Autorität in Deutschland

August 19, 2016 | Author: Fabian Fleischer | Category: N/A
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Her bert Quandt -St if t ung

Gedanken

zur

20

Zukunft

Autorität in Deutschland Eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach Thomas Petersen

Autorität in Deutschland Eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach Thomas Petersen

Inhalt

Vorwort Autorität heute – neue Formen, andere Akteure?

Impressum

Herausgeber Herbert Quandt-Stiftung Am Pilgerrain 15 D-61352 Bad Homburg v. d. Höhe Tel: +49 (0) 6172 404- 500 Fax: +49 (0) 6172 404- 545 [email protected] www.herbert-quandt-stiftung.de Redaktion Roman Weigand Gestaltung und Satz Stählingdesign, Darmstadt ©

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Einleitung

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Was bedeutet „Autorität“?

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Wie wichtig ist Autorität?

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In welchen Bereichen ist Autorität notwendig?

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Autorität als Persönlichkeitseigenschaft

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Die Akzeptanz von Autorität im Alltag

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Vertrauen – Autorität – Freiheit

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Zusammenfassung

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Anhang

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Der Autor

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Leitbild der Herbert Quandt-Stiftung

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Herbert Quandt-Stiftung, 2011

ISBN 978-3-937831-18-3

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Vorwort

Autorität heute – neue Formen, andere Akteure?



christof eichert

Worauf ist noch Verlass? Auf der Höhe der Bankenkrise formulierte die Herbert Quandt-Stiftung diese Frage als Überschrift für ihr kommendes Dreijahresthema. Der Schock der Lehman-Pleite war groß und für einen kurzen Moment schien kein Sicherungssystem die Einlagen deutscher Sparer schützen zu können. Doch dass nach Banken- und Wirtschafts­ krise auch noch das gesamte Euro-Währungssystems ins Wanken geraten würde, war seinerzeit nicht absehbar. Die Ahnung aber, die bestehende Ordnung könnte grundlegend aus den Fugen geraten sein, bestätigte sich auf dramatische Weise durch die Notlagen ganzer Staatshaushalte. Die Frage nach der Verlässlichkeit, nach stabilen Parametern gesell­ schaft­ lichen Zusammenhalts, ist jedoch keineswegs nur der Krise geschuldet und auf wirtschaftliche Zusammenhänge beschränkt. Viel­ mehr stellt sie sich einer jeden Gesellschaft, die den rasanten Dynamiken und Veränderungsprozessen unserer Tage ausgesetzt ist. Ob die Stichworte dabei Globalisierung oder Technisierung lauten, ob es um Ressourcenverteilung, Energie- und Umweltfragen, um Demographie, Migration oder den Sozialstaat, um Bildung, Erziehung und Werte, um Fragen politischer Partizipation oder die radikale Veränderung von Kommunikationsstrukturen geht – der Wunsch nach Verlässlichkeit berührt alle Themen gleichermaßen. Und er bezieht sich auf vielfältige Beziehungsformen: die privaten, zwischenmenschlichen, ebenso wie das Verhältnis gegenüber Institutionen, dem Staat und der Wirtschaft. 6

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V OR W ORT

C h r is t o f E ic h e r t

Spätestens mit der Fokussierung auf „Zustand und Zukunft der gesellschaftliche Mitte in Deutschland“ im Jahr 2006 hat die Herbert QuandtStiftung die Suche nach sozialen Gravitationsfeldern aufgenommen. In vier Sinclair-Haus-Gesprächen, einem groß angelegten wissenschaftlichen Lagebericht und zahlreichen Gesprächsrunden und Einzelpublikationen hat sie sich um eine Analyse des für die Prosperität und den Bestand unseres Gemeinwesens so wichtigen gesellschaftlichen Kerns bemüht. Die Frage „Worauf ist noch Verlass?“ erweitert nun diese sozioökonomische Betrachtungsweise zu einem generellen Blick auf die Kohäsionskräfte des Gemeinwesens. Was hält die Gesellschaft zusammen, was verleiht ihr Stabilität? Worin bestehen die Voraussetzungen, damit Bürgerinnen und Bürger den mannigfaltigen Herausforderungen gewachsen sind? Drei Begriffe kristallisieren sich dabei als zentrale Ankerpunkte heraus: Vertrauen, Autorität und Freiheit. Jeder einzelne steht für eine Größe, deren Definition und Gewichtung in den jeweiligen gesellschaftlichen Segmenten und ihren historischen Konstellationen Aussagen über die Gesamtsituation zulassen. An ihnen sind mögliche Defizite und Dysfunktionen ablesbar. Die Bankenkrise hat gezeigt, wie schnell ein System an seine Grenzen stößt, wenn ihm das Vertrauen abhanden kommt. Umgekehrt ist bemerkenswert, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrem Versprechen, die deutschen Spareinlagen seien sicher, genügend Autorität bewies, den „Bank Run“ zu verhindern und so den Vertrauensverlust zu kompensieren. So klar wie in diesem Fall funktioniert das Prinzip bei etablierten Autoritäten jedoch nicht immer. Eher ist eine Verunsicherung zu beobachten. Kirchen, Gewerkschaften und Parteien werden zunehmend in Zweifel gezogen. Dafür melden sich neuen Autoritäten zu Wort, etwa in sozialen Online-Netzwerken oder Bürgerbewegungen, deren langfristige Bedeutung ungewiss ist. Eine Grundkonstante bleibt gleichwohl bestehen: die Suche vieler Menschen nach Autoritätspersonen, an denen sie sich orientieren können. So scheint es in einer Phase des gesellschaftlichen Umbruchs angezeigt, sich der Frage nach der bleibenden Bedeutung und dem Wandel von Autoritäten intensiver zu widmen. 8

Die auf den folgenden Seiten nachzulesende Studie versucht, diesem Anspruch gerecht zu werden. Dabei möchte sie der Unsicherheit gegen­ über dem Autoritätsprinzip Rechnung tragen, indem sie behutsam Begriffsklärung betreibt. Mit der Unterscheidung zwischen „Autorität“ und „autoritär“ lotet sie verschiedene Konnotationen aus. Auch vermeidet sie, „Autorität haben“ und „eine Autorität sein“ in eins zu setzen. Der demoskopische Ansatz will aber bewusst keine sprachanalytische Theorie­ bildung betreiben, sondern dem Verständnis und den Vorstellungen der Bevölkerung nachspüren. Langfristige Trends werden ebenso abgebildet wie durch neue Fragestellungen erlangte Erkenntnisse. Darüber hinaus geht die Studie den Berührungspunkten von Autorität, Vertrauen und Freiheit nach. Alle drei Prinzipen sind nötig, damit frei­ heit­liche Strukturen funktionieren und sich ein demokratisch verfasstes Gemein­ wesen entfalten kann. Die Interdependenzen zwischen ihnen sind jedoch keinesfalls trivial. Sie ergänzen, bedingen oder widersprechen einander. Keine neue Freiheit ist denkbar, die nicht um den Preis der Absage an alte Autoritäten errungen ist. Wo nur Unfreiheit herrscht, hat Vertrauen keinen Raum. Wir hoffen, mit den Tendenzen, die die Studie formuliert, einen Beitrag zur Klärung wesentlicher Grundprinzipien unseres gesellschaftlichen Miteinanders liefern zu können. Unser besonderer Dank gilt Dr. Thomas Petersen vom Institut für Demoskopie Allensbach, der es mit großer Fachkunde verstanden hat, unsere Gedanken zum Thema „Autorität“ in eine demoskopisch klar konturierte Form zu gießen. Dr. Christof Eichert (Vorstand der Herbert Quandt-Stiftung) Bad Homburg v. d. Höhe im Mai 2011

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E I N L E I TUN G

Einleitung Im Herbst 2010 beauftragte die Herbert Quandt-Stiftung, Bad Homburg v. d. Höhe, das Institut für Demoskopie Allensbach, Allensbach am Bodensee, mit einer Grundlagenstudie zum Thema Autorität. Welche Vorstellungen von dem Begriff herrschen bei der deutschen Bevölkerung vor? Welche Wertschätzung genießt Autorität als ordnender Faktor in der Gesellschaft? Wird Autorität als notwendig oder als ein veraltetes Prinzip wahrgenommen, das es zu überwinden gilt? Und schließlich: Welches sind die Faktoren, die die Wertschätzung der Autorität durch die Bürger bedingen? Dies sind die Fragen, die mit der Grundlagenstudie beantwortet werden sollen. Den Anlass zu dieser Untersuchung bildet der thematische Schwerpunkt „Worauf ist noch Verlass? Vertrauen – Autorität – Freiheit“, den die Herbert Quandt-Stiftung für ihre Arbeit in diesem und den kommenden Jahren gewählt hat. Es leuchtet unmittelbar ein, dass alle drei Stichworte – Vertrauen, Autorität und Freiheit – für Prinzipien stehen, die in einer freiheitlichen Gesellschaft, besonders dann, wenn sie als repräsentative Demokratie verfasst ist, zumindest potentiell von großer Bedeutung sein müssten. Auch fällt es leicht, gedankliche Verknüpfungen zwischen den drei Begriffen herzustellen, selbst dann, wenn man sich nicht im Detail mit den verschiedenen Aspekten ihrer Bedeutung befasst. Nur wer ein Mindestmaß an Vertrauen in andere Menschen und ihre Fähigkeit, ihr Leben nach eigenen Vorstellungen selbst zu gestalten, besitzt, wird das Prinzip der Handlungs- und Entscheidungsfreiheit des Einzelnen befürworten können – und damit letztlich auch die politische und wirtschaftliche Freiheit.1 Vgl. Thomas Petersen, Tilman Mayer: Der Wert der Freiheit. Deutschland vor einem neuen Wertewandel? Freiburg: Herder 2005, S. 122-125.

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Politische Freiheit, in der nicht staatliche Gewalt den Zusammenhalt der Gesellschaft erzwingt, benötigt sicherlich ein gewisses Maß an Autorität als Ordnungsprinzip, wenn sie nicht in Anarchie umschlagen soll. Und die Bereitschaft, einer gesellschaftlichen Autorität zu folgen, sich ihr freiwillig unterzuordnen, kann wahrscheinlich nur entwickeln, wer der betreffenden Autorität auch ein Mindestmaß an Vertrauen entgegenbringt. Dass Freiheit, Autorität und Vertrauen also miteinander verknüpft sind, dürfte einem aufmerksamen Beobachter des öffentlichen Lebens leicht einleuchten. Doch bei der Untersuchung der Frage, wie sich dieser Zusammenhang konkret gestaltet, stößt man rasch auf erhebliche Probleme. Eines besteht darin, dass alle drei Begriffe mehrdeutig sind, wobei sich die Bedeutungen vor allem im Falle des Begriffs der Freiheit teilweise in ihrer Konsequenz sogar wider­ sprechen. Nicht selten wird aber bei öffentlichen Diskussionen sowie bei wissenschaftlichen Abhandlungen, über die gesellschaftliche Freiheit, nicht sauber zwischen den verschie­denen Bedeutungen unterschieden mit der Folge, dass der Gegenstand unübersichtlich erscheint und die an der Debatte Beteiligten aneinander vorbeireden, weil sie verschiedene mit dem Begriff „Freiheit“ verbundene Konzepte vor Augen haben, oft ohne dass ihnen dies bewusst wird. Hinzu kommt, dass das Thema Freiheit in der deutschen Sozialforschung in den letzten Jahrzehnten eine bemerkenswert geringe Rolle gespielt hat, die Auseinandersetzung mit diesem Gegenstand dementsprechend wenig intensiv war. Während sich zahllose Untersuchungen mit der sozialen Ungleichheit in der Gesellschaft und dem politischen Ziel der Gleichheit – verstanden als materielle Gleichheit aller Bürger – befassen, ist der mit diesem Ziel im Konflikt stehende Wert der Freiheit kaum Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen gewesen. Eine Grundlagenuntersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2003 ist die wahrscheinlich erste größere empirische Untersuchung zu diesem Thema in Deutschland gewesen.2

Ebenda.

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Intensiver untersucht ist das Themenfeld des Vertrauens, wenn auch gelegentlich der Begriff „Vertrauen“ selbst dabei eine untergeordnete Rolle spielt. So sind beispielsweise an dieser Stelle die zahlreichen Untersuchungen zum Thema Politikverdrossenheit zu nennen, von denen viele dieses Phänomen mit gutem Grund mit dem Rückgang des Institutionenvertrauens in Verbindung bringen, der in den letzten Jahrzehnten in vielen westlichen Ländern zu beobachten war.3 Die empirische Sozialforschung richtete von Anfang an ihren Blick auch auf das Thema Vertrauen, wenngleich zunächst auf eine meist wenig systematische Weise. Eine der ersten Fragen, die in der Geschichte der repräsentativen Bevölkerungsumfragen überhaupt zur Anwendung kam, lautete „Glauben Sie, dass man den meisten Menschen vertrauen kann?“ Ursprünglich vom amerikanischen Gallup-Institut in den 1930er Jahren entwickelt, wurde diese Frage ab 1953 auch vom Institut für Demoskopie Allensbach in Deutschland regelmäßig der Bevölkerung vorgelegt. Sie ist ein Beispiel dafür, dass in der Demoskopie die einfachen Fragen oft die besten sind, selbst wenn sie, wie in diesem Fall, nicht den heute allgemein akzeptierten Regeln der Fragebogenformulierung folgen.4 Von allen drei Themen ist aber das der Autorität, das in der vorliegenden Untersuchung behandelt wird, wahrscheinlich das sperrigste. Sucht man in der Geschichte der empirischen Sozialforschung nach Ansätzen, die in einer Grundlagenstudie zu diesem Gegenstand aufgegriffen werden könnten, stößt man zunächst auf die berühmte Studie „The Authoritarian Personality“ von Theodor W. Adorno und Mitarbeitern aus dem Jahr 1950.5 Man könnte auf den ersten Blick annehmen, es sei sinnvoll, sich bei einer Untersuchung zur gesellschaftlichen Autorität methodisch wie Vgl. z. B. Hans Mathias Kepplinger: Die Demontage der Politik in der Informationsgesellschaft. Freiburg: Alber 1998. Oskar Niedermayer: Bürger und Politik. Politische Orientierungen und Verhaltens­weisen der Deutschen. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 2. Auflage 2005. Elisabeth Noelle-Neumann, Renate Köcher (Hrsg.): Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie 1998-2002. Bd. 11 Balkon des Jahrhunderts. München und Allensbach: Saur und Verlag für Demoskopie 2002, S. 710-712. Patricia Moy, Michael Pfau: With Malice Toward All? The Media and Public Confidence in Democratic Institutions. Westport: Praeger 2000. 4 Vgl. Elisabeth Noelle-Neumann, Thomas Petersen: Alle, nicht jeder. Einführung in die Methoden der Demoskopie. Berlin und Heidelberg: Springer 2005, S. 195-196. 5 Theodor W. Adorno (u. a.): The Authoritarian Personality. 2 Bde. New York: Wiley, 3. Auflage 1967. 3

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inhaltlich von dieser klassischen Arbeit leiten zu lassen, doch das wäre nicht sinnvoll. Tatsächlich stößt man an dieser Stelle zum ersten Mal auf die zentrale Unterscheidung zwischen „Autorität“ und „autoritär“, die weiter unten in diesem Bericht noch eine Rolle spielen wird: Adornos Studie ist im Nachklang des Dritten Reichs, unter dem Eindruck des Völkermords an den Juden entstanden. Sie beschäftigt sich sehr intensiv mit der Frage, wie es denn möglich war, dass Menschen zu solchen Taten fähig waren. Sie versucht die Persönlichkeitsstruktur zu entschlüsseln und zu beschreiben, welche Parameter die Herausbildung der nationalsozialistischen Ideolo­gie befördert haben. Mit teilweise aufwendigen Messmethoden werden etwa die Neigung zu Antisemitismus, Rassenvorurteilen und antidemokratischen Affekten untersucht. Kurz: Es geht um ein autoritäres Weltbild, nicht um gesellschaftliche Autorität wie sie – wertneutral verstanden – auch in freiheitlichen Demokratien vorhanden sein kann, die keine autoritären Züge aufweisen. Nicht, dass Autorität und das Autoritäre, verstanden als Persönlichkeits­ eigenschaft, gänzlich unabhängig voneinander wären. Dass beide in einer gewissen Beziehung zueinander stehen, zeigt sich in dem Ausruf Carlo Schmids aus dem Jahr 1945: „Wir müssen die Kinder zum Ungehorsam erziehen“6, der ebenso gut auch von Adorno hätte stammen können und der ein Kernprinzip der von ihm und Max Horkheimer geprägten „Frankfurter Schule“ wiedergibt. Aus damaliger Sicht war der Ausruf sicherlich plausibel und jedenfalls neu. Elisabeth Noelle-Neumann beschrieb später ihre Reaktion auf Schmids Äußerung: „Ich spitzte die Ohren: Es war wie der Klang aus einer neuen Welt.“7 Tatsächlich erscheint das Prinzip folgerichtig: Eine Bevölkerung, die es gewohnt ist, den Autoritäten zu folgen, ist wehrlos, wenn die Autoritäten autoritär sind. Will man sie davor bewahren, so kann man folgern, muss man sie zum Ungehorsam erziehen. Aber wie weit darf dieser Prozess gehen? Werden Autoritäten dadurch überflüssig? Was ist, wenn die Autoritäten nicht autoritär sind, wenn ihre Machtausübung legitim ist? Dies sind Fragen, mit denen sich Schmid und Adorno – jedenfalls damals – nicht beschäftigt haben. „The Autoritarian 6 7

Zit. n. Elisabeth Noelle-Neumann: Die Erinnerungen. München: Herbig 2006, S. 139. Ebenda. 13

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Personality“ bietet keine Antwort hierauf. Autorität als gesellschaftliches Ordnungsprinzip war für die Autoren anscheinend allenfalls am Rande interessant. Ergiebiger ist in dieser Hinsicht eine andere klassische Untersuchung der empirischen Sozialwissenschaften, die Studie „The Civic Culture“ der amerikanischen Politikwissenschaftler Gabriel Almond und Sydney Verba aus dem Jahr 1959.8 Gabriel und Verba scheinen sich auf den ersten Blick gar nicht mit dem Thema Autorität zu beschäftigen. Ihr Thema ist die Reife demokratischer Gesellschaften. Mit einer der ersten groß angelegten, international vergleichenden Repräsentativbefragungen untersuchten sie die Verankerung der Demokratie in den USA, Großbritannien, Westdeutschland, Italien und Mexiko. Sie identifizierten dabei drei verschiedene Gesellschaftstypen, die durch unterschiedliche Haltungen der Bevölkerung gegenüber ihren Autoritäten geprägt sind. Da ist zum einen die sogenannte „parochiale Gesellschaft“, die Almond und Verba in Teilen Mexikos erkannt zu haben glaubten. Hier gibt es praktisch keinen Kontakt zwischen den Bürgern und dem Staat und seinen Vertretern. Die Regierung, die nationale Politik, dies alles findet außerhalb der realen Lebenswelt der meisten Menschen statt. Das Interesse der meisten Menschen konzentriert sich auf das unmittelbare Umfeld, den eigenen „Pfarrbezirk“. Die zweite Entwicklungsstufe nach Almond und Verba ist die der „Subject Political Culture“. Hier ist das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern wie das zwischen dem Fürsten und den Untertanen, auch dann, wenn das politische System eigentlich nach demokratischen Prinzipien verfasst ist. Die Bürger nehmen sich als eher passive Konsumenten oder Befehlsempfänger gegenüber dem Staat wahr, nicht als aktiver Bestandteil des Gemeinwesens. Sie erwarten, dass die Autoritäten ihnen dienen und sagen, was sie zu tun haben, versuchen aber nicht, diese zu beeinflussen. Elemente einer solchen „Subject Political Culture“ glaubten Almond und Verba in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft gefunden zu haben. Hier klingt die Sorge vor einer unkritischen oder zumindest passiven Autoritätshörigkeit mit potentiell 8

 abriel A. Almond, Sidney Verba: The Civic Culture. Political Attitudes and Democracy in Five G Nations. Princeton: University Press 1963.

