Jakobskirche in Urphar. Südseite

November 22, 2016 | Author: Werner Schmitz | Category: N/A
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1 Jakobskirche in Urphar. Südseite phot. Hampe Die Jakobuskirche in Urphar am Main Von f Eugen Grether, Wertheim Ur...

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Jakobskirche in Urphar. Südseite

phot. Hampe

Die Jakobuskirche in Urphar am Main Von f E u g e n

G r e t h e r , Wertheim

Urphar, ein kleines Dorf m it etwa 500 Ein­ wohnern, liegt oberhalb W ertheim an einer engen Mainschleife. Der Fluß kom m t von Norden, schlingt sich um das Himmelreich, einen kleinen, dunkelbewaldeten Bergrücken auf der bayrischen Seite, und setzt seinen W eg geradewegs wieder nach Norden fort bis zum Dorf Eichel. V or Eichel befindet sich die Schleuse. Der gestaute M ain ist breiter ge­ worden, die Talsohle enger. Der W iesenstrei­ fen auf der badischen Seite ist schmal. Die Straße zieht sich unterhalb der Leite hin, die hier steil gegen den Fluß abfällt. An der 322

Schleife schiebt sich auf nordbadischem Ge­ biet eine Bergnase vor, an deren Abhang die Häuser kleben wie die Schwalbennester unter dem Dach eines Bauernhauses. Eng und steil winden sich die Gassen den Berg hinan. Die Häuser stehen in einzelnen Reihen. Den Sinn dieser Gäßchen kann man erst dann ver­ stehen, wenn man hört, daß sie im Volksmund „Feuerlöschgäßchen“ genannt werden. Sogar kleine Treppen klettern den Hang hinauf, um die Gassen m iteinander zu verbinden. Bei einem Brand bildeten früher die Einwohner vom Main her durch die Gäßchen eine Kette,

die Eimer wurden von Hand zu Hand ge­ schwungen und auf diese Weise der Brandherd erfolgreich bekämpft. Über dem Dorf erhebt sich die Jakobus­ kirche, eine echte, m ittelalterliche W ehrkirche. Sie ist fast von allen Seiten der Umgebung sichtbar und bildet einen krönenden Abschluß des an den Hang hingeschmiegten Dorfes. Sie kann auf ein stattliches A lter zurückblicken. Der Turm, der ursprüngliche Teil der Kirche, diente m it der alten W ehrmauer, die sich etwa 2 m hoch um den kleinen Friedhof herumzog, der Verteidigung. Die Mauer war an mehreren Stellen m it Schießscharten versehen. Nur eine Schießscharte ist heute noch an der Südseite des Kirchturmes sichtbar. Die alte Mauer an der südlichen Grenze des Kirchhofes wurde vollständig abgetragen, da der Gottesacker erw eitert wurde. Die Bekrönung der Mauer, die Zinnen, sind an keiner Stelle mehr sicht­ bar. Auf den Kragsteinen am Turm und am Langhaus ruhte früher vielleicht einmal ein hölzerner W ehrgang. Es ist aber auch möglich, daß hier eine Überdeckung angebracht war, die eine A rt V orhalle bildete. Daß die Kirche der letzte Zufluchtsort der Bewohner war, beweisen auch die verschiedenen Kämpfe, die um die Kirche und auf dem Friedhof ausgefochten wurden. Der Name „U rfare“ findet sich zuerst in der Gründungsgeschichte des wenige Kilo­ m eter entfernten Klosters Holzkirchen im Jahre 775. König Karl der Große bestätigte die Schenkung verschiedener G üter aus dem W aldsassengau, darunter auch solche von „U rfare“. Von dem W ehrturm, der sich da­ mals über dem D orf erhob, sind nur noch die Fundamente erhalten. Ende des 10. Jahr­ hunderts wurde der Turm auf den alten Grundm auern wieder aufgebaut und an der O stseite m it einer Apsis versehen. A n die Apsis schloß sich 1340 das Chorgewölbe an; Apsis und Chor bildeten die ursprüngliche Kirche. Der Eingang befand sich vermutlich im W esten; Reste einer Außensockelausbil­

