Mehr Qualität durch Privatisierung? Innovative Konzepte für öffentliche Dienstleistungen

July 27, 2017 | Author: Joachim Becke | Category: N/A
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Arbeitskreis Dienstleistungen

Mehr Qualität durch Privatisierung? Innovative Konzepte für öffentliche Dienstleistungen Expertengespräch II Sparkassen & Landesbanken: Unverzichtbar für kommunale Finanzen, regionale Strukturpolitik und Mittelstandsförderung? Expertengespräch des Arbeitskreises Dienstleistungen am Donnerstag, dem 22. Januar 2009 14:00 Uhr – 17:00 Uhr Friedrich-Ebert-Stiftung Hiroshimastraße 17 10785 Berlin

Ein Thesen- und Positionspapier zum Vortrag : „Die Rolle von Sparkassen und Landesbanken für die regionale Strukturpolitik und Mittelstandsförderung“ Von Stefan Gärtner Leseempfehlung: Dem eiligen Leser, der sich nur kurz auf das Expertengespräch am 22.01.2008 vorbereiten möchte, sei empfohlen, die als Thesen formulierten Überschriften 1-3 zur Kenntnis zu nehmen und die im Ausblick (Punkt 4) formulieren fünf Thesen genauer zu betrachten.

Intro: Auch in marktwirtschaftlichen Systemen greift der Staat direkt oder indirekt in das Marktgeschehen ein. Dies erfolgt dauerhaft um Marktversagen zu verhindern oder temporär um die Auswirkungen von Krisen abzumildern. Letzteres kann auf ein Minimum begrenzt werden, wenn ersteres gut funktioniert. Der Staat kann ins Wirtschaftsgeschehen eingreifen, indem er Unternehmen finanziell unterstützt, eigene Unternehmen gründet bzw. sich an diesen beteiligt und durch ein Niederlassungs- bzw. Konkurrenzverbot gegen Wettbewerber abschottet (z.B. im Post- und Energiemarkt). Darüber hinaus kann er Märkte regulieren oder private Wirtschaftsunternehmen verpflichten, bestimmte wirtschaftliche Funktionen zu übernehmen. Wirtschaftliches Handeln des Staates und öffentliche Leistungen stehen seit einigen Jahren auf dem Prüfstand: Auf allen politischen Ebenen (Bund, Länder, Kommunen) finden Auslagerungen, Privatisierung und die Einführung von Public-Private-Partner-Modellen statt bzw. wird zur Sanierung der öffentlichen Haushalte über eine Veräußerung des „Tafelsilbers“ nachgedacht. Im Bezug auf die kommunale Daseinsvorsorge ist zusätzlich die wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzung auf europäischer Ebene zu betrachten: Mit zunehmender Regelungskompetenz der EU greift das europäische Recht zwangsläufig in deutsche Traditionen der kommunalen Selbstverwaltung ein (z.B. Articus 2002: 7ff). Insbesondere in strukturschwachen und peripheren Räumen bedarf es besonderer Anstrengungen, um das jetzige Niveau an Versorgungsleistungen aufrecht zu erhalten. Zentral ist 1

Arbeitskreis Dienstleistungen dabei aus meiner Sicht, künftig öffentliche Leistungen und Daseinsvorsorge nicht allein aus einer Verwaltungsperspektive zu formulieren, sondern aus dem Verständnis, dass eine Region ein Ort ist, der sich über Institutionen, Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger definiert. Daseinsvorsorge ist nach diesem Verständnis aktivierend, koordinierend, steuernd und gewährleistend. Leitlinie sollte dabei sein, nicht am Althergebrachten festzuhalten, sondern eine möglichst hohe Lebensqualität zu erreichen. Dazu ist sowohl das Engagement der Bürgerinnen und Bürger als auch das der Unternehmen zu fördern und es sind neue kooperative Formen einer Daseinsvorsorge zu entwickeln. Neben einem neuen Rollenverständnis des Staates und seiner Versorgungsleistungen muss staatliches Handeln ordnungspolitisch begründbar sein; Vor- und Nachteile sind gegeneinander abzuwiegen. Dies soll im Folgenden für die Sparkassen und Landesbanken vor allem im Bezug auf ihre Rolle in der regionalen Strukturpolitik und für Mittelstandsförderung vorgenommen werden.