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gefährlichen Folgen für das demokratische Staatswesen an, die auch ein Leitmotiv bei Adorno und der Anlass zu Carlo Schmids Einlassung war. Für die vorliegende Untersuchung ist aber die dritte Entwicklungsstufe in Almonds und Verbas System am interessantesten, die „Participant Political Culture“. Hier sei der Bürger nicht einfach der Gegenstand staatlicher Entscheidungen, sondern fühle sich als Bestandteil des Staatswesens und agiere entsprechend, indem er sich auch aktiv am gesellschaftlichen und politischen Leben beteilige. Mehr oder weniger implizit weisen Almond und Verba darauf hin, dass eine gefestigte, entwickelte Demokratie ohne ein solches Selbstverständnis der Bürger unvollständig wäre und man muss es sicherlich zum Teil auch dem Zeitklima zuordnen, wenn sie dieses Ideal in erster Linie in den Vereinigten Staaten und Großbritannien verwirklicht sahen. Interessant ist nun das Verhältnis von Autoritäten und Bürgern in diesem Modell. Es wird nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, doch offensichtlich sind die gesellschaftlichen Autoritäten in einer solchen Gesellschaft nicht „überwunden“ oder gar verschwunden, sondern nur an zusätzliche Legitimationsbedingungen geknüpft. Zu dem Konzept der „Participant Political Culture“ gehört auch die Bereitschaft, demokratische Spielregeln zu akzeptieren, auch Niederlagen – beispielsweise Abstimmungsoder Wahlniederlagen – hinzunehmen und die Rechtmäßigkeit der demokratisch legitimierten Institutionen und damit letztlich auch ihre Autorität zu respektieren. Dies wiederum setzt eine freiheitliche Grundordnung voraus und ist nur möglich, wenn ein Mindestmaß an Vertrauen in das demokratische Prinzip und die staatlichen Institutionen vorhanden ist. Hier begegnet man also dem eingangs erwähnten Dreiklang von Autorität, Freiheit und Vertrauen, der den Schwerpunkt der Arbeit der Herbert Quandt-Stiftung bildet. Es würde sich wahrscheinlich lohnen, etwas gründlicher, als es an dieser Stelle geschehen kann, der Frage nachzugehen, wann der Begriff „autoritär“ Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat. Die Unterscheidung zwischen „Authoritarianism“ und „Authority“, wie er im Englischen geläufig ist, scheint zumindest im Deutschen relativ jungen Datums zu sein. Wahrscheinlich hat Adornos Studie „The Authoritarian Personality“ selbst erheblichen Anteil daran, dass dieser Begriff auf dem Umweg über 15

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den Einfluss der Studie auf die Frankfurter Schule und deren Bedeutung für die intellektuelle Debatte in Deutschland in den 1960er Jahren in den allgemeinen Sprachgebrauch einging. Vermutlich hat erst der massive Missbrauch staatlicher Autorität in den großen Diktaturen des 20. Jahrhunderts eine solche Unterscheidung notwendig werden lassen (wenn es auch naheliegt, erste Anfänge der Entwicklung in der Zeit der bürgerlichen Revolutionen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu suchen). Ansätze dieser Unterscheidung finden sich zwar bereits in der öffentlichen Diskussion um die Reformpädagogik zu Anfang des 20. Jahrhunderts,9 doch scheint sie zunächst nicht die vergleichsweise engen Kreise der Fachdebatte verlassen zu haben. In Friedrich Kluges „Etymologischem Wörterbuch der deutschen Sprache“, das in seinem Kern auf das Jahr 1883 zurückgeht, findet sich selbst in der Ausgabe von 1975 der Begriff des Autoritarismus nicht, sondern lediglich ein kurzer Eintrag unter „Autorität“ mit dem Verweis, dass der Begriff im deutschen Sprachraum seit dem 16. Jahrhundert geläufig und vom lateinischen „auctoritas“ abgeleitet sei. Die Bedeutung sei – in Anlehnung an Cicero – „maßgebliche Persönlichkeit“.10 Von Unterdrückung, Machtmissbrauch oder illegitimer Machtausübung ist keine Rede. Der lateinische Begriff der „auctoritas“ verdient eine gesonderte Betrachtung, denn er steht für etwas Schillerndes, kaum Fassbares, das dem heutigen „Autorität“ noch immer anhaftet und das in der vorliegenden Untersuchung von zentraler Bedeutung ist. Am ehesten dringt man zum Kern der Bedeutung des Begriffes vor, wenn man sich den Tatenbericht des ersten römischen Kaisers Augustus vor Augen führt. Dieses Dokument, ursprünglich eine große Steintafel, die im Zentrum Roms aufgestellt worden war, kreist gleichsam um den Schlüsselbegriff der „auctoritas“ und zeigt in einzigartiger Weise die eigenartige Macht und gesellschaftliche Relevanz, die mit der „auctoritas“ und damit auch – abgeschwächt – dem modernen Konzept der Autorität verbunden sind. „Auctoritas“ ist der Schlüsselbegriff zur Herrschaft des Augustus, dessen Werdegang zu den erstaunlichsten der Weltgeschichte gehört.

Der spätere Augustus war ein Neffe Julius Caesars und von diesem als Erbe eingesetzt worden. In Rom war er zunächst vollkommen unbekannt und wurde von den Staatsmännern nicht ernst genommen. Mit einer scheinbar endlosen Serie von Intrigen, der Manipulation der öffentlichen Meinung, massenhaften Bestechungen, Auftragsmorden und blutigen Bürgerkriegen eroberte er dennoch allmählich, im Verlauf von zwei Jahrzehnten, die Alleinherrschaft. Als er dann endlich alle Macht im Staate in den Händen hielt, errichtete er jedoch nicht etwa eine Terrorherrschaft, sondern legte stattdessen feierlich nahezu alle offiziellen Ämter, die er zuvor mit so brutalen Methoden errungen hatte, nieder (allerdings nicht ohne sich die Verfügungsgewalt über die tatsächlichen Machtmittel zu sichern). Das trug ihm ein so großes Ansehen in der – propagandistisch gleichgeschalteten – Öffentlichkeit ein, dass er schließlich das Römische Reich beherrschte, ohne auch nur ein wesentliches Staatsamt innezuhaben. Offiziell als Privatmann gab er den Amtsinhabern Ratschläge, die diese sich selbstverständlich zu befolgen beeilten. Diese Form der Herrschaft beschrieb er in seinem Tatenbericht mit den Worten: „Seit dieser Zeit (nämlich der Rückgabe der Ämter) überragte ich alle an ‚auctoritas‘, an Amtsgewalt aber besaß ich nicht mehr als die anderen, die auch ich im Amt zu Kollegen hatte.“11 Der Begriff „auctoritas“ steht hier für eine Herrschaft der öffentlichen Meinung. Er enthält die Komponenten Macht, Ansehen, Würde und Respekt. Wenn Augustus schreibt, er habe alle an „auctoritas“ überragt, bedeutet das, er hat kraft seiner Persönlichkeit geherrscht.12 Ein wesentlicher Faktor der „auctoritas“ liegt darin, dass diese zwar zumindest theoretisch mit aktiver Machtausübung vereinbar, aber keineswegs mit ihr identisch ist. Die Hauptkomponente ihrer Wirksamkeit liegt vielmehr in der freiwilligen, mindestens aber bewussten Gefolgschaft. Man kann gleichsam von einer Art passiver Machtausübung sprechen. Wer „auctoritas“ hat, hat es nicht nötig, zu befehlen, sondern andere ordnen  ugustus: Res Gestae Tatenbericht (Monumentum Ancyranum). Lat.-griech. u. deut., übers. u. A hrsg. v. Marion Giebel. Stuttgart: Reclam 1975. 12  Vgl. Thomas Petersen: PR-Arbeit in der Antike. Wie Augustus zum vielleicht erfolgreichsten Politiker aller Zeiten wurde. München: Signum 2005, S. 110. 11

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Vgl. Winfried Böhm: Wörterbuch der Pädagogik. 14. Auflage. Stuttgart: Kröner 1994, S. 570-571. Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 21. Auflage. Berlin und New York: DeGruyter 1975, S. 42.

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sich ihm unter. Dieses Verständnis scheint auch dem heutigen Begriff der Autorität zugrunde zu liegen. Beispielhaft sei hierzu der Eintrag „Autorität“ in Winfried Böhms „Wörterbuch der Pädagogik“ zitiert: „Autorität ist streng zu unterscheiden von Macht und Gewalt. Während diese die faktische Möglichkeit bezeichnen, anderen zu befehlen und sie zu einem bestimmten Handeln und Verhalten zu zwingen, setzt jene grundsätzlich die freie Zustimmung dessen voraus, über den Autorität ausgeübt wird. Macht und Gewalt schränken die Freiheit ein oder negieren sie; die Autorität dagegen respektiert sie ausdrücklich. Autorität meint also die anerkannte Fähigkeit einer Person, einer Gesellschaft oder einer Einrichtung, auf andere einzuwirken, um sie einem bestimmten Ziel näher zu bringen. Autorität kann sich dabei auf verschiedene Weise begründen: durch gegebenen Sachverstand, durch einen erreichten Status, durch das wahrgenommene Amt.“13 Diese Bedeutung des Begriffs „Autorität“ soll im Folgenden im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, wobei auch der Hinweis auf die Möglichkeit der Anbindung von Autorität nicht allein an die Persönlichkeit eines Menschen, sondern an Status oder Ämter unten noch eine Rolle spielen wird. Die Bereitschaft, sich Autoritäten unterzuordnen, hat eine lange Tradition als Ordnungsprinzip in verschiedenen Lebensbereichen, wobei die Autorität sowohl als rhetorisches Argument als auch als Orientierung dienen kann. Besonders deutlich tritt dies etwa in der scholastischen Philosophie des Mittelalters zutage. Der Theologe Hans Louis Fäh zitiert den Kirchenlehrer Thomas von Aquin wie folgt: „Eine Art der Auseinandersetzung nämlich ist darauf hingeordnet, den Zweifel zu beseitigen, ob es so ist; und bei einer solchen theologischen Auseinandersetzung muss man hauptsächlich die Autoritäten gebrauchen, die jene annehmen, mit denen man sich auseinandersetzt. So muss man, wenn man sich mit den Juden auseinandersetzt, die Autoritäten des Alten Testaments anführen (…). Wenn sie (die Gegner) aber keine Autorität annehmen, muss man seine Zuflucht zu natürlichen Gründen nehmen.“14 13 14

Winfried Böhm: Wörterbuch der Pädagogik. 14. Auflage. Stuttgart: Kröner 1994, S. 60. Thomas von Aquin: Qlb IV 18, zit. n. Hans Louis Fäh: Vorwort. In: Thomas von Aquin: Compendium Theologiae. Grundriss der Glaubenslehre. dt-lat. Heidelberg: Kerle 1963, S. 5-10. Dort S. 9-10.

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Hier wird die Autorität also ganz instrumentell verstanden, als Mittel, einer Argumentation in einer Diskussion besonderes Gewicht zu verschaffen. Ganz nüchtern empfiehlt Thomas, dieses Mittel je nach Bedarf einzusetzen und vor allem die Autoritäten heranzuziehen, die von der Gegenseite besonders respektiert werden – oder auch darauf zu verzichten, wenn sich die Methode als nicht vielversprechend erweist. Man fühlt sich an dieser Stelle an Schopenhauer erinnert, der in seiner kleinen Textsammlung „Eristische Dialektik oder die Kunst, Recht zu behalten“ Kniffe zusammentrug, mit denen man in einer kontroversen Diskussion auch dann die Oberhand behält, wenn man objektiv unrecht hat. Unter der Überschrift „Kunstgriff 30“ findet sich eine Beschreibung, die unmittelbar an die Ausführungen Thomas von Aquins anzuknüpfen scheint: „Das argumentum ad verecundiam [an die Ehrfurcht gerichtete Argument]. Statt der Gründe brauche man Autoritäten nach Maßgabe der Kenntnisse des Gegners (…) man hat also leichtes Spiel, wenn man eine Autorität für sich hat, die der Gegner respektiert. Es wird aber für ihn desto mehr gültige Autoritäten geben, je beschränkter seine Kenntnisse und Fähigkeiten sind (…). Autoritäten, die der Gegner gar nicht versteht, wirken meistens am meisten (…). Auch kann man die Autoritäten nötigenfalls nicht bloß verdrehen sondern geradezu verfälschen, oder gar welche anführen, die ganz aus eigener Erfindung sind: meistens hat er das Buch nicht zur Hand und weiß es auch nicht zu handhaben.“15 Und doch wäre ein derart zynischer Umgang mit Autoritäten, wie ihn Schopenhauer beschreibt, für Thomas von Aquin völlig unvorstellbar gewesen, denn er erkennt zwar die rhetorische Kraft, die in der Berufung auf Autoritäten steckt, doch auf den Gedanken, sie könnten als sachliche Leitlinie ungeeignet sein, kommt er nicht, wie sich an der Fortsetzung des oben wiedergegebenen Zitats zeigt. Sie lautet: „Es gibt aber auch noch eine Art der Auseinandersetzung unter der Leitung des Lehrers in den Schulen, nicht nur um einen Irrtum zu beseitigen, sondern um die Hörer zu Arthur Schopenhauer: Eristische Dialektik oder die Kunst, Recht zu behalten in 38 Kunstgriffen dargestellt. Zürich: Haffmanns 1983, S. 57-58.

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unterrichten, damit sie zum Verständnis der Wahrheit hingeführt werden, die er vor Augen hat; und dort muss man sich auf Gründe stützen, welche die Wurzeln der Wahrheit aufdecken, und wissen machen, auf welche Weise das, was gesagt wird, wahr ist. Sonst, wenn der Lehrer die Frage mit bloßen Autoritäten entscheidet, wird der Hörer sich zwar vergewissern, dass es so ist, aber nichts an Wissen oder Verständnis erwerben und leer ausgehen.“ Mit anderen Worten: Die Berufung auf Autoritäten kann zwar nicht das Verständnis dessen ersetzen, was mit ihr belegt werden soll, gleichzeitig ist sie als Beweis der Richtigkeit aber vollkommen ausreichend. Die Autorität ist die Wahrheit. Hier kommt das ganze Dilemma der scholastischen Philosophie zum Ausdruck, die trotz aller Geisteskraft den Autoritäten so sehr verhaftet war, dass sie kaum die Kraft aufbrachte, Neues zu denken. Sie erwies sich damit in der Wissenschaftsgeschichte als außerordentlich starkes Hindernis.16 Erst als sich der Gedanke durchsetzte, dass es auch Fälle geben konnte, in denen Aristoteles sich geirrt habe und die bloße Behauptung eines Sachverhalts durch einen großen Philosophen der Vergangenheit noch nicht der Beweis seiner Richtigkeit war, konnte sich die moderne empirische und experimentelle Wissenschaft entwickeln.17 Das Beispiel zeigt, dass die Frage „Worauf ist noch Verlass?“ in Bezug auf das Thema Autorität mit der Frage verknüpft werden sollte, wie viel Autoritätsorientierung einer Gesellschaft Stabilität gibt, und wo die Grenze zu ziehen ist, an der Autorität nicht mehr nur Orientierung vermittelt, sondern darüber hinaus möglicherweise auch gesellschaftliche Erstarrung bedeutet.

welche Personengruppen oder Organisationen Träger von Autorität sind und welche inhaltlichen Aspekte abseits aller theoretischen Erwägungen mit diesem Begriff verbunden sind. Auch das wechselseitige Verhältnis von Autorität, Freiheit und Vertrauen wird behandelt – mit einem etwas überraschenden Ergebnis. Für die vorliegende Untersuchung wurden in der Zeit vom 25. Oktober bis 7. November 2010 insgesamt 1.845 Personen mündlich-persönlich („face-to-face“) interviewt. Die Auswahl der Befragten erfolgte nach dem Quotenverfahren. Die Umfrage ist damit für die Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland ab 16 Jahre repräsentativ. Das bedeutet, dass die Ergebnisse der Untersuchung – abgesehen von einer bei Repräsentativumfragen unvermeidlichen statistisch bedingten Unschärfe von etwa zwei Prozentpunkten – auf die Gesamtbevölkerung verallgemeinert werden können. Dr. Thomas Petersen (Institut für Demoskopie Allensbach) Allensbach am Bodensee im April 2011

Nicht alle der erwähnten Aspekte können in einer vergleichsweise bescheidenen Studie wie der vorliegenden mit der Tiefe behandelt werden, die sie verdient hätten, doch es wurde zumindest versucht, das Thema der gesellschaftlichen Rolle der Autorität in großer Breite auszuleuchten. So wird in der Untersuchung beispielsweise der Frage nachgegangen, in welchen Bereichen Autorität besonders wichtig ist, wo es aus Sicht der Bevölkerung zu viel und an welchen Stellen es zu wenig Autorität gibt, Vgl. Anneliese Maier: Die Vorläufer Galileis im 14. Jahrhundert. Studien zur Naturphilosophie der Spätscholastik. Rom: Storia e letteratura 1949, bes. S. 2. 17 Thomas Petersen: Das Feldexperiment in der Umfrageforschung. Frankfurt am Main: Campus 2002, S. 20-29. 16 

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W AS B EDEUTET „ AUTOR I T Ä T “ ?

Tabelle 1

Assoziationen zum Begriff ‚Autorität‘ FRA G E :

Was bedeutet „Autorität“?

In der Einleitung zu diesem Untersuchungsbericht wurde ausführlich auf die verschiedenen Aspekte eingegangen, die mit dem Begriff „Autorität“ verbunden sein können. Die Entwicklungsgeschichte des Begriffs und seine Verwendung in der Philosophie und in historischen oder politikwissenschaftlichen Analysen sagt sicherlich auch viel über seine Relevanz aus. Dennoch ist letztlich das Begriffsverständnis der Bevölkerung selbst der wichtigste, der ausschlaggebende Faktor. Nur wenn man weiß, welche Vorstellungen ein Begriff bei der Bevölkerung auslöst, kann man auch das Gewicht der verschiedenen Konzepte ermessen, die sich hinter dem Begriff verbergen können. In der vorliegenden Untersuchung wurde den Befragten deswegen zunächst die Frage gestellt: „Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie den Begriff ‚Autorität‘ hören? Bitte nennen Sie mir alles, was Ihnen beim Wort ‚Autorität‘ einfällt.“ Anders als bei Repräsentativumfragen meist üblich, handelte es sich bei dieser Frage um eine sogenannte „offene Frage“, das heißt, es wurden keine Antwortvorgaben zur Auswahl vorgelegt, sondern die Befragten konnten ihre Reaktionen frei formulieren. Wie Tabelle 1 zeigt, lassen sich die Antworten der Befragten grob in vier Kategorien sortieren: Ein Drittel der Befragten verweist auf Autoritätspersonen. Das können einzelne Namen sein, aber auch Verweise auf bestimmte Ämter. Man erkennt bereits hier, dass der Begriff „Autorität“ aus Sicht der Bevölkerung ein deutlich persönliches Element enthält. Für die Mehrheit der Deutschen – im Osten mehr als im Westen – hat „Autorität“ einen positiven Klang. Die Antworten, die man als positive Assoziationen deuten kann, summieren sich auf 53 Prozent, wobei Respekt, Achtung und Vorbild Begriffe waren, die in den Antworten auffallend häufig vorkamen, aber auch die Verantwortung, die mit 22

„ Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie den Begriff ‚Autorität‘ hören? Bitte nennen Sie mir alles, was Ihnen beim Wort ‚Autorität‘ einfällt.“

Bevölkerung insgesamt

Westdeutschland

Ostdeutschland

%

%

%

Verweis auf ‚Autoritätspersonen‘, Personen, die etwas zu sagen haben

33

33

31

Respekt, Achtung, Vorbild

27

26

33

Ausstrahlung, natürliche Autorität

5

5

5

Verantwortung, Fürsorgepflicht

2

3

1

Weitere positive Konnotationen

19

18

24

Rechthaberisch, bestimmt, dominant

5

6

2

Strenge, Unerbittlichkeit, Härte

5

5

2

Disziplin, Gehorsam, Pflicht

4

5

3

Autoritätsmissbrauch

3

3

3

Diktatur, 3. Reich, Nationalsozialismus

3

3

x

Ohnmacht, Angst, Obrigkeitshörigkeit

2

2

2

Vergangenheit, ist überholt

2

2

1

Weitere negative Konnotationen

9

11

4

Macht, Stärke, Durchsetzungsvermögen

15

15

16

Ämter, Behörden, Staatsgewalt

10

10

11

Regeln, Gesetze, öffentliche Ordnung

3

3

3

Kindererziehung, Eltern-Kind-Verhältnis

5

5

3

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

© IfD-Allensbach

23

W AS B EDEUTET „ AUTOR I T Ä T “ ?

