Flugsicherheit. Ausgabe 3 / Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände. Bundeswehr

September 16, 2017 | Author: Guido Hartmann | Category: N/A
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Flugsicherheit Ausgabe 3 / 2008

Foto Guido Sonnenberg • Bildbearbeitung www.schaltwerk.eu

Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände

Bundeswehr

Flugsicherheit Ausgabe 3 / 2008

Heft 3 September 2008 - 45. Jahrgang

Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände

Flugsicherheit Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände

Titelfoto: Guido Sonnenberg on www.schaltwerk.de „Flugsicherheit“, Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände der Bundeswehr Herausgeber: Luftwaffenamt General Flugsicherheit in der Bundeswehr Redaktion: Hauptmann Klemens Löb, Tel.: 02203 - 9083124 Luftwaffenkaserne 501/07 Postfach 906110 51127 Köln [email protected] [email protected] Gestaltung: Hauptmann Klemens Löb GenFlSichhBw Erscheinen: dreimonatlich Manuskripteinsendungen sind direkt an die Schriftleitung zu richten. Vom Verfasser gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Schriftleitung oder des Herausgebers dar. Es werden nur Beiträge abgedruckt, deren Verfasser mit einer weiteren Veröffentlichung einverstanden sind. Weiterveröffentlichungen in Flugsicherheitspublikationen (mit Autoren- und Quellenangaben) sind daher möglich und erwünscht. Druck: SZ Offsetdruck-Verlag Herbert W. Schallowetz GmbH 53757 Sankt Augustin

Editorial

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Ein kurzer Flug

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Habit Pattern

8

Sicherheitsmanagementsysteme in der Luftfahrt

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Bravo - gut gemacht!

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Do you have a Safety Culture?

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Flugberatung & Flugsicherheit

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(K)ein Tag wie jeder andere

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Learning the hard way

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Personalien

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Editorial KAUM ZU GLAUBEN! Im Schnitt einmal pro Woche verliert ein Luftfahrzeug der Bundeswehr ein Außenteil. Es handelt sich dabei in den meisten Fällen um kleine Teile wie Zugangs- oder Abdeckungsklappen, die entweder nicht korrekt geschlossen wurden oder aber gänzlich vergessen wurden zu schließen. Gott sei Dank ist dabei bisher kein größerer Schaden entstanden. Nun bedarf es nicht der Expertise meiner Dienststelle, um Ihnen die Gründe für den Verlust der Außenteile näher zu erläutern. Die Hitliste der Bemerkungen für die Gründe auf den Zwischenfallberichten wird angeführt von: Kann nicht mehr nachvollzogen werden, dicht gefolgt von: Wahrscheinlich vergessen. Natürlich wird auch immer auf die Belehrung für das betroffene Personal verwiesen. Nun wissen wir alle, dass Menschen Fehler machen und Fehler zu bestrafen bedeutet, dass man sie verschweigt und damit nicht mehr Anderen die Möglichkeit bietet, daraus zu lernen. Aber müssen wir, auch wenn stets unterschiedliche Personen betroffen sind, die gleichen Fehler wiederholen? Ich habe keine Patentlösung für das Problem, aber in meiner über 30jährigen aktiven Fliegerei hat es mir geholfen, aufgetretene Probleme als solche bewusst mental abzuspeichern. So ist es mir meistens, so glaube ich jedenfalls, gelungen, genau bei dieser Handlung besondere Sorgfalt walten zu lassen. Versuchen Sie es doch einmal, schaden kann es nicht !

Wie Sie wissen oder auch nicht führen wir 3 mal pro Jahr in Fürstenfeldbruck das Seminar für Fliegerisches Führungspersonal der Bundeswehr durch. Das Seminar dauert von Montag bis Donnerstag, steht grundsätzlich offen für alle Dienstgrade und umfasst ganz gewollt auch alle anderen am Flugbetrieb beteiligten Bereiche, wie Technik, Fluglotsen oder die Medizin. Bisher waren die Kurskritiken stets positiv. Leider war das für das letzte Seminar im Mai nicht der Fall. Hier musste u. a. der kurzfristige Ausfall von Referenten überbrückt werden, nicht jeder Vortragende hat sich an der Themenvorgabe orientiert und ich selbst konnte nur am ersten Tag persönlich anwesend sein. Die berechtigte Kritik der Seminarteilnehmer war Anlass das Seminar so zu überarbeiten, dass es zukünftig wieder die gestellten Anforderungen voll erfüllt und als das Aushängeschild der Weiterbildung im Bereich Flugsicherheit dienen kann. Also nutzen Sie die Möglichkeit dieser Weiterbildung. Unsere Übersicht zeigt noch erhebliche Lücken bei der Teilnahme des Führungspersonals der Fliegenden Verbände.

In dieser Ausgabe finden Sie einige Beiträge, die gezielt „Schwachstellen“ herausstellen, teilweise mit glücklichem aber auch tragischem Ende. Wiederholen Sie Fehler der Vergangenheit nicht. An dieser Stelle nochmals mein Appell an Sie, verehrte Leserin und Leser. Lassen Sie uns teilhaben an Ihren Fehlern bzw. den von Ihnen erlebten Situationen, aus denen Lehren gezogen werden können. Gerne sind wir Ihnen bei der Darstellung und Gestaltung für einen Beitrag in dieser Zeitschrift behilflich.

Schmidt Brigadegeneral

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Flugsicherheit

Ein kurzer Flug von OSFw d. R. Karl Heinz Weiß Bilder wurden aus der Flugunfallakte entnommen und überarbeitet

Der hier geschilderte Unfall ist ein Musterbeispiel dafür, wie Zeitdruck und die Summe mehrerer Nachlässigkeiten oder Unterlassungen zu einem Fiasko führen können. Es zeigt, dass jeder in der Checkliste aufgeführte Punkt wichtig ist und auch unter Eile seine Relevanz behält. 2

Zeitdruck rechtfertigt nicht das Weglassen von Inspektionspunkten. Auch zeigt sich hier, dass ein - aus Zeitmangel - nicht durchgeführtes CrewBriefing fatale Folgen nach sich ziehen kann. Ferner zeigt sich wieder einmal, wie wichtig die Kommunikation innerhalb der Crew ist. Bedingt durch starke Regenfälle im Herbst 1964, starke Schneefälle im Winter 1964/65, die erst Ende Mai 1965 einsetzende Schneeschmelze und starke Regenfälle im Frühling wurde im gesamten süddeutschen Raum ein Hochwasser ausgelöst. Besonders

stark betroffen war die Donau. Sie stieg in Passau auf fünf Meter über dem Normalstand an. In diesem Hochwasser waren 21 Tote zu beklagen. Am 14. Juni 1965 wurde das in Ahlhorn beheimatete Lufttransportgeschwader 62 (LTG 62) außerhalb der normalen Dienstzeit gegen 18:00 Uhr für einen Katastrophen-Einsatz alarmiert. Dazu sollten 13 Flugzeuge in Ahlhorn starten, in Bremen eine Last von je 3,5 to (Sandsäcke) laden und diese nach Neubiberg bringen. Um diese Zuladung zu gewährleisten, wurde befohlen, die Tankgruppen B bei allen zum Einsatz kommenden Flugzeugen zu enttanken. Die erste Maschine startete um 18:44 Uhr. Als Angehöriger der technischen Bereitschaft hatte der Gefreite Sch. die Tankgruppen B der GB+235 enttankt. Wie gewöhnlich verblieb bei diesem Vorgang eine geringe Restmenge in den Tanks. Die enttankte Kraftstoffmenge trug er mit rotem Stift in die

DD-Form 781-2 des Bord- und Wartungsbuches ein. Der Durchflussmengenmesser im Cockpit wurde von ihm allerdings nicht zurückgedreht. Die Gesamtvorratsanzeige im Cockpit auf dem Instrumentenbrett zeigte immer noch die maximale Betankung von 5.060 l an, obwohl 1.600 l enttankt waren und die Vorratsanzeigen für die Tankgruppen B die Enttankung anzeigten. Um 22:00 Uhr traf der Bordmechaniker Feldwebel H. beim Flugzeug ein. Der Wart meldete ihm die Enttankung der Tankgruppen B. Vom Bordmechaniker war kein Anzeichen zu erkennen, dass er die Meldung wahrgenommen hatte. Er übernahm die Maschine und begann mit seiner Vorfluginspektion. Unter anderem öffnete er auch die Deckel der einzelnen Tanks und leuchtete mit einer Taschenlampe hinein.

Den zum Bordgerätesatz gehörenden Peilstab benutzte er aber nicht zur Kontrolle der Füllstände. Zur selben Zeit begann der Bordfunker mit der Überprüfung der Funksprech- und Navigationsgeräte. In der Regel benötigte ein Bordmechaniker für die Durchführung der Vorfluginspektion, in Abhängigkeit vom Rüstzustand, Beladung oder Witterung, etwa eine Stunde. Wie Feldwebel H. später zugab, hatte er die automatische Segelstellung- und Reversionsanlage (Startanlage) nicht überprüft, weil das aus seiner Sicht zu viel Zeit in Anspruch genommen hätte. Sie war seiner Ansicht nach nicht nötig, da sie bei Nichtbenutzung zu keiner Fehlfunktion von Triebwerken oder Luftschrauben führen konnte und viele Piloten diese Anlage beim Start sowieso nicht einschalteten.

Um 22:20 Uhr trafen der Pilot Major F. und der Copilot Stabsunteroffizier C. beim Flugzeug ein. Major F. war, mit kurzen Unterbrechungen, von 19:00 bis 22:00 Uhr in Geschwadergefechtsstand beschäftigt. Er wusste, dass alle Flugzeuge in Bremen mit 3,5 to Sandsäcken beladen werden sollten und die Behältergruppen B bei allen in Frage kommenden Flugzeugen enttankt sein sollten. Feldwebel H. meldete ihm das Flugzeug startklar. Er verschwieg allerdings, dass er die Startanlage nicht überprüft hatte. Die gesamte Cockpitcrew nahmen die mit Rotstift in die DD-Form 781-2 eingetragene Enttankung nicht zur Kenntnis. Bei dem vorgeschriebenen Check vor dem Start meldet der Bordmechaniker den Tankgruppenwahlhebel für die Tankgruppe A in Stellung „geöffnet“. Sowohl der Pilot wie auch der 3

Flugsicherheit

Copilot versäumten es aber, sich von der Stellung der Tankgruppenwahlhebel zu überzeugen. Die Startautomatik, die bei einem Motorausfall die Luftschraubenblätter automatisch in Segelstellung fährt, wurde nicht überprüft und auch für den Start nicht eingeschaltet. Nach dem Anlassen der Triebwerke und der Rollfreigabe für Runway 09 rollte das Flugzeug zur Startbahn. Während des Rollens fiel dem Piloten auf, dass die Anzeige für die Tankgruppen B unterschiedliche Werte anzeigten. Der Zeiger für die Tankgruppe B links zeigte einen geringen Füllstand an, während der Zeiger für die Tankgruppe B rechts sich im unteren Bereich befand. Der Bordmechaniker erklärt ihm, dass der Zeiger für diese Tankgruppe hängen würde. Da ihm beim Abarbeiten der Checkliste vor dem Anlassen der Motoren gemeldet wurde „Tankgruppe A geöffnet“, hatte er keinen Zweifel daran, dass die Triebwerke ihren Treibstoff auch aus dieser Tankgruppe beziehen würden. Beim Abbremsen der Triebwerke ergaben sich keinerlei Beanstandungen. Gegen 22:40 Uhr wurde vom Kontrollturm die Startfreigabe erbeten. Auch jetzt wurde die Startanlage nicht eingeschaltet.

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Nach dem Aufstellen und Ausrichten der Maschine auf der Startbahn 09 führte der Pilot den Start durch. Der Startvorgang verlief bis zu einer Geschwindigkeit von ca. 80 kts normal. Bei dieser Startgeschwindigkeit überprüfte der Pilot - wie in der Checkliste vorgesehen - die Instrumente. Dabei konnte er keine Unregelmäßigkeiten feststellen. Durch den Bordmechaniker wurde das störungsfreie Arbeiten der beiden Triebwerke gemeldet. Genau in diesem Augenblick bemerkte der Bordfunker das Aufleuchten der Kraftstoffminimaldrucklampe, was er über die Bordsprechanlage den beiden Flugzeugführern meldete. Von deren Seite erfolgte aber keine Reaktion. Der Triebwerkausfall wurde vom Copilot etwas früher bemerkt als vom Pilot, der noch mit der Überprüfung der Instrumente beschäftigt war. Dass die Kraftstoffminimaldrucklampe brannte, bemerkte er aber nicht. Der Copilot trat in das Seitenruder und zog die Steuersäule voll nach hinten. Im Augenblick des Triebwerkausfalles fühlte der Pilot einen Steuerdruck im Seitenruder. Den Triebwerkausfall selber stellte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Er vermutete, dass

sich ein Propellerwahlhebel - wie schon öfters vorgekommen - während des Startvorganges aus der Schalterstellung herausbewegt hatte und dadurch dieser Steuerdruck auftrat. So lässt sich auch sein Befehl „Gas - Prop vor“ erklären. In diesem Fall wäre die Störung sofort korrigiert worden. Nun wurde er aber von dem Triebwerkausfall überrascht. Durch den weit über normal angehobenen Bug war ihm die Sicht nach vorn zur Startbahn genommen. Er brach den Start nicht ab, sondern entschloss sich zu einer Bauchlandung auf dem seitlich der Startbahn gelegenem Grassteifen. Nachdem das Flugzeug abgehoben hatte, ließ er das Fahrwerk durch den Bordmechaniker einfahren und behielt auf dem linken Triebwerk Volllast bei. Die Luftschraube des rechten Triebwerkes wurde nicht in Segelstellung gefahren. Das Flugzeug reagierte bei dieser Geschwindigkeit, die nahe der Strömungsabrissgeschwindigkeit lag, nicht auf das Seitenruder. Nach einem kurzen Flug in niedrigster Höhe und bei minimaler Geschwindigkeit - das Fahrwerk war inzwischen eingefahren - bekam es nach ca. 250 m erste Bo-

denberührung mit dem unteren Teil des rechten Leitwerkträgers. Kurz danach setzte der Rumpf auf dem Boden auf. Das rechte Triebwerk drehte ohne Leistung mit und berührte mit den Propellerspitzen den Boden, die rechte Fläche streifte den Boden. Nach weiteren 250 m kam das Flugzeug - mit einer weiteren Drehung nach rechts - seitlich rutschend - zum Stillstand. Bedingt durch die letzte Drehung neigte sich die Nora nach links und schlug mit der linken Fläche auf den Boden. Sie kam fast 180° entgegengesetzt der Startrichtung schwer beschädigt zum Stillstand. Durch das noch laufende linke Triebwerk und durch die Bodenberührung wurde der Propeller an den Blattspitzen stark beschädigt. Eine Spitze riss ab und durchschlug die linke Rumpfseite. Der Copilot und der Bordfunker verließen bei noch laufendem linken Triebwerk das Flugzeug. Nach dem Abstellen des linken Triebwerkes verließen der Bordmechaniker und - als letzter - der Pilot das Flugzeug. Bei der Enttankung, die sofort nach dem Unfall durchgeführt wurde, wurden 2950 l enttankt. Davon entfielen auf die Tankgruppe B links ca. 150 l und auf die Tankgruppe B rechts 0 l. Die Tankgruppen B waren also ungleichmäßig enttankt worden. Der Unfalluntersuchungsausschuss stellte in seinem Abschlussbericht fest: „Motorausfall beim Start bedeutet immer eine kritische Situation. Diese kritische Situation braucht jedoch nicht zu einem Unfall führen, wenn die Voraussetzungen für einen Startabbruch so günstig liegen, wie in diesem Fall. Bei sofortigem Startabbruch hätte noch genügend Startbahnlänge zur Verfügung gestanden, um das Flugzeug auf der Startbahn zum Stehen zu bringen. Der Pilot hatte sich jedoch entschlossen, den Start fortzusetzen, um auf einem südlich der Startbahn gelegenen Grasstreifen eine Bauchlandung 5

durchzuführen. Dieser Entschluss war falsch. Auch die beabsichtigte Bauchlandung auf dem Grünstreifen gelang nicht. Dem Piloten ist nicht bewusst, ob er die falsche Entscheidung von sich aus getroffen hat oder er durch das Eingreifen des Copiloten in die Führung des Flugzeuges in seiner Entscheidung beeinflusst wurde. Der Copilot hatte den Bug des Flugzeuges durch Ziehen an der Steuersäule soweit angehoben, dass der Pilot nach Aufsehen vom Instrumentenbrett keine Sichtverbindung mehr zur Startbahn hatte. Es ist höchstwahrscheinlich, dass der Pilot durch das Eingreifen des Copiloten in die Führung des Flugzeuges in dieser kritischen Situation in seiner Entscheidung erheblich beeinflusst wurde. Laut Checkliste ist bei einem Triebwerksausfall der Start abzubrechen und folgendermaßen zu verfahren: - Gashebel zurück - Bremsen (evtl. Notbremsung) falls erforderlich: - Feuerlöscher auf - Zündung und Batterie aus - Fahrwerk ein Sofortiges Verlassen des Flugzeuges. Durch entsprechende Beachtung wäre dieser Unfall wahrscheinlich verhindert worden. Da der Pilot sich jedoch nicht über die noch zur Verfügung stehende Startbahnlänge im Klaren war, entschloss er sich, nicht stufenweise gemäß Checkliste vorzugehen, sondern sofort das Fahrwerk einzufahren. Anstatt hierzu den Überbrückungsschalter zu benutzen, dadurch das Fahrwerk am Boden einzufahren, riss er das Flugzeug mit zu geringer Geschwindigkeit, unter Beibehaltung der Startleistung auf dem linken Triebwerk, vom Boden, um das Fahrwerk normal einfahren zu können. Auf diese Weise glaubte er, schneller zum Ziele zu kommen (Fahrwerk ein). Dabei wurde übersehen, 6

Bild: Traditionsgemeinschaft LTG 63 Hohn

Flugsicherheit

dass auf Grund dieser Entscheidung eine Gefährdung von Flugzeug und Besatzung herbeigeführt wurde. Die automatische Segelstellung war nicht eingeschaltet. Bei eingeschalteter Startautomatik wäre die Luftschraube des rechten Triebwerkes automatisch in Segelstellung gelaufen und hätte dadurch den Luftwiderstand auf der rechten Seite vermindert. Bei der geringen Geschwindigkeit des Flugzeuges wäre jedoch ein Ausbrechen nicht zu verhindern gewesen, es sei denn, der Pilot hätte den Start durch Zurückziehen der Gashebel sofort abgebrochen. Bordmechaniker und Bordfunker waren beim Start nicht vorschriftsmäßig angeschnallt. Es ist nicht zu beweisen, ob die Untätigkeit des Bordmechanikers auf Reaktionsunfähigkeit oder auf die Notwendigkeit, sich festzuhalten, zurückzuführen ist.“ Übrigens verlor die Luftwaffe 1988 eine Transall C-160, als während des Anfluges auf den Flugplatz Bordeaux innerhalb von 35 Sekunden beide Triebwerke ausfielen und ein Wiederanlassversuch eines Triebwerkes zunächst erfolgreich verlief, nach Leistungserhöhung jedoch wieder ausfiel. Im Verlauf der Notlandung prallte das Luftfahrzeug unmittelbar bei der ersten Bodenberührung gegen eine Böschung und zerbrach dabei in mehrere Teile. Die Luftfahrzeugbesatzung wurde schwer verletzt, das Luftfahrzeug zerstört. Beim Start in Stuttgart wurde die Kraftstoffbehältergruppe B eingeschaltet, diese aber bereits vor

der Landung in Bordeaux fast leer geflogen. Auch hier überwachte der verantwortliche Luftfahrzeugführer das Kraftstoffentnahmeverfahren nicht im gebotenen Umfang. Geschichtliches Das Lufttransportgeschwader 62 (LTG 62) wurde am 1. Oktober 1959 in Celle aufgestellt. Im Januar 1960 verlegte es mit 18 Luftfahrzeugen des Typs NORATLAS N 2501 D nach KölnWahn, bevor es am 1. April 1963 weiter nach Ahlhorn ging. Das damalige Wappen des Geschwaders zierte ein weißer Elefant im schwarzen Kreisschild, worauf auch der liebevolle Name „Jumbo-Geschwader“ zurückzuführen war. Von Ahlhorn aus nahm das LTG 62 für die nächsten acht Jahre gemeinsam mit seinen Schwesterverbänden LTG 61 in Penzing (Bayern) und LTG 63 in Hohn (Schleswig-Holstein) an zahlreichen weltweiten Lufttransporteinsätzen teil. So verlegten 1960 16 Noratlas für drei Wochen nach Agadir in Marokko um dort nach einem Erdbeben Hilfsgüter zu fliegen und ein Lazarett der Bundeswehr mit Nachschubgütern zu versorgen. Weitere Hilfseinsätze wurden 1962 in das Erdbebengebiet von Teheran/Iran, 1963 in den Jemen, 1965 in die Erdbebengebiete in Algerien und Mauretanien, 1966 in das Erdbebengebiet nach Ankara/Türkei und 1968 in das Erdbebengebiet von Sizilien geflogen. 1963 wurde zudem ein kompletter Fernsehsender in den Sudan und eine Funkstation nach Bagdad transportiert.

von 3.000 km möglich. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 400 km/h, die Reisegeschwindigkeit 325 km/h. Die Luftfahrzeugbesatzung bestand aus vier bis fünf Mann. Es konnten 42 Passagiere oder 30 Verletzte transportiert werden. Der Erstflug fand am 10.09.1949 statt. Ab Ende 1956 erhielt die Bundeswehr 186 Flugzeuge dieses Typs. Die ersten 25 Maschinen stammten aus französischer Produktion. Die restlichen Maschinen wurden von der Arbeitsgemeinschaft Flugzeugbau Nord GmbH gefertigt, ein Konsortium aus HFB, Weser Flugzeugbau GmbH und Siebel ATG. Die erste in Deutschland gefertigte Nora wurde am 05.09.1958 an die Luftwaffe ausgeliefert. Die Nora wurde im Zeitraum von 1956 bis 1980 bei der deutschen Luftwaffe eingesetzt. Der letzte Flug einer Nora der Lufttransportgeschwader fand am 30.06.1971 beim Lufttransportgeschwadern 61 in Landsberg statt. Doch flogen bis 1974 noch 5 Noras bei der Waffenschule 50 in Fürstenfeldbruck als Hörsaalflugzeuge bei der Ausbildung der Kampfbeobachter für die F-4F Phantom. Weitere zwei

Maschinen flogen zeitweise Zieldarstellung mit Schleppzielen. Als letzte N 2501 D beendete die 99+14 am 16. Dezember 1980 die Ära der Nora bei der Bundeswehr. Eingesetzt wurde die Nora neben den Lufttransportgeschwadern 61, 62, 63 in geringen Stückzahlen auch bei der Technischen Schule 3 der Luftwaffe, beim Fernmelde- und Versuchsregiment 61 und bei der Flugzeugführerschule S. Nach ihrer Nutzungszeit wurden sie entweder verschrottet oder an die Luftwaffen Portugals, Israels, Nigerias, Ecuador und Griechenland weitergereicht. Die Bundeswehr verlor während des Einsatzes 10 Maschinen. Andere Nutzerstaaten flogen die Maschinen teilweise bis in die 90iger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Die Erprobungsstelle 61 in Manching flog ab 1963 neben einigen Serienmaschinen auch zwei N 2508, die von der Bundeswehr zu Testzwecken angeschafft wurden. Diese Versionen waren mit 2 Pratt & Whitney CB17 Triebwerken, sowie zwei Marbore Strahltriebwerken an den Flächenenden ausgestattet.

Bild: Traditionsgemeinschaft LTG 63 Hohn

Das Jahr 1971 stellte einen erneuten Wendepunkt in der Geschichte dieses Verbandes dar. Mit der Übergabe des Fliegerhorstes Ahlhorn an das Hubschraubertransportgeschwader (HTG) 64 wurde das LTG 62 am 30. September 1971 auf Grundlage der damaligen Strukturentscheidung aufgelöst. Dass mit der Auflösungsentscheidung der Name „LTG 62“ nicht aus den Geschichtsbüchern verschwinden sollte, konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnen. So wurde gut sieben Jahre nach Auflösung des Verbandes die Flugzeugführerschule „S“ in das neue, heutige LTG 62 umbenannt. Die Noratlas N 2501 D - Nora genannt - war ein zweimotoriger Ganzmetallschulterdecker mit Rumpfgondel. Charakteristisch waren die beiden Doppellleitwerksträger, an deren Vorderseite sich die beiden SNECMA 14 Zylinder Sternmotoren befanden. Sie leisteten je 1.500 kW und trieben 4-Blatt-Propeller an. Bei einem maximalen Abfluggewicht von 21.800 kg konnten bis zu 8,3 to Fracht und Treibstoff zugeladen werden, was eine Reichweite von 1.500 km ermöglichte; bei 2,7 to Fracht war eine Reichweite

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Flugsicherheit

Habit Pattern

von Lieutenant Colonel Paul Sutherland, GenFlSichhBw

Einige „Habit Pattern“ werden nur gelegentlich, manche sogar nur sehr selten verwendet. Um diese sicher beizubehalten und zu trainieren, erfordern gerade diese „Habit Pattern“ unsere erhöhte Aufmerksamkeit (z. B. ein monatlich-, vierteljährlich oder sogar jährlich erforderliches Training, „Training Squares“). 8

Es gibt andere „Habit Pattern“ oder Gewohnheitsmuster die so regelmäßig und kontinuierlich benutzt werden, dass sie uns scheinbar (und betrügerisch) schon so sehr in Fleisch und Blut übergegangen sind, dass diese nur eine sehr geringe oder gar keine Pflege oder Überwachung durch uns bedürfen.

Was geschieht, wenn mit einem dieser grundlegenden Gewohnheitsmuster, nach Tausenden von Wiederholungen, die mit den allerersten Simulatoren und ersten Flügen unseres Pilotentrainings angefangen haben, plötzlich und unvorhersehbar etwas schief geht? Etwas katastrophal schief geht? Ein flüchtiger und scheinbar unerklärlicher Geisteskurzschluss, ein kurzer Verfahrenschritt aus der sonst „wie im Schlaf beherrschten“ Reihenfolge heraus - ein Verfahrensschritt der im Laufe vieler Jahre mehrere tausendmal immer korrekt und ohne Störung vollendet worden war, wird von uns fehlerhaft ausgeführt. Wie soll man diese Art des menschlichen Versagens untersuchen? Wie kann man sich dieses Phänomen erklären? Wie kann man es verhindern?

Im letzten halben Jahr wurden diese Fragen auf zwei verschiedenen Kontinenten durch zwei verschiedene Streitkräfte gestellt. Im November 2007 kam ein Tornado der Luftwaffe während der Durchführung eines Touchand-Go mit eingefahrenem Fahrwerk nur noch rutschend auf der Runway zum Stehen. Nach dem Aufsetzen, sozusagen nach dem „Touch“, hatte der Pilot unverständlicherweise versucht, das Wiederabheben so durchzuführen, indem er den Fahrwerkbedienhebel bereits auf „Einfahren“ stellte, bevor er den Leistungshebel vorgeschoben hatte. Im April 2008 wiederholte eine F16D der United States Air Force, besetzt mit zwei erfahrenen Fluglehrern (Instructor Pilots), fast genau diesen gleichen Unfall in Gila Bend, Arizona. Glücklicherweise sind alle vier Besatzungsmitglieder der zwei verschiedenen Flugzeuge glimpflich und ohne Verletzung davongekommen. Auch wenn die Flugzeuge dabei nicht total zerstört wurden, entstanden dennoch

Schäden in Millionenhöhe und es bleibt die Frage nach dem „Warum“, nach dem „Wie konnte so etwas passieren?“ „Verfahrensfehler“ wäre die einfachste und offensichtlichste Einstufung der Ursache (aber eben nur die äußerste Schicht der sprichwörtlichen Zwiebel) für beide Vorfälle. Das Verfahren war „Touch-and-Go“ und der Fehler war eine einfache Umkehrung der Schritte „Leistungshebel vorschieben“ und „Fahrwerkbedienhebel nach oben“. Zwischen diesen zwei Verfahrensschritten ist aber gemäß Dienstvorschriften selbstverständlich die Kontrolle der positiven Anzeigen (laut Abschliessender Stellungnahme GenFlSichhBw „reproduzierbare Prüfpunkte“) des Variometers und der Höhe gefordert - „when safely airborne“ laut Tornado T.O.. Die Sache scheint klar auf der Hand zu liegen. Dennoch, als Flugsicherheitsuntersucher und „Unfall-Verhinderer“ ist es nicht nur unsere Aufgabe, die äußere Schicht von der Ursachenzwiebel ab-

zuziehen, vielmehr wollen wir tiefer in Richtung der Wurzeln, in Richtung des wahren Kerns, der wahren Ursache vorzustoßen. Unter den im Laufe der Untersuchung in beiden Vorfällen festgestellten „Verfahrensfehler“ finden wir Gemeinsamkeiten in den beitragenden Faktoren, wie mangelnde fliegerische Kontinuität/Currency und einer unerkannten, schleichenden Aufgabensättigung oder Aufgabenüberbelastung (task saturation). Diese und andere Einflüsse potenzierten sich und begünstigten diesen unbeabsichtigten Geistesaussetzer oder Aufmerksamkeitsmangel in einer der grundsätzlichsten und häufigsten wiederholten Aufgaben - dem sogenannten „automatisierten Handlungsablauf“, oder wie von GenFlSichhBw in seinem Abschlussbericht als „unreflektiertes Habit Pattern“ bezeichnet („Habit Pattern without careful thought“ ist vielleicht die beste, buchstäbliche Übersetzung auf Englisch). Auffällig ist der als beitragender Faktor festgelegte Mangel an fliege-