1. Nutzen von Sparkassen und Landesbanken: Nur die spezifische Funktionswahrnehmung kann eine öffentliche Rechtsform rechtfertigen Sparkassen sind öffentlich-rechtliche Institute mit einer langen Tradition, die sich vom philanthropischen Auftrag, der Förderung des Spargedankens ärmerer Bevölkerungsgruppen, zu regionalorientierten Universalbanken entwickelt haben. Als öffentlich-rechtliche Institute sind sie an ihren Träger, in der Regel Gemeinden, Kreise oder Zweckverbände, gebunden. Ihnen obliegt eine Vielzahl von Aufgaben, die unter dem Begriff „öffentlicher Auftrag“ subsumiert werden. Ein Grundsatz, der die Erfüllung des öffentlichen Auftrags sicherstellen soll, ist das Regionalprinzip. Danach dürfen Kredite nur an Institutionen, Unternehmen und Privatpersonen in der Region vergeben und auch nur dort Zweigstellen eröffnet werden. Ziel ist, dass in der Region angesparte Geld in erster Linie zur Förderung der einheimischen Wirtschaft und Bevölkerung einzusetzen. Sparkassen sind zwar vor Ort unabhängig, zugleich aber als eine Art lokaler Systemanbieter in einen komplexen Finanzverbund eingebunden. Die Landesbanken leisten in dem Verbund als Sparkassenzentralbanken insbesondere die Aufgaben der Zahlungsverkehrsabwicklung, der EDV-Entwicklung, des Liquiditätsausgleichs zwischen den Sparkassen sowie des Wertpapier- und Auslandsgeschäftes. Darüber hinaus übernehmen die Landesbanken - die sich in der Regel in einer gemeinsamen Trägerschaft von Bundesländern, weiteren Gebietskörperschaften und den Sparkassen befinden - weitere industriepolitische Aufgaben für die Bundesländer oder versuchen eigenständige Geschäftsfelder aufzubauen. Mit der Existenz der Sparkassen und Landesbanken gehen aus Sicht der Kritiker Nachteile einher. So wird häufig angeführt, dass Deutschland über zu viele Banken und Zweigstellen verfügt, wodurch sich entweder Bankdienstleistungen verteuern oder Bankrenditen reduzieren. In Deutschland sind davon eher die Renditen der Banken betroffen. Die privaten Banken