T h o m as p e t e r se n

Autorität verbunden sein kann, kam gelegentlich zur Sprache. Hier wird das Konzept erkennbar, das traditionell mit dem Begriff der „auctoritas“ verbunden ist. Zählt man die ebenfalls zahlreichen Antworten hinzu, die man nicht als eindeutig positiv wertend, sondern eher als neutral bezeichnen kann, die sich aber ebenfalls in das Konzept der „auctoritas“ einfügen lassen – etwa Verweise auf die öffentliche Ordnung und die Legitimität von Ämtern – wird deutlich, dass dieser Bedeutungsgehalt das Begriffsverständnis dominiert. Die Wahrnehmung der Mehrheit in der Bevölkerung stimmt damit mit den oben beschriebenen theoretischen Beschreibungen, etwa aus dem „Wörterbuch der Pädagogik“, überein. Allerdings ist die Trennung zwischen den Begriffen „Autorität“ und „autoritär“ bei der Bevölkerung keineswegs so eindeutig, wie dies in der Theorie möglich ist. Es finden sich im Verständnis des einen Begriffs erhebliche Spuren des anderen. So äußert eine nicht zu vernachlässigende Minderheit der Deutschen auf die Frage, was ihnen beim Stichwort „Autorität“ spontan einfalle, eindeutig negative Assoziationen, die darauf hinweisen, dass die Betreffenden Autorität mit Autoritarismus gleichsetzen. Die entsprechenden Antworten addieren sich auf 33 Prozent. Zu ihnen zählen Antworten, bei denen Stichworte wie Obrigkeitshörigkeit oder Machtmissbrauch fielen oder die Ansicht geäußert wurde, Autorität sei heute überholt. Auch Hinweise auf das Dritte Reich kommen vor, allerdings nur selten. Bemerkenswert ist, dass dieses Reaktionsmuster vor allem in Westdeutschland zu beobachten ist. Hier beträgt die Summe der negativen Antworten 37 Prozent, während der Vergleichswert in den neuen Bundesländern lediglich bei 17 Prozent liegt. Es liegt nahe, den Grund für diesen Unterschied in Ost- und Westdeutschland in der nach wie vor unterschiedlichen Werteorientierung der west- und ostdeutschen Bevölkerung zu suchen. Einer der spannendsten Befunde der Umfrageforschung aus der Zeit unmittelbar nach der deutschen Wiedervereinigung war, dass der Wertewandel, der in der alten Bundesrepublik seit Ende der 1960er Jahre zu beobachten gewesen war, in der DDR nicht stattgefunden hatte. Die Wertschätzung traditioneller 24

bürgerlicher Tugenden wie Fleiß, Sauberkeit oder Pünktlichkeit befand sich Anfang der 1990er Jahre in den neuen Bundesländern etwa auf dem gleichen Niveau wie in Westdeutschland Ende der 1950er Jahre.18 Die inneren Umbrüche, die die westdeutsche Gesellschaft in den letzten beiden Jahrzehnten vor der Einheit erschüttert hatten, einschließlich der mit ihnen verbundenen schweren Generationenkonflikte, waren an der Bevölkerung der DDR weitgehend spurlos vorübergezogen. Es liegen keine verlässlichen Trenddaten dazu vor, aber es liegt nahe, dass dies ebenfalls – wahrscheinlich sogar in besonderer Weise – für das emanzipatorische Element dieser Entwicklung gilt. Die demonstrative Abwendung von traditionellen Autoritäten, ja teilweise sogar deren bewusste Verhöhnung, etwa an den Universitäten („Unter den Talaren der Muff von 1.000 Jahren“) kann letztlich nur in einer demokratischen Gesellschaft mit der Heftigkeit stattfinden, die man im Westdeutschland der 1960er und 70er Jahre beobachten konnte. Damit dürften auch die Schlagworte der Zeit – etwa das der „antiautoritären Erziehung“ – das Denken der Westdeutschen weitaus nachhaltiger geprägt haben als das der Ostdeutschen. Es ist wahrscheinlich, dass sich dieser Unterschied in der Sozialisation zwischen Ost- und Westdeutschen bis heute in der Wahrnehmung des Begriffs „Autorität“ widerspiegelt. Dass die im Vergleich zu den Westdeutschen eindeutig positivere Haltung der Ostdeutschen zum Begriff „Autorität“ jedoch nicht ein Kennzeichen für eine schärfere Trennung zwischen den Konzepten der Autorität und des Autoritären ist, erkennt man, wenn man die Ergebnisse eines weiteren Assoziationstests betrachtet, bei dem analog zur eben berichteten Frage nach den spontanen Reaktionen auf den Begriff „autoritär“ gefragt wurde. Legt man das gleiche Auswertungsschema zugrunde, das auch bei der Frage nach den Assoziationen zum Begriff „Autorität“ zur Anwendung kam, erkennt man zunächst, dass – wenig überraschend – die negativen Assoziationen deutlich überwiegen (vgl. hierzu auch die vereinfachte Auswertung in Anhangtabelle A1). Doch die vielleicht naheliegend erscheinende Vermutung, dass die gesellschaftliche Entwicklung in Vgl. hierzu Elisabeth Noelle-Neumann, Thomas Petersen: Zeitenwende. Der Wertewandel Jahre später. In: Aus Politik und Zeitgeschichte vom 13. Juli 2001, S. 15-22.

18 

25

W AS B EDEUTET „ AUTOR I T Ä T “ ?

T h o m as p e t e r se n

Westdeutschland zu einer stärkeren Verwischung der Grenzen zwischen den Begriffen „Autorität“ und „autoritär“ geführt haben könnte, bestätigt sich nicht: Beim Stichwort „autoritär“ sind es nämlich die Westdeutschen, die die klarere Trennung vornehmen und kaum positive Assoziationen zu Protokoll geben, während in den neuen Bundesländern neben den auch hier weitaus überwiegenden negativen Reaktionen auch eine nicht unerhebliche Zahl von positiven Antworten festgestellt werden kann (Tabelle 2). Das Ergebnis deutet damit darauf hin, dass die Abwendung von etablierten Institutionen im Zuge des Wertewandels nicht zu einer zunehmenden Unklarheit in der Sprache in Westdeutschland geführt hat, sondern zu einem allgemeinen Imageverlust der Autoritäten wie auch des Autoritären. Die unterschiedlichen Akzente und die Überschneidungen zwischen den beiden Begriffen „Autorität“ und „autoritär“ werden ebenfalls deutlich, wenn man nicht mit einer offenen Frage, sondern mit vorgegeben Antwortmöglichkeiten das assoziative Umfeld erfragt. Wie Grafik 1 zeigt, überwiegen auch hier bei „Autorität“ die Elemente der „auctoritas“ wie Respekt, Charisma und Kompetenz, während dem Wort „autoritär“ besonders häufig die Begriffe „Zwang“, „Willkür“ und „Gewalt“ zugeordnet werden. Man erkennt aber auch, dass beide Begriffe Elemente des jeweils anderen enthalten. Es gibt auch Stichworte, die beiden gleichermaßen häufig zugeordnet werden, allen voran „Macht“ und „Staat“. Bei aller Verschiedenheit in der Grundaussage sind also nicht nur Unschärfen in der Abgrenzung, sondern auch inhaltlich unzweifelhaft gemeinsame Elemente erkennbar. Der Assoziationstest mit Hilfe einer geschlossenen Frage, also mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten, ist an dieser Stelle aber weniger von Interesse, weil er im Vergleich zur offenen Frage zusätzliche Erkenntnisse brächte – das ist nicht der Fall –, sondern weil er eine bessere Vergleichbarkeit der Antworten ermöglicht: Alle Befragten hatten dieselbe Liste zur Auswahl vorliegen, reagierten also auf exakt das gleiche Signal und in einer vergleichbaren Weise, während das Antwortverhalten bei offenen Fragen stark von der Eloquenz und geistigen Regsamkeit der Befragten abhängt. Die Ergebnisse der geschlossenen Frage können deswegen besser statistisch ausgewertet werden. Vor allem ermöglichen sie sogenannte multivariate 26

Tabelle 2

Assoziationen zum Begriff ‚autoritär‘ FRA G E :

„ Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie den Begriff ‚autoritär‘ hören? Bitte nennen Sie mir alles, was Ihnen beim Wort ‚autoritär‘ einfällt.“

Bevölkerung insgesamt

Westdeutschland

Ostdeutschland

%

%

%

Verweis auf ‚Autoritätspersonen‘, Personen, die etwas zu sagen haben

22

23

17

Respekt, Achtung, Vorbild

11

10

17

Ausstrahlung, natürliche Autorität

1

1

3

Verantwortung, Fürsorgepflicht

1

1

1

Weitere positive Konnotationen

5

4

9

Rechthaberisch, bestimmt, dominant

19

18

22

Strenge, Unerbittlichkeit, Härte

12

13

9

Disziplin, Gehorsam, Pflicht

5

5

3

Autoritätsmissbrauch

2

2

2

Diktatur, 3. Reich, Nationalsozialismus

4

4

5

Ohnmacht, Angst, Obrigkeitshörigkeit

3

3

3

Vergangenheit, ist überholt

3

4

x

Weitere negative Konnotationen

19

19

17

Macht, Stärke, Durchsetzungsvermögen

18

17

21

Ämter, Behörden, Staatsgewalt

7

7

8

Regeln, Gesetze, öffentliche Ordnung

4

3

5

Kindererziehung, Eltern-Kind-Verhältnis

13

13

12

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

© IfD-Allensbach

27

W AS B EDEUTET „ AUTOR I T Ä T “ ?

T h o m as p e t e r se n

Grafik 1

Was passt zu „Autorität“ und „autoritär“ FRAGE:

 „Wenn Sie den Begriff ‚Autorität‘/‘autoritär‘ hören, woran denken Sie dann? Ich lese Ihnen jetzt Verschiedenes vor, und Sie sagen mir bitte jeweils, ob Ihnen das bei ‚Autorität‘/‘autoritär‘ in den Sinn kommt oder nicht.“

Analysen, also die gemeinsame statistische Analyse einer Vielzahl von Antworten, mit deren Hilfe die Resultate der Umfrage verdichtet und den Antworten der Befragten zugrundeliegende Strukturen aufgedeckt werden können. Eine solche multivariate Analyse, nämlich eine Faktorenanalyse, wurde nun mit den Ergebnissen des mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten gestützten Assoziationstests durchgeführt. Der Zweck des Vorgehens bestand darin, die „innere Struktur“ der Antworten zu dieser Frage etwas genauer zu untersuchen, zu prüfen, welches – dem einzelnen Befragten vielleicht unbewusstes – Grundverständnis von Autorität der Entscheidung, den einen oder anderen Begriff diesem Stichwort zuzuordnen, zugrunde liegt. Dabei ging nur die Fragevariante, bei der nach dem Begriff „Autorität“ gefragt wurde, in die Analyse ein, nicht die Version, in der von „autoritär“ die Rede war. Eine Faktorenanalyse ist ein mathematisch-statistisches Verfahren, mit dem festgestellt werden kann, welche Aussagen oft gemeinsam von den Befragten ausgewählt werden. Es wird also geprüft, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Befragter, der sagt, bei „Autorität“ könne man an Macht denken, außerdem sagt, Autorität bedeute für ihn Respekt, Charisma, Gewalt usw. Wenn sich herausstellt, dass mehrere Aussagen besonders häufig zusammen ausgewählt werden, dann schließt man daraus, dass diese Punkte auch inhaltlich etwas gemeinsam haben, dass ihnen ein gemeinsamer Faktor zugrunde liegt.

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

28

© IfD-Allensbach

Diese Effekte des Zusammenhängens (und, was auch vorkommen kann, gegenseitigen Abstoßens) verschiedener Antworten kann man sich gleichsam magnetisch vorstellen. Bestimmte Antworten hängen wie Magnete aneinander, sie tauchen deswegen meistens gemeinsam auf. Andere Antworten werden voneinander abgestoßen wie zwei Magnete, die man mit den gleichen Polen aneinanderzulegen versucht. Die Ergebnisse einer Faktorenanalyse, die zeigen, wie eng eine Antwortkategorie mit einem Faktor verbunden ist, werden dementsprechend auch Faktorladungen genannt. Je größer die Faktorladung (die Zahl kann zwischen -1 und +1 liegen), desto größer die Anziehung zu dem jeweiligen Faktor. Ist die Zahl 29

W AS B EDEUTET „ AUTOR I T Ä T “ ?

T h o m as p e t e r se n

Tabelle 3

Faktorenanalyse Geschützter Assoziationstest ‘Autorität’ Faktorenanalyse 13 Variablen Programm: Principal Component Solution; Varimax Rotation; Eigenwerte > 1.0 Faktor

Arbeitstitel

1

“Auctoritas”

2

“Das Autoritäre”

3

Wertgebundenheit der Autorität

Eigenwerte

Kumulierte Anteile der Eigenwerte

Kumulierte Anteile an der erklärten Varianz

4.5

.35

63,6%

1.5

.46

83,6%

1.1

.55

100,0%

Rotierte Faktorenmatrix FRAGE:

„ Wenn Sie den Begriff ‘Autorität‘ hören, woran denken Sie dann? Ich lese Ihnen jetzt Verschiedenes vor, und Sie sagen mir bitte jeweils, ob Ihnen das bei ‘Autorität‘ in den Sinn kommt oder nicht.“

ANTWORT:

Variable Nr.

Ordinal (‘Trifft zu’ (2), ‘Trifft nicht zu’ (0), ‘Unentschieden’ (1)) %

Text

*)

Faktorladung ≥ +/- .45 Faktor 1

Faktor 2

Faktor 3

Kommunalitäten h2

k)

67

Ansehen

.75

-.11

-.07

.58

l)

62

Charisma bzw. Ausstrahlung

.74

-.08

-.13

.57

m)

61

Kompetenz

.70

-.21

-.25

.59

g)

78

Respekt

.66

-.15

-.15

.49

c)

59

Orientierung

.49

-.02

-.39

.39

d)

52

Staat

.03

.68

-.15

.49

e)

79

Macht

.07

.67

.32

.56

b)

52

Zwang

-.29

.67

.23

.59

j)

36

Gewalt

-.34

.65

.08

.55

h)

38

Willkür

-.31

.61

.27

.54

f)

31

Sicherheit

.22

-.03

-.77

.64

i)

15

Freiheit

.08

-.22

-.75

.61

a)

36

Vertrauen

.37

-.17

-.61

.54

*) Wert für die Antwortausprägung ‘Trifft zu’ Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre, n = 914 Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

30

© IfD-Allensbach

negativ, liegt eine Abstoßung vor. Tabelle 3 zeigt das Ergebnis für die Frage nach dem assoziativen Umfeld von „Autorität“ in einer Übersicht, einer sogenannten Matrix. Daraus geht hervor, dass sich die bereits oben beschriebenen zwei Haupt­ dimensionen des Begriffs „Autorität“ auch in der Faktorenanalyse heraus­ kristallisieren. Der erste Faktor wird gebildet von den Assoziationen Ansehen, Charisma bzw. Ausstrahlung, Kompetenz, Respekt und Orientierung. Diese fünf Kennzeichen der Autorität werden über­pro­ portional oft gemeinsam genannt. Man kann deswegen annehmen, dass ihnen ein gemeinsames Verständnis von Autorität zugrundeliegt, nämlich das Verständnis im Sinne von „auctoritas“, der tendenziell positiv bewerteten, auf Kompetenz gegründeten Ausstrahlungskraft einer Person oder eines Amtes, die Halt und Orientierung bieten kann. Der zweite Faktor umfasst die Stichworte Staat, Macht, Zwang, Gewalt und Willkür. Bemerkenswert ist, dass in diesen Faktor auch der Begriff „Staat“ fällt, der in diesem Zusammenhang anscheinend ausschließlich negativ besetzt ist, während das landläufige Verständnis vom Staat als neutralem Begriff, dem ja theoretisch auch Autorität im positiven Sinne zugeordnet werden kann, nicht erkennbar wird. Abgesehen davon findet man in diesem Faktor die Elemente, die man auch bei einer oberflächlichen Betrachtung einer negativen Wertung der Autorität im Sinne von Autoritarismus zuordnen würde. Auffällig ist, dass die Faktorenanalyse neben den beiden zu erwartenden Faktoren noch einen dritten zutage fördert. Er umfasst die Stichworte Sicherheit, Freiheit und Vertrauen, also nicht so sehr inhaltliche Elemente des Begriffs „Autorität“ als vielmehr gesellschaftliche Grundwerte, die durch Autorität beeinflusst werden. Damit bewegen sich die in diesem Faktor zusammengefassten Punkte auf einer anderen logischen Ebene als die der anderen beiden Faktoren. Interessant ist, dass sich alle drei Werte Freiheit, Sicherheit und Vertrauen in demselben Faktor wiederfinden. Sie stehen damit nicht für grundsätzlich unterschiedliche Konzepte des Autoritätsverständnisses, sondern hängen inhaltlich miteinander zusammen. Festzuhalten ist, dass die in Faktor 1 zusammengefassten 31

T h o m as p e t e r se n

Variablen fast zwei Drittel der Varianz erklären, das heißt, dass dieser Faktor der mit Abstand stärkste, der das Gesamtbild des Begriffs „Autorität“ dominierende ist. Die historisch älteste Bedeutung im Sinne von „auctoritas“ ist damit also auch heute noch die wichtigste. Wenn in den folgenden Kapiteln die Haltung der Bevölkerung zur Autorität im Detail behandelt wird, kann man davon ausgehen, dass stets diese Dimension im Hintergrund mitschwingt. Sie ist das durchschlagende Element, das das Antwortverhalten bestimmt.

Wie wichtig ist Autorität?

Mit mehreren Fragen wurde in der vorliegenden Untersuchung die Akzeptanz von Autorität in der Bevölkerung ermittelt. Angesichts des Umstands, dass der Begriff „Autorität“ von der Mehrheit in der Bevölkerung positiv gedeutet wird, wäre es folgerichtig, wenn die Mehrheit Autorität auch als wichtiges Element im Alltagsleben akzeptieren würde. Tatsächlich ist die Zustimmung zur Autorität auf einer abstrakten, allgemeinen Ebene außerordentlich groß, sie relativiert sich jedoch, sobald man in der Analyse etwas ins Detail geht. Auf die Frage „Einmal ganz allgemein gefragt: Meinen Sie, dass man in einer Gesellschaft Autoritätspersonen braucht, dass sie notwendig sind, oder meinen Sie das nicht?“ antworten mehr als drei Viertel der Deutschen, 79 Prozent: „Man braucht Autoritätspersonen.“ Nur 9 Prozent widersprechen, wobei die Zustimmung zu Autoritätspersonen in Ostdeutschland noch etwas größer ist als im Westen (Tabelle 4), ein Ergebnis, das gut zu den bereits berichteten Reaktionen passt, wonach der Begriff „Autorität“ in den neuen Bundesländern positivere Assoziationen auslöst als in den alten Ländern. Dieses Muster zieht sich durch die Ergebnisse der gesamten Studie: Nach welchen Aspekten des Themas Autorität auch immer man fragt, stets sind die Reaktionen in Ostdeutschland etwas positiver als im Westen. Es herrscht ein so deutlicher Konsens in der Bevölkerung, dass man in einer Gesellschaft Autoritätspersonen braucht, dass es in dieser Frage auch nur wenig Meinungsunterschiede zwischen den Generationen gibt. Man könnte annehmen, dass es in erster Linie die Älteren sind, die den Respekt vor Autoritäten einfordern, während die junge Generation eher dazu neigt, sich solchen Forderungen gegenüber zu verweigern. Im Prinzip ist dieses Muster auch bei vielen Fragen der vorliegenden Studie erkennbar, je nach dem konkreten Fokus der Fragestellung mal mehr, mal weniger 32

33

W I E W I CHT I G I ST AUTOR I T Ä T ?

T h o m as p e t e r se n

Tabelle 5

ausgeprägt, doch in der hier behandelten Frage sind die Abstände zwischen den Generationen außerordentlich gering. Die 60-jährigen und älteren Befragten sagen zu 80 Prozent, dass eine Gesellschaft Autoritätspersonen brauche, bei den Unter-30-Jährigen liegt der Wert mit 73 Prozent nur geringfügig darunter (Tabelle 5).

