Essstörungen Behandlungen an der Schnittstelle Innere Medizin und Psychosomatik

September 2, 2017 | Author: Reinhold Heidrich | Category: N/A
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Essstörungen Behandlungen an der Schnittstelle Innere Medizin und Psychosomatik Dr. med. Gabriele Gerlach FÄ für Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie [email protected]

Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie LVR-Klinikum Essen; Leitung Prof. Dr. W. Senf

Der Arbeitsauftrag der Allgemeinmedizin beinhaltet: (Fachdefinition der DEGAM vom 21.9.2002)  Die primärärztliche Filter- und Steuerfunktion, insbesondere die angemessene und gegenüber Patient und Gesellschaft verantwortliche Stufendiagnostik und Therapie unter Einbeziehung von Fachspezialisten  Die haus- und familienärztliche Funktion, insbesondere die Betreuung des Patienten im Kontext seiner Familie oder sozialen Gemeinschaft, auch im häuslichen Umfeld (Hausbesuch)  Die Gesundheitsbildungsfunktion, insbesondere Gesundheitsberatung und Gesundheitsförderung für den Einzelnen wie auch in der Gemeinde  Die Koordinations- und Integrationsfunktion, insbesondere die gezielte Zuweisung zu Spezialisten, die federführende Koordinierung zwischen den Versorgungsebenen, das Zusammenführen und Bewerten aller Ergebnisse und deren kontinuierliche Dokumentation, sowie die Vermittlung von Hilfe und Pflege des Patienten in seinem Umfeld

Weitblick, Steuern und Kommunikation

Körperliche Symptome, die neben Gewichtsverlust auf eine Essstörung hinweisen können:

Bradykardie, Hypotonie, Schwindel, Synkopen, Amenorhoe

Hb

Krea-Cl. K+ Transaminasen Leukozyten, bes.Neutrophile CK

Lanugobehaarung, Akrozyanose, Parotisschwellung, Ödeme, Haarausfall, brüchige Nägel Cave: Altersstandardisierte Mortalität 10fach erhöht bei Anorexie!

Cave:

(AWMF-Leitlinien 12/2010)

Herzfrequenz von 110/Minute in Ruhe, ein Blutdruck von 20 mmHg oder ein Anstieg von > 20 der Herzfrequenz im Orthostasetest sind Gefährdungsindikatoren, bei denen die Notwendigkeit einer stationären Behandlung überprüft werden sollte.  Etwa 43 % der Patientinnen mit einer AN haben eine Herzfrequenz von weniger als 60/Minute, etwa 17 % von weniger als 50/Minute.

Cave: Eine zentral gemessene Körpertemperatur von 36,0°C oder niedriger stellt einen Gefährdungsindikator dar sollte veranlassen, die Notwendigkeit einer stationären Behandlung zu überprüfen. Bei bis zu 22 % der Patientinnen mit AN besteht eine Hypothermie mit weniger als 36,0°C.

Cave: Häufigkeit von Elektrolytentgleisungen bei Essstörungen: (AWMF-Leitlinien 12/2010)

Bei etwa 20 % der Pat. Hypokaliämie, bei etwa 7 % eine Hyponatriämie Bei etwa 6 % niedrige Konzentrationen von Kalzium. Hypophosphatämie tritt vor allem bei parenteraler Wiederernährung auf, kann aber auch Folge von hohem Kohlenhydratkonsum nach einer längeren Fastenphase sein. Ähnliche Zusammenhänge gelten auch für Hypomagnesämie.

Cave:

(AWMF-Leitlinien 12/2010)

Eine Konzentration von Kalium von ≤ 3,0 mmol/l ist ein Gefahrenindikator insbesondere in Verbindung mit EKGVeränderungen. Eine stationäre Behandlung muss erwogen werden.

Screeningfragen laut Leitlinien der AWMF:  Möglichkeiten sind:   „Sind Sie mit Ihrem Essverhalten zufrieden?“   „Haben Sie ein Essproblem?“   „Machen Sie sich Sorgen wegen Ihres Gewichts oder Ihrer Ernährung?“   „Beeinflusst Ihr Gewicht Ihr Selbstwertgefühl?“   „Machen Sie sich Gedanken wegen Ihrer Figur?“   „Essen Sie heimlich?“   „Übergeben Sie sich, wenn Sie sich unangenehm voll fühlen?“   „Machen Sie sich Sorgen, weil Sie manchmal mit dem Essen nicht aufhören können?“

Indikationen für stationäre Aufnahme (in Anlehnung an Brotman et al. 1985) > 40% Gewichtsverlust insgesamt oder >30% Gewichsverlust in den letzten drei Monaten Arrhythmien im Zusammenhang mit Erbrechen, Laxantien- oder Diuretikaeinnahme Arrhythmien ohne Elektrolytstörung (ausgenommen milde Brady- oder Tachyarrhythmien) EKG- oder hämodynamische Veränderungen mit Symptomen (z.B. Schwindel, Brustschmerz) Komorbidität Diabetes, Asthma oder Ähnliches

ICD-10-Kriterien: Anorexia nervosa (F50.0)  Selbst herbeigeführter Gewichtsverlust  BMI ≤ 17,5 kg/m2  Körperschemastörung: die Angst, zu dick zu werden besteht als tief verwurzelte Idee  endokrine Störung (Amenorrhoe, Libidoverlust, LowT3-Syndrom)  Restriktiver/purging type

Bulimia nervosa (50.2)  Andauernde Beschäftigung mit Essen und Heißhungerattacken  Entgegenzusteuern, z.B. selbstinduziertes Erbrechen, Laxantienabusus, restriktive Diät, Diuretika etc.  Krankhafte Furcht, zu dick zu werden

Häufige Komorbiditäten: Depressive Episode Angststörungen (Panikstörung, Agoraphobie, Soziale Phobie) Persönlichkeitsstörung (lt. Schweiger u. Sipos (2010) in Klinik ca. 60-80%, ambulant ca. 50%)

Alkoholmissbrauch /-abhängigkeit Laxantienmissbrauch Zwangsstörungen

Körperliche Folgen von Essstörungen:

Risiko: Innerhalb von 21 J. nach initial stationärer Behandlung betrug die Mortalitätsrate der Anorexia nervosa-Patientinnen 16% (Zipfel et al. 2000, Lancet 355: 721721722)

Häufigste Todesursachen: Infektionen (Pneumonie, Sepsis), kardiovaskuläre Komplikationen auf Grund von Elektrolytverschiebungen und Dehydratation, Suizid  Herzmuskelatrophie, die auch Zellen des Reizleitungssystems betrifft. Cave:QTc-Zeit Herzfrequenzvariabilität : Rf plötzlicher Herztod Bei chron. Verlauf über 11J. haben 44% der Betroffenen eine Osteoporose aus: Handbuch Essstörungen und Adipositas, Herpertz, de Zwaan, Hypokaliämische Nephropathie Zipfel, Springer-Verlag 2008)

Hormonelle Veränderungen und Hirnstruktur bei Anorexia nervosa (Pseudoatrophia cerebri) : Zunahme der grauen Substanz in Abhängigkeit vom Gewicht (Verholt et al., in Vorbereitung) die Zunahme der grauen Substanz betrifft verschiedene Hirnbereiche Untersucht wurde die Korrelation mit FSH, in Abhängigkeit vom Gewicht wurden Veränderungen gefunden in Hippocampus, Amygdala und Hypothalamus.

Anorexie und soziale Kognition:  Bei IQ-gematchten, gleichaltrigen Patienten waren die Kontrollen den Anorexiepatientinnen überlegen (Schulte-Rüther, in Vorbereitung). Auch am Ende der Behandlung fanden sich noch Defizite bei Patienten mit AN bzgl. der Aktivierung von Hirnregionen, die wichtig sind für ToM

Anorexie und kognitive Fähigkeiten  Bei gewichtsnormalen ehemaligen adoleszenten Patienten mit Anorexia nervosa (6 Jahre nach Entlassung) deutlich schlechtere Verbalisierungs- oder Rechenfähigkeiten in der Gruppe ohne Menstruation (Chui, Pediatrics 2008; 122)

Indikationen für stationäre/ teilstationäre Psychotherapie (modifiziert nach Zeeck u. Hartmann 2008)

 Anorexia nervosa:  Gewichtsverlust größer 20% über 6Monate  BMI kleiner 15kg/m2  Überforderung im ambulanten Setting  3Mon stagnierendes Gewicht trotz amb. Th.  med. Komplikationen  psych. Komorbidität  notwendige Distanzierung

 Bulimia nervosa:  massiver Laxantien- oder Diuretikaabusus  schwere bulimische Symptomatik, die strukturierender Vorgaben bedarf  Versagen amb. Th.  Med. Komplikationen  psych. Komorbidität  ausgeprägte interaktionelle Probleme/Isolation

Internistisch-psychosom. Kooperation 10/2008-12/2009)

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Evaluation bei Aufnahme-BMI
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