Jahre Dauerkrise und kein Ende in Sicht

August 16, 2017 | Author: Greta Lehmann | Category: N/A
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1 . global news : Der Fluch der bösen Tat: 10 Jahre Dauerkrise und kein Ende in Sicht Seit nun schon 10 Jahren befi...

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Der Fluch der bösen Tat: 10  Jahre Dauerkrise und kein Ende in Sicht g l o b a l n e w s 3 4 7 4 3 0- 0 5- 1 6 :

Seit nun schon 10 Jahren befinden wir uns, noch immer ohne Aussicht auf rasche Besserung, in der 2007 ausgebrochenen längsten und tiefsten Krise  des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Dieser Rundbrief versucht e r n e u t , eine Bilanz zu ziehen, und zeigt, was geschehen müßte. Er kommt fast 3.500  Rundbriefe später, nachdem ich vor mehr als 11 Jahren mit dem Infoportal  und den Rundbriefen meine eigene Kritik an der neoliberalen Globalisierung von Handel und Finanzen und deren Exzessen gestartet habe. Die galt damals noch als unanfechtbar. Albrecht Müller (Bestsellerautor und Herausgeber der  NachDenkSeiten), für den die Globalisierung ein alter und ungefährlicher Hut  war, warf mir damals Panikmache vor. Für Leser aus früheren Zeiten enthält  der Rundbrief notwendigerweise einiges an "Déjà- vu", wenn auch auf der Basis neuer Daten. * * * * * Die meisten fortgeschrittenen Industrieländer, vor allem die USA, Deutschland  und Großbritannien, haben über die vergangenen Jahrzehnte ihr s o z i a l e s Gewissen eingestampft u n d - so neoliberal gewandelt - d i e   L ö h n e   d u r c h   Import billigster Arbeitskraft (ex China u. Co.) und forcierte Automatisierung stark unter Druck gesetzt. Hemmungslose Globalisierung galt fortan als Wundermittel. Im Ergebnis hat sich das Arbeitseinkommen der Haushalte seit Mitte der 70er Jahre total von der Produktionsleistung entkoppelt, wie das Beispiel der USA zeigt (Abb. 19268). In Deutschland war die Entwicklung ähnlich (Abb. 18269). Das Ganze wurde flankiert durch harte Einschnitte ins  soziale Netz, in Deutschland durch die Hartz-G e s e t z e , d i e d a s

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Arbeitslosengeld auf nur noch ein Jahr beschränkten und die L e i h a r b e i t a l s Dauerzustand erleichterten, sowie durch mehrfache Steuersenkungen für die  Wohlhabenden (in Deutschland Senkung des Spitzensteuersatzes, Abschaffung der Vermögenssteuer, Einführung der niedrigen Kapitalertragssteuer, u.s.w.).

Im Ergebnis ist über die letzten Jahrzehnte eine Welt entstanden, in der die  Vermögen so konzentriert sind wie nie zuvor seit mehr als 100 Jahren.

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Überall, wo der Kapitalismus in seiner neoliberalen F o r m u n t e r w e g s i s t , b i s nach China, vertieft sich der soziale Graben allen Warnungen zum Trotz mit rasanter Geschwindigkeit. Das oberste 1 % der Weltbevölkerung (47 Mio. Menschen) bezieht bereits 29 % aller Einkommen und besitzt nun nahezu die Hälfte des Weltvermögens. Andererseits entfallen auf 80 % der  Weltbevölkerung gerade noch 5,5 % des Weltvermögens. Die ärmere Hälfte  d e r Weltbevölkerung besitzt so viel wie die reichsten 80 Milliardäre. In den  USA halten nach einer neueren Studie von Emmanuel Saez und Gabriel Zucman (University of California, Berkeley und L S E i n L o n d o n ) g e r a d e e i n m a l 160.000 Familien oder die obersten 0,1 % der Bevölkerung mit  durchschnittlich 73 Mio. $ mehr als ein Fünftel des US Vermögens oder etwa  s o v i e l w i e 9 0 % der amerikanischen Bevölkerung zusammen. In Deutschland  verfügten 2013 nach Daten aus dem Bundessozialministerium die oberen 10  % der Haushalte über 52 % des Nettovermögens, während es im Jahr 1998  n o c h 4 5 % g e w e s e n waren. Bekannte Experten, wie Piketty, Milanovic und Bourguignon, warnen, daß  diese Entwicklung nicht abebben sondern sich unaufhaltsam verstärken wird,  wenn die Regierungen nicht dagegen antreten. Milanovic erwartet eine am Ende unerträgliche Situation mit einer Plutokratie und andererseits  nationalistischem Populismus und stellt die Frage, ob der demokratische Kapitalismus das  ü b e r l e b e n   w i r d .   D i e   L ö h n e   s t a g n i e r t e n auch in Deutschland viele Jahrzehnte lang, wobei sie sich zusätzlich aufspalteten in ein stark steigendes Lohnniveau der Leitenden Angestellten und negative bis stagnierende Lohnentwicklungen in anderen Lohngruppen darunter (vom Statistischen Bundesamt immer noch "Leistungsgruppen" genannt, als erbrächten die besser Entlohnten die höheren  Leistungen). So sind die Löhne und Gehälter selbst der vollzeitbeschäftigten  Fachkräfte in Deutschland verbraucherpreisbereinigt kaum über das Niveau  von 15 Jahre zuvor gestiegen (Abb. 18412). Dazu beigetragen hat auch, daß  Deutschland anders als die meisten entwickelten  I n d u s t r i e l ä n d e r   b i s   2 0 1 6   keinen Mindestlohn hatte.