Einstellung zu Autoritätspersonen – Altersgruppen FRA G E :

„Einmal ganz allgemein gefragt: Meinen Sie, dass man in einer Gesellschaft Autoritätspersonen braucht, dass sie notwendig sind, oder meinen Sie das nicht?“

Tabelle 4

Befragte im Alter von –

Braucht man Autoritätspersonen? FRAGE:

Bevölkerung insgesamt

Westdeutschland

Ostdeutschland

%

%

%

Braucht Autoritätspersonen

79

77

85

Meine das nicht

9

10

5

Unentschieden/ Keine Angabe

12

13

10

100

100

100

914

613

301

n=

© IfD-Allensbach

Im Prinzip die gleichen Ergebnisse erhält man, wenn man statt nach „Autoritätspersonen“ nach „Personen mit Autorität“ fragt. Auch hier stimmt eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung der Ansicht zu, dass man solche Menschen in einer Gesellschaft benötige. Die Zustimmung im Osten ist hier ebenfalls etwas größer als im Westen (Tabelle 6). Interessant ist aber, dass die Zustimmung in diesem Fall nicht ganz so einhellig ist wie bei der Frage nach Autoritätspersonen. Zwar ist die Mehrheit, die Personen mit Autorität für wichtig hält, mit 69 Prozent noch immer stattlich, doch sie liegt deutlich unter dem Niveau, das bei jener Frage erreicht wurde. Auch die Generationsunterschiede sind etwas größer (Tabelle 7). Hier wird ein Aspekt sichtbar, auf den unten noch eingegangen wird: Hinter der Strahlkraft des Begriffs „Autoritätsperson“ verbergen sich zwei Komponenten, nämlich 34

30-44 Jahren

45-59 Jahren

%

%

%

Braucht Autoritätspersonen

73

79

83

80

Meine das nicht

10

11

6

8

Unentschieden/ Keine Angabe

17

10

11

12

100

100

100

100

176

230

232

276

n=

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

60 Jahren und älter

16-29 Jahren

„Einmal ganz allgemein gefragt: Meinen Sie, dass man in einer Gesellschaft Autoritätspersonen braucht, dass sie notwendig sind, oder meinen Sie das nicht?“

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

%

© IfD-Allensbach

einmal die persönliche Autorität, die an die spezifischen Eigenschaften eines bestimmten Menschen gebunden ist. Sie wird auch mit der Formulierung „Person mit Autorität“ erfasst. Hierzu tritt aber als zweite Komponente die Autorität, die, wie es Winfried Böhm ausdrückt, durch Status oder Amt definiert ist.19 Der Umstand, dass eine große Mehrheit der Deutschen die Ansicht vertritt, Autoritätspersonen (oder mit einer kleinen Einschränkung, Personen mit Autorität) seien notwendig, bedeutet noch nicht, dass sie diesem Element des gesellschaftlichen Zusammenlebens ein besonderes Gewicht beimessen. Tatsächlich wird die Orientierung an Autoritäten im Vergleich zu anderen Werten und Verhaltensprinzipien des Alltags von vielen als eher nachrangig angesehen. Siehe oben, S. 18.

19 

35

W I E W I CHT I G I ST AUTOR I T Ä T ?

T h o m as p e t e r se n

Tabelle 6

Braucht man Personen mit Autorität? FRAGE:

Einstellung zu Personen mit Autorität – Altersgruppen

„Einmal ganz allgemein gefragt: Meinen Sie, dass man in einer Gesellschaft Personen mit Autorität braucht, dass sie notwendig sind, oder meinen Sie das nicht?“ Bevölkerung insgesamt

Westdeutschland

Ostdeutschland

%

%

%

Braucht Personen mit Autorität

69

68

76

Meine das nicht

16

18

8

Unentschieden/ Keine Angabe

15

14

100 931

n=

Tabelle 7

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

FRA G E :

„Einmal ganz allgemein gefragt: Meinen Sie, dass man in einer Gesellschaft Personen mit Autorität braucht, dass sie notwendig sind, oder meinen Sie das nicht?“ Befragte im Alter von – 30-44 Jahren

45-59 Jahren

%

%

%

Braucht Personen mit Autorität

60

62

68

81

16

Meine das nicht

23

20

13

10

100

100

Unentschieden/ Keine Angabe

17

18

19

9

620

311

100

100

100

100

175

228

227

301

© IfD-Allensbach

n=

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

Darauf deuten die Ergebnisse der folgenden Frage hin: „Wir haben einmal eine Liste zusammengestellt mit verschiedenen Forderungen, was man Kindern für ihr späteres Leben alles mit auf den Weg geben soll, was Kinder im Elternhaus lernen sollen. Was davon halten Sie für besonders wichtig?“ Die Liste, die die Interviewer zu dieser Frage überreichten, enthielt 19 verschiedene Werte und Verhaltensmaßregeln zur Auswahl. Der Zweck der Frage besteht nicht, wie man vielleicht meinen könnte, in erster Linie darin, die Haltung der Bevölkerung zu Erziehungsfragen zu ermitteln, sondern darin, die von den Menschen als besonders wichtig empfundenen Werte zu identifizieren. Die Einbettung in die alltagsnahe und realistische Frage nach den Erziehungszielen dient dazu, dem Thema etwas von seinem abstrakten und theoretischen Charakter zu nehmen. Wie in Grafik 2 deutlich wird, gehört das Respektieren von Autoritäten nicht zu den als am wichtigsten empfundenen Erziehungszielen, es sei denn, man rechnet das Ziel „Respekt gegenüber den Eltern zu zeigen“ 36

60 Jahren und älter

16-29 Jahren

%

© IfD-Allensbach

dazu, das in der Rangfolge der am häufigsten genannten Punkte mit 75 Prozent an vierter Stelle liegt. Man muss aber annehmen, dass hier bei den Befragten die Besonderheiten des Eltern-Kind-Verhältnisses im Vordergrund der Betrachtung stehen und weniger die Vorstellung von den Eltern als „Respektspersonen“, die mit anderen gesellschaftlichen Autoritäten zu vergleichen wären. Über den Stellenwert der Autorität als gesellschaftlicher Wert sagt dieses Ergebnis deswegen vermutlich wenig aus. Wichtiger ist in diesem Zusammenhang deswegen der Umstand, dass das Erziehungsziel „Respekt gegenüber Autoritätspersonen, wie z.B. Lehrern zu zeigen“ von 63 Prozent, also fast zwei Dritteln der Befragten als besonders wichtig angesehen wird. Trotz des auf den ersten Blick beachtlich erscheinenden Prozentwerts rangiert dieser Punkt damit erst an elfter Stelle in der Rangliste. Es ist offensichtlich, dass das Ziel autonomen Denkens und Handelns bei den meisten Deutschen Vorrang vor dem Respekt gegenüber Autoritäten hat, mit dem es zumindest unter bestimmten Umständen im Konflikt stehen kann. 37

W I E W I CHT I G I ST AUTOR I T Ä T ?

T h o m as p e t e r se n

Grafik 2

Erziehungsziele FRAGE:

 „Wir haben einmal eine Liste zusammengestellt mit verschiedenen Forderungen, was man Kindern für ihr späteres Leben alles mit auf den Weg geben soll, was Kinder im Elternhaus lernen sollen. Was davon halten Sie für besonders wichtig?“

Sowohl die Punkte „Selbständig denken, allein auf Ideen kommen“ und „Andersdenkende achten, tolerant sein“ als auch „Wissensdurst, den Wunsch, seinen Horizont ständig zu erweitern“ stehen in der Rangfolge vor dem Respekt gegenüber Autoritätspersonen, die ersten beiden mit Werten von 73 und 69 Prozent sogar deutlich davor. „Sich durchsetzen, sich nicht so leicht unterkriegen lassen“ liegt, genannt von 60 Prozent, nur knapp dahinter. Formuliert man das Prinzip des Respekts vor Autoritäten noch abstrakter und schlagworthafter, sinkt die Wertschätzung noch weiter: Nur eine Minderheit von 46 Prozent der Deutschen hält es für besonders wichtig, Kinder dazu zu erziehen, sich in eine Ordnung einzufügen, sich anzupassen. Die Erziehung zu Gehorsam findet nur ein Drittel wichtig. Der langfristige Trendvergleich deutet darauf hin, dass die Orientierung an Autoritäten in Deutschland in den letzten Jahrzehnten etwas an Wertschätzung verloren hat. Die Frage nach den Erziehungszielen der Bevölkerung wurde zum ersten Mal im Jahr 1967 in einer Repräsentativumfrage gestellt und 1972 zum ersten Mal wiederholt. Der Vergleich der Ergebnisse aus diesen beiden Jahren führte zur Entdeckung des Wertewandels, der in den darauffolgenden Jahrzehnten in der öffentlichen und sozialwissenschaftlichen Diskussion eine große Rolle spielte. Binnen fünf Jahren hatten praktisch alle traditionellen Tugenden – Fleiß, Höflichkeit, Ordnungsliebe usw. –, die spätestens seit dem 18. Jahrhundert im Zentrum der bürgerlichen Erziehung standen, an Bedeutung verloren.20 Von nun an stellte das Institut für Demoskopie Allensbach die Frage nach den Erziehungszielen regelmäßig neu, immer ein wenig an die Zeitläufe angepasst. Die eine oder andere Tugend fiel aus der Liste heraus, mancher neue Punkt wurde aufgenommen, aber im Kern blieb die Frage unverändert. Es zeigte sich, dass sich der Verlust der Wertschätzung traditioneller bürgerlicher Erziehungsziele auch in den folgenden Jahren fortsetzte, wenn auch nicht mehr ganz so rasch wie zu Beginn der 1970er Jahre. Auch nach der deutschen Einheit 1990 setzte sich der Trend zunächst fort, nun auch in den neuen Bundesländern, die

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

38

© IfD-Allensbach

Vgl. Elisabeth Noelle-Neumann, Thomas Petersen: Zeitenwende. Der Wertewandel 30 Jahre später. In: Aus Politik und Zeitgeschichte vom 13. Juli 2001, S. 15-22.

20 

39

W I E W I CHT I G I ST AUTOR I T Ä T ?

T h o m as p e t e r se n

Grafik 3

Erziehungsziele im Trend FRAGE:

„ Jetzt eine Frage zur Erziehung. Wir haben einmal eine Liste zusammen­ gestellt mit den verschiedenen Forderungen, was man Kindern für ihr späteres Leben alles auf den Weg geben soll, was Kinder im Eltern­haus lernen sollen. Was davon halten Sie für besonders wichtig?“

Basis: Ab 1991 Bundesrepublik Deutschland (davor Westdeutschland), Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen, zuletzt 10063, Oktober/November 2010

© IfD-Allensbach

zumindest einen Teil der Entwicklung in der ersten Hälfte der 1990er Jahre nachholten. Der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung wurde in der Mitte der 90er Jahre erreicht. Um 1995 herum – in einigen Fällen etwas früher, in anderen etwas später, begannen die Trendlinien zu brechen. Nicht alle, aber viele bürgerliche Tugenden gewinnen seitdem wieder an Bedeutung. Auch die außerordentlich starke Generationenkluft in Bezug auf die Wertorientierung, die die westdeutsche Gesellschaft mindestens von den frühen 80er Jahren an geprägt hatte, fiel Mitte der 90er Jahre binnen weniger Monate regelrecht in sich zusammen.21 Ununterbrochen seit 1967 wird nun in der Frage nach den Erziehungszielen auch das Ziel „Sich in eine Ordnung einfügen, sich anpassen“ abgefragt. Schaut man sich die Zustimmungsraten zu diesem Punkt im Zeitverlauf Vgl. Thomas Petersen, Tilman Mayer: Der Wert der Freiheit. Deutschland vor einem neuen Wertewandel? Freiburg: Herder 2005, S. 22-32.

21 

40

an, erkennt man zunächst das beschriebene Muster: Der Ausgangswert 1967 liegt bei 61 Prozent, 1972 sagten noch 51 Prozent, dass sie auf dieses Erziehungsziel besonderen Wert legen. Danach gehen die Zahlen fast kontinuierlich zurück, bis 1995 mit 34 Prozent der Tiefpunkt erreicht ist. Seitdem wächst die Zustimmung wieder langsam an. Dass diese Entwicklung dem Verlauf auch bei anderen Werten entspricht, zeigt Grafik 3, in der zum Vergleich die Entwicklungen bei den Erziehungs­ zielen „Höflichkeit und gutes Benehmen“ und „Ihre Arbeit ordentlich und gewissenhaft tun“ abgebildet sind. Auf den zweiten Blick zeigt sich aber ein wesentlicher Unterschied: Während „Höflichkeit und gutes Benehmen“ heute wieder von etwa ebenso vielen Menschen wie im Jahr 1967 als besonders wichtige Erziehungsziele eingeschätzt werden und „Ihre Arbeit ordentlich und gewissenhaft tun“ sogar häufiger genannt wird als damals, ist das Niveau der Antworten bei „Sich in eine Ordnung einfügen, sich anpassen“ heute mit 46 Prozent noch immer wesentlich niedriger als vor 43 Jahren. Obwohl also auch dieses Ziel von der Renaissance bürgerlicher Tugenden in den letzten eineinhalb Jahrzehnten profitiert hat, hat sich doch auch eine Umgewichtung innerhalb des Wertekanons ergeben, die man als Kennzeichen für einen relativen Gewichtsverlust der Autoritätsorientierung deuten kann. Dass bei aller grundsätzlichen Wertschätzung von Autoritäten die Orientierung an ihnen von vielen als nicht allzu wichtig angesehen wird, zeigt auch der Umstand, dass Klagen über einen angeblichen Mangel an Respekt vor Autorität weniger häufig erhoben werden als Klagen über andere gesellschaftliche Zustände. Erkennbar wird das an den Antworten auf eine Frage, bei der die Interviewer Karten überreichten, auf denen jeweils gesellschaftliche Entwicklungen aufgeschrieben waren, von denen man annehmen konnte, dass viele Menschen sie als wünschenswert einstufen würden, wie z.B. „Dass mehr Wert auf familiäre Bindungen gelegt wird“, „Dass man weniger Wert auf Geld und materiellen Wohlstand legt“ oder eben auch „Dass es mehr Achtung vor Autorität gibt“. Die Befragten wurden gebeten, die Karten herauszulegen, auf denen Entwicklungen standen, die sie begrüßen würden. 81 Prozent der Befragten antworten auf diese Frage, sie würden es begrüßen, wenn in 41

W I E W I CHT I G I ST AUTOR I T Ä T ?

T h o m as p e t e r se n

Grafik 4

Zukunftswünsche FRAGE:

„ Hier auf den Karten steht Verschiedenes, was sich in Zukunft in unserer Gesellschaft ändern könnte. Könnten Sie mir bitte zu jedem Punkt sagen, ob Sie eine solche Entwicklung begrüßen oder ablehnen würden, oder ob Ihnen das egal ist?“

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

© IfD-Allensbach

Zukunft mehr Wert auf familiäre Bindungen gelegt würde. 66 Prozent fänden es gut, wenn die Menschen „einfacher und natürlicher“ leben würden, fast ebenso viele, 63 Prozent meinen, es wäre gut, wenn weniger Wert auf Geld und materiellen Wohlstand gelegt würde. „Dass es mehr Achtung vor Autorität gibt“, fand zwar ebenfalls eine Mehrheit von 51 Prozent wünschenswert, damit rangiert dieser Punkt aber an vorletzter Stelle unter den zur Auswahl gestellten (Grafik 4). Nun könnte man argumentieren, dass die gesellschaftlichen Bereiche, bei denen vergleichsweise wenige Menschen Defizite beklagen, diejenigen sind, bei denen möglicherweise durchaus hohe Ansprüche bestehen, die aber alles in allem erfüllt werden. Das ist streng genommen richtig: Das hier präsentierte Antwortmuster beweist nicht, dass die Achtung vor Autorität einen geringen Stellenwert in der Bevölkerung hat. 42

Theoretisch ist es denkbar, dass sie einen sehr hohen Stellenwert hat, die Bevölkerung auf diesem Gebiet aber keinen Grund zur Klage sieht. Allein die praktische Erfahrung in der Demoskopie spricht gegen eine solche Deutung. In zahlreichen Untersuchungen zu den verschiedensten Themenbereichen hat sich immer wieder der Erfahrungswert bestätigt, dass gesellschaftliche Themen und Ziele, die von der Bevölkerung als wirklich wichtig angesehen werden, stets auch die Bereiche sind, in denen mit der größten Vehemenz Verbesserungen angemahnt werden. Deswegen führen beispielsweise auch die größten Anstrengungen in der Sozialpolitik nicht dazu, dass die Bevölkerung mit ihren Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit nachlässt. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis muss man die Reaktionen der Befragten zum Thema Autorität dahingehend deuten, dass dieses Thema zwar auf einer allgemeinen Ebene als durchaus wichtig wahrgenommen wird, es aber nicht im Fokus der Aufmerksamkeit der Bevölkerung steht. Es wurde oben darauf hingewiesen, dass sich die Altersgruppen in ihrem Antwortverhalten bemerkenswert wenig unterscheiden, wenn pauschal, ohne Einbettung in einen größeren Zusammenhang, nach der Bedeutung gesellschaftlicher Autorität gefragt wird. Stellt man dagegen, wie bei den zuletzt präsentierten Fragen, das Ziel der Achtung vor Autorität in den Wettbewerb mit anderen gesellschaftlichen Zielen und Werten, werden deutlichere Unterschiede zwischen den Generationen erkennbar. Befragte im Alter unter 30 Jahren sagen zu 37 Prozent, sie wünschten sich, dass es in Zukunft mehr Achtung vor Autorität gebe, während zwei Drittel der 60-jährigen und älteren Befragten diesen Wunsch äußern. Umgekehrt sagen 71 Prozent der Jüngeren und nur 57 Prozent der Älteren, sie wünschten sich für die Zukunft, dass die persönliche Entfaltung des Einzelnen stärker betont wird (Tabelle 8). Hier entspricht das Antwortverhalten also durchaus dem Muster, das man erwarten würde: Während die junge Generation die Freiräume sucht, die sie zur eigenen Entwicklung benötigt, steht für die ältere Generation die Sicherheit im Vordergrund, die die Orientierung an vertrauten Normen und Hierarchien bedeutet. Auch dieses Antwortmuster deutet darauf hin, dass die zuletzt präsentierten Fragen eher die tatsächliche Bedeutung gesellschaftlicher Autorität erfassen als die am Anfang des Kapitels vorgestellten Fragen mit 43

T h o m as p e t e r se n

Tabelle 8

Die junge Generation sucht Freiräume, die ältere Respekt vor Autorität FRAGE:

„ Hier auf den Karten steht Verschiedenes, was sich in Zukunft in unserer Gesellschaft ändern könnte. Könnten Sie mir bitte zu jedem Punkt sagen, ob Sie eine solche Entwicklung begrüßen oder ablehnen würden, oder ob Ihnen das egal ist?“

Befragte im Alter von – 60 Jahren und älter

16-29 Jahren

30-44 Jahren

45-59 Jahren

– Auszug aus den Angaben –

%

%

%

Dass die persön­ liche Entfaltung des Einzelnen stärker betont wird

71

65

56

57

Dass es mehr Achtung vor Autorität gibt

37

46

49

66

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

%

© IfD-Allensbach

allgemeineren Formulierungen. Auf einer abstrakten, allgemeinen Ebene erkennt eine deutliche Mehrheit in allen gesellschaftlichen Schichten die Notwendigkeit von Autoritäten an. Fragt man dagegen etwas detaillierter nach, relativiert sich der Befund deutlich. Wirklich wichtig scheint eine Stärkung der Achtung vor Autoritäten nur der älteren Generation zu sein.

44

In welchen Bereichen ist Autorität notwendig?

Der Umstand, dass die Mehrheit der Deutschen heute allgemein Autorität in der Gesellschaft als notwendig erachtet, bedeutet selbstverständlich nicht, dass diese gleichermaßen in allen Lebensbereichen befürwortet wird. Ein Zweck der vorliegenden Untersuchung bestand darin, festzustellen, in welchen Bereichen des Alltags und des öffentlichen Lebens Autorität als besonders notwendig gilt und wo sie eher abzulehnen ist, wo es aus Sicht der Bürger ein Zuviel und wo es ein Defizit an Autorität gibt. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Deutschen in dieser Frage tatsächlich eine differenzierte, in Teilen durchaus auch widersprüchliche Haltung einnehmen. Wie unterschiedlich die Sichtweise auf das Thema Autorität ausfallen kann, je nachdem, auf welchen Lebensbereich sie sich bezieht, zeigen die Ergebnisse zweier Fragen, bei denen allerdings – anders als bei den meisten anderen Fragen der Studie – das Autoritätsverständnis im Sinne von autoritärer Machtausübung im Mittelpunkt der Betrachtung stand. Bei der ersten Frage handelt es sich um eine seit dem Jahr 1955 immer wieder gestellte Trendfrage, die dazu dient, den Anteil derjenigen in der Bevölkerung zu bestimmen, die zu einer politisch autoritären Haltung neigen. Sie lautet: „Zwei Männer unterhalten sich darüber, wie man ein Land regieren soll. Der eine sagt: ‚Mir gefällt es am besten, wenn das Volk den besten Politiker an die Spitze stellt und ihm die ganze Regierungsgewalt überträgt. Der kann dann mit ein paar ausgesuchten Fachleuten klar und schnell entscheiden. Es wird nicht viel geredet und es geschieht wirklich was.‘ Der andere sagt: ‚Mir ist es lieber, wenn mehrere Leute etwas im Staat zu bestimmen haben. Dann geht es zwar manchmal hin und her, bis was getan wird, aber es kann nicht so leicht vorkommen, dass die Regierungsgewalt missbraucht wird.‘ Welche dieser Meinungen kommt Ihrer eigenen am nächsten, die erste oder die zweite?“ 45

I N W E L CHEN B ERE I CHEN I ST AUTOR I T Ä T NOT W END I G ?