dung links neben der Kanzel lassen auf einen ehemaligen Eingang an dieser Stelle schließen. Ursprünglich wurde der Chor oben durch eine waagrechte Decke abgeschlossen. In der M itte des 14. Jahrhunderts aber wurde ein Kreuz­ bogengewölbe eingezogen. Dem Einfluß der frommen Gräfin Elisabeth von W ertheim ist es wohl zuzuschreiben, daß um das Jahr 1296 das Kirchenschiff angebaut und m it dem Chor und der Apsis durch einen großen spitzbogen­ förmigen Durchbruch verbunden wurde. U nter der fachmännischen Leitung von O berbaurat Hampe (Karlsruhe) wurden die Renovierungsarbeiten in der Urpharer Kirche in den Jahren 1949—1953 durchgeführt. Die aus dem 13. und 14. Jahrhundert stammenden W andmalereien wurden nach langwieriger A r­ beit von Restaurator und Kunstmaler Feuer­ stein (Neckarsteinach) und Kunstmaler Sudeck freigelegt. Die Arbeit war mühselig und zeit­ raubend; denn es m ußten etwa fünf Tünche­ schichten abgetragen werden, bis die bemalte Schicht zum Vorschein kam. Es war ein großes Maß von Sorgfalt, Geduld und vor allem technisches Können notwendig, um dieser schwierigen A rbeit gerecht zu werden. Jetzt blicken die vorher weißgetünchten W ände m it verhaltener Farbenpracht auf den erstaunten Beschauer nieder. Das ganze Gotteshaus wird beherrscht von der hohen G estalt des Christus, der in der sanften W ölbung der Apsis, in die M andorla eingemalt, m it einem weißen Gewand beklei­ det, die beiden von den Nägelmalen gezeich­ neten Hände segnend erhebt. Es sind spre­ chende Hände. Ihr habt meine Hände durch­ bohrt, Ich segne euch. Das Angesicht, in dem sich Liebe und Strenge paaren, schaut hoheits­ voll auf die Andächtigen nieder. Aus dem M und des Erlösers ragt das zweischneidige Schwert, das Schwert des Geistes, das den W idersachern des heiligen W ortes m it dem Tode droht. Das M otiv der Darstellung ist m it nicht unbedeutenden Abweichungen der Offenbarung des heiligen Johannes entnom ­ men. Auch die Füße des Christus tragen die 323

Der Hauptzugang von Norden mit dem romanischen Wehrtor des Kirchenburgbezirkes. heiligen W undmale. Zur Rechten der wunder­ baren G estalt Christi erheben sich der Cherub und der Löwe, der Engel als Symbol des Evan­ gelisten M atthäus und der mächtige Löwe als Sinnbild für den Evangelienschreiber Markus. Auf der linken Seite thront am äußersten Ende der stolze Adler, den Lieblingsjünger Jesu, den Evangelisten Johannes, symbolisie­ rend, und daneben der Stier, das Sinnbild des 324

Evangelisten Lukas. Alle G estalten tragen große Flügel, die ausgespannt in den blauen Himmel hineinragen, der die Apsis ausfüllt und m it goldenen Sternen übersät ist. Das gesamte Bild ist monumental gemalt und übt auf den andächtigen Beschauer eine die Seele in den Tiefen erschütternde W irkung aus. Auf der N ord- und Südwand des Chores erheben sich je sechs gemalte gotische Spitz­

Die Kirchentüre des Langhauses aus Eichenholz m it eisernem Beschlag. (Zustand vor der Instandsetzung) bogen, unter deren schwungvollen Schweifun­ gen die würdigen G estalten der zwölf Apostel sichtbar sind. Über den Spitzbogen ragen Wimperge, Ziergiebel, empor; die Wimperge über den Aposteln Petrus (Südwand) und Judas Thaddäus (Nordwand) sind m it dem Fischblasenmuster ausgefüllt. Die anderen ent­ halten alle den Vierpaß, ein vierblättriges K leeblatt in einem Kreisbogen. Vierpaß und

