Blätter der Wohlfahrts pflege

December 3, 2017 | Author: Nora Böhmer | Category: N/A
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18.06.2009

17:29

Seite U4

»eine wertvolle Hilfe für die tägliche Arbeit«

Blätter der Wohlfahrts pflege

Heinz Müller-Dietz, Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe 2/04, zur Vorauflage

Die Verwirklichung der Resozialisierung von Straftätern ist in der Praxis des Strafvollzugs und der Straffälligenhilfe tägliche Herausforderung. Die 3. Auflage des Handbuchs vermittelt praxisorientierte interdisziplinäre Fachkenntnisse rund um Erziehung, Sozialisation und Resozialisierung.

Deutsche Zeitschrift für Soziale Arbeit

Die aktuelle Neuauflage ■

berücksichtigt die Auswirkungen der Föderalismusreform für den Strafvollzug, Jugendstrafvollzug und Untersuchungshaftvollzug,



stellt dabei die in verschiedene Bundes- und Landesgesetze sowie Verordnungen verstreuten rechtlichen Regelungen der Straffälligenhilfe für Erwachsene, Heranwachsende und Jugendliche übersichtlich dar,

Altenhilfe Behindertenhilfe Gefährdetenhilfe



geht auf die Reform der Führungsaufsicht und die Reform des Maßregelrechts ein und

Jugendhilfe



ist um aktuelle Themen erweitert wie z.B. Resozialisierung von Straftätern nicht-deutscher Nationalität, Täter-Opfer-Ausgleich oder Hilfen für Angehörige Inhaftierter.

Jugendsozialarbeit

Die Erläuterungen zeigen dabei mögliche Resozialisierungsmaßnahmen und Hilfeleistungen für Straffällige auf.

Recht Fachkräfte Sozialer Arbeit als Experten für soziales Recht

Kinder- und Familienhilfe Migration

Praktische Fallbeispiele, Gesetzes- und Entscheidungsmaterialien, Tabellen, Schaubilder und Übersichten unterstreichen den praxisorientierten Charakter des Handbuchs. Der Band wendet sich an Strafverteidiger und Kriminologen, Sozialpädagogen und Sozialarbeiter, Gerichts- und Bewährungshelfer wie an Anstaltsleitungen und Anstaltsbeiräte sowie Lehrende und Studenten an Hochschulen und Fachhochschulen.

Resozialisierung Handbuch Herausgegeben von Prof. Dr. Heinz Cornel, Prof. Gabriele Kawamura-Reindl, Prof. Dr. Bernd Maelicke und Prof. Dr. Bernd Rüdeger Sonnen 3. Auflage 2009, 623 S., brosch., 59,– €, ISBN 978-3-8329-3882-6

Monitoring

4/2009 Juli/August 2009

Jahrgang 156 · Seiten 121–160 · E20730E

Bitte bestellen Sie im Buchhandel oder versandkostenfrei unter

www.nomos-shop.de

Nomos

Soziale Arbeit als Wirkstoff in der Politik – Berliner Integrationsstudie zeigt nur die halbe Wahrheit – Perspektiven für Hauptschulabsolventen: »Servicehelfer im Sozial- und Gesundheitswesen« Magazin Fachinformationen – Termine – Kennzahlen

Inhalt Beirat: Holger Backhaus-Maul, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Philosophischen Fakultät III (Erziehungswissenschaften) der Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg • Dr. Konrad Hummel, Wissenschaftlicher Referent beim Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V. • Uwe Lübking, Beigeordneter beim Deutschen Städte- und Gemeindebund • Thomas Niermann, Abteilungsleiter Soziale Arbeit und Internationale Kooperation beim PARITÄTISCHEN Gesamtverband e. V. • Heribert Rollik, stellvertretender Teamleiter Kinder-, Jugend- und Familienhilfe beim Generalsekretariat des Deutschen Roten Kreuzes • Wolfgang Schrank, Fachbereichsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung des Frankfurter Vereins für soziale Heimstätten e. V. • Uwe Schwarzer, Leiter der Abteilung strategisches Management in der Hauptgeschäftsstelle des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland e. V. • Prof. Dr. Wolf Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Care und Case Management e. V. • Prof. Dr. Dr.h.c. Reinhard Wiesner, Leiter des Referats »Rechtsfragen der Kinder- und Jugendhilfe« im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Thema

122 Zu diesem Heft Von Gerhard Pfannendörfer

123 Experten für soziales Recht

154 Perspektiven für Hauptschulabsolventen Ergebnisse des Modellprojekts »Servicehelfer im Sozial- und Gesundheitswesen« Von Melanie Schuster

Das Recht der Sozialen Arbeit und die Sozialarbeitswissenschaft Von Wolf Crefeld

127 Sozialberatung braucht Rechtsberatung Das neue Rechtsdienstleistungsgesetz macht es der Sozialen Arbeit nur bedingt einfacher Von Helga Oberloskamp

131 Betreuung zwischen Hilfe und Eingriff

Magazin

156 Fachinformationen 157 Termine 158 Themenhefte der Blätter der Wohlfahrtspflege 159 Kennzahlen

Das Verhältnis von Betreuungs- und Sozialrecht ist gespannt Von Rolf Marschner

135 Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung Unbestimmte Rechtsbegriffe verlangen sozialarbeiterische Kompetenz Von Brigitta Goldberg

141 Das Sozialgesetzbuch von I und XII – Kommentare für Lehre und Praxis

Im nächsten Heft

Monitoring

146 Soziale Arbeit als Agens der Politik Über Sozialpolitik und über Sozialpolitik hinaus Von Albert Mühlum

151 Verpasste Chance Berliner Integrationsstudie zeigt nur die halbe Wahrheit Von Thomas Kunz

Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

Pädagogische und soziale Bestrebungen des Rechtsextremismus Mit einer neuen Strategie des »Wir-kümmern-uns-darum« wollen sich rechtsextreme Politiker und Organisationen Zustimmung in der Bewertung verschaffen. Sie nutzen soziale Nöte, insbesondere im Osten Deutschlands, um sie für ihre Zwecke einzunehmen. Auch manche Sport-, Jugend- und Sozialorganisation ist nicht gefeit vor undemokratischen und neonazistischen Tendenzen in ihren eigenen Reihen. Die Wohlfahrtsverbände haben diese Gefahr erkannt und suchen nach angemessenen Lösungen.

121

Editorial Impressum

Zu diesem Heft

Die Blätter der Wohlfahrtspflege werden herausgegeben vom:

Ingrid Hastedt Vorsitzende des Vorstandes

Redaktion: Gerhard Pfannendörfer, Eichwaldstraße 45, 60385 Frankfurt am Main, Telefon 069 447401, E-Mail [email protected] Internet http://www.gerhard-pfannendoerfer.de Verlag und Druck: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & .KG, 76520 Baden-Baden, Telefon 07221 2104-0, Fax 07221 210427, E-Mail [email protected], Internet http://www.nomos.de Anzeigen: sales friendly, Verlagsdienstleistungen, Bettina Roos, Siegburger Straße 123, 53229 Bonn, Fon 0228/ 9268835, Fax 0228/9268836, E-Mail [email protected] Internet http://www.sales-friendly.de Erscheinungsweise: zweimonatlich Bezugspreise: 62,– m; jährlicher Bezugspreis für Studierende und arbeitslose Bezieher (jährlicher Nachweis erforderlich): 31,– m; Einzelheft 14,– m. Die Preise verstehen sich incl. MwSt. zzgl. Versandkosten. Bestellungen nehmen der Buchhandel und der Verlag entgegen. Kündigung: drei Monate vor Kalenderjahresende. Copyright: Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Disclaimer: Namentlich gezeichnete Artikel müssen nicht die Meinung der Redaktion oder des Verlages wiedergeben. Unverlangt eingesandte Manuskripte – für die keine Haftung übernommen wird – gelten als Veröffentlichungsvorschlag zu den Bedingungen des Verlages. Die Verfasser erklären sich mit einer nicht sinnentstellenden redaktionellen Bearbeitung und der Verwertung auch in elektronischen Medien einverstanden. ISSN 0340-8574

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Recht wie auch Soziale Arbeit befassen sich mit gesellschaftlichen Problemlagen, wollen Verhaltensweisen von Personen beeinflussen und zugleich soziale Verhältnisse strukturieren, schreibt Wolf Crefeld in diesem Themenheft, das auf seine Anregung hin zustande kam. Schon einmal beschäftigten sich die Blätter der Wohlfahrtspflege in Heft 2/1984 mit der Bedeutung des Rechts für die Soziale Arbeit. Damals konstatierten einige Autoren ein eher gespanntes Verhältnis zwischen den beiden gesellschaftlichen »Teilsystemen«. Demgegenüber stellt Wolf Crefeld mit Blick auf die heutige Praxis der Sozialen Arbeit ein deutlich gestiegenes Bewusstsein für die Bedeutung des Rechts in der sozialen Fallarbeit und im sozialen Management fest. Die Komplexität des Sozialleistungsrechts erfordere heute von Fachkräften der Sozialen Arbeit, dass sie Ratsuchende bei dem Geltendmachen von Ansprüchen gegenüber SozialleistungsAnatole France, französischer Schriftsteller trägern sachkundig (1844–1924) unterstützen könnten. Entscheidungen, die zu Eingriffen in die Rechte von Hilfebedürftigen führen, gelte es anwaltlich auf ihre rechtliche Angemessenheit zu prüfen.

»Das Gesetz in seiner majestätischen Gleichheit verbietet den Reichen wie den Armen, unter den Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen.«

Alles was Recht ist, brauchen die Fachkräfte Sozialer Arbeit nicht zu wissen. Aber sie müssen sich erstens über den Zusammenhang von Macht und Gesetz vergewissert haben; sie brauchen zweitens eine Vorstellung vom juristischen Denken; sie müssen sich drittens zum Nutzen ihrer Klienten im allgemeinen Sozialrecht und in den Vorschriften zu ihrem Arbeitsfeld auskennen; und sie müssen viertens im eigenen Interesse mit den berufsrechtlichen Grundlagen professioneller Sozialarbeit vertraut sein. ❉ Über die Grundlagen Sozialer Arbeit hat Albert Mühlum im letzten Jahrestreffen der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit reflektiert und auf einen schwarzen Fleck von Wissenschaft und Profession gedeutet: Soziale Arbeit habe es unvermeidlich mit Verlustängsten und Verlusterfahrung zu tun. Sie müsse deshalb sensibel sein für die Sinnfrage des Lebens und für spirituelle Anliegen. Jede Rede von Ganzheitlichkeit sei absurd, wenn die Frage nach den »letzten Dingen« ausklammert würde, heißt es in seinem Vortrag, der in dieser Ausgabe dokumentiert wird. Gerhard Pfannendörfer – Redaktion Blätter der Wohlfahrtspflege –

Thema

Experten für soziales Recht Das Recht der Sozialen Arbeit und die Sozialarbeitswissenschaft ■ Wolf Crefeld

Recht wie Soziale Arbeit befassen sich mit gesellschaftlichen Problemlagen, wollen Verhaltensweisen von Personen beeinflussen und soziale Verhältnisse strukturieren. Das Verhältnis zwischen beiden ist jedoch keineswegs nur harmonisch, eher ambivalent. Doch die Komplexität des Rechts erfordert von Fachkräften der Sozialen Arbeit, dass sie Ratsuchende beim Geltendmachen von Ansprüchen gegenüber Sozialleistungsträgern sachkundig unterstützen können. Rechtlich begründete Eingriffe in die Ansprüche von hilfesuchenden Menschen gilt es anwaltlich auf ihre gesetzliche Angemessenheit zu prüfen. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind heute idealerweise (auch) Experten für soziales Recht.

Prof. Dr. Wolf Crefeld lehrte bis zu seiner Pensionierung Sozialpsychiatrie an der Evangelischen Fachhochschule Bochum. E-Mail [email protected] Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

Als vor einem Vierteljahrhundert die Blätter der Wohlfahrtspflege in Heft 2/1984 der Bedeutung des Rechts für die Soziale Arbeit widmeten, wurden beide, Recht wie auch Soziale Arbeit, als zwei klar von einander unterscheidbare Teilsysteme mit gleichgerichteten Zwecken beschrieben. Dem Juristen als eines Gestalters gesellschaftlicher Beziehungen in dem zunehmend rechtlichen Regelung unterworfenen täglichen Leben wurde der in der Sozialen Arbeit Tätige gegenüber gestellt, der als fachkundiger Anwalt der Anliegen hilfebedürftiger Menschen an dem Gestaltungsprozess mitwirkt. Recht wie auch Soziale Arbeit befassen sich mit gesellschaftlichen Problemlagen, wollen Verhaltensweisen von Personen beeinflussen und zugleich soziale Verhältnisse strukturieren. Das Verhältnis zwischen beiden beschrieb Johannes Münder in jenem Heft allerdings keineswegs als nur harmonisch, eher ambivalent. Im beruflichen Alltag Sozialer Arbeit sähen manche Rechtswissen als formalen »Kram« an, während andere in schwierigen Situationen gerade Zuflucht beim Recht suchten statt nach geeigneten Lösungen sozialpädagogischer Art zu fragen. Manchmal würden die Möglichkei-

ten des Rechts überschätzt, zumal das alltägliche Handeln der Menschen weniger durch Rechtsnormen denn durch Sozialnormen gesteuert werde. Rechtliche Bestimmungen würden aber auch bewusst unterlaufen, in dem man sie nicht beachte oder ihre Konkretisierung durch Verwaltungsvorschriften nicht zielgerecht sei. Blickt man in die heutige Praxis der Sozialen Arbeit, so ist ein inzwischen doch deutlich gestiegenes Bewusstsein für die Bedeutung des Rechts in der sozialen Fallarbeit und im sozialen Management festzustellen. Die Komplexität des Sozialleistungsrechts erfordert heute von Fachkräften der Sozialen Arbeit, dass sie Ratsuchende bei dem Geltendmachen von Ansprüchen gegenüber Sozialleistungsträgern sachkundig unterstützen können. Entscheidungen, die zu Eingriffen in die Rechte von Hilfebedürftigen führen, gilt es aus advokatorischer Rolle auf ihre rechtliche Angemessenheit zu prüfen. Der Bedarf an qualifizierter sozialgutachterlicher Kompetenz wächst in verschiedenen Bereichen der Anwendung sozialen Rechts, nicht zuletzt weil die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe wie »Kindeswohl«, »persönliche Betreuung«, »Eignung zum Betreuer« im konkreten Fall oft sozialarbeiterischer Expertise bedarf. Werner Bienwald (2005) hat am Beispiel der rechtlichen Betreuung dargestellt, dass dessen Verantwortung für das Leben des von ihm betreuten Menschen in vielen Fällen ein besonderes Maß an Rechtsanwendungskompetenz erfordert. In manchen Feldern Sozialer Arbeit sind Kompetenzen zur Gestaltung eines psychosozialen Beratungs- und Unterstützungsprozesses in Verbindung mit Rechtsanwendungskompetenz in besonderem Maße gefordert. Als Beispiele zu nennen sind rechtliche Betreuung, Verfahrenspflegschaften insbesondere in kindschaftsrechtlichen Verfahren, Schuldnerberatung, Migrantenberatung, familiengerichtliche Mediation, Jugendgerichtshilfe. 123

Thema Mit Blick auf diese Aufgabenfelder wurden in den letzten Jahren – zunächst in Köln und Frankfurt am Main – Masterstudiengänge unter Bezeichnungen wie »Beratung und Vertretung im sozialen Recht«, »Counselling and Social Advocacy« entwickelt. Diese Studiengänge vermitteln methodisch anspruchsvolle Kompetenzen für die Gestaltung von Beratungs- und Unterstützungsprozessen in Verbindung mit eingehenden Kenntnissen und Fähigkeiten für die Anwendung sozialen Rechts.

Unwort Bezugswissenschaft Trotz dieser zentralen Bedeutung des Rechts für die Soziale Arbeit gilt auf wissenschaftlicher Ebene immer noch die

eingangs angesprochene Sichtweise der zwei Teilsysteme, denen zwei verschiedene Wissenschaften entsprechen. So figuriert im Studium der Sozialen Arbeit das Recht als eine der vielen »Bezugswissenschaften«, die diesem Studium eine wohl in der gesamten deutschen Hochschullandschaft einmalige Patchwork-Struktur verleihen. Die Studenten der Sozialen Arbeit lernen von Juristen Rechtswissen, doch ob und wie die Lehrenden des Rechts sich mit der Praxis und dem professionsspezifischen Erfahrungen der Sozialen Arbeit befassen und ob sie sich mit dem Beruf und der Wissenschaft der Sozialen Arbeit identifizieren, bleibt ihren persönlichen Neigungen überlassen. Rechtsanwendungskompetenz und Sozialarbeitswissenschaft werden als etwas

kategorial Verschiedenes gesehen. Das Wort »Bezugswissenschaften« – in der Wochenzeitung »Die Zeit« vom 21. Mai 2008 zurecht als »Unwort« bezeichnet – scheint zu legitimieren, dass es den berufsfremden Dozenten überlassen ist, ob sie in der Welt ihrer eigenen Wissenschaft verharren und von da aus die Soziale Arbeit »kolonialisieren« (Müller/Gehrmann 1996) oder aber sich in ihrer Rolle als Hochschullehrer und Wissenschaftler den Aufgaben der wissenschaftlichen Disziplin und des Berufs der Sozialen Arbeit verpflichtet fühlen. Wie es zu dieser Patchwork-Struktur von »Bezugswissenschaften« kommen konnte, lässt sich nur historisch verstehen. Jedenfalls gibt es für sie keine sachliche Notwendigkeit, wie die Verhältnisse in anderen anwendungsbezogenen Stu-

Was versteht man eigentlich unter Sozialrecht? Einen feststehenden allgemeinen Begriff des Sozialrechts kennt die Rechtsordnung nicht. Auch in der wissenschaftlichen Diskussion ist es nicht gelungen, ihn zu entwickeln.

nach BAföG und Arbeitsförderungsrecht). Dies schlägt sich in der Zielsetzung des Sozialgesetzbuchs (vgl. § 1 SGB I) nieder.

(1) Sozialpolitischer Begriff: Das Sozialrecht ist dasjenige Rechtsgebiet, in dem sich der sozialpolitisch gewollte Ausgleich von Einkommen und Chancen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen und auch innerhalb derselben mit dem Ziel vollzieht, soziale Gerechtigkeit herzustellen und soziale Sicherungen zu gewährleisten. Eine solche Verknüpfung des Begriffs Sozialrecht mit der sozialpolitischen Entwicklung ist problematisch, da sie die Zuordnung einer Rechtsmaterie zum Sozialrecht von deren gesteigertem sozialpolitischen Gehalt abhängig macht. Damit müssten eine Vielzahl zivil- oder arbeitsrechtlicher Materien (z. B. Mieterschutzrecht; Verbraucherkredit; Kündigungsschutzgesetz) dem Sozialrecht zugeordnet werden.

(3) Formeller Begriff: Sozialrecht ist das Recht der unter dem Titel SGB zusammengefassten Rechtsgebiete. Hierzu gehören die Bereiche der Sozialversicherung (SGB III, V–VII und XI) der Sozialen Entschädigung (Bundesversorgungsgesetz, Opferentschädigungsgesetz), der Fürsorge (Grundsicherung für Arbeitsuchende [SGB II], Sozialhilfe [SGB XII]), der Minderung des Familienaufwands (Kinderzuschuss), des Zuschusses für eine angemessene Wohnung (Wohngeld), der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfegesetz), der Rehabilitation (SGB IX, Soziale Rechte, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen).

(2) Entwicklungsgeschichtlicher Begriff: Sozialrecht ist das Recht des seit Beginn der Industrialisierung gewachsenen Systems der sozialen Sicherheit mit ihren Säulen der sozialen Versorgung (Versorgungsprinzip) bzw. Sozialen Entschädigung, der Sozialversicherung (Versicherungsprinzip), der Fürsorge (Fürsorgeprinzip) und der Förderungsleistungen. Sein ursprünglicher Auftrag, die physische Existenz unmittelbar gefährdender Not abzuwenden, hat sich im gegenwärtigen sozialen Rechtsstaat erweitert: Er orientiert sich an der Pflicht des Staates, die Menschenwürde zu achten und zu schützen. Es geht darum, ein soziales Existenzminimum zu sichern und gleiche Voraussetzungen für die Entfaltung der Persönlichkeit zu schaffen, insbesondere durch Hilfen auch für junge Menschen, für Familien (z. B. Erziehungsgeld und Kindergeld) und zur Erlangung einer angemessenen Ausbildung und eines freigewählten Arbeitsplatzes (z. B. Ausbildungsbeihilfen

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Der formelle Begriff ist enger als der entwicklungsgeschichtliche, denn er erfasst das Sozialrecht nicht völlig; z. B. ist das Recht des Lastenausgleichs nicht in die Sammlung des SGB aufgenommen worden. Renate Bieritz-Harder Prof. Dr. jur. Renate Bieritz-Harder lehrt Sozialversicherungsrecht, Rehabilitationsrecht, Sozialhilferecht, Jugendhilferecht und Unterbringungsrecht an der Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven.

Quelle: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. (Hg.): Fachlexikon der sozialen Arbeit. 6. Auflage. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2007. 1.195 Seiten. 44,- Euro. ISBN 978-3-8329-1825-5. Seite 909.

Thema diengängen lehren. Vordergründig ist sie eine Folge dessen, dass man währen der Umwandlung der Höheren Fachschulen in Fachbereiche der Sozialarbeit oder Sozialpädagogik wenig reflektiert die in den 1920er-Jahren entwickelten Lehrpläne der Vorgängereinrichtungen übernommen hat. Aus den alten Lehrplänen eine Hochschullehre zu entwickeln, wurde die Aufgabe von Universitätsabsolventen, die meist andere Erfahrungen mitbrachten als solche aus der Praxis Sozialer Arbeit. So schauten sie wohl über den Zaun, womit der Nachbar »Soziale Arbeit« sich in seinem Garten zu beschäftigen schien, verharrten aber in ihrer einst studierten Wissenschaft und rechtfertigten ihr Verharren im eigenen Revier, indem sie dieses zur »Bezugswissenschaft« erklärten. So blieb die fachschuleigentümliche Unterrichtsstruktur mit berufsfremden Dozenten weitgehend beibehalten. Zugleich warf man der als einem Kernstück sozialarbeiterischer Professionalisierungsstrategie an den Höheren Fachschulen praktizierten Lehre methodisch strukturierter Sozialer Arbeit vor, sie sei unwissenschaftliche »Technologie«.

Hochschulpolitischer Paradigmenwechsel Eigentliche Ursache dieser Entwicklung war, dass Anfang der 1970er-Jahre eine kohärente Wissenschaft der Sozialen Arbeit in Deutschland nicht existierte. Was von ihr in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entstanden war – beispielhaft sind für sie Namen wie Alice Salomon, Marie Baum und Christian-Jasper Klumker zu nennen –, war durch die nationalsozialistisch-ideologische Pervertierung der Sozialen Arbeit zur Volkswohlfahrt für die »völkisch Wertvollen« und die Vertreibung vieler Pionierinnen Sozialer Arbeit zerstört worden. Doch auch nach dem Krieg fand die an amerikanischen Universitäten inzwischen weiterentwickelte Sozialarbeitswissenschaft an deutschen Universitäten wenig wachstumsförderlichen Nährboden. Denn dort herrschte die unter dem Einfluss neuhumanistischer Bildungsideale des 19. Jahrhunderts entstandene Vorstellung, dass berufspraktisch nützliches Wissen bestenfalls minderwertige Wissenschaft sei und deshalb für sie an UniBlätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

versitäten kein Platz sei. Die Welt der Praxis galt von der Universitätswelt und ihrer Orientierung scharf getrennt, berichtet der Historiker Thomas Nipperdey (1987), das eine war die niedere, das andere die höhere Kultur. Das in den zur Berufspraxis qualifizierenden »Nützlichkeitskramschulen« und »Klempnerakademien« gelehrte Wissen wurde verachtet und als »geistige Verarmung« denunziert. Erst die Gründung von Fachhochschulen um 1970 hat hier – gegen Widerstände aus den Universitäten – einen hochschulpolitischen Paradigmenwechsel eingeleitet. Doch während bei den zuvor schon in Akademien und polytechnischen Lehranstalten etablierten technischen und ökonomischen Wissenschaften diese Politik rasch erfolgreich war, traf die Grün-

sellschaft betreffen, der sie angehören« (Wendt 2006). Damit wird ein handlungswissenschaftliches Selbstverständnis wiedergegeben. Dessen Ziel ist nicht das Sammeln von Erkenntnissen um deren selbst willen. Ihr Lehr- und Forschungsgegenstand ist vielmehr die Weiterentwicklung von Wissen und Verfahrensweisen für eine erfolgreiche professionelle Praxis. In diesem Sinne sind auch medizinische, technische und ökonomische Wissenschaften Handlungswissenschaften. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie »eklektisch« Wissen und Fähigkeiten aus allen Wissens- und Erfahrungsbereichen, soweit deren Anwendbarkeit für die Praxis nutzbringend erscheinen, in ihr eigenes Wissenschaftsgebäude integrieren.

»Soziale Arbeit erfordert vielfach ein besonderes Maß an Rechtsanwendungskompetenz« dung der Fachbereiche für Soziale Arbeit auf eine durch den Nationalsozialismus zerstörte und seither in wissenschaftlichen Institutionen in Deutschland kaum verankerte Soziale Arbeit. Mangels wissenschaftlich ausgewiesener Sozialarbeiter lehrten berufsfremde Universitätsabsolventen, von denen mancher sich noch nicht ganz von der Vorstellung befreien wollte, dass wahre Wissenschaft sich durch Praxisferne auszeichne und berufspraxisbezogene Lehre von minderer Wissenschaftlichkeit, eben »Technologie« sei.

Angemessenes Handeln in prekären Lebenslagen Inzwischen hat die Wissenschaft der Sozialen Arbeit nach kontroversen Diskussionen als anwendungsbezogene Wissenschaft ein klareres Profil gewonnen. Als ihren Gegenstandsbereich beschreibt Wolf Rainer Wendt, sie ruhe »auf einer sozialen Aufgabenstellung und ihrer Wahrnehmung« und beziehe ihre Legitimität aus dem »Problem des angemessenen Handelns in prekären Lebenslagen, die einzelne Menschen und die Ge-

Insofern ist für Handlungswissenschaften die Abgrenzung von »Bezugswissenschaften« widersinnig (crefeld 2009). Gäbe es solche Abgrenzungen beispielsweise in der Medizin, dann wären Pharmakologie, Radiologie, Rechtsmedizin, Psychotherapie etc. keine medizinischen Wissenschaften und viele wissenschaftliche Forschungsfragen würden gar nicht erst bearbeitet, während die jeweiligen »Bezugswissenschaften« Chemie, Physik, Rechtswissenschaft und Psychologie medizinisch relevante Forschungsfragen mangels Kenntnis von deren praktischen Relevanz kaum allein behandeln würden. Diesen Bezugswissenschaften würde es an Impulsen aus der medizinischen Praxis und entsprechenden Feldkenntnissen mangeln. Wie wichtig für den Erfolg anwendungsbezogener Wissenschaften die Einbeziehung der Kompetenzen aus unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen ist, lässt sich an den Nobelpreisträgern für Medizin zeigen: Viele Preisträger haben nicht einmal Medizin studiert, dennoch wurden sie wegen ihrer medizinwissenschaftlichen Leistungen ausgezeichnet. Die Wissenschaft der Sozialen Arbeit hätte heute größere Erfolge vorzuweisen, 125

Thema wenn nicht wesentliche Teilbereiche ihrer Aufgaben über die Formel von den Bezugswissenschaften mehr oder weniger ausgegrenzt wären.