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Flugsicherheit

rische Kontinuität/Currency, sowohl bei den unabhängig voneinander durchgeführten Untersuchungen der Tornado-, wie auch der F-16„Bauchlandung“. So war der LFF der Tornadobesatzung seit 29 Tagen vor dem Vorfall nicht geflogen, sein letzter Touch-and-Go fand vor 73 Tagen statt. Der Tornado-WSO war fast drei Monate nicht geflogen. Der Vorkomm10

nistag war für ihn der letzte Tag, bevor für ihn die Dreimonatsfrist gemäß Flugbetriebshandbuch Band (FBH Bd.) IV/3 überschritten und ein Nachschulungsprogramm notwendig geworden wäre. Auch der F-16 Pilot hatte im Zeitraum von 90 Tagen vor seiner „Bauchlandung“ nur sieben (mit 13.4 Stunden) und im Zeitraum der letzten 180 Tage lediglich nur siebzehn Flüge

(mit 33.8 Stunden) durchgeführt. Die genauere Betrachtung der letzten 6 Monate ergab zudem, dass er in diesem Zeitraum lediglich zwei lange Flüge („Ferry flights“, d. h. nicht taktisch) mit nur 21.3 Stunden erflogen hatte. Dass beide Untersuchungen ursächlich diesen festgestellten Mangel in der Kontinuität mit für die Zwischenfälle verantwortlicht machten, überrascht nicht. Die Abhängigkeit zwischen Qualität der Steuerführung (insbesondere im wohl anspruchvollsten Metier der Fliegerei- dem Luftkampftraining) und Kontinuität in der fliegerischen Ausbildung ist unumstritten und wurde auch seitens der Besatzungen beider Lfz beachtet. Die Flüge wurden bis zum Touch and Go sicher durchgeführt. Die beiden „Bauchlandungen“ verdeutlichen uns aber auch auf sehr drastische Art und Weise, dass dabei vermutlich sichere, wie-im-Schlaf beherrschte Fertigkeiten, (Basic-Flying Skills wie der Algorithmus “gear up… gear down… gear up… gear down” etc …) vernachlässigt wurden. Offensichtlich schenkten beide LFB den durch die mangelnde Kontinuität beeinträchtigten Basic-Flying Skills nicht die nötige Aufmerksamkeit. Speziell nach längeren Flugpausen ist diese Art der Verlagerung der Aufmerksamkeit zu beobachten. Im Abschlussbericht wird seitens GenFlSichhBw dazu bemerkt: „Da grundsätzlich dem Advanced Flying mehr Aufmerksamkeit beigemessen wird als dem Basic Flying ist es erklärbar, dass die fehlende Kontinuität sich stärker im Grundlagen- als im taktischen Teil des Fluges auswirkte. Im Advanced Flying-Anteil wurden Risiken erkannt und korrekt agiert. Mögliche Risiken im Basic Flying-Anteil wurden offensichtlich nicht erkannt und folglich hat keine entsprechende mentale Vorbereitung stattgefunden.“ Für die Tornado LFB beeinträchtigten zudem noch einige zusätzlichen kleineren Ablenkungen deren Aufmerksamkeit, wie z. B.:

- das visuelle Nichtauffassen („nojoy“) eines anderen Lfz in der Platzrunde, - durch den LFF zugelassene Abweichungen vom PlatzrundenStandardmuster bezüglich Verlauf (groundtrack), Fluggeschwindigkeiten und Schräglage, - Änderung der Konfiguration in der Endanflugkurve, - die außergewöhnliche Anzahl von Besuchern und Zuschauern auf dem Flugplatz für eine Geschwaderveranstaltung, - der Kommodore in der Platzrunde, - der bevorstehende Checkflug, - äußere, nichtstandardisierte Kommunikation innerhalb und außerhalb des Cockpits, - nachlässiges vorhergehendes Touch-and-go sofort vor dem Unglücks Touch-and-go und - eine Unterbrechungen des normalen Handlungsablaufes. Einzeln betrachtet hatte keine dieser Störgrößen das Potential, die sichere Beendigung des Fluges zu gefährden, aber in ihrer Gesamtheit wuchsen sie zu einem die „Bauchlandung“ mit verursachenden (meist selbst-induzierten) Faktor heran.

„Complacency“ (Selbstzufriedenheit, Wohlbehagen, mangelnde Wachsamkeit) ist häufig verantwortlich für die Geistesauslassungen, die zu unbeabsichtigten Verfahrensfehler führen. „Complacency“ jedoch im Allgemeinen wird erzeugt durch Langweile oder sich langsam einschleichende und oft betäubende Routine. Obwohl nicht 100% aufmerksam, gaukelt uns diese falsch zugelassene Routine ein Gefühl der Selbstsicherheit vor. „Wir haben alles im Griff“. Doch im Tornado-Vorfall war nicht Langweile oder anspruchslose Routine das alleinige Problem, sondern die Aufgabenkapazität wurde zudem noch durch eine Ansammlung von zusätzlichen Störgrößen/Ablenkungen belastet. Die ohnehin schon durch mangelnde Kontinuität/Currency eingeschränkte Aufmerksamkeit wurde noch mehr beeinträchtigt. Obwohl die Ursache für beide Bauchlandungen unbestreitbar der Faktor Mensch ist, ist es noch mal bedeutsam, darauf hinzuweisen, dass es nicht Ziel einer auf Unfallprävention orientierten Flugsicherheitsarbeit ist, persönliche Schuld auf diesen bestimmten Piloten zu laden. Jeder Berufspilot muss sich ganz ehrlich ein-

gestehen, dass in jedem von uns das Potential schlummert, einen gleichen unbeabsichtigten Verfahrensfehler zuzulassen oder eine Checkliste falsch anzuwenden. Ganz ehrlich betrachtet: Hatten Sie in Ihrer Fliegerkarriere einmal eine flüchtige Geistesauslassung bei sich selbst oder in Ihrer Crew? Wir können nur dankbar sein, dass die Konsequenzen hoffentlich nur zu einer peinlichen Geschichte an der Bar führten. Selbst wenn es überhaupt keine externen Konsequenzen gab oder gibt („Puh! Niemand hat es bemerkt!“), wir müssen uns innerlich disziplinieren, solche Fehler ernsthaft als Warnung zu begreifen! Das nächste Mal kann möglicherweise nicht so glücklich ablaufen. Für diese vier Besatzungsmitglieder des Tornados und der F-16 war dieses „Nächste Mal“ zwar dramatisch, aber glücklicherweise nicht tödlich. Die Bandbreite der Konsequenzen eines solchen unaufmerksamen Geistesfehlers erstreckt sich nun mal von dem glücklichen Ende („Niemand hat es bemerkt - kein Schaden gemacht“) bis zum katastrophalen Ende. Es bleibt unbestritten, dass militärische Luftfahrt bestimmte Risiken enthält, die nie vollständig beseitigt werden können. Der Himmel ist und bleibt groß, viele Faktoren unterliegen nicht unserem Einfluss. Dennoch müssen wir verstehen, dass die mit der Art unserer Fliegerei verbundenen Risiken uns umso mehr gefährden, je weniger wir uns mit vermeidbaren und einfachen Geistesfehlern beschäftigen und engagieren. In einer der folgenden Ausgaben von „Flugsicherheit“ werden wir den USAF F-16 Gila Bend Unfall ausführlicher beleuchten und betrachten, dabei speziell auch die wissenschaftliche Analyse aus Sicht der Flugpsychologen/Life Sciences Perspektive. Eingehen werden wir auch auf Interventions- und Verhütungsstrategien, die helfen können, Risiken und Wahrscheinlichkeiten unbeabsichtigten Geistesfehler abzuschwächen. 11

Flugsicherheit

Sicherheitsmanagementsysteme (SMS) in der Luftfahrt

- neue Wege zum Umgang mit Risiken und Gefahren

von Oberstleutnant Heribert Mennen, GenFlSichhBw

Unterschiedliche SicherheitsIn der Vergangenheit haben Entwicklungen in standards der Zivilluftfahrt häufig Der zivile Luftverkehr nimmt weltweit stark zu. Bezogen auf die Anzahl Einfluss auf Strukturen der Flugbewegungen und beförderte und Verfahren im miliPassagiere ist das Flugzeug derzeit eines der sichersten Verkehrsmittel. tärischen Flugbetrieb Dies gilt besonders in der Europäischen genommen. Es erscheint Union. Damit dies bei steigenden daher ratsam, zivile Neu- Verkehrszahlen auch in Zukunft so bleibt, ist es jedoch erforderlich, vererungen weiterhin auf1 altete Strukturen anzupassen und die merksam zu verfolgen grundlegende Zahl der Vorfälle und Sicherheitsrisiken zu reduzieren. und zu prüfen, ob ihre International gesehen war und ist Nutzung für die Bundes- das Sicherheitsniveau teilweise heute noch von Staat zu Staat unterschiedwehr von Vorteil ist. Derzeit werden in allen Bereichen der kommerziellen Luftfahrt Sicherheitsmanagementsysteme (SMS) eingeführt oder bereits betrieben. Nachfolgend sollen die Hintergründe für diese Entwicklung aufgezeigt und die Systemelemente vorgestellt werden. 12

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So richtet sich zum Beispiel das Flugverkehrsmanagement in Europa derzeit nicht an den Verkehrsströmen, sondern an nationalen Hoheitsgebieten und Zuständigkeiten aus. Diese Fragmentierung des Luftraumes und die daraus erwachsenden Komplexität der Verfahren kann die Flugsicherheit beeinträchtigen und muss daher vermindert werden.

lich. Das liegt darin begründet, dass die Regelung der Sicherheit der Zivilluftfahrt über (zu) viele Instanzen verteilt war (und teilweise immer noch ist). Zu den Standards and Recommended Practises, die auf weltweiter Ebene von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) festgelegt wurden, erarbeiteten spezialisierte Instanzen, die unterschiedliche geografische Regionen abdeckten, ergänzende Vorschriften. Diese werden aufgrund der einfachen zwischenstaatlichen Zusammenarbeit nur insofern angewandt, als die jeweiligen Staaten dies wollen. Deswegen bestehen zwischen den einzelnen Staaten große Unterschiede, zumal nicht immer die strengsten Normen angewandt werden. Inzwischen herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass ein einheitliches Sicherheitsniveau dringend geboten und am besten durch ein gemeinsames Sicherheitsprogramm zu erreichen ist. Die ICAO hat der Staatengemeinschaft deshalb zum 1. Januar 2009 die zunächst als „Recommended Practice“ veröffentlichte Einführung von Sicherheitsmanagementsystemen (SMS) durch Luftfahrtunternehmen, Flugplätze und Flugsicherungsorganisati2 onen ins Pflichtenheft geschrieben . Darüber hinaus hat die Europäische Union im Rahmen des Vorhabens „Single European Sky – SES (Einheitlicher europäischer Luftraum) mit Verordnung EG 2096/2005 die Etablierung eines Qualitäts- und Sicherheitsmanagementsystem für Flugsicherungsorganisationen angeordnet. Dies war in nationales Recht umzusetzen und bis zum 20. Dezember 2007 abzuschließen.

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„States are required to establish a safety programme where aircraft operators, maintenance organizations and services provider implement a safety management system”.

Systematischer Umgang mit Risiken Sicherheitsmanagementsysteme haben ihren Ursprung in angelsächsischen Industrien und Verkehrsbetrieben mit hohen Gefahrenpotentialen - etwa Kern- oder petrochemische Industrie sowie Eisenbahnunternehmen. Sie entstanden in den neunziger Jahren infolge eingetretener Katastrophen. Angesichts der gemachten Erfahrungen sowie des enormen Schadenpotentials, das bei Unfällen durch freigesetzte Materialien droht, waren neue Ansätze zum Umgang mit betrieblichen Risiken erforderlich. Es hatte sich gezeigt, dass es notwendig ist, alle Aktivitäten zur Vermeidung von Unfällen systematisch und nach einheitlichen Richtlinien zu koordinieren und zu steuern. Risiken sind in ihrer Gesamtheit zu erfassen und anzupacken. Bei einer isolierten, jedes einzelne Element separat betrachtenden Vorgehensweise bleibt die auf den ersten Blick oftmals nicht erkennbare gegenseitige Wirkung von Risiken unberücksichtigt und folglich unentdeckt. Ein weiterer Grundgedanke von SMS ist der Übergang von einem mehr reaktiven zu einem stark pro-aktiven Umgang mit dem Thema Sicherheit. Der Schwerpunkt muss dabei auf der konsequenten Vermeidung von Gefahrensituationen und Unfällen liegen. Dazu ist es erforderlich, alle Fehlerquellen zu erkennen und zu beseitigen oder, wo dies nicht möglich ist, eventuelle Auswirkungen latenter Risiken zu minimieren. Dies stellt sich in der Praxis aber oft als schwierig dar. Ein Großteil der Faktoren, die Probleme verursachen kön-

nen, sind nicht auf den ersten Blick erkennbar. Bildhaft ausgedrückt ist es erforderlich, mehr als nur die Spitze des Eisbergs zu sehen. Bei einem Eisberg befindet sich bekanntlich nur die Spitze oberhalb des Wasserspiegels, mehr als zwei Drittel sind unter Wasser. Die Unfallprävention kann nur gelingen, wenn systemweite und standardisierte Verfahren existieren, in die alle Mitarbeiter und Bereiche einbezogen sind und wenn - auf das Beispiel des Eisbergs bezogen - in alle Richtungen aufgeklärt wird, das heißt über und unterhalb der Wasserlinie.

Es gilt, alle sicherheitsrelevanten Sachverhalte zu erkennen, zu analysieren und zu bewerteten, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Nur wenn die Sicherheitskultur von den Mitarbeitern „gelebt“ wird, kann sie effektiv zur Steigerung der Sicherheit beitragen. Hierzu bedarf es einer teamorientierten und integrativen Kommunikation, die auf einem Klima des Vertrauens basiert. Ein wichtiger Aspekt beim SMS ist die sehr sorgfältige und transparente Dokumentation aller Aktivitäten.

Bild von EUROCONTROL

Auf die Auswirkung dieser Rechtsverordnung auf die Militärische Flugsicherung der Bundeswehr wird in einem gesonderten Artikel eingegangen.

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Flugsicherheit

Auch mit einem Sicherheitsmanagementsystem lässt sich das Unfallund Sicherheitsrisiko nicht gänzlich ausschließen. Es bietet aber aufgrund des integrativen Ansatzes, der einheitlichen Vorgehensweise und Aktivierung zusätzlicher Kräfte bessere Möglichkeiten für einen vorbeugenden Umgang mit diesen Gefahren. Die britische Luftfahrtbehörde CAA zog daraus ihre Schlüsse und veröffentlichte 1999 ein Dokument, aus dem später die CIVIL AVIATION PUBLICATION CAP 712, Safety Management Systems for Commercial Air Transport Operations entstand. ICAO, EUROCONTROL und andere Organisationen folgten und entwickelten eigene SMS-Modelle. Lange Zeit gab es keinen einheitlichen, allgemein akzeptierten Standard für ein typisches SMS. Als die Referenz-Dokumente gelten heute das EUROCONTROL SAFETY REGULATORY REQUIREMENT (ESARR) 3 und das ICAO DOC 9859 „SAFETY MANAGEMENT MANUAL (SMM)“. Zu einem SMS gehören gemäß ICAO folgende Elemente: Safety Oversight and Program Evaluation

Safety Information Management

Safety Promotion, Training, and Education

Safety Analysis Capabilities

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Sicherheits- und Risikomanagement Das Sicherheits- und Risikomanagement des SMS funktioniert nach einem so genannten Regelkreis-Modell (s. Grafik): Im ersten Schritt gilt es, die zu erreichenden Sicherheitsziele und SicherheitsanfordeÜberwachen und analysieren aller rungen zu defiVorgänge nieren, zu dokumentieren und organisations- Maßnahmen zur weit zu kom- Risikominderung durchführen munizieren. Für das Erkennen von Untersuchen und Festlegen Risiken und Gevon fahren, für die Korrekturen Einschätzung möglicher negativer Folgen und die Ausarbeitung geeigneter Gegenmaßnahmen ist ein systematisches Vorgehen – eine „Risikoanalyse“ oder positiv ausgedrückt - eine „Sicherheitsanalyse“ – erforderlich. Dabei sind alle maßgeblichen Einflüsse

Senior Management Commitment

Safety Management System Organizational Components

Policies and Objectives

Organization for Safety, Accident Prevention Advisor Structure, Safety Committee

Risk Management

Investigation Capabilities

Hazard Identification Systems

wie Verfahren und Regeln, Prozessabläufe, technische Systeme, Infrastruktur, Umgebung und Umwelt, Personal/Ausbildung und menschliches Handeln sowie ihre Verknüpfungen nach einheitlichen Methoden zu untersuchen. Ein oftmals unerkanntes und daher nicht abgesicherZiele und Anforderungen tes Risiko sind definieren die im Hintergrund einer jeden OrganiRisiken und Gefahren sation lauidentifizieren fenden Prozessketten, die über JahRisiken analysieren re gewachsen und Resultate sind. Manchdokumentieren mal hat sich die Routine derart verfestigt, dass Verfahren und Entscheidungen nicht mehr hinterfragt werden, sondern quasi „automatisch“ ablaufen, ohne dass z. B. zwischenzeitlich eingetretene Änderungen der Rahmenbedingungen ausreichend berücksichtigt werden. Die Dokumentation der Analysen und ihrer Resultate sollte zentral und DV-gestützt erfolgen. Dies erleichtert die Berechnung von aussagekräftigen Sicherheitskennzahlen, mit denen sich die Entwicklung des aktuellen Sicherheitsniveaus für die gesamte Organisation oder Teilbereiche leicht verfolgen lässt. Die zentrale Auswertung macht es auch möglich, die Risiken gegenüber den Faktoren Aufwand, Kosten, Zeit und Schwierigkeitsgrad der Sicherheitsmaßnahmen zur Unfallvermeidung abzuwägen und geeignete Korrekturmaßnahmen festzulegen. Am Schluss des Modells steht die Überwachung der Wirksamkeit von getroffenen Maßnahmen sowie die laufende Analyse von Zuständen, Regeln und Abläufen.

Alle Elemente des SMS sind im „Safety Manual“ (Sicherheitshandbuch) detailliert zu beschreiben. Dieses Handbuch muss allen Mitarbeitern zugänglich sein. Zu einem wirkungsvollen Sicherheits-Management-System gehören ausreichende Ressourcen mit klar definierten Rollen und Verantwortlichkeiten sowie ein auf Vertrauen basierendes System zur Kommunikation sicherheitsrelevanter Vorfälle und Schwachstellen mit FEED BACK. An oberster Stelle steht jedoch der gemeinsame Wille aller Beteiligten, vom Führungspersonal bis zum jüngsten Mitglied, die Sicherheit aktiv zu verbessern und nicht zu warten, bis Defizite zu Zwischenfällen oder gar Unfällen geführt haben.

SMS für den Flugbetrieb in der Bundeswehr? Standards und Empfehlungen der Internationalen Zivilen Luftfahrtorganisation ICAO werden in der Bundeswehr umgesetzt, soweit sie mit dem Auftrag und militärischen Belangen zu vereinbaren sind. Allerdings wurden SMS nach ICAO-Vorgaben bisher nicht etabliert. Andere Streitkräfte3 haben dies bereits vollzogen. Flugsicherheit genießt im Flugbetrieb der Bundeswehr einen sehr hohen Stellenwert. Die Bundeswehr verfügt über eine bewährte Flugsicherheitsorganisation und solide Verfahren, die über lange Jahre gewachsen sind. Es ist gewollt, alle am Flugbetrieb Beteiligten in die Flugsicherheitsarbeit einzubeziehen und effektive Flugunfallprävention zu betreiben. Dies ist den Vorbemerkungen der Zentralen Dienstvorschrift ZDv 44/30 „Die Verhütung von Unfällen mit Luftfahrzeu3

(So führten z.B. die Britischen Streitkräfte vor einigen Jahren das „Defence Aviation Safety Management System“ (DASMS) ein.)

gen und Luftfahrtgerät der Bundeswehr“ zu entnehmen. Dort heißt es u. a.: „Flugsicherheit wird durch Zusammenwirken aller personellen, organisatorischen und technischen Maßnahmen zur Durchführung eines sicheren Betriebs mit Luftfahrzeugen und Luftfahrtgerät der Bundeswehr, sowie durch frühzeitiges Erkennen und Anzeigen flugsicherheitsrelevanter Mängel bzw. flugsicherheitsgefährdender Störungen und unverzügliches Einleiten von Maßnahmen zur Behebung sichergestellt“. Aus meiner Sicht wird dieses Ziel aber nur zum Teil erreicht. Trotz aller Bemühungen, trotz guter Strukturen und Verfahren einschließlich CRM (Crew Resource Management) und ORM (Operational Risk Management) sowie einem bewährten System interner und externer Überprüfungen der Verbände und Dienststellen mit Flugbetrieb wird aus Zwischenfällen und Unfällen weiterer Verbesserungsbedarf erkennbar. Zweifellos werden nicht alle latenten Risiken erkannt und/oder konsequent gemindert. Dafür gibt es viele Gründe. Fehlende Fachbereichs- und Einheitsübergreifende Gesamtschau der Risiken, (zu) knappe Ressourcen sowie vor allem mangelnde Bereitschaft zur Meldung sicherheitsrelevanter Vorfälle sind wesentliche Hemmsteine auf dem Weg zur Flugunfallrate Null. Der Charme von SMS, so die Erkenntnisse aus der zivilen Luftfahrt, liegt darin, dass wesentlich mehr Mitarbeiter als früher für die Flugsicherheit aktiviert werden konnten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass mit der Etablierung von SMS in vielen Bereichen zugleich eine Abkehr von der „blame culture“, die Suche nach Schuldigen, hin zu einer „just culture“4 einherging, denn dieses System funktioniert nur, wenn bereitwillig alle Vorgänge mit Flugsicherheitsrelevanz gemeldet werden. Fehler und Missgeschicke werden

genutzt, um daraus Lehren zu ziehen und Maßnahmen zu ergreifen, die das System und damit die Sicherheit in der Luftfahrt gezielt verbessern. Meiner Meinung nach sind die positiven Erfahrungen in der Zivilluftfahrt ein guter Grund für die Bundeswehr, sich intensiv mit der o. a. Entwicklung auseinander zu setzen. Viele Elemente des SMS sind bereits heute in der Flugsicherheitsstruktur der Bundeswehr vorhanden. Ein zusätzliches freiwilliges Meldesystem auf der Basis der Richtlinie EG 2003/42 des Europäischen Parlaments könnte den Akteuren die Furcht vor diziplinaren oder administrativen Konsequenzen nach Fehlern nehmen und helfen, die Erkenntnislage zu verbessern. Ich höre oft, dass hierzu eine Änderung unserer Rechtsvorschriften erforderlich ist. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass „Just Culture“ keine generelle Strafbefreiung beinhaltet und krasse Zuwiderhandlungen gegen Normen und Vorschriften weiterhin geahndet werden.

Ausblick

Für den Bereich der militärischen Flugsicherung (MilFS) ist die Etablierung eines SMS gemäß den SES-Verordnungen (Single European Sky - Gemeinsamer europäischer Luftraum)

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EUROCONTROL Definition: “Just culture is a culture, where front line operators or others are not punished for actions, omissions or decisions taken by them that are commensurate with their experience and training, but where gross negligence, wilful violations and destructive acts are not tolerated”. (Eine Kultur, die beinhaltet, dass Personal an vorderster Front oder Andere für Handlungen, Unterlassungen oder Entscheidungen, die seiner/ ihrer Erfahrung und Ausbildung entsprechen, nicht bestraft wird/werden. Vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Verstoß von Vorschriften und mutwillige zerstörerische Handlungen werden allerdings nicht toleriert).

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Flugsicherheit

der Europäischen Union beabsichtigt. Dies ist aufgrund der Einbindung der MilFS in das nationale und internationale Flugsicherungssystem, das hohe Maß an Mitverantwortung für die Sicherheit aller Luftraumnutzer sowie aus Gründen der Vergleichbarkeit mit anderen Flugsicherungsorganisationen zwingend erforderlich. Ein nicht-punitives Meldewesen (Meldewesen, das grundsätzlich keine Bestrafung nach sich zieht - bislang in der Bundeswehr nicht eingeführt) würde allerdings die Wirksamkeit dieses SMS deutlich erhöhen. Ob darüber hinaus auch in anderen Bereichen der Bundeswehr SMS eingerichtet werden, wird die Zukunft zeigen.

Verwendete Literatur - Kommission der Europäischen Gemeinschaft, KOM (2005) 578 endgültig - Richtlinie 2003/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Meldung v. Ereignissen i.d. Zivilluftf.) - Verordnungen EG 549-552/2004 („SES-Verordnungen“) - Verordnung EG 2096/2005 (Festlegung gemeinsam. Anforderungen bezügl. d. Erbringung v. FSDiensten) - Verordnung EG 1315/2007 (Sicherheitsaufsicht im Luftverkehrsmanagement) - ICAO ASB/7 – WP/04 dated 16.02.07 - ICAO Annex 6 , Operation of Aircraft, Part I; International Operations, Part III - ICAO Annex 11, Air Traffic Services - ICAO Annex 14 ,Vol I (Airport Design and Operations) - ICAO Doc 9859 Safety Management Manual - ICAO Doc 9774 Manual on Certification of Aerodromes

- DIRECTORATE OF AVIATION REGULATION & SAFETY (DARS) Annual Report 2007 - “Safety Management System an Flugplätzen”, Handbuch (V 1.0), TU Berlin/Flughafen München GmbH - Mitteilung des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL), „Schweizer Zivilluftfahrt 2006“ - EUROCONTROL „Just Culture Guidance Material for Interfacing with the Judicial System“, Edition 1.0 dated 11.02.2008, reference nr: 08/02/06-07 - EUROCONTROL SAFETY REGULATORY REQUIREMENT (ESARR) 3 - FAA Advisory Circular AC No: AC 150/5200-37 dated February 28, 2007 - Internet-Auftritt der FH Gelsenkirchen/Forschung/Miller/SMS Beschreibung - Flight Safety Digest, Vol. 24 No 11-12 November – December 2005 - PPT-Vortrag “Safety Management System - SMS”, Rudolf Rausch, austro CONTROL, 25.09.07

Bravo - gut gemacht! Gut gesehen!

Im Rahmen der Nachflugkontrolle eines eingeschifften Bordhubschrauber Sea Lynx Mk 88A stellte Obermaat Benjamin Tröster Materialbeschädigungen am Hauptgetriebe fest. Er entdeckte eine kleine Oberflächenbeschädigung an einer Strebe des Hauptgetriebes direkt neben dem Typenschild. Bei der näheren Untersuchung stellte sich heraus, dass es durch eingedrungenes Salzwasser unter dem Typenschild bereits zu einer erheblichen Korrosionsbildung gekommen war. Die Beschädigung war so umfangreich, dass der Bordhubschrauber für den weiteren Flugbetrieb gesperrt werden musste und erst im Heimatverband instandgesetzt werden konnte. 16

Die Sichtprüfung der Hauptgetriebestreben ist im Arbeitskartensatz für die Nachflugkontrolle nicht vorgeschrieben. Somit hat die umsichtige und sorgfältige Kontrolle der „umliegenden Bereiche“ eine deutliche Gefährdung des Personals und Materials verhindert.

A major responsibility of management is to establish and maintain a safety culture. It must start at the top and permeate the entire organisation. If the leaders do not truly believe in safety, then why should others in the organisation be expected to embrace it?

von Robert I. Sumwalt, Spotlight - aviation safety 03-2007 mit freundlicher Genehmigung der Redaktion / Paul Cross Übersetzt vom BSpra SMD 11 LwA Köln-Wahn

Für Vorgesetzte besteht eine Führungsaufgabe im Einrichten und Erhalten einer Sicherheitskultur. Diese Sicherheitskultur muss auf der obersten Ebene ansetzen und die gesamte Organisation durch-

dringen. Wenn die Führung nicht wirklich etwas von Sicherheit hält, warum sollte dann von anderen Mitarbeitern der Organisation erwartet werden, dass sie sich dafür einsetzen?

Do you have a safety culture in your organisation? Think carefully before answering. For those who immediately answer that they do, Dr James Reason has some words to keep us on our toes: „If you are convinced that your organisation has a good safety culture, you are almost certainly mistaken - a safety culture is something that is strived for but rarely attained - the process is more important than the product.“ What is safety culture? I define safety culture simply as doing the right thing, even when no-one is watching. The US National Transportation Safety Board (NTSB) has long believed in 17

Flugsicherheit

Existiert in Ihrer Organisation eine Sicherheitskultur? Denken Sie genau nach, bevor Sie antworten. Für all jene, die sofort mit Ja antworten, hat Dr. James Reason einige ernüchternde Worte parat: “Wenn Sie überzeugt sind, dass in Ihrer Organisation eine gute Sicherheitskultur existiert, irren Sie sich höchstwahrscheinlich. Eine Sicherheitskultur ist ein Ziel, das angestrebt, aber selten erreicht wird – der Prozess ist hier wichtiger als das Produkt.” Was verbirgt sich hinter dem Begriff Sicherheitskultur? Nach meiner Definition bedeutet Sicherheitskultur ganz einfach, das Richtige zu tun, und zwar auch dann, wenn man von niemandem beobachtet wird. Die Nationale Transportsicherheitsbehörde der USA (National Transportation Safety Board – NTSB) ist seit langem davon überzeugt, dass eine solche Kultur eine wichtige Rolle spielt. Nachdem die NTSB bei einer Reihe von Unfällen das Sicherheitskonzept der betroffenen Organisation hinterfragt hatte, richtete sie 1997 ein Symposium zum Thema Unternehmenskultur und Transportsicherheit aus. Jim Hall, der damalige Leiter der NTSB, sagte:„In den 30 Jahren, die wir Unfalluntersuchungen durchführen, hat sich herausgestellt, dass manchmal die Haltung der Unternehmensführung zur Sicherheit der häufigste gemeinsame Faktor ist. Die sichersten Gesellschaften setzen sich effektiver für eine Kontrolle der Risiken ein, die durch mechanische oder organisatorische Fehler, Umgebungsbedingungen oder menschliches Versagen entstehen können.“ Obwohl dieses Symposium vor einem Jahrzehnt stattfand, erleben wir weiterhin Unfälle, bei denen die Sicherheitskultur eines Unternehmens in Zweifel gezogen wird. Vor Kurzem untersuchte der Sicherheitsausschuss den Unfall eines Strahlflugzeugs auf einem nächtlichen 18

regionalen Positionierungsflug. Es waren keine Passagiere an Bord, und die Piloten wollten, wie sie der Flugsicherung mitteilten, „ein wenig Spaß haben“. Die Analyse nach dem Unfall ergab, dass die Besatzung verschiedene unzulässige Aktionen durchführte. So löste sie beispielsweise dreimal vorsätzlich eine Aktivierung der Überziehwarnanlage aus und setzte durch vorsätzliche unsachgemäße Handhabung des Seitenruders die Heckstruktur des Luftfahrzeugs gefährlichen Querbeanspruchungen aus. Außerdem nahm der Erste Offizier den Platz des Flugkapitäns ein, während der Flugkapitän auf dem Platz des Ersten Offiziers saß. Dazu kam eine Reihe anderer Abweichungen von den Ständigen Betriebsverfahren. Sobald Flugfläche 410 erreicht war, ließ die Besatzung die Fluggeschwindigkeit sinken. Dies führte zum Überziehen und zum Verlust der Steuerbarkeit. Diese Störung in großer Höhe unterbrach die Luftströmung durch die Triebwerke, und es kam in beiden Triebwerken zum Flammabriss. Unglücklicherweise gelang es der Besatzung nicht, die Triebwerke wieder anzulassen; sie musste für dieses Verhalten mit ihrem Leben bezahlen. Es handelte sich hier nicht um skrupellose Piloten. Beide wurden sogar allgemein als gute Piloten beschrieben. Ein Erster Offizier bezeichnete den Flugkapitän als den „besten Piloten an Steuerknüppel und Seitenruder“, mit dem er je geflogen war. Ein anderer Pilot, der eine Woche vor dem Unfall mit dem Flugkapitän geflogen war, gab an, dass der Flugkapitän sich ordnungsgemäß ohne Abweichung von den Ständigen Betriebsverfahren verhalten habe. Während des Unfallflugs, als niemand sie beobachtete, verhielten sich die beiden Piloten jedoch eindeutig nicht richtig. Warum dachte diese Be-

the importance of such a culture. After questioning an organisation‘s safety focus in a number of accidents, NTSB in 1997 hosted the Symposium on Corporate Culture and Transportation Safety. Jim Hall, chairman of NTSB at the time, said: „We‘ve found through 30 years of accident investigation that sometimes the most common link is the attitude of corporate leadership toward safety. The safest carriers have more effectively committed themselves to controlling the risks that may arise from mechanical or organisational failures, environmental conditions and human error.“ Although that symposium was a decade ago, we continue to see accidents in which an operator‘s safety culture is questioned, The safety board recently investigated an accident involving a regional jet night time positioning flight. The pilots had no passengers and decided, as they told air traffic control, they would „have a little fun“. Post-accident analysis reveals that the crew performed a number of unauthorized actions, including intentionally causing the stall warning system to activate on three occasions, imposing dangerous side loads on the aircraft‘s tail structure by intentionally mishandling the rudder, allowing the first officer to occupy the captain‘s seat while the captain sat in the first officer‘s seat and a series of other deviations from standard operating procedures (SOPs). Once level at flight level 410, the crew allowed airspeed to bleed off, leading to a stall and loss of control. The high-altitude upset disrupted airflow through the engines, and both flamed out. Unfortunately, the crew was unable to restart either engine and they paid for this behaviour with their lives. These were not rogue pilots. In fact, both were generally described as being good pilots. One first officer described the captain as „the best stickand-rudder pilot“ he had ever flown

Mit anderen Worten: Wir wissen es nicht. satzung, dass sie so handeln könne? Laut Dr. Reason setzt sich die Sicherheitskultur aus einer Informationskultur, einer Meldekultur und einer Fehlerkultur zusammen. Während der Ausschusssitzung zu diesem Unfall stellte ich Fragen, die zwei dieser Elemente betrafen – die Informationskultur und die Meldekultur. In einer Informationskultur erfassen und analysieren Organisationen Daten, um sich über den Stand der Sicherheit auf dem Laufenden zu halten. Dies geschieht beispielsweise durch interne und externe Audits, Qualitätssicherung im Flugbetrieb (Flight Operational Quality Assurance – FOQA), Sicherheitsaudits im Linienbetrieb (Line Operations Safety Audits – LOSA) und Systeme zum vertraulichen Melden von Zwischenfällen wie die Aktionsprogramme für Luftfahrtsicherheit (Aviation Safety Action Programs – ASAP). Interessanterweise verfügte die Fluggesellschaft zum Zeitpunkt des Unfalls über keinerlei effektive Programme zum Erfassen und Analysieren von Sicherheitsdaten, d. h. es existierte weder ein FOQA- oder ASAP-Programm, noch war jemals ein LOSA-Audit durchgeführt worden. Auf die Frage, wie das Unternehmen sicherstelle, dass die Besatzungen bei Positionierungsflügen die Ständigen Betriebsverfahren einhalte, erwiderte der Chefpilot überraschenderweise: „Genauso, wie ich es bei allen Flügen mache, die den Ständigen Betriebsverfahren entsprechend durchgeführt werden. Wir sehen uns die Berichte an. Wir sehen uns die Zahlen an und kontrollieren beispielsweise, ob der Flug rechtzeitig gestartet ist oder nicht und ob jemand vom Notsitz aus eine Überprüfung vorgenommen hat. Nur so kann ich feststellen, ob bei einem meiner Flüge die Ständigen Betriebsverfahren eingehalten wurden.“

Meldekulturen sind offen für Meldungen von Mitarbeitern über Sicherheitsprobleme. Die Mitarbeiter wissen, dass eine Meldung für sie keine Strafe oder Spott nach sich ziehen wird. Das Icarus Committee der Flight Safety Foundation erklärte vor einigen Jahren, dass eine Organisation nur dann erwarten könne, Sicherheitsinformationen von ihren Mitarbeitern zu erhalten, wenn eine gedruckte und vom Geschäftsführer unterzeichnete Erklärung vorliegt, die den Mitarbeitern zusichert, dass keinerlei Disziplinarverfahren gegen einen Mitarbeiter eingeleitet werden, der in gutem Glauben ein infolge eines unbeabsichtigten Verhaltens hervorgerufenes Risiko oder sicherheitsrelevantes Vorkommnis meldet. Die Mitarbeiter müssen sicher sein, dass die Vertraulichkeit gewahrt bleibt. Die von dem oben erwähnten Unfall betroffene Fluggesellschaft hatte eine Sicherheitshotline eingerichtet, die Besatzungsmitgliedern zum Melden von Sicherheitsbedenken zur Verfügung stand. Die Ermittler stellten jedoch fest, dass die Hotline von niemandem verwendet wurde.

Mit anderen Worten: Das, was uns zur Verfügung steht, funktioniert nicht. Eines der Ausschussmitglieder erklärte während der Anhörung: „Aufgrund der Aussage, die Sie heute abgegeben haben, würde ich sagen, dass ... (der Fluggesellschaft) mindestens zwei Elemente einer erfolgreichen Sicherheitskultur fehlten, nämlich eine Informationskultur und eine Meldekultur.“ Meiner Meinung nach hat das Fehlen dieser Elemente zwar nicht den Unfall verursacht, ihn aber eventuell ermöglicht. Es konnte sich dadurch

with. Another pilot who flew with the captain a week before the accident said that the captain operated in a standard manner with no deviations from SOPs. Clearly; however, on the accident flight they were not doing the right things when no-one was watching. Why did this crew think that they could do what they did? Dr Reason stated that a safety culture consists of an „informed culture“, a „reporting culture“ and a „just culture“. During the board meeting for this accident, I asked questions concerning two of these elements - informed and reporting cultures. In an informed culture, an organisation collects and analyses the data to stay informed of its safety health. Examples of such programs are internal and external audits, flight operational quality assurance (FOQA), line operations safety audits (LOSA) and confidential incident reporting systems such as Aviation Safety Action Programs (ASAP). Interestingly, at the time of the accident, the airline had no effective programs to collect and analyse safety data; it did not have a FOQA or ASAP program; and it had never conducted a LOSA. Remarkably, when asked how they ensured that crews adhered to SOPs during positioning flights, the company‘s chief pilot stated, „Same way I do any flight being conducted to SOP. We look at the reports. We look at the numbers, you know: Did they leave on time, did they not leave on time, and if anyone is on the jump seat doing a check. That‘s the only way I know if any flight I have is being conducted per SOP.“ In other words, we don‘t know Reporting cultures are receptive to employee safetyproblem reports. The employees know they will not be punished or ridiculed for their reports. The Flight Safety Foundation Icarus 19

eine Kultur entwickeln, die den Besatzungsmitgliedern den Eindruck vermittelte, sie könnten nach eigenem Belieben handeln, wenn niemand sie beobachtete. Eine Fehlerkultur ist unverzichtbar, wird jedoch häufig nicht verstanden. In einer Fehlerkultur wissen Mitarbeiter, dass man sie zwar für ihr Handeln verantwortlich machen, dabei aber fair behandeln wird. Sie wissen außerdem, dass jene bestraft werden, die leichtsinnig handeln oder vorsätzlich nicht zu rechtfertigende Risiken eingehen. Dr. Reason betonte, dass die Fehlerkultur nicht mit einer schuldzuweisungsfreien Kultur verwechselt werden darf. Er erklärte, dass eine schuldzuweisungsfreie Kultur sich nicht damit befasst, wie Personen zu begegnen ist, „die sich vorsätzlich (und oft wiederholt) in einer gefährlichen Weise verhalten, die das Risiko negativer Folgen erhöht. Zum Zweiten wird (in einer schuldzuweisungsfreien Kultur) nicht angemessen auf die äußerst wichtige Unterscheidung zwischen schuldhaften und nicht schuldhaften unsicheren Handlungen eingegangen.“ „Meiner Ansicht nach hängt eine Sicherheitskultur entscheidend davon ab, dass zunächst ausgehandelt wird, wo die Grenze zwischen unzulässigem Verhalten und schuldfreien Handlungen zu ziehen ist“, sagte Dr. Reason. Die drei Elemente einer Sicherheitskultur entsprechen sozusagen Zahnrädern, die sich zusammen drehen und so eine Organisation in Richtung einer Sicherheitskultur voranbewegen. Fehlen ein oder zwei Zahnräder, tritt die vorgesehene Bewegung nicht ein. Somit stellt sich erneut die Frage: Existiert bei Ihnen eine Sicherheitskultur? Aufschlussreicher wäre vielleicht, folgendes zu fragen: Existieren diese Elemente bei Ihnen? Wenn ja, sind sie wirksam? Überlegen Sie genau, was Sie antworten. 20

Committee stated several years ago that if you expect employees to provide safety information, then you must have a printed policy signed by the CEO that assures employees that the organisation will not initiate disciplinary proceedings against an employee who, in good faith, discloses a hazard or safety incident due to conduct that was unintetional. Employees must be certain that confidentiality will be maintained. The airline involved in the previously mentioned accident had a safety hotline crewmembers could use to report safety concerns. However, investigators discovered that no-one used the hotline. In other words, whatever we have is not working One board member at the hearing stated, „Based on what you‘ve told me today, I would say that ... (the airline) lacked at least two elements of a successful safety culture - an informed culture and a reporting culture“. I believe the absence of these elements, while not causing the accident, may have enabled the accident. It enabled a culture in which crew-members felt they could do whatever they wanted when no one was watching. A just culture is essential but it is often misunderstood. In a just culture, employees are confident that while they will be held accountable for their actions, they will be treated fairly. They also know that those who act recklessly or deliberately take unjustifiable risks will be punished.

Dr Reason emphasised that we must not confuse „just culture“ with“ no-blame culture“. He explained that a „no-blame culture“ does not address how to deal with „individuals who willfully (and often repeatedly) engaged in dangerous behaviors that increase the risk of a bad outcome. Secondly, (no-blame culture does) not properly address the crucial business of distinguishing between culpable and nonculpable unsafe acts.“ „In my view, a safety culture depends critically upon first negotiating where the line should be drawn between unacceptable behavior and blameless acts,“ he said. The three elements of a safety culture are like gears, turning together to propel an organisation towards a safety culture. If one or more are missing, the intended movement doesn‘t happen. So, again, the question arises: Do you have a safety culture? Perhaps a more telling question is: Do you have these elements, and are they effective? Be careful how you answer that one.

Bild von Hauptmann Willi Pfitzinger, FlgAbt 301

Flugsicherheit

Flugberatung & Flugsicherheit von Hauptmann Berthold Juraszczyk, Amt für Flugsicherung der Bundeswehr

Aus mindestens drei Gründen beschäftigt sich der Militärische Flugberatungsdienst derzeit sehr intensiv mit dem Thema „Flugberatung und Flugsicherheit“: Der Wandel von AIS (Aeronautical Information Service) zu MilAIM (Military Aeronautical Information Management) bringt neben alten und modifizierten

Schwerpunkten zusätzliche flugsicherheitsrelevante Aufgaben mit sich, sowie veränderte Anforderungen an die Ausbildung des Personals. Die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems in der Militärischen Flugsicherung erfordert die Definition von Standards zur Qualitätssicherung und prüfung.