Fischblasen sind auf dunklem, fast schwarzem Grund gemalt. Zwischen den Ziergiebeln stei­ gen schlanke, zierliche Fialen, gotische Spitz­ säulen, in die Höhe, die oben in einer ein­ fachen Kreuzblume enden. An den Kanten sind die W imperge reich besetzt m it Krabben oder Kantenkriechblumen und oben sind sie von der Kreuzblume gekrönt. Rechts und links der W imperge über den Fenstern fallen 325

dem Beschauer zwei Türmchen in die Augen. Diese Türmchen gleichen dem Abschluß eines m ittelalterlichen Bergfriedes m it zwei vier­ eckigen Schießscharten. Der rostrote Grund, von dem sich alle diese bauwerklichen Be­ malungen in hellem Ocker vorteilhaft ab­ heben, ist von gelben, leuchtenden Sternen übersät. An der Südwand, rechts vom Beschauer aus, beginnt die Reihe der Apostel m it dem hei­ ligen Bartholomäus, dessen Rechte ein Messer zückt und dessen Linke einen Stock über die Schulter hält; an diesem Stock hängt die Kör­ perhaut des Heiligen. V on seinen W ider­ sachern wurde ihm um des Glaubens willen bei lebendigem Leib die H aut abgezogen. Die G estalt trägt ein helles Untergewand und einen hellen Überwurf m it dunklen Falten. Der Heiligenschein ist hell. Der zweite Apo­ stel, Jakobus der Ältere, hält in der Rechten die Muschel, das Zeichen der Pilger. Das dunkle, schwarze Untergewand wird über­ deckt von einem roten M antel. Der Heiligen­ schein ist schwarz. O hne weiteres zu erken­ nen ist der Apostel Petrus, m it dem Schlüssel in der rechten Hand. Über das helle U nter­ gewand ist ein dunkles Obergewand gewor­ fen; der Heiligenschein ist hell gemalt. Paulus ist m it dem Schwert als A ttribut abgebildet. Der Apostel m it dem einfachen Kreuz ist Philippus. Der letzte in dieser Reihe ist der Apostel Johannes. Das A ttribut in der Hand ist nicht genau zu erkennen, wahrscheinlich stellt es aber einen Kelch dar. Die N ordwand zeigt von links nach rechts, immer vom Beschauer aus, folgende Figuren: Die erste würdige G estalt legt die eine Hand auf den rechten Arm der Nebenfigur und ist m it keinem A ttribut versehen. Der Apostel rechts davon ist ebenfalls ohne Abzeichen ge­ malt. Er erhebt wie mahnend den Zeigefinger der rechten Hand. Über dem rostroten U nter­ gewand schimmert ein ockergelber M antel. Es folgt dann M atthäus m it dem Buch in der Linken, der Zeigefinger der Rechten ist wie lehrend erhoben. Rechts vom zugemauerten 326

Fenster erhebt sich die Gestalt des Judas Thaddäus. Die rechte Hand umklammert ein Beil. Die zwei nächsten Figuren sind nur schwer erkennbar. Nur die Umrisse sind noch schwach vorhanden. Alle Figuren wurden um das Jahr 1340 nach der Einwölbung des Chores gemalt. Das L a n g h a u s wurde im Jahre 1297 vollendet. Die Figuren der Apostel heben sich alle sehr vorteilhaft von einem hellblauen Grunde ab. Leider sind von dem hellblauen Ton nur noch schwache Überreste vorhanden. U nten finden die Figuren einen Abschluß durch ein ziemlich breites Zickzack­ band; die dadurch entstehenden Vierecke sind links in Weiß, rechts in R ostrot gehalten. U n­ ter dem Band zieht sich ein faltiger Vorhang­ abschluß hin. Auf jeder Seite sind zwei W eihe­ kreuze sichtbar (ein Kreuz in einem Kreis­ bogen), die schon früher vorhanden waren. Die ursprüngliche Kirche, die aus Apsis und Chor bestand, enthielt zwölf solcher W eihe­ kreuze; die W ände im Langschiff trugen die­ selbe Anzahl. Rechts vom Eingang des Kirchenschiffes ge­ w ahrt man einen Hahn, dunkel gemalt, eine W arnung an die Gläubigen, wachsam zu blei­ ben im Glauben und m it abschweifenden Ge­ danken den Herrn nicht zu verleugnen. Der Hahn ist derart gemalt, daß er an die mo­ derne abstrakte Malerei erinnert. Dem unbefangenen Besucher der Urpharer Kirche wird es kaum einfallen, nach M alereien an der Südwand zu fragen; denn die Süd­ wand wird verdeckt durch eine auf Holzsäulen ruhende Empore. Derselbe zweistöckige A uf­ bau befindet sich auch an der Nordwand. Bei der Renovierung wurden die Emporen etwas verlängert, weil vorn im Chor die sogenannte „Lindelbacher Empore“ vollständig entfernt wurde. Diese Empore war den Gläubigen des Dorfes Lindelbach Vorbehalten. Heute ist sie nicht mehr notw endig; denn die Lindelbacher verfügen jetzt über eine eigene Kirche. Durch die Entfernung dieser Empore wurde der Blick auf die Apsis frei.