Resümee Die Sozialarbeitswissenschaft bedarf juristischer Kompetenz. Vielleicht sollte hier eine Pionierin der Sozialen Arbeit, Frieda Duensing, als Leitbild genannt werden. Sie promovierte 1902 zur Dr. jur. mit einem Thema zur Fürsorgepflicht gegenüber Minderjährigen, wurde später Geschäftsführerin der Zentralstelle für Jugendfürsorge, engagierte sich besonders für das Vormundschafts- und Pflegschaftswesen und für psychisch beeinträchtigte Kinder und Jugendliche und leitete schließlich die Soziale Frauenschule in München. Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit e. V. könnte ein Dach bieten für den wissenschaftlichen Diskurs zwischen Juristen, die als Lehrende oder Berater der Verbände für die Soziale Arbeit tätig

sind, und Fachkräften mit psychosozialen Kompetenzen. Ein Ergebnis sollte sein, dass aus der »Bezugswissenschaft« Recht der Sozialen Arbeit ein von juristischer Kompetenz wesentlich mitgeprägtes Teilgebiet der Sozialarbeitswissenschaft wird. Das wäre eine Entwicklung, der in analoger Weise in den medizinischen, betriebswirtschaftlichen und Ingenieurwissenschaften eine selbstverständliche Praxis entspricht. ◆

Expertenwissen für Führungskräfte

Literatur Bienwald, W. (2005): Über die Notwendigkeit interdisziplinärer Vorbereitung von Betreuern. In: Hofer, S. et al (Hg.): Perspektiven des Familienrechts. Festschrift für Dieter Schwab. Gieseking, Bielefeld. Crefeld, W. (2009): Braucht die Wissenschaft von der Kunst und dem Handwerk der Sozialen Arbeit Bezugswissenschaften? In: Mühlum, A., Rieger, G. (Hg.): Soziale Arbeit in Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Wolf Rainer Wendt. Jacobs, Lage. Müller, K. D., Gehrmann, G. (1996): Wider die »Kolonialisierung« durch Fremddisziplinen. In: Puhl, R. (Hg.): Sozialarbeitswissenschaft. Juventa, Weinheim. Nipperdey, T. (1987): Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat. 4. Auflage. C. H. Beck, München. Wendt, W. R. (2006): Die Disziplin der Sozialen Arbeit und ihre Bezugsdisziplinen. Erweiterter Text eines Vortrages an der Hochschule Potsdam am 4. Dezember 2006.

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Lexikon der Sozialwirtschaft Herausgegeben von Prof. Dr. Bernd Maelicke 2008, 1.128 S., geb., 98,– €, ISBN 978-3-8329-2511-6

Das Werk umfasst ca. 700 Stichworte von über 130 Autoren aus den einschlägigen Fachdisziplinen Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft, Sozialpolitik, New Public Management, Recht, Erziehungswissenschaften, Sozialarbeit/Sozialpädagogik und Psychologie und richtet sich an die Führungskräfte in der Sozialwirtschaft/Sozialmanagement, der Aus- und Weiterbildung sowie an die Wissenschaft.

»Mit dem Lexikon der Sozialwirtschaft wird Wissenschaftlern und Führungskräften der Sozialwirtschaft ein Nachschlagewerk angeboten wie es bisher keines auf dem Markt der Soziallexika gab.« Dr. Lorenz Fichtel, Informationsmittel (IFB) 2/07 »Verdienstvoll und gelungen...Ein qualitätsvolles Handbuch mit Zukunft.« Neue Caritas 11/08

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Thema

Sozialberatung braucht Rechtsberatung Das neue Rechtsdienstleistungsgesetz macht es der Sozialen Arbeit nur bedingt einfacher ■ Helga Oberloskamp Vor einem Jahr ist das neue Rechtsdienstleistungsgesetz in Kraft getreten. Gegenüber dem alten Rechtsberatungsgesetz ist es in vielen Einzelfragen klarer; dennoch löst es manche Schwierigkeiten im Zusammenhang von Rechtsberatung und Sozialer Arbeit nicht oder nur unbefriedigend.

Prof. Dr. Helga Oberloskamp lehrte bis zu ihrer Emeritierung im Jahre 2008 an der Fachhochschule Köln. E-Mail [email protected] Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

Studenten der Sozialen Arbeit (auch der Sozialarbeit oder Sozialpädagogik) haben nicht selten einen mehr oder weniger eingestandenen Widerwillen gegen das Recht, das in ihrem Studium als Fach, Modul oder Modulteil vorkommt und auch Gegenstand von Prüfungen ist. Angesprochen auf ihr Vermeidungsverhalten bringen sie dann häufig vor, dass sie künftig sowieso in Arbeitsfeldern tätig sein werden, in denen sie nie mit dem Recht zu tun haben. Befragt, welche Felder dies denn seien, nennen sie ohne zu zögern beispielsweise Einrichtungen der Offenen Tür, präventiver Jugendschutz, ambulante Altenarbeit, soziale Gruppenarbeit und zahlreiche andere. Wenn sie ihr Studium beendet haben und in diesen »Traumarbeitsfeldern« tätig sind, merken sie schnell, dass ihre Einschätzung wohl doch nicht zutreffend war. In der Offenen Tür erkundigt sich beispielsweise ein 15-Jähriger, ob er etwas gegen die einschränkenden Erziehungsmaßnahmen seiner Eltern machen könne. Oder sie erfahren beiläufig, dass der minderjährige Besucher selber mit Drogen handelt, und sie überlegen, ob sie dies irgendjemandem mitteilen müssen. Bei den Vorträgen in Schulen und Jugendgruppen zu Drogen und Alkohol sind die Fragen nach der Strafbarkeit und den möglichen Sanktionen unausweichlich. Bei der Arbeit in Tageseinrichtungen für alte Menschen erkundigen sich die Betroffenen nach der Finanzierung von Pflege, dem Abfassen von Testamenten und Vorsorgevollmachten, Unterhaltspflichten der Enkelkinder oder für die Enkelkinder und ob sie »entmündigt werden«

können. Bei der sozialen Gruppenarbeit geht es um die Frage der Erstellung eines Hilfeplanes und die Kostentragung. Diese einfachen berufspraktischen Feststellungen, die in der Vergangenheit immer wieder zu Grundsatzdiskussionen geführt haben, ob das Recht immanenter Bestandteil Sozialer Arbeit sei (und deswegen im Studium gelehrt werden müsse), dürften heute eigentlich keine Dispute mehr auslösen. Die neuere Fachliteratur (z. B. Katholische Stiftungsfachhochschule München [Hg.] 1999 [1]; H. Burghardt 2001 [2]; F. K. Barabas 2003 [3]; Brühl/Kessler u. a. 2005 [4]), die sich vorwiegend unter dem Gesichtspunkt »Beratung« mit dem Verhältnis Soziale Arbeit und Recht befasst, ebenso wie die neuen Master-Studiengänge (u. a. an der Fachhochschule Frankfurt am Main: Beratung und Sozialrecht; an der Fachhochschule Köln: Beratung und Vertretung im sozialen Recht) lassen keinen Zweifel daran, dass in einem so weitgehend verrechtlichten Sozialstaat wie die Bundesrepublik Deutschland eine Soziale Arbeit ohne Rechtskenntnisse schlicht nicht möglich ist.

Das Recht in der Sozialen Arbeit Schon diese einfachen Beispiele machen deutlich, dass die Soziale Arbeit offenbar selbst in den Bereichen, die auf den ersten Blick eine rein pädagogische Arbeit zu betreffen scheinen, zumindest Berührungspunkte mit dem Recht hat. Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass das Recht zwei verschiedene Zielrichtungen haben kann: es kann den in der Sozialen Arbeit Tätigen betreffen (Recht der Sozial-Agenten = «Berufsrecht«), oder es kann sich auf das Leben der Nutzer sozialer Dienste beziehen (»Klientenrecht«). Letzteres kann wiederum zweierlei beinhalten: Der Agent stellt die Möglichkeiten des Handelns dar, der 127

Thema Klient bleibt jedoch selber »Herr« (oder Frau) des Rechts und wählt, was er für richtig hält (»Rechtsberatung«). Oder das Recht wird direkt auf ihn angewendet, ohne dass er selber hinsichtlich des Ob eine Wahl hätte (»Rechtsgebrauch« – das Wort »Rechtsanwendung«, das passender wäre, ist schon besetzt). Dass der in der Sozialen Arbeit Tätige (= Sozial-Agent) wissen muss, wie er sich dem Klienten gegenüber zu verhalten hat, ob er Auskünfte über einen Klienten geben darf und ob er sogar andere Institutionen über etwas in Kenntnis setzen darf oder muss, welches Verhalten eine Haf-

tig Hauptgegenstand Sozialer Arbeit. Wo dagegen die Grenze für eine legale Rechtsberatung liegt, regelte 73 Jahre lang das Rechtsberatungsgesetz (RBerG), allerdings eher lückenhaft und inhaltlich nicht sehr zufrieden stellend.

Das Rechtsdienstleistungsgesetz Seit 1. Juli 2008 ist die Stelle des Rechtsberatungsgesetzes das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) getreten, das in einer Reihe von Punkten deutlich klarer, aber auch nicht unbedingt befriedi-

»Rechtsberatung ist als Nebenleistung erlaubt« tung auslöst, wird dabei generell nicht nur akzeptiert, sondern geradezu erwartet. Da gegebenenfalls standes- (Verlust der Zulassung) oder gar berufsrechtliche Konsequenzen (Schadenersatz, Ordnungsmaßregel, Bestrafung) drohen, wird er sich auch selbstverständlich die nötigen Kenntnisse verschaffen. Sie zu haben, ist Teil seiner Fachlichkeit, so wie es Teil des ärztlichen oder anwaltlichen Wissens ist, Vergleichbares für sich zu behalten oder weiter zu geben. Dass der Agent den Klienten aufgrund rechtlicher Verpflichtung in bestimmter Weise behandeln muss, weiß der Klient vorher oftmals nicht. Für den Agenten ergibt sich die Pflicht aus seiner Stellung und dem Gesetz oder einem Vertrag. So muss die Sozialarbeiterin oder der Sozialpädagoge beim Jugendamt das Kind in Obhut nehmen, eine gutachtliche Stellungnahme für das Familien- oder Jugendgericht abgeben, die Vormundschaft für das Kind einer minderjährigen ledigen Mutter führen. Der Sozialarbeiter bei der Caritas muss die Gefährdung eines Kindes einschätzen und gegebenenfalls das Familiengericht anrufen. Ob der Agent den Klienten rechtlich beraten darf oder sogar muss, ist sowohl auf Seiten des Helfers als auch auf Seiten des Hilfeempfängers oftmals nicht bekannt. Dass er, wenn der Klient darum bittet, Lebensberatung anzubieten hat, ist selbstverständlich. Diese ist völlig unstrei128

gender ist. Das neue Gesetz ist jedenfalls nicht der erhoffte große Wurf, der sich dem Recht in anderen Staaten der Europäischen Union angleicht, sondern lediglich eine Umsetzung der in den letzten Jahren vom Bundesverfassungsgericht und vom Bundesgerichtshof erlassenen Rechtsprechung.

1.

Eindeutig ist das neue Rechtsdienstleistungsgesetz, was die Gegenstände der Regelung betrifft. Nach dem alten Rechtsberatungsgesetz war der soziale Bereich überhaupt nicht vom Gesetzgeber als Objekt von Beratung gedacht. Er musste durch eine Analogie zur wirtschaftlichen Betätigung erschlossen werden. Das Rechtsdienstleistungsgesetz dagegen spricht ihn in verschiedenen Vorschriften an (§ 8 I Nr. 5; § 10 I Nr. 2).

2.

Im alten Rechtsberatungsgesetz ging es um geschäftsmäßige Beratung und außergerichtliche Vertretung (die gerichtliche Vertretung war in den einschlägigen Verfahrensgesetzen geregelt). Das Rechtsdienstleistungsgesetz splittet nicht in Beratung und Vertretung auf, sondern wählt den einheitlichen Begriff der »Dienstleistung im Recht«: »Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.« (§ 2 I RDG) Es sind somit drei Kriterien, die Rechtsdienstleistung nach

dem Rechtsdienstleistungsgesetz ausmachen, die Konkretheit, die Fremdheit und die rechtliche Prüfung des Einzelfalls: • Konkretheit bedeutet, dass es sich nicht um erfundene, sondern um reale Fälle handelt. • Fremdheit liegt vor, wenn es nicht um einen eigenen Fall geht. Bei einem Auftreten für sich selber oder als gesetzlicher oder gewillkürter Vertreter handelt es sich nicht um fremde Fälle. • Die Prüfung eines Einzelfalls ist gegeben, wenn – im juristischen Sinne – eine echte Subsumtion, also Gegenüberstellung von konkretem Sachverhalt und abstraktem Tatbestand mit dem Ziel der Herleitung einer konkreten Rechtsfolge, durchführt werden soll.

3.

Eine solche Rechtsdienstleistung dürfen auch Sozial-Agenten so lange erbringen, als sie nicht Hauptleistung ist. Eine Rechtsdienstleistung als Hauptleistung dürfen nur Volljuristen anbieten, die obendrein von der örtlichen Rechtsanwaltskammer zugelassen sein müssen. Die einschlägige Bestimmung lautet wörtlich: »Erlaubt sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind ...« (§ 5 I RDG) Damit sind Rechtsdienstleistungen praktisch allen Berufsgruppen als Nebenleistung erlaubt. Zu beachten ist dabei allerdings, dass die Rechtsberatung von ihrer Bedeutung her nicht im Mittelpunkt des Leistungsangebotes stehen darf. Außerdem muss sie zum jeweiligen Berufsbild gehören. Nach dem alten Rechtsberatungsgesetz war Voraussetzung, um als Nichtanwalt rechtlich beraten zu dürfen, dass die berufliche Haupttätigkeit ohne die Rechtsdienstleistung nicht sachgerecht erledigt werden konnte. Nun reicht es aus, dass die Rechtsdienstleistung eine zum Berufsoder Tätigkeitsbild gehörige Nebenleistung darstellt. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach folgenden Kriterien: • nach ihrem Inhalt • nach ihrem Umfang

Thema • nach ihrem sachlichem Zusammenhang mit der Haupttätigkeit und • unter Beachtung der notwendigen Rechtskenntnisse.

4.

Wenn es sich im Sinne des bisher Dargestellten um eine Rechtsdienstleistung handelt, dann ist sie Rechtsanwälten vorbehalten, es sei denn, • sie ist registriert (§ 10–13 RDG) oder • sie gehört zu den nicht registrierungspflichtigen Tätigkeiten (§§ 6–8 RDG). Die Registrierungspflicht erstreckt sich auf bestimmte ausdrücklich genannte Tätigkeiten (Inkassodienstleistung, Rentenberatung, Rechtsberatung auf der Basis ausländischen Rechts), die abschließend aufgezählt sind und für die eine besondere Sachkunde nachgewiesen werden muss. Bei allen anderen als den drei genannten Gebieten ist keine Registrierung möglich. Nicht registrierungspflichtig sind Personen, die Tätigkeiten im Sinne der §§ 10–13 RDG ausüben. Es sind dies • Personen, die unentgeltliche Rechtsdienstleistungen im nahen sozialen Umfeld erbringen (wenn entfernteres Umfeld, dann Rechtsanwalt, Person mit Befähigung zum Richteramt oder registrierte Person »im Hintergrund« erforderlich), § 6 RDG • Berufs- und Interessenvereinigungen, Genossenschaften für ihre Mitglieder, § 7 RDG • öffentliche und öffentlich anerkannte Stellen, § 8 RDG.

Das Rechtsdienstleistungsgesetz und die Soziale Arbeit Sozialarbeiter können in einer Behörde, bei einem freien Träger oder sogar freiberuflich tätig sein. Sie sind primär dazu da, soziale Probleme der Bürger zu beheben oder zumindest zu lindern. Dies geschieht – wie schon dargestellt – in großem Umfang durch Beratung. Nehmen wir an, eine Mutter kommt in eine Erziehungsberatungsstelle und klagt darüber, dass sie mit der Erziehung ihres 13jährigen Sohnes völlig überfordert sei. Dieser schwänze die Schule, mache keine Hausaufgaben, komme nachts nicht nach Hause und betrinke sich immer wieder in seiner Clique. Ermahnungen und Gespräche seine fruchtlos. Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

Solange der Sozialarbeiter nun schlichte Lebensberatung betreibt, indem er mit der Mutter ein Gespräch führt, was man pädagogisch machen könne, um das Verhalten des Sohnes zu ändern, erhebt in Deutschland (in anderen Ländern ist auch dieses anders) niemand Einwendungen. Sobald aber eine Rechtsfrage auftaucht, beispielsweise ob man für den Sohn eine erzieherische Hilfe (HzE) beantragen kann, ob die Mutter das ohne ihren Mann machen kann, ob man – wenn der Mann sich weigert zusammen mit der Frau einen Antrag zu stellen – diesem das Sorgerecht einschränken kann, ob für die Hilfe zur Erziehung zu bezahlen ist, erhebt sich die Frage nach der Erlaubtheit der Beratung.

mär die gesellschaftliche Kraft, die vor der Behörde tätig sein durfte. Und wenn die Behörde rechtsberatend tätig werden durfte, dann durfte es der freie Träger sowieso, ansonsten war die Subsidiarität sinnlos. Nach neuem Recht stellt sich als erstes die Frage, ob es sich überhaupt um eine Rechtsdienstleistung handelt. Mit einer solchen haben wir es gemäß § 2 I RDG zu tun, wenn die Tätigkeit des Sozialarbeiters eine konkrete fremde Angelegenheit betrifft, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Um konkrete fremde Angelegenheiten handelt es sich bei allen aufgeworfenen Fragen zweifelsfrei. Sie erfordern auch, um mit Ja oder Nein beantwortet werden zu können, eine Sub-

Das Recht in der Sozialen Arbeit kann neben den Klienten auch die Profis selbst betreffen (»Agentenrecht«). Arbeitet der Sozialarbeiter bei einer Behörde, beispielsweise dem Jugendamt, so durfte er nach dem alten Rechtsberatungsgesetz und darf nach dem neuen Rechtsdienstleistungsgesetz (§ 8 I Nr.2) »im Rahmen ihres Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs« Rechtsdienstleistungen erbringen. Was er studiert hat und ob er qualifiziert ist oder nicht, spielt keine Rolle. Die Behörde übernimmt die Verantwortung für die Rechtsberatung. Arbeitet er bei einem freien Träger, beispielsweise der Arbeiterwohlfahrt, dann stellt sich die Frage, ob er eine Rechtsdienstleistung erbringen darf. Im alten Recht suchte man vergeblich nach »Freien Trägern der Wohlfahrtspflege«. Man musste juristische Klimmzüge machen, um zu einer Antwort zu kommen. Dass der Sozialarbeiter hier nicht sollte beraten dürfen, war nicht einzusehen. Im alten Recht half schließlich – jedenfalls in der Jugendhilfe und in der Sozialhilfe – der Grundsatz der Subsidiarität. Wenn die Behörde hier Rechtsberatung machen durfte, dann musste es der freie Träger auch dürfen; denn eigentlich war er pri-

sumtion unter die einschlägigen Normen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes und des Bürgerlichen Gesetzbuches. Aber wenn es eine Rechtsdienstleistung ist, ist sie dem Sozialarbeiter eigentlich verboten. Jedoch könnte § 5 I RDG helfen, der bestimmt, dass Rechtsdienstleistungen erlaubt sind, die (nur) im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit, der Haupttätigkeit, erbracht werden und die eine zum Berufsbild gehörige Nebenleistung darstellen. Die Hauptleistung wäre hier die Erziehungsberatung, die Anhangsleistung die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen. Der Mutter geht es ja darum, ihren Sohn halbwegs erfolgreich zu erziehen. Die Rechtsfragen haben nur die dienende Funktion, das Erziehungsziel zu erreichen. Die Mutter ist nicht zur Erziehungsberatungsstelle gegangen, um die Rechtsfragen zu klären. Es handelt sich daher um eine erlaubte Nebenleistung. Sollte man jedoch, in einem anderen Fall, zu dem Ergebnis kommen, dass es sich um keine zulässige Anhangsleistung handelt, dann könnte möglicherweise § 6 129

Thema I RDG die Leistung als Hauptleistung trotzdem zulässig zu machen. Nach dieser Vorschrift sind unentgeltliche Rechtsdienstleistungen erlaubt. Wenn es sich allerdings um solche handelt, die nicht Personen enger persönlicher Beziehungen erbracht werden, so muss der Rechtsdienstleister eine Person mit Erlaubnis zur entgeltlichen Erbringung von Rechtsdienstleistungen oder mit Befähigung zum Richteramt sein oder »unter Anleitung einer solchen Person stehen«. Zu prüfen wäre in diesem Fall, ob die Leistungserbringung durch einen freien Träger unentgeltlich erfolgt. Ob dies so ist, wird sich aus der Satzung des Trägers ergeben, möglicherweise in Verbindung mit der Leistungsfähigkeit des Klienten. Die weitere Frage wäre, ob die vom Gesetz geforderte persönliche Nähe des Leistenden gegeben wäre. Das könnte sein, wenn der beim freien Träger Handelnde mit der Mutter des Kindes verwandt, verschwägert oder befreundet wäre. Ergibt sich auch aus diesem Tatbestand keine Erlaubtheit der Rechtsberatung, so kommt schließlich noch § 8 I Nr. 5 RDG als Rechtsgrundlage in Betracht. Ihm zufolge dürfen anerkannte Träger der freien Jugendhilfe im Sinn des § 75 SGB VIII im Rahmen ihres Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs Rechtsdienstleistungen erbringen, allerdings mit derselben Einschränkung, die für unentgeltliche Rechtsdienstleistungen gilt. Das würde für eine kleine Erziehungsberatungsstelle bedeuten, dass sie einen vermutlich zu bezahlenden Rechtsanwalt oder einen ehrenamtlich tätigen (pensionierten) Richter, höheren Verwaltungsbeamten, Hochschullehrer, Staatsanwalt oder ähnliches haben muss, der die zu gebenden Antworten vorher überprüft. Die Anerkennung gemäß § 75 SGB VIII zu bekommen, ist einfach und hängt nicht davon ab, dass einschlägige Rechtskenntnisse nachgewiesen werden. Natürlich braucht auch keine Behörde, die aufgrund der Nr. 1 derselben Vorschrift erlaubt Rechtsdienstleistungen erbringen darf, eine Kontrolle über sich ergehen zu lassen. Aber eine Behörde, Teil einer Kommune, ist eine andere Institution als ein freier Träger. Nicht nur, dass sie bei einer Haftung in anderer Weise einzustehen hat. Sie hat auch, wenn schon nicht immer ein Rechtsamt, so zumindest einen hauptamtlichen Juristen, der konsultiert werden kann. 130

Schließlich lasse ich den Berater noch einen freiberuflich tätigen Sozialarbeiter sein, der seine Haupteinnahmen beispielsweise durch Supervision erzielt, aber auch gegen Bezahlung Erziehungsberatung macht. Inwieweit die §§ 2, 5, 6 RDG eingreifen, lasse ich offen. Greifen sie nicht ein, kann er die gestellten Fragen legal nicht beantworten, egal, welche hervorragenden Rechtskenntnisse er besitzt. Jedenfalls kann er sich nicht gemäß § 10 RDG registrieren lassen, gleichgültig, ob er ein Diplom-, Bachelor- oder Masterstudium der Sozialen Arbeit oder der »Beratung und Vertretung im sozialen Recht« absolviert hat.

Zusammenfassung Die für die zahlreichen Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit einschlägigen Gesetze enthalten zahllose Vorschriften, die die Berücksichtigung rechtlicher Aspekte vorschreiben. Eine Sozialberatung ohne Rechtsberatung ist daher keine fachlichen Standards entsprechende Beratung. Inwieweit diese Rechtsberatung allerdings zulässig ist, ergibt sich aus dem neuen Rechtsdienstleistungsgesetz. Dieses schränkt die Befugnis zur Rechtsberatung für freie Träger und freiberuflich tätige Sozial-Agenten weiterhin ein.

Anmerkungen (1) Recht und Soziale Arbeit. Diskurse – Verhältnisse – Visionen. Festschrift zum 65. Geburtstag von Professor Simon Hundmeyer, Kronach/München u. a. (2) Recht und Soziale Arbeit. Grundlagen für eine rechtsgebundene sozialpädagogische Fachlichkeit, Weinheim & München. (3) Beratungsrecht. Ein Leitfaden für Beratung, Therapie und Krisenintervention, 2. Aufl., Frankfurt am Main. (4) Handbuch Sozialrechtsberatung, Baden-Baden. ◆

Selbstständige in der Sozialen Arbeit Grundlagen und Projekte Herausgegeben von Dr. Anne Klüser und Prof. Dr. Hugo Maier 2009, 263 S., brosch., 44,– €, ISBN 978-3-8329-4111-6 (Edition Sozialwirtschaft, Bd. 26) In vielen Feldern Sozialer Arbeit sind Selbstständige inzwischen etabliert und zu einer festen Größe avanciert. Sie setzen neue Standards, fordern die traditionellen Wohlfahrtsverbände heraus und bringen so Bewegung in die Soziale Arbeit. In diesem Buch werden Selbstständige in der Sozialen Arbeit erstmals als eine eigenständige, wenn auch heterogene Berufsgruppe hervorgehoben. Ein weiterer Teil des Werks widmet sich den Grundlagen der Entwicklung zu mehr Selbstständigkeit in der Sozialen Arbeit, der Rechtslage in der Europäischen Union, den nationalen rechtlichen und organisatorischen Bedingungen sowie der Aufarbeitung der neueren Phänomene in einem sozialarbeitswissenschaftlichen Reflexionsrahmen.

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Thema

Betreuung zwischen Hilfe und Eingriff Das Verhältnis von Betreuungs- und Sozialrecht ist gespannt ■ Rolf Marschner

Für die Praxis der Sozialen Arbeit sind das Betreuungs- und Sozialrecht zentrale Rechtsgebiete. Das Sozialrecht betrifft die gesamte Behindertenhilfe einschließlich der sozialrechtlichen Grundlagen der psychiatrischen Versorgung. Im Betreuungsrecht geht es um die im Einzelfall schwierige Abgrenzung zwischen Selbstbestimmung und Fremdbestimmung insbesondere bei psychisch kranken und seelisch behinderten Menschen. Die Bestellung eines rechtlichen Betreuers gegen den Willen des Betroffenen ist ein erheblicher Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht (BVerfG R&P 2009, 44). Das Verhältnis von Betreuungs- und Sozialrecht bedarf deshalb dringend einer Neubestimmung. Zwar wird seit Inkrafttreten des Betreuungsrechts über eine Weiterentwicklung des Betreuungsrechts von einer rechtlichen zu einer sozialen Fürsorge diskutiert. Der Gesetzgeber hat sich bisher nicht zu einer Strukturreform des Betreuungsrechts entschließen können.