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S o i s t d e r A n t e i l d e r Niedriglöhner m i t w e n i g e r a l s 6 0 % d e s b e r e i t s gedrückten mittleren Lohns von noch 18,7 % 1995 auf 2 4 , 4 % 2 0 1 3 i m m e r weiter angestiegen (Abb. 19265). Gleichzeitig haben sich schlechter entlohnte Leiharbeit und Arbeit auf Basis von unsicheren Zeitverträgen sowie  Teilzeitarbeit enorm ausgebreitet. In Vollzeitäquivalenten liegt die Zahl der  Erwerbstätigen kaum über dem Niveau von vor 16 Jahren (Abb. 18768).

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Der nun in Deutschland endlich eingeführte Mindestlohn v o n 8 , 5 0 E u r o p r o Stunde hat Ausnahmen und kann nach der neuesten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts auch noch durch Anrechnung von Urlaubs- u n d Weihnachtsgeld gedrückt werden. Er lag gemessen am mittleren Stundenlohn  der Vollzeitbeschäftigten 2015 bei nur 48 % (also e r h e b l i c h u n t e r d e r Armutsschwelle von 60 %) am unteren Ende der westeuropäischen  Vergleichsstatistik (Abb. 19266). Um zu einem existenzsichernden Lohn zu kommen, müßte er um 20 % höher a u f 1 0 , 6 3 E u r o a n g e h o b e n w e r d e n , w o b e i j e t z t - schon wegen der arbeitsuchenden Flüchtlinge - Anhebungen nicht zu erwarten sind. Der deutsche Mindestlohn liegt in Westeuropa ohnehin sehr niedrig und wird nur noch von den Krisenländern Spanien, Griechenland und  Portugal unterboten (Abb. 19145).

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Kein Wunder, daß sich bei einer solchen Entwicklung große Anteile der  Bevölkerungen m i t   A u s g a b e n   z u r ü c k h a l t e n müssen, nicht zuletzt auch, weil  sie Altersarmut auf sich zukommen sehen und immer mehr Menschen wegen der demografischen Entwicklung kein stützendes Familiennetz mehr zur Hilfe  haben. Auf der anderen Seite hat sich überall Kinderarmut und Armut  Jugendlicher ausgebreitet; die zwischen 18 und 25 Jahren sind von allen Altersgruppen derzeit i n D e u t s c h l a n d m i t f a s t j e d e m V i e r t e n a m m e i s t e n

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armutsgefährdet. (Ein Team um Neurowissenschaftler der Duke University in North Carolina/USA hat in einer aktuellen Studie sogar herausgefunden, daß  kontinuierlicher Stress bestimmte Genabschnitte im Erbgut  b e e i n f l u ß t ,   d i e   wiederum psychische Erkrankungen begünstigen können. Die Versuche  zeigten, daß jene Kinder, die in armen Verhältnissen aufgewachsen sind, eine verstärke Methylierung jenes Gens aufwiesen, das für den Transport des  sogenannten "Glückshormons" Serotonin verantwortlich ist.)  D i e s e S i t u a t i o n , d i e a u c h i n d e n a n d e r e n entwickelten Industrieländern  anzutreffen ist, besonders in denen mit hoher Verschuldung der Haushalte, z w i n g t   d i e   V o l k s w i r t s c h a f t e n   n u n   i n   e i n e   d e f l a t i o n ä r e   D a u e r k r i s e. V o r dem Ausbruch d e r g l o b a l e n K r e d i t k r i s e 2 0 0 7 k o n n t e n d i e N o t e n b a n k e n d i e bereits stagnierenden Arbeitseinkommen noch durch Öffnen der  Kreditschleusen auffangen. Bei stagnierenden oder rückläufigen  L ö h n e n   g a b   es so zum Ausgleich mehr Kredit per Plastikgeld oder großzügigste  Hypotheken. Diese Blase ist dann geplatzt, und bei stark verschuldeten Haushalten und Unternehmen und oft kaputten Banken fällt die Ankurbelung  des privaten Verbrauchs über mehr Kredit natürlich aus. Auch staatliche  Ausgabenprogramme sind wegen der starken Überschuldung vieler Staaten kaum noch möglich.  Im Ergebnis sind die Zuwachsraten der Volkswirtschaften der entwickelten Industrieländer seit Beginn der 80er Jahre immer weiter  g e f a l l e n und ist auch die jährliche Steigerung der Verbraucherpreise drastisch gegen nur noch 1 % zurückgegangen (Abb. 19270). Die jährliche  Veränderungsrate des Verbrauchs privater Haushalte in Deutschland krebst um  nur noch 1 % herum. Zwischen 1971 und 2000 betrug der durchschnittliche jährliche Zuwachs noch 2,6 %, seitdem sind es nur noch 0,7 % (Abb. 19272).