Jakobakirche in Urphar: Innenraum U nten im Kirchenschiff ist nur der braune tudiartige Abschluß der Malerei zu sehen. Wie die natürlichen Falten eines Vorhanges fällt das Tuch. Steigen wir die Treppe an der W est­ wand hoch, dann werden wir überrascht durch die überlebensgroße Figur des heiligen Michael, des gewaltigen Erzengels. Seine in braunen Umrissen gem alten Flügel bedecken einen großen Teil der Wandfläche. Das in geschmackvolle Falten gelegte Gewand zeugt

phot. Hauss

von hohem künstlerischen Können. Die heute schwarz hervortretenden Stellen sollen ur­ sprünglich rot gewesen sein. In der Hand hält Michael die W aage des Gerichts. Die M en­ schenseelen werden gewogen. Rechts vom Be­ schauer sitzt in der Waageschale die ver­ dammte Seele; die Waageschale schnellt nach oben, die Seele ist zu leicht befunden. Es ist nicht anders möglich, denn zwei scheußliche, dickbäuchige Dämonen beherrschen und be­ 327

Apostel. Wandmalerei v. 1340. Ausschnitt von der Südwand des Turmchores. gleiten sie. Die andere Waageschale zieht nach unten, die Seele hat das Maß, um von dem Engel, der sie beherrscht und leitet, in den Himmel eingeführt zu werden. Gewaltig sind die Proportionen des Erzengels, seine Gestalt heischt Ehrfurcht, von seinem A ntlitz leuchtet strenge Milde. Neben dem Erzengel wird die W and durch ein schmales, gotisches Fenster unterbrochen. 328

Es ist so schmal, daß man annehmen kann, daß es einst als Schießscharte Verwendung ge­ funden hat. Das Gotteshaus war eben eine ausgesprochene W ehrkirche. Die Bedrohung der Bevölkerung durch in das Land einge­ brochene Feinde war im M ittelalter groß. Besonders die Ungarn und M ongolen waren sehr gefürchtet. Um sich vor solchen plündern­ den Feindscharen wirksam zu schützen, wur­ den diese W ehrkirchen gebaut.

St. Jakobus. Ausschnitt aus der Wandmalerei von 1340 im Turmchor. Der Spitzbogen des kleinen gotischen Fen­ sters ist verziert m it allerlei seltsam gewun­ denen Linien. Es ist die Frage aufgeworfen worden, was diese rhythmisch geführten Linien zu bedeuten hätten. Es ist schwer, eine A nt­ w ort zu geben. Der Spitzbogen ist ja das Symbol für die betend erhobenen Arme und Hände des Andächtigen, so könnte man sich vorstellen, diese sinnvoll geschwungenen 22 Badische Heimat 1959

Linien geben das Leben wieder, das in den Armen und Händen des Betenden pulsiert. Das ganze Leben des Menschen strebt nach oben. Es lebt in der Sehnsucht nach Gott. Neben dem Fenster erhebt sich die würdige G estalt des heiligen Jakobus des Ä lteren. Die Rechte hält den Pilgerstab, und auf der lin­ ken Seite erkennt man deutlich die gestreifte Muschel. Jakobus ist der Patron der Pilger und 329