Das Verhältnis von Betreuungsund Sozialrecht nach geltendem Recht

Dr. Rolf Marschner ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht. Zudem unterrichtet er als Lehrbeauftragter an der Fachhochschule München. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift »Recht und Psychiatrie« und Autor zahlreicher Publikationen zum Betreuungs- und Unterbringungsrecht. Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

Ziel des seit 1992 geltenden Betreuungsrechts war es unter anderem, den Möglichkeiten der Rehabilitation behinderter Menschen Rechnung zu tragen. Konkretisiert wird dieses Ziel vor allem durch die Regelung der einer Betreuung vorrangigen Hilfen in § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB. Damit wird der Vorrang der Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch festgeschrieben, bevor es zu einer Betreuerbestellung kommen darf. Der Gesetzgeber hatte erwogen, für Menschen mit körperlichen Behinderungen sowie leichten psychischen Krankheiten sowie geistigen oder seelischen Behinderungen eine erste Stufe der Betreuung vorzusehen und hierbei auf die gesetzliche Vertre-

tungsmacht des Betreuers und auf den Nachrang dieser Betreuung gegenüber anderen Hilfen zu verzichten. Das Vorhaben scheiterte wegen der Befürchtung, andere sozialrechtliche Hilfen könnten im Hinblick auf diese erste Stufe der Betreuung abgebaut werden. Die Betreuung sollte keine Sozialleistung werden, vielmehr sollten bestehende Leistungen des Sozialrechts für die Betroffenen erreichbar werden. Dieser Ansatz wird durch die Rechtsprechung bestätigt. So hat das Oberlandesgericht München die Betreuung zwar als eine in Form von Rechtsfürsorge gewährte soziale Leistung bezeichnet. Gleichzeitig hat es aber ausgeführt, eine Betreuung sei dann nicht erforderlich, wenn der Betroffene trotz bestehender psychischer Krankheit in der Lage ist, die im Sozialrecht verankerten sozialen Hilfen in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall darf ein Betreuer auch nicht auf Antrag des Betroffenen bestellt werden (OLG München FamRZ 2007, 743). Die im Rahmen der Vorbereitungen des Betreuungsrechts angestellten Überlegungen bekommen durch das Inkrafttreten der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen am 1. Januar 2009 eine erhebliche Brisanz. Zwar entspricht das Betreuungsrecht insoweit den Vorgaben der UN-Konvention, als wie dargelegt eine Betreuerbestellung nicht erforderlich ist, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen durch andere Hilfen ebenso gut besorgt werden können. Andererseits stehen ausreichende Unterstützungsmaßnahmen, die eine Betreuung überflüssig machen können, bisher nicht zur Verfügung (siehe Lachwitz BtPrax 2008, 143 ff.). Dies ist aber die zentrale Aufgabe des Sozialrechts.

Überschneidungen von Betreuungs- und Sozialrecht Strukturell bestehen bereits jetzt erhebliche Überschneidungen zwischen Betreuungsrecht und Sozialrecht. Dies betrifft 131

Thema vor allem den betroffenen Personenkreis und die Zielsetzung der Hilfen. In §§ 10 SGB I, 1896 Abs.1, 1901 Abs. 4 Satz 1 BGB werden sowohl der betroffene Personenkreis (Menschen mit körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung) als auch die Ziele von Rehabilitation und Betreuung, nämlich die Behinderung zu beseitigen, zu mindern oder zu bessern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, für Sozial- und Betreuungsrecht identisch beschrieben. Es geht daher einerseits um eine bessere Nutzung der jeweiligen Ressourcen des Betreuungsrechts und anderer Hilfesysteme (insbesondere der Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch), andererseits darum, für die betroffenen Menschen Lösungen zu finden, die weitgehend ohne Grundrechtseingriffe auskommen. Das von Crefeld bereits vor Inkrafttreten des Betreuungsrechts vorgelegte Orientierungsraster zur Untersuchung der Erforderlichkeit einer Betreuung würde bei konsequenter Beachtung bereits nach geltendem Recht zur Vermeidung nicht erforderlicher Be-

treuungen führen. Danach kommt die Lösung eines behinderungsbedingten Problems erst in letzter Konsequenz nach Ausschöpfung aller Bewältigungsmöglichkeiten des Betroffenen selbst sowie nach Ausschöpfung aller vorrangigen professionellen Hilfen durch Bestellung eines Betreuers in Betracht (Crefeld FuR 1990, 272). Der Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge hat in einer Handreichung eine Abgrenzung von rechtlicher Betreuung und Sozialleistungen versucht (Deutscher Verein 2007). Dies ist nur bedingt gelungen und in den Überschneidungsbereichen von rechtlicher und sozialer Betreuung auch schwierig. Veränderungen im Betreuungs- und Sozialrecht sowie im Hilfesystem beeinflussen die Erforderlichkeit der Betreuung und damit die Betreuungszahlen. Nach Einführung der Pauschalvergütung verweisen Berufsbetreuer zunehmend auf die Inanspruchnahme sozialer Hilfen. Andererseits führen die Vorschriften des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes über

die Zuzahlungen im Recht der Krankenversicherung, die Zuordnung von Menschen mit Behinderung zu den Leistungssystemen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II, der Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII sowie die Einführung des Persönlichen Budget im SGB IX häufig zu einer Überforderung der Betroffenen und erfordern die Bestellung eines rechtlichen Betreuers oder erhöhen den Zeitaufwand für die rechtlichen Betreuer. Die Abgrenzungsproblematik wird besonders deutlich bei der Diskussion um die Frage, ob die Budgetassistenz eine Aufgabe der rechtlichen oder sozialen Betreuung ist (Tänzer BtPrax 2008, 16 ff.). Umgekehrt könnten die Vorschriften über die Soziotherapie nach § 37a SGB V bei nicht restriktiver Auslegung bei psychisch kranken Menschen zur Vermeidung von Betreuungen führen. Nach § 37a Abs.1 Satz 2 SGB V umfasst die Soziotherapie die im Einzelfall erforderliche

Voraussetzungen der Betreuung (1) Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer. Den Antrag kann auch ein Geschäftsunfähiger stellen. Soweit der Volljährige auf Grund einer körperlichen Behinderung seine Angelegenheiten nicht besorgen kann, darf der Betreuer nur auf Antrag des Volljährigen bestellt werden, es sei denn, dass dieser seinen Willen nicht kundtun kann. (1a) Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden. (2) Ein Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1897 Abs. 3 bezeichneten Personen gehört, oder durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. (3) Als Aufgabenkreis kann auch die Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestimmt werden. (4) Die Entscheidung über den Fernmeldeverkehr des Betreuten und über die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten seiner Post werden vom Aufgabenkreis des Betreuers nur dann erfasst, wenn das Gericht dies ausdrükklich angeordnet hat.

Teilhabe behinderter Menschen

§1896 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

§ 10 des Sozialgesetzbuches I (Allgemeiner Teil)

132

Menschen, die körperlich, geistig oder seelisch behindert sind oder denen eine solche Behinderung droht, haben unabhängig von der Ursache der Behinderung zur Förderung ihrer Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe ein Recht auf Hilfe, die notwendig ist, um 1. die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, 2. Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug von Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern, 3. ihnen einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern, 4. ihre Entwicklung zu fördern und ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und eine möglichst selbstständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern sowie 5. Benachteiligungen auf Grund der Behinderung entgegenzuwirken.

Thema Koordinierung der verordneten Leistungen sowie Anleitung und Motivation zu deren Inanspruchnahme. Dies entspricht modernen Konzepten des Case Managements. Ebenso können Betreuungen durch die Weiterentwicklung von aufsuchenden Hilfen in der Psychiatrie (z. B. im Rahmen der ambulanten psychiatrischen Krankenpflege) vermieden werden. Diese Hilfen werden aber zu wenig angeboten, weil insbesondere die Krankenkassen als Leistungserbringer die Umsetzung der Hilfen erschweren. Die bisher praktisch zu wenig beachtete Vorschrift des § 16 Abs.2 Satz 2 Nr.3 SGB II ermöglicht die Gewährung von Leistungen der psychosozialen Betreuung durch die Leistungsträger nach dem SGB II.

Koordinations- und Kooperationsvorschriften im geltenden Recht Bestehende Koordinations- und Kooperationsmöglichkeiten zwischen Betreuungs- und Sozialrecht (z. B. §§ 60 SGB IX, 15 SGB X) werden nicht genutzt, weil sie nicht bekannt oder nicht effektiv sind: • So verpflichtet § 60 SGB IX Betreuer, die behinderten Menschen im Rahmen ihres Betreuungsauftrages einer gemeinsamen Servicestelle für Rehabilitation vorzustellen. Diese sinnvolle Vorschrift ist kaum bekannt. • Die gemeinsame Empfehlung »Frühzeitige Bedarfserkennung« ermöglicht die Einbeziehung der rechtlichen Betreuer in die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs. • Ebenso wenig wird von den Sozialleistungsträgern die Vorschrift des § 15 SGB X genutzt, bei dem Betreuungsgericht die Bestellung eines geeigneten Vertreters für das Verwaltungsverfahren zu beantragen. • Auch durch organisatorische Maßnahmen in der Behördenstruktur kann Betreuung vermieden werden. Ein Beispiel hierfür ist die Regionalisierung der Betreuungsstelle in München. Hierdurch können im Stadtteil die zur Verfügung stehenden Hilfen besser erschlossen werden. Bei freiwilligen Betreuungen dürfte bei Ausschöpfung bestehender sozialer Rechte eine Betreuung immer vermeidbar sein. Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

Vorbild Kinder- und Jugendhilferecht Das Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII) kann als gelungenes Vorbild für die Integration von Familien- und Sozialrecht bzw. von Hilfen und Grundrechtseingriffen angesehen werden. Der den Gerichten obliegende Grundrechtseingriff steht dabei im Regelfall erst am Ende eines (gescheiterten) Hilfeprozesses. Das Jugendamt ist nach dem SGB VIII Sozialleistungsträger und hat andere Aufgaben der Jugendhilfe wahrzunehmen (z. B. die Mitwirkung im gerichtlichen Verfahren). Grundrechtseingriffe dagegen sind weiterhin im BGB geregelt (§§ 1631b, 1666 BGB). In § 1666a BGB ist der Vorrang öffentlicher Hilfen geregelt, bevor es zu einem Grundrechtseingriff kommt. Erst wenn es zur Abwendung einer Gefährdung des Kindswohls erforderlich ist, hat das Jugendamt das Gericht anzurufen (§ 8 Abs.3 SGBVIII).

Verbesserung der Koordination und Kooperation Bereits durch geringfügige gesetzliche Änderungen könnte die Koordination und Kooperation zwischen Betreuungsbehörden und Sozialleistungsträgern verbessert werden. Dies kann beispielsweise durch die Übertragung des Rechts auf die Betreuungsbehörde geschehen, zur Vermeidung einer Betreuung für den Betroffenen soziale Rechte nach dem SGB (und ggf. andere Rechte außerhalb des Sozial-

rechts) geltend zu machen und durchzusetzen. Als gesetzliche Änderungen kommen in Betracht: • die obligatorische Einholung eines Sozialberichts der Betreuungsbehörde • die Einführung eines Hilfeplans vor Betreuerbestellung • die Regelung der verbindlichen Zusammenarbeit der Betreuungsbehörde mit den Servicestellen für Rehabilitation und den Sozialleistungsträgern • die Einführung eines Antragrechtes der Betreuungsbehörde zur Geltendmachung sozialer Rechte. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass nach § 9 Abs.4 SGB IX Leistungen zur Teilhabe der Zustimmung des Leistungsberechtigten bedürfen. Der vorgeschlagene Weg ist daher nur vertretbar, soweit die betroffene Person nicht widerspricht (siehe § 1901 Abs. 3 BGB). Die Rechte der Betreuungsbehörde können nicht weitergehen als die Rechte des Betreuers. Weiterhin sind datenschutzrechtliche Probleme zu berücksichtigen. Eine verbesserte Koordination und Kooperation mit dem Sozialrecht (und gegebenenfalls anderen Hilfesystemen) lässt sich außerdem gut mit dem im Rahmen der Diskussion um die Strukturreform des Betreuungsrechts so bezeichneten Modell I (Betreuungsbehörde als Eingangsinstanz) verbinden. Danach kann der Antrag auf Bestellung eines Betreuers in der Regel nur durch die Betreuungsbehörde gestellt werden. Allerdings würde dies eine verbesserte personelle und finanzielle Ausstattung der Betreuungsbehörden erfordern, die die bisherigen Auf-

Was versteht man eigentlich unter rechtlicher Betreuung? Betreuung ist das durch das Betreuungsrecht geschaffene neue Rechtsinstitut, das an die Stelle der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige getreten ist. Betreuung ist ihrem Wesen nach Interessenwahrnehmung in Form der rechtlichen Vertretung für einen Volljährigen, der aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann (§ 1896 Abs. 1 S. 1 BGB). Betreuung setzt deren Erforderlichkeit voraus. Sie ist nicht erforderlich, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen ebenso gut durch andere Hilfen und Mittel besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB). Wer seinen Willen frei bestimmen kann, darf keinen rechtlichen Betreuer gegen seinen Willen erhalten (§ 1896 Abs. 1 a BGB). Die Zahl der Betreuungen hat sich seit dem Inkrafttreten des neuen Rechts 1992 etwa verdreifacht. Gegenwärtig werden rund 1,2 Millionen Menschen rechtlich betreut. Manfred Wienand/Monika Wienand Quelle: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. (Hg.): Fachlexikon der sozialen Arbeit. 6. Auflage. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2007. 1.195 Seiten. 44,– Euro. ISBN 978-3-8329-1825-5. Seite 126 f.

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Thema gaben nach dem Betreuungsbehördengesetz nur unzureichend wahrnehmen konnten oder von den Betreuungsgerichten nicht im Rahmen der Sachaufklärung beteiligt wurden. Der Antrag der Betreuungsbehörde auf Bestellung eines Betreuers an das Betreuungsgericht wäre dann im Regelfall erst dann zu stellen, wenn die in einem Hilfeplan der Betreuungsbehörde festgeschriebenen vorrangigen Hilfen nicht zum Erfolg führen.

durch Einführung aufsuchender Hilfen, Bestellung eines Beistandes oder Case Managers sowie die Gewährung von Assistenzleistungen. Außerdem sollte die immer noch bestehende Benachteiligung insbesondere psychisch kranker Menschen im Sozialrecht beseitigt werden, soweit sie sozialhilfefinanzierte Leistungen (z. B. im Betreuten Wohnen) in Anspruch nehmen und hierfür ihr Einkommen und Vermögen einsetzen müssen.

Christiane Weber

Stiftungen als Rechts- und Ausdrucksform Bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland

Nomos

»Grundrechtseingriffe sollten erst am Ende stehen: wenn ein Hilfeprozess scheitert« Integration des Betreuungsrechts in das Sozialgesetzbuch Weitergehend ist daher zu überlegen, ob systemgerecht Aufgaben aus dem Betreuungsrecht auf das Sozialrecht übertragen werden können. Es bietet sich an, zumindest die freiwillige Betreuung aus dem Betreuungsrecht auszugliedern und in das Sozialrecht zu integrieren. Dies betrifft alle körperbehinderten Menschen sowie die geistig und seelisch behinderten Menschen, deren freie Willensbestimmung nicht aufgehoben ist (siehe § 1896 Abs.1a BGB). Zu denken wäre ferner an die Einführung einer Beistandschaft für behinderte Menschen als Leistung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach dem SGB IX sowie an eine Eingliederung des Betreuungsbehördengesetzes in das Sozialgesetzbuch als Kapitel des 1. Teils des SGB IX. Die Schaffung eines eigenständigen »Altenhilferechts« (Schulte) oder besser »Betreuungshilferechts« (Pitschas) als Teil des Sozialgesetzbuches ist aber nur dann sinnvoll, wenn die zu gewährenden Hilfen über die nach geltendem Recht bestehenden Hilfen, insbesondere die Altenhilfe nach § 71 SGB XII, die Hilfen zur Pflege nach dem SGB XI und §§ 61ff. SGB XII sowie die Hilfen zur Rehabilitation und Teilhabe nach dem SGB IX hinausgehen. Dies erfordert den Ausbau der Hilfen für geistig und seelisch behinderte sowie alte Menschen, beispielsweise 134

Eine derartige Aufgabenverlagerung würde dann zu einer Entlastung der Betreuungsstrukturen führen. Die Betreuungsgerichte könnten sich stärker auf die grundrechtsrelevanten Aufgaben konzentrieren. Außerdem entspricht die Aufgabenverlagerung den Vorgaben der UNKonvention. ◆

Literatur Crefeld W., Der Sachverständige im Betreuungswesen, in: FuR 1990, 281. Deutscher Verein, Abgrenzung von rechtlicher Betreuung und Sozialleistungen, Eigenverlag 2007. Lachwitz K., Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung, in: BtPrax 1998, 143.

Stiftungen als Rechts- und Ausdrucksform Bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland Von Christiane Weber 2009, 239 S., brosch., 54,– €, ISBN 978-3-8329-3866-6 Stiftungen gründen auf einer uralten Tradition. Heute erleben sie als ein einzigartiges Instrument Bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland eine Renaissance. Der Gesetzgeber fördert mit den jüngsten Reformen des Stiftungsund Gemeinnützigkeitsrechts diese Entwicklung. Die Autorin diskutiert kritisch Begriff und Merkmale Bürgerschaftlichen Engagements, klärt Begriff und Wesen der Stiftung und gibt einen eingehenden historischen Rückblick. Rechtsformen und Voraussetzungen privatrechtlicher Stiftungen werden ausführlich dargestellt. Der Einordnung in eine Stiftungstypologie folgt die Auseinandersetzung mit der Bürgerstiftung als einer beliebten Form der Gemeinschaftsstiftung.

Pitschas R., Gesetzliche Betreuung im Wandel, in: Betrifft Betreuung 7 (2004) S. 132. Schulte B., Die sozialstaatliche Umsetzung des Betreuungsrechts, in: R&P 1991, 162. Schulte B., Betreuung: Rechtsfürsorge im Sozialstaat, in: BtPrax 2005, 10. Tänzer J., Budgetassistenz und rechtliche Betreuung, in: BtPrax 2008, 16.

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Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung Unbestimmte Rechtsbegriffe verlangen sozialarbeiterische Kompetenz ■ Brigitta Goldberg Sozialarbeiter haben im Hinblick auf den Schutz von Kindern vor Gefahren vielfältige Aufgaben. Sie reichen von der Abschätzung des Gefährdungsrisikos über das Angebot von Hilfen für die Familien bis hin zur Einschaltung des Familiengerichts, wenn die Eltern bei der Gefahrenabwendung nicht kooperieren wollen. Dabei müssen die Sozialarbeiter das jeweils zugrunde liegende Recht anwenden, das mit den sehr unbestimmten Rechtsbegriffen »Kindeswohl« und »Kindeswohlgefährdung« arbeitet, die von den Sozialarbeitern ausgelegt und konkretisiert werden müssen. In diesem Zusammenhang wird deutlich, über welche Kompetenzen Sozialarbeiter verfügen und dass das Recht in der Sozialarbeitswissenschaft mehr ist als eine bloße »Bezugswissenschaft«.

Prof. Dr. Brigitta Goldberg ist Professorin für Jugendhilferecht, (Jugend-)Strafrecht und Kriminologie an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum. E-Mail [email protected] Internet www.brigitta-goldberg.de Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

Recht und Soziale Arbeit – gehören diese Disziplinen zusammen? Oder stehen Sie in einem Spannungsverhältnis? (1) Ist das Recht eine bloße Bezugswissenschaft der Sozialen Arbeit oder ist das Recht ein Teil der Sozialarbeitswissenschaft? Im Klappentext zu Burghardts »Recht und Soziale Arbeit« (2001) heißt es: »Recht wirkt auf viele Lehrende und Lernende wie ein Fremdkörper in der Ausbildung zur Sozialen Arbeit.« (2) Bei näherer Betrachtung aber wird deutlich, dass Recht und Soziale Arbeit durchaus etwas (oder sogar viel) miteinander zu tun haben. Das Recht setzt beispielsweise die Rahmenbedingungen und bildet die Grundlagen für viele Bereiche Sozialer Arbeit. Damit könnte das Recht aber immer noch eine bloße Bezugswissenschaft darstellen – eine Wissenschaft, deren Erkenntnisse herangezogen werden, um gute Soziale Arbeit zu leisten, die aber von Erkenntnissen aus der Theorie und Praxis Sozialer Arbeit unbeeinflusst bleibt. Zumindest in manchen Gebieten des Rechts gibt es jedoch stärkere Verknüpfungen mit der Sozialen Arbeit. Hier han-

delt es sich um Rechtsbereiche, in denen es zentral um Menschen geht, die gleichzeitig Klienten (3) Sozialer Arbeit und Bezugspunkt gerichtlicher Entscheidungen sind, beispielsweise Kinder in sorgerechtlichen Fällen. Das Recht arbeitet in solchen Bereichen mit unbestimmten Rechtsbegriffen, mit Begriffen, die ausgelegt und konkretisiert werden müssen. Bei dieser Konkretisierung ist sozialarbeiterische Kompetenz gefragt (vgl. Fieseler 2004, 6), so dass die Sozialarbeitswissenschaft an der Anwendungspraxis und Entwicklung der Begriffe beteiligt ist. Der vorliegende Beitrag zeigt dies an den Begriffen »Kindeswohl« und »Kindeswohlgefährdung«.

Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung im Jugendhilfe- und Familienrecht Die Begriffe Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung stammen aus den Bereichen des Familienrechts (genauer des Sorgerechts) und des Kinder- und Jugendhilferechts. Sie kommen unter anderem in den folgenden drei Paragrafen vor: • § 8a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII (4): Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte abzuschätzen. (…) • § 27 Abs. 1 SGB VIII: Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. • § 1666 Abs. 1 BGB (5): Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes (…) gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der 135

Thema Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind. Für das Verständnis der Begrifflichkeiten sowie deren Bedeutung in der Praxis sollen zunächst die Zusammenhänge zwischen diesen Paragrafen aufgezeigt werden. Hierbei werden die Abläufe etwas vereinfacht dargestellt, ohne auf umstrittene Fragen oder komplexere Fallgestaltungen näher einzugehen (vgl. dazu auch die Abbildung unten).

Abläufe in Kindesschutzverfahren Wenn im Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen (6) bekannt werden, hat es nach § 8a Abs. 1 SGB VIII das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. § 8a enthält weitere Vorgaben, wie diese Abschätzung zu erfolgen hat, nämlich »im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte« sowie regelmäßig unter Einbeziehung der Personensorgeberechtigten und des Kindes. (7) Das Jugendamt muss aufgrund dieser Einschätzung zu einer Diagnose hinsichtlich des Kindeswohls

kommen und auch eine Prognose zum weiteren Verlauf erstellen. Wenn aufgrund dieser Diagnose deutlich geworden ist, dass »eine dem Wohl des Kindes (…) entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist« (§ 27 Abs. 1 SGB VIII), hat das Jugendamt den Personensorgeberechtigten Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII anzubieten. Solche Hilfen reichen von der Erziehungsberatung über Sozialpädagogische Familienhilfen und Tagesgruppen bis hin zu stationären Hilfen wie der Vollzeitpflege oder der Heimerziehung. Die »Nichtgewährleistung des Kindeswohls« ist eine niedrigere Schwelle als die »Kindeswohlgefährdung« (Münder u. a. FK-SGB VIII, § 27 Rn 6), sie zeigt lediglich eine nicht ganz ausreichende Erziehung, Pflege oder Versorgung des Kindes, aber eben keine ernsteren oder schwerwiegenderen Gefährdungen oder Schädigungen auf. Die Hilfen zur Erziehung sind Sozialleistungen, die von den Personensorgeberechtigten freiwillig in Anspruch genommen oder eben auch abgelehnt werden können. Wenn sie angenommen werden, sollte zukünftig die Erziehung zum Wohl des Kindes verlaufen (in der Abbildung ☺). Wenn die Hilfen jedoch abgelehnt werden, ist es zwar

nicht optimal für das Kind (in der Abbildung ), aber das Jugendamt hat keine Möglichkeit, diese Hilfen gegen den Willen der Eltern (denen nach Art. 6 Abs. 2 GG das Erziehungsprimat zusteht) durchzusetzen. (8) Anders sieht dies aus, wenn es sich nicht mehr nur um eine »Nichtgewährleistung des Kindeswohls« handelt, sondern um eine echte »Kindeswohlgefährdung«, wenn also die Fundamentalbedürfnisse des Kindes nicht gesichert sind (Coester 2008, 2; vgl. zur Auslegung dieses Begriffes ausführlich unten). Auch in solchen Fällen gibt § 8a Abs. 1 SGB VIII vor, dass den Eltern zunächst Hilfen, die zur Abwendung der Gefahr geeignet und notwendig sind, durch das Jugendamt angeboten werden. Als Hilfen kommen vor allem (aber nicht nur) erneut die Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII in Betracht (insbesondere die Sozialpädagogische Familienhilfe und die Vollzeitpflege oder Heimerziehung). Wenn die Eltern dieser Hilfe zustimmen, also unter Umständen auch der Fremdunterbringung ihres gefährdeten Kindes, dann sollte die Kindeswohlgefährdung dadurch abgewendet werden. Lehnen die Eltern die Hilfe jedoch ab, ist das Jugendamt verpflichtet, das Familien-

Die Abläufe in Kinderschutzverfahren richten sich im wesentlichen nach den Einschätzungen der Fachkräfte des Jugendamtes: von Anhaltspunkten über die Nichtgewährleistung bis zur Gefährdung des Kindeswohls. 136

Thema gericht einzuschalten (§ 8a Abs. 3 SGB VIII), das dann nach § 1666 Abs. 1 BGB prüft, inwiefern eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, ob die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden und welche Maßnahmen ergriffen werden können. In den meisten Fällen sollte das Familiengericht hier eine Entscheidung treffen, durch die die zuvor vom Jugendamt ins Auge gefasste Hilfe gegen den elterlichen Willen ermöglicht wird. (9) Dies kann eine Anordnung an die Eltern sein, die Hilfe anzunehmen, es kann aber auch die teilweise oder vollständige Entziehung des (Personen-) Sorgerechts sein, das dann einem Ergänzungspfleger oder Vormund (häufig dem Jugendamt als Amtspfleger oder Amtsvormund [10]) übertragen wird (der dann anstelle der Eltern die Hilfe zur Erziehung annimmt). In Fällen akuter (dringender) Gefahren für das Kindeswohl hat das Jugendamt darüber hinaus noch die Möglichkeit der Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII, also zur zeitlich begrenzten Krisenintervention, worauf hier aus Platzgründen jedoch nicht näher eingegangen werden kann.

