DEUTSCHES TECHNIKMUSEUM

March 13, 2018 | Author: Ernst Flater | Category: N/A
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1 2015 DEUTSCHES TECHNIKMUSEUM BERLIN Zeitschrift der Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin und der Freunde und Förderer des DTMB e.V. 31. (55.) Jahrgang · Preis: 5,00 

SCHWERPUNKT: Die Elektropolis Berlin Berlin leuchtet – Stadtbeleuchtung als Motor der Elektrifizierung Stromtaxis und E-Lastwagen – Elektromobile aus Berlin „Electricitaet“ auf der Sternwarte – Der elektrische Datenstrom

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Inhalt Zu dieser Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Elektropolis Berlin Vision und Realität der elektrifizierten Metropole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die „Große Elektrisierung“ Die Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen von 1928 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berlin leuchtet Stadtbeleuchtung als Motor der Elektrifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Radios, Fernseher & Co. Die neue Ausstellung „Elektropolis Berlin“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Stadt der elektrischen Eisenbahnen Berlin als Vorreiter der Elektrisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stromtaxis und E-Lastwagen Elektromobile aus Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Electricitaet“ auf der Sternwarte Der elektrische Datenstrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spannung wie vor zweihundert Jahren Eine Zeitreise im Schülerlabor Meilensteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modell-Kunstwerk Niederfinow vollendet Einweihung und Kolloquium am 9. 12. 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Herausgeber: Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin (SDTB) und Freunde und Förderer des Deutschen Technikmuseums Berlin e. V. (FDTM) V. i. S. d. P.: Prof. Dr. Dirk Böndel (Vorstand der SDTB) und Wolfgang Jähnichen (Vorsitzender des FDTM) SDTB Trebbiner Straße 9, 10963 Berlin Tel.: (030) 90 25 40, Fax: (030) 90 25 41 75 Homepage: www.sdtb.de E-Mail: [email protected]

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FDTM Trebbiner Straße 9, 10963 Berlin Tel.: (030) 262 20 31, Fax: (030) 26 55 81 85 Homepage: www.fdtmb.de E-Mail: [email protected] Vom Finanzamt für Körperschaften Berlin als besonders förderungswürdig anerkannt. Steuernummer: 27/655/52092 Newsletterbestellung über E-Mail: [email protected] Termine der Verkehrsvereine Berlin und Brandenburg auch unter: www.hivbb.de

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Die Geschäftsstelle im Stellwerk ist donnerstags von 10 –13 Uhr geöffnet.

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Objekt des Monats Januar, Februar, März . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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SDTB-Info Neues von der Ladestraße: LEDLaufsteg feierlich eröffnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ministerin im Spectrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forum Technoversum – die Zukunftsdebatte im Deutschen Technikmuseum . . . . .

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Neue Köpfe – Neue Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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FDTM-Info Neue Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Buch-Besprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Erscheinungsweise: Die Zeitschrift erscheint mindestens viermal im Jahr. Namentlich gezeichnete Beiträge stellen die Meinung des Autors/der Autorin dar. Nachdruck, auch auszugsweise, nur unter Angabe der Quelle und Zusendung eines Belegexemplars gestattet. Redaktion: Michael Ahrendt (FDTM), Dr. Maria Borgmann (stellv. Chefredakteurin SDTB), Reinhard Demps (Chefredakteur FDTM), Dr. Alfred Gottwaldt (stellv. Chefredakteur SDTB), Dr. Tiziana Zugaro (SDTB) E-Mail: [email protected] Redaktionsbeirat: Andreas Curtius (SDTB), Prof. Joseph Hoppe (SDTB), Dr. Volker Koesling (SDTB), Herbert Liman (FDTM), Dr. Felix Lühning (SDTB), Dr. Christian Neuert (SDTB), Achim Pohlman (FDTM), Dr. Jürgen Rose (Förderverein der Archenhold-Sternwarte), Jörg Schmalfuß (SDTB), Barbara Senst (FDTM) Design: Rainer J. Fischer (Konzeption), Lennart Fischer (Gestaltung) Druck: DBM Druckhaus Berlin-Mitte GmbH, Wilhelm-Kabus-Straße 21–35, 10829 Berlin

Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe Dr. Maria Borgmann · Stellvertretende Chefredakteurin

Berliner Zentrum für Industriekultur (BZI), SDTB

Dipl.-Ing. Reinhard Demps · Chefredakteur

Nora Lackner M. A. · Mitarbeiterin Nachrichtentechnik

Paul Görgeleit · Schülerpraktikant

Dipl.-Ing. Herbert Liman · Ehrenmitglied des FDTM

Aram Gorgis · Wissenschaftlicher Mitarbeiter Science Center Spectrum

Dr. Felix Lühning · Leiter Archenhold-Sternwarte

Dr. Alfred Gottwaldt · Leiter Schienenverkehr a. D. Benjamin Huth M. A. · Historiker