T h o m as p e t e r se n

Grafik 6

Die Grafiken 5 und 6 zeigen das Ergebnis zu dieser Frage seit 1955 in Westdeutschland und seit 1991 in den neuen Bundesländern. Man erkennt, dass stets eine deutliche Mehrheit die erste Position, die eine vorsichtige Umschreibung eines autoritären Regimes ist, ablehnte.

Der „starke Mann“ – Ostdeutschland FRA G E :

Grafik 5

Der „starke Mann“ – Westdeutschland FRAGE:

„ Zwei Männer unterhalten sich darüber, wie man ein Land regieren soll. Der eine sagt: ‚Mir gefällt es am besten, wenn das Volk den besten Politiker an die Spitze stellt und ihm die ganze Regierungsgewalt überträgt. Der kann dann mit ein paar ausgesuchten Fachleuten klar und schnell entscheiden. Es wird nicht viel geredet, und es geschieht wirklich was.‘ Der andere sagt: ‚Mir ist es lieber, wenn mehrere Leute etwas im Staat zu bestimmen haben. Dann geht es zwar manchmal hin und her, bis was getan wird, aber es kann nicht so leicht vorkommen, dass die Regierungsgewalt missbraucht wird.‘ Welche dieser Meinungen kommt Ihrer eigenen am nächsten – die erste oder die zweite?“

„ Zwei Männer unterhalten sich darüber, wie man ein Land regieren soll. Der eine sagt: ‚Mir gefällt es am besten, wenn das Volk den besten Politiker an die Spitze stellt und ihm die ganze Regierungsgewalt überträgt. Der kann dann mit ein paar ausgesuchten Fachleuten klar und schnell entscheiden. Es wird nicht viel geredet, und es geschieht wirklich was.‘ Der andere sagt: ‚Mir ist es lieber, wenn mehrere Leute etwas im Staat zu bestimmen haben. Dann geht es zwar manchmal hin und her, bis was getan wird, aber es kann nicht so leicht vorkommen, dass die Regierungsgewalt missbraucht wird.‘ Welche dieser Meinungen kommt Ihrer eigenen am nächsten – die erste oder die zweite?“

Basis: Ostdeutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen, zuletzt 10063, Oktober/November 2010

Basis: Ab 1991 Bundesrepublik Deutschland (davor Westdeutschland), Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen, zuletzt 10063, Oktober/November 2010

© IfD-Allensbach

Das politische Grundverständnis der Bundesrepublik Deutschland als pluralistische Demokratie ist so tief im Bewusstsein der Bevölkerung verankert, dass das Konzept des „starken Mannes“, selbst wenn es mit sehr zurückhaltenden Worten und unter Vermeidung von politischen Reizwörtern vorgestellt wird, nur geringe Anziehungskraft besitzt – trotz aller Defizite in der Demokratieverankerung, die man durchaus in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens feststellen kann.22 Doch es kann nicht die Aufgabe dieses Berichts sein, dieses Thema zu vertiefen. 46

© IfD-Allensbach

An dieser Stelle ist von Interesse, dass die Antworten der Befragten spürbar anders ausfallen, wenn nicht nach der politischen Ordnung, sondern nach der Ordnung im Wirtschaftsleben gefragt wird. Eine Hälfte der Befragten wurde nicht mit der eben beschriebenen Trendfrage konfrontiert, sondern mit einer analog formulierten Frage, in der es statt „Zwei Männer unterhalten sich darüber, wie man ein Land regieren soll …“ heißt: „Zwei Personen unterhalten sich darüber, wie ein Unternehmen geführt werden soll …“ Auch hier entscheidet sich eine Mehrheit der Befragten für das zweite Argument und damit für die „pluralistische“ Variante, doch diese Siehe hierzu z.B.: Thomas Petersen: Aufklärung über die eigene Vergangenheit. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. November 2009, S. 5.

22 

47

I N W E L CHEN B ERE I CHEN I ST AUTOR I T Ä T NOT W END I G ?

T h o m as p e t e r se n

Mehrheit ist mit 50 Prozent wesentlich knapper als bei der auf die Politik bezogenen Frage. Immerhin ein Drittel stimmt dem „starken Mann“ im Wirtschaftsleben zu (Tabelle 9). Es liegt nahe, anzunehmen, dass die politische Sphäre in dieser Hinsicht ein Sonderfall ist, der von anderen Lebensbereichen getrennt betrachtet werden muss. Dass die Zustimmung zu einer starken, tendenziell autoritären Führung im Wirtschaftsleben auch mit einer allgemein zustimmenden Haltung gegenüber Autoritäten zusammenhängt, wird daran erkennt­lich, dass Befragte, die die Frage „Glauben Sie, dass man in einer Gesellschaft Autoritätspersonen braucht?“ mit „Ja“ beantworten, auch überdurch­­­ schnittlich häufig das Autoritätsprinzip in der Unter­ nehmens­ füh­ rung befürworten. So wichtig es ist, bei der Diskussion um das Thema Autorität die beiden Bedeutungs­ ebenen des Autoritären und der „auctoritas“ voneinander zu trennen, um Missverständnisse zu vermeiden, so sehr hängen beide Aspekte in der Praxis letztlich doch auch miteinander zusammen, und zwar weniger inhaltlich als strukturell. Dem gemein­ samen Wortstamm entspricht eine erkennbare Überschneidung in der Gesellschaft: Wer gesellschaftliche Autoritäten für notwendig hält, wird tendenziell auch eher autoritäre Positionen befürworten als jemand, der gesellschaftliche Autorität grundsätzlich ablehnt. Nicht, weil beides gleichzusetzen oder auch nur inhaltlich oder gar moralisch ähnlich zu bewerten wäre, sondern weil beides überdurchschnittlich häufig Hand in Hand geht. Im Grunde ist die Zustimmung zu gesellschaftlicher Autorität eine notwendige, wenn auch eine bei weitem nicht hinreichende Bedingung für die Zustimmung zu autoritären Prinzipien: Bei weitem nicht jeder, der Autorität für wichtig hält, ist gleichzeitig auch autoritär. Tatsächlich trifft dies sogar nur auf eine Minderheit auch in dieser Gruppe zu. Aber umgekehrt dürfte es schwer sein, autoritäre Prinzipien zu befür­ worten, ohne gleichzeitig auch Autoritäten als solche zu respektieren. Dieser strukturelle Zusammenhang wird unten noch eine Rolle spielen. Mehr noch als in der Wirtschaft scheint das Prinzip der starken Führung zumindest in Teilbereichen des Alltagslebens akzeptiert zu sein. Darauf 48

Tabelle 9

Der „starke Mann“ im Wirtschaftsleben FRA G E :

„ Zwei Personen unterhalten sich darüber, wie ein Unternehmen geführt werden soll. Die eine sagt: ‚Mir gefällt es am besten, wenn das Unternehmen den besten Manager an die Spitze stellt und ihm die ganze Entscheidungsbefugnis überträgt. Der kann dann mit ein paar ausgesuchten Fachleuten klar und schnell entscheiden. Es wird nicht viel geredet, und es geschieht wirklich was.‘ Der andere sagt: ‚Mir ist es lieber, wenn mehrere Leute etwas im Unternehmen zu bestimmen haben. Da geht es zwar manchmal hin und her, bis was getan wird, aber es kann nicht so leicht vorkommen, dass die Entscheidungsbefugnis missbraucht wird.‘ Welche dieser Meinungen kommt Ihrer eigenen am nächsten, die erste oder die zweite?“ Bevölkerung insgesamt

Befragte, die sagen,

man braucht Autoritätspersonen %

%

man braucht Autoritätspersonen nicht oder ‚Unentschieden‘ %

Die erste (der Beste an die Spitze)

34

40

20

Die zweite (lieber, wenn mehrere zu bestimmen haben)

50

47

59

Unentschieden

16

13

21

100

100

100

931

658

273

n=

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

© IfD-Allensbach

deuten jedenfalls die Ergebnisse einer etwas salopp formulierten Frage hin, in der (in Anlehnung an eine Parteitagsrede des FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle aus dem Jahr 2002) die Zustimmung zu dem Satz erfragt wurde: „Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt’s einen, der die Sache regelt.“ „Wie sehen Sie das?“ hieß es in der Frage weiter, „Glauben Sie, dass es bei Projekten, bei Unternehmungen eine Person geben muss, die letzten Endes die Entscheidungen trifft, oder glauben Sie das nicht?“ Mehr als drei Viertel der Befragten, 78 Prozent, äußerten sich 49

I N W E L CHEN B ERE I CHEN I ST AUTOR I T Ä T NOT W END I G ?

T h o m as p e t e r se n

Tabelle 10

Braucht man autoritäre Entscheidungen bei Projekten im Alltag? I FRAGE:

Braucht man autoritäre Entscheidungen bei Projekten im Alltag? II

„ Es gibt das Sprichwort: ‚Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt’s einen, der die Sache regelt.‘ Wie sehen Sie das: Glauben Sie, dass es bei Projekten, bei Unternehmungen eine Person geben muss, die letzten Endes die Entscheidungen trifft, oder glauben Sie das nicht?“ Bevölkerung insgesamt

Westdeutschland

Ostdeutschland

%

%

%

Muss solche Personen geben

78

78

80

Glaube das nicht

14

14

12

Unentschieden/ Keine Angabe

8

8

8

100

100

100

481

317

164

n=

FRA G E :

„ Es gibt das Sprichwort: ‚Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt’s einen, der die Sache regelt.‘ Wie sehen Sie das: Glauben Sie, dass es bei Projekten, bei Unternehmungen eine Person geben muss, die letzten Endes die Entscheidungen trifft, oder glauben Sie das nicht?“ Befragte, die sagen,

man braucht Autoritäts­personen

© IfD-Allensbach

zustimmend, nur 14 Prozent widersprachen ausdrücklich (Tabelle 10). Nun erhalten bei Repräsentativumfragen schlagworthaft formulierte Aussagen stets besonders hohe Zustimmungswerte. Wäre dieselbe These etwas zurückhaltender, in alltäglicherer Sprache formuliert worden, hätte sie vermutlich etwas weniger positive Reaktionen ausgelöst, doch das Gesamtbild wäre davon wahrscheinlich nicht betroffen. Abseits der politischen Sphäre steht ein großer Teil der Bevölkerung autoritären Entscheidungsprinzipien durchaus aufgeschlossen gegenüber. Es liegt nahe anzunehmen, dass diese Haltung in vielen Fällen auf Alltagserfahrungen beruht, etwa auf der Beobachtung, dass die Entscheidungsfindung, beispielsweise in Vereinen, oft erheblich erschwert wird, wenn nicht einer der Beteiligten entschlossen die Führung übernimmt. Auch die Zustimmung zu dem Satz „Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt’s einen, der die Sache regelt“ ist mit einer generell positiven Haltung gegenüber Autoritäten verknüpft (Tabelle 11).

man braucht Autoritäts­personen nicht oder ‘Unentschieden’

% % Muss solche Personen geben

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

50

Tabelle 11

85

64

Glaube das nicht

9

25

Unentschieden/Keine Angabe

6

11

100

100

330

151

n= Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

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Fragt man nicht im engeren Sinne nach autoritären Entscheidungen, sondern allgemeiner nach der Notwendigkeit von Autoritätspersonen, ergibt sich ein etwas anderes Bild. Hier ist von einer besonderen Rolle der Politik nichts zu erkennen. Auf die Frage „In welchen Bereichen ist es besonders wichtig, dass es Autoritätspersonen gibt?“ nennen drei Viertel der Deutschen die Schule. An zweiter Stelle folgt, genannt von 72 Prozent, das Berufsleben, gefolgt von der Politik (70 Prozent) und der Wirtschaft (66 Prozent). Ebenfalls Mehrheiten, wenn auch knappere, sprechen sich für Autoritätspersonen in der Familie und im Bereich Medizin aus. Etwas überraschend mag es auf den ersten Blick erscheinen, dass an letzter Stelle, genannt von 19 Prozent der Befragten, der Bereich Religion, Glaubensfragen steht (Grafik 7). Hier sind die Antworten der Befragten offensichtlich von der Überzeugung geleitet, dass das religiöse Bekenntnis Privatsache ist. Der Umstand, dass gerade auch ranghohe Vertreter der Kirchen als 51

I N W E L CHEN B ERE I CHEN I ST AUTOR I T Ä T NOT W END I G ?

T h o m as p e t e r se n

Grafik 8

Grafik 7

Vor allem Katholiken meinen: Man braucht Autoritätspersonen im Bereich Religion

Die Notwendigkeit von Autoritätspersonen in verschiedenen Lebensbereichen FRAGE:

„ Was meinen Sie: In welchen Bereichen ist es besonders wichtig, dass es Autoritätspersonen gibt?“

FRA G E :

„ Was meinen Sie: In welchen Bereichen ist es besonders wichtig, dass es Autoritätspersonen gibt?“

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

© IfD-Allensbach

Autoritätspersonen angesehen werden können, tritt demgegenüber in den Hintergrund. Interessant ist, dass die Überzeugung, in einem bestimmten Lebensbereich seien Autoritätspersonen notwendig, zuzunehmen scheint, je näher ein Befragter diesem Lebensbereich steht. Illustrieren kann man das am Beispiel Religion. Zunächst lässt sich festhalten, dass Katholiken mehr als Protestanten und Konfessionslose die Ansicht vertreten, im Bereich Religion und Glaubensfragen sei es besonders wichtig, dass es Autoritätspersonen gibt (Grafik 8). Was wie eine logische Konsequenz aus den unterschiedlich hierarchischen Organisationsformen und dem unterschiedlichen Selbstverständnis von katholischer und evangelischer Kirche erscheint, erweist sich bei näherer 52

© IfD-Allensbach

Betrachtung hauptsächlich als eine Folge unterschiedlich ausgeprägter Religiosität. Es sind nämlich vor allem die regelmäßigen Kirchgänger (unter denen besonders viele Katholiken sind), die überdurchschnittlich häufig der Ansicht sind, Autoritätspersonen seien in Glaubensfragen besonders wichtig (Grafik 9). Ein ähnlicher Zusammenhang zwischen Nähe zu einem Themenbereich und der Ansicht, dort seien Autoritäten notwendig, ist auch bei Bildungsfragen zu beobachten, wenn auch weit weniger stark ausgeprägt (vgl. Anhanggrafik A2). In welchen konkreten Situationen des Alltags und des öffentlichen Lebens sich die Bevölkerung mehr und wo sie sich weniger Autorität wünscht, wurde mit einer weiteren Frage ermittelt, bei der der Schwerpunkt wiederum auf der Autorität im Sinne einer aktiven, rigorosen Machtausübung lag. Sie lautete: „Man kann ja manchmal die Meinung hören, dass in bestimmten 53

I N W E L CHEN B ERE I CHEN I ST AUTOR I T Ä T NOT W END I G ?

T h o m as p e t e r se n

Grafik 9

Häufige Kirchenbesucher sind eher als andere der Ansicht, in Religionsfragen seien Autoritätspersonen besonders wichtig FRAGE:

Wo sollte mit mehr Autorität vorgegangen werden? FRA G E :

 „Was meinen Sie: In welchen Bereichen ist es besonders wichtig, dass es Autoritätspersonen gibt?“

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

 „Man kann ja manchmal die Meinung hören, dass in bestimmten Bereichen mit mehr Autorität vorgegangen werden sollte, dass härter durchgegriffen werden sollte. Was meinen Sie: In welchen Bereichen müsste häufig härter durchgegriffen werden, wo weniger hart und wo sehen Sie keinen Änderungsbedarf?“

© IfD-Allensbach

Bereichen mit mehr Autorität vorgegangen werden sollte. Was meinen Sie: In welchen Bereichen müsste häufig härter durchgegriffen werden, wo weniger hart und wo sehen Sie keinen Änderungsbedarf?“ Dazu wurden von den Interviewern Karten überreicht. Auf jeder Karte war ein Themenfeld aufgeschrieben wie „Bei der Bekämpfung des Drogenhandels“, „Im Schulunterricht“ oder „Bei Verstößen im Straßenverkehr“. Die Befragten wurden gebeten, die Karten auf ein Blatt zu verteilen, das in drei Felder mit den Beschriftungen „Da sollte härter durchgegriffen werden“, „Kein Änderungsbedarf“ und „Da sollte weniger hart durchgegriffen werden“ unterteilt war. Grafik 10 zeigt das Ergebnis zu dieser Frage. Hier ergibt sich eine auffallend andere Hierarchie der Prioritäten als bei der zuvor behandelten Frage nach den Bereichen, in denen man Autoritätspersonen braucht. Die dort so wichtigen Felder der Schule und des Berufslebens liegen hier am Ende der Rangliste, die vor allem von Aussagen dominiert wird, die den Umgang mit Straftaten oder Verletzungen der öffentlichen Ordnung betreffen. So sagen 85 Prozent, bei der Bekämpfung des Drogenhandels 54

Grafik 10

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

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55

I N W E L CHEN B ERE I CHEN I ST AUTOR I T Ä T NOT W END I G ?

T h o m as p e t e r se n

Tabelle 12

Tabelle 13

Auch Migranten sagen: Bei der Integration von Ausländern sollte mit mehr Autorität vorgegangen werden

Mehr Zwang zur Integration? FRA G E :

FRAGE:

„Man kann ja manchmal die Meinung hören, dass in bestimmten Bereichen mit mehr Autorität vorgegangen werden sollte, dass härter durchgegriffen werden sollte. Was meinen Sie: In welchen Bereichen müsste häufig härter durchgegriffen werden, wo weniger hart, und wo sehen Sie keinen Änderungsbedarf?“

Bei der Integration von Ausländern, z.B. bei den Anforderungen, die Ausländer erfüllen müssen, wenn sie in Deutschland leben möchten ...