Einzelheiten von der Ausmalung 1297. Matthäm-Engelsymbol in Tünchfreslco aus der Apsis. (2. Malschicht) frommen W allfahrer, die früher heraufpilgerten zum Kirchlein, um sich hier dem andäch­ tigen Gebet und der Fürbitte zu widmen. Oberhalb der zweiten Empore zieht sich ein teppichartiger Fries entlang. Er wird abge­ schlossen durch ein m it Blättern und Ranken verziertes Band. Die W andmalerei wird leider durch ein viereckiges Fenster unterbrochen, das erst später zur Erhellung der Empore an­ 330

gebracht wurde. Der Fries beginnt m it der Szene „Jesus in G ethsem ane“. Statt des hilf­ reichen Engels hat der M aler nur die wunder­ bare tröstende Hand gemalt, die sich dem ringenden Heiland von oben nähert. Jetzt erscheint Judas, der V erräter, und gibt Jesus den Judaskuß. Gut gezeichnet sind die m ittel­ alterlichen Kriegsknechte in eisernem Helm und Harnisch. Jesus trägt nun das Kreuz nach

Einzelheiten von der Ausmalung 1297. Erzengel als Seelenwäger in echter Freskotechnik (1. Malschicht) auf der Südwand des Langhauses. Golgatha, der ganze Schmerz des Leidens ist über diese G estalt ausgegossen. Nach der Kreuzigung folgt die Grablegung. Die Frauen sind gefolgt und umstehen das Grab. Sie sind gekleidet in die Gewänder des M ittelalters und tragen zum Teil die für das M ittelalter typischen Kopfbedeckungen. Die Bildreihe in ihrer künstlerischen Geschlossenheit zeigt,

daß der Maler sich in sein Thema versenkt hatte, und Form und Farbe die richtigen M it­ tel waren, um seinen religiösen Erlebnissen lebendigen Ausdruck zu verleihen. Fast die ganze Höhe der W and hat die überlebensgroße Figur des heiligen Christophorus eingenommen. Er trägt das Jesuskind­ lein über den Fluß, ein treffendes Symbol für 331

Altar nach der Neuordnung mit dem alten Kruzifix. U r p h a r ; d e n n Urphar bedeutet (nach Rommel) „Ü berfahrt", nach der hier über den M ain führenden befahrbaren Furt. Leider ist der untere Teil der Figur beschädigt durch Einflüsse der W itterung. M an kann aber noch deutlich erkennen, wie der Heilige in der Rechten den gewaltigen Stab hält. Er ist ihm Stütze, wenn er, das Jesuskind auf dem Arm, den breiten Fluß durchschreitet. 332

Die Südwand war sehr feucht, erst durch die Renovierung wurde dieser Nachteil beho­ ben. Viele poröse Tonröhrchen (System Knapen), die in die W and eingebaut wurden, sorgen dafür, daß das W asser im Gemäuer des Gotteshauses nicht mehr hoch steigen kann. N ur auf diese A rt ist es möglich, in Z ukunft diese w ertvollen W andmalereien zu erhalten, daß auch die kommenden Geschlech­

Einzelheit der Ausmalung des Turmchores von 1340 (teilaufgedeckt). Architektur goldocker, schwarz und weiß konturiert, roter Orund mit weißen Sternen. Tünchetechnik. ter sich an ihrem Anblick erbauen und see­ lisch stärken können. W enden wir uns nun der O rgel zu, die hier oben auf der Empore aufgestellt ist. Zwei kleine, kunstvoll geschriebene Urkunden ge­ ben Kunde von den beiden Orgelbauern, die an ihr gearbeitet haben. Die eine lautet: Er­ baut von Johann Konrad W ehr, Orgelmacher, M arktheidenfeld, Januar 1780; die andere gibt kund: W iederhergestellt Georg Friedrich Steimeyer und Co., Orgel- und Harmoniumbau, Ö ttingen, Bayern, Dezember 1952. Fast zweihundert Jahre beträgt die Z eit­ spanne, die zwischen den A rbeiten der beiden Orgelbauer liegt. Auf den Bau neuer Register hat man verzichtet, dafür zehn alte Register hergerichtet. Die abgegriffenen Tasten wurden geebnet und an ihrer V orderseite die feine, rote, etwas verschnörkelte Verzierung heraus­

gehoben. Der Blasebalg hat jetzt elektrischen Antrieb. Neue hölzerne Pedale kamen hinzu, und für den Organisten wurde eine neue O rgelbank beschafft. Luftig und duftig steigt das geschnitzte Rokokogehäuse in die Höhe. Es ist feine Filigranarbeit, die das Schnitzmesser des Künstlers hervorzauberte. Lebendig steigt das zierliche Gerank empor und wird hin und wie­ der von muschelartigen Gebilden unterbro­ chen, die sich harmonisch in das Ganze einfügen. M att glänzen dazwischen die aus ech­ tem Zinn hergestellten Orgelpfeifen und ver­ leihen dem Gesamtwerk einen gediegenen Ausdruck. Der T on der Orgel ist dem nicht sehr großen Kirchenraum angepaßt. Der O rgelbauer hat sich bemüht, dem Instrum ent den Ton zu geben, den es vermutlich früher gehabt hat. Der Beschauer fühlt bei diesem 333

Blick aus der Sakristeitüre in den Turmchor (vor der Instandsetzung) Anblick eine andächtige Freude in sich auf­ steigen, wenn er dieses zierliche, in seinen M aßen der kleinen Kirche angepaßte K unst­ werk betrachtet. Er wird entrückt in die Zeit unserer V orfahren und muß heute noch die Opferfreudigkeit des Bürgers Georg Flegler von Urphar bewundern, dessen Stiftung die Kirche die Orgel verdankt. So ist zu lesen in der Chronik von Urphar, die der verdiente 334

Heimatforscher Gustav Rommel in Karlsruhe geschrieben hat. Nach den in der Orgel ge­ fundenen Originalschriften war Konrad W ehr aus M arktheidenfeld der Orgelbauer, Bendel sein M itarbeiter bei der Aufstellung. Der Holzschnitzer des entzückenden Gehäuses ist nicht genannt. Bei den Renovierungsarbeiten wurde in der alten Kirche am A ltar ein Grab freigelegt.

Altarplatte und Ostfenster der Sakristei mit dem Tempera-Wandbild (Hl. Burkhard) des Meisters der Altarpredella. Die Bodenplatte, die gehoben wurde, war frü­ her wahrscheinlich eine A ltarplatte; denn in der M itte wies sie eine Vertiefung auf, wie sie angebracht wurde, wenn ein Reliquien­ kästchen eingelassen war. Am Rand waren Bleidübel vorhanden. M an nimm t an, daß hier irgendein Altarschmuck, ein Kruzifix oder dergleichen befestigt war. Als die Platte be­ seitigt war, begann die vorsichtige Grabung

unter der Leitung des Restaurators Feuerstein. In der M itte war der Boden locker, während er am Rand festgetreten war. Es wurde ein Holzsarg freigelegt, dessen Deckel eingebro­ chen war. Ein Beckenknochen kam zum V or­ schein, dann morsches Holz. M it Spachtel und Pinsel wurde weitergearbeitet und das Skelett bis zu den Knien freigelegt. Die Arme lagen an der Seite des Körpers. Es wurde keine Bei­ 335

Blick von der ehemaligen „Lindelbacher Empore “ auf das Balkengestühl des Kirchenschiffes (vor der Wiederherstellung). gäbe, kein Schmuckstück und keine Zugabe entdeckt. Der Sarg hatte eine Länge von 190 cm, die Breite maß 55 cm, die Tiefe 80 cm. Kein Anzeichen deutet an, was für eine Persönlichkeit hier die letzte R uhestätte gefun­ den hat. Nebenan befindet sich eine Steinplatte, auf der ein Kelch eingemeißelt ist, ein Zeichen dafür, daß es sich um ein Priestergrab handelt. Es wurde bis jetzt nicht geöffnet. In der Nähe des Kanzelfußes ist eine Steinplatte einge­ lassen, die das Zeichen des Fisches trägt. Es war das geheime Erkennungszeichen der ersten Christen. Das griechische W ort Ichthys heißt 336