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Arbeitskreis Dienstleistungen sprechen von „strukturellen Mängeln des Bankenmarktes“, deren Ausdruck die Verschlechterung der Ertragslage aller Kreditinstitute sei (Bundesverband deutscher Banken 2004: 8). Die Kritik an den Landesbanken geht allerdings wesentlich weiter und hat einen realen Kern: Es fehlt den Landesbanken an einem tragfähigen Geschäftsmodell, das ihrer Bilanzsumme und Mitarbeiterstärke gerecht wird. Die fehlende geschäftliche Basis sowie die Renditeinteressen ihrer Eigentümer und der Führungselite trieben die Landesbanken in den vergangenen Jahren immer wieder zu riskanten Engagements, für die häufig der Steuerzahler aufkommen musste. Seit Jahren wird eine Zusammenlegung der Landesbanken zu einer oder weniger Sparkassenzentralbank(en) gefordert, die dann für die Sparkassen zentrale Aufgaben sehr kosteneffizient abwickeln könnte. Eine Neustrukturierung scheiterte bis jetzt am Widerstand der Ministerpräsidenten, die nicht auf eine eigene Landesbank verzichten wollten. Zwar übernehmen die Landesbanken als Sparkassenzentralbanken wichtige Aufgaben, allerdings stellt sich die Frage, ob sie in der jetzigen Struktur und Aufgabenwahrnehmung richtig aufgestellt sind. Vor dem Hintergrund, dass sich der Nutzen der Landesbanken für die regionale Strukturpolitik und Mittelstandsförderung nur schwer direkt aufzeigen lässt, beschränken sich meine Ausführungen zunächst einmal auf die Sparkassen. Der von den Systembefürwortern angeführte Nutzen, den Sparkassen erbringen, lässt sich grob in die folgenden vier Kategorien einteilen: Erstens tragen Sparkassen zu einem hohen lokalen Steueraufkommen bei. Zweitens haben sie eine erhebliche Bedeutung als Arbeitgeber und Ausbilder. Drittens erbringen sie durch Sponsoring, Spenden und Stiftungsausschüttungen in den Regionen wichtige Leistungen in der Kultur- und Sozialförderung. Nicht zu vernachlässigen ist in diesem Bereich die Gewinnausschüttung an die Kommunen und Kreise. Viertens haben sie - und dies entspricht ihrer eigentlichen Zweckbestimmung - eine wichtige Funktion als Finanzintermediäre. Sie ermöglichen den Zugang zu Finanzdienstleistungen für alle Bevölkerungsgruppen und Unternehmen in allen Regionen. Die drei vorgenannten Nutzen sind aus meiner Sicht Nebeneffekte, die aber für sich genommen die Betätigung der öffentlichen Hand im Bankensektor nicht rechtfertigen, sonst könnte der Staat mit der Begründung, dadurch Steueraufkommen zu generieren und Arbeitsplätze zu schaffen, auch als Metzger oder Bäcker auftreten.

2. Die besondere Funktion von Finanzintermediären rechtfertigt staatliches Handeln In den letzten 200 Jahren wurden weltweit immer wieder staatliche Finanzintermediäre auf regionaler oder nationaler Ebene gegründet, um die kreditwirtschaftliche Versorgung kleiner und junger Unternehmen in allen Regionen zu gewährleisten. Seit einigen Jahren wird allerdings von internationalen Institutionen (z.B. Internationaler Währungsfonds/IWF, World Trade Organisation/WTO), von Nationalstaaten, aber auch von der EU auf Deregulierung, Fusionierung regionaler Banken, Privatisierung und offene Bankenmärkte gesetzt, um – so die allgemeine Annahme – die Effizienz und damit einhergehend die allgemeine Wohlfahrt zu 3

Arbeitskreis Dienstleistungen erhöhen (Budd 1999: 118f, Martin 1999: 10ff). Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Staat durch die Entstehung großer (privater) Bankenkomplexe („too big to fail“) zum Einlenken gezwungen wird, um größeren Schaden abzuwenden. So führt die Finanzkrise gerade weltweit zu einer (Re-)Verstaatlichung großer international agierender Banken. Vielfach wird argumentiert, dass in Deutschland, einem Land mit einer gut funktionierenden Volkswirtschaft, die Existenz öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute mit einem Marktanteil von über 40% nicht erforderlich sei. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Sparkassen um keine zentralstaatlichen Banken handelt, sondern vielmehr um seinerzeit aus bürgerschaftlichem Engagement gegründete kommunale Banken, auf die der Zentralstaat keinen direkten Einfluss hat. Um zu prüfen, ob es gerechtfertigt ist, dass der Staat vorsorgend (durch Regulation bzw. Marktteilnahme) oder nachsorgend (durch die Spannung von Rettungsschirmen bzw. durch Verstaatlichung) eingreift, ist zu diskutieren, ob sich Bankenmärkte von anderen Märkten unterscheiden. In Bezug auf die öffentlich-rechtlichen Sparkassen, und ihrer Rolle in der regionalen Strukturpolitik, ist vor allem die asymmetrische Verteilung von Informationen zwischen Schuldnern und Gläubigern relevant. Asymmetrische Informationsverteilung bedeutet, dass der Kreditnehmer mehr über sich und sein Vorhaben weiß, als die Bank, die erst einmal die Informationen beschaffen, bewerten und im Zeitverlauf immer wieder aktualisieren muss. Eine Informationsbeschaffungsinvestition rentiert sich für eine Bank erst, wenn zu einem späteren Zeitpunkt kompensierende Geschäfte hinzukommen, was in einem wettbewerbsintensiven Bankenmarkt jedoch nur schwer zu realisieren ist. Investiert eine Bank im Rahmen einer Kreditwürdigkeitsprüfung in die Beschaffung kreditnehmerspezifischer Informationen, besteht die Gefahr, dass Konkurrenten das Ergebnis ihrer Prüfung erfahren, für diese Erkenntnisse jedoch deutlich geringere Kosten aufwenden müssen und daher dem potenziellen Kreditnehmer ein günstigeres Angebot machen können. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Informationsbeschaffung für Banken besonders aufwendig ist, wenn sie sich nicht in räumlicher Nähe zu ihren potenziellen Kreditnehmern befinden, daher ihre Kunden nicht persönlich kennen und die lokalen Märkte nicht einschätzen können. Fehlen Banken in räumlicher Nähe kann es infolge der damit einhergehenden aufwendigeren Informationsbeschaffung zu einer kreditwirtschaftlichen Unterversorgung kommen und es besteht die Gefahr, dass selbst erfolgsversprechende Investitionsvorhaben keine Finanzierung erhalten. Von einer mangelhaften regionalen Kreditversorgung wären insbesondere strukturschwache periphere Regionen betroffen, in denen sich Unternehmen aufgrund fehlender Kreditangebote nicht entsprechend entwickeln können. Das kann in einem sich selbst verstärkenden Prozess dazu führen, dass diese Regionen für Banken uninteressant werden. Eine mögliche kreditwirtschaftliche Unterversorgung ist aber nicht nur für strukturschwache periphere Regionen, in denen die Versorgung mit Banken mangelhaft ist, anzunehmen, sondern kann im Bereich der Existenzgründerfinanzierung auch für Regionen mit intensivem Bankenwettbewerb angenommen werden.

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Arbeitskreis Dienstleistungen Denn für Existenzgründer liegt keine Kredithistorie vor, das heißt, sämtliche Informationen sind neu zu beschaffen. Da es infolge von Informationsasymmetrien zu einer kreditwirtschaftlichen Unterversorgung von Regionen kommen kann, kann staatliches Handeln begründet werden. Informationsasymmetrien – so kann vermutet werden – treten dann in besonderem Maße auf, wenn die Kunden-Bank-Beziehung schwach ausgeprägt ist, was gerade dann eintritt, wenn Banken nicht in räumlicher Nähe vorhanden sind oder sie aufgrund sehr wettbewerbsintensiver Märkte nicht in die Beziehung und Informationsbeschaffung investieren.

3. Sparkassen: Die Beschränkung der Kapitalmobilität ist ordnungspolitisch zu vertreten und begünstigt eine ausgeglichene Regionalentwicklung! Dass Sparkassen wichtige Akteure für die regionalwirtschaftliche Entwicklung sein können, konnte durch mehrere Analysen einzelner Sparkassen nachgewiesen werden (Gärtner 2008, Gärtner/Rehfeld 2007). Die Ergebnisse zeigen, dass Sparkassen sowohl in städtischen Agglomerationen, einschließlich der zum Teil mit erheblichen Entwicklungsdefiziten behafteten Stadtteile, in sehr peripheren Regionen und in strukturschwachen Räumen die kreditwirtschaftliche Versorgung sicherstellen. Die Verantwortung, die sie für die Region übernehmen, ist Teil ihrer betriebswirtschaftlichen Kalkulation und stellt sich durchaus reziprok dar, denn das Regionalprinzip bindet sie an die Region. Dementsprechend lautet der allgemeine Leitsatz der Sparkassen, „wenn es der Region gut geht, geht es auch den Sparkassen gut“. Aber gilt dieser Satz auch umgekehrt? Geht es der Sparkasse wirtschaftlich schlecht, wenn es der Region schlecht geht? Da die Entwicklungsmöglichkeit einer Sparkasse von der regionalen Situation determiniert ist, besteht zumindest bei einer vordergründigen Betrachtung die Gefahr, dass Sparkassen in strukturschwachen Regionen bescheidenere Betriebsergebnisse aufweisen und damit die Region nicht in gleichem Maße unterstützen können bzw. bei der Kreditvergabe nicht dieselben Risiken eingehen können wie in prosperierenden Regionen. Eine schlechtere Ertragslage hätte aber nicht nur Auswirkungen auf eine schlechtere Kreditverfügbarkeit, sondern auch auf das gesamte Engagement der Sparkassen für die regionale Entwicklung. Analysen der Ertragssituation aller rund 460 Sparkassen in Deutschland und ihrer Geschäftsgebiete haben allerdings ergeben, dass Sparkassen in schwachen und peripheren Regionen genauso erfolgreich sind, wie in wohlhabenden städtischen Räumen, und sie in schwachen ostdeutschen Regionen sogar etwas erfolgreicher sind als in prosperierenden ostdeutschen Regionen (Gärtner 2008). Dass Sparkassen auch in schwachen Regionen erfolgreich sind, ist keine banale Erkenntnis. Im Gegenteil, wären Sparkassen in regionalen Krisenkreisläufen verhaftet, würden sie in schwächeren Räumen weniger für die regionale Entwicklung tun und wären langfristig in ihrer Existenz bedroht. Dies hätte wiederum Auswir-

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Arbeitskreis Dienstleistungen kungen auf die Bankenmarktstabilität und würde die aufgrund des Regionalprinzips der Sparkassen faktisch bestehende Einschränkung der Kapitalmobilität in Frage stellen.

4. Ausblick in fünf Thesen Die vorgestellten obigen Ausführungen weisen darauf hin, dass Bankenmärkte anders funktionieren als andere Märkte und regionale eigenständige Finanzintermediäre von volkswirtschaftlichem Interesse sind. Auch die Landesbanken lassen sich indirekt als Sparkassenzentralbanken rechtfertigen. Es lässt sich sogar behaupten, dass Sparkassen zum regionalen Ausgleich beitragen können, ohne dass das System öffentlich-rechtlicher Banken dazu eine staatliche Unterstützung erhält. Kann also alles so bleiben wie gehabt? Nein, denn erstens wurde lediglich die inhärente Fähigkeit der Sparkassenlandschaft skizziert; der strukturpolitische Nutzen ließe sich noch vergrößern. Zweitens ergeben sich für die Sparkassen aufgrund einer veränderten Wettbewerbssituation und der demographischen Entwicklung besondere Herausforderungen und drittens besteht, wie eingangs erörtert, Handlungsbedarf in Bezug auf die Landesbanken. Folgend werden fünf mögliche Ansatzpunkte zur Diskussion gestellt, wie sinnvoll auf die Herausforderungen zu reagieren ist. These 1: Sparkassen müssen sich klarer positionieren und sich der Region verpflichten Der Erfolg von Sparkassen, gerade in schwachen ostdeutschen Regionen - und damit deren Entkopplung von Krisenkreisläufen - widerlegt die Einschätzung internationaler Ratingagenturen, die einzelne Sparkassen aufgrund regionalwirtschaftlich schwacher Geschäftsgebiete abstufen. Es ist für Ratingagenturen nicht nachvollziehbar, dass Sparkassen gerade in peripheren Regionen aufgrund ihrer räumlichen und emotionalen Nähe Wissensvorteile und ein spezifisches „soziales Kapital“ herausbilden und damit durchaus erfolgreich sein können. Auch wenn damit nicht bewiesen ist, dass alle Sparkassen ihrer strukturpolitischen Aufgabe umfassend nachkommen, ist das dezentrale Sparkassensystem geeignet, Anregungen für die Regionalentwicklung in Europa zu liefern: Sparkassen in Deutschland unterstützen implizit gleichermaßen Lissabon-Ziele, also Wachstumsziele, und Ausgleichsziele, die in der EUVerfassung manifestiert sind. Dies sollten Sparkassen viel selbstbewusster kommunizieren und dabei eine dauerhafte Verpflichtung für regionales Engagement eingehen. These 2: Wissensvorteile nutzen Informationskapital, das zum Teil auf implizitem Erfahrungswissen beruht und nur in den Köpfen der Mitarbeiter existiert, stellt einen wesentlichen Vermögenswert regionaler Banken dar. Durch die Einführung IT-gestützter Scoring-Systeme oder Basel-II besteht die Gefahr, dass traditionelle, auf räumliche Nähe basierende Kunden-Bank-Beziehungen und der damit einhergehende Wettbewerbsvorteil an Bedeutung verlieren. Sparkassen müssen daher einen Weg finden, wie sie einerseits die sich aus dem Einsatz automatisierter und formalisierter Instrumente ergebenden Effizienzvorteile ausschöpfen und anderseits auch künftig Füh6

Arbeitskreis Dienstleistungen lungsvorteile nutzen und damit die regionale Entwicklung unterstützen können. Darüber hinaus besteht Untersuchungsbedarf hinsichtlich der Frage, wie Sparkassen das enorme Wissen über die regionale Wirtschaftsstruktur zielgerichteter für die regionale bzw. lokale Entwicklung einsetzen können. These 3: Erhöhung der Lebensqualität durch eine neues Verständnis von Daseinsvorsorge Sparkassen müssen Konzepte entwickeln, die Antworten darauf finden, wie Institute in stark schrumpfenden Räumen, in denen ein bestimmtes Maß an wirtschaftlicher Aktivität und Bevölkerungsdichte unterschritten wird, ihren Versorgungsauftrag erfüllen, die regionale Entwicklung unterstützen und gleichzeitig dauerhaft ausreichende Erträge erwirtschaften können. So sollten Sparkassen in schrumpfenden Regionen, aber auch in schwachen Stadtteilen, auf endogene Versorgung ausgerichtete Projekte unterstützen, anregen Daseinsvorsorge flexibel zu gestalten und bürgerschaftliches Engagement fördern. Dabei geht es nicht darum, sich von der nationalen bzw. globalen Ökonomie zu entkoppeln, sondern regionale Bindungen zu fördern und die Lebensqualität vor Ort zu verbessern. These 4: Neues Engagement und vom Ausland lernen Vor dem Hintergrund, dass Risiko- und Beteiligungskapitalfinanzierung an Bedeutung zunehmen, sollten Sparkassen sich verstärkt neuen Finanzierungsformen widmen. Denn auch bei diesen Finanzierungsformen verspricht räumliche Nähe Vorteile. Insbesondere im Bereich der Seed-Finanzierung, also der Finanzierung in der frühen Entwicklungsphase von Unternehmen, besteht in vielen Regionen eine Versorgungslücke. Ferner sollten Sparkassen kleinteilige Finanzierungsinstrumente (z.B. Micro-Lending), die an der spezifischen Situation in strukturschwachen Stadtteilen ansetzen, entwickeln. Solche Instrumente kommen vor allem in Ländern mit schlechter Versorgung mit Bankdienstleistungen zur Anwendung. So sind zum Beispiel in Großbritannien so genannte Community Development Financial Institutions (CDFI) bzw. Credit Unions zum Teil mit staatlicher Unterstützung entstanden. Dabei handelt es sich um verschiedene Arten von Non-ProfitFinanzintermediären, die in erster Linie für Mikro-Unternehmen und ärmere Bevölkerungsgruppen entsprechende Finanzprodukte anbieten. Diese Instrumente sind mitunter durchaus innovativ, weil sie beispielsweise ein anderes Sicherungssystem haben, das u.a. auf der individuellen bzw. kollektiven Verantwortung der Existenzgründer basiert. So wie das dezentrale Sparkassensystem Anregungen für andere Länder geben kann, können umgekehrt Erfahrungen anderer Länder Anregungen für die Sparkassen in Deutschland geben.

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Arbeitskreis Dienstleistungen These 5: Landesbanken neu strukturieren: Zeitfenster der bundesstaatlichen Hilfen nutzen! Da die Geduld der Bürgerinnen und Bürger für die Landesbanken Steuergelder aufzubringen schon lange ausgeschöpft ist, sind weitere Verluste unbedingt zu vermeiden. Der andernfalls drohende Reputationsverlust für das gesamte öffentliche Bankenwesen, worunter auch die Sparkassen zu leiden hätten, wäre fatal. Handlungsbedarf besteht aber auch deshalb, da sich Sparkassen zukünftig verstärkt dem Kostendruck stellen müssen. So trägt der Verbund zwar maßgeblich zum ökonomischen Erfolg der Sparkassen bei, jedoch werden dabei mögliche Mengeneffekte nicht voll ausgeschöpft. Seit langen wird daher über weitere Fusionen bei den Landesbanken nachgedacht bzw. der Zusammenschluss zu einer oder wenigen Sparkassenzentralbank(en) diskutiert. Eine solche Lösung hätte durchaus Charme, wenn sie aus Sicht der Sparkassen und regionalwirtschaftlich sinnvoll erfolgen würde. Würden mehrere Landesbanken/ Sparkassenzentralbanken übrig bleiben, wäre es wichtig, dass es sich dabei um zusammenhängende benachbarte Geschäftsgebiete handeln würde und nicht wie beispielweise bei der Übernahme der Sachsen LB durch die LBBW um sogenannte Sprungfusionen. Eine oder mehrere solcher Sparkassenzentralbanken müssten sich ausschließlich als Dienstleister für die Sparkassen positionieren und für sie zentrale Aufgabenbereiche übernehmen. Um diese Funktionen übernehmen zu können, müssten die Landesbanken von allen anderen Aufgabenbereichen bereinigt werden. Ob es sinnvoll ist, die Geschäftsbereiche, die keine Sparkassenzentralbankfunktion erfüllen, in landeseigene Förderinstitute zu überführen oder zu privatisieren, sollte in den Bundesländern entschieden werden. Bis jetzt fehlt es an einer übergreifenden tragfähigen Strategie bezüglich der Zukunft der Landesbanken und der Einleitung eines entsprechenden Willensbildungsprozesses im Kreise der Stakeholder und Eigentümer. Der von der EU Wettbewerbskommissarin jüngst geforderte Einstieg einzelner Landesbanken in das Privatgeschäft wäre aus meiner Sicht der falsche Weg und ordnungspolitisch kaum zu rechtfertigen und ökonomisch nicht sinnvoll. Aufgrund der Notwendigkeit der Landesbanken auf Finanzhilfen des Bundes zurückzugreifen besteht aktuell ein Zeitfenster für eine grundlegende Neustrukturierung der Landesbanken, was unbedingt zu nutzen ist. Dies ist vor allem deshalb kein einfacher Prozess, da die Landesbanken unterschiedlich aufgestellt sind. So haben beispielsweise einige Landesbanken regional spezifische Kompetenzen aufgebaut (z.B. die Nord/LB mit der Schiffsbaufinanzierung oder ihrer regionalwirtschaftlichen Beratung von Kommunen und Regionen), deren Anwendung volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Bei einer wie auch immer gearteten Lösung ist darauf zu achten, dass solche Kompetenzen nicht achtlos über Bord geworfen werden. Die Finanzkrise bietet darüber hinaus grundsätzlich die Chance, über die Rolle des Staates und seiner Versorgungsleistungen nachzudenken und ein differenziertes Konzept einer modernen in regionale Zusammenhänge eingebetteten Daseinsvorsorge zu skizzieren. 8

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Dr. Stefan Gärtner INSTITUT ARBEIT UND TECHNIK INNO - Innovation, Raum & Kultur Munscheidstr. 14 D-45886 Gelsenkirchen Fon: +49 (0) 209.17 07 - 164 Fax: +49 (0) 209.17 07 - 110 Mail: [email protected]

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