Achim Pohlman · Stellvertretender Vorsitzender des FDTM Claudia Schuster M. A. · Leiterin Schifffahrt und Wissenschaftliche Instrumente

Ulrich Kubisch · Leiter Straßenverkehr Nico Kupfer Dipl. Ind.-Arch. · Mitarbeiter Projekt

Dr. Tiziana Zugaro · Leiterin Presse, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing

Verkaufspreis: Mitglieder des FDTM erhalten die Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft. Abonnementpreis einschließlich Versandkosten 20,00 € pro Jahr. Bestellung beim FDTM. Die Lieferung nach Vorauszahlung des Betrages auf das Konto 0620005432 bei der Berliner Sparkasse, BLZ 100 500 00. IBAN DE43100500000620005432 BIC BELADEBE Auflage: 2 000 Exemplare Titelbild: Die Grafik der idealisierten Siemensstadt mit Bauten des Architekten und Leiters des Siemens-Baubüros, Hans Hertlein, 1934, spiegelt eindrucksvoll den in den 1920er Jahren entstandenen Mythos der Elektropolis Berlin wider. © Siemens Corporate Archives Verkaufspreis für diese Ausgabe: 5,00 € ISSN: 1869 – 1358

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Zu dieser Ausgabe

Liebe Leserin, lieber Leser, willkommen im hellen Frühlingslicht nach dem trüben Winter! Wenn Sie sich vorstellen, wie düster vor der Einführung des elektrischen Lichts die dunkle Jahreszeit für die Menschen war und was die Elektrifizierung nicht nur für Gewerbe und Verkehr, sondern für den gesamten öffentlichen Raum und den privaten Bereich jedes Einzelnen bedeutete – dann sind wir gleich beim Schwerpunktthema dieser Ausgabe. „Elektropolis“ – dieser das Berlin der Jahrhundertwende so treffend charakterisierende Begriff wurde in den 1920er Jahren populär. Er steht kulturhistorisch in enger Verbindung mit der „Metropolis“, dem legendären Film von Fritz Lang. Die Elektropolis Berlin wurde mit New York und Chicago verglichen, die sich im öffentlichen Bewusstsein als eine amerikanische Metropolis etablierte, die der Tradition feindlich gegenüberstand. Unser einleitender Beitrag spiegelt die Entstehung und Wandlung dieser Elektropolis, ausgehend von den großen Elektrizitätsausstellungen in Paris 1881, München 1882, Frankfurt 1891 oder der Pariser Weltausstellung 1900 mit dem fantastisch illuminierten „Palais de l’Èlectricité“. Die Elektrifizierung Berlins kann man hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das gesamte Stadtleben im Sinne des Wortes auch als „große Elektrisierung“ bezeichnen, obwohl dieser Begriff eigentlich auf die Elektrifizierung der S-Bahn zwischen 1924 – 1933 gemünzt war. Unsere Beiträge vermitteln Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, einen kleinen Eindruck von dem großen Entwicklungspotenzial, das die führende Stadt der Elektroindustrie in Deutschland und Europa entwickelte. Die Firmennamen AEG und Siemens, Bergmann und Osram sind Synonyme dieser Entwicklung. Die Stadt begann zu leuchten, insbesondere in den 1920er Jahren: Die großen Boulevards wurden zu riesigen Bühnen, taghell beleuchtet, wie überhaupt die Stadtbeleuchtung zum „Motor der Elektrifizierung“ wurde. Viele Gemälde bekann-

ter Künstler wie Carl Saltzmann, Lesser Ury, Hans Baluschek, Lovis Corinth, Maxime Maufra oder Henri Le Sidaner vermitteln eindrucksvoll die Faszination dieser stadträumlichen Neugestaltung. Die Schaufenster der Kaufhäuser und Läden erschienen theatermäßig raffiniert beleuchtet, geradezu inszeniert. Nicht nur Stadt-, U-Bahnen und Straßenbahnen fuhren elektrisch, auch Elektromobile wurden modern, 1928 veranstaltete die Bewag die„Lichtwoche“. Diese Explosion des „künstlichen Lichts“ verband sich mit der Hektik der vielbeschworenen, keineswegs „goldenen“ zwanziger Jahre, in denen eine überall zu beobachtende Modernität viele Konventionen über den Haufen warf und Neues buchstäblich ins rechte Licht rückte. Die nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs überbordende neue Lebenslust fand in allen Bereichen des öffentlichen Lebens, getrieben vom atemberaubenden Großstadttempo, ihren Ausdruck, dem die Weltwirtschaftskrise von 1929 einen starken Dämpfer verpasste. Der Nationalsozialismus setzte monumentale Lichtinszenierungen, zum Beispiel mit Flakscheinwerfern, gezielt als Propagandamittel ein. Die von Albert Speer geschaffenen Lichtdome und Straßenleuchten versinnbildlichten die faschistische Gewaltideologie in teilweise gigantomanischer Form. Die Elektroindustrie produzierte nicht nur die technischen Ausrüstungen für die großen Kraftwerke, die in Berlin und anderswo entstanden und deren Kapazitäten nach der Schaffung neuer Absatzmärkte suchten. Diese sollten zunehmend in den Haushalten zu finden sein – eine Entwicklung, die allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland und Europa voll einsetzte. Die neue Elektrizität wirkte sich zunehmend auch in vielen Gebieten von Wissenschaft und Forschung aus, so zum Beispiel auf die Betrachtung des gestirnten Himmels, wie die Geschichte der Archenhold-Sternwarte deutlich macht. Dass die „Elektropolis Berlin“ heute wieder zu einem ganz aktuellen Begriff geworden ist, verdankt sich den Aktivitäten zur