Fisch. Es setzt sich zusammen aus den A n­ fangsbuchstaben folgender griechischer W orte: Jesus Christos theü hyös soter, auf deutsch: Jesus Christus, Gottes Sohn, Erlöser. A n dem Zeichen des Fisches erkannten sich die ersten Christen in ihrer heidnischen Umwelt. Ende des 15. Jahrhunderts wurde an die N ordwand des Chores eine Beichtkapelle an­ gehängt. Das gotische Fenster wurde zuge­ m auert und unter ihm eine Türe durchge­ brochen. Die m it handgeschmiedetem Beschläg und interessantem altem Schloß versehene Tür trägt oben auf dem Türbogen ein kleines, aus

Blick auf das instandgesetzte Balkengestühl des Langhauses und die Kirchentüre. rotem Sandstein ausgehauenes W appen; es zeigt eine zierliche Muschel und dahinter den Pilgerstab. Es ist das Zeichen des heiligen Jakobus des Ä lteren, des Schutzpatrons der Kirche und aller frommen Pilger und W all­ fahrer. Auf dem Spruchband, das sich von rechts nach links schlingt, ist die Jahreszahl 1497 in gotischen Ziffern eingemeißelt. Zwi­ schen zugemauertem Fenster und Türe schmückt ein Blumenornament m it Ranken den Raum. Diese barocken Ausmalungsüber­ reste stammen wahrscheinlich aus dem Jahr 1699; denn dieselbe M alerei ist auch auf dem

Giebelfeld des hohen Spitzbogens, der in das Langhaus führt, zum Teil noch sichtbar. Das Band, das sich unter der M alerei hinschlingt, trägt die Jahreszahl 1699. Die aus Kiefern­ holz gezimmerte Türe in die Beichtkapelle (jetzt Sakristei) ist m it einfachem gotischem Eisenbeschläg versehen. Daß diese W and früher Außenwand des kleinen Gotteshauses war, kann man auch an dem freigelegten Rundstab erkennen, der oberhalb des Sockels um die ganze Kirche herum führt. A n der O stw and der Sakristei erhebt sich ein mächtiger Sandsteinaltar. In der M itte ist 337

Blick aus dem Chor ins Langhaus (nach der Instandsetzung) eine kleine Öffnung zu erkennen, die Reliqua, ein kleiner Reliquienschreim, der ein zerbro­ chenes, blaugrünes Glasgefäß m it den letzten sterblichen Resten eines unbekannten H eili­ gen enthält. In der Nähe von jedem Altareck ist ein einfaches Kreuzlein eingemeißelt. Diese Kreuze sind m it Salböl geweiht und die Über­ reste des eingetrockneten Öles heute noch sichtbar. H inter dem Altar ist eine viereckige 338

Fensteröffnung, außen durch starke Eisen­ stäbe vergittert. Auch von N orden fällt das Licht durch ein von einem Rundbogen abge­ schlossenes Fenster herein. Es ist durchaus möglich, daß dieser Rundbogen schon einmal an einer anderen Stelle der Kirche Verw en­ dung gefunden hatte. Er stam m t noch aus der romanischen Bauperiode. Die kleinen Scheiben sind in W abenform geschnitten und

Jakobskirche in Urphar. Ostansicht. in Blei eingelassen. Ein sechsteiliges Kreuz­ gewölbe schmückt die Sakristei; die Rippen ragen frei ohne Stützen aus der W and heraus und wölben sich in schöngeschwungenem Bogen hinauf zur Decke. A n den Kreuzungs­ punkten sind Schilde angebracht, und zwar sehen wir an der Südwand die W ertheimer Rose, gegenüber an der N ordseite die Traube. Sie soll das älteste Ortswappen von Urphar

phofc. Hauss

sein. Das Schildchen im W esten zeigt ein römisches N, überragt von einem einfachen Kreuzzeichen. Es stellt möglicherweise ein Handwerkerzeichen dar. Links vom Fenster an der O stseite erblikken wir das Bildnis des heiligen Ulrich (nach Rommel), wieder andere verm uten in der Figur den heiligen Burkard von W ürzburg oder gar den Bischof Kilian von W ürzburg. 339

U nter dem roten M antel schimmert ein rosa U nterkleid hervor. Der M antel wird vorn durch eine kunstvoll geschmiedete Spange zusammengehalten. In der linken Hand hält er den Bischofsstab, der oben m it einem Klee­ blattkreuz verziert ist, die rechte hebt er be­ schwörend in die Höhe, die drei Schwurfinger sind deutlich hervorgehoben. Das entblößte Haupt des ehemaligen Bischofs von Augsburg, der Ende des 1. Jahrhunderts seine W ürde ausübte, ist von einem Heiligenschein um­ geben. Ulrich hielt sich selbst in strenger Zucht und führte ein einfaches, mönchisches Leben. Zu Füßen des Heiligen liegt ein Jüng­ ling; dieser stützt sich m it dem linken Arm auf die Erde, während der rechte hilfehei­ schend erhoben ist. Die Augen des jungen M annes sind geschlossen. Er macht den Ein­ druck, als ob er in Ohnmacht gefallen oder von einem epileptischen Anfall heimgesucht worden wäre. Jedenfalls w endet er sich in seiner N o t an den Heiligen, daß er ihn von seiner K rankheit befreien soll. Der H inter­ grund des Bildes ist m it einer phantastischen Landschaft ausgefüllt. Zwischen den Bäumen hindurch sieht man die Dächer von Häusern schimmern. Ein Teil der W and rechts vom Fenster wird von der Figur des heiligen Johannes ausge­ füllt. Die linke Hand umklammert den schöngeschweiften dreiteiligen Fuß eines goldenen Kelches, aus dem sich die alte Schlange, die Feindin des Menschen, em porwindet und dro­ hend ihr giftiges H aupt erhebt. Aber Johannes kennt keine Furcht; die drei Finger seiner Rechten beschwören den bösen Zauber, daß er keine Macht ausüben und der menschlichen Seele nicht schaden kann. Das m attgrüne U n­ tergewand wird durch einen roten Überwurf zum größten Teil verdeckt. Johannes geht bar­

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fuß wie ein frommer Büßer. Blondgelocktes Haar um rahm t sein edelgeformtes Gesicht. Auch auf diesem Bild wird der M antel durch eine goldene Spange zusammengehalten. Der H intergrund ist wieder ausgefüllt m it einer Landschaft, zwischen den Bäumen erkennt man Architektur, unter anderem eine Kirche. Beide W andgemälde sind von einem roten, gemal­ ten Rahmen eingefaßt. An der Südwand steht eine alte gotische Truhe, die früher den Kirchenschatz enthielt. Sie ist geschmückt durch schwarzes Eisenbeschläg. Die Fußleiste weist eigenartige orna­ mentale Verzierungen in Schwarz auf. Es ist Blatt- und Rankenwerk, das sich bandartig über die breite Leiste hinzieht. Die Blätter sind herzförmig und werden unterbrochen durch bogenförmige Bänder und schwarze Ringe. U nm ittelbar neben der Türe, die durch die Südwand ins Freie führt, befindet sich eine rechteckige V ertiefung m it einem ausge­ hauenen Waschbecken. Die Tiefe des Wasch­ beckens beträgt etwa 4 cm; die Ecken sind abgerundet, und ein Abfluß leitet das W as­ ser in einer einfachen Sandsteinrinne nach außen. Um die Beichtkapelle w ebt sich eine schöne Sage. Hier soll sich eine Zeitlang eine Grafentochter von W ertheim versteckt gehalten haben, die von dem Pfarrer und den hiesigen Einwohnern m it Lebensm ittel versorgt wurde. Die Grafentochter hatte sich hierher geflüch­ tet, um einer unliebsamen Ehe m it einem ihr nicht genehmen Verehrer auszuweichen. Der alte Graf w ollte sie unbedingt m it dem von ihm ausgesuchten M ann verheiraten. Als dann die Gefahr einer zwangsweisen Vermählung vorüber war, kehrte die junge Gräfin M arga­ rete (so nennt sie der Volksmund) wieder auf das W ertheim er Schloß zurück.

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