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In Deutschland ändern die von den Gewerkschaften durchgesetzten letzten  Lohnsteigerungen daran wenig, weil ein großer Teil der Unternehmen und  Arbeitnehmer außerhalb der Tarifhoheit operiert (Abb. 19202, 17018) und weil  diese Lohnsteigerungen keinen Einfluß auf den wuchernden Niedriglohnsektor  haben.

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Bisher unternehmen die Regierungen nichts gegen die immer mehr zunehmende soziale Aufspaltung der Bevölkerungen, obwohl sie dafür die  Instrumente haben, z. B. Wiedereinführung der Vermögenssteuer und Erhöhung  der Erbschafts- und Kapitalertragssteuern zur Finanzierung angemessener Mindestrenten und eines bedingungslosen Grundeinkommens, Anhebung des Mindestlohns bei Abwehr von lohnunterbietendem Dumping aus dem Ausland (über Importe oder Wirtschaftsflüchtlinge), sowie Maschinensteuern, falls die 

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Arbeitgeber Lohnerhöhungen durch Einsatz von mehr Automaten auszuhebeln  versuchen. In ihrem verzweifelten Bemühen, die deflationären Konjunkturbremsen dennoch  zu überwinden oder mindestens zu lockern, versuchen es die N o t e n b a n k e n seit einiger Zeit mit real negativen Z i n s e n ( A b b . 1 9 2 6 7 ) u n d e i n e r gigantischen Liquiditätsschwemme aus der Notenpresse. Sie sehen sich dabei  als "the only game in town", weil die Regierungen weitgehend untätig bleiben,  und können daher erwarten, daß ihnen die Regierungen keine Vorwürfe  machen, auch wenn beispielsweise die EZB längst außerhalb ihrer  Zuständigkeit handelt. Doch diese  P o l i t i k   d e r   N o t e n b a n k e n   s t ö ß t   a u f   zunehmende Widerstände und Risiken. Erstens zeigen negative Zinsraten  überdeutlich, daß die Krise anhält und noch schlimmer geworden ist, was die Bereitschaft zum Konsum oder zu Investitionen stärker bremsen kann, als der  umgekehrte Effekt niedriger Finanzierungskosten. Zweitens schafft extreme Notenbankpolitik das Risiko, Preise für Finanzanlagen zu verfälschen und neue  Blasen zu erzeugen. Außerdem kommen die hochgetriebenen Preise für  Finanzpapiere ganz überwiegend den Wohlhabenden zugute und v e r t i e f e n damit die soziale Spaltung weiter.

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E s i s t höchste Zeit, daß die Regierungen ihrer eigenen Verantwortung  f ü r   d a s   W o h l   i h r e r   L ä n d e r   e n d l i c h   g e r e c h t   w e r d e n.   D i e   H e b e l   d a f ü r   h a b e n   s i e , a u c h wenn das nicht den besser Betuchten in der Gesellschaft gefallen kann. Die Alternative ist eine Auflösung des gesellschaftlichen Konsenses mit  noch schlimmeren Folgen. Das droht mit dem E r s t a r k e n d e r A f D a u c h i n Deutschland. Also noch einmal: Wiedereinführung der Vermögenssteuer und  Erhöhung der Erbschafts- und Kapitalertragssteuern zur Finanzierung angemessener Mindestrenten und eines bedingungslosen Grundeinkommens, Anhebung des Mindestlohns bei Abwehr von lohnunterbietendem Dumping aus dem Ausland (über Importe oder Wirtschaftsflüchtlinge), sowie  Maschinensteuern, falls die Arbeitgeber Lohnerhöhungen durch Einsatz von  mehr Automaten auszuhebeln versuchen. N u r s o w i r d d a s S y s t e m w i e d e r einigermaßen auf die Beine zu stellen sein und nur so wird ein soziales  Chaos verhindert werden können.

* * * * * H i e r  k ö n n e n   S i e   d i e s e n   R u n d b r i e f   b e w e r t e n . Bisherige Kommentare ab nächsten Tag hier.

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