Erforschung der Berliner Industriekultur. Insbesondere das Berliner Zentrum für Industriekultur (BZI), zu dessen Partnern auch das Deutsche Technikmuseum gehört, schafft vielseitige Möglichkeiten für die Wiederentdeckung und Erkundung der zahlreichen erhaltenen architektonischen und technikhistorischen Zeugnisse. Vor allem bietet es ein Diskussionsforum für ihre Bewahrung und Transformation in eine zeitgemäße Nutzung. Auf der Ladestraße des Technikmuseums wurde kürzlich der LEDLaufsteg eröffnet – eine Probebühne für die zurzeit modernste Beleuchtungstechnik und ihre unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten auf dem Gelände des Architekturdenkmals Anhalter Güterbahnhof. Und im Science Center Spectrum sind dazu kontrastierend im Schülerlabor Meilensteine die Vorläufer wie der Bau einer Voltasäule und die Herstellung der Lichtenbergfiguren zu erproben. Neben dem Schwerpunktthema widmen wir uns in dieser Ausgabe aber auch anderen Themen wie der nach langer Bauzeit gebührend gefeierten Einweihung des neuen kunstvollen Modells des alten Schiffshebewerks Niederfinow, über dessen Geschichte und Gegenüberstellung des im Bau befindlichen neuen Hebewerks ein vielbesuchtes Symposium informierte. „Verdammt immerfort zu werden und niemals zu sein“: Diese Aussage des Kulturhistorikers Karl Scheffler von 1910 über das rasch wachsende und sich dramatisch verändernde Berlin ist heute so gültig wie damals. Sie passt zu dieser Ausgabe, zur Elektropolis wie auch zum Deutschen Technikmuseum – übrigens dem laut einer Umfrage der „Berliner Morgenpost“ beliebtesten Museum Berlins! In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine hoffentlich wieder spannende Lektüre und ein frohes Osterfest. MARIA BORGMANN, REINHARD DEMPS

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Die „Große Elektrisierung“ Die Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen 1928

9 waren seit der Vorführung der ersten elektrischen Lokomotive von Werner Siemens auf der Berliner Gewerbeausstellung anno 1879 in Moabit bis zum Bau der markanten rot-gelben Züge nahezu fünf Jahrzehnte vergangen. Aus der Vorgeschichte der elektrischen Zugförderung in der Hauptstadt sind folgende Daten zu nennen: 1880 entwickelte

s Modell des Versuchszugs für die Wannseebahn aus dem Jahr 1900 mit angehobenem Wagenkasten im Lokschuppen. © Foto: Siemens AG Corporate Archives

Am 11. Juni 1928 verkehrten auf der Zuggruppe zwischen Erkner und Potsdam über die Gleise der Berliner Stadtbahn die ersten Exemplare einer neuen Generation elektrischer Triebwagenzüge. Dieses Datum markiert den Beginn einer kompletten Umstellung im Netz der Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen von der Dampftraktion auf elektrischen Gleichstrombetrieb. Dafür wurde der Begriff „Große Elektrisierung“ geprägt. 50 Jahre Vorgeschichte Dieser Entwicklung gingen jahrelange Streitigkeiten zwischen den Vertretern von Dampf und Elektrizität voraus, ebenso Auseinandersetzungen über die passende Stromart und die Finanzierung. Immerhin

s Elektrisches Triebgestell für die Berliner Stadtbahn von 1913 zur Beförderung vorhandener Abteilwagen. SDTB/Foto: Bibliothek

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s Der „Wettlauf zwischen Dampf und Elektrizität“ auf der Stadtbahn im Bezirk Stadtmitte an der Unterbaumstraße zog 1931 viele Fotografen in seinen Bann. Wer weiß, auf welchem Gebäude der Fotograf stand? © SDTB/Foto: Historisches Archiv, Slg. W. Pragher

Werner Siemens ein Hochbahnprojekt in der Friedrichstraße und der Leipziger Straße. 1881 wurde zwischen der Kadettenanstalt in Groß Lichterfelde und dem Bahnhof Lichterfelde der Berlin-Anhaltischen Eisenbahn die erste elektrische Straßenbahn der Welt eröffnet. 1882 fuhr der erste elektrische Obus in Halensee. Zwischen 1891 und 1894 wurden mehrere Projekte von Hoch- und Untergrundbahnen für Berlin vorgestellt, darunter eine Schwebebahn, wie sie 1901 nur in Wuppertal verwirklicht wurde. Nachdem die Firma Siemens im Jahr 1895 die erste elektrische Straßenbahn im Berliner Stadtgebiet von der Badstraße, Ecke Prinzenallee, nach Pankow, Breite Straße, errichtet hatte, setzte 1896 die Elektrifizierung des gesamten Netzes der Großen Berliner Pferde-Eisenbahn ein. Nach sechs Jahren war sie abgeschlossen.

Versuche mit elektrischer Traktion seit 1900 Noch1899 unterbreitete die Union-Elektricitäts-Gesellschaft der preußischen Staatseisenbahn-Verwaltung einen Plan zur Umstellung der Stadt- und Ringbahn in Berlin auf elektrischen Betrieb. Die vorsichtige Verwaltung richtete zwischen 1900 und 1902 zunächst eine zeitlich begrenzte Versuchsphase auf der Wannseebahn ein. Ein

Modell dieses Zuges im Maßstab 1:5 ist im Lokschuppen I des Deutschen Technikmuseums zu finden. Als mutiger Schritt nach vorn wurde 1902 die Eröffnung der elektrischen Hoch- und Untergrundbahn in Berlin angesehen. Bei den Preußischen Staatseisenbahnen hat man sehr sorgfältig nach dem geeigneten Stromsystem gesucht. Die Schnellfahr-Versuche mit Drehstrom auf der Militärbahn zwischen Marienfelde und Zossen von 1903 blieben zunächst folgenlos. Als nächster Schritt wurde im Jahr 1903 der elektrische Betrieb auf einer 9,3 Kilometer langen Strecke zwischen dem Potsdamer Ring- und Vorortbahnhof und dem Bahnhof Lichterfelde Ost eingerichtet, der bis 1929 bestand. Gleichstrom mit einer Spannung von 550 Volt wurde den Wagen mittels einer von oben bestrichenen Stromschiene zugeführt. Dagegen wurde in den Jahren 1904 bis 1907 auf der Vorortstrecke von Niederschöneweide-Johannisthal nach Spindlersfeld ein Versuch mit einphasigem Wechselstrom von 25 Hertz Frequenz bei 6 000 Volt Fahrdrahtspannung erfolgreich durchgeführt. Davon erzählt ein weiteres Modell im Lokschuppen. Dieses System ist im Hamburger Stadt- und Vorortverkehr Blankenese – Ohlsdorf noch länger angewendet, später aber aufgegeben worden.

Vom Wechselstrom zum Gleichstrom Nachdem 1912 für Fernstrecken bei einer Anzahl deutscher Eisenbahnen als Stromart der einphasige Wechselstrom mit einer Frequenz von 16 2/3 Hertz vereinbart wurde, sollte diese Stromart auch auf den Berliner Nahverkehrsstrecken angewandt werden. Das Preußische Abgeordnetenhaus beschloss daraufhin 1913 die Elektrifizierung der Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen. Weil man die zahllos vorhandenen Abteilwagen-Pärchen aus Kostengründen beibehalten wollte, sollten elektrische „Triebgestelle“ die Dampflokomotiven ersetzen. Durch den Ersten Weltkrieg mussten die weiteren Arbeiten aber von 1914 bis 1922 unterbrochen und korrigiert werden. Man erkannte, dass Gleichstrom für Stadtbahnen besser geeignet war als Wechselstrom. So führten die günstigen Erfahrungen mit Gleichstrom auf der Strecke nach Lichterfelde Ost zu der Entscheidung, zwischen 1924 und 1927 die drei Vorortstrecken vom Stettiner Vorortbahnhof in Berlin nach Bernau, nach Oranienburg und nach Velten (Mark) mit diesem elektrischen System auszustatten. Die guten Resultate auf dem relativ unabhängigen Teil des Gesamtnetzes führten 1926 zum Beschluss des Verwaltungsrats der Deutschen Reichsbahn-

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Gesellschaft, eine „Große Elektrisierung“ sämtlicher Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen in Angriff zu nehmen.

Nahverkehr im Ballungsraum Berlin Dazu konnte die Reichsbahn 1926 auf umfangreiche Vorarbeiten zurückgreifen. Das Projekt umfasste jenen Teil der Berliner Nahverkehrsstrecken, auf denen die neuen S-Bahn-Züge separate Gleise benutzen konnten. Das war eine Voraussetzung für Stadtschnellbahnen mit einem darauf zugeschnittenen Signalsystem und einem starren Fahrplan. Auf der Berliner Ringbahn sowie auf wesentlichen Vorortstrecken bestanden für den Nahverkehr schon lange besondere, vom Fern- und Güterverkehr getrennte Gleise. Der Bau dieser eigenen Gleise war ein Weg, der mit der Alten Wannseebahn im Jahr 1874 begonnen hatte. Die 1882 eröffnete Stadtbahn hatte von Beginn an gesonderte „Localgleise“ besessen. Mit dem Bau getrennter Nahverkehrsgleise nach Wartenberg entlang des Berliner Außenrings und nach Ahrensfelde auf der Strecke nach Werneuchen fand dieser Prozess sein vorläufiges Ende. Ein spezieller Nahverkehrstarif auf den Strecken des Stadt-, Ring- und Vorortverkehrs mit verbilligten Preisen für Pendler zwischen Wohnung und Arbeitsplatz war bereits 1891 eingeführt worden. Dieses Netz des Vorortverkehrs besaß im Jahre 1926 eine Gesamtlänge aller Strecken von rund 500 Kilometern.

s Umschlag-Illustration zu einer werbenden Landkarte der Reichsbahn von 1936 mit einem S-Bahn-Zug. © SDTB/Foto: Historisches Archiv

s Typische „Netzspinne“ der Berliner S-Bahn von 1936 mit getrennter Darstellung der elektrischen und der dampfbetriebenen Strecken. SDTB/Foto: Bibliothek

Was war für die „Große Elektrisierung“ zu tun? Im Jahre 1920 entstand die Einheitsgemeinde Groß-Berlin. In einem Stadtgebiet von über 800 Quadratkilometern Fläche wurde der Nahverkehr durch die Eisenbahn, die U-Bahn, die Straßenbahn und den Omnibus be-wältigt. Bis zum 1. Januar 1929 entstand die Berliner Verkehrs-Aktiengesellschaft. Zuvor waren das U-BahnNetz erweitert, der Wagenpark der Straßenbahn modernisiert und der Omnibus technisch fortentwickelt worden. Demgegenüber war eine kontinuierliche Weiterentwicklung oder gar Modernisierung des Eisenbahn-Personennahverkehrs immer wieder zurückgestellt worden. Die Reichsbahn schien nachzuhinken, denn man wollte ja das ganze Netz elektrifizieren! Weil das kostengünstig erfolgen sollte, wurden kurzfristige Investitionen kaum noch getätigt. In seinem Aufsatz von 1926 nannte Reichsbahndirektor Wilhelm Wechmann in der Zeitschrift „Elektrische Bahnen“ die Aufgaben, welche für die „Große Elektrisierung“ zu erfüllen waren. Sie betrafen zuerst Entscheidungen über die geeignete Bauart der neu entwickelten Triebwagenzüge, über die Gleichstromversorgung der Strecken und ein eigenes Kraftwerk. An Baumaßnahmen im Zusammenhang mit der Elektrifizierung sind zu nennen: Umbau der Bahnanlagen bei Charlottenburg und am Westkreuz, Bau eines Ausbesserungswerks für Triebwagenzüge in Schöneweide, Umbau der Lokschuppen in

Grunewald, Westend und Lichtenberg zu Triebwagenschuppen, Neubau von Triebwagenhallen in Erkner und Tempelhof, Einbau der Stromschienen, Bau von Gleichrichterwerken und Hauptschaltwerken, Einführung eines neuen Signalsystems und die Erhöhung sämtlicher Bahnsteige auf 96 Zentimeter über Schienenoberkante.

Die Marke „S-Bahn“ Als am 15. Mai 1933 auch auf der Wannseebahn elektrische Züge fuhren, war die „Große Elektrisierung“ in Berlin einstweilen abgeschlossen. Für die millionenschwere Umrüstung hat die Reichsbahn-Gesellschaft den Begriff „Schnellbahn“ geprägt, der als Kurzwort „S-Bahn“ zum Namen für einen zügigen Schienen-Nahverkehr in deutschen Ballungsgebieten wurde. Neue graphische Darstellungen des Systems in Form einer „Netzspinne“ machten das Reisepublikum darauf aufmerksam. Weitere Schritte waren der Bau des Nordsüd-Tunnels der S-Bahn ab 1936 und die Pläne für ein Verkehrssystem der „Welthauptstadt Germania“ in Berlin während des Krieges. REINHARD DEMPS Der Autor dankt Dr. Alfred Gottwaldt für wertvolle Hinweise. Literatur Bley, Peter: Berliner S-Bahn. Düsseldorf 2003. Gottwaldt, Alfred: Das Berliner U- und S-Bahnnetz. Stuttgart 2013. Kuhlmann, Bernd: Bahnknoten Berlin – Die Entwicklung des Berliner Eisenbahnnetzes seit 1838. Berlin 2000.

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Stromtaxis und E-Lastwagen Elektromobile aus Berlin

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industrie wurde speziell in Berlin zum Lebensnerv der Stadt und blieb noch lange deren tragende Säule. 1913 kam ein Viertel aller auf dem Weltmarkt angebotenen Elektroprodukte aus „Elektropolis“, aus Berlin. Das Gros aller damals in Deutschland gefertigten Elektromobile stammte aus der Reichshauptstadt. Sie hießen „Columbia“, „Geha“, „BEF“ oder „Elite“, um nur einige zu nennen. Der mächtigste Batteriekonzern war in Berlin angesiedelt: die „AFA“, die sich in der Zeit von 1890 bis 1910 elf von zwölf an der Spree ansässigen Batteriefirmen einverleibte. Bald lieferte die „AFA“ 80 Prozent aller in Deutschland gefertigten Akkumulatoren.

Automobile vom Elektrokonzern

s Eine Ladung „elektrischer Selbstfahrer“ der Berlin-Charlottenburger Firma SlabyBeringer wartet auf die Verschiffung nach Japan. © SDTB/Foto: Historisches Archiv

Betrachtet man rückschauend die automobiltechnische Entwicklung, so fällt auf, wie stiefmütterlich jahrzehntelang das elektrisch angetriebene Fahrzeug behandelt wurde. Die Ursache ist wohl darin zu suchen, dass man beim Automobil von vornherein den Begriff der Geschwindigkeit und der unbeschränkten Reichweite in den Vordergrund gerückt hatte. Elektrisch angetriebene Automobile eigneten sich für diese beiden Ziele nicht, solange als Kraftquelle schwere, voluminöse und teure Blei-

Akkus dienten. Es fehlte die Effizienz. Elektromobile galten lange Zeit in ihrer Geschichte nicht als „hoffähig“ gegenüber den „Stinkkarren“ (Kaiser Wilhelm II.). Sie zeigten aber selbstbewusst Flagge im Kommunalverkehr, bei der Reichspost und im Taxigewerbe. 1897 fuhr erstmals ein von Pferde- auf Akkubetrieb umgerüsteter Omnibus durch Berlin. Zur Jahrhundertwende war zwischen dem Anhalter und Stettiner Bahnhof eine Elektrobuslinie in Betrieb. Die Elektro-

s Fertigung von NAG-Elektrowagen in Berlin-Oberschöneweide, um 1907. © SDTB/Foto: Historisches Archiv

Um das Jahr 1900 begann Emil Rathenau, der Gründer und Generaldirektor der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft, sich für den Automobilbau zu interessieren. Am 24. Dezember 1901 wurde von der AEG die neue Firma gegründet, die heute nur noch wenige Oldtimersammler kennen: die Neue Automobil-Gesellschaft (NAG). Dieses Unternehmen baute die ersten Wagen im Kabelwerk Oberspree. 1904 gründete die AEG die AutomobilBetriebsgesellschaft mbH. Sie verfügte bald über mehr als hundert Elektromobildroschken. Im Verein mit den Droschkenbauern trat die AFA als einer der maßgebenden Protektoren des „Stromtaxis“ auf. Tatsächlich gab es vor Beginn des Ersten Weltkriegs elf größere Droschkenbetriebe allein in Berlin, die nur mit „Saft“ aus der Steckdose fuhren. Ihr Wagenpark umfasste 550 Fahrzeuge. Langfristig konnten sich aber die Elektrofahrzeuge nicht im Taxigewerbe halten – die Akkumulatoren waren zu schwer und nicht ausgereift genug. Außer-

s Die SB-Automobil-Gesellschaft fabrizierte ihre Kleinwagen in der Markgrafenstraße 28. © SDTB/Foto: Historisches Archiv

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s Der einsitzige SB-Wagen des Museums in der Dauerausstellung „Mensch in Fahrt“. © SDTB/Foto: C. Kirchner

dem erforderten sie eine fachmännische Wartung: regelmäßiges Aufladen und Nachfüllen der Flüssigkeit sowie regelmäßiges Reinigen der Batteriezellen von Schlamm. Wegen der Schwere der Akkumulatoren fanden nur stabile Karosserien mit kräftigen Federn und Achsen Verwendung, sodass der Elektrowagen in besetztem Zustand kaum unter das Gewicht von 2 000 Kikogramm kam. Das hatte erhöhten Reifenabrieb zur Folge, und Gummi war teuer! Während der Benzinwagen immer stärker die Landstraßen eroberte und das Ross schon längst auf den Aussterbeetat gesetzt war, vermochten sich die Elektromobile nur als Stadtwagen zu halten – sie verkehrten vornehmlich im Zustelldienst der Reichspost, bei Kommunalbetrieben oder bei Warenhäusern.

Zwei Einsitzer statt ein Zweisitzer Eher eine Ausnahme stellten die kleinen SB-Elektrowagen dar, die sich zum Verkaufsschlager entwickelten. Über tausend Exemplare gingen allein nach Japan! Ru-

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s Recht bescheiden nimmt sich das „Cockpit“ des SB-Elektromobils mit seiner Lenkstange aus. © SDTB/Foto: C. Kirchner

dolf Slaby wurde 1887 als Sohn des Professors der Technischen Hochschule in BerlinCharlottenburg, Adolf Slaby, geboren. Sein Vater fand seinen Platz in der deutschen Technikgeschichte, weil er 1897 die erste deutsche Funkantenne auf der Sacrower „Heilandskirche“ montierte (in der Zeit der deutschen Teilung im vermauerten Niemandsland an der Wassergrenze zwischen Potsdam/DDR und West-Berlin gelegen) und über eine Entfernung von 1 600 Metern die ersten Sprüche ohne Kabel ausstrahlte. Aus dieser Aktion von Professor Slaby und Georg Graf von Arco entstand später das Unternehmen „Telefunken“. Sohn Rudolf stand seinem Vater an innovativem Geist in nichts nach. Schon als Student baute er einen Flugzeugmotor „Ikarus“.1919 machte der junge Konstrukteur seinen Doktor an der Technischen Hochschule in Hannover. Längst war Slaby auch motorisiert – natürlich mit einem Eigenbau. In seinen Erinnerungen heißt es: „Ich hatte es mir zur Aufgabe gemacht, ein Fahrzeug zu schaffen, welches eine Person mit den möglichst geringsten Kosten im Stadtverkehr zu befördern gestattet. Der

s Jahrzehntelang war die Hansa-Lloyd-Zugmaschine im Bremerhavener Fischereihafen unterwegs. © SDTB/Foto: C. Kirchner

Kraftwagen fand so viele Reflektanten, dass ich mich veranlasst sah, eine Fabrikations-Gesellschaft zu gründen (SB-Automobil-Gesellschaft).“ Slaby tat sich mit dem Kaufmann und Ingenieur Hermann Beringer zusammen. Binnen kurzem wurde die Fabrikation aufgenommen. Beide waren überzeugt, dass das Problem, einen billigen Stadtwagen herzustellen, nur durch einen elektrischen Einsitzer gelöst werden konnte. Slaby: „Es muss gelingen, einen Einsitzer ungefähr zum halben Preis herzustellen, als der Preis für den kleinsten gleichwertigen Zweisitzer beträgt.“ Denn, so folgerte er: „Es ist ohne weiteres klar, dass es günstiger ist, sich zwei Einsitzer statt einen Zweisitzer anzuschaffen. Denn erstens ist der Zweisitzer, der doch zweifellos häufig nur mit einer Person gefahren wird, unwirtschaftlicher als der Einsitzer und zweitens können die beiden Fahrer des Zweisitzers mit ihren Einsitzern zu gleicher Zeit verschiedene Wege fahren.“ Schon bald gelang es der Firma, sich einen größeren Auftrag aus Japan über 200 Wagen zu sichern. Um den von den Japanern

s Der SB-Elektromotor war leicht, stark, widerstandsfähig und besaß eine große Anzugskraft. © SDTB/Foto: C. Kirchner

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26 verlangten Aktionsradius zu erreichen, wurde die Batterie von 12 auf 18 Zellen vergrößert. Die ursprüngliche Form der Wagen konnte dennoch beibehalten werden. Um den vielen Anfragen des Publikums nach einem Zweisitzer Rechnung zu tragen, schuf Slaby einen zweiten Typ. Offizielle Bezeichnung: Einsitzer mit Notsitz. Prompt traf ein weiterer Auftrag aus Japan über 500 Wagen ein. Weitere Bestellungen aus Nippon folgten. Da die SB-Fabrik mit den für Japan bestimmten Wagen voll beschäftigt war, wurde im Inland keine besondere Reklame gemacht. Erst im Frühjahr 1923 trat ein großer Umschwung ein – ein furchtbares Erdbeben hatte in Japan immensen Schaden angerichtet und einen großen Teil der gerade dort eingetroffenen Sendungen vernichtet. Die von Slaby-Beringer in Japan gebildete Gesellschaft „The Japan and German Electric Cyclecar Company, Osaka“, die über eine gut eingeführte Verkaufsorganisation verfügte und eine eigene Zeitung, „The SB-News“, herausbrachte, geriet hierdurch in Zahlungsschwierigkeiten. Die Folge: Im Juli 1923 musste die Fabrikation der elektrischen Wagen vollkommen eingestellt werden.

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s Das NAG-Markenemblem schmückte die Kühler von Kraftfahrzeugen mit Benzinmotoren und von Elektromobilen. © SDTB/Foto: C. Kirchner

s Das Slaby-Beringer-Emblem an der Wagenfront des Elektromobils. Die letzten SB-Wagen verließen 1923 das Werk. © SDTB/Foto: C. Kirchner

… auch für Laster geeignet

der Automobil-Abteilung fanden bei den potentiellen Kunden von Anfang an eine so günstige Beurteilung, dass aufgrund der starken Nachfrage große Fabrikbauten in Berlin-Rosenthal (Wilhelmsruh) errichtet werden mussten. Der Bau von Elektrowagen wurde jahrzehntelang erfolgreich und ohne Unterbrechung fortgeführt, bis das Unternehmen 1945 der

Zu den führenden deutschen Anbietern von Elektromobilen zählten zweifellos auch die Bergmann-Elektricitäts-Werke, die stets darauf bedacht waren, neue Aufgabengebiete für die Elektrizitätswirtschaft zu erschließen. 1906 nahm das Unternehmen den Bau vollständig ausgerüsteter Elektromobile auf. Die Fabrikate

s Auch in der US-Fachpresse wurde über die Motorisierung des „kleinsten Elektroautos“ aus Berlin berichtet. © SDTB/Foto: Historisches Archiv

s Die Firma Gaubschat fabrizierte in den 1950er Jahren den „Elektrischen Berliner“ mit 2,5 t Nutzlast, Höchstgeschwindigkeit: 27 km/h. © SDTB/Foto: Historisches Archiv

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s Der fahrbereite Bergmann-Elektro-Paketauslieferungswagen, Bj. 1928, des Deutschen Technikmuseums. © SDTB/Foto: G. Kemner

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s Im Dienst der Reichspost befand sich einst dieser BergmannElektrowagen, Bj. 1937, des Deutschen Technikmuseums. © SDTB/Foto: C. Kirchner

erfüllte sie nicht die Erwartungen: Die Bundespost erteilte nicht den erhofften Auftrag für eine größere Serie des GaubschatVehikels, sondern entschied sich für den Benzinmotor. Gaubschat versuchte sich daraufhin noch einmal mit Elektrostraßenkehrmaschinen, aber weiterhin ohne Erfolg. Der Boom für die umweltfreundlichen Fahrzeuge blieb aus, obwohl die Gaubschat-Elektrowagen im Alltag recht gut mit ihren 10 PS-Elektromotoren im Straßenverkehr mithielten und Geschwindigkeiten von 24 – 27 km/h erreichten. 1976 wurde gegen die Firma Gaubschat das Konkursverfahren eröffnet. Damit war das letzte Unternehmen, das in Berlin Elektrowagen baute, am Ende. Auf neuen Glanz, ja eine Wiedergutmachung musste die Elektromobilität mehr als ein halbes Jahrhundert warten. ULRICH KUBISCH

Auch in der NS-Zeit kamen BergmannWagen auf Kurzstrecken zum Einsatz. Die Lage der Volkswirtschaft verlangte die Verwendung „nationaler“ Treibstoffe für Kraftwagen. Der elektrische Strom galt als heimischer Treibstoff, dessen Preisbildung zudem zeitweise noch eine sinkende Ten-

denz zeigte. Viele Milliarden Kilowattstunden lagen unausgeschöpft in den Stromerzeugungsanlagen der Elektrizitätswerke und Industrieunternehmen. Ihre Ausnutzung zur Zeit der geringsten Werksbelastung, nachts, war nationalwirtschaftliche Pflicht. Nach 1945 versuchte das Berliner Karosseriebau-Unternehmen Gaubschat, die Tradition der Bergmann-Elektrofahrzeuge fortzusetzen. Unter anderem warb man den Chefkonstrukteur von Bergmann, Oberingenieur Krüger, an. Dieser konstruierte das Elektrofahrgestell vom Typ ELK 2.5, das sich besonders für den Paketzustelldienst und als Kommunalfahrzeug eignen sollte. Das erste Fahrzeug dieser Serie war von der eigens zu diesem Zweck gegründeten Gaubschat Elektrowagen GmbH nach den Richtlinien der Deutschen Bundespost hergestellt worden. Dennoch

s 1985 gerettet! Gaubschat-Elektrowagen in der Monumentenhalle. © SDTB/Foto: G. Kemner

s Jahrzehntelang im bayerischen Bad Reichenhall zuverlässig im Dienst: BergmannStraßensprengwagen im Bestand der Straßenverkehrssammlung des Deutschen Technikmuseums. © SDTB/Foto: C. Kirchner

Demontage anheim fiel. Bis dahin beeinflussten die Arbeiten der Bergmann-Elektricitäts-Werke die gesamte ElektromobilEntwicklung und trugen in erheblichem Maße zu immer größerer Vollkommenheit der Elektrofahrzeuge bei. Staatsunternehmen wie die Deutsche Reichspost verwendeten fast ausschließlich die BergmannWagen im Berliner Stadtverkehr und sammelten in puncto Wirtschaftlichkeit und betriebstechnischer Zuverlässigkeit gute Erfahrungen.

Strom – „nationale Energie“

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