Verantwortungsgemeinschaft von Jugendamt und Familiengericht Jugendamt und Familiengericht sind in Kindesschutzverfahren stark aufeinander angewiesen. Wiesner (2003, 127) stellt dazu fest: »Das Jugendamt braucht das Gericht, weil es sich ohne gerichtliche Intervention an seinem Kindesschutzauftrag gehindert sieht. Das Gericht braucht das Jugendamt, und zwar als Initiator des Verfahrens, als Instanz, die die Notwendigkeit des Eingriffs vorträgt, und nicht zuletzt als Instanz, die die den Eltern entzogenen Befugnisse als Vormund oder Pfleger übernimmt.« Dabei haben beide Institutionen – Jugendamt und Familiengericht – verschiedene Aufgaben, Kompetenzen und Rollen, die sie in einer »Verantwortungsgemeinschaft« ausüben sollen (vgl. zu dieser Meysen 2008a, 242; Nothhafft 2008, 614, 616; Wiesner 2008, 145). Das Jugendamt hat die Aufgabe, in einem partizipativen Klärungs- und Entscheidungsprozess ein Hilfekonzept zu entwickeln und geeignete und erforderliche Leistungen in den Familien zu installieren, das Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

Familiengericht hingegen kann die sorgerechtlichen Beziehungen in den Familien gestalten (vgl. Nothhafft 2008, 615; Wiesner-Wiesner § 27 SGB VIII Rn 22; Münder u. a. FK-SGB VIII § 36 Rn 22 ff.; zu den Aufgaben von Jugendamt und Justiz vgl. auch Fieseler GK-SGB VIII § 8a Rn 44 ff.). Zur Erfüllung dieser Aufgabe müssen sich die Sozialarbeiter (11) im Jugendamt zunächst mit den konkreten Lebensbedingungen in den Familien befassen, sie müssen die entwicklungspsychologischen Bedürfnisse der Kinder einschätzen und sie müssen die vorhandenen Fähigkeiten und Kompetenzen der Eltern sowie deren Bereitschaft zur Annahme und Umsetzung der Hilfsangebote beurteilen. Dafür sind umfassende Fachkenntnisse in verschiedenen Bereichen erforderlich, die im Sinne einer Sozialarbeitswissenschaft miteinander zu verknüpfen sind. Die Familienrichter hingegen haben weder die zeitlichen und organisatorischen Ressourcen, noch die fachlichen Kenntnisse, um gemeinsam mit den Eltern Hilfe- und Schutzkonzepte zu erarbeiten (Nothhafft 2008, 616). Die Probleme in dem beschriebenen Prozess zwischen Jugendamt und Familiengericht können im Einzelfall sehr unterschiedlich sein, häufig werden sie jedoch drei Fragen betreffen: • erstens den Zeitpunkt der Anrufung des Familiengerichts (12) • zweitens die Beurteilung der Gefährdungslage und • drittens die Entscheidung über die notwendigen Maßnahmen. In allen drei Fragen stehen die gesetzlichen Rahmenbedingungen fest, in der Anwendung der Regelungen ist allerdings die sozialarbeiterische Fachkompetenz gefragt, was hinsichtlich der zweiten Frage hier näher aufgezeigt werden soll.

Auslegung des Begriffs der Kindeswohlgefährdung Die Beurteilung der Gefährdungslage betrifft die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Kindeswohlgefährdung in § 1666 Abs. 1 BGB (zum Gesetzestext vgl. oben). Eine Kindeswohlgefährdung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes »eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, daß sich bei der wei-

teren Entwicklung des Kindes eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt« (BGH FamRZ 1956, 350) (13). Aus dieser Umschreibung lassen sich drei Elemente herauslesen: • die Erheblichkeit der Gefährdung, also die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Schädigung – weniger gravierende Einschränkungen werden als Schicksal angesehen und müssen hingenommen werden (14) • die zeitliche Nähe des Schadenseintritts und • die verdichtete Kausalität, dass die Schädigung nicht nur denkbar, sondern konkret voraussehbar ist (Coester 2008, 2 f.). Hinsichtlich der Erheblichkeit der Gefährdung ist die Abgrenzung zwischen suboptimalen, aber noch hinzunehmenden Lebensumständen und unvertretbar schwerwiegenden Schädigungen, die den staatlichen Eingriff legitimieren, immer eine schwierige Einzelfallentscheidung, bei der auch Änderungen der gesellschaftlichen Normen und Werte eine Rolle spielen (Coester 2008, 4 f.). (15) Schone (2007, 37) fragt in diesem Zusammenhang: »Wo schlägt überstrenges Erziehungsverhalten in körperliche und seelische Misshandlung um, wo wird eine sehr ärmliche Versorgung in materieller und emotionaler Hinsicht zur Vernachlässigung?« Dabei darf nicht aus den Augen verloren werden, dass das zentrale Anliegen des § 1666 BGB der Schutz der gefährdeten Kinder ist, nicht der Schutz der Eltern, denen das vorrangige Erziehungsrecht zusteht. Es muss also kein Blut unter der Tür durchfließen, bevor eingeschritten werden darf (vgl. Coester 2008, 3). In der Praxis der Sozialen Arbeit wird derzeit viel an der Entwicklung von Abschätzungsbögen gearbeitet, die die Abwägung des Gefährdungsgrades erleichtern sollen. Problematisch hierbei ist, dass es bislang keinen hinreichend evaluierten Katalog gibt, der mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu einer zutreffenden Gefährdungsabschätzung beitragen kann (Kindler/Lillig 2006, 87). In diesen Katalogen werden verschiedene Dimensionen erfasst, aus denen auf das Ausmaß der Gefahr zu schließen sein soll. Nothhafft (2008, 616) unterscheidet zwischen fünf Dimensionen: • »kindliche, altersabhängige Bedürfnisse (körperliches, geistiges und seelisches Wohl) 137

Thema Literatur Arbeitsgruppe »Familiengerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls«: Abschlussbericht vom 17. November 2006. Internet http://www.bmj.bund.de/files/-/1515/Abschlussbericht%20Kindeswohl.pdf (5.11.2007). Burghardt, Heinz: Recht und Soziale Arbeit. Grundlagen für eine rechtsgebundene sozialpädagogische Fachlichkeit. Weinheim/München: Juventa 2001. Coester, Michael: Inhalt und Funktionen des Begriffs der Kindeswohlgefährdung – Erfordernis einer Neudefinition? In: JAmt 2008, 1–9. Falterbaum, Johannes: Rechtliche Grundlagen Sozialer Arbeit. Eine praxisorientierte Einführung. Stuttgart: Kohlhammer 2003 (inzwischen in 2. Aufl. 2007 erschienen; eine 3. Aufl. ist für 2009 geplant). Fieseler, Gerhard: Recht und Soziale Arbeit – Eine Grundlegung. In: SozialExtra, Heft 11/2004, S. 6–17. Fieseler, Gerhard/Schleicher, Hans/Busch, Manfred: Kinderund Jugendhilferecht. Gemeinschaftskommentar zum SGB VIII (GK-SGB VIII). Loseblatt-Ausgabe. Neuwied, Kriftel: Luchterhand 2008 (zitiert Bearbeiter GK-SGB VIII § Rn). Hildebrandt, Johannes: »… in der Hoffnung, dass Sie nicht das Jugendamt alarmieren!« Anmerkungen zur Balance zwischen Dienstleistungs- und Schutzauftrag des Jugendamts im Kontext des neu gefassten § 1666 BGB. In: ZKJ 2008, 396– 404. Kindler, Heinz/Lillig, Susanna: Der Schutzauftrag der Jugendhilfe unter besonderer Berücksichtigung von Gegenstand und Verfahren zur Risikoeinschätzung. In: Jordan, Erwin (Hg.): Kindeswohlgefährdung. Weinheim: Juventa 2006, 85–109. Meysen, Thomas: Das Recht zum Schutz von Kindern. In: Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. (Hg.): Vernachlässigte Kinder besser schützen. Sozialpädagogisches Handeln bei Kindeswohl. München/Basel: Ernst Reinhardt 2008, 15–55. Meysen, Thomas: Familiengerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls. Geändertes Recht ab Sommer 2008. In: JAmt 2008a, 233–242. Mörsberger, Thomas: Schutzauftrag gem. § 8a SGB VIII als »Dienst nach Vorschrift«? In: JAmt 2008, 341–347. Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Band 8: Familienrecht II, §§ 1589–192, SGB VIII. 5. Aufl. München: Beck 2008 (zitiert MüKo-Bearbeiter § Rn). Münder, Johannes/Baltz, Jochem/Kreft, Dieter u. a.: Frankfurter Kommentar zum SGB VIII: Kinder- und Jugendhilfe. 5. Aufl. Weinheim/München: Juventa 2006 (zitiert Münder u. a. FK-SGB VIII § Rn). Nothhafft, Susanne: Verantwortungsgemeinschaft zwischen Familiengerichten und Trägern der öffentlichen Jugendhilfe in kindschaftsrechtlichen Verfahren. Ein Spannungsfeld zwischen »Steuerungsverantwortung der Jugendämter« und »Hilfeplanung durch Familiengerichte«. In: FPR 2008, 613–616.

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Palandt: Bürgerliches Gesetzbuch. 68. Aufl. München: Beck 2009 (zitiert Palandt-Bearbeiter § Rn). Prestien, Hans-Christian: Wirksamer Kinderschutz. Eine Utopie? In: ZKJ 2008, 59–63. Rosenboom, Esther: Die familiengerichtliche Praxis in Hamburg bei Gefährdung des Kindeswohls durch Gewalt und Vernachlässigung nach §§ 1666, 1666a BGB. Bielefeld: Verlag Ernst und Werner Gieseking 2006. Rosenboom, Esther: Kindeswohlgefährdung – eine Untersuchung der familiengerichtlichen Praxis in Hamburg. In: ZKJ 2007, 55–57. Salgo, Ludwig: § 8a SGB VIII. Anmerkungen und Überlegungen zur Vorgeschichte und zu den Konsequenzen der Gesetzesänderung. Teil 1 und Teil 2. In: ZKJ 2006, 531–535 und 2007, 12–16 [auch im Internet verfügbar unter http://www.agsp.de/html/a81.html (9.2.2007)]. Schone, Reinhold: Zu den Herausforderungen bei der Umsetzung des § 8a Abs. 2 SGB VIII. In: KJuG 2007, 36–41. Schulz, Werner/Hauß, Jörn (Hg.): Familienrecht. Handkommentar. Baden-Baden: Nomos 2008 (zitiert HK-FamR/Bearbeiter § Rn). Schulze, Heike: Familienrichter zwischen Entscheidungszentrierung und Kindperspektive. In: ZKJ 2006, 538–541. Schulze, Heike: Handeln im Konflikt. Eine qualitativ-empirische Studie zu Kindesinteressen und professionellem Handeln in Familiengericht und Jugendhilfe. Würzburg: Ergon 2007. Staudinger, Julius von: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen. Buch 4 Familienrecht §§ 1638–1683 (Elterliche Sorge 2 – Vermögenssorge, Kindesschutz, Sorgerechtswechsel). Neubearbeitung. Berlin: Sellier – de Gruyter 2004 (zitiert Staudinger-Bearbeiter § Rn). Tenhaken, Beate: Das Spannungsfeld des Jugendamtes in gerichtlichen Verfahren gemäß § 1666. In: Jugendhilfe aktuell 3/2007, 27-36 [auch im Internet verfügbar unter http://www.lwl.org/lja-download/datei-download2/LJA/Service/jhaktuell/0703/1192115157_3/0703_Jugendhilfe-aktuell.pdf (5.11.2007)]. Wiesner, Reinhard: Kinderschutz aus der Sicht der Jugendhilfe. In: ZKJ 2008, 143–147. Wiesner, Reinhard: Zur gemeinsamen Verantwortung von Jugendamt und Familiengericht für die Sicherung des Kindeswohls. In: ZfJ 2003, 121–129. Wiesner, Reinhard (Hg.): SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe. Kommentar. 3. Aufl. München: Beck 2006 (zitiert WiesnerBearbeiter § Rn). Willutzki, Siegfried: Kinderschutz aus Sicht des Familiengerichts. Zu den Reformplänen des Gesetzgebers. In: ZKJ 2008, 139–143.

Thema • Tun oder Unterlassen der Eltern oder Dritter • zeitweilige oder dauerhafte Belastungen und Risikofaktoren • zeitweilig oder dauerhaft vorhandene Ressourcen und Schutzfaktoren • Folgen bzw. erwartbare Folgen für die kindliche Entwicklung.« Aufgrund ihres interdisziplinären Studiums und ihrer intensiven Erfahrungen mit den Familien (die sie vor der Einschaltung des Familiengerichtes häufig schon durch jahrelange Kontakte und eine Vielzahl von Hausbesuchen kennen [16]) können Sozialarbeiter am ehesten alle diese Bereiche einschätzen, so dass

sche Diagnosen aufstellen, sondern bei der Einschätzung des Gefährdungsrisikos Fachleute hinzuziehen, die eben diese Diagnosen fachgerecht stellen können. Die die Fälle fachgerecht und ehrlich mit ihren Kollegen besprechen, aber auch den Gerichten schildern, indem sie sie weder positiv noch negativ selektierend darstellen und dabei nicht subjektive Beurteilungen oder Schlussfolgerungen vortragen, sondern möglichst objektive Beobachtungen. Damit Sozialarbeiter diesen Anforderungen gerecht werden können, müssen sie gut ausgebildet sein und (durch entsprechende Fort- und Weiterbildungen)

»Für die Beurteilung juristischer Unterschiede wie ›Nichtgewährleistung des Kindeswohls‹ und ›Kindeswohlgefährdung‹ brauchen Sozialarbeiter umfassende Rechtskompetenzen« das Jugendamt zu Recht im Verfahren vor den Familiengerichten als sachverständige Behörde angehört werden muss (§ 49a Abs. 1 Nr. 8 FGG (17); vgl. auch HK-FamR/Schmid § 1666 BGB Rn 31 und MüKo-Olzen § 1666 BGB Rn 209). (18) Hildebrandt (2008, 401) konstatiert eine »erhebliche Deutungshoheit« der Sozialarbeiter hinsichtlich der Zusammenhänge in den Familien, so dass das Jugendamt dem Familiengericht »haushoch überlegen« sei. (19) Dies trifft jedoch nur auf Sozialarbeiter zu, die ihre Wissenschaft beherrschen, die ihre Fähigkeiten, aber auch ihre Grenzen kennen. (20) Die bei der Sachverhaltsermittlung versuchen, die Zustände, Zusammenhänge und Lebensbedingungen in der Familie möglichst objektiv wahrzunehmen (21) und trotz Wertschätzung und Empathie für die Klienten deren Auskünfte auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu untersuchen. Die sich nicht als kleine Psychologen oder Mediziner aufspielen und selbst psychologische oder mediziniBlätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

bleiben. Sie müssen aber auch die entsprechenden institutionellen Rahmenbedingungen vorfinden, also angemessene Fallzahlen, Möglichkeiten zur Supervision usw.

Fazit Sozialarbeiter sind in Kindeswohlfällen mehr als Ermittlungsgehilfen der Richter; es kommt ihnen eine eigenständige und wichtige Rolle in solchen Verfahren zu. Sie können den Begriff der Kindeswohlgefährdung durch ihre interdisziplinäre Ausrichtung besser konkretisieren als Richter, denen häufig die entsprechende Ausbildung dazu fehlt. Wenn Sozialarbeiter in ihrem Studium das Recht als bloße Bezugswissenschaft kennen lernen, dann verkennen sie ihre Möglichkeiten, in der Berufspraxis auf das Verständnis dieses Begriffes und damit auch auf die Entwicklung des Begriffes (22) einzuwirken.

Anmerkungen (1) So überschreibt Falterbaum zumindest das erste Kapitel seines Lehrbuches »Rechtliche Grundlagen Sozialer Arbeit« (2003). (2) Dies ist freilich nur der Ausgangspunkt von Burghardts Ausführungen, nicht aber dessen Fazit. (3) Aus Gründen der Lesbarkeit wird in diesem Text die männliche Form verwendet. (4) Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (VIII) Kinder- und Jugendhilfe. (5) Bürgerliches Gesetzbuch. (6) In der Folge wird aus Gründen der Vereinfachung nur noch von Kindern gesprochen, die auch die Altersgruppe der Jugendlichen umfassen soll. (7) Zu den Einzelheiten des Vorgehens im Rahmen des § 8a Abs. 1 SGB VIII vgl. Münder u. a. FK-SGB VIII § 8a Rn 9; Meysen 2008, 22 ff.; Salgo 2006 und 2007. (8) Allerdings wird das Jugendamt in diesen Fällen die Familie weiterhin im Auge behalten, um abzuschätzen, ob es bei der »Nichtgewährleistung des Kindeswohls« bleibt oder ob die Probleme in eine »Kindeswohlgefährdung« umschlagen. Vgl. dazu auch die Fußnote 14. (9) Dem Jugendamt obliegt in diesen Fällen die »Steuerungsverantwortung« für die Hilfen (§ 36a SGB VIII), d. h. dass das Familiengericht zwar eine Befugnis hat, den Familien die Inanspruchnahme einer Hilfe zur Erziehung anzuordnen, aber es besitzt nicht die Berechtigung, dem Jugendamt die Kostenübernahme für die angeordnete Hilfe vorzuschreiben. (10) Dass das Jugendamt in den meisten Fällen zum Vormund oder Pfleger bestellt wird, erfolgt eigentlich gegen das Gesetz (Hildebrandt 2008, 403; PalandtDiederichsen § 1791b BGB, Rn 1), nach dem das Jugendamt nur ausnahmsweise bestellt werden darf, wenn eine als ehrenamtlicher Vormund geeignete Person nicht vorhanden ist (§ 1791b Abs. 1 BGB), wobei das Jugendamt solche Personen dem Vormundschaftsgericht vorzuschlagen hat (§ 53 Abs. 1 SGB VIII). (11) Aus Gründen der Lesbarkeit wird in diesem Text immer von Sozialarbeitern gesprochen – davon umfasst sind selbstverständlich die Sozialpädagogen. (12) Hier gibt es in der Praxis Kritik von beiden Seiten: Jugendämter beklagen sich über vergebliche Anläufe beim Fami139

Thema liengericht, Familienrichter über zu späte Anrufungen durch die Jugendämter (Wiesner 2008, 145). Beide Varianten sind für den Kindesschutz ungünstig, da eine zu frühe Einschaltung des Familiengerichts die weitere Kooperation des Jugendamtes mit der Familie erschwert, während bei einer zu späten Anrufung die Hilfen in der Familie zu spät greifen (vgl. Wiesner a. a. O., Willutzki 2008, 140; Prestien 2008, 61). Zudem gibt es in der Praxis der Familiengerichte auch sehr unterschiedliche Vorstellungen über den »richtigen« Zeitpunkt der Anrufung. Manche Familienrichter wünschen eine möglichst frühzeitige Einschaltung, damit sie ohne einen völligen oder teilweisen Entzug des Sorgerechts lenkend eingreifen können, andere verlangen vom Jugendamt die vorherige Ausschöpfung aller Möglichkeiten, so dass das Familiengericht erst eingeschaltet wird, wenn der Sorgerechtsentzug als letztes Mittel ansteht (Willutzki a. a. O.; Prestien a. a. O.). (13) Rechtschreibung wie im Original. (14) Hinnehmen bedeutet gleichwohl nicht, dass gar nichts unternommen wird, denn den Eltern werden in diesem Fall (wegen der Nichtgewährleistung des Kindeswohls) Hilfen zur Erziehung angeboten. Aber diese Hilfen können eben nicht gegen den Willen der Eltern zwangsweise durchgesetzt werden durch eine entsprechende Entscheidung gem. § 1666 BGB. Bei Ablehnung der Hilfen sollten die Familien durch das Jugendamt im Auge behalten werden, so dass beobachtet werden kann, ob es bei der Nichtgewährleistung des Kindeswohls bleibt oder ob diese in eine Kindeswohlgefährdung umschlägt. (15) So war früher ein »Klaps auf den Po« ein sozial übliches Erziehungsmittel, während es heute eine verbotene Gewaltanwendung gegenüber dem Kind ist (vgl. § 1631 Abs. 2 BGB) – anders. sieht es derzeit noch mit dem Rauchen in Gegenwart der Kinder aus, trotz fortschreitender Nikotinfeindlichkeit in der Öffentlichkeit (MüKo-Olzen § 1666 Rn 53). (16) Vgl. dazu Tenhaken (2007, 31), die eindrücklich beschreibt, welcher Prozess im Jugendamt meist abgelaufen ist, bevor das Familiengericht eingeschaltet wird. (17) Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ein Verfahrensgesetz, das u. a. für das Verfahren in Sorgerechtsstreitigkeiten vor dem Fa140

miliengericht spezielle Regelungen enthält. Am 1. September 2009 wird dieses Gesetz abgelöst durch das »Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)«, in diesem Gesetz wird die Anhörung des Jugendamtes in § 162 geregelt sein. (18) Abweichungen von Entscheidungsvorschlägen des Jugendamts müssen von den Gerichten regelmäßig begründet werden (Staudinger-Coester § 1666 BGB, Rn 219). (19) Diese Überlegenheit basiert darauf, dass seit 30 Jahren eine bessere Ausbildung für die Familienrichter gefordert wird, die kinderkundliche Wissenschaftsbereiche berücksichtigt (Prestien 2008, 61). Den derzeitigen Zustand an den Familiengerichten beschreiben auf der Grundlage empirischer Untersuchungen Rosenboom (2006 und 2007) sowie Schulze (2006 und 2007), wonach der »Zufall des Anfangsbuchstabens des Familiennamens, der den zuständigen Familienrichter bestimmt« darüber entscheidet, »ob das jeweilige Familiengericht sich auf die konkrete Situation eines Kindes einstellt, dieses als ein den Erwachsenen gleichwertiges Rechtssubjekt behandelt, Hinweise auf Gefährdungslagen in jeder denkbaren Form auch von Amts wegen aufgreift und zum Anlass aktiven Handeln nimmt« (Prestien 2008, 61). (20) In älteren empirischen Studien gab es Belege dafür, dass die Stellungnahmen in familiengerichtlichen Verfahren teilweise erhebliche Mängel aufwiesen (Wiesner-Mörsberger vor § 50 SGB VIII, Rn 9). Mörsberger (a.a. O.) weist zwar darauf hin, dass hier inzwischen Verbesserungen festzustellen sein dürften, dass aber bei Reduzierung von Fortbildungsangeboten durchaus Skepsis angebracht sei. Doch auch heute noch wird Kritik an der Arbeit der Jugendamtsmitarbeiter geübt (vgl. dazu Prestien 2008, 62 f. und Hildebrandt 2008, 398). (21) Zu den Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung vgl. Mörsberger 2008, 344. (22) Ein weiteres Beispiel für den Einfluss der Sozialen Arbeit auf das Recht ist die Änderung des § 1666 Abs. 1 BGB durch das »Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls«, das am 12. Juli 2008 in Kraft trat. Diese Änderungen erfolgte auf der Grundlage der Arbeit ei-

ner vom Bundesjustizministerium im Jahr 2006 eingesetzten Expertengruppe mit Fachleuten aus den Familiengerichten, der Kinder- und Jugendhilfe, der Wissenschaft und beteiligter Ministerien. Nach der alten Fassung des § 1666 Abs. 1 BGB musste ein Erziehungsversagen der Eltern nachgewiesen werden, damit das Familiengericht bei einer Kindeswohlgefährdung Maßnahmen ergreifen konnte. In der Jugendhilfe gab es die Erfahrung, dass der Vorwurf dieses elterlichen »Versagens« die Kooperationsbereitschaft der Eltern im weiteren Hilfeprozess beeinträchtigt (vgl. Arbeitsgruppe »Familiengerichtliche Maßnahmen« 2006, S. 28; Willutzki 2008, 140). Diese Erfahrung ging über die Expertengruppe in den Gesetzgebungsprozess ein, mit der Folge, dass das Tatbestandsmerkmal in der Neufassung des § 1666 Absatz 1 BGB gestrichen wurde. ◆

Unverzichtbare Informationsquelle

Fachlexikon der sozialen Arbeit Herausgegeben vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. 6. Auflage 2007, , 1.207 S., brosch., 44,– € (Vorzugspreis für Mitglieder des Deutschen Vereins und Studenten 34,– €), ISBN 978-3-8329-1825-5

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Thema

Das Sozialgesetzbuch von I und XII – Kommentare für Lehre und Praxis Utz Krahmer (Hg.): Sozialgesetzbuch I: Allgemeiner Teil. Lehr- und Praxiskommentar. 2. Auflage. Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG, Baden-Baden 2007. 456 Seiten. 69,- Euro. ISBN 978-38329-2221-4. Das SGB I legt die Grundsätze der einzelnen Sozialleistungen, die Aufgaben der Leistungsträger und insbesondere das allgemeine Leistungsrecht für das gesamte Sozialrecht fest. Jede Interpretation in den besonderen Sozialleistungsbereichen der SGB-Kodifikationen greift auf diese Grundsätze zu. Die Neuauflage des Lehrund Praxiskommentars von SGB I • legt einen Schwerpunkt auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie auf die Sozialhilfe und erläutert die praxisrelevanten Bezüge zu SGB II und XII • erweitert insbesondere die Darstellung der richtigen Erbringung der Sozialleistungen u. a. durch die Freie Wohlfahrtspflege (§ 17) und • bezieht die Themen europäische Grundrechte, europäisches Wettbewerbs- und Beihilfenrecht sowie europäisches Sozialrecht in die Erläuterungen mit ein. In allen Bereichen auf dem neuesten Stand ist der Lehr- und Praxiskommentar von SGB I ein Muss für die Mitarbeiter bei den Leistungsträgern und Behörden, die Richter in den Sozial- und Verwaltungsgerichten, die Anwaltschaft und für die Ausbildung. Das Autorenteam setzt sich aus erfahrenen Praktikern der Bereiche Rechtsprechung, Anwaltschaft und Verbände sowie Hochschullehrern zusammen: Prof. Dr. Utz Krahmer, Fachhochschule Düsseldorf; RiBVerwG Prof. Dr. Uwe-Dietmar Berlit; Prof. Dr. Karl-Jürgen Bieback, Universität Hamburg; RiSG Dr. Torsten Buser; Prof. Annemarie Diebold, Fachhochschule Ludwigsburg; Dr. ThomasPeter Gallon, Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, Berlin; Prof. Dr. Rainer Kessler, Fachhochschule Wiesbaden; Prof. Dr. Volker Neumann, Universität Berlin; Prof. Helmut Reinhardt, Fachhochschule Ludwigsburg; RA Ronald Richter; Prof. Dr. Klaus RiekenBlätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

brauk, Fachhochschule Düsseldorf; RiBVerwG Dr. Ralf Rothkegel; Ass. Jur. Martina Rudolph; Marie-Luise SchifferWerneburg, Diakonisches Werk der EKD e. V.; RiLSG Hinnerk Timme. Johannes Münder (Hg.): Sozialgesetzbuch II. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Lehr- und Praxiskommentar. 2. Auflage. Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG, Baden-Baden 2007. 786 Seiten. 44,- Euro. ISBN 978-3-83291783-8. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist in wesentlichen Punkten novelliert. Durch das SGB II-Änderungsgesetz und insbesondere durch das Fortentwicklungsgesetz sind weitgehende Leistungseinschnitte zum 1. August 2006 Gesetz geworden. Was bedeuten diese mit der »Optimierung des Leistungsrechts« und der »Vermeidung von Leistungsmissbrauch« begründeten Änderungen für das Regelungssystem des SGB II und die Auslegungspraxis? Die Neuauflage des Lehr- und Praxiskommentars zu SGB II

Im Jahre 1985 das erste Mal erschienen, hat sich der Lehr- und Praxiskommentar zur Sozialhilfe zum Klassiker gemausert – und ist zum Vorbild für eine ganze Reihe von Gesetzeskommentaren geworden.

gibt die praktischen Antworten und bietet eine vollständige, verständliche und aktuelle Kommentierung des novellierten SGB II, unter besonderer Berücksichtigung der Praxisauswirkung insbesondere der Leistungskürzungen. Behandelt werden dabei ausführlich die Erweiterung der Bedarfsgemeinschaft um Jugendliche, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zusammen mit den dazugehörenden Beweislastfragen. Anlässlich dieser Gesetzvorgaben interpretiert der Lehrund Praxiskommentar kritisch die Verschärfung von Sanktionsmöglichkeiten. Die für die Auslegung des Gesetzes – vor allem für die Interpretation der vielfältigen unbestimmten Rechtsbegriffe – prägenden Entscheidungen der Sozialgerichte seit Inkrafttreten des SGB II sind durchgängig berücksichtigt. Jürgen Kruse, Peter-Bernd Lüdtke, HansJoachim Reinhard, Jürgen Winkler, Irene Zamponi: Sozialgesetzbuch III. Arbeitsförderung. Lehr- und Praxiskommentar. Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG, Baden-Baden 2008. 1.060 Seiten. 79,- Euro. ISBN 978-3-8329-0309-1. Durch die letzten Gesetzesnovellen sind gravierende Änderungen im Arbeitsförderungsrecht in Kraft getreten, auf die sich die Beratungspraxis einstellen muss. Der Lehr- und Praxiskommentar zu SGB III bringt den Leser auf den neuesten Stand und bietet eine praxisnahe Erläuterung des novellierten Gesetzes. III. Der neue Kommentar verarbeitet zahlreiche Änderungsgesetze, unter anderem • das Gesetz zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Menschen • das Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz • das Dienstrechtsanpassungsgesetz für die Bundesagentur für Arbeit • das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsund asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union • das 4. Gesetz zur Änderung des SGB III • das Gesetz zur Förderung der zusätzlichen Altersvorsorge und zur Änderung des SGB III • das Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze 141

Thema • das 6. Gesetz zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze • das 22. Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes Der Lehr- und Praxiskommentar berükksichtigt die Neuregelungen durch das 7. SGB III-Änderungsgesetz vom 8. April 2008, insbesondere die verlängerte Bezugsdauer bei ALG I. Auch die neueste Rechtsprechung der Arbeits- und Sozialgerichte ist umfassend eingearbeitet. Das Buch ist der ideale Ratgeber für alle Praktiker im Bereich des Arbeitsförderungsrechts. Diesen Kommentar brauchen Rechtsanwälte, Richter und Mitarbeiter der Arbeitsagenturen. Jürgen Winkler (Hg.): Sozialgesetzbuch IV. Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung. Lehr- und Praxiskommentar. Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG, Baden-Baden 2007. 640 Seiten. 69,- Euro. ISBN 978-3-8329-1382-3. Das Vierte Buch des Sozialgesetzbuches enthält grundlegende Vorschriften für alle Zweige der Sozialversicherung und für das Arbeitsförderungsrecht. Diese Regelungen sind nicht nur für die Sozialversicherungsträger, sondern auch für die betriebliche Praxis von zentraler Bedeutung. Der Lehr- und Praxiskommentar bietet eine umfassende und fundierte Kommentierung des SGB IV. Er konzentriert sich vor allem auf die in der Praxis immer wiederkehrenden Hauptprobleme: • Beschäftigung und selbstständige Tätigkeit • Arbeitsentgelt und sonstiges Einkommen • Leistungen und Beiträge • Meldepflichten des Arbeitgebers • Verfassung und Organe der Sozialversicherungsträger • Sozialversicherungsausweis Der Lehr- und Praxiskommentar zu SGB IV berücksichtigt zahlreiche Änderungsgesetze, insbesondere • das Gesetz zur Umsetzung der Gleichbehandlungsrichtlinien der Europäischen Union und • das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes Auch die Neuregelungen durch die Gesundheitsreform zum 1. April 2007 sind eingearbeitet. Die Autoren sind ausgewiesene Experten im Sozialrecht: RiSG Dr. Tilman Breitkreuz; RiBSG a. D. PeterBernd Lüdtke; Prof. Dr. Renate Oxenknecht-Witzsch, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt; Prof. Dr. Rainer 142

Vor, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig; RiLSG Dr. Roland Wietek; Prof. Dr. Jürgen Winkler, Katholische Fachhochschule Freiburg. Jürgen Kruse, Prof. Dr. Andreas Hänlein (Hg.): Sozialgesetzbuch V. Gesetzliche Krankenversicherung. Lehr- und Praxiskommentar. 3. Auflage. Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG, Baden-Baden 2009. 1.548 Seiten. 99,- Euro. ISBN 978-3-8329-1381-6. Mit Stand vom 1. Januar 2009 ergeben sich durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKVOrgWG) bedeutende strukturelle Änderungen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die dritte Auflage des Lehr- und Praxiskommentars zum SGB V berükksichtigt die: • Herstellung der Insolvenzfähigkeit aller Krankenkassen ab dem 1. Januar 2010, • Neugestaltung der Finanzierung der Landesverbände nach dem Wohnortprinzip, • Veränderungen zur Hilfsmittelversorgung • Neuregelung des Anspruchs auf enterale Ernährung • Aufhebung der Altersgrenze für die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer. Die Neuauflage stellt alle Inhalte der Gesundheitsreform und deren Finanzierung durch das GKV- Wettbewerbsstärkungsgesetz und dessen Änderungen durch das GKV-OrgWG auf dem Rechtsstand vom 1. Januar 2009 übersichtlich dar und erläutert ausführlich die neue »Versicherungspflicht für jedermann«. Einbezogen sind die Änderungen des Leistungskatalogs, der Zuzahlungsregelungen und der Wahlmöglichkeiten der Versicherten. Die Autoren erläutern zudem die Neuausrichtung der Arzneimittelversorgung unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten und die Reform des Verhältnisses zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung. Der Lehr- und Praxiskommentar zum SGB V ist das ideale Werk für Entscheidungsträger und deren Mitarbeiter in Krankenkassen, Verbänden, Gesundheitsbehörden, Krankenhausverwaltungen sowie für Ärzte, Rechtsanwälte, Richter, Ausbilder und Studierende. Autoren des Buches sind: Klaus-Peter Adelt, Justiziar a. D., Datenschutzbeauf-

tragter a. D., Bochum; Dr. Christian Auktor, Notar, Fürth/Bayern; Prof. Dr. Andreas Hänlein, Universität Kassel; Tamara Henle, Rechtsanwältin, BKKLandesverband Bayern, München; Petra Kraftberger, Justiziarin, Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband), Berlin; Prof. Dr. Jürgen Kruse, Evangelische Fachhochschule Nürnberg, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht in München; Rita Murawski, Justiziarin, AOK Bayern, München; Corinna Roß, Rechtsanwältin, Siemens Betriebskrankenkasse, München. Helmut Reinhardt (Hg.): Sozialgesetzbuch VI. Gesetzliche Rentenversicherung. Lehr- und Praxiskommentar. Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG, Baden-Baden 2006. 1.161 Seiten. ISBN 978-3-8329-1355-7. (Derzeit nicht lieferbar, Neuauflage in Vorbereitung). Die Gesetzliche Rentenversicherung ist aufgrund der zahlreichen Reformen kaum noch zu durchschauen. Der Lehrund Praxiskommentar zum SGB VI • bereitet die Materie übersichtlich auf • behandelt alle wichtigen Rechtsbereiche wie u. a. versicherter Personenkreis, Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, Rentenberechnung, Versorgungsausgleich und • ist auf die Ansprüche der Praxis zugeschnitten. Die Autoren: Birgit Ehnes, Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz; Carsten Friedrichsen, Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz; Stefan Hirsch, Verwaltungs-Fachhochschule Wiesbaden; Michael Quinten, Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz; Professor Helmut Reinhardt, Fachhochschule Ludwigsburg; Dietrich Schoch, Regierungsdirektor a. D.; Wolfgang Silber, Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg; Bernhard Sona, Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz; Michael Spegel, Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg; Gerd-Volker Stock, Leitender Verwaltungsdirektor a. D., Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg. Edgar Franke, Thomas Molkentin (Hg.): Sozialgesetzbuch VII. Gesetzliche Unfallversicherung. Lehr- und Praxiskommentar. 2. Auflage. Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG, Baden-Baden 2007. 820 Seiten. 98,- Euro. ISBN 978-38329-1007-5.

Thema Der Lehr- und Praxiskommentar zu SGB VII bietet einen umfassenden Überblick über das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Regelungen des Unfallversicherungsrechts werden praxisnah und verständlich erläutert. Die Neuauflage wurde durchgängig aktualisiert. Sie berücksichtigt zahlreiche Änderungsgesetze und die neuste Rechtsprechung. Der benutzerfreundliche Kommentar • konzentriert sich auf besonders praxisrelevante Bestimmungen (z. B. über den versicherten Personenkreis und die Versicherungsfälle) • geht auch auf Fragen der Unfallverhütung und der Leistungsarten (Heilbehandlung, Rehabilitation, Renten, Abfindungen) ein und • berücksichtigt die Belange der gewerblichen und landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften ebenso wie die der gesetzlichen Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand. Der neue Lehr- und Praxiskommentar ist das ideale Hilfsmittel für Mitarbeiter der Unfallversicherungsträger, Betriebsund Personalräte, Rechtsanwälte und Sozialrichter. Die Autoren sind erfahrene Fachhochschullehrer und Verwaltungspraktiker: Prof. Dr. Edgar Franke, Bürgermeister der Stadt Gudensberg, Lehrbeauftragter an der Hochschule für Gesetzliche Unfallversicherung; Martin Kunze, Landesverwaltungsdirektor, Leiter der Rehabilitations- und Leistungsabteilung der Landesunfallkasse Freie und Hansestadt Hamburg; Klaus Merle, Dozent an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Landwirtschaftliche Sozialversicherung; Dr. Thomas Molkentin, Leiter des Referats »Unfallversicherung« im Bundesministerium für Arbeit und Soziales; Hans-Jürgen Rapp, Fachhochschullehrer an der Hochschule der Gesetzlichen Unfallversicherung; Rainer Richter, Leiter der Rechtsabteilung, Bayerischer Gemeindeunfallversicherungsverband; Harald Streubel, Leiter der Stabstelle Grundsatzangelegenheiten und Selbstverwaltung bei der Unfallkasse des Bundes; Prof. Dr. Axel Weiß, Rechtsanwalt und Fachhochschullehrer an der Hochschule für Gesetzliche Unfallversicherung; Eberhard Ziegler, Ständiger Vertreter des Bundesverbandes der Unfallkassen im Berliner Büro der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

Peter-Christian Kunkel (Hg.): SGB VIII. Kinder- und Jugendhilfe. Lehr- und Praxiskommentar. 3. Auflage. Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG, BadenBaden 2006. 1.119 Seiten. 79,- Euro. ISBN 978-3-8329-1380-9. Der Lehr- und Praxiskommentar zum SGB VIII integriert selbstverständlich das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (KICK). Das Buch • erläutert die Neuregelung der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen • legt den Schutzauftrag des Jugendamtes dar • schafft Klarheit bei der Neuregelung der Leistungsvergabe für Kinder und Jugendliche sowie bei der Neuregelung der Kostenbeteiligung • zeigt umfassend den verstärkten Nachrang der Jugendhilfe im Verhältnis zu den Eltern auf. Ebenfalls eingearbeitet ist das Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) zur stärkeren Förderung von Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege. Somit ist der Kommentar auch allen, die für den Ausbau des Förderangebots verantwortlich sind, ein wertvolles Hilfsmittel. Der besondere Vorteil: ausführliche Darstellungen der Themen strafrechtliche Garantenhaftung, Rechtsfragen Ehrenamtlicher, Anwalt des Kindes, Wettbewerbsrecht der Europäischen Union sowie ein aktualisierter Anhang »Verfahren und Rechtsschutz«. Dirk H. Dau, Franz Josef Düwell, Hartmut Haines (Hg.): Sozialgesetzbuch IX. Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Lehr- und Praxiskommentar. 2. Auflage. Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG, Baden-Baden 2009. 1.066 Seiten. 79,- Euro. ISBN 978-38329-0925-3. Der neue Lehr- und Praxiskommentar zu SGB IX erläutert das gesamte Behindertenrecht zuverlässig und praxisorientiert. Auch die wichtigen Neuregelungen durch das Gesetz zur Einführung Unterstützter Beschäftigung vom 22. Dezember 2008 sind berücksichtigt. Die zweite Auflage verarbeitet weiterhin zahlreiche Änderungsgesetze, zuletzt • das Gesetz zur Umsetzung der EUGleichbehandlungsrichtlinien • das Gesetz zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze • das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz

• das Zweite Gesetz zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft • das Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts. Die Rechtsprechung der Arbeits- und Sozialgerichte ist umfassend eingearbeitet, insbesondere die jüngsten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zum Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte. Die Kommentierung zu § 125 SGB IX berücksichtigt das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 20. Januar 2009 zum Wegfall der Befristung des Urlaubs bei Arbeitsunfähigkeit. Der besondere Praxisvorteil: Der Anhang enthält eine kompakte Darstellung zum Verfahren und zum Rechtsschutz. Der neue Lehr- und Praxiskommentar ist der ideale Ratgeber für alle Praktiker im Bereich des Behindertenrechts. Diesen Kommentar brauchen Rechtsanwälte, Arbeits- und Sozialrichter, Rehabilitationsträger, Integrationsämter, Behinderten- und Wohlfahrtsverbände, Personalabteilungen in Unternehmen, Betriebs- und Personalräte, Gewerkschaftssekretäre und Schwerbehindertenvertreter. Autoren sind: Dirk H. Dau, Richter am Bundessozialgericht a. D., Hamburg; Berthold Deusch, Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg, Stuttgart/Karlsruhe; Franz Josef Düwell, Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht, Erfurt; Dr. Hartmut Haines, Ministerialrat i. R., zuletzt im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bonn; Günther Hoffmann, Rechtsanwalt und Notar, Bremen; Bernward Jacobs, Rechtsanwalt, Münster; Olaf Liebig, Regierungsdirektor im Bundesministerium für Gesundheit, Berlin. Björn Diering, Hinnerk Timme, Dirk Waschull (Hg.): Sozialgesetzbuch X. Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz. Lehr- und Praxiskommentar. 2. Auflage. Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG, Baden-Baden 2007. 812 Seiten. 79,- Euro. ISBN 978-3-8329-2223-8. Die Neuauflage präsentiert den aktuellen Stand in den Kerngebieten des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens. Der Lehrund Praxiskommentar berücksichtigt • die umfangreichen Gesetzesänderungen beim Sozialdatenschutz • die Auswirkungen der Neuregelungen im Aufenthaltsrecht, § 71 SGB X 143

Thema • die verfahrensrechtlichen Auswirkungen durch die Änderungen im SGB II und XII. Ein umfassender Anhang zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren erläutert praxisnah die Umsetzung der Verfahrensprobleme im Prozess vor den Sozialgerichten. Die Autoren kommen aus den Bereichen Wissenschaft, Justiz, Anwaltschaft und Verwaltung und vereinen die notwendige Sachkompetenz für die Interpretation der Regeln des Sozialverwaltungsverfahrens: Walter Böttiger, Richter am SG Stuttgart, derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundessozialgericht; Dr. Tilman Breitkreuz, Richter am SG Aachen, derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht; Dr. Björn Diering, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Sozialrecht und Verwaltungsrecht; Prof. Dr. Heinrich Lang, Diplom-Sozialpädagoge, Universität Rostock; Prof. Dr. Stephan Rixen, Universität Kassel; Dr. Knut Seidel, Rechtsanwalt; Hinnerk Timme, Richter am LSG Schleswig-Holstein; Prof. Dr. Dirk Waschull, Fachhochschule Münster, Richter am LSG Nordrhein-Westfalen, ehemals Leiter des Rechts- und Versicherungsamts der Stadt Aachen. Thomas Klie, Utz Krahmer (Hg.): Sozialgesetzbuch XI. Soziale Pflegeversicherung. Lehr- und Praxiskommentar. 3. Auflage. Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG, Baden-Baden 2009. 1.405 Seiten. 89,- Euro. ISBN 978-3-8329-2718-9. Mit der »Reform zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung« wurde die umfassendste Änderung der Pflegeversicherung seit ihrer Einführung vor 13 Jahren vollzogen. Die finanziellen Leistungen im Rahmen der Pflegestufen sind gestiegen, die ambulante Versorgung wird ausgeweitet und das bürgerschaftliche Engagement wird gestärkt. Die dritte Auflage des Lehr- und Praxiskommentars zu SGB XI bietet den Stand vom 1. Januar 2009 und bringt Interpretationssicherheit in den neuen Rechtsfragen. Schwerpunkte des Kommentars sind: • der neue Anspruch auf Pflegeberatung (»Fallmanagement«) • die Möglichkeiten und rechtlichen Grenzen der optionalen Einrichtung von Pflegestützpunkten • die neu geregelte »Pflegezeit« • der ausgebaute Anspruch auf Tagespflege 144

• die neuen umfangreichen Leistungen für demenzkranke Menschen • die neuen Förderleistungen zur Prävention und Rehabilitation • die neuen Möglichkeiten der privaten Pflege-Zusatzversicherung sowie • die neu eingeführte Übertragbarkeit der individuellen Altersrückstellungen und den damit verbundenen Härteregelungen bei niedrigen Einkommen • die neuen Qualitätssicherungsvorschriften für Heime (erweiterte Heimaufsicht, Qualitätsanforderungen, »Transparenzgebot«). Die Neuauflage berücksichtigt zudem die neueste Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Sie legt Wert auf eine klare und verständliche Erläuterung, auch der praxisrelevanten Verfahrens- und Rechtschutzfragen. Das aktuelle Werk bietet auch eine Kommentierung zum Pflegezeitgesetz und berücksichtigt bereits die Neuregelungen durch das GKVOrgWG vom 15. Dezember 2008. Experten machen den Lehr- und Praxiskommentar zu SGB XI zum notwendigen Handwerkszeug für Anwaltschaft und Richter, Mitarbeiter bei den Pflegekassen, Verbänden und Behörden im Pflegebereich wie auch bei den beteiligten Sozialhilfeträgern sowie für die Ausbildung. Die Autoren: Dr. Annett Böhm, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Stuttgart; Dr. Thomas-Peter Gallon, Referatsleiter, Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, Berlin; Dr. Sven Höfer, Rechtsanwalt, Freiburg im Breisgau; Hans-Jörg Holtbrügge, Richter am Oberverwaltungsgericht Münster; Prof. Dr. Thomas Klie, Evangelische Fachhochschule Freiburg; Prof. Dr. Utz Krahmer, Fachhochschule Düsseldorf; Dr. Bettina Leonhard, Dozentin an der HTWK Leipzig; Dr. Albrecht Philipp, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Sozialrecht, München; Dr. Markus Plantholz, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Hamburg; Prof. Dr. Silvia Pöld-Krämer, Fachhochschule Bielefeld; Ronald Richter, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Hamburg; Prof. Dr. Michaela Röber, Fachhochschule Frankfurt am Main; Marie-Luise Schiffer-Werneburg, Rechtsanwältin, Brandenburg; Paul Schmäing, Referatsleiter Verträge, Abteilung Pflege, VdAK/AEV e. V., Siegburg; Wolfgang Schuldzinski, Rechtsanwalt, Verbraucher-Zentrale Nordrhein-Westfalen, Düs-

seldorf; Georg Vogel, Fachreferatsleiter, Techniker Krankenkasse, Hamburg. Johannes Münder, Christian Armborst, Prof. Dr. Uwe Berlit, Renate Bieritz-Harder, Ulrich-Arthur Birk, Albrecht Brühl, Wolfgang Conradis, Udo Geiger, Albert Hofmann, Utz Krahmer, Stephan Niewald, Falk Roscher, Dietrich Schoch: Sozialgesetzbuch XII. Sozialhilfe. Lehr- und Praxiskommentar. 8. Auflage. Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG, Baden-Baden 2008. 1.017 Seiten. 44,- Euro. ISBN 978-3-8329-2930-5. Drei Jahre nach Eingliederung der Sozialhilfe als Zwölftes Buch in das Sozialgesetzbuch erscheint die Neuauflage dieses Klassikers. Das Werk • stellt die seitdem geführten rechtlichen Diskussionen sowie die umfassende aktuelle Rechtsprechung ausführlich dar und • legt einen Schwerpunkt auf die zahlreichen Änderungen durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 wie u. a. die Erhöhung des Barbetrages (§ 35 Abs. 2), die Angleichung des Regelsatzes (§ 28 Abs. 2) oder den Anspruchsausschluss für Ausländer (§ 28 Abs. 3). Ausführliche Anhänge zum Asylbewerberleistungsgesetz sowie zum Verfahren im SGB XII unterstützen den Praktiker im Streitfall. Der Kommentar ist bedeutsam für Leistungsberechtigte, Beraterinnen und Berater in den Wohlfahrtsverbänden, Anwaltschaft, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Sozialverwaltungen, Richterinnen und Richter. Das Werk richtet sich darüber hinaus an Studierende und Lehrende der Hochschulen. Die Autoren: Prof. Dr. Johannes Münder, Technische Universität Berlin; MinR Christian Armborst, Niedersächsisches Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales; RiBVerwG Prof. Dr. Uwe Berlit; Prof. Dr. Renate Bieritz-Harder, Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven; Prof. Dr. Ulrich-Arthur Birk, Universität Bamberg; Prof. Dr. Albrecht Brühl, Fachhochschule Darmstadt; RA FASozR Dr. Wolfgang Conradis; RiSG Udo Geiger, Berlin; Prof. Dr. Utz Krahmer, Fachhochschule Düsseldorf; RiLSG Stephan Niewald, Berlin; Prof. Dr. Falk Roscher, Hochschule Esslingen; RegDir a.D. Dietrich Schoch, Ombudsmann der ARGE SGB II Duisburg. ◆

Thema

»Die zehn Gebote sind deswegen so kurz und logisch, weil sie ohne Mitwirkung von Juristen zustande gekommen sind.« Charles de Gaulle, französischer Politiker (1890–1970)

»Aber die Armen sind auf die Gerechtigkeit angewiesen, die Reichen sind auf die Ungerechtigkeit angewiesen, das entscheidet.« Bertolt Brecht, deutscher Schriftsteller (1898–1956)

»Erfahrene Juristen bezeugen, dass es vor Gericht von Vorteil sein kann, wenn man im Recht ist.« Graham Chapman, britischer Schriftsteller (1941–1989)

»Es gibt Gerechte und Ungerechte auf dieser Welt. Wer ungerecht ist, entscheiden die Gerechten.« Robert Lembke, deutscher Schriftsteller und Fernsehmoderator (1913–1989)

»Das Recht durchzusetzen, ist im Umfeld eines Rechtsstaates prinzipiell möglich.« Michael Stolleis, deutscher Jurist (geb. 1941)

»Mit Gesetzen ist es wie mit Würstchen. Es ist besser, wenn man nicht sieht, wie sie gemacht werden.« Otto von Bismarck, deutscher Politiker (1815–1898)

»Der Verbrecher produziert nicht nur Verbrechen, sondern auch das Kriminalrecht und damit auch den Professor, der Vorlesungen über das Kriminalrecht hält, und zudem das unvermeidliche Kompendium, worin dieser selbe Professor seine Vorträge als Ware auf den allgemeinen Markt wirft. Damit tritt Vermehrung des Nationalreichtums ein.« Karl Marx, deutscher Philosoph (1818–1883)

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Monitoring

Soziale Arbeit als Agens der Politik Über Sozialpolitik und über Sozialpolitik hinaus ■ Albert Mühlum

Soziale Arbeit hat es unvermeidlich mit Verlustangst und Verlusterfahrung zu tun. Sie muss deshalb sensibel sein für die Sinnfrage und für spirituelle Anliegen, forderte Albert Mühlum in seinem Vortrag auf der letzten Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit. Die Soziale Arbeit ist bisher mehr Agent als Agens der Politik, mehr Vertreter als treibende Kraft, obwohl die Politik der sozialprofessionellen Expertise doch dringend bedarf. Dabei geht es sowohl um die Wahrnehmung und Bearbeitung Sozialer Probleme als auch um Schwierigkeiten und Fallstricke des Sozialstaats, die bewusst sein müssen, um gegensteuern zu können. Dabei reichen die staatlichen Steuerungsmodi Gesetz und Geld nicht aus. In den Grenzsituationen des Lebens, mit denen es die Soziale Arbeit oft zu tun hat, ist Spiritualität eine besondere Ressource – jenseits aller (Sozial-)Politik. Insofern müssen Sozialarbeitsforschung, Sozialarbeitsphilosophie und Professionalität mit der Sozialpolitik zusammenwirken, um Sozialleistungen optimieren und den künftigen Gesamthilfebedarf abdecken zu können – auf dem Weg zu einer sozial integrierten Gesellschaft. Soziale Arbeit als Agens der Politik? Wer hätte da nicht Zweifel. Treibende Kraft sind gewöhnlich andere, vorzugweise ökonomische Interessen. Ob eine Re-Politisierung der Sozialarbeit das ändern könnte, ist eine offene und durchaus strittige Frage (Lallinger/Rieger 2007). Vermutlich steht die sozialpolitische – be-

Prof. Dr. Albert Mühlum war bis zu seiner Pensionierung Hochschullehrer für Sozialpolitik und Sozialarbeitswissenschaft an der Fachhochschule Heidelberg und Lehrbeauftragter der Universität Heidelberg. Er war lange Jahre Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit e. V. E-Mail [email protected] 146

stimmt aber die sozialwissenschaftliche – Kompetenz der Lehrenden und Forschenden im Bereich Sozialer Arbeit im umgekehrten Verhältnis zu ihrer sozialpolitischen Potenz. Bei Politikern dürfte das Gegenteil zutreffen. Was also läge näher, als die Expertise der Sozialen Arbeit und ihrer hundertjährigen Berufsgeschichte (Wendt 2008) für die Gestaltung des Sozialen zu nutzen – mit der Sozialpolitik und über die Sozialpolitik hinaus? Dazu werden im Folgenden – fragmentarisch – vier Aspekte angesprochen: die Wahrnehmung sozialer Probleme, Schwierigkeiten der Sozialpolitik, Fallstricke des Sozialstaats und Spiritualität als Ressource.

Wahrnehmung Sozialer Probleme Schon der Blick auf soziale Anliegen trifft auf Widerstände. Von Sozialarbeit sprechen heißt ja, sich mit Problemen und Not zu beschäftigen. Und wer befasst sich schon gern mit den Schattenseiten des Lebens? Von Königin Victoria wird berichtet, wie sie einst beim Ausritt ungewollt die Slums von London streifte und – erschrocken über das Elend – ihren Fächer vor die Augen hielt. Der Fächer der Königin als Symbol für Verdrängung. Eine andere Königin, Marie-Antoinette, soll am Vorabend der Revolution auf die Klage, das Volk habe kein Brot mehr, geantwortet haben: »Sollen sie doch Kuchen essen.« Nun sind unsere Politiker weder königlich noch völlig weltfremd – oder nimmt der Fächer heute nur andere Formen an? Eine erste Aufgabe besteht darin, den Blick auf soziale Probleme freizulegen und genauer hinzuschauen – auf Armut, Ausgrenzung, Benachteiligung. In dieser Zeitschrift muss weder mit Fallstudien noch mit Zahlen erläutert werden, was dies für Teilhabegerechtigkeit und Entwicklungschancen bedeutet. Die dramatischen »Abstiegsprozesse in den Zentren

der Sozialstaaten« (Drilling 2004) sind den in der Sozialarbeit Tätigen bekannt, scheinen aber Politiker und Öffentlichkeit immer wieder zu überraschen. Wenn die Soziale Arbeit den Fächer beiseite schiebt, auf das Ausmaß und die Dynamik der Armutsprozesse aufmerksam macht und aus intimer Kenntnis der Nöte diese skandalisiert macht sie sich unbeliebt, wird zum personifizierten schlechten Gewissen der Gesellschaft. Aber da sie Probleme nicht nur aufdeckt, sondern löst, trägt sie zur Entlastung bei, fördert Systemloyalität und wird so paradoxerweise auch zum guten Gewissen des Sozialstaats. Diese Ambivalenz teilt sie mit der Sozialpolitik, deren doppelte Funktion im Kapitalismus schon Eduard Heimann beschrieb – systemverändernd und systemerhaltend zugleich. Wie alle komplexen Systeme müssen auch soziale Systeme Hilfe organisieren, wenn Grundanliegen bedroht sind, das wurde schon in den 1980er Jahren als »ökosoziales Paradigma der Sozialarbeit« nutzbar gemacht (Mühlum/Olschowy/ Oppl/Wendt 1986). In der Krise der Moderne (Amitai Etzioni nennt sie eine schwere soziale Erkrankung) wird das Gelingen der Lebensentwürfe schwieriger und die Gerechtigkeitslücke wird größer: zwischen den Generationen und den Geschlechtern, Rassen und Klassen, Arbeitsbesitzern und Arbeitslosen. Prekäre Lebenslage und Selbstentwertung wirken unheilvoll zusammen. Nun ließe sich folgern: je krisenhafter die Zeiten, umso wichtiger die Soziale Arbeit. Aber gewiss ist sie bisher eher Agent(ur) als Agens der Sozialpolitik. Insofern ist der Werbetext zum 7. Bundeskongress Soziale Arbeit 2009 kühn: »Soziale Arbeit übernimmt Verantwortung dafür, soziale Sicherheit zu garantieren.« Ist damit nicht sogar der Staat überfordert? Eine Profession, die der »sozialen Gerechtigkeit« als Leitidee verpflichtet ist, kann sich dieser Verantwortung aber auch nicht entziehen: Sie muss die Sozialpolitik fordern und för-

Monitoring dern und – über die materielle Daseinsvorsorge hinaus – zu den »sozialen Grundlagen der Selbstachtung« (John Rawls) und generell zur »Lebensbewältigung unter prekären Bedingungen« beitragen, mikrosozial im Nahraum (u. a. Beziehungsarbeit), mesosozial in Organisationen (u. a. Sozialmanagement), makrosozial in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit (u. a. Einstellungswandel).

Schwierigkeiten der Sozialpolitik Wenn der Blick auf das Elend hinter dem Fächer folgenlos bliebe, wäre es Voyeurismus. Die zweite Aufgabe besteht deshalb in der Suche nach Lösungen: Strukturell ist die Sozialpolitik, personell – als Dienstleistung – die Soziale Arbeit zuständig. Was funktional so klar zu sein scheint, ist in Wahrheit komplizierter: Das Verhältnis von Sozialarbeit und Sozialpolitik ist vielgestaltig und spannungsreich – zumal in Zeiten, da der Sozialstaat neu buchstabiert wird, in Umbrüchen, die uns alle beunruhigen und viele existenziell bedrohen: Die strukturelle Krise der Arbeit, der Bildung, der Demografie, der Familie, der Wohlstandsverteilung – um nur die wichtigsten zu nennen – und all das auf dem Hintergrund ökonomischer Turbulenzen, die die Betroffenheit aller Bürger schlagartig klarmachen, sind wir doch alle Experten im Geben und Nehmen sozialer Leistungen, pikanter Weise nun auch Manager und »Global Player«. Ob die Krise des Kapitalismus eine Renaissance des Sozialstaats oder seine weitere Schwächung bewirkt, ist noch keineswegs ausgemacht (Marx 2008), und auch nicht, welche Rolle die Soziale Arbeit dabei übernimmt (Bütow/Chassé/ Hirt 2007) – nutznießend, leidtragend, mitgestaltend? Drei Probleme der Sozialpolitik seien beispielhaft herausgegriffen: • Die anonyme sozialstaatliche Hilfe ist Stärke und Schwäche zugleich: Ein Sozialbudget von 700 Milliarden Euro, dessen Verteilungswirkung unklar ist; Leitprinzipien (Gerechtigkeit, Solidarität, Subsidiarität, Nachhaltigkeit, vgl. Sozialwort der Kirchen EKD 1997) die formal anerkannt, aber auslegungsbedürftig sind – womit sich Fragen nach der Definitionsmacht und dem Einfluss der Sozialarbeit stellen. Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

• Eine Sozialpolitik, die auf Daseinsvorsorge und Geldleistungen reduziert wird, führt zur Ökonomisierung, Bürokratisierung und Verrechtlichung, die Hans Achinger schon vor 50 Jahren beklagte. Dabei verschwimmt der Einzelfall nicht selten in einem Bermudadreieck der Sachzwänge, statt die Effizienz der Leistung und die Selbstverantwortung zu stärken, was vor allem der Sozialen Arbeit aufgetragen ist. • Zur Steigerung von Sozialleistungen gibt es nur drei Freiheitsgrade: reales Wirtschaftswachstum, Senkung der Investitionsrate, Konsum-Umschichtung. Bisher wählte noch jede Regierung den am wenigsten schmerzhaften Weg des Wirtschaftswachstums. Ausnahme: »Solidarpakt 1991« und die damaligen Widerstände lassen ahnen, was geschieht, wenn das Wachstum versiegt. Hier lautet die grundsätzliche Frage: »Was schulden wir einander?« (di Fabio/Oermann 2008) und: »Was kann die Soziale Arbeit im Verteilungskampf bewirken?«

Fallstricke des Sozialstaats Tragischerweise sind die Mittel des Sozialstaats nicht nur begrenzt, sondern in ihrer Wirkung manchmal auch kontraproduktiv. »Ich bin Profi-Helfer, gehöre zu den helfenden Berufen – also bin ich korrupt«, so beginnt Klaus Dörner (2008, 7) sein jüngstes Buch über »Helfende Berufe im Markt-Doping«. Oft würden Gesetze nicht das Helfen verbessern, sondern nur die Leistungsmenge steigern, wobei »das Geld nach dem ›inverse care law‹ ... nicht mehr zu den Hilfebedürftigsten, sondern eher zu den profitableren Gesünderen« fließe (ebd. 8). Zu dieser »Gesundheitsfalle« trügen Denkfehler der Profi-Helfer bei, etwa die Annahme, sie könnten Gesundheit herstellen. Die Analogie zur Sozialen Arbeit liegt nahe und wird vom Autor auch mehrfach betont. Im Unterschied zum Medizinsystem versteht sie sich aber als Hilfe zur Selbsthilfe, will Befähigungshilfe leisten und Ressourcen aktivieren statt die Selbstsorge zu entsorgen und Gesundes in

»Der Einzelfall verschwindet nicht selten im Bermudadreieck der Sachzwänge« Der Staat kann direkt nur über Gesetz und Geld steuern (Niklas Luhmann). Kein Gesetz der Welt aber kann Gesundheit, Freundschaft oder gelingendes Leben verbürgen, auch die Sozialarbeit nicht, wohl aber förderliche Bedingungen schaffen, zu denen mehr gehört als das nackte Überleben. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, auch nicht von Transferzahlungen und Sozialdiensten allein. Von Adam Smith, dem Mitbegründer der Volkswirtschaftslehre, ist der Satz überliefert, Nationalökonomie müsse nicht nur das Realeinkommen sichern, sondern auch die Freiheit, sich ohne Scham in der Öffentlichkeit zu zeigen (Drilling 2004, 49). Ökonomie, Sozialpolitik und Soziale Arbeit stehen sich also in vieler Hinsicht näher, als gemeinhin angenommen wird.

Krankes umzudefinieren. Anders gesagt: Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter wissen, dass Klienten Experten eigener Art sind und dass Problemlösungen meist nur in Koproduktion gelingen. Dennoch können kontraproduktive Effekte – beispielsweise durch Förderung von Bequemlichkeit, Trittbrettfahren und »moral hazard« – ebenso wenig ignoriert werden, wie »die moralische Verarmung der Bürger, denen man das Helfen wegnahm« (Dörner 2008, 7). Dieser Funktionsverlust der Haushalte und Nachbarschaften könnte den Sozialstaat am eigenen Erfolg scheitern lassen – wie König Midas, der alles was er berührte, in Gold verwandelte und so verhungern musste. Erfolge des Sozialstaats? Beispiel Pflegeheim: 75 Prozent der Bürger äußern Angst vor dem Heim, 13 Prozent wollen 147

Monitoring sich lieber vorher umbringen; Beispiel Sonderpädagogik: Förderschulen erzeugen mehr Ärger als Zustimmung; Beispiel Kindertagesstätten: Sie dienen eher dem ökonomischen Verwertungsinteresse als dem Wohl der Kinder. Gesundheitsfalle, Sozialstaatsfalle, Bildungsfalle? – Vielleicht sind es nur mentale Fallen, aber wir sollten uns der Fallstricke ebenso bewusst sein, wie der sozialen Gradienten von Bildung und Gesundheit, um gegensteuern zu können. Das wäre die dritte Aufgabe. Auf dem Bildungsgipfel vor einigen Monaten stimmten die Akteure in einem Punkt überein: Schulsozialarbeit tut Not! Wenn jede Schule nur eine Stelle schafft, würden 40.000 Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter gesucht. Schön für die Profession, aber müsste nicht vorher das herrschende Leitbild und Selektionsprinzip in Frage gestellt werden? »Jeden morgen wacht in Afrika eine Gazelle auf. Sie weiß, sie muss schneller laufen als der schnellste Löwe, um nicht gefressen zu werden. Jeden morgen wacht in Afrika ein Löwe auf. Er weiß, er muss schneller sein als die langsamste Gazelle, wenn er nicht verhungern will. Fazit: Es

ist egal, ob Du Löwe oder Gazelle bist. Wenn die Sonne aufgeht, musst du rennen.« (Geissler in: sozialmagazin 2/2000, 34) Dieses Bild mag Managern gefallen, kaum der Sozialarbeit. Hieße es doch, sie auf die Rettung Fußkranker zu verpflichten – damit andere umkommen. Die Postmoderne verspricht mehr Autonomie, blockiert aber für viele den Zugang dorthin, das Freiheitsverlangen schlägt sogar um in neue Abhängigkeiten – von Erfolg, Fitness, Konsum (Mühlum 2007, 79). Die wachsende Zahl der Verliererschicksale – nicht fit, nicht jung, nicht clever – lässt sich jedoch nur zeitweise verdrängen oder mit wachsenden Kosten ausgrenzen, ohne das Leiden an der Gesellschaft (Bourdieu 1997) und an der Sinnlosigkeit (Frankl 1978) zu mindern. Die aktuelle Krise stellt daher nicht nur unser Wirtschaftsmodell, sondern auch das Gesellschaftsmodell in Frage. Soziale Arbeit könnte – über Sozialpolitik hinaus – zu einem neuen Lebensstil ermutigen, vorausgesetzt, sie ist selbst dazu bereit. Dazu gehört auch, sich von der Selbstblockade des »doppelten Man-

Zusammenarbeit von Sozialpolitik und Sozialarbeit nötig Die Jahrestagung 2008 der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit in Kooperation mit der Fachhochschule Jena beleuchtete am 28. und 29. November 2008 in Jena das Thema »Soziale Arbeit als Akteur der Sozialpolitik«. In den Vorträgen, Projektpräsentationen und Diskussionen wurden die Bereitschaft und die Kompetenz der Sozialen Arbeit deutlich, an der Gestaltung einer sozial gerechten Gesellschaft mitzuwirken. Da Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer soziale Probleme so hautnah erleben, erforschen und reflektieren wie kaum eine andere Berufsgruppe, fordern sie, in der Sozialpolitik stärker Gehör zu finden. Dem soll u. a. eine Grundsatzerklärung dienen, die in nächster Zeit diskutiert und beschlossen werden soll. Mit dieser »Jenaer Erklärung« soll die Öffentlichkeit auf die Notwendigkeit einer Politikgestaltung hingewiesen werden, die den Ansprüchen der Bürgerinnen und Bürger an den Sozialstaat und die soziale Sicherung gerecht wird. Bei den Diskussionen in Jena wurde deutlich, dass Sozialpolitik und Sozialarbeit erst am Beginn der Zusammenarbeit stehen, die im Interesse der sozial Schwächeren dieser Gesellschaft intensiviert werden muss. Auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit können der Tagungsbericht von Prof. Dr. Albert Mühlum sowie die aktuelle Fassung der »Jenaer Erklärung« als PDF-Dokumente kostenfrei heruntergeladen werden. Ebenso stellen einige Referenten ihre Vorträge aus Jena hier zur Verfügung (www.www.deutsche-gesellschaftfuer-soziale-arbeit.de, Rubrik Mitteilungen, Online-Mitteilung 133). Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit e. V., Postfach 11 29, 74370 Sersheim, Telefon 07042 3948, Fax 07042 815540, E-Mail [email protected], Internet http://www.deutschegesellschaft-fuer-soziale-arbeit.de

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dats« zu befreien, also neben Trägerauftrag und Klientenauftrag den Professionsauftrag (= Selbstverpflichtung der Profession) als dritte Bezugsgröße ernst zu nehmen (Silvia Staub-Bernasconi: Triple-Mandat). Im übrigen kann Armut nicht auf Einkommensarmut, Sozialstaat nicht auf Umverteilungsstaat reduziert werden. Für Amartya Sen sind weder Nutzen (im Sinne des Utilitarismus) noch Grundgüter (im Sinne John Rawls), sondern Grundrechte, Freiheit und Fähigkeit zentral, »ein mit Gründen schätzenswertes Leben zu wählen« (Sen 2000, 94). In seinem »Fähigkeitsansatz« sind die Fähigkeiten zu handeln (»capabilities«), tatsächlichen Möglichkeiten (»functionings«) und erreichten Ziele (»achievements«) zu unterscheiden (Drilling 2004, 45ff). Armut wäre dann ein Mangel an Verwirklichungschancen, der oft mit der Einkommenssituation eines Haushalts zusammenhängt, aber weit darüber hinaus geht. Positiv formuliert: Lebensqualität hat viele Facetten, denen das LebenslageKonzept der Sozialpolitik und das Lebenswelt-Konzept der Sozialen Arbeit am ehesten entsprechen. Ob diese Konzepte der Politik und der Öffentlichkeit bekannt sind, ist allerdings ebenso fraglich, wie deren Wissen um die Bedeutung der Sozialen Arbeit für die Bildung von Human- und Sozialkapital.

Spiritualität als Ressource Das Glück der Menschen ist nicht Aufgabe der Politik. Allzu leicht würde daraus ein Beglückungszwang, wie die Geschichte zeigt. Der Staat hat mit Leidvermeidung (Karl Popper) genug zu tun. Aber gilt das auch für die Soziale Arbeit? Zu ihrem unverwechselbaren Kern gehören das Konzept »Person-in-der-Situation« und eine personale Beziehung, die sich berufsethisch und methodisch im »Verstehen und Achten« (Mührel 2005) ausdrückt. Menschen ganzheitlich zu sehen heißt auch, ihr Streben nach Glück und die Suche nach Sinn zu würdigen, – dennoch kommt die Kategorie Glück in der beruflichen Sozialarbeit kaum und in ihren Theorien überhaupt nicht vor, was im wesentlichen auch für das Thema Spiritualität gilt (dazu und zum Folgenden: Mühlum 2007, 82 ff.):

Monitoring »Glücklich ist, wer alles hat, was er will«, meinte der Heilige Augustinus, der die zahlreichen Glücksdefinitionen seiner Zeit wohl kannte. Trivial oder genial? Der Satz zwingt zum Weiterfragen: Was will ich im letzten und was kann ich verlässlich haben? Philosophie beginnt, wenn darüber nachgedacht wird. Erich Fromms »Haben oder Sein« (2005) ist ein solcher Versuch. Auch Elisabeth Lukas (2003) geht mit der Logotherapie davon aus, dass wir trotz eines Überschusses an Haben an einem Defizit des Seins leiden, das im Bezug auf ein Sollen inhaltlich anzureichern wäre, wenn das Leben glücken soll. »Was willst Du?« Schon die Frage löst in Therapiegruppen heftige Gefühle aus. Nach Irvin Yalom entsteht in Minuten eine emotionsgeladene Atmosphäre. Männer und Frauen werden im Innersten aufgewühlt. Sie rufen nach den Menschen, die sie verloren haben – verstorbene oder entschwundene Eltern, Partner, Kinder, Freunde. »Ich will dich wiedersehen«, »Ich will, dass du stolz auf mich bist«, »Ich will die Kindheit erleben, die ich nie hatte«, »Ich will geliebt werden, will meinem Leben einen Sinn geben, will in Erinnerung bleiben« (Yalom 1999, 9 f.). So viele Sehnsüchte und Schmerzen. Sie erinnern daran, dass die tiefsten Wünsche unerfüllt – vielleicht unerfüllbar – sind. »Glücklich ist, wer alles hat, was er will.« Was auf den ersten Blick wie eine »Anleitung zum Unglücklichsein« (Watzlawick) klingt, birgt eine spirituelle Weisheit: Wir können unser Wollen ändern, das ist mit Umkehr im biblischen Sinne gemeint und sollte bei jedem lösungsorientierten Vorgehen mit bedacht werden (vgl. auch das Reframing in Therapie und klinischer Sozialarbeit). Aber was, wenn die Demenz des Vaters, der Verlust des Partners, der Tod eines Kindes beklagt wird. Was ist dann noch wichtig – oder gerade dann? Wenn die Frage nach dem Sinn systemimmanent nicht zu beantworten ist – und wie könnte das sein am Grab eines geliebten Menschen –, bleibt nur, das System zu übersteigen, beispielsweise im Glauben, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Dieses Transzendieren fiel aber einer Wissenschaftsgläubigkeit zum Opfer, die selbst irrationale Züge trägt und die Sinnfrage verfehlt. Ein Gefühl der Sinnhaftigkeit aber ist im »Sense of Coherence«Konzept der Salutogenese das wichtigste Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

Kriterium subjektiver Gesundheit. Im Umkehrschluss macht es die verheerende Wirkung des Demoralisierungssyndroms sozial benachteiligter Menschen umso deutlicher. Da die Soziale Arbeit unvermeidlich mit Verlust – Verlustangst, Verlusterfahrung –

konfrontiert ist, muss sie, über »sozialpolitische Bedürfnisse« hinaus, sensibel für die Sinnfrage und spirituelle Anliegen sein. »Denn jede Rede von Ganzheitlichkeit ist absurd, wenn sie die Frage nach den ›letzten Dingen‹ und die Antwort(ver)suche der Beteiligten ausklammert.« (Mühlum

Literatur Achinger, H. (1958): Sozialpolitik als Gesellschaftspolitik. Frankfurt am Main. Bourdieu, P. et al. (1997): Das Elend der Welt. Zeugnisse und Diagnosen alltäglichen Leidens an der Gesellschaft. Konstanz. Bütow, B./Chassé, K. A./Hirt, R. (Hg.) (2007): Soziale Arbeit nach dem Sozialpädagogischen Jahrhundert. Positionsbestimmungen Sozialer Arbeit im Post-Wohlfahrtsstaat. DBSH (1997): Berufsethische Prinzipien. Essen. Di Fabio, U./Oermann, N. O. (Hg.) (2008): Was schulden wir einander? Berlin. Dörner, K. (2008): Helfende Berufe im Markt-Doping. Wie sich Bürger- und ProfiHelfer nur gemeinsam aus der Gesundheitsfalle befreien. Neumünster. Drilling, M. (2004): Young urban poor. Abstiegsprozesse in den Zentren der Sozialstaaten. Wiesbaden. EKD/Katholische Bischofskonferenz (Hg.) (1997): Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland. Bonn/Hannover. Frankl, V. E. (1978): Das Leiden am sinnlosen Leben. 7. Aufl. Freiburg im Breisgau. Fromm, E. (2005): Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft. Nachdruck, Stuttgart. Lallinger, M./Rieger, G. (Hg.) (2007): Repolitisierung Sozialer Arbeit. Engagiert und professionell. Stuttgart. Lewkowicz, M./Lob-Hüdepohl, A. (Hg.) (2003): Spiritualität in der Sozialen Arbeit. Freiburg im Breisgau. Lob-Hüdepoh, A./Lesch, W. (Hg.) (2007): Ethik sozialer Arbeit. Ein Handbuch. Paderborn. Lukas, E. (2003): Spannendes Leben: In der Spannung zwischen Sein und Sollen – ein Logotherapiebuch. 3. Aufl. München. Marx, R. (2008): Das Kapital. München. Maus, F./Nodes, W./Röh, D. (2008): Schlüsselkompetenzen der Sozialen Arbeit für die Tätigkeitsfelder Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Schwalbach. Mühlum, A. (2006): Spiritualität – (k)ein Thema der Sozialen Arbeit? In: Forum Sozial 1/2006, 9–12. Mühlum, A. (2007): Spiritualität – eine vergessene Ressource der Sozialen Arbeit. In: Homfeldt, H. G. (Hg.): Soziale Arbeit im Aufschwung zu neuen Möglichkeiten. Baltmannsweiler, 78–90. Mühlum, A./Olschowy, G./Oppl, H./Wendt, W. R. (1986): Umwelt – Lebenswelt. Beiträge zu Theorie und Praxis ökosozialer Arbeit. Frankfurt am Main. Mührel, E. (2005): Verstehen und Achten. Philosophische Reflexionen zur professionellen Haltung in der Sozialen Arbeit. Essen. Sen, Amartya (2000): Ökonomie für den Menschen. Wege zur Gerechtigkeit und Solidarität in der Marktwirtschaft. München. Staub-Bernasconi, S. (2007): Soziale Arbeit: Dienstleistung oder Menschenrechtsprofession? In: Lob-Hüdepoh/Lesch (Hg.), Paderborn, 20–53. Wendt, W. R. (2008): Geschichte der Sozialen Arbeit. 5. Aufl. 2 Bände., Stuttgart. Yalom, Irvin (1999): Die Liebe und ihr Henker & andere Geschichten aus der Psychotherapie. München.

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Monitoring 2007, 78). Das ist auch ein Plädoyer für eine Sozialarbeitsphilosophie, die über berufsethische Prinzipien (DBSH 1997) und Schlüsselkompetenzen (Maus/Nodes/Röh 2008) hinausgeht und Spiritualität als Ressource (wieder) entdeckt (vgl. Lewkowicz/Lob-Hüdepohl 2003; Lob-Hüdepohl/Lesch 2007). »Den Menschen auf seine biologische Substanz, genetische Ausstattung, biochemische oder soziale Funktionen zu reduzieren, wäre ein dürftiges Bild vom Menschen. Was sollte dann daran hindern, auszumerzen, was nicht gefällt? Kinder zu dressieren, statt zu bilden; Bürger zu manipulieren, statt zu überzeugen; Leidende umzubringen, statt ihnen die Hand zu halten? Dem Diktat der Ökonomie und der Biotechnologie der Life Sciences würde am Ende die Sozialtechnologie der Social Sciences zur Seite treten – assistiert von der Sozialen Arbeit.« (Mühlum 2006, 11) Wer dies als Horrorszenario empfindet, muss eine Vorstellung von der genuinen Würde des Menschen haben, die nicht zur Disposition steht – was pointiert im Konzept der Menschenrechtsprofession (Staub-Bernasconi 2007) Ausdruck findet. Im übrigen muss sich jeder im Hilfeprozess selbst fragen: Nach den Grundfiguren seines Lebens, den Vorstellungen von Gott und Welt, Mensch und (Un-) Endlichkeit. Vor einer zu schnellen Antwort sei mit Stanislaw Jercy Lec gewarnt: »Ob ich Atheist bin, das weiß Gott allein.« Wie die Antworten auch ausfallen mögen, in den Krisen und Grenzsituationen des Lebens stellen sich die Fragen stets neu – und je älter man wird, umso drängender (Mühlum 2007, 88).

Fazit Soziale Arbeit als Agens der Politik? Ja und Nein. Nein, wenn damit ein politisches Mandat ohne demokratische Legitimation gemeint ist. Ja, wegen des ureigenen Auftrags der Profession, zu förderlichen Lebensbedingungen, sozialer Kultur und Verwirklichungschancen beizutragen. Dazu gilt es • erstens den »Blick hinter den Fächer« zu werfen, um Probleme verstehen und adäquate Lösungen entwickeln zu können (siehe Sozialarbeitsforschung) • zweitens auf strukturelle Abhilfe zu drängen, also auch Politiker zu bedrän150

gen, die Voraussetzungen für eine menschenwürdige Existenz zu schaffen (siehe geplante »Jenaer Erklärung« der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit) • drittens die Fähigkeiten der eigenen Zunft zu fördern, klientbezogen ebenso effektiv und effizient zu handeln wie in Institutionen (siehe Professionalität) • viertens eine Zivilgesellschaft zu schaffen, die den sozialen Raum kultiviert und Bürger motiviert, füreinander Ver-

antwortung zu übernehmen (siehe bürgerschaftliches Engagement). Nur ein solcher Politikmix wird den künftigen Gesamthilfebedarf abdecken können – auf dem Weg zu einer sozial integrierten Gesellschaft. Aber, um mit einem Aphorismus von Vaclav Havel zu schließen: Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas (hier: das sozialberufliche Bemühen) Sinn hat, ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht. ◆

Die Verfahrensregeln in der Anwendung

Sozialverwaltungs­ verfahrensrecht Handbuch Herausgegeben von RiBSG Dr. Wolfgang Fichte, RA Prof. Dr. Hermann Plagemann, FAMedR und FASozR, und RiLSG Prof. Dr. Dirk Waschull 2008, 433 S., brosch., 49,– €, ISBN 978-3-8329-2610-6

Das Handbuch berücksichtigt die verschiedenen Herangehensweisen der Sozialbehörden, Sozialgerichte und der Anwaltschaft. Anhand typischer Anwendungsprobleme stellen die Autoren die Verbindung von Verfahrensrecht und materiellem Recht her. Die Unterschiede zwischen dem Sozialverwaltungsverfahren nach SGB X und dem VwVfG-Verfahren werden verdeutlicht. Zahlreiche Beispiele, Antragsmuster, Gebührenhinweise sowie Ausführungen zum (einstweiligen) Rechtsschutz erhöhen den praktischen Nutzen. Aus dem Inhalt: Verwaltungsverfahren ■ Rechtskonkretisierung und -gestaltung durch Verwaltungsakt ■ Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten ■ Vertragsrecht ■ Sozialdatenschutz ■ Zusammenarbeit und Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander und gegenüber Dritten ■

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Monitoring

Verpasste Chance Berliner Integrationsstudie zeigt nur die halbe Wahrheit ■ Thomas Kunz

»Selber Schuld« scheint die Botschaft einer Studie und ihrer Rezeption zu sein, die sich vor allem mit den in Deutschland lebenden Menschen mit türkischem Migrationshintergrund beschäftigt. Beim Urteil über die »Menschen mit Migrationshintergrund« gerät die Aufnahmegesellschaft aus dem Blick. Anfang des Jahres legte das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung seine Studie »Ungenutzte Potenziale. Zur Lage der Integration in Deutschland« vor. Die Ergebnisse fanden bundesweit große Beachtung. Die Studie wartete mit plakativen und zuspitzenden Ergebnissen in Bezug auf den Integrationsstand bestimmter Nationalitätsgruppen in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund auf. Ihr mediales Echo lässt Rückschlüsse auf die Bedeutung integrationspolitisch relevanter Forschungs- und Umfrageergebnisse zu. Allerdings nicht notwendig auf die grundsätzliche Bedeutung solcher Ergebnisse, sondern insbesondere auf eine Bereitschaft der Öffentlichkeit, in den Medien vor allem Deutungsangebote exponiert zu würdigen, welche geeignet sind, gesellschaftlich und institutionell vorgegebene Rahmenbe dingungen von Integrationsprozessen in Verantwortungszumutungen an Zuwanderer zu transformieren. Ausgangspunkt der Studie war ein vom Berlin-Institut identifiziertes Erkenntnisdefizit: »Wer wie gut in Deutschland angekommen ist, wo die gut Integrierten leben und wer die Abgehängten sind, ließ sich mit den Daten, die in Deutschland bisher zur Verfügung standen, nicht beantworten.« (Woellert u. a. 2009, 5).

Prof. Dr. Thomas Kunz ist Vertretungsprofessor an der Fachhochschule Frankfurt am Main für das Fachgebiet »Soziale Arbeit in der Einwanderungsgesellschaft«. E-Mail [email protected] Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

Auch sei eine vorurteilsfreie Diskussion bislang kaum möglich (vgl. ebd.). Demgegenüber beansprucht die Studie »mehr Klarheit in dieses Dunkel zu bringen« (ebd.). Klarheit, so ist zu konstatieren, bringt sie wohl, Licht und Vorurteilsfreiheit indessen nicht unbedingt: Stellenweise reproduziert und verstärkt die Studie problematische integrationspolitische Prämissen. Es ist davon auszugehen, dass dies keine Fehler sind, sondern Hinweise auf integrationspolitische Grundannahmen, auf deren Basis die Studie und deren Verfasser operieren. Nachfolgend stehen demnach weniger die aus der Studie gezogenen Rückschlüsse im Mittelpunkt. Diese bekräftigen Bekanntes, so zum Beispiel den Rat, Integrationskonzepte maßgeschneidert und zielgruppendifferenziert anzubieten (vgl. ebd., 83 f.), das Bildungssystem zu reformieren (vgl. ebd., 84 f.) oder die Datenlage zu verbessern (vgl. ebd., 86). Grundlage des in der Studie verwendeten »Index zur Messung der Integration« bilden 15 Indikatoren, die sich auf vier Bereiche erstrecken: »Assimilation«, »Bildung«, »Erwerbsleben«, »Absicherung«. Hinzu treten »dynamische Indikatoren«, die versuchen, das »zukünftige Integrationspotenzial einer Herkunftsgruppe« zu bewerten, denn der »wahre Erfolg der Integration einer Herkunftsgruppe wie auch der nationalen Integrationspolitik« zeige sich in Entwicklungen mit Blick auf die zweite Generation. Dieses Set umfasst fünf Indikatoren: »Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft«, »bikultureller Ehen«, »Personen mit (Fach-) Hochschulreife«, »Erwerbslosenquote« und »Abhängigkeit von öffentlichen Leistungen«. Die wissenschaftlich unterfütterten Bemühungen der letzten Jahrzehnte um eine differenzierte Betrachtung der Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund – auch innerhalb einzelner, vermeintlich homogener und nach Nationa-

litäten geordneten Herkunftsgruppen –, wurden durch die Studie relativiert. Dies ist ein Rückschritt. Die Studie unterscheidet zwischen acht Herkunftsgruppen: »Aussiedler«, »Türkei«, »weitere EU-25Länder«, »Südeuropa«, »ehemaliges Jugoslawien«, »Ferner Osten«, »Naher Osten« und »Afrika«. Wohlgemerkt: Es ist nicht zu kritisieren, dass soziodemografische Daten an noch vorhandene oder ehemalige nationale oder regionale Herkunftsbezüge rückgebunden werden. Der gewählte Ansatz, die Gesamtgruppe der Menschen entlang nationalen Zugehörigkeitskriterien sowie regionalen und kontinentalen Zuordnungen zu differenzieren und in Teilgruppen zu gliedern, transformiert beim gewählten Thema »Integration« jedoch gesellschaftliche Integrationsbedingungen in ethnisch-national aufgeladene Problemlagen und evoziert diesbezügliche Kausalitäten, in dem die gewählten Zugehörigkeitskriterien (nationale, regionale und kontinentale Zuordnungen) als scheinbar verantwortlich für die Integrationsverläufe wahrgenommen werden. Bei aller Kritik bleibt aber zu konstatieren: Hierin liegt zwar eine Defizit, zugleich ist es ein Verdienst, das Thema der Abbildungs- und Beschreibungsmöglichkeit von Integrationsprozessen mittels Integrationsindikatoren einmal mehr auf die öffentliche Agenda gesetzt zu haben und sowohl auf das grundsätzliche Erfordernis als auch auf deren Fallstricke aufmerksam gemacht zu haben. Es handelt sich um ein Indikatorenraster, welches auf die Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund fokussiert. Was aus dem Blick gerät – und dadurch unterbewertet wird –, sind strukturelle Bedingungen auf Seiten der Aufnahmegesellschaft. Insofern sagen Studien wie die vorliegende wenig aus über den Integrationswillen von Menschen, viel aber über strukturelle Bedingungen, unter denen die Gesellschaft individuelle Integrationsprozesse ermög151

Monitoring licht. Oder inwieweit sie sehr wohl die Rahmenbedingungen für unterschiedliche Gruppen zu differenzieren weiß. Gerade hinsichtlich der Aussage, die für die Gruppe der Aussiedler getroffen wird (»Auf dem Weg zur Normalität«; ebd., 34), ist festzuhalten: Diese Gruppe wurde jahrzehntelang mittels eigens geschaffener politisch-institutioneller und struktureller Rahmenbedingungen – im Vergleich zu anderen Zuwanderergruppen – integrationspolitisch absichtsvoll begünstigt und bessergestellt. Die Verfasser der Studie resümieren einleitend »zwei Fronten«, die sich in der Integrationsdebatte noch vor wenigen Jahren gegenüber gestanden hätten: »Auf der einen Seite diejenigen, welche die Notwendigkeit von Integration schlicht verleugneten und die Tatsache ignorierten, dass Deutschland längst zum Einwanderungsland geworden ist. Auf der anderen diejenigen, die zwar die Bedeutung der Zuwanderung [...] wahrnahmen, aber glaubten, durch falsch verstandene Multikulti-Toleranz sämtliche Hürden des Zusammenlebens von Zugewanderten und Ein-heimischen zu überwinden« (ebd., 4). Wirkliche Integration, so die Verfasser, wurde von keiner Seite gefordert und gefördert. Dies ist eine simple Reduktion und fast schon tendenziöse Zurichtung einer wesentlich vielfältigeren und differenzierteren Positionspalette in der integrationspolitischen Debatte der letzten Jahrzehnte, ganz zu schweigen von der Breite und Differenziertheit engagiert-pointierter Fachdebatten. Allerdings, wenn man der Behauptung der Studie zu folgen bereit ist und die vermeintlichen Lager so holzschnittartig erscheinen lässt, lassen sich die Ausgangspositionen der Studie, deren Ergebnisse und die damit verbundenen integrationspolitischen Schlussfolgerungen freilich als ausgewogen darstellen sowie als scheinbar neutrale, weil wissenschaftlich fundierte Erkenntnisfortschritte vermarkten. Dass die Studie selber einem bestimmten Lager zuzurechnen ist, darauf weist zumindest die unkritische Übernahme eines in der Integrationsdebatte höchst umstrittenen Begriffes hin: Parallelgesellschaften. Der affirmative Bezug auf den Begriff der »Parallelgesellschaften« und dessen fast schon ubiquitäre Verwendung in der Publikation irritieren. Die Verfasser unterschlagen, dass es sich bei diesem Be152

griff um eine politisch aufgeladene und nicht um eine analytische Kategorie handelt (vgl. hierzu beispielsweise kritisch Nowak 2007). Die im Glossar nachzulesende Definition in Gestalt einer lediglich vierzeiligen, wenig aussagekräftigen Paraphrase (vgl. Woellert u. a. 2009, 91) bestätigt diesen unsensiblen Umgang und belegt ungewollt die fehlende wissenschaftliche und empirische Fundierung dieses Begriffes. Immerhin: Er dramatisiert und sichert – auch dieser Studie – mediale Aufmerksamkeit.

Ist jeder seines Integrationsglückes Schmied? Die Presse titelte unter Berufung auf die Studie unmittelbar im Anschluss u. a. »Für immer fremd« (Spiegel Online 2009). Es fällt auf, dass Ergebnisse, wie sie die Studie lieferte, gerne herangezogen werden, um endlich empirisch abgesichert über Integrationsdefizite bestimmter Zuwanderergruppen raisonnieren zu können. Auffällig ist auch, dass bei der Thematisierung sogenannter Integrationsprobleme vorherrschend die Migranten in den Blick genommen werden, um darüber zu befinden, ob sie es geschafft hätten, sich zu integrieren oder eben nicht. Integration wird nicht als sozialwissenschaftliche Kategorie verwendet, sondern als alltagspolitischer Allerweltsbegriff, der sich in das neoliberale Mantra einreiht, welches gerne Eigenbemühen und Eigenverantwortung betont. Es geht darum, ob und »wie gut bestimmte Migrantengruppen [...] angekommen sind« (Woellert u. a. 2009, 5). Die Rede ist davon, »besonders problematische Gruppen zu identifizieren« (ebd.). Formulierungen wie »missglückte Integration« (ebd., 29) oder »noch immer nicht angekommen« (ebd., 36) lenken die Aufmerksamkeit auf individuelle Kompetenzen, auf Gewinner und Verlierer. Letztlich scheint jeder seines Integrationsglückes Schmied zu sein. Es geht wenig um problematische Bedingungen, sondern um problematische Gruppen. Integrationserfolge werden somit als den Menschen mit Migrationshintergrund zurechenbare Erfolge eigener Bemühungen zugerechnet. Oder im gegenteiligen Fall als Misserfolg oder mangelndes Bemühen, teils gar als Verweigerung (vgl. ebd., 85). Solch eine Sichtweise hat

umgekehrt Entlastungscharakter. Die in den letzten Jahren beobachtbaren Ansätze symbolischer Politik, wie die Integrationsgipfel im Kanzleramt, die Islamkonferenz oder die unverbindlichen und wenig quantifizierten Absichtserklärungen des Nationalen Integrationsplanes, die – so nützlich oder begrüßenswert sie ansonsten sein mögen – eher Publizitätserfolge als konkrete Integrationsmaßnahmen sind, werden als Belege dafür angeführt, dass die Aufnahmegesellschaft ihrerseits zwar nicht alles Nötige, aber doch schon eine Menge unternommen habe (vgl. ebd., 5). Und nun Menschen mit Migrationshintergrund um so mehr und guten Gewissens in die (Integrations-) Pflicht nehmen kann, wenn beispielsweise davon gesprochen wird, »von ihnen verlangen [zu] können, dass sie sich auf [...] Angebote einlassen und ihrer Bringschuld zur Integration nachkommen« (ebd., 8).

Wie lange hat man eigentlich einen Migrationshintergrund? Auch wenn der noch junge Begriff »Migrationshintergrund« Lösungen für soziodemografische Beobachtungsprobleme anzubieten scheint, er ist eine Fremdzuschreibungskategorie (vgl. Hamburger 2005). Trotz der Erleichterung, mit dieser Kategorie nun endlich vermeintliches Licht ins Dunkel bevölkerungsstatistischer Beobachtungen in der Einwanderungsgesellschaft zu bringen, ist es an der Zeit, mit Blick auf den in der Studie, aber nicht nur dort, inflationär verwendeten Begriff kritische Fragen zu stellen. Weniger danach, ab wann denn eine Person über einen Migrationshintergrund verfügt, sondern zu reflektieren, bis wann Menschen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, mittels des Etiketts »Migrationshintergrund« eine Staatsangehörigkeit zweiter Klasse zugewiesen werden soll. Die Kategorie »Migrationshintergrund« folgt zunächst nur dem von Experten der Bevölkerungsstatistik und Akteuren mit integrationspolitischen Steuerungs- und Kontrollbedarfen erkannten Sachverhalt, dass angesichts der demografischen Entwicklung und der zunehmenden Integration und rechtlichen Inklusion (Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit, Einbürgerung) sogenannte

Monitoring »Ausländer« langsam »unsichtbar« werden. Mittels der Kategorie Migrationshintergrund können sie statistisch wieder sichtbar gemacht werden. Wenn für die zukünftigen Generationen derer mit Migrationshintergrund die derzeit geltende Definition »selbst zugewandert [...] oder [...] mindestens ein Elternteil zugewandert« (Woellert u.a. 2009, 91) nicht mehr greift, muss die Definition womöglich um die Großelterngeneration usw. usf. erweitert werden. Denn dies wäre die notwendige Konsequenz, da perspektivisch erneut die bevölkerungsstatistische Unsichtbarwerdung droht. So folgt aus dem zunächst nachvollziehbaren und auch vom Autor an dieser Stelle ausdrücklich geteilten Erkenntnisinteresse, gesellschaftliche Integrationsprozesse zu dokumentieren und sozialwissenschaftlich beobachtbar zu machen, das Dilemma, jene Personen immer als Menschen mit Migrationshintergrund markieren und hervorheben zu müssen – und Integrationsprozesse hier-

durch zu konterkarieren. Die Studie, so ist anzumerken, erkennt diese Fragestellung durchaus an, verfolgt sie jedoch nicht weiter (vgl. ebd., 9). Das Berlin-Institut betont die Erstmaligkeit der Entwicklung eines integrationsbezogenen Index (vgl. ebd., 28). Demgegenüber ist zu konstatieren: Die Suche nach Integrationsindikatoren ist nicht neu, seit geraumer Zeit sind Bestimmungsversuche zu beobachten. Zahlreiche Akteure auf kommunaler, auf Bundesebene, aber auch auf europäischer Ebene arbeiten seit Längerem grundlagenorientiert und praktisch daran, vergleichbare Kennzahlen für einen jeweiligen Integrationsstand zu benennen (vgl. bspw. Filsinger 2008, Halisch 2008, Niessen u.a. 2007). Einen Monat nach der hier im Mittelpunkt stehenden Studie des Berlin-Instituts wurde der Öffentlichkeit im Februar 2009 der sogenannte »IW-Integrationsmonitor« vorgestellt (vgl. Riesen 2009). Damit ist dieses Jahr bereits ein

Literatur Der Beauftragte des Senats von Berlin für Integration und Migration (Hg.) 2007: Indikatoren zur Messung von Integrationserfolgen, Berlin. Bundesregierung 2008: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Pressemitteilung Nr. 201, »Bundesregierung will Integrationserfolge wissenschaftlich messen« vom 4. Juni 2008. Filsinger, Dieter 2008: Bedingungen erfolgreicher Integration. Integrationsmonitoring und Evaluation, Expertise im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn. Halisch, Judith 2008: Frankfurter Integrationsstudie 2008, Frankfurt am Main. Hamburger, Franz 2005: »Die Verschiedenheit dominiert« in: Treffpunkt 2/2005, S.3/4. Konsortium Bildungsberichterstattung (Hg.) 2006: Bildung in Deutschland. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration, Bielefeld. Niessen, Jan/Huddleston, Thomas/Citron, Laura 2007: Index Integration und Migration. Die rechtliche Situation von Migrantinnen und Migranten in Europa (MIPEX), Brüssel. Nowak, Jürgen 2007: »Parallelgesellschaften?!« in: Migration und Soziale Arbeit 3/4 2007, S. 165–S172. O.N. 2008: »Unausgegorener Schnellschuss. Laschet rügt Böhmers IntegrationsMessplan« in: Frankfurter Rundschau vom 6. Juni 2008, S. 6. Riesen, Ilona 2009: »Der IW-Integrationsmonitor« in: IW-Trends – Vierteljahresschrift zur empirischen Wirtschaftsforschung aus dem Institut der deutschen Wirtschaft, Heft 1/2009 (Im Internet unter: www.iwkoeln.de/Portals/0/pdf/trends01_ 09_5.pdf; Stand: 26.2.2009). Spiegel Online 2009: »Für immer fremd« (Im Internet unter: www.spiegel.de/spiegel/0,1518,druck-603321,00.html; Stand: 29.1.2009). Woellert, Franziska/Kröhnert, Steffen/Sippel, Lilli/Klingholz, Reiner 2009: Ungenutzte Potenziale. Zur Lage der Integration in Deutschland, Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, Berlin. (Im Internet unter http://www.diestiftung.de/themen/71-wegweiser-fuer-gute-ffentlichkeitsarbeit.html; 06.2.2009).

Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

zweiter Vorschlag zu verzeichnen, Integration auf Bundesebene indikatorengestützt zu beurteilen. Dieses weitere Beispiel belegt die Wichtigkeit und Prominenz des Themas.

Resümee Der Studie »Ungenutzte Potenziale« des Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung sind nicht trotz, sondern gerade wegen der vorgestellten Kritik viele Leser zu wünschen. Und ebenso viele kritisch-konstruktive Rückmeldungen, um die überfällige Debatte über die »Messbarkeit« von Integrationsprozessen voranzutreiben und über Aspekte, die nicht auf die Menschen mit Migrationshintergrund fokussieren, sondern auf die Integrationskompetenz und Integrationsbereitschaft der Gesellschaft. Die in politischen Sonntagsreden häufig anzutreffende Feststellung, Integration sei keine Einbahnstraße, wird auch in der Studie paraphrasiert. Folgt man der Redewendung, bleibt zu konstatieren: Die Studie konzentriert sich vorherrschend auf eine Fahrtrichtung. Dies ist ein Versäumnis. Erforderlich ist, zumindest gleichrangig Indikatoren zu erarbeiten, die die Erkenntnis, Integration sei ein wechselseitiger Prozess, aufgreifen und operationalisieren. Formuliert werden sollten Indikatoren, die institutionelle und rechtliche Zugangsbarrieren messen, beispielsweise zu den Bereichen Arbeitsmarkt, Bildung, Gesundheit etc. In den Blick genommen werden müssten aufenthaltsrechtliche Limitierungen, politische Partizipationsmöglichkeiten, Dimensionen wie die Verbreitung stereotyper Fremdheitsbilder, herkunftsfixierte Selektionsdynamiken des Bildungssektors, Ausgrenzungsrhetoriken im öffentlichen Diskurs, gesellschaftliche Akzeptanzdefizite, Diskriminierungserfahrungen und Diskriminierungsempfinden aufgrund von Herkunft oder Hautfarbe, Häufigkeit rassistischer An- und Übergriffe etc. Solche Indikatoren auszuarbeiten und den bisher einseitigen Indikatorensets gleichrangig zur Seite zu stellen, steht weiterhin aus. ◆ Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine vom Verfasser aktualisierte Fassung eines Artikels aus der Zeitschrift »Migration und Soziale Arbeit« , Heft 2/2009.

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Monitoring

Perspektiven für Hauptschulabsolventen Ergebnisse des Modellprojekts »Servicehelfer im Sozial- und Gesundheitswesen« ■ Melanie Schuster

In einem Modellprojekt der RobertBosch-Stiftung werden Jugendliche mit Hauptschulabschluss aber ohne Ausbildungsstelle für unterstützende Tätigkeiten in der Alten- und Behindertenhilfe und im Krankenhaus ausgebildet. Dabei geht es nicht um pflegerische Tätigkeiten, sondern um allgemeine Servicetätigkeiten. In Deutschland verlassen jährlich über 75.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss, die Konsequenz heißt oft Sozialamt und Perspektivlosigkeit. Selbst ein Hauptschulabschluss bietet keine Garantie für einen Ausbildungsplatz. Gerade Jugendliche mit weniger guten Abschlusszeugnissen haben es schwer, auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Statt einer Ausbildung zieht ein Großteil der Hauptschulabsolventen Schleifen im Übergangssystem, das getrost als Maßnahmendschungel bezeichnet werden kann. So haben 40 Prozent der Hauptschulabsolventen auch eineinhalb Jahre nach dem Abschluss noch keinen Ausbildungsplatz und damit kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt. In einem Verdrängungswettbewerb um Ausbildungsplätze stehen Hauptschulabsolventen mit immer schlechteren Chancen da. Auf der anderen Seite vermelden viele Betriebe im Sozial- und Gesundheitswesen einen großen Bedarf an Servicekräften. Laut Arbeitsmarktberichterstattung der Bundesagentur für Arbeit (Januar 2009) stieg die Nachfrage nach Fachpersonal im Sozial- und Gesundheitswesen weiter an. Dienstleistungen für alte, kran-

Melanie Schuster ist Koordinatorin des Projekts »Servicehelfer im Sozial- und Gesundheitswesen« der Robert Bosch Stiftung GmbH in Stuttgart. E-Mail [email protected] 154

ke und behinderte Menschen lassen sich nicht »outsourcen«, dieser Bedarf wird auch in Zukunft wachsen. Der demografische Wandel macht deutlich, dass immer weniger junge Menschen für Dienstleistungen zur Verfügung stehen werden. Alle Jugendlichen werden gebraucht, auch wenn sie keine glänzenden Abschlusszeugnisse aufweisen können. Ausgehend von diesen Bedarfslagen hat die Robert Bosch Stiftung das Modellprojekt »Servicehelfer im Sozial- und Gesundheitswesen« entwickelt, das Hauptschulabsolventen für unterstützende Tätigkeiten in der Alten- und Behindertenhilfe und im Krankenhaus qualifiziert und damit der Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher ein neues Konzept entgegen setzen will. Ziel ist, die Jugendlichen mit einem auskömmlichen Gehalt dauerhaft in den ersten Arbeitsmarkt des Sozialund Gesundheitswesens zu vermitteln. Eckpfeiler des Modellprojekts sind eine klar umschriebene Zielgruppe (Hauptschulabsolventen, die aufgrund ihrer schulischen Leistungen oder aus anderen Gründen keine Lehrstelle finden), eine auf sie zugeschnittene Ausbildung und ein Curriculum, das diese Rahmenbedingungen berücksichtigt. Nach der einjährigen Qualifizierungsphase folgt ein Jahr Bewährung auf dem Arbeitsmarkt als fester Bestandteil des Modellprojekts. Zentrales Element des Projekts ist ein Kooperationsverbund, der aus Trägervertretern der am Modell beteiligten Einrichtungen sowie einzelnen Experten aus Hauptschule, Bildung und Sozialministerium besteht. Der Verbund ist an der Weiterentwicklung des Modellkonzepts sowie an der Begleitung und Steuerung beteiligt. Zehn Träger der Alten- und Behindertenhilfe sowie der Krankenpflege, darunter das Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg, bieten in Einrichtungen im Großraum Stuttgart, Reutlingen und Augsburg Ausbildungsplätze an.

Die Jugendlichen im Modellprojekt lernen ein Jahr lang durch praktisches Tun in den jeweiligen Einrichtungen (70%) und durch Theorieunterricht in der Schule (30%). Der theoretische Unterricht findet in Blöcken statt, im Durchschnitt drücken die Servicehelfer stets zwei Wochen die Schulbank und sind anschließend vier bis sechs Wochen in der Praxis, um die in der Theorie erworbenen Fähigkeiten umzusetzen und zu vertiefen. Das Curriculum wurde mit Blick auf die Zielgruppe und auf den Bedarf in der Praxis eigens entwickelt und unterliegt einem kontinuierlichen Revisionsprozess. In der Schule wird beispielsweise Hintergrundwissen zu alten, behinderten und kranken Menschen vermittelt; richtiger Umgang und kreative Beschäftigungsmöglichkeiten mit Bewohnern und Patienten werden ebenso erlernt wie das Zubereiten von kleinen Mahlzeiten. Wichtige Regeln für Transportdienste, der Umgang mit Werkzeug und Geräten und Hygiene-Richtlinien stehen genauso auf dem Stundenplan wie ein Erste-HilfeKurs und grundlegende Kommunikationsregeln zur Stärkung der sozialen Kompetenz. In den praktischen Einrichtungen werden die Jugendlichen in einem oder mehreren der folgenden Bereiche eingesetzt: • patienten- und bewohnernahe Tätigkeiten • serviceorientierte und hauswirtschaftliche Tätigkeiten • (haus-)technische und logistische Tätigkeiten • administrative Tätigkeiten Servicehelfer, die patienten- und bewohnernahe Tätigkeiten durchführen, begleiten diese beispielsweise zu Veranstaltungen, zu Arztbesuchen oder bei Einkäufen, lesen vor, gehen mit Patienten und Bewohnern spazieren oder helfen bei der Auswahl von Speisen. Zu serviceorientierten und hauswirtschaftlichen Tätigkeiten gehören das Reinigen von Rollstühlen, Betten machen,

Monitoring das Zubereiten von kleineren Mahlzeiten oder Kaffee, Tische decken, Wäsche verteilen und die Mithilfe in der Cafeteria. Servicehelfer, die (haus-) technische und logistische Tätigkeiten durchführen, bringen Material ins Labor, hängen Bilder auf, wechseln kaputte Glühbirnen aus, kümmern sich um Pflanzen und Außenanlagen oder trennen und entsorgen Abfall. Unter administrative Tätigkeiten fallen beispielsweise das Anfertigen von Kopien oder das Sortieren von Akten und Karteikarten.

gleitend und ergebnisorientiert untersucht werden. Die damit beauftragten Evaluatoren gehen beispielsweise der Frage nach, ob sich die Ausbildung und der Einsatz letzten Endes für Einrichtungsträger und auch aus Qualitätsgesichtspunkten heraus für ältere, kranke und behinderte Menschen rechnen. Nach Auswahlgesprächen und kurzen Hospitationen in den Einrichtungen haben 22 junge Menschen am 1. November 2007 mit der Ausbildung begonnen. Die Jugendlichen hatten zum Auswahlzeitraum – längstens nach den Sommerfe-

»Alle Jugendlichen werden gebraucht, auch wenn sie keine glänzenden Abschlusszeugnisse haben« Die Servicehelfer sollen das Pflegepersonal durch Tätigkeiten entlasten, die nicht originär zur Pflege gehören. Es geht also keinesfalls darum, Billigpflege anzubieten. Durch den verbesserten Kontakt zu Bewohnern und Patienten und die damit einhergehende Serviceverbesserung erwarten sich die Einrichtungen eine Qualitätsverbesserung für ihre Kunden. Die Servicehelfer sind während ihrer Ausbildung nicht auf sich alleine gestellt: In den Einrichtungen werden sie von Praxisanleitern, die auf die spezifischen Anforderungen der Jugendlichen eingehen, unterstützt und angelernt. Hinzu kommt eine intensive pädagogische Betreuung der Servicehelfer seitens der Schule, die stark nachgefragt wird. Falls es bei einzelnen Servicehelfern größere Probleme gibt, steht eine übergeordnete pädagogische Fachkraft als Ansprechpartnerin und neutrale Instanz zur Verfügung. Falls nötig, wird an weiterführende Beratungsstellen vermittelt. Das Modellprojekt, mit dem die Berufsschulpflicht abgegolten ist, sieht das erste Beschäftigungsjahr als zentralen Bestandteil des Modells. Anschließend erfolgt die staatliche Anerkennung der Ausbildung. Besonders wichtig erscheint, dass die Voraussetzungen für einen Erfolg des Modellprojekts ausführlich prozessbeBlätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

rien – keinen Ausbildungsplatz gefunden und deshalb die Eingangskriterien erfüllt. Bei der Akquise der Jugendlichen hat sich vor allem die direkte Ansprache durch Lehrer als zielführend erwiesen. 60 Prozent der Servicehelfer des ersten Durchgangs haben das Jahr theoretische und praktische Ausbildung »geschafft« und schließlich die Prüfungen mit einem Notendurchschnitt von 2,4 bestanden. Als Lohn ihres Durchhaltevermögens folgte zum 1. November 2008 die mindestens einjährige Anstellung in den jeweiligen praktischen Einrichtungen. In den zweiten Durchgang des Modellprojekts, der im Oktober 2008 begonnen hat, fließen erste Evaluierungsergebnisse ein. Auch im zweiten Durchgang wurden 22 Servicehelfer aufgenommen. Momentan (Februar 2009) sind noch alle Jugendlichen engagiert dabei und nutzen ihre Chance, sich im Berufsleben zu etablieren. ◆ Weitere Informationen: Internet http://www. bosch-stiftung.de/servicehelfer.

Der Rückgriff gegen Angehörige von Sozial­ leistungsempfängern Arbeitslosengeld II, Sozialgeld, Sozialhilfe, Grundsicherung Von Prof. Dr. Christian Müller 5. Auflage 2008, 248 S., brosch., 34,– €, ISBN 978-3-8329-2922-0 Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Sozialamt erbrachte Geldleistungen von den (potentiell) unterhaltspflichtigen Angehörigen zurückfordern kann, hat in den letzten Jahren stetig an Bedeutung gewonnen. Die Neu­ auflage untersucht nicht nur die Rückgriffsmöglichkeiten beim Sozialhilfebezug, sondern auch die unterhaltsrechtlichen Auswir­ kungen im Rahmen des SGB II. Im Einzelnen behandelt der Band ■ die Grundzüge des Unterhalts­ rechts nach der Reform, ■ die Möglichkeiten und Grenzen der Inanspruchnahme naher Angehöriger beim Bezug von Sozialhilfe, ■ den Regress beim Bezug von Arbeitslosengeld II und Sozial­ geld nach SGB II, ■ den Einfluss von Unterhaltsan­ sprüchen bei der Gewährung von Leistungen der Grundsiche­ rung im Alter und bei Erwerbs­ minderung nach SGB XII.

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Magazin

Fachinformationen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e.V., Oranienburger Straße 13-14, 10178 Berlin, Telefon 030 24636-0, Fax 03024636110, E-Mail [email protected], Internet http://www.paritaet.org

Paritätischer kritisiert Regelsatzerhöhung als völlig unzureichend Als völlig unzureichend kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband die vom Bundessozialministerium angekündigte Erhöhung von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe auf 359 Euro. Nach Berechnungen des Paritätischen sei eine Erhöhung auf 440 Euro nötig, um mit dem Regelsatz Einkommensarmut zu verhindern. Die bestehenden Regelsätze seien vorne und hinten zu knapp, so der Hauptgeschäftsführer des Wohlfahrtsverbandes, Dr. Ulrich Schneider. »Wenn mir Monat für Monat rund 90 Euro für meinen Lebensunterhalt fehlen, sind acht Euro mehr in der Tasche ein erster Schritt, aber keine Lösung.« Allein der Kaufkraftverlust in Folge der Preissteigerungsrate seit 2003 erfordere nach Berechnungen des Verbandes eine Anhebung um mindestens 24 Euro auf 375 Euro. Die weitere Differenz ergebe sich daraus, dass verschiedene Ausgabepositionen bei den Berechnungen des Ministeriums eklatant unterbewertet seien, beispielsweise für kulturelle Teilhabe oder für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs. Der Verband kritisiert die Regelsatzfortschreibung anhand des Rentenwertes als nicht sachgerecht. Neben der Neuberechnung der Regelsätze fordert er daher, die Anpassung der Regelsätze künftig anhand den tatsächlichen Lebenshaltungskosten vorzunehmen. Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V., Oranienburger Straße 13–14, 10178 Berlin, Telefon 030 24636-0, Fax 030 24636110, E-Mail [email protected], Internet http://www.paritaet.org

Arbeitshilfe zur Feststellung des erzieherischen Bedarfs Mit einer neuen Fassung der erstmalig 2001 herausgegebenen »Sozialpädagogischen Diagnose-Tabellen« legt das Bayerische Landesjugendamt eine Handreichung zur Diagnostik in der Kinder- und Jugendhilfe vor. Die Handreichung soll Fachkräfte in der Alltagspraxis unterstüt156

zen, insbesondere in der Einschätzung einer Gefährdung des Kindeswohls und der Feststellung der Leistungsvoraussetzungen für eine Hilfe zur Erziehung. In der neuen Publikation wurden die Ergebnisse und Empfehlungen der Studie »EST! Evaluation Sozialpädagogische Diagnose« berücksichtigt, die vom Institut für Kinder- und Jugendhilfe in Mainz mit einer Laufzeit von fünf Jahren durchgeführt wurde. Die nunmehr auch auf Anhaltspunkte einer Kindeswohlgefährdung hin akzentuierte Arbeitshilfe vermittelt im ersten Teil Grundlagen zur Diagnostik in der Kinder- und Jugendhilfe, den konzeptionellen Rahmen und den strukturellen Aufbau der Sozialpädagogischen Diagnose-Tabellen. Beginnend mit den notwendigen Eingangsdaten für die Sozialpädagogische Diagnose beinhaltet der zweite Teil die Diagnose-Tabellen selbst in einer Kurzfassung mit 20 Merkmalen, in einer Langfassung mit 80 Merkmalen und den Erläuterungen: Konkretisierungen, altersspezifische Beispiele, sowie die zusammenfassende Feststellung des erzieherischen Bedarfs. Die Publikation »Sozialpädagogische Diagnose. Arbeitshilfe zur Feststellung des erzieherischen Bedarfs« kostet 1,80 Euro. Zentrum Bayern Familie und Soziales, Bayerisches Landesjugendamt, Postfach 40 02 60, 80702 München, Telefon 089 1261-2538; Fax 089 1261-2280, E-Mail [email protected], Internet http://www.blja.bayern.de

Aufsichtspflicht und Haftung in der Erziehungshilfe Im Mittelpunkt der Veröffentlichungen des Evangelischen Erziehungsverbandes zum Thema »Aufsichtspflicht und Haftung« steht die Kernaussage: »Pädagogik hat Vorfahrt«. Die Leserinnen und Leser sollen mit der Handreichung in die Lage versetzt werden, sich ein eigenes Urteil in der jeweiligen spezifischen pädagogischen Situation bilden zu können. Denn allgemeine Rezepte oder Anweisungen, wie das pädagogische Handeln ausgerich-

tet sein muss, um der Aufsichtspflicht Genüge zu tun, helfen im Einzelfall nicht weiter. Die Frage der Haftung muss immer in der konkreten Situation geklärt werden. Die zehn Hinweise zur Aufsichtspflicht in den Erziehungshilfen heben die Notwendigkeit des Beobachtens, Belehrens und Dokumentierens und damit der jeweiligen Berücksichtigung der individuellen pädagogischen Situation hervor. Die in der Anlage beigefügten Gesetzesurteile spiegeln die Differenziertheit der Thematik wider und zeigen, dass es darauf ankommt, individuelle Situationen der Aufsichtspflicht durch die pädagogischen Fachkräfte zu beurteilen. Das 124-seitige Heft kostet zehn Euro zuzüglich fünf Euro Versandpauschale. Evangelischer Erziehungsverband e. V., Bundesverband evangelischer Einrichtungen und Dienste der Kinder- und Jugendhilfe, Flüggestraße 21, 30161 Hannover, Telefon 0511 39088114, Fax 0511 39088116, E-Mail [email protected], Internet http://www.erev.de

Europäisches Handbuch zum Jugendmedienschutz Auf acht Prinzipien für einen besseren Jugendmedienschutz haben sich die Mitglieder eines europäischen Netzwerks von Unternehmen und Wohlfahrtsorganisationen verständigt. Die Umsetzung der Prinzipien des Youth Protection Roundtable wird unterstützt durch einen Katalog von Anregungen und Empfehlungen für technische und pädagogische Maßnahmen (»YPRT Toolkit«). Eltern und Pädagogen werden durch das Handbuch über Chancen und Risiken der Internetnutzung aufgeklärt. Die YPRT-Prinzipien und das »YPRT Toolkit« sowie die Ergebnisse der Expertenbefragung in englischer Sprache stehen zum Herunterladen im Internet zur Verfügung. Internet http://www.yprt.eu

Deutscher Kinder- und Jugendhilfepreis 2010 ausgeschrieben Die Arbeitsgemeinschaft für Kinderund Jugendhilfe (AGJ) schreibt den Deutschen Kinder- und Jugendhilfepreis 2010 – Hermine-Albers-Preis – in den Kategorien Praxispreis, Theorie- und Wissenschaftspreis sowie Medienpreis der Kin-

Magazin Termine Gruppenprozesse strukturieren und steuern. 21. bis 23. September 2009 in München. Kosten 360,- Euro. Institut für Beratung und Projektentwicklung (IBPro), Lindwurmstraße 129e, 80333 München, Telefon 089 475061, Fax 089 4705920, E-Mail [email protected], Internet http://www.ibpro.de Finanzierungsalternativen in der Sozialwirtschaft: Praxis Fundraising. 23. September 2009 in Frankfurt am Main. Tagungsgebühr 105,- Euro. Fort- und Weiterbildungsinstitut der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Frankfurt am Main e. V., Henschelstraße 11, 60314 Frankfurt am Main, Telefon 069 298901-56, Fax 069 29890150, E-Mail [email protected], Internet http://www.awo-frankfurt.de/awo/Bildung/FWIA Case Management Basismodul. Berufsbegleitende zertifizierte Weiterbildung in vier Abschnitten. Abschnitt 1: 28. bis 30. September 2009 in Mainz. Katholische Fachhochschule Mainz, Institut für Fort- und Weiterbildung, Saarstraße 3, 55122 Mainz, Telefon 06131 28944-0, Fax 06131 2894450, E-Mail [email protected], Internet http://www.kfh-mainz.de Herausforderungen annehmen. 24. und 25. September 2009 in Bonn. 10. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Controlling in der Sozialwirtschaft e. V. (DGCS), RheinAhrCampus Remagen, Südallee 2, 53424 Remagen, Telefon 02642 932-409, Fax 02642 932-308, E-Mail [email protected], Internet http://www.dgcs.de Gerechtigkeit? Verantwortung? Sicherheit? Soziale Arbeit positioniert sich! 7. Bundeskongress Soziale Arbeit. 24. bis 26. September 2009 in Dortmund. Organisationsbüro Bundeskongress Soziale Arbeit. TU Dortmund, Fakultät Erziehungswissenschaft und Soziologie, Emil-Figge-Straße 91, 44227 Dortmund, Telefon 0231 755-6065, Fax 0231 755-6225, E-Mail [email protected] »Schmiede das Eisen, wenn es kalt ist« Wege aus der Eskalationsfalle in der Jugendhilfe. 5. bis 7. Oktober 2009 in Remagen-Rolandseck. Teilnahmebeitrag mit Unterkunft 340,- Euro. AWO-Bundesakademie, Blücherstraße 62-63, 10961 Berlin, Telefon 030 26309-0, Fax 030 26309-211, E-Mail [email protected], Internet http://www.akademie.awo.org Nähe geben, Distanz bewahren. Professioneller Umgang in der Betreuung. 12. und 13. Oktober 2009 in Berlin. Teilnahmebeitrag 265,- Euro. Paritätische Akademie, Oranienburger Straße 13/14, 10178 Berlin, Telefon 030 280495-0, Fax 030 28049529, E-Mail [email protected], Internet http://www.akademie.org Führungskraft als Coach: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezielt fördern, gemeinsam gute Leistung erbringen. 22. Oktober 2009 in Stuttgart. Lehrgangsgebühren 90,- Euro. Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg, Postfach 10 53 41, 70046 Stuttgart, Telefon 0711 61926-0, Fax 0711 61926199, E-Mail [email protected], Internet http://www.wohlfahrtswerk.de Sozialpolitische und sozialrechtliche Basics für Führungskräfte. 9. bis 11. November 2009 in Freiburg im Breisgau. Teilnahmegebühr. Fortbildungs-Akademie des Deutschen Caritasverbandes, Postfach 4 20, 79004 Freiburg im Breisgau, Telefon 0761 200-538, Fax 0761 200-199, E-Mail [email protected], Internet http://www.fak.caritas.de Märkte für Menschen: verantworten – gestalten – selbst bestimmen. 11. Fachmesse und Kongress sowie 78. Deutscher Fürsorgetag. 10. bis 12. November 2009 in Nürnberg. ConSozial, Postfach 11 63, 90588 Schwarzenbruck, Telefon 09128 502601, Fax 09128 502602, E-Mail [email protected], Internet http://www.consozial.de Hilfreiche Methoden der Gesprächsführung. 27. November 2009 in Chemnitz. Kursgebühr 50,- Euro. Sächsische Sozialakademie, Bildungswerk für soziale Berufe und Jugendhilfe e. V., Helmholtzstraße 30, 09131 Chemnitz, Telefon 0371 410579, Fax 0371 441773, E-Mail [email protected], Internet http://www.sozialakademie-sachsen.de Zwanzig Jahre Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit – zwanzig Jahre Profilierung der Sozialarbeitswissenschaft. Ein Blick zurück, ein Blick nach vorn. 27. und 28. November 2009 in München. Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit e. V., Postfach 11 29, 74370 Sersheim, Telefon 07042 3948, Fax 07042 815540, E-Mail [email protected], Internet http://www.deutsche-gesellschaft-fuer-soziale-arbeit.de Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

der- und Jugendhilfe aus. Der Deutsche Kinder- und Jugendhilfepreis wird von den Obersten Landesjugend- und Familienbehörden gestiftet und vom Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe alle zwei Jahre verliehen. Es werden sowohl Eigenbewerbungen als auch Benennungen durch Dritte berükksichtigt. Die Bewerbungsunterlagen können auf den AGJ-Internetseiten heruntergeladen werden und müssen der Geschäftsstelle bis zum Einsendeschluss am 31. Oktober 2009 vorliegen. Internet http://www.agj.de/jugendhilfepreis

Pflegeberatung im Supermarkt In Österreich weitet die Caritas ihre Kooperation in der Pflegeberatung mit der Supermarktkette »Interspar« aus. Nach einem Pilotprojekt in Wien-Döbling wird es drei weitere Angebote in Niederösterreich geben. »Die Idee war, die Hilfe zu Menschen zu bringen und nicht darauf zu warten, dass vor allem ältere Menschen zum Amt laufen oder zu den Hilfsorganisationen, um sich zu informieren«, so ein Vertreter der Caritas. Neben Antworten auf allgemeine Fragen, etwa zu den Bestimmungen rund um das Pflegegeld oder den Unterschied zwischen einer Heimhilfe und der Hauskrankenpflege, werden die Dienste der Caritas im Bereich Pflege angeboten. Informiert wird beispielsweise über die Hauskrankenpflegedienste, die CaritasSeniorenhäuser, das Notruftelefon für ältere Menschen oder die Vermittlung einer 24-Stunden-Pflegebetreuung. Ein großer Schwerpunkt liegt auf dem Angebot einer psychosozialen Beratung für pflegende Angehörige. Caritas Österreich, Albrechtskreithgasse 19– 21, 1160 Wien, Telefon +43-1-488 31-400, E-Mail [email protected], Internet http://www.caritas-austria.at

Studierende schreiben Handlungsleitfaden für Pflegeheim Etwa 30 Seniorenheime gibt es in Münster. Die Entscheidung für oder gegen eine Einrichtung fällt denjenigen oft schwer, die sich mit der Unterbringung von Angehörigen auseinandersetzen müssen. Zu wenig scheinen sich die Heime zu unterscheiden. Und für die Betreiber ist es wichtig, ihre speziellen Facetten hervorzuheben, denn die Angebote konkurrieren untereinander. Das sah auch die Leitung des Friederike-Fliedner-Hauses in 157

Magazin Münsters Kreuzviertel so. Deshalb wandte sie sich an Prof. Dr. Frank Ramsauer, der am Fachbereich Oecotrophologie der Fachhochschule Münster Dienstleistungsmanagement lehrt. Zunächst untersuchten die Studierenden des Masterstudiengangs »Nachhaltige Dienstleistungs- und Ernährungswirtschaft« die Infrastruktur, externe und interne Kommunikation sowie die Netzwerkarbeit des Hauses. »So haben wir festgestellt, dass das Friederike-Fliedner-Haus noch keinen eigenen Internetauftritt hat, im Telefonbuch schwer zu finden ist und ein klares Corporate Design fehlt«, beschreibt Melanie Lukas ein Untersuchungsergebnis. Qualitätsbewusste Leistungsangebote würden aber mehr Öffentlichkeit verdienen. Außerdem sei die Kooperation mit ehrenamtlichen Mitarbeitern verbesserungsfähig. Die Studierenden fassten ihre Vorschläge in einem Handlungsleitfaden zusammen. Sie empfehlen unter anderem eine eigene Website, die über das Leitbild, die Pflegeangebote – speziell für Demenzkranke – und alles Wissenswerte informiert. Flyer könnten in knappen Texten und anschaulichen Fotos das Haus porträtieren. Ginge es nach den Studierenden, würde die Infrastruktur um einige Serviceeinrichtungen erweitert. »Das reicht von Übernachtungsmöglichkeiten für Angehörige bis zum Sprachkurs«, so Lukas. Um die Netzwerkarbeit besser zu organisieren, schlagen die Studierenden den Kontakt mit der Freiwilligenagentur, dem Fachbereich Pflege und Gesundheit an der Fachhochschule Münster und zu Schulen vor. Fachhochschule Münster, Prof. Dr.-Ing. Frank Ramsauer, Corrensstraße 25, 48149 Münster, Telefon 0251 83-65428, Fax 0251 83-65469, E-Mail [email protected], Internet http://www.fh-muenster.de

Themenhefte der Blätter der Wohlfahrtspflege Interkulturelle Arbeit Blätter der Wohlfahrtspflege 6/2004

Demografischer Wandel Blätter der Wohlfahrtspflege 1/2005

Bildung Blätter der Wohlfahrtspflege 2/2005

Bürgerengagement Blätter der Wohlfahrtspflege 3/2005

Gemeindepsychiatrie Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2005

Standards Sozialer Arbeit

Islam Kritische Kooperation erwünscht: Muslimische Vereine als Partner in der Sozialen Arbeit Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2008

Pflegeversicherung Fünf Fragen an die Pflege der Zukunft: Who cares? Wie Unterstützung und Kooperation gestalten? Wie Teilhabe sichern? Wie finanzieren? Was macht gute Pflege aus? Blätter der Wohlfahrtspflege 5/2008

Blätter der Wohlfahrtspflege 1/2006

Corporate Citizenship Gute Geschäfte: Die Renaissance unternehmerischen Engagements Kooperationen sind Tauschgeschäfte: Wie man Unternehmen als Partner gewinnt Pflegeversicherung

Ausbildung in der Sozialen Arbeit

Blätter der Wohlfahrtspflege 6/2008

Blätter der Wohlfahrtspflege 2/2006

Aspekte kommunaler Versorgung Die Zukunft der Kommune: weniger, älter, bunter

Blätter der Wohlfahrtspflege 5/2005

Performanz – Wissen, was man tut, und zeigen, was man leistet Blätter der Wohlfahrtspflege 6/2005

Wohngemeinschaften

Die Verortung Sozialer Arbeit Blätter der Wohlfahrtspflege 3/2006

Wirtschaft Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2006

Das Persönliche Budget Blätter der Wohlfahrtspflege 5/2006

Engagement als Ressource

Blätter der Wohlfahrtspflege 1/2009

Forschung Wissen generieren für die Theorie und für die Praxis Sozialer Arbeit Blätter der Wohlfahrtspflege 2/2009

Soziale Arbeit und Wohnungswirtschaft

Verbraucherschutz Vom Klienten zum Kunden – Konsequenzen für soziale Dienste und Einrichtungen

Blätter der Wohlfahrtspflege 1/2007

Blätter der Wohlfahrtspflege 3/2009

Blätter der Wohlfahrtspflege 6/2006

Stiftungen Blätter der Wohlfahrtspflege 2/2007

Beratung Blätter der Wohlfahrtspflege 3/2007

Krisendienste Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2007

Schnittstellen der Jugendhilfe Blätter der Wohlfahrtspflege 5/2007

Selbstständigkeit Blätter der Wohlfahrtspflege 6/2007

2010 wird das Europäische Jahr der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung Die Europäische Union hat beschlossen, das nächste Jahr zum Europäischen Jahr der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung zu machen. Gegenwärtig leben 16 Prozent der EU-Bevölkerung, das sind 78 Millionen Menschen, an der Armutsgrenze. Für Kundgebungen und Kampagnen auf europäischer und nationaler Ebene sowie für Untersuchungen und Studien stehen insgesamt 17 Millionen Euro zur Verfügung. Aktionen 158

Kindertagesstätten Blätter der Wohlfahrtspflege 1/2008

Jugendsozialarbeit Blätter der WohlfahFrtspflege 2/2008

Wohlfahrtsverbände Produktionsauftrag: zivilgesellschaftlicher Mehrwert Blätter der Wohlfahrtspflege 3/2008

Der Jahresbezugspreis beträgt 62,– Euro (für Studierende und arbeitslose Bezieher auf jährlichen Nachweis 31,– Euro). Die Einzelhefte können zum Preis von 14,– Euro zuzüglich Versandkosten und Mehrwertsteuer bezogen werden bei: Nomos Verlagsgesellschaft, 76520 Baden-Baden, Telefon 07221 2104-39, Fax 07221 210443, E-Mail [email protected]

Magazin Kennzahlen

Ohne Zahl kann die Vielheit der Dinge nicht bestehen; denn ohne Zahl gibt es keine Unterscheidung, Ordnung, Proportion, Harmonie. auf EU-Ebene werden mit 80 Prozent gefördert, solche auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene werden mit 50 Prozent von der EU kofinanziert. Eine 34seitige Zusammenfassung des EU-Vorschlags für eine Europäisches Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung im Jahre 2010 kann als PDF-Dokument kostenlos bei der Redaktion von SOZIALwirtschaft aktuell angefordert werden (E-Mail [email protected]).

Nikolaus von Kues, deutscher Philosoph (1401–1464)

2.766 Durchschnittliche Kosten in Euro für die vollstationäre Pflege und Unterbringung bei Pflegestufe III in einem deutschen Pflegeheim (stand Ende 2007)

3.127

Europäisches Parlament, Rue Wiertz – Wierzstraat, 1047 Brüssel, Telefon 0032 228-0, Fax 0032 22843530, E-Mail [email protected], Internet http://www.europarl.eu.int

Durchschnittliches Brutto-Monatsgehalt (einschließlich Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld) in Euro eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich in Deutschland im vierten Quartal 2008

Videoclips zu sozialen Ausbildungsberufen online Mit sechs Internetspots will die Diakonie junge Menschen für eine Ausbildung in sozialen Berufen interessieren. In den Videoclips testen junge Frauen und Männer, die eine Ausbildung in einem sozialen Berufe machen, ihre Fähigkeiten in diversen Wettbewerben: Beim Kuchen-Wettessen im Altenheim, als Fakir auf einem Nagelbrett, beim Wettfrieren im Kühlhaus oder beim Speed-Shopping im Supermarkt. Der Zuschauer soll dadurch erkennen, dass sich die Stärken der Auszubildenden erst bei ihren beruflichen Tätigkeiten voll entfalten. Daher lautet das Leitthema der Spots »Menschlichkeit 1. Platz«. Vorgestellt werden die Berufsbilder Altenpfleger, Erzieher, Gesundheitsund Krankenpfleger, Hauswirtschafter, Heilerziehungspfleger und Sozialassistent. Die Spots sind auf der Website des Diakonischen Werkes der EKD sowie auf den Internetportalen YouTube, MySpace und Facebook zu sehen (Stichwort »Diakonie«.

23.165 Zahl junger Menschen zwischen 10 und 20 Jahren in Deutschland, die 2007 aufgrund einer Alkoholvergiftung stationär im Krankenhaus behandelt werden mussten

4.900 Betrag in Euro, den im Jahr 2006 die öffentlichen Haushalte in Deutschland durchschnittlich für die Ausbildung einer Schülerin oder eines Schülers an öffentlichen Schulen ausgegeben haben

364.190 Zahl der Kinder unter drei Jahren in Kindertagesbetreuung in Deutschland (Stichtag: 15. März 2008)

149 Zahl der Selbsthilfegruppen, die von einer Selbsthilfekontaktstelle in Deutschland durchschnittlich unterstützt wird (Stand 2007)

Internet http://www.diakonie.de/ 5048_DEU_HTML.htm

Blätter der Wohlfahrtspflege 4/2009

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Blätter der Wohlfahrts pflege Deutsche Zeitschrift für Soziale Arbeit

Leitgedanken der Blätter der Wohlfahrtspflege

1.

Die Blätter der Wohlfahrtspflege wenden sich an Fachkräfte der Sozialen Arbeit und an andere sozialberuflich Mitwirkende im Sozial- und Gesundheitswesen sowie in der Beschäftigungsförderung. Angesprochen werden Fach- und Führungskräfte in sozialen Organisationen, Sozialpolitiker und Leiter kommunaler Sozialverwaltungen; Referenten in Verwaltungen und Organisationen, Berater, Wissenschaftler und Studierende in Aus- und Weiterbildung.

2.

Die Blätter der Wohlfahrtspflege verstehen sich als deutsche Zeitschrift für Sozialarbeit. Sie informieren über die Vielfalt sozialen Lebens, diskutieren aktuelle Entwicklungen und setzen neue Akzente. Sie beleuchten Entwicklungen der Gesellschafts- und Sozialpolitik und beteiligen sich an der internationalen Diskussion über Soziale Arbeit.

3.

Die Blätter der Wohlfahrtspflege pflegen den Austausch zwischen Theorie und Praxis, zwischen Sozialwissenschaften und sozialer Erfahrung, zwischen Fachöffentlichkeit, Politik und Bürgerschaft. Sozialer Praxis eng verbunden, sind sie ein Forum lebendiger Fachlichkeit. Sie fördern die Entwicklung der Wissenschaft Sozialer Arbeit und berücksichtigen die sich wandelnden Anforderungen an die Ausbildung sowie die Fort- und Weiterbildung. Die Blätter der Wohlfahrtspflege widmen sich allen Feldern Sozialer Arbeit. Sie sehen sich dem Grundsatz bürgerschaftlicher und gemeinwesenorientierter Sozialer Arbeit verpflichtet.

4.

Die Blätter der Wohlfahrtspflege behandeln in jeder Ausgabe als Schwerpunkt ein Thema aus der Sozialen Arbeit. Neben Grundsatzbeiträgen stehen Praxisberichte, Modellbeschreibungen und Arbeitshilfen. Ergänzt wird dieser Schwerpunktteil durch Beiträge aus anderen Themenbereichen sowie durch aktuelle Notizen. Die Blätter der Wohlfahrtspflege erscheinen alle zwei Monate.

5.

Die im Jahre 1848 gegründeten Blätter der Wohlfahrtspflege werden herausgegeben vom Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg. Die Zeitschrift erscheint in der Nomos Verlagsanstalt in Baden-Baden. Herausgeber, Verlag und Redaktion werden in der inhaltlichen Gestaltung der Zeitschrift unterstützt durch einen einvernehmlich berufenen Beirat, dem Expertinnen und Experten der Sozialen Arbeit und der Sozialwirtschaft angehören.

Vom Beirat der Blätter der Wohlfahrtspflege verabschiedet am 24. Mai 2006

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