Seit dem 15.11.2004 ist das Personal des Militärischen Flugberatungsdienstes lizenziert. Damit einhergehend werden Prüfer für den Lehrgang MilFB in Kaufbeuren, als auch für die Abschlussprüfungen der Ausbildung am Arbeitsplatz ausgebildet und eingesetzt. Ein wesentlicher Bestandteil des Prüferlehrgangs ist die Diskussion über die Kriterien, nach denen die Lehrgangsteilnehmer das „go“ oder das „no go“ für das erfolgreiche Abschließen der Ausbildung vom Prüfungsausschuss ausgesprochen bekommen. Nachfolgend habe ich ein paar Ereignisse und Gedanken aus der Praxis „zum Nachdenken“ zu Papier gebracht. Als Kontrapunkt zu den eige21

Flugsicherheit

„One way“ oder falsche Höhe – völlig egal, Radar wird´s schon richten … Das durch Flugberater und Luftfahrzeugführer gemeinsam erarbeitete IFR-Routing hat den gültigen Luftfahrtveröffentlichungen und möglichen Ergänzungen durch die aktuelle NOTAM-Lage zu entsprechen. Ist dies nicht der Fall, darf der Flugberater den Flugplan nicht annehmen. Der tragische Unfall der Tu154 der Luftwaffe vor der südafrikanischen Küste hat gezeigt, dass eine falsche Flugfläche (Flight Level) im aufgegebenen Flugplan speziell im Ausland durchaus höchst flugsicherheitsrelevante Auswirkungen haben kann und ein wichtiges Glied in der Flugsicherheitskette darstellt. Wenn auch der Richtigkeit halber erwähnt werden muss, dass die Flugstrecke seinerzeit nicht durch einen Flugberater der Bundeswehr erstellt wurde, so wird während der Ausbildung jeder Lehrgangsteilnehmer für seinen Flugplan 22

bei einem Verstoß gegen die „One way“- bzw. „Level“-Vorgaben ein „no go“ erhalten. Hierbei ist unerheblich, ob die Strecke innerhalb oder außerhalb der IFPS-Grenzen (Integrated Flight Plan Processing System von EUROCONTROL) verläuft und sich somit erhebliche Unterschiede in den Plausibilitätsprüfungen der Systeme bei aufgegebenen Flugplänen ergeben. Klasse Klassifizierung - die Sache mit dem Handbuch … In einigen Ländern der Welt sind Luftfahrtveröffentlichungen, speziell Militärische Veröffentlichungen (beispielsweise in der Ukraine) als Verschlusssache klassifiziert und nicht zugänglich. NOTAM sind teilweise oder gar nicht vorhanden, Anflugverfahren wahlweise entweder offensichtlich „uralt“ oder/und in fremdartigen und aufregenden Schriftzeichen verfasst. Ein Blick in die Veröffentlichungen ziviler „Luftfahrtinformationsverwertungsunternehmen“ hilft hier auch nicht weiter. Die Flugberatungsstelle eines Lufttransportgeschwaders informierte mich im Februar 2008 darüber, dass man hier ein höchst ungutes Gefühl bei der Durch-

führung einer Flugabsicht hätte und den Flugplan nicht unterschreiben könne. Die Genehmigungsnummer des entsprechenden Generalstabs für Überflug und Landung verbesserte dieses Gefühl nur unwesentlich. Eine Flugberatung kann hier nur unzureichend oder gar nicht erteilt werden. Hier ist die Führung der fliegerischen Seite gefordert zu entscheiden, inwieweit ein Flug bei vergleichbar unzureichenden Voraussetzungen überhaupt durchgeführt werden sollte. Ein Flugplan ohne Flugberatung ist konzeptionell nicht vorgesehen. Dass die auf einer Flugberatungsstelle vorhandenen „üblichen“ Luftfahrtveröffentlichungen den aktuellen Berichtigungsstand wiederzuspiegeln haben, versteht sich auf Grund der besonderen rechtlichen Situation von selbst. Hier hat es sich nicht nur als problematisch erwiesen, die Berichtigungen von „angelerntem“ Personal durchführen zu lassen - die BesAnMilFS 3-100 verbietet es. Eigenverantwortlich - und doch zu zweit? In Zeiten zunehmender Belastung der Flugberatungsstellen (siehe weiter unten), sowie außerhalb der üblichen Platzöffnungszeiten kommt es leider vor, dass die Flugberatungsstelle mit nur einem Flugberater besetzt ist und damit die unter Flugsicherheitsaspekten notwendige Mindestbesetzung deutlich unterschritten wird. Dies ist immer dann kritisch, wenn Tätigkeiten durchgeführt werden, die z. B. das Einzeichnen von NOTAM auf eine Navigationswarnungskarte oder das Übermitteln von Flugplänen unmittelbare flugsicherheitsrelevante Auswirkungen haben können. Ein

Bilder von Andrea Maneth, Hambuch

nen Überlegungen wird im nachfolgenden Beitrag ein weiterer Artikel mit einem launig dargestellten virtuellen Arbeitstag eines Offiziers einer Flugberatungsstelle erscheinen, der das Spannungsfeld, in dem sich ein Flugberater in unserer Zeit bewegt, noch einmal plastisch darstellen soll. Dieser Artikel soll definitiv nicht den Eindruck erwecken, dass derzeit auf den Flugberatungsstellen die „Produktqualität“ ganz furchtbar schlecht sei – Überprüfungsresultate von General Flugsicherheit und den Höheren Kommandobehörden (Heer), sowie die Tatsache, dass ich bei meinen vielen Besuchen in Fliegenden Verbänden in den letzten Jahren eine hohe bis sehr hohe Akzeptanz bei den fliegenden Crews feststellen konnte, lassen den Schluss einfach nicht zu. Nichtsdestotrotz gilt es, das Verständnis und die Sensibilität für die Folgen des eigenen Handels aufrechtzuhalten und weiterzuentwickeln.

Luftfahrzeugführer, der mittels dieser Karte über eine Fallschirmsprungaktivität an einem falschen Ort, zu einer falschen Zeit oder gar nicht informiert wird und der sich auch über Funk nach dem Start bei niemandem meldet, interessiert sich recht wenig für die örtlichen Probleme bei der Stellenbesetzung, wenn er den Fallschirmspringer zu spät oder gar nicht sieht. Während meiner aktiven Zeit in Mendig habe ich mich als Leiter der dortigen Flugberatungsstelle nach der Darbietung meiner künstlerischen Aktivitäten an der Navigationskarte durchaus auch von meinem (allerdings sehr guten) Hauptgefreiten überprüfen lassen. Bei der Veröffentlichung von Flugplänen ist es durchaus ratsam (und auf Grund eigener Erfahrung erfolgbringend), die Qualität noch einmal selbst mittels Ausdruck zu prüfen. In vielen Einheiten, speziell bei der Luftwaffe, werden NOTAM an Gefechtsstände weitergeben. Hier ergibt sich ein physikalischer Bruch des Datenflusses und birgt ein Risikopotential. Es ist hervorzuheben, dass ein Flugberater sich rechtlich nicht auf die Darstellungen vor Ort als Teil seiner Beratung verlassen darf, es sei denn, der Sachstand ist kontinuierlich von lizenziertem Personal der Flugberatungsstelle geprüft und überwacht. Im Übrigen hilft bei personellen Engpässen auf der Flugberatungsstelle auch die Veröffentlichung eines NOTAM „AIS CLOSED“ nicht wirklich weiter. Meist geht die Arbeit nahezu unverändert weiter - der einzelne Flugberater gerät nur noch schneller in Hektik - ich meine, natürlich gerät ein Flugberater niemals in Hektik.

Oh brother – where are you? Der Militärische Flugberatungsdienst führt die Landeplatzüberwachung bei Flugplätzen ohne Flugverkehrskontrolldienst, sowie in Kasernen und Außenlandeplätzen durch. Entscheidend für ein sachlich angemessenes „FlightFollowing“ sind die Angaben des Luftfahrzeugführers bei der Erstellung des Flugplanes, sowie die Auswertung der Flug- und Standzeiten. Hier gibt es je nach Mission die Eintragungsmöglichkeiten RMK/LDG …, STOPS AT und TACTICAL STOPS ENROUTE. Es müssen gerade die jungen Flugberater häufig noch davon überzeugt werden, dass nicht jeder Luftfahrzeugführer, der nichts zu den Zeiten sagt, diese Zeiten nicht kennt und dass es sich im Sinne der Flugsicherheit lohnt, noch einmal nachzufragen. Allerdings kann ich sagen, dass sich insgesamt das gegenseitige Verständnis auf beiden Seiten der Abfertigungstheke in den letzten Jahren deutlich verbessert hat. Die Überwachung der Landezeiten ist nicht nur relevant, um bei einem möglichen Flugunfall rechtzeitig Maßnahmen einleiten zu können oder um Interessierten im eigenen Bereich Rede und Antwort stehen zu können. Speziell in den Fällen, in denen während der Flugdurchführung noch „shortnotice“-NOTAM bei der örtlichen Flugberatungsstelle auflaufen, ist es für den Flugberater wichtig zu wissen, wo bzw. mit welchen Fernmeldemitteln er den Luftfahrzeugführer erreichen kann.

Daher ist, so simpel es sich auch anhören mag, auch die richtige Auswertung der Flugplandaten und die Berechnung von Flug- und Standzeiten bei der Eingabe in das Flugsicherungsinformationssystem der Bundeswehr (FSInfoSysBw) von hoher Wichtigkeit. Die Tücken liegen hier im Detail, beispielsweise bei der unzureichenden Übergabe von Arbeitsplätzen und vor allem in einem der Hauptfeinde der Qualität: Routine. So finally Der Militärische Flugberatungsdienst ist ein Schlüsselelement mit aktiven Beiträgen zur Flugsicherheit. Die Diskussion diesbezüglich ist breit gefächert. Sie war bei den ersten Abschlussprüfungen an der TSLw 1 unter Beteiligung von externen Prüfern in dieser Tiefe neu, ist insgesamt erfreulich bereitwillig vom Personal aufgenommen worden und noch längst nicht abgeschlossen. Entscheidend ist allerdings, dass mit der Lizenzierung des Personals immer deutlicher ein Umdenkungsprozess im Hinblick auf die Folgen des eigenen Handelns eingesetzt hat. Dies ist allerdings nur die halbe Miete - interessant und etwas ernüchternd war für mich, dass bei einigen Flugberatern Stress bei der Benennung von flugsicherheitsmindernden Faktoren recht einsam an der Spitze der Liste steht. Eigene Beobachtungen und auch der in der nächsten Ausgabe der Flugsicherheit erscheinende Artikel zeigen mir, dass diese Aussagen auch klar belegbar sind. Hier sind die jeweiligen Teileinheitsführer, Vorgesetzte und vorgesetzte Dienststellen gefordert, dies nicht aus den Augen zu verlieren.

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Flugsicherheit

Alle Zeichnungen von HFw Ingo-Paul Dierkes

(K)ein Tag wie jeder andere von Hauptmann Berthold Juraszczyk, Amt für Flugsicherung der Bundeswehr

In dem vorangegangenen Beitrag zum Thema Flugberatung und Flugsicherheit habe ich Schwerpunkte der derzeitigen Diskussion aus der Sicht des für Grundlagen und Regulierung des Flugberatungsdienstes Zuständigen dargestellt. Die Kameraden, die vor Ort in der Verantwortung stehen, führen die Diskussion durchaus unter einem etwas anderen Blickwinkel. Dies soll an dieser Stelle unter Zuhilfenahme der Darstellung eines virtuellen Arbeitstages eines Flugberaters deutlich gemacht werden. Alle angegebenen Zeiten sind lokale Zeit (als Flugsicherer kenne ich normalerweise nur Z-Zeit). 24

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05.46 Uhr Mit unglaublicher Präzision habe ich schon wieder den Zeitpunkt der Flaggenparade erwischt. Gedankennotiz für mich: Sollte es diese Woche noch einmal passieren, werde ich am Samstag Lotto spielen. Apropos Gedanken, ich sollte irgendetwas nicht vergessen ... ich kann mich nicht erinnern was es war.

ein personeller Engpass (Ausbildung, Truppenübungsplatzaufenthalt, Urlaub, Auslandseinsätze) zwingen uns, den PPR - Joker (Prior Permission Requestet) zu ziehen, um mit Unterbesetzung arbeiten zu können.

06.20 Uhr Die Flugberatung ist geöffnet. Ich habe mich ins FSInfoSys Bw eingeloggt. So ist jeder Zeit nachvollziehbar, wer welche Daten zu welcher Zeit eingegeben hat; auch die Flugberater im AFSBw haben eine Eröffnungsmeldung bekommen und wissen, dass wir betriebsbereit sind. Um genauer zu sein, dass ich betriebsbereit bin, denn

06.21 Uhr Bis jetzt alles Routine. Nun werte ich die Informationen der letzten Schicht aus. Es ist noch Geld aus Landegebühren einer zivilen Landung bei der Zahlstelle abzugeben. Die Poststelle hat noch acht Pakete für die Flugberatung ... die neuen FLIPs sind da, also werde ich einen der FS-Techniker bitten, die Pakete abzuholen.

06.23 Uhr Das Telefon klingelt zum ersten Mal an diesem Morgen: Der Line-Check durch die FS-Technik. Alles laut und klar ... und die Abholung der Pakete ist auch geregelt.

rungen“ anderer Flüge (z. B. IFR) nicht wesentlich komplizierter, aber so wird gern mal aus einem IFR-Überlandflug ein RADAR-Platzrundenflug, da der Plan durch das ACC nicht mehr akzeptiert wird.

06.24 Uhr Weiter mit den Informationen der letzten Nachtschicht. Es sind noch einige Genehmigungen für Übungsanflüge einzuholen. Außerdem ist eine Post Flight Information eines Piloten zu melden. Offensichtlich kam es bei einem IFR-Flug zu einem Rerouting seitens der zuständigen RADAR Kontrollstelle.

07.02 Uhr Es ist soweit - mein erster Kaffee steht auf dem Tisch. Was wollte ich nicht vergessen ...

06.25 Uhr Jetzt gilt es erst einmal, die über Nacht eingelaufenen NOTAM (Notice to Airman) auszuwerten und in geeigneter Art und Weise bereitzustellen. Für das örtliche Beratungsgebiet ist noch eine Änderung einzuarbeiten. Ein Fallschirmsprunggebiet, welches ich noch fürs Briefing einarbeiten muss (Raum wechseln, Netzwerkrechner an, Präsentation ändern). Beim kurzen Check des LoNo-Eingangs stelle ich fest, dass wir die angeforderten An- und Abflugverfahren von der Auslandsflugberatung bekommen haben. Ich werde jetzt keinen Gedanken daran verschwenden, wie ich die Karten farbig ausdrucke, denn seit Einführung BWI ist mein Farbdrucker weg. Apropos Gedanken, ich wollte doch irgendetwas nicht vergessen ...? 06.35 Uhr Ich sollte mir jetzt erst einen Kaffee holen ...

© 06.36 Uhr Die Tür öffnet sich. Die erste Beratung - nichts Kompliziertes. Ein Flug in einem Übungsgebiet den ganzen Tag über - mit letzter Landung im Gelände und zwar nachts. Ein wenig Mitleid habe ich schon, denn wir besetzen heute länger (wussten die das denn nicht schon gestern?). Zwei Unterschriften, ein Blick auf die Karte, ein NOTAM Check und die Beratung ist so gut wie fertig. Ich lasse mir noch die Handynummer für den Fall der Fälle geben und mache aus, dass sich die Besatzung alle zwei Stunden für ein Infoupdate meldet. 06.54 Uhr Der Plan ist ins FSInfoSys Bw eingegeben - die Koordination mit der Platzkontrollstelle muss noch warten ... die kommen eh erst in einer halben Stunde. Jetzt wäre Zeit sich einen Kaffee zu holen und in mich zu gehen, um herauszufinden, was ich auf gar keinen Fall vergessen wollte. 06.55 Uhr Der OvG meldet sich. Ein technischer Defekt an der soeben beratenen Bo 105 - ich soll doch mal schnell den Plan ändern. Da als Rufzeichen die Eintragungszeichen genutzt werden, heißt das für mich: Plan aufheben und neuen Plan eingeben, denn eine Änderung des Rufzeichens ist nicht möglich. Für den jetzigen Flug kein Problem. Bei kurzfristigen „Ände-

07.03 Uhr Der Verantwortliche für den Auslandsflug in der nächsten Woche nimmt Platz und erkundigt sich über den Stand der beantragten Diplomatischen Freigaben und Landegenehmigungen. Es liegt eine Dauergenehmigung für das entsprechende Land vor und die Plätze haben weitestgehend Landung, Betankung und - sofern notwendig - Übernachtung zugesagt. Mit einem Vorlauf gemäß Vorschrift macht die Vorbereitung eines Auslandsfluges richtig Spaß. Wenn am Wochenende aus der Rufbereitschaft ein Flug für Montag in Griechenland erarbeitet wird, macht es allerdings noch mehr Spaß. Ich teile mit, dass auch die von der Auslandsflugberatung geforderten Informationen zugeschickt wurden. „Nicht notwendig, hab schon aus dem ... kopiert“ so seine Aussage. Eine Gegenüberstellung zeigt, dass die bei uns vorhandenen Veröffentlichungen der jeweiligen nationalen AIP aktuelleren Datum sind und damit auch einige Informationen in seinen Kopien falsch. Während die Kopien in den VS-Müll wandern sage ich zu, bis morgen unsere Kopien auch farblich präsentieren zu können (eine Idee, wann ich Farbausdrucke in der S6-Abteilung machen soll, habe ich allerdings grad nicht). 07.26 Uhr Ein Techniker hat sich bereit erklärt, für den Zeitraum des Briefings auf unsere Telefone aufzupassen. Da noch kein Flugbetrieb geplant ist und 25

Alle Zeichnungen von HFw Ingo-Paul Dierkes

Flugsicherheit

sich der Briefingraum im Gebäude befindet, spricht nichts dagegen, die Flugberatung kurz zu verlassen. Auf dem Weg zum Briefing versuche ich herauszufinden, was ich nicht vergessen sollte.

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07.48 Uhr Ich bin auf dem Weg zurück in die Flugberatung. Dass der Rechner im Briefingraum nicht funktionierte, lockt mich nicht mehr aus der Reserve. Alle relevanten Daten hatte ich eh im Kopf und konnte das Briefing frei halten. Jedoch kann ich mich immer noch daran erinnern, dass ... 07.49 Uhr Ich bedanke mich beim Techniker und begrüße die bereits wartende Besatzung, als das Notfallsignal der Fernmeldekonsole ertönt. „Klein Moment ... alles laut und klar“ ... jetzt wieder zu der Besatzung ... es läutet erneut ... „Klein Moment“ ... die beiden Piloten schauen sich ratlos an ... „RWY in use 09 und hast du schon was?“ Ich koordiniere schnell den Plan von heute morgen. „So jetzt bin ich für Euch da, wo soll`s denn hingehen?“ „Wir hatten gestern Abend schon mal was vorbereitet.“ „Stimmt, habe ich heute morgen schon gesehen.“ „Die geplante Maschine ist defekt - wir können nicht direkt nach Köln, sondern müssen über Niederstetten.“ „Klein Moment ... Niederstetten, da war doch was!“ Ich erinnere mich gebrieft zu haben, dass Niederstetten heute geschlossen ist, aber die Informationen von vor 10 Minuten könnten 26

© ja schon veraltet sein. Sind sie leider nicht! Ein NOTAM Check ergibt: ETHN CLOSED. „Dann gehen wir halt über Fritzlar“ strahlt mich der Pilot an. Es klingelt: „VFR Departure die GAM88.. at 06.02.“ Schnell die Daten ins FSInfoSys eingeben, jetzt weiter zur Beratung. Fritzlar, mmmh ..., da war doch auch was? PPR? NOTAM Check die Zweite. „Fritzlar hat PPR!“ „Kriegen wir noch eins?“ Auf Grund der Kürze der Zeit mach ich das ausnahmsweise nicht schriftlich über unseren Rechner, sondern per Telefon ... „Fritzlar ist kein Problem, die mussten auch ihren PPR Joker ziehen.“

©

08.20 Uhr Die Besatzung verlässt die Flugberatung, ich gebe die vier Pläne ins System, koordiniere mit dem TWR, RADAR und ändere schriftlich die geänderte Ankunftszeit des PPR für Köln. Mit den Piloten habe ich ausgemacht, über Fritzlar zu informieren, ob die geänderten Zeiten für Köln genehmigt sind. 08.37 Uhr Während ich ein paar neue Navigationswarnungen in die Karte zeichne denke ich daran, dass ich auf keinen Fall etwas vergessen sollte. 08.45 Uhr Meine Pakete kommen und werden in einer Ecke der Flugberatung aufgetürmt. Kurze Sichtung und Eintragung ins Log, zum Verteilen und Prüfen ist jetzt keine Zeit. Wieder klingelt das Telefon: NDB Approach (Non Directional Beacon) durch eine platzfremde Maschine. Ein kurzer Anruf bei RADAR - ... „kein Problem, bitte schickt uns einen Plan.“

Feuerwehr hat die Besetzung für die Folgewoche zugesandt. Nach Information des FSStOffz gebe ich in dessen Auftrag ein NOTAM für nächste Woche heraus.

nicht angerührt habe ... jetzt weiß ich auch, was ich nicht vergessen wollte: Morgen werde ich Tee trinken - der schmeckt kalt besser!

11.21 Uhr Ich versuche mich zu erinnern, dass … © 09.02 Uhr Ich versuche den S6-Bereich zu erreichen, um einen Termin für die Farbkopien unserer Auslandsveröffentlichungen abzusprechen. ... NATO Pause, die Erste. Gedankennotiz: S6 Abteilung später anrufen. 09.26 Uhr Ich leite eine telefonische Anfrage für eine Static Display Maschine auf einer Öffentlichkeitsveranstaltung an den Leiter Flugbetrieb weiter. 09.30 Uhr Wie angekündigt erscheinen fünf zivile Arbeiter, die Wartungsarbeiten im Flugbetriebsbereich durchführen. Die Belehrung dauert eine volle Stunde, da das Telefon in regelmäßigen Abständen klingelt, ich die Leute nur schwer verstehe, und die Bearbeitung der NOTAM auch Priorität hat. 10.45 Uhr Die S6 Abteilung ruft mich zurück und bietet mir an, die Veröffentlichungen noch heute auszudrucken und in den TWR zu bringen. Ich bedanke mich tausendmal ... eine Herausforderung weniger. 10.49 Uhr Die Anfrage, ob schnell jemand in der Staffel Post holen könnte, beantworte ich mit einem Lächeln. 11.03 Uhr LoNo-Eingang wird geprüft: die

©

11.22 Uhr Anruf vom Umweltamt: Ein Hubschrauber soll so tief über ein Adlerbrutgebiet geflogen sein, dass die Vögel aus dem Nest fielen. Nach Klärung des Sachverhalts und Überprüfen der Karte und Flugvorhaben in diesem Bereich kann ich mit höchster Überzeugung mitteilen, dass im besagten Zeitraum kein orangefarbener BwHubschrauber unterwegs war. 11.29 Uhr Ich werte die … 12.30Uhr Ich schaue ein wenig irritiert, als sich die Tür öffnet. Die Spätschicht ... ist es denn schon so spät? 13.00 Uhr Wir beginnen mit der Schichtübergabe. Jeder einzelne Flug wird inklusive aller Teilabschnitte übergeben. Die Landegebühren sind immer noch einzuzahlen, die eingegangenen Publikationen sind noch zu verteilen. Die S6er werden mit den Karten kommen. Ein NOTAM wurde veröffentlicht usw. usw. 13.28 Uhr Ich schließe das Daily Log und bestätige alle Eintragungen mit meiner Unterschrift. 13.31 Uhr Ich verlasse die Flugberatung, um jetzt der Forderung nach körperlicher Leistungsfähigkeit nachzukommen. Auf dem Weg fällt mir meine Tasse Kaffee ein, die ich den ganzen Tag

Anmerkung: Den vorangegangenen Text habe ich mir nicht ausgedacht, sondern ist das Resultat meiner Bitte an verschiedene Flugberatungsstellen, mich mit eigenen Gedanken in der Vorbereitung zu diesem Artikel zu unterstützen. Allerdings gebe ich zu, dass er von mir hätte stammen können, denn vergleichbare Erfahrungen habe ich zur Genüge selbst gemacht. Erstaunt hat mich allerdings dann dennoch der Beitrag einer Flugberatungsstelle, bei der ein WSO der Auffassung war, auf Grund seines Dienstgrades und seiner Dienststellung müsse er gar keinen VFR-Flugplan aufgeben – er könne so fliegen. In solchen Situationen ist dann mitunter das sensible aber beherzte Auftreten des Wachleiters mit seiner ganzen Kompetenz von Nöten – auch dies ist dann ein Beitrag zur Flugsicherheit. Wie bereits in dem vorangegangenen Beitrag dieser Ausgabe der Flugsicherheit dargestellt, ist die Diskussion um das Thema „Flugberatung und Flugsicherheit“ breit gefächert. Sie ist offen und offensiv zu führen, um so einen höchstmöglichen Effektivitätsgrad für die praktische Arbeit zu erzielen. Alle Beteiligten sind aufgefordert, sich nicht einfach mit oberflächlichen Begründungen und „unveränderlichen Umständen“ zufrieden zu geben, die möglicherweise einer nachträglichen Betrachtung nicht Stand halten. Hinterher weiss man leider immer alles besser. 27

Flugsicherheit

Learning the hard way

von Fregattenkapitän Markus Merz, GenFlSichhBw

Manchmal haben kleine Ursachen große Wirkung – im Guten wie im Schlechten. Und auf wirklich Naheliegendes kommt man leider manchmal erst im Nachhinein. Ein Beispiel dafür stellt der Flugunfall 9908 mit Sea Lynx MK88 aus dem Jahr 1999 dar. Bei einer Uboot-Jagd-Übung am 30. Oktober 1999 in der Nacht über See geriet ein Bordhubschrauber im Abflug aus einem stationären Schwebeflug in einen Sinkflug. In der Folge 28

bekam das Luftfahrzeug bei mehr als 60 Knoten Geschwindigkeit während einer Linkskurve Wasserberührung und zerschellte um 2030Z ca. 20 Nautische Meilen südlich Siziliens in der See. Dabei wurde der verantwortliche Luftfahrzeugführer getötet. Der Hubschrauberortungsmeister konnte schwer, der Luftfahrzeugführer leicht verletzt das Wrack aus eigener Kraft verlassen und an der Wasseroberfläche gerettet werden. Das Luftfahrzeug wurde zerstört und sank. Der VLF war Angehöriger der französischen Marine und wurde als Austausch-Luftfahrzeugführer seit einem halben Jahr in der deutschen Marine eingesetzt. Der LFF war gleichzeitig Erster Offizier des Schiffes und Inübunghalter; er hatte bis zum Briefing um ca. 1900Z seit ca. 0600Z am Tagesdienst an Bord teilgenommen. Nachdem die Besatzung das Briefing durchgeführt hatte, begab sie sich gegen 1940Z zum Luftfahrzeug

auf das Flugdeck und führte die Vorflugkontrolle durch. Der VLF besetzte den linken Sitz, der LFF den rechten Sitz, der HOM saß auf seinem Sitz an der Sonarkonsole hinter dem VLF. Der Start erfolgte um 2004Z. Anmerkung: Die AFCS-Anlage des MK88 Sea Lynx Bordhubschraubers verfügt für den Reiseflug über zwei voneinander unabhängige Systeme zur automatischen Höhenhaltung, die Radarhöhenhaltung und die barometrische Höhenhaltung, die durch parallel nebeneinander liegende, baugleiche und mit gleichfarbigen Kontrollleuchten ausgestattete Drucktasten auf dem AFCS-Bediengerät aktiviert werden können. Nach Betätigung leuchtet die entsprechende Drucktaste. Die vorgesehene Radarhöhe ist vorwählbar, wobei nach dem Einschalten der Radarhöhenhaltung (RAD

Bild von der PIZ Marine

ALT) das Luftfahrzeug automatisch auf die vorgewählte Flughöhe über See steigt bzw. sinkt und diese Höhe dann mit vierprozentiger Genauigkeit einhält (z. B. bei 200 Fuß ASL +/- 8 Fuß). Die barometrische Höhenhaltung verfügt über keine Vorwahlfunktion und unterliegt hinsichtlich ihrer systembedingten Toleranzen einer größeren Ungenauigkeit als die Radarhöhenhaltung. Nach Betätigung der Drucktaste BAR ALT hält das Luftfahrzeug die momentane Druckhöhe bei oder kehrt bei einem Steig- oder Sinkflug in die zum Aktivierungszeitpunkt aktuelle Druckhöhe innerhalb der systembedingten Toleranzen (gedämpfte Sinusschwingungen mit Amplituden bis zu +/- 100 Fuß) zurück. Die eigentliche Uboot-Jagd-Übung wurde von einem britischen Zerstörer geleitet. Gemäß dessen Einsatzbefehl per Funk wurde der BHS (Bordhubschrauber) zunächst als Waffenträger eingesetzt, worauf der VLF mit Hilfe des Plotboards, Radars und Navigationsrechners die taktische Lage mit entsprechender Navigationsplanung vorzubereiten begann. Für den Flug in das befohlene Übungsgebiet und den Übergang in den Vorwärtsflug schaltete der LFF die automatische Schwebeflugpositionshaltung am Cyclic Stick aus, beschleunigte den BHS, schaltete die automatische Radarhöhenhaltung ab und brachte den BHS durch Leistungszufuhr in den Steigflug. Nach Einnahme des Steigflugs mit entsprechenden Anzeigen am Variometer, Radarhöhenmesser und barometrischen Höhenmesser forderte der LFF vor Erreichen einer positiven Fahrtanzeige mit dem Wortlaut „engage RAD ALT 200“ den VLF auf, die Radarhöhenhaltung für den automatischen Steigflug auf 200 Fuß ASL aufzuschalten. Dieser bestätigte mit „RAD ALT engaged, light ON“.

Im Steigflug hatte der LFF die Funktionalität der Höhenhaltung am kollektiven Blattverstellhebel überprüft und nach eigener Aussage wahrgenommen, dass definitiv eine der beiden Drucktasten für die Höhenhaltbedienung auf der Mittelkonsole beleuchtet war. Aufgrund der Dunkelheit im Cockpit war für ihn jedoch nicht ersichtlich, welche der beiden Drucktasten beleuchtet war, da die Drucktastenbeleuchtung bereits abgedunkelt war und diese Drucktasten gegenüber anderen auf der gleichen Konsole eine geringere Helligkeit aufwiesen (die Abdunkelung wird durchgeführt, um störende Spiegelungen auf den Cockpitscheiben weitestmöglich zu verringern). Gemäß eigener Angabe leitete der LFF bei Erreichen von 200 Fuß Radarhöhe und einer Geschwindigkeit von 60 Knoten eine Linkskurve mit 20° Querlage ein, um den vom VLF angewiesenen Kurs von 90° einzunehmen. Dabei beschleunigte der LFF den BHS in der Linkskurve weiter, um die Fluggeschwindigkeit von 100 Knoten zu erreichen. In dieser Phase des Fluges richtete er seine Aufmerksamkeit beim Crosscheck ausschließlich auf den künstlichen Horizont und den Kompass. Noch während des Kurvenflugs schlug der BHS gegen 2030Z für die Besatzung völlig unerwartet auf dem Wasser auf. Beim Aufschlag auf die Wasseroberfläche wurde der BHS zerstört und versank sofort in der See. Die Notschwimmanlage hatte sich zwar automatisch aktiviert, konnte aber aufgrund des hohen Zerstörungsgrades keine Wirkung mehr entfalten. Der VLF war durch die Gewalteinwirkung zumindest handlungsunfähig und unternahm keinen eigenen Ausstiegs- oder Rettungsversuch.

In der Analyse stellte GenFlSichhBw fest: Einsätze mit dem BHS Sea Lynx MK88 stellen speziell bei Nacht über See mit den dabei anzuwendenden fliegerischen Verfahren hohe Anforderungen an die Besatzungen, da aufgrund fehlender visueller Referenzen nach außen die sichere Führung des Luftfahrzeuges nur unter Nutzung der Flugregelanlage und bei ständiger Überwachung der relevanten Fluginstrumente durch die LFF möglich ist. Zum Erkennen von Systemausfällen und dem entsprechenden Reagieren bleiben einem LFF wenig Zeit. Außerdem ist die Unterstützung durch den nichtsteuerführenden LFF eingeschränkt, da er in den meisten Phasen des Einsatzes taktische Aufgaben zu erfüllen hat und zusätzlich aufgrund der zu nutzenden Ausrüstung einen Großteil seiner auf der linken Seite vorhandenen Fluginstrumente nicht einsehen kann. Im Verlauf dieses Nachtflugs war vom VLF bei vorherigen Steig- und Sinkflügen die Radarhöhenhaltung zweimal funktionsgerecht und beanstandungslos aufgeschaltet worden. Kurz vor dem Verlassen der Schwebeflugposition unter Steuerführung des LFF auf dem rechten Sitz richtete der VLF seine Aufmerksamkeit primär auf die taktische und navigatorische Vorbereitung der bevorstehenden Übung, so dass er im Rahmen der Crew Coordination und Arbeitsteilung ab diesem Zeitpunkt nur noch über eine eingeschränkte Überwachungskapazität verfügte. Zusätzlich bedingt die Arbeit mit dem Plotboard, dass die Fluginstrumente auf dem unteren Teil seiner Instrumententafel verdeckt werden. Mit dem Einleiten des Steigflugs forderte der steuerführende LFF vom VLF die Aufschaltung der Radarhöhenhaltung für den in 200 Fuß vorgesehenen Anflug in das Übungsgebiet. Daher musste der VLF während seiner planerischen Arbeit zusätzlich die 29

Flugsicherheit

Drucktaste RAD ALT auf der Mittelkonsole betätigen, um den LFF bei der Flugdurchführung zu unterstützen. Wie der VLF den von ihm durchgeführten und gemeldeten Aufschaltvorgang überprüfte, konnte im Rahmen der Flugunfalluntersuchung nicht mehr festgestellt werden. Bei diesem dritten, möglicherweise schon als motorischen Routinevorgang durchgeführten Aufschaltvorgang, kann die parallele Anordnung der baugleichen Drucktasten RAD ALT und BAR ALT in der Dunkelheit zu einer Verwechslung und damit Fehlbedienug geführt haben. Hierzu beigetragen haben könnte auch, dass der VLF im Flugbetrieb mit der französischen Version der Sea Lynx nicht zwischen zwei Drucktasten auf dem AFCS-Bediengerät differenzieren musste, da diese nur über das Radarhöhenhaltesystem verfügt. Mit der gem. FBH IV vorgeschriebenen Überprüfung einer aktivierten Höhenhaltung durch Bewegung am kollektiven Blattverstellhebel kann der steuerführende LFF nur feststellen, ob eine Höhenhaltung aufgeschaltet ist, nicht hingegen, welches der Systeme aktiviert ist. Der LFF hatte in dieser Phase keinen Grund, an der aufgeschalteten Radarhöhenhaltung zu zweifeln, da ihm der Aufschaltvorgang vom VLF gemeldet worden war, er den zu erwarteden Widerstand am kollektiven Blattverstellhebel gefühlt hatte und er im weiteren Verlauf eine erleuchtete Drucktaste für die Höhenhaltbedienung auf der Mittelkonsole wahrgenommen hatte. Damit ging der LFF davon aus, dass das Luftfahrzeug mit Erreichen von 30

200 Fuß diese Höhe automatisch beibehalten würde. Mit Beginn des Kurvenflugs in 200 Fuß ist das Luftfahrzeug – bedingt entweder durch die fälschlicherweise aufgeschaltete barometrische Höhenhaltung oder eine, wenn auch weniger wahrscheinliche, Fehlfunktion der Radarhöhenmessanlage – für den steuerführenden LFF unbeabsichtigt und unbemerkt in den Sinkflug übergegangen. Ist während des Beginns des Steigflugs die barometrische Höhenhaltung durch Verwechslung der Drucktasten irrtümlich aufgeschaltet

worden, hat die AFCS-Anlage das Luftfahrzeug in einen Sinkflug gesteuert, um die Aktivierungshöhe einzunehmen. Durch die dann einwirkenden systembedingten Toleranzen (Unterschreiten der Druckhöhe bis zu 100 Fuß) kann bei diesen Ausgangsparametern die Aktivierungshöhe soweit unterschritten werden, dass das Luftfahrzeug Wasserberührung bekommt. Beide LFF fassten aufgrund der Umweltbedingungen in der kompletten Dunkelheit der Nacht durch fehlende äußere visuelle Referenzen die Annäherung an die Wasseroberfläche nicht auf. Der eingetretene Sinkflug hätte deshalb nur durch eine konsequente Überwachung der relevanten Fluginstrumente durch die LFF rechtzeitig registriert werden können. Der steuerführende LFF bezog jedoch in dieser Flugphase nur den künstlichen Horizont und den Kompass in seinen Cross Check ein und vernachlässigte die für die Flughöhe relevanten Instrumente. Der VLF richtete in dieser Phase seine Aufmerksamkeit auf die taktische Planung, wodurch eine zusätzliche Unterstützung im Rahmen der Crew Coordination für die sichere Hubschrauberführung unterblieb. Insgesamt ist festzustellen, dass als Grund für den ungewollten Sinkflug ein technisches Versagen und/oder Fehlfunktion der kompletten Radarhöhenhaltung aus auch der Radarhöhenmessanlage nicht ausgeschlossen werden kann. Ein irrtümliches Einschalten der barometrischen Höhenhaltung anstelle

der Radarhöhenhaltung aufgrund der bordseitigen Anordnung wird jedoch als wahrscheinlicher angesehen, weil die parallel angeordneten Drucktasten wegen der ungünstigen Beleuchtungsabdunkelung zur Minimierung einer störenden Spiegelung visuell nur sehr schlecht zu unterscheiden waren. Ferner hatte der VLF den größten Teil seiner fliegerischen Erfahrung auf einem Luftfahrzeug gleichen Typs gesammelt, welches in der betreffenden Bedienkonsole nur über die RAD ALTDrucktaste verfügt.

Darüberhinaus ist davon auszugehen, dass die langjährige fliegerische Inübunghaltung des LFF seine fliegerischen Fähigkeiten allgemein reduziert hat. Unregelmäßiger Flugdienst sowie der nur einmalige, fast sieben Wochen zurückliegende letzte Nachteinsatz vor dem Unfall hat seine praktischen Fähigkeiten für dieses Flugmanöver herabgesetzt. Erschwerend kommt hinzu, dass mit dem abgeleisteten Tagesdienst die Ruhezeit fehlte und dadurch die erforderliche Konzentration für den Flugdienst reduziert war.

Auf der Grundlage der Feststellungen des Untersuchungsausschusses wurden als Ursachen unter anderem festgelegt: Personal - verantwortlicher Luftfahrzeugführer Mit hoher Wahrscheinlichkeit schaltete der VLF durch Verwechslung der Drucktasten unbeabsichtigt das barometrische Höhenhaltesystem auf. Personal - Luftfahrzeugführer Aufgrund einer fixierten Aufmerksamkeitsverteilung erkannte der steuerführende LFF den eingetretenen Sinkflug nicht. Personal - verantwortlicher Luftfahrzeugführer Der VLF beteiligte sich durch eine falsche Prioritätensetzung in der kritischen Phase eines Flugmanövers (Übergang vom stationären Schwebeflug zum Steigflug mit anschließender Richtungsänderung) nicht ausreichend an der erforderlichen Crew Coordination.

Seite 28 Mittelkonsole einer Sea Lynx MK88

Seite 29 oben Fluglagenregleranlage mit BAR ALT und RAD ALT Seite 29 unten Der Schutzdeckel, der ein unbeabsichtigtes aktivieren von BAR ALT verhindert

Die Bilder von Seite 28 und 29 wurden vom FSM MFG 3 erstellt

Unmittelbar nach diesem Unfall war allen für die Flugsicherheit Verantwortlichen klar, dass dieser Unfall vermeidbar gewesen wäre, wenn die Verwechslungsgefahr der beiden nebeneinander gleichfarbig beleuchteten Schalter, die zudem für eine optische Überprüfung ungünstig gelegen waren, durch bauliche Maßnahmen verhindert oder zumindest minimiert worden wäre. Daher wurde für den Schalter der barometrischen Höhenhaltung eine Abdeckhaube aus Kunststoff angebracht, die nun vor der Betätigung umzuklappen ist und damit eine unbewusste Verwechslung der beiden Schalter wenn nicht gänzlich ausschließt, so doch zumindest sehr unwahrscheinlich macht. 31

Flugsicherheit Wir verabschieden ... Major Bernd Lachmann hat die Bundeswehr am 30.06.2008 verlassen. Nach dem Abitur trat er 1986 in die Bundeswehr ein, zunächst bei den Panzerpionieren. Er wechselte im Sommer 1989 die Teilstreitkraft und begann seine Offizierlaufbahn an der Offizierschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck. Seine fliegerische Ausbildung zum Waffensystemoffizier Tornado beendete er im August 1993. Bis zum Januar 2001 flog er in Büchel, wo er als IWSO und in der Stabsverwendung S3 Navigation eingesetzt war. Es folgte die Tätigkeit als IWSO und Verantwortlicher für die Konzeption, Planung und Durchführung von CRM im FlAusbZLw Hollomann. Im Januar 2005 wurde er zum Luftwaffenamt versetzt und übernahm den Dienstposten als Crew Resource Management-Beauftragter GenFlSichhBw. Hier brachte er sich bei der Unfallprävention und der Bearbeitung von Zwischenfällen und Unfällen bezüglich CRM und HUMAN FACTORS ein und gab wertvolle Hinweise. Mit fast 1.800 Flugstunden verlässt Major Lachmann die Abteilung und geht in die zivile Wirtschaft. Für seinen weiteren beruflichen Werdegang wünschen wir ihm alles Gute, vor allem Gesundheit und Zufriedenheit.

... und begrüßen: Major Dirk Waltenberg ist der Nachfolger von Major Bernd Lachmann und seit dem 01.07.2008 im Luftwaffenamt Abteilung Flugsicherheit in der Bw zuständiger Ansprechpartner für Crew Resource Management. Seine Laufbahn in der Bundeswehr begann 1988 nach seiner Grundausbildung und seinem Offizierlehrgang mit dem Studium der Luft- und Raumfahrttechnik an der Uni Bw in München. Als Dipl.-Ing. startete er 1993 seine fliegerische Ausbildung zum Waffensystemoffizier in Randolph AFB, TX und Holloman AFB, NM. Es folgte die Verwendung als WSO in Neuburg beim JG 74. Während dieser Zeit interessierte er sich für die Arbeit als Flugsicherheitsoffizier, der Flugsicherheitslehrgang folgte mit einer Verwendung im Verband. Ebenfalls war er als S3 Nav beim StabFlgGrp tätig. Nach den schönen Jahren in der Truppe war eine Verwendung in den Höheren Kommandobehörden fällig, das LwFüKdo A5 III b benötigte seine Expertise im Bereich L/L Bewaffnung EUROFIGHTER. Jetzt ist er wieder mit Aufgaben und Fragen zum Thema Flugsicherheit im Luftwaffenamt beschäftigt. Wir wünschen viel Erfolg und Freude in der neuen Tätigkeit.

Oberleutnant Marco Schleyer ist seit dem 01. Juni im Dezernat d der Abteilung u. a. zuständig für die Flugdatenauswertung/Avionik. In Budel startete 1993 seine militärische Laufbahn bei der Bundeswehr mit der Grundausbildung, es folgte der Unteroffizierslehrgang und der Grundlehrgang Elektronik/Informationstechnik. Drei Jahre arbeitete er als 1. LfzRadarmech am Waffensystem Tornado beim JaboG 33, die Ausbildung zum Lfz-RadarMechMst Tornado folgte. Nach dem Feldwebellehrgang wurde er in der LwWerft 31 als Fachbereichsleiter LRU 3/8 eingesetzt. Etwa drei Jahre war er dort tätig, die nächste Hürde, den „Staatlich geprüften Techniker“, absolvierte er an der Fernmeldeschule des Heeres für Elektrotechnik in Feldafing. Im Herbst 2002 besuchte er die Offizierschule in Fürstenfeldbruck, anschließend ging er als LfzEloOffz/Bereich Avionik zur Elektronikstaffel zum JaboG 33. Er übernahm nach dreieinhalb Jahren im StabTGrp den Dienstposten als Leiter Einsatzsteuerung/TBtrbFüOffz. Mit diesen Erfahrungen ist er im Dezernat d als Nachfolger von Hauptmann Schmotz eingetroffen. Wir wünschen einen guten Start und viel Freude in der neuen Verwendung.

Nachruf Am 20.06.2008 ist Hauptmann a.D. Peter Rommelfanger verstorben. Nach einer 39-jährigen Dienstzeit, davon sechs Jahre als Flugunfall- und Zwischenfallbearbeiter für Hubschrauber bei der Dienststelle General Flugsicherheit in der Bundeswehr, und einer Gesamtflugstundenerfahrung weit über 5.000 Flugstunden ging er 2003 in den wohlverdienten Ruhestand. Er flog die Luftfahrzeugmuster Bell 47 G, Al II und BO 105, zusätzlich erwarb er die Lehr- und Überprüfberechtigung, die Nachprüfflugberechtigung als auch die Gebirgsflugberechtigung. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

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Flugsicherheit Ausgabe 3 / 2008

Heft 3 September 2008 - 45. Jahrgang

Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände

Flugsicherheit Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände

Titelfoto: Guido Sonnenberg on www.schaltwerk.de „Flugsicherheit“, Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände der Bundeswehr Herausgeber: Luftwaffenamt General Flugsicherheit in der Bundeswehr Redaktion: Hauptmann Klemens Löb, Tel.: 02203 - 9083124 Luftwaffenkaserne 501/07 Postfach 906110 51127 Köln [email protected] [email protected] Gestaltung: Hauptmann Klemens Löb GenFlSichhBw Erscheinen: dreimonatlich Manuskripteinsendungen sind direkt an die Schriftleitung zu richten. Vom Verfasser gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Schriftleitung oder des Herausgebers dar. Es werden nur Beiträge abgedruckt, deren Verfasser mit einer weiteren Veröffentlichung einverstanden sind. Weiterveröffentlichungen in Flugsicherheitspublikationen (mit Autoren- und Quellenangaben) sind daher möglich und erwünscht. Druck: SZ Offsetdruck-Verlag Herbert W. Schallowetz GmbH 53757 Sankt Augustin

Editorial

1

Ein kurzer Flug

2

Habit Pattern

8

Sicherheitsmanagementsysteme in der Luftfahrt

12

Bravo - gut gemacht!

16

Do you have a Safety Culture?

17

Flugberatung & Flugsicherheit

21

(K)ein Tag wie jeder andere

24

Learning the hard way

28

Personalien

32

Flugsicherheit Ausgabe 3 / 2008

Foto Guido Sonnenberg • Bildbearbeitung www.schaltwerk.eu

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