Befragte deutscher Herkunft

Befragte mit Migrationshintergrund

%

%

... sollte härter durchgegriffen werden

75

59

... sollte weniger hart vorgegangen werden

9

20

... gibt es keinen Änderungsbedarf

15

20

1

1

100

100

846

85

„ Es wird ja häufig kritisiert, dass Deutschland beim Thema Integration zu sehr auf freiwillige Angebote setzt und zu wenig Druck ausübt, also dass Ausländer z.B. verpflichtet werden, ihre Kinder in den Kindergarten zu schicken oder an Sprachkursen teilzunehmen. Wie sehen Sie das: Sollte Deutschland hier lebende Ausländer in Zukunft stärker zu Maßnahmen verpflichten, die der Integration dienen, oder sollte man eher auf die freiwillige Bereitschaft der Ausländer setzen, sich zu integrieren?“ Befragte deutscher Herkunft

Befragte mit Migrationshintergrund

%

%

86

74

Freiwillige Bereitschaft

9

20

Unentschieden/Keine Angabe

5

6

100

100

1.845

165

Stärker verpflichten

Unentschieden

n= n= Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

© IfD-Allensbach

© IfD-Allensbach

müsse mit mehr Autorität vorgegangen werden, 78 Prozent sagen das Gleiche vom Umgang mit Straftätern. Es folgt mit 77 Prozent praktisch gleichauf die Aussage „Beim Umgang mit Arbeitslosen, die nicht arbeiten möchten“. Man muss annehmen, dass die Reaktionen der Befragten bei dieser Frage stark von spontanen, wenig reflektierten Regungen beeinflusst sind und dementsprechend die konkrete Formulierung wesentlich das Antwortverhalten beeinflusst, möglicherweise mehr als der objektive Inhalt der jeweiligen Aussage. Anders ist der Umstand kaum zu erklären, dass zwar 72 Prozent der Befragten sagen, es müsse „bei der Verfolgung von Verkehrssündern“ mit mehr Autorität vorgegangen werden, während nur 41 Prozent das gleiche „bei Verstößen im Straßenverkehr“ fordern. Derart starke Schwankungen zwischen den Antworten auf inhaltlich praktisch gleich bedeutende Fragen sind meist ein Zeichen dafür, dass sich die Befragten vor dem Interview wenig Gedanken um den betreffenden Gegenstand gemacht haben.23 Umso stärker sind sie für die Strahlkraft von 56

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

politischen Schlagworten sensibel, mit denen eingeübte Reflexe aufgerufen werden. Man erkennt, dass das Stichwort „Autorität“ in der politischen Debatte ein Fremdkörper ist. Die Antworten der Befragten folgen den Linien der Tagespolitik. Sie wären bei einer anderen Frageformulierung, bei der der Begriff „Autorität“ vermieden worden wäre, vermutlich nicht anders ausgefallen. Ein Detailergebnis der Frage verdient noch eine kurze Erwähnung: 73 Prozent der Deutschen meinen, es solle „bei der Integration von Ausländern, z.B. bei den Anforderungen, die Ausländer erfüllen müssen, wenn sie in Deutschland leben möchten“ mit mehr Autorität vorgegangen werden. Interessant ist hier, dass auch eine Mehrzahl von 59 Prozent 23 

Vgl. Thomas Petersen: Das Feldexperiment in der Umfrageforschung. Frankfurt am Main: Campus 2002, S. 115-126. 57

T h o m as p e t e r se n

der Befragten mit Migrationshintergrund diese Forderung unterstützt (Tabelle 12). Damit liegt das Niveau der Zustimmung zwar deutlich unter dem der deutschstämmigen Bevölkerung, es ist jedoch höher als man angesichts der öffentlichen Integrationsdebatte der letzten Monate vielleicht hätte vermuten können. Auch bei der Frage, ob in Deutschland lebende Ausländer stärker als bisher zu Integrationsmaßnahmen verpflichtet werden sollen, beispielsweise indem man die Teilnahme an Deutschkursen anordnet oder eine Kindergartenpflicht einführt, antworten die Befragten mit ausländischem Hintergrund nicht wesentlich anders als die eingesessene Bevölkerung: In beiden Gruppen spricht sich eine sehr deutliche Mehrheit dafür aus: 86 Prozent der deutschstämmigen Bevölkerung und 74 Prozent der Migranten (Tabelle 13). Nun ist bei diesen Antworten zu berücksichtigen, dass bei Repräsentativumfragen der harte Kern der nicht integrationswilligen Ausländer nicht erreicht wird. Bei den befragten Personen mit Migrationshintergrund handelt es sich durchweg um Personen, die der deutschen Sprache mächtig sind und mindestens in dem Maße bereit sind, Kontakte mit Deutschen aufzunehmen, dass sie sich zu einem Interview bereitfinden. Dennoch bleibt der Befund auffällig. Auch bei den zahlreichen anderen Fragen über die Einstellung gegenüber dem Thema Autorität sind keine größeren Unterschiede zwischen den Befragten mit deutscher und ausländischer Herkunft festzustellen. Die im Vorfeld der Untersuchung geäußerte Vermutung, dass Ausländer und Deutsche möglicherweise grundlegend verschiedene Vorstellungen von Autorität haben, hat sich damit nicht bestätigt.

Autorität als Persönlichkeitseigenschaft

Der Begriff „Autorität“ ist, wie bereits oben beschrieben, dahingehend vielschichtig, dass er von der Bevölkerung anscheinend zum Teil als an eine Person gebunden wahrgenommen wird, Autorität also als Persönlichkeitseigenschaft verstanden wird, ein Teil der Strahlkraft des Begriffs aber auch an Ämter oder berufliche Positionen gebunden zu sein scheint. Zum Verständnis des gesellschaftlichen Autoritätsverständnisses erscheint es deswegen erstrebenswert, die beiden Komponenten voneinander zu trennen, um zu erfahren, in welchem Maße beide zum Gesamtbild der Autorität beitragen. Man kann dies wenigstens im Ansatz tun, indem man in einer Repräsentativumfrage verschiedene sprachliche Variationen des Begriffs „Autorität“ verwendet, in denen die unterschiedlichen Komponenten mal mehr, mal weniger stark betont werden. So wurde in der vorliegenden Untersuchung einem Teil der Befragten die Frage gestellt: „Wenn jemand sagt, er sei eine Autorität, spricht das eher für ihn oder eher gegen ihn?“ 65 Prozent antworten darauf, es spreche eher für ihn, nur 9 Prozent sagen: „Es spricht gegen ihn.“ Einer anderen Befragtengruppe wurde dagegen die Frage gestellt „Wenn man von jemandem sagt, er habe Autorität, spricht das eher für ihn oder eher gegen ihn?“ Hier waren es deutlich weniger, nämlich 54 Prozent, die sagten, es spreche für ihn, immerhin 16 Prozent widersprachen ausdrücklich (Tabelle 14). Dieser Unterschied zwischen den beiden Teilgruppen ist aufschlussreich. Beide Gruppen sind gleichermaßen repräsentativ für die Gesamtbevölkerung, die Zuordnung zur einen oder anderen Befragtengruppe erfolgte streng nach dem Zufallsprinzip. Abgesehen von kleinen Variationen im Fragebogen, wie der hier berichteten, wurden alle Gruppen gleich behandelt: Die Interviews fanden alle in dem gleichen Zeitraum unter den gleichen Bedingungen statt.

58

59

AUTOR I T Ä T A L S P ERS Ö N L I CHKE I TSE I G ENSCHAFT

T h o m as p e t e r se n

Tabelle 14

Jemand der Autorität hat, ist nicht unbedingt eine Autorität FRAGE:

„ Wenn man von jemandem sagt, er – sei eine Autorität – – sei autoritär – – habe Autorität – spricht das eher für oder eher gegen ihn?“ Gruppe 1 ‘eine Autorität’

Gruppe 2 ‘autoritär’

Gruppe 3 ‘habe Autorität’

%

%

%

Spricht für ihn

65

22

54

Spricht gegen ihn

9

44

16

Unentschieden/ Keine Angabe

26

34

30

100

100

100

914

481

450

n=

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

© IfD-Allensbach

Damit sind alle Voraussetzungen für ein gültiges sozialwissenschaftliches Experiment gegeben: Unterscheidet sich das Antwortverhalten der Befragten beider Gruppen signifikant voneinander, also stärker als angesichts der unvermeidlichen Zufallschwankungen von Repräsentativumfragen zu erwarten ist, kann dieser Unterschied logisch nur auf den einzigen Faktor zurückgeführt werden, in dem sich die beiden Gruppen über das vom Zufall bestimmte Maß hinaus voneinander unterscheiden, und das ist die Variation im Fragebogen.24 Da mit der Formulierung, jemand „habe Autorität“, der Blick ganz auf die Persönlichkeitseigenschaften des Betreffenden gelenkt wird, während die Formulierung, jemand „sei eine Autorität“ in dieser Hinsicht unbestimmt ist und damit zumindest potentiell alle Aspekte des Autoritätsbegriffs abdeckt, kann man annehmen, das die Differenz zwischen den Antworten auf die beiden Fragevarianten den Anteil anzeigt, Vgl. Thomas Petersen: Das Feldexperiment in der Umfrageforschung. Frankfurt am Main: Campus 2002, S. 81-85.

24 

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mit dem Amt und Würden zur Bedeutung des Begriffs „Autorität“ beitragen. Er ist demnach zwar nicht bestimmend, das persönliche Element scheint zu überwiegen, doch er ist auch nicht zu vernachlässigen. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch kurz erwähnt, dass in einer dritten Befragtengruppe noch eine weitere Fragevariante verwendet wurde, bei der nach einer Person gefragt wurde, von der gesagt wird, sie sei autoritär. Hier spiegelt sich in den Ergebnissen die negative Aura, die den Begriff „autoritär“ umgibt, und auf die oben bereits ausführlich eingegangen worden ist (Tabelle 14). Dass der Eindruck, Autorität sei nicht nur eine Persönlichkeitseigenschaft, sondern zu einem gewissen Grad auch von der Würde von Ämtern abhängig, nicht nur einen Teil zur Strahlkraft des Begriffes beiträgt, sondern ihm eine spezifische Bedeutungsdimension hinzufügt, wird deutlich, wenn man etwas detaillierter abfragt, welche Eigenschaften denn eine Autoritätsperson bzw. eine Person mit Autorität im Einzelnen habe. Grafik 11 zeigt, dass beide Formulierungen durchaus unterschiedliche Assoziationen hervorrufen, wobei eine „Autoritätsperson“ alles in allem als deutlich positiver wahrgenommen wird als eine „Person mit Autorität.“ Ersterer trauen die Befragten mehr als letzterer zu, Verantwortung zu übernehmen, Autoritätspersonen gelten eher als Personen mit Autorität als fachkundig auf ihrem Gebiet. Erfahrung, Weitsicht, Glaubwürdigkeit und eine umfassende Allgemeinbildung werden ihnen ebenso deutlich häufiger zugeschrieben wie Gerechtigkeit und die Fähigkeit, gut mit Menschen umzugehen. Bei den wenigen Eigenschaften, die eher „Personen mit Autorität“ als „Autoritätspersonen“ zugeschrieben werden, handelt es sich ausschließlich um negative Punkte: Personen mit Autorität haben nach Ansicht der Bevölkerung eher als Autoritätspersonen Macht über andere, sie seien eher dominant, ließen sich eher von anderen nichts sagen, duldeten häufiger niemand anderen neben sich und seien eher arrogant (Grafik 11). Es ist denkbar, dass sich die Befragten hier bei ihren Antworten unbewusst auch von einem sprachlichen Aspekt leiten lassen: Der positiv besetzte Begriff „Autorität“ ist ein Hauptwort mit einer eher abstrakten Bedeutung, das negativ belegte „autoritär“ dagegen ein Eigenschaftswort, das meist mit 61

AUTOR I T Ä T A L S P ERS Ö N L I CHKE I TSE I G ENSCHAFT

T h o m as p e t e r se n

Grafik 11

Was kennzeichnet Autoritätspersonen bzw. Personen mit Autorität? FRAGE:

 „Es ist ja manchmal die Rede davon, dass jemand eine Autoritätsperson/ eine Person mit Autorität ist. Was macht in Ihren Augen eine Autoritäts­ person/eine Person mit Autorität aus? Welche Eigenschaften besitzt eine solche Person für Sie?“

Bezug auf konkrete Personen oder zumindest Personengruppen verwendet wird. Wird nun „Autorität“ wie in der Formulierung „eine Person mit Autorität“ praktisch wie ein Eigenschaftswort gebraucht, scheinen die – wie gesehen latent auch im Begriff „Autorität“ angelegten – negativen Aspekte des Begriffs „autoritär“ stärker durchzuschlagen als bei der Formulierung „Autoritätsperson“, bei der das abstrakte, an gesellschaftliche Positionen und nicht an konkrete Personen gebundene Element stärker präsent ist. Jedenfalls ist es auffällig, dass es eben die Elemente sind, die mit dem Begriff „autoritär“ in Verbindung gebracht werden können, die einer „Person mit Autorität“ häufiger zugeschrieben werden als einer „Autoritätsperson“. Da, wie gesehen, Autorität offensichtlich losgelöst von Einzel­persönlich­ keiten mit bestimmten gesellschaftlichen Positionen, Ämtern oder Personen­gruppen verknüpft wird, stellt sich die Frage, welche Gruppen es denn sind, die eine besondere Autorität genießen. Auch dies wurde in der vorliegenden Untersuchung erfragt, und auch hier wurde ein experimenteller Untersuchungsansatz gewählt, um verschiedene Nuancen des Begriffs bzw. des hinter ihm stehenden Konzeptes zu erfassen. Einer repräsentativen Viertelgruppe wurde die Frage gestellt „Hier stehen einige Einrichtungen und Berufsgruppen. Bei welchen davon würden Sie sagen, die haben Autorität?“ Dazu wurde eine Liste mit 20 verschiedenen Gruppen zur Auswahl überreicht. In den anderen drei Teilgruppen wurde dieselbe Liste vorgelegt, in der Frageformulierung aber der Begriff „Autorität“ vermieden. Stattdessen wurden verschiedene Aspekte berücksichtigt, die mit dem Konzept gesellschaftlicher Autorität zusammenhängen. Eine Variante lautete: „Hier stehen einige Einrichtungen und Berufsgruppen. Bei welchen würden Sie sagen, denen kann man vertrauen?“ in den weiteren Versionen hieß es „… bei welchen würden Sie sagen, deren Wort zählt für mich etwas?“ und „… bei welchen würden Sie sagen, die haben für mich eine Vorbildfunktion?“

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

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Der Zweck des Fragemodells bestand – neben der Identifikation der Gruppen und Institutionen mit der meisten Autorität – darin, zu prüfen, welcher Aspekt beim Begriff „Autorität“ im Vordergrund steht: Ist es eher das allgemeine Vertrauen, das in der zweiten Fragevariante abgefragt wurde, oder eher das Nacheifern, das in den Varianten drei und vier im 63

AUTOR I T Ä T A L S P ERS Ö N L I CHKE I TSE I G ENSCHAFT

T h o m as p e t e r se n

Grafik 12

Welchen Gruppen man vertrauen kann FRAGE:

64

Wem kann man vertrauen – und wer hat Autorität?

 „Hier stehen einige Einrichtungen und Berufsgruppen. Bei welchen davon würden Sie sagen ...“

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

Grafik 13

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FRA G E :

 „Hier stehen einige Einrichtungen und Berufsgruppen. Bei welchen davon würden Sie sagen ...“

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

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T h o m as p e t e r se n

Vordergrund stand? Die Fragevariante, bei der das Antwortmuster dem der Frage nach den Gruppen mit Autorität am nächsten kommt, so die Überlegung, erfasst auch den Aspekt, der am stärksten mit dem Konzept „Autorität“ verknüpft ist. Wie Grafik 12 verdeutlicht, waren die Variationen der Frageformulierung zu fein, um von den Befragten wahrgenommen zu werden. Ob man danach fragt, welchen Gruppen man vertrauen kann, wessen Wort etwas zähle, oder wer eine Vorbildfunktion habe, ist letztlich weitgehend egal, die Antworten unterscheiden sich nur geringfügig. An der Spitze der Nennungen stehen die Gruppen, die auch bei Untersuchungen über das Berufsprestige oder die Glaubwürdigkeit von Institutionen stets an der Spitze stehen: Ärzte, die Polizei, Gerichte und Lehrer sowie die „Menschen wie Du und ich“. Auch am Ende der Skala finden sich die Gruppen, die auch bei anderen Studien stets besonders ungünstige Werte haben: Politiker, Parteien und Unternehmen. Selbst das etwas kuriose Phänomen, dass Journalisten ein außerordentlich geringes Ansehen genießen, während Nachrichtensprecher im Fernsehen wesentlich mehr Vertrauen entgegengebracht wird, ist aus früheren Untersuchungen wohlbekannt (und bietet einen aufschlussreichen Hinweis darauf, warum das Fernsehen bei der Bevölkerung größere Glaubwürdigkeit genießt als andere Medien25). Die drei Fragevarianten, die verschiedene Aspekte des Begriffes Autorität erfassen sollten, reproduzierten damit letztlich die bekannte Rangfolge der mehr oder weniger angesehenen gesellschaftlichen Gruppen. Bemerkenswert ist nun, dass bei der Frage „Bei welchen (Einrichtungen oder Gruppen) würden Sie sagen, die haben Autorität?“ ein vollkommen anderes Antwortmuster zum Vorschein kommt. Grafik 13 zeigt das Ergebnis dieser Frage im Vergleich zu den Antworten auf die Fragevariante, bei der die Befragten gebeten wurden, anzugeben, welchen Gruppen sie vertrauen. 25 

AUTOR I T Ä T A L S P ERS Ö N L I CHKE I TSE I G ENSCHAFT

Man erkennt, dass vor allem den Gruppen, die mit formaler, rechtlich legitimierter Macht ausgestattet sind oder zumindest hohe Positionen in der formalen gesellschaftlichen Hierarchie einnehmen, deutlich mehr Autorität zugeschrieben wird, als ihnen Vertrauen entgegengebracht wird: Polizei und Gerichte, von denen 42 bzw. 34 Prozent der Befragten sagen, sie vertrauten ihnen, und die damit bereits zu den am häufigsten genannten Punkten der Liste gehörten, steigen bei der Frage nach Autorität ganz an die Spitze der Rangliste, genannt von jeweils drei Vierteln der Befragten. Aber auch auf Lehrer, Professoren, die Kirchen, die Bundesregierung und Bürgermeister entfallen wesentlich mehr Nennungen als bei der Frage, wem man vertrauen könne, während umgekehrt Gruppen, die nicht über formale Macht verfügen, zurückfallen: „Menschen wie Du und ich“, Nichtregierungsorganisationen, Vereine. Damit erzeugen die Fragen nach den Gruppen und Organisationen, die Vertrauen verdienen und die Autorität haben, vollkommen unterschiedliche Ranglisten. So wird beispielsweise den Vereinen im persönlichen lokalen Umfeld mehr Vertrauen entgegengebracht als dem Bürgermeister. Diesem wird aber mehr Autorität zugeschrieben als den Vereinen. Deutlicher noch als bei den zuvor berichteten Fragen wird erkennbar, dass Autorität nicht allein durch die freiwillige Bereitschaft der Bürger zu erklären ist, denen zu folgen, die sie als Vorbild wahrnehmen. Dazu gehört auch die Macht der Ämter und Positionen. Um es mit einem Rückgriff auf den Tatenbericht des Augustus zu sagen: Auch seine Regierungsgewalt beruhte nicht auf Ansehen allein, wenn diese Komponente auch im Vordergrund seiner Herrschaftskonstruktion stand. Jeder in Rom wusste aber, dass Augustus im Zweifelsfall auch auf reale Machtmittel zurückgreifen konnte. Zur „auctoritas“ gehörte letztlich auch „potestas“.

Vgl. Elisabeth Noelle-Neumann: Wirkung der Massenmedien auf die Meinungsbildung. In: Elisabeth Noelle-Neumann, Winfried Schulz, Jürgen Wilke (Hrsg.): Fischer-Lexikon Publizistik Massenkommunikation. Frankfurt am Main: Fischer, 7. Auflage 2000, S. 518-571. Dort S. 547.

66

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D I E AKZE P TANZ V ON AUTOR I T Ä T I M A L L TA G

Die Akzeptanz von Autorität im Alltag

Wie gesehen, hat der Begriff „Autorität“ für eine deutliche Mehrheit der Deutschen einen positiven Klang. Anscheinend ist die Vorstellung, dass eine Gesellschaft Autoritäten benötigt, deren Rat oder Vorgaben die Bürger folgen, weit verbreitet und akzeptiert. Es fragt sich jedoch, inwieweit die Bevölkerung bereits ist, den Autoritäten auch dann zu folgen, wenn dies eigenen Vorstellungen und Wünschen widerspricht. Als Indikator hierfür kann eine Trendfrage des Allensbacher Instituts dienen, die zum ersten Mal im Jahr 1982 einem repräsentativen Bevölkerungsquerschnitt vorgelegt worden ist. Damals diente sie dazu, das politische Klima im Umfeld der Proteste gegen die Nachrüstungspläne der NATO zu erforschen. Heute ist sie erneut von großer Aktualität, weil im Fragetext eine Situation beschrieben wird, die der Auseinandersetzung um das Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ sehr stark ähnelt. Sie beschreibt an einem konkreten Beispiel den Konflikt zwischen dem Respekt vor legitimen Autoritäten und dem eigenen Interesse. Der Fragetext lautet: „Ich möchte Ihnen jetzt einen Fall erzählen: In einem Ort soll eine Fabrik gebaut werden. Der Gemeinderat hat den Bau der Fabrik genehmigt, die Bevölkerung ist aber dagegen. Ein Prozess vor Gericht hat ergeben, dass die Bevölkerung nichts dagegen unternehmen kann und die Fabrik gebaut werden muss. In einer öffentlichen Veranstaltung treten nun zwei Redner auf, die Folgendes sagen. Wenn Sie das bitte einmal lesen. Wem würden Sie eher zustimmen, dem oberen oder dem unteren?“ Dazu überreichten die Interviewer ein sogenanntes Dialog-Bildblatt. Darauf sind zwei Personen im Schattenriss abgebildet. Beiden sind, wie in einem Comic, Sprechblasen zugeordnet. Die eine Figur sagt: „Wir, die Bürger, sind gegen die Fabrik. Der Gemeinderat sieht das zwar nicht, aber die Bevölkerung kann das besser beurteilen. Wir müssen auf jeden Fall den Bau der Fabrik verhindern, auch wenn wir vielleicht Gewalt 68

anwenden müssen.“ Die Gegenposition lautet: „Das sehe ich anders. Der Gemeinderat und das Gericht haben beschlossen, dass die Fabrik gebaut wird, also müssen wir jetzt diese demokratische Entscheidung mittragen und dürfen uns nicht länger gegen den Bau wehren.“ Grafik 14 zeigt das Ergebnis zu dieser Frage im Trend seit 1982. Man sieht, dass die Anteile derjenigen, die sich dem ersten, und derer, die sich dem zweiten Argument anschließen, im Zeitverlauf deutlich schwanken, was ein Hinweis darauf ist, dass viele Befragte sich über solche Konfliktsituationen vor dem Interview wenig Gedanken gemacht haben, das Meinungsbild hier also wenig gefestigt ist (außerdem ist die Frage Grafik 14

Akzeptanz einer demokratischen Entscheidung in der Lokalpolitik FRA G E :

„Ich möchte Ihnen jetzt einen Fall erzählen: In einem kleinen Ort soll eine Fabrik gebaut werden. Der Gemeinderat hat den Bau der Fabrik genehmigt, die Bevölkerung ist aber dagegen. Ein Prozess vor Gericht hat ergeben, dass die Bevölkerung nichts dagegen unternehmen kann und die Fabrik gebaut werden muss. In einer öffentlichen Veranstaltung treten nun zwei Redner auf, die Folgendes sagen. (...) Wenn Sie das bitte einmal lesen. Wem würden Sie eher zustimmen, dem oberen oder dem unteren?“

Basis: Ab 1991 Bundesrepublik Deutschland (davor Westdeutschland), Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen, zuletzt 10063, Oktober/November 2010

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D I E AKZE P TANZ V ON AUTOR I T Ä T I M A L L TA G

T h o m as p e t e r se n

sehr stark anfällig für Reihenfolgeeffekte, was ebenfalls ein Kennzeichen geringer Meinungsfestigkeit ist 26). Dennoch sind die Mehrheiten stets eindeutig gewesen: Rund die Hälfte der Befragten – mal etwas mehr, mal etwas weniger – stimmte stets dem ersten Argument zu, bekundete also, dass ihrer Ansicht nach die Entscheidung des demokratisch gewählten Gemeinderats zu akzeptieren sei, auch wenn sie gegen den Willen der Bürger sei. Man kann auch sagen: Sie sprachen sich dafür aus, sich der Vorgabe der legitimen Autoritäten zu beugen. Eine klare Minderheit von einem Fünftel bis zeitweise einem Drittel der Bevölkerung nahm die Gegenposition ein, sprach sich also dafür aus, sich gegen den nach Recht und Gesetz beschlossenen Fabrikbau zu wehren, und sei es mit Gewalt. Auch heute liegen die Antworten in der Bandbreite der Ergebnisse der früheren Befragungen: 49 Prozent meinen heute, man solle in der gegebenen Situation die Entscheidung der Autoritäten akzeptieren, 27 Prozent sprechen sich für Widerstand aus. Die Trendergebnisse zu dieser Frage fügen der aktuellen Debatte um Großprojekte wie „Stuttgart 21“ einen interessanten Aspekt hinzu: In der öffentlichen Diskussion spielte in den letzten Monaten die Annahme eine große Rolle, dass die Bürger gegenüber früheren Jahrzehnten rebellischer geworden seien, weniger bereit, Entscheidungen und Entscheidungsstrukturen zu akzeptieren, die früher als selbstverständlich galten. Es wurde der Eindruck erweckt, es habe sich mit den „Wutbürgern“ eine vollkommen neue, bisher unbekannte gesellschaftliche Gruppe herausgebildet. Die vorliegenden Umfrageergebnisse nähren Zweifel an dieser Vorstellung. Sie deuten eher darauf hin, dass sich an der Grundhaltung der Deutschen gegenüber unpopulären aber demokratisch legitimierten Entscheidungen in den letzten drei Jahrzehnten wenig geändert hat. Die Konfliktsituation in Stuttgart hat damit wahrscheinlich eher 26 

Vgl. Elisabeth Noelle-Neumann, Thomas Petersen: Alle, nicht jeder. Einführung in die Methoden der Demoskopie. Berlin und Heidelberg: Springer, 4. Auflage 2005, S. 202. Thomas Petersen: Das Feldexperiment in der Umfrageforschung. Frankfurt am Main: Campus 2002, S. 115-126.

70

Tabelle 15

Widerstand gegen einen Fabrikbau und Einstellung zu Autoritätspersonen FRA G E :

„Ich möchte Ihnen jetzt einen Fall erzählen: In einem kleinen Ort soll eine Fabrik gebaut werden. Der Gemeinderat hat den Bau der Fabrik genehmigt, die Bevölkerung ist aber dagegen. Ein Prozess vor Gericht hat ergeben, dass die Bevölkerung nichts dagegen unternehmen kann und die Fabrik gebaut werden muss. In einer öffentlichen Veranstaltung treten nun zwei Redner auf, die Folgendes sagen. (...) Wenn Sie das bitte einmal lesen. Wem würden Sie eher zustimmen, dem oberen oder dem unteren?“ Befragte, die sagen,

man braucht Autoritäts­personen

man braucht Autoritäts­personen nicht oder ‘Unentschieden’

% % Wir, die Bürger, sind gegen die Fabrik. Der Gemeinderat sieht das zwar nicht, aber die Bevölkerung kann das besser beurteilen. Wir müssen auf jeden Fall den Bau der Fabrik verhindern, auch wenn wir vielleicht Gewalt anwenden müssen.

21

44

Das sehe ich anders. Der Gemeinderat und das Gericht haben beschlossen, dass die Fabrik gebaut wird. Wir haben den Gemeinderat gewählt, also müssen wir jetzt diese demokratische Entscheidung mittragen und dürfen uns nicht länger gegen den Bau wehren.

55

29

Unentschieden

24

27

100

100

364

88

n= Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

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lokale Gründe, die in der konkreten Landespolitik und der Situation im Vorwahlkampf zur Landtagswahl zu suchen sind, weniger in einer grundlegend veränderten Haltung der Bürger gegenüber dem Staat. 71

D I E AKZE P TANZ V ON AUTOR I T Ä T I M A L L TA G

T h o m as p e t e r se n

Dass die Einstellung der Befragten zu der in der Dialogfrage beschriebenen Situation mit ihrer Grundhaltung gegenüber Autoritäten zusammenhängt, zeigt sich daran, dass Befragte, die sagen, man bräuchte in einer Gesellschaft Autoritätspersonen, auch deutlich eher bereit sind, die unpopuläre Entscheidung des Gemeinderats zu akzeptieren, als solche Personen, die Autoritätspersonen nicht für notwendig halten oder in dieser Frage unentschieden sind (Tabelle 15). Darüber hinaus zeigen sich auch bei dieser Frage die bereits mehrmals beschriebenen demographischen Muster der Zustimmung: Die Bereitschaft, den Autoritäten zu folgen, ist im Osten etwas stärker als im Westen, in der älteren Generation etwas ausgeprägter als in der jüngeren (Anhangtabellen A3 und A4). Nach den bisher in diesem Kapitel berichteten Ergebnissen kann man den Eindruck gewinnen, dass die deutsche Bevölkerung sich nicht nur bei allgemein auf abstrakter Ebene gehaltenen Fragen mehrheitlich zur Notwendigkeit von Autoritäten bekennt, sondern dass auch eine – wenn auch knappere – Mehrheit bereit ist, im Alltag die Konsequenzen einer solchen Haltung zu akzeptieren. Doch dieser Eindruck täuscht wahrscheinlich. Das in der Dialogfrage zum Fabrikbau in einem kleinen Ort verwendete Argument gegen die Akzeptanz der Entscheidung des Gemeinderats ist nämlich außerordentlich scharf formuliert, was vermutlich dem aufgeheizten politischen Klima des Jahres 1982 geschuldet ist. Es ist dort schließlich nicht nur von Widerstand gegen den Gemeinderatsbeschluss die Rede, sondern auch ausdrücklich von der Möglichkeit der Gewaltanwendung. Weil anzunehmen war, dass viele Befragte, die sich sonst gegen die Akzeptanz des Gemeinderatsbeschlusses ausgesprochen hätten, vor dem Stichwort „Gewalt“ zurückschrecken, kam bei einem Teil der Interviews eine modifizierte Frageformulierung zum Einsatz, bei der der Halbsatz „… auch wenn wir vielleicht Gewalt anwenden müssen“ durch eine schwächere Formulierung ersetzt wurde, so dass es nun hieß: „Wir müssen uns auf jeden Fall gegen den Bau der Fabrik wehren, z. B. durch Demonstrationen oder Bürgerinitiativen.“ Wie Tabelle 16 zeigt, verändert sich das Antwortverhalten durch diese Modifikation der Frageformulierung erheblich: Nun ist es die Mehrheit, die sich dafür ausspricht, die Entscheidung des Gemeinderats nicht zu 72

Tabelle 16

Die Mehrheit befürwortet den Widerstand gegen einen Gemeinderatsbeschluss mit Demonstrationen und Bürgerinitiativen FRA G E :

„Ich möchte Ihnen jetzt einen Fall erzählen: In einem kleinen Ort soll eine Fabrik gebaut werden. Der Gemeinderat hat den Bau der Fabrik genehmigt, die Bevölkerung ist aber dagegen. Ein Prozess vor Gericht hat ergeben, dass die Bevölkerung nichts dagegen unternehmen kann und die Fabrik gebaut werden muss. In einer öffentlichen Veranstaltung treten nun zwei Redner auf, die Folgendes sagen. (...) Wenn Sie das bitte einmal lesen. Wem würden Sie eher zustimmen, dem oberen oder dem unteren?“ Bevölkerung insgesamt

Westdeutschland

Ostdeutschland

%

%

%

Wir, die Bürger, sind gegen die Fabrik. Der Gemeinderat sieht das zwar nicht, aber die Bevölkerung kann das besser beurteilen. Wir müssen uns auf jeden Fall gegen den Bau der Fabrik wehren, z.B. durch Demonstrationen oder Bürger­ initiativen.

49

50

44

Das sehe ich anders. Der Gemeinderat und das Gericht haben beschlossen, dass die Fabrik gebaut wird. Wir haben den Gemeinderat gewählt, also müssen wir jetzt diese demokratische Entscheidung mittragen und dürfen uns nicht länger gegen den Bau wehren.

32

31

39

Unentschieden

19

19

17

100

100

100

481

317

164

n=

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

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akzeptieren, sondern dagegen mit Demonstrationen und Bürgerinitiativen vorzugehen, wobei die Mehrheit in Westdeutschland deutlich ist, während sich die ostdeutsche Bevölkerung gespalten zeigt. Anders als bei den meisten anderen in dieser Untersuchung gestellten Fragen ist hier ein starker Meinungsunterschied zwischen den Generationen zu erkennen: Während sich eine relative Mehrheit von 46 Prozent der 60-jährigen und älteren Befragten dafür ausspricht, die demokratische Entscheidung 73

D I E AKZE P TANZ V ON AUTOR I T Ä T I M A L L TA G

T h o m as p e t e r se n

Tabelle 17

Demonstrationen gegen einen Gemeinderatsbeschluss – Altersgruppen

Tabelle 18

Autoritätsunabhängiges Handeln im Beruf FRA G E AN BERUFSTÄTIGE:

FRAGE:

„Ich möchte Ihnen jetzt einen Fall erzählen: In einem kleinen Ort soll eine Fabrik gebaut werden. Der Gemeinderat hat den Bau der Fabrik genehmigt, die Bevölkerung ist aber dagegen. Ein Prozess vor Gericht hat ergeben, dass die Bevölkerung nichts dagegen unternehmen kann und die Fabrik gebaut werden muss. In einer öffentlichen Veranstaltung treten nun zwei Redner auf, die Folgendes sagen. (...) Wenn Sie das bitte einmal lesen. Wem würden Sie eher zustimmen, dem oberen oder dem unteren?“

Bevölkerung insgesamt

Wir, die Bürger, sind gegen die Fabrik. Der Gemeinderat sieht das zwar nicht, aber die Bevölkerung kann das besser beurteilen. Wir müssen uns auf jeden Fall gegen den Bau der Fabrik wehren, z.B. durch Demonstrationen oder Bürgerinitiativen.

30-44 Jahren

45-59 Jahren

60 Jahren und älter

%

%

%

%

66

51

50

37

%

%

man braucht Autoritätspersonen nicht oder ‚Unentschieden‘ %

Geht mir auch so

21

20

23

Geht mir nicht so

62

64

57

Unentschieden

17

16

20

100

100

100

995

745

250

19

27

30

46

Unentschieden

15

22

20

17

100

100

100

100

93

117

114

157

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

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des Gemeinderats mitzutragen, sind es bei den Unter-30-Jährigen nur 19 Prozent (Tabelle 17). Es könnte sein, dass sich hier dann doch bis zu einem gewissen Grad eine sich verändernde Einstellung der Bevölkerung zum 74

n=

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

Das sehe ich anders. Der Gemeinderat und das Gericht haben beschlossen, dass die Fabrik gebaut wird. Wir haben den Gemeinderat gewählt, also müssen wir jetzt diese demokratische Entscheidung mittragen und dürfen uns nicht länger gegen den Bau wehren.

n=

Befragte, die sagen,

man braucht Autoritätspersonen

Befragte im Alter von 16-29 Jahren

„ Wenn jemand sagt: ‚Ich mag es gar nicht, wenn man mir im Beruf nicht ganz genau sagt, was ich tun soll.’ Geht Ihnen das auch so oder nicht?“

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Widerstand gegen demokratisch gefällte Entscheidungen niederschlägt. Starke Generationenunterschiede sind oft ein Zeichen langfristiger gesellschaftlicher Änderungen. Da jedoch keine Trendergebnisse zu dieser Frage aus früheren Jahrzehnten vorliegen, bleibt man an dieser Stelle auf Spekulationen angewiesen. Vor allem zeigt das Ergebnis, dass das Bekenntnis zur Notwendigkeit von Autoritäten in vielen Fällen noch nicht bedeutet, dass die Bürger auch bereit sind, sich diesen im Alltag zu beugen. Dass auch umgekehrt die allgemein bekundete Ablehnung von Autoritäten nicht gleichbedeutend mit geistiger Unabhängigkeit im Alltag ist, zeigt das Ergebnis einer anderen Frage, die an Berufstätige gerichtet wurde. Sie lautet: „Wenn jemand sagt: ‚Ich mag es gar nicht, wenn man mir im Beruf nicht ganz genau sagt, was ich tun soll.‘ Geht Ihnen das auch so oder nicht?“ Knapp zwei Drittel der berufstätigen Befragten antworten auf diese Frage, es gehe ihnen nicht so, gut ein Fünftel, 21 Prozent, sagen: „So geht es mir auch.“ 75

T h o m as p e t e r se n

Bemerkenswert an den Antworten auf diese Frage ist, dass diejenigen, die an anderer Stelle im Interview gesagt haben, ihrer Ansicht nach benötige man in der Gesellschaft keine Autoritätspersonen, oder die in dieser Frage unentschieden waren, nicht weniger, sondern sogar noch etwas mehr als andere sagen, sie könnten es nicht leiden, wenn man ihnen im Beruf nicht genau sagt, was sie zu tun hätten (Tabelle 18). Man sollte dieses Ergebnis nicht überinterpretieren, doch man kann das Verlangen, im Berufsleben genau gesagt zu bekommen, was zu tun ist, letztlich kaum anders deuten als eine Form der Orientierung an Autoritäten. Wer im Alltag glaubt, auf Autoritäten verzichten zu können, müsste folgerichtig eigentlich auch ohne detaillierte Anweisungen zurechtkommen. Dass dies in vielen Fällen nicht der Fall ist, zeigt, dass das Bekenntnis zu Autoritäten wie auch ihre Ablehnung zum Teil auch Ausdruck einer prinzipiellen weltanschaulichen Haltung ist, die mit dem eigenen Verhalten und auch mit eigenen Einstellungen zu konkreten Alltagsfragen nicht viel zu tun haben muss.

Vertrauen – Autorität – Freiheit

Zum Abschluss der Untersuchung soll noch einmal auf die Frage zurückgekommen werden, wie denn Vertrauen, Autorität und Freiheit in Verbindung miteinander stehen. Es wurde oben darauf hingewiesen, dass sich leicht überzeugende Gründe dafür finden lassen, dass diese gesellschaftlichen Elemente irgendwie miteinander verknüpft sein müssen, doch einleuchtende Argumente sind noch kein empirischer Beleg. Es ist sogar ein besonderes Charakteristikum der empirischen Sozialforschung, dass sie solche einleuchtenden Thesen widerlegen kann. Nicht selten erweisen sich selbst solche Annahmen über die Gesellschaft, die gemeinhin als selbstverständlich, als gesichertes Wissen gelten, als falsch, wenn man sie mit den Methoden der Umfrageforschung untersucht.27 Ob, und wenn ja in welchem Maße, Vertrauen, Autorität und Freiheit miteinander zusammenhängen, muss also empirisch überprüft werden. Bei dem Versuch einer solchen empirischen Überprüfung stößt man zunächst auf ein methodisches Problem, das bei vielen Untersuchungen grundlegender gesellschaftlicher Phänomene auftaucht: Die Beziehungen zwischen Vertrauen, Autorität und Freiheit sind – zumindest potentiell – so komplex, dass sie sich nicht in einfachen Prozenttabellen darstellen lassen. Zwar lässt sich eine ganze Reihe von Indizien finden, die einen Zusammenhang zwischen den drei Elementen nahelegen, doch diese Indizien haben keine Beweiskraft. So kann man beispielsweise das Ergebnis der folgenden Frage anführen: „Neulich sagte uns jemand: ‚Wenn jemand auf Vgl. Thomas Petersen: Ein Museum der Irrtümer über die Gesellschaft. In: Agrarwirtschaft im globalen Wettbewerb. Zukunftsperspektiven der deutschen Landwirtschaft. Hrsg. v. d. Deutschen Landjugend-Akademie Fredeburg e.V. Bonn: Deutscher Agrar-Verlag 2000 (Die grüne Schrift; 1), S. 97-120.

27 

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77

V ERTRAUEN – AUTOR I T Ä T – F r e i h e i t

T h o m as p e t e r se n

Tabelle 19

Grafik 15

Vertrauen in Autoritätspersonen FRAGE:

Vertrauen in Autoritätspersonen – Altersgruppen

„ Neulich sagte uns jemand: ‚Wenn jemand auf einem bestimmten Gebiet eine Autorität ist, dann kann man seinem Urteil vertrauen. Er wird damit schon Recht haben, sonst wäre er ja keine Autorität.‘ Sehen Sie das auch so, oder sehen Sie das nicht so?“ Bevölkerung insgesamt

Westdeutschland

Ostdeutschland

%

%

%

Sehe das auch so

35

35

37

Sehe das nicht so

44

44

42

Unentschieden/Keine Angabe

21

21

21

100

100

100

914

613

301

n=

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

„ Neulich sagte uns jemand: ‚Wenn jemand auf einem bestimmten Gebiet eine Autorität ist, dann kann man seinem Urteil vertrauen, er wird damit schon Recht haben, sonst wäre er ja keine Autorität.‘ Sehen Sie das auch so, oder sehen Sie das nicht so?“

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einem bestimmten Gebiet eine Autorität ist, dann kann man seinem Urteil vertrauen. Er wird damit schon recht haben, sonst wäre er ja keine Autorität.‘ Sehen Sie das auch so oder sehen Sie das nicht so?“ Bei dieser Frage werden die Begriffe „Autorität“ und „Vertrauen“ also ausdrücklich in einem Satz zusammengeführt. Und obwohl die Formulierung „Er wird damit schon recht haben“ etwas naiv anmutet, stimmt ihr immerhin ein beträchtlicher Anteil der Bevölkerung von 35 Prozent zu (Tabelle 19). Hinzukommt, dass die demographische Aufschlüsselung der Antworten das Muster zeigt, das man angesichts der oben präsentierten Umfrageergebnisse zum Thema Autorität erwarten würde: Es ist vor allem die ältere Generation, die der Aussage zustimmt und damit besonderes Vertrauen gegenüber Personen mit Autorität zu Protokoll gibt. Eine relative Mehrheit der 60-jährigen und älteren Befragten von 47 Prozent sagt, sie stimme der Aussage zu, während es bei den Unter-30-Jährigen nur 30 Prozent sind (Grafik 15). Auch für den Zusammenhang zwischen Freiheit und Autorität lassen sich Hinweise finden. Ein Beispiel dafür ist eine Frage, die zur Identifizierung einer Lebensauffassung dient, die ihrerseits die Voraussetzung für eine 78

FRA G E :

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010



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Zustimmung zum Wert der Freiheit ist. Sie lautet: „Zwei Männer/Frauen28 unterhalten sich über das Leben. Der/die erste sagt: ‚Jeder ist seines Glückes Schmied. Wer sich heute wirklich anstrengt, der kann es auch zu etwas bringen.‘ Der/die zweite sagt: ‚Tatsächlich ist es so, dass die einen oben sind, und die anderen sind unten und kommen bei den heutigen Verhältnissen auch nicht hoch, so sehr sie sich auch anstrengen.‘ Was würden Sie persönlich sagen: Wer von beiden hat eher recht, der/die erste oder der/die zweite?“ Diese Frage ist deswegen für die Ermittlung des Stellenwerts der Freiheit in einer Gesellschaft von Bedeutung, weil sie zwei fundamentale Grundhaltungen voneinander trennt, die für die Einstellung zum Wert der Freiheit zentral sind. Man kann den Wert der Freiheit – verstanden als die Freiheit des Einzelnen, über sein Leben selbst zu entscheiden – letztlich nur dann ohne Vorbehalte Die Interviewer waren angewiesen, bei männlichen Befragten im Fragetext „Männer“ vorzulesen, bei weiblichen Befragten „Frauen“.

28 

79

V ERTRAUEN – AUTOR I T Ä T – F r e i h e i t

T h o m as p e t e r se n

Tabelle 20

Grafik 16

Autoritäts- und Freiheitsorientierung hängen scheinbar zusammen FRAGE:

„Zwei Männer/Frauen unterhalten sich über das Leben. Der/Die erste sagt: ‚Jeder ist seines Glückes Schmied. Wer sich heute wirklich anstrengt, der kann es auch zu etwas bringen.‘ Der/Die zweite sagt: ‚Tatsächlich ist es so, dass die einen oben sind, und die anderen sind unten und kommen bei den heutigen Verhältnissen auch nicht hoch, so sehr sie sich auch anstrengen.‘ Was würden Sie persönlich sagen: Wer von beiden hat eher Recht, der/die erste oder der/die zweite?“ Bevölkerung insgesamt

%

%

man braucht Autoritätspersonen nicht oder ‚Unentschieden‘ %

Der/Die erste (Jeder ist seines Glückes Schmied)

48

51

39

Der/Die zweite (Die einen sind oben, die anderen sind unten)

36

34

43

Unentschieden

16

15

18

100

100

100

1.845

1.394

451

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

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befürworten, wenn man die erste in dieser Frage genannte Position vertritt, wenn man also der Ansicht ist, dass die meisten Menschen in der Lage sind, ihr Leben auch tatsächlich in die Hand zu nehmen. Wer dagegen, wie beim zweiten Argument formuliert, der Überzeugung ist, dass die Menschen ihren äußeren Lebensumständen wehrlos ausgeliefert sind, müsste folgerichtig auch starke Eingriffe des Staates in die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen befürworten. Tatsächlich lässt sich zeigen, dass die erste Position von Menschen, die dem Wert der Freiheit ein großes Gewicht beimessen, auch weitaus überdurchschnittlich oft gewählt 80

FRA G E :

„Einmal ganz allgemein gefragt: Meinen Sie, dass eine Gesellschaft Autoritätspersonen braucht, dass sie notwendig sind, oder meinen Sie das nicht?“

Befragte, die sagen,

man braucht Autoritätspersonen

n=

Subjektives Freiheitsgefühl und Autoritätsorientierung

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

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wird.29 Vor diesem Hintergrund ist es als deutlicher Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Autoritäts- und Freiheitsorientierung zu werten, dass Befragte, die Autoritätspersonen für notwendig halten, wesentlich häufiger als andere die Position „Jeder ist seines Glückes Schmied“ vertreten (Tabelle 20). Ein weiterer Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Freiheit und Autorität ist in dem Umstand zu sehen, dass Menschen, die sich in ihrem persönlichen Leben sehr frei fühlen, auf die Frage „Meinen Sie, dass eine Gesellschaft Autoritätspersonen braucht, dass sie notwendig sind, oder meinen Sie das nicht?“ überdurchschnittlich häufig antworten: „Man braucht Autoritätspersonen“ (Grafik 16). Vgl. Thomas Petersen, Tilman Mayer: Der Wert der Freiheit. Deutschland vor einem neuen Werte­wandel? Freiburg: Herder 2005, S. 97-99.

29 

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V ERTRAUEN – AUTOR I T Ä T – F r e i h e i t

T h o m as p e t e r se n

Grafik 17

Demographisches Porträt derjenigen, die mehr Achtung vor Autorität begrüßen würden I FRAGE:

Grafik 18

Demographisches Porträt derjenigen, die mehr Achtung vor Autorität begrüßen würden II

„ Hier auf den Karten steht Verschiedenes, was sich in Zukunft in unserer Gesellschaft ändern könnte. Könnten Sie mir bitte zu jedem Punkt sagen, ob Sie eine solche Entwicklung begrüßen oder ablehnen würden, oder ob Ihnen das egal ist?“

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

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Warum haben alle diese – teilweise doch recht deutlichen – Detailergebnisse dennoch keine echte Beweiskraft? Der Grund liegt darin, dass sowohl die Autoritäts- als auch die Freiheitsorientierung und die Bereitschaft, anderen Menschen Vertrauen entgegenzubringen, von einer Vielzahl von Faktoren gleichzeitig abhängig sind, die ihrerseits wiederum untereinander in vielfältigen Beziehungen stehen. In den Grafiken 17 und 18 ist dies am Beispiel der oben bereits ausführlich behandelten Frage dargestellt, welche gesellschaftlichen Entwicklungen in der Zukunft zu begrüßen seien. Die Grafiken zeigen, welche Bevölkerungsgruppen über- und welche unter­durchschnittlich häufig sagen, sie würden es begrüßen, wenn es in Zukunft mehr Achtung vor Autorität gäbe. Man sieht das bereits mehrfach beschriebene Muster, dass es in besonderem Maße die ältere Generation ist, 82

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

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die diese Ansicht vertritt. Gleichzeitig sind es überdurchschnittlich oft Frauen, die diese Meinung äußern, außerdem Protestanten, Meinungs­ führer in der Gesellschaft, Menschen mit überdurchschnittlicher Schul­ bildung, Anhänger der CDU/CSU und – wie eben beschrieben – Menschen mit einem ausgeprägten subjektiven Freiheitsgefühl. Aber welche dieser Eigenschaften sind die wirklich ausschlaggebenden? Sind Frauen tatsächlich stärker autoritätsorientiert als Männer, oder ist dieses Ergebnis lediglich darauf zurückzuführen, dass Frauen im Durchschnitt länger leben und es folglich mehr ältere Frauen als Männer in Deutschland gibt? Und ist die stärkere Autoritätsorientierung der CDU/CSU-Wähler wirklich Ausdruck einer spezifisch konservativen Weltanschauung, oder ist auch hier das Alter der eigentlich entscheidende Faktor, so dass sich in dem Ergebnis schlicht der Umstand abbildet, dass der Anteil der CDU/CSU-Wähler in der älteren Generation wesentlich größer ist als in der jüngeren? Und ist der Zusammenhang zwischen dem subjektiven Freiheitsgefühl und der Bedeutung, die der Autorität beigemessen wird, nicht vielleicht eher eine Folge der sozialen Schicht, der die betreffenden Befragten angehören? Dies wiederum könnte auch den Zusammenhang zwischen Bildung und Autoritätsorientierung erklären.

Grafik 19

Regressionsanalyse: Einflussfaktoren auf die Einstellung, ‚Mehr Achtung vor Autorität‘ sei wünschenswert

Man erkennt, dass die Vielzahl der möglichen Einflussfaktoren und gegenseitigen Abhängigkeiten ein Geflecht bilden, das man mit der Darstellung einzelner Umfrageergebnisse oder des Zusammenhangs zwischen zwei oder vielleicht drei Fragen in Prozenttabellen nicht auflösen kann. Man braucht eine Auswertungs­methode, die alle diese Einflussgrößen – oder zumindest eine größere Zahl der wichtigsten möglichen Faktoren – gleichzeitig berücksichtigt, eine „multivariate Analyse“. Die Art der multivariaten Analyse, die zur Klärung der tatsächlichen Z­usammenhänge zwischen Freiheit, Autorität und Vertrauen geeignet ist, ist die Regressionsanalyse. Mit diesem mathematisch-statistischen Analyse­ verfahren kann der jeweils isolierte Einfluss einer Vielzahl verschiedener Variablen auf eine einzelne abhängige Variable errechnet werden. Sie ermöglicht es festzustellen, welchen Zusammenhang es beispielsweise zwischen dem subjektiven Freiheitsgefühl der Befragten und ihrer 84

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Autoritätsorientierung gibt – u­ nabhängig vom Einfluss des Alters, des Geschlechts, der Bildung und zahlreicher anderer denkbarer Einflussgrößen. Zur Beantwortung der Frage, welche Faktoren eine positive Haltung zur Autorität beeinflussen, wurden nun vier Regressions­analysen durchgeführt. Berücksichtigt wurden: subjektives Freiheitsgefühl, Vertrauen in andere Menschen und – zur Unterscheidung von einer Autoritätsorientierung im Alltag – eine politisch autoritative Neigung, jeweils mit einem der genannten Merkmale als abhängige Variable und den jeweils anderen sowie weiteren, vor allem soziodemographischen Merkmalen als unabhängigen Variablen. Grafik 19 zeigt die erste dieser Analysen. Sie veranschaulicht, welche Variablen Einfluss auf die Einstellung haben, mehr Achtung vor Autorität sei wünschenswert.Die Grafik ist wie folgt zu lesen: Sie führt im Seitenriss alle Variablen – also Aussagen und Eigenschaften der Befragten – auf, von denen man annahm, dass sie die betreffende Einstellung beeinflussen könnten, und die deswegen in die Gesamtrechnung eingingen. Neben den jeweiligen Variablen sind die Beta-Werte wiedergegeben (deren Stärke durch die Balkengrafik anschaulich gemacht wird).30 Sie bezeichnen den Grad, in dem die betreffende unabhängige Variable das Antwortverhalten der Befragten bei der Frage nach der Einstellung zur Autorität beeinflusst. Die Ergebnisse der Analyse wurden dann einem „T-Test“ unterzogen. Der T-Test ist ein statistisches Prüfverfahren, mit dem sich bestimmen lässt, ob der mit dem Beta-Wert ausgewiesene Einfluss der unabhängigen auf die abhängige Variable wahrscheinlich auf den Zufall zurückzuführen ist, ob das Ergebnis also eine Folge der bei Repräsentativumfragen unvermeidlichen Unschärfe der Messung ist oder ob er durch den Zufall 30 

Streng genommen ist diese Darstellung problematisch, weil die Stärke des Beta-Werts den Grad der Verlässlichkeit eines Ergebnisses nicht exakt widerspiegelt. Je nach Charakter der in die Rechnung eingegangenen Daten – hier spielt die Zahl der Skalenstufen eine Rolle – kann ein höherer Beta-Wert ein niedrigeres Signifikanzniveau aufweisen als ein geringerer bei einer anderen Variablen. Dies ist in Grafik 19 bei den Variablen „Neigung zu politisch autoritärer Haltung“ und „Hauptverdienereinkommen“ der Fall. Erstere weist den niedrigeren Beta-Wert, aber das höhere Signifikanzniveau auf. Die Größe der Säulen entspricht also, anders als bei einer Balkengrafik auf der Basis von Prozentwerten, nicht unbedingt der tatsächlichen Bedeutung des betreffenden Ergebnisses. Trotzdem wird hier diese Darstellungsform gewählt, weil sie ungeachtet solcher Detailprobleme die größte Anschaulichkeit bietet.

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allein wahrscheinlich nicht erklärt werden kann. Je nachdem, wie dieser Test ausgeht, kann man den ermittelten Einfluss der unabhängigen auf die abhängige Variable als „signifikant“ oder „nicht signifikant“ einstufen, wobei es verschiedene Abstufungen der Signifikanz gibt: Man sagt beispielsweise, ein Ergebnis ist „auf dem 90-Prozent-Niveau signifikant“, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht durch den Zufall allein erklärt werden kann, bei mindestens 90, aber unter 95 Prozent liegt. Signifikante Ergebnisse sind in der Grafik durch Sternchen gekennzeichnet. Ein Sternchen bezeichnet ein Sicherheitsniveau von 90 Prozent, zwei Sternchen stehen für ein Sicherheitsniveau von 95, drei Sternchen für eines von 99 Prozent. Liegt das Sicherheitsniveau unter 90 Prozent, nimmt man an, dass kein signifikanter Einfluss der betreffenden unabhängigen auf die abhängige Variable besteht. Diese Fälle sind in Grafik 19 und den folgenden Grafiken mit der Abkürzung n.s. (= nicht signifikant) gekennzeichnet. In Grafik 19 wird nun deutlich, dass Vertrauen, Autorität und Freiheit nicht so eng miteinander zusammenhängen, wie bei der Planung der Untersuchung angenommen wurde. Der Wunsch nach mehr Respekt vor Autorität hängt deutlich zusammen mit der politischen Grundhaltung der Befragten: Je weiter rechts auf der politischen Rechts-Links-Skala jemand steht, umso eher wird er Achtung vor Autorität einfordern. Unabhängig davon spielt auch das Alter eine deutliche Rolle. Hier wird der bereits oben mehrfach angesprochene Befund bestätigt und erhärtet. Darüber hinaus bestätigt die Regression ebenfalls den Befund, dass die Wertschätzung gesellschaftlicher Autorität und eine politisch autoritäre Haltung – so sehr sie inhaltlich logisch voneinander zu trennen sind – strukturell durchaus miteinander zusammenhängen: Wer Autorität im Sinne von „auctoritas“ befürwortet, wird tendenziell auch eher geneigt sein, den „starken Mann“ in der Politik zu befürworten. Dagegen ist kein signifikanter Einfluss der Tendenz, anderen Menschen zu vertrauen, und des subjektiven Freiheitsgefühls auf die Haltung zur Autorität feststellbar. Rechnet man alle anderen Einflussgrößen wie Alter und politische Orientierung heraus, bleibt von dem in Grafik 16 präsentierten Ergebnis nichts übrig. Damit ist auch das in Tabelle 20 wiedergegebene Ergebnis zumindest zum Teil in Frage zu stellen. 87

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Grafik 20

Einen signifikanten, wenn auch nicht allzu starken Zusammenhang gibt es dagegen zwischen dem subjektiven Freiheitsgefühl und einer Neigung zu politisch autoritärem Denken. Dies wird in Grafik 20 deutlich. Sie zeigt die Einflussfaktoren auf die Befürwortung eines „starken Mannes“ in der Politik.

Regressionsanalyse: Einflussfaktoren auf die Neigung zu einer politisch autoritären Haltung

Wiederum ist die Position auf der Rechts-Links-Skala die stärkste erklärende Variable, und – spiegelbildlich zu dem in Grafik 19 wiedergegebenen Ergebnis – der Wunsch nach mehr Achtung vor Autorität. Dahinter folgen die Persönlichkeitsstärke31 und eben das subjektive Freiheitsgefühl: Je freier sich jemand in seinem Leben fühlt, um so eher neigt er zu einer politisch autoritären Position. Während es also nur eine mäßig starke Beziehung zwischen einer politisch autoritären Haltung und dem subjektiven Freiheitsgefühl und keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Freiheitsgefühl und gesellschaftlicher Autoritätsorientierung sowie zwischen Vertrauen und Autorität gibt, hängen Freiheitsgefühl und Vertrauen durchaus deutlich miteinander zusammen. Wie die Grafiken 21 und 22 zeigen, ist das subjektive Freiheitsgefühl neben dem Haushaltseinkommen die wichtigste erklärende Variable für das Vertrauen in andere Menschen. Umgekehrt wird das Freiheitsgefühl durch keine andere Variable stärker beeinflusst als durch das Vertrauen in andere Menschen. Die beiden verschiedenen Aspekte der Autoritätsorientierung, die in die Rechnung aufgenommen wurden, haben dagegen weder auf das subjektive Frei­ heitsgefühl noch auf die Bereitschaft, anderen Menschen zu vertrauen, einen signifikanten Einfluss. Die Kernergebnisse der Regressionsanalysen sind in Grafik 23 noch einmal zusammenfassend dargestellt: Anstelle des ursprünglich erwarteten engen Gemessen mit einer „Skala der Persönlichkeitsstärke“, mit deren Hilfe Meinungsführer in der Gesellschaft identifiziert werden. Siehe ausführlich hierzu Elisabeth Noelle-Neumann: Die Identifizierung der Meinungsführer. In: Elisabeth Noelle-Neumann: Die soziale Natur des Menschen. Beiträge zur empirischen Kommunikationsforschung. Freiburg: Alber 2002, S. 94-130.

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Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

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Grafik 21

Regressionsanalyse: Einflussfaktoren auf die Einstellung: ‚Man kann den meisten Menschen vertrauen‘

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

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Grafik 22

Regressionsanalyse: Einflussfaktoren auf das subjektive Freiheitsgefühl

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Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

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Grafik 23

Überblick Regressionsanalysen: Gegenseitiger Einfluss von Vertrauen, Freiheitsgefühl, politischer und gesellschaftlicher Autoritätsorientierung

Zusammenfassung

Die Ergebnisse der Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Für die Mehrheit der Deutschen hat der Begriff „Autorität“ einen positiven Klang. Häufig genannte spontane Assoziationen waren „Respekt“, „Achtung“ und „Vorbild“, aber auch die mit Autorität verbundene Verantwortung wurde von manchen Befragten erwähnt. Häufig waren auch Hinweise auf die öffentliche Ordnung und die Legitimität von Ämtern. Damit wird das Begriffsverständnis von den Komponenten dominiert, die in dem lateinischen Begriff „auctoritas“ angelegt sind. Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

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Beziehungsgeflechts zwischen Vertrauen, Autorität und Freiheit zeigt sich, dass zwar Freiheit und Vertrauen eng miteinander verknüpft sind, jedoch nur vergleichsweise schwache Bindungen beider zur Autorität existieren. Die Begriffe Freiheit und Vertrauen auf der einen Seite und Autorität mit ihren verschiedenen Bedeutungen auf der anderen Seite stehen offensichtlich für unterschiedliche Konzepte, unterschiedliche Aspekte des Wertesystems der Bevölkerung, die zwar nicht im Konflikt miteinander stehen, jedoch auch nicht zwangsläufig, zumindest nicht untrennbar, zusammengehören.

2.  Demgegenüber tritt das Verständnis im Sinne des Autoritären in den Hintergrund. Allerdings gibt es aus Sicht der Bevölkerung keine eindeutige inhaltliche Trennung zwischen diesen beiden Begriffs­ bedeutungen. Bei einer beträchtlichen Minderheit der Befragten weckt der Begriff „Autorität“ negative Assoziationen wie „Autoritäts­ missbrauch“ oder „Obrigkeitshörigkeit“. Im Alltags­verständnis ver­ mischen sich also die Bedeutungen von „Autorität“ und „autoritär“, wobei das erste aber deutlich im Vordergrund steht. 3. In den neuen Bundesländern wird der Begriff „Autorität“ positiver aufgefasst als in Westdeutschland. Es liegt nahe, den Grund hierfür in der unterschiedlichen gesellschaftlichen Entwicklung in beiden Landesteilen in den Jahren der Teilung zu suchen. Während die westdeutsche Gesellschaft in den 1960er bis 1980er Jahren von einem tiefgreifenden Wertewandel betroffen war, der teilweise auch mit einer Abwendung von traditionellen Autoritäten verbunden war, gab es in der damaligen DDR keine vergleichbaren Entwicklungen. Anfang

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T h o m as p e t e r se n

der 1990er Jahre ähnelte die Werteorientierung der ostdeutschen Bevölkerung auffallend stark der der westdeutschen Bevölkerung in den 1950er Jahren. Dieser Unterschied in der Sozialisation zwischen Ostund Westdeutschen ist bis heute in vielen Einstellungsfragen zu spüren. Er spiegelt sich wahrscheinlich auch in der Wahrnehmung des Begriffs „Autorität“. 4.  Vier Fünftel der Bevölkerung sagen, sie glaubten, dass in einer Gesellschaft Autoritätspersonen notwendig sind. Man kann hier von einem gesellschaftlichen Konsens sprechen, der – solange sich die Fragen auf einer allgