder Weinrautenblatt oder eine Knoblauchzehe, oder trinken in der Not nüchtern ihren eigenen Urin, kauen öfters im Mund Zwitterwurz, Angelica oder Meisterwurzel, Lorbeer, Orangenschalen, Salbei oder Rosmarin 5. Schließlich werden die Personen, welche die Infizierten betreuen, und ebenso die Totengräber und diejenige, welche die Infizierten von einem Ort zum anderen zu tragen pflegen, ernstlich ermahnet, dass sie sich, obwohl sie an sich selbst keine Infektion verspüren, keineswegs zu anderen gesunden Personen und noch weniger in große Zusammenkünfte oder Versammlungen von Leuten sowohl in den Kirchen als auch anderwärts begeben, sondern überlegen sollen, dass sie zu dieser Absonderung und Vermeidung von Gemeinschaft mit anderen Leuten – um diese nicht zu infizieren und größeres Unglück zu verhüten – sowohl im Gewissen verpflichtet als auch bei Übertretung von der Obrigkeit ernsthalft zu bestrafen sind.

Über die Behandlung der tatsächlich Infizierten: 1. Wenn jemand von Kältegefühl und Fieber, Kopfweh, Mattigkeit in allen Gliedern, Druck im Magen, Erbrechen und Schlafsucht ergriffen wurde, so soll er sich alsbald von den anderen Leuten absondern und Seite | 67 von sich aus bedenken, daß – je länger er beim Verspüren dieser ansteckenden Krankheit den Gebrauch der erforderlichen Mittel aufschrieben und zugleich unter anderen Gesunden herumgehen würde, dann, wenn die Arznei- und Heilmittel gar zu spät angewendet werden, der Fall umso gefährlicher und vor Gott und der Welt verantwortlich wird, wenn durch das Verschweigen solch gefährlicher Zustände noch mehr andere Leute infiziert werden. 2. Dagegen können solch abgesonderte Leute beizeiten nach empfundener Veränderung oder bemerkter Krankheit von einer „Schwitz-Lattwerg“ (die in den Apotheken bereit liegt), wenn die Person stark ist, eine Nuss groß, eine schwache halb so viel, entweder pur oder in Weinrauten- oder CardobenedictWasser, oder von „Schwitz-Pulver“ ein halbes Quintl in einem Löffel voll Wacholderbeeren, Atich- oder Hollerbrei oder Quittensaft nehmen und eineinhalb oder zwei Stunden fest schwitzen, darnach sich abtrocknen und die Leinenkleidung wechseln lassen. Und die infizierte Person soll ich dann mit einer Suppe oder anderen Speisen oder Labung erquicken, nicht gleich in die Hitze hinein trinken, noch sonst sich erkälten; und es kann dieses Schwitzen 2,3 oder mehrmals – wenn nicht alles besser wird – jederzeit über 7, 9 oder 12 Stunden wiederholt werden. 3. Personen, die Beulen hinter den Ohren, in den Achselhöhlen oder im Schoß, oder sonst am Leib „BrennBlattern“ haben , sollen die schmerzende Stelle warm halten und alsbald mit „Scorpion-, Weis-Lilien-, Weirauten – oder Camillen-Öl“ warm einschmieren und folgendes „Köchel“ so heiß, als man es ertragen kann, auflegen und alle zwei Stunden erneuern, bis das „Zaichen“ vergangen oder aufgebrochen ist. Man nehme 1 Ei groß Sauerteig, 3 oder 4 gebratene Zwiebeln, 2 oder 3 hartgekochte Eidotter, Salz, 1 Löffel Leinöl, Butter, Milch oder Schmalz, so viel wie notwendig, verkoche das zu einem Brei und lege ihn zwischen zwei Tücheln heiß auf. Wer 3 oder 4 Feigen oder ein halbes Lot Theriac oder ebenso viel „Krotten-Pulver“ dazu nehmen kann, wird eher Besserung erzielen. Ebenso kann das bei der Zubereitung des öfter genannten Gift-Essigs im Tuch Übriggebliebene mit Scorpion-Öl und frischer Butter zu einem Brei bereitet und auf die aufgefahrenen vergifteten Beulen, von denen es das Gift wohl auszieht, warm aufgelegt werden. 4. Die aufgebrochenen Geschwüre sollen täglich 2 bis 3 mal mit einem Pflaster aus Honig, Eidottern und Terpentin oder gewöhnlichem Harz- alles zu gleichen Teilen wohl vermischt – versehen und so geheilt werden. Die „Breun Blattern“ können jetzt entweder mit Mehl bestäubt verbunden werden; oder sie können mit Schmalz, in dem einige Eidotter stark augebraten werden und das dann in kaltes Wasser oder in Kraut-Sur gegossen und nach dem Erkalten mit Weizen- oder anderem Mehl oder etwas Kampfer zu einer Salbe bereitet wird, ausgeheilt und jederzeit mit einem Kohl- oder „Wintergrün-„ Blatt verbunden werden. Wenn diese Blattern um sich greifen, kann man Kieselerde oder weißen Ton oder nur BackofenLeim mit Essig oder Eiklar anfeuchten und die Blattern täglich 2 mal umstreichen. Man soll aber wohl beachten, daß alle Pflaster und Tücher, die auf dergleichen Beulen und Blattern gelegen sind, entweder ordentlich vergraben oder verbrannt werden. 5. Personen, die wegen heftigen Erbrechens nichts im Magen behalten können, sollen 1 Ei groß Sauerteig, 1 Handvoll Wermut und „Braun Balsamb-Kraut“ oder ebensoviel Weinrauten nehmen, mit Essig zum Pflaster kochen und heiß auf den Magen legen lassen und das stündlich bis zur Besserung wiederholen. 6. Personen, die an starkem Durchfall leide, können gleichfalls dieses Pflaster verwenden, sollen aber auch ein Quentchen Kieselerde, weißen Ton oder Theriac in einem Löffel voll Quitten- oder gekochtem Birnensaft oder Wacholder-Brei einnehmen und das alle 5 oder 6 Stunden bis zur Besserung wiederholen; oder sie können 10 oder 12 Tropfen Wacholder-Öl in 1 Löffel voll Suppe trinken. Dabei ist zu beachten, daß man zu dieser Zeit alle sauren und gesalzenen Sachen, die sonst sehr dienlich sind, wie auch das übrige Trinken meiden soll. 7.

Der heiße und schmerzende Kopf kann mit Rosen- oder Holler- oder gewöhnlichem Essig mit Eiklar vermischt – (wobei ein wenig Safran oder Kampfer sehr dienlich ist) öfter eingebundenen werden. 8. Halsschmerkzen und Durst sollen mit „Saliter“( Salpeter ) – oder Brenn-Zeltl in Wasser zerlassen, oder mit Vitriol, Schwefel oder Saliter-Geist angenehm angesäuert ( dazu ist auch gut, Haus-Sauerampfer und Krebsen-Saft darunterzumischen ) durch Gurgeln und Trinken gemildert werden. 9. Seite | 68 Ansonsten aber kann an Stelle des „Ordinari-Trunck“ Wasser, worin Wacholder-Beeren, „Weinschaidling“, Weinstein, Steinwurzeln, kleine Weinbeeren, Fenchel und Anis gekocht wurden, oder wenn alle diese Arten von den gewöhnlichen armen Leuten nicht zu bekommen wären, ein anderes Wasser, worin junge Eichenblätter und Rinde gekocht wurden, das besonders gut ist,wenn Durchfall besteht, angewendet werden. Man kann auch ein Stück glühenden ungebrauchten Ziegel in frischem Wasser ablöschen und ein wenig von „Brenner Zeltlein“ hineingeben, oder auch in Ermanglung anderer Mittel das Wasser nur mit einer frischgebähten Hausbrotrinde und einer glühenden Kohle ablöschen und mit ein wenig Essig ansäuern. 10. Die Speisen der Kranken sollen leicht verdaulich sein, wie Hühner- oder Rindsuppe, Hühner- Kalb- oder Lammfleisch, frische Eier, „Panatl“, „Ayrkoch“ und dergleichen mehr. Besonders aber soll man sich von Anfang an nicht überladen, doch zu Mittag immer etwas mehr als am Abend essen ; wenn aber zuweilen die Kranken fast keine Nahrung annehmen wollen, muss man sie gleichsam dazu zwingen, damit dadurch die Kräfte erhalten werden. 11. Wenn nun auf solche Art Gottes Hilfe jemand von diesem gefährlichen Zustand kuriert wurde, so soll er das Gewand, das er vorher hatte, und die Bettkleidung nicht mehr verwenden, sondern verbrennen oder tief in der Erde vergraben. Da aber solches den armen bedürftigen Leuten, die nicht mit mehreren Kleidern und Bettwäsche ausgestattet sind, gar zu schwer fallen würde, sollen sie solche Kleidungstücke wenigstens eine geraume Zeit an die frische Luft zum Auslüften hängen, sie auch sonst wohl säubern und vor dem Anziehen des öfteren ausräuchern, die Leinen- und Bettwäsche aber außer den vorgenannten Vorkehrungen eine Zeitland in ein fließendes Wasser hängen und darin wohl auswaschen lassen. 12. Darüber hinaus werden sich kurierte Leute noch 6 Wochen lang außerhalb der Gemeinschaft anderer Nicht-Infizierter an einem frischen, gesunden und abgesonderten Ort aufhalten müssen.

Was nach dem Tod der infizierten Personen oder auch in infizierten Häusern zu beachten ist

1. Wenn jemand an der Infektion verstorben ist soll man den Leichnam bald und bei Nacht still und tief begraben; wenn möglich, soll auf den Leichnam ungelöschter Kalk geschüttet werden, damit dieser umso schneller verwese und dadurch die schädlichen Ausdünstungen und Erddämpfe verhindert werden. 2. Dann soll man die infizierten Wohnzimmer wenigstens für zwei Monate unbewohnt lassen, sie auch mit Schwefel-, Wacholder- oder Kiefernfeuer behutsam und gut ausräuchern , desgleichen einen durchlöcherten Laib Brot frisch aus dem Backofen darin aufhängen und ihn, wenn er erkaltet ist, vergraben; auch soll man Gift oder Rauten-Essig auf glühende Kieselsteine oder Ziegel gießen. Die infizierten Kleider und die Bettwäsche aber soll man gleich nach dem Todesfall verbrennen oder vergraben lassen; auch alle anderen von dem Patienten verwendeten Mobilien sollen, wenn sie nicht gänzlich zu Pulver verbrannt oder vergaben werden, doch wenigstens an der frischen Luft auf freiem Feld gut ausgelüftet, gereinigt und gesäubert werden. 3. Schließlich, weil diese Infektions-Ordnung zum Großteil nur für die Armen und Hilflosen, die keinen „Sanitatis Magistrum“ oder sogenannte „Todten-Lasser oder Pest-Baader“ haben, vorgesehen ist, damit sie sich im Notfall umso besser danach richten und sich in Acht nehmen können, also wird im ürbigen allen und jeden geistlichen und weltlichen Obrigkeiten dadurch zugleich Anlaß gegeben, daß sie aus christlicher Liebe weitere gute Maßnahmen ergreifen, damit nicht nur diese Verordnung wohl beachtet

werde, sondern auch den armen Erkrankten sowohl die erforderliche Arznei als auch Nahrungsmittel beschafft werden und dadurch verhütet werde, dass diese des Öfteren bloß aus Mangeln an notwendigen Hilfsmitteln kraft- und hilflos zugrunde gehen müssen. Im Hinblick darauf soll denn auch in allen und jeden Apotheken dieses Landes von ihren Vorgesetzten Obrigkeiten ernsthaft vorgesorgt werden, dass die Apotheker die notwendigen Arzneien wohl bereithalten und dazu gute und frische Ingredienzien, die ihre Wirkung tun können, keineswegs aber alte oder verdorbene Sachen verwenden; auch sollen sie die Armen Seite | 69 und bedürftigen Leute mit dem Wert für die Arzneien nicht übervorteilen, sondern sich mit einem billigen und erträglichen begnügen. ENDE

Übersetzung in eine hochdeutsche Variante des 21. Jahrhunderts Wie man den Ausbruch der Pest vermeiden kann. 1. Jeder soll sich seinen Sünden stellen, beichten und sich an Gott wenden. Jeder soll erkennen, dass die Pest eine verdiente Strafe Gottes für sündhaftes Leben ist. Jeder soll beten, dass Gott diese Strafe aussetzen möge. 2. Die Menschen sollen sich nicht unnötig treffen, mäßig essen, Alkohol, stinkenden Käse, altes Obst, schlechten Most und Erdschwämme meiden, Körperhygiene betreiben, die Kleider lüften und keine Haustiere halten. Ratten und Mäuse seien durch Fallen, nicht durch Gift zu vertilgen, da sonst deren Körper an unerreichbaren Orten verwesen. Abfall darf nicht mehr auf die Gasse geleert werden. Die Räumung von Senkgruben soll an windstillen, kalten Tagen erfolgen. Waschen und Kerzenmachen darf nicht in Wohnhausnähe stattfinden. Fleischhauer sollen die Schlachttiere im Freien ausnehmen. Unbewohnte Zimmer sind zu lüften und zu räuchern. Treffen mit fremden, verdächtigen Personen sind zu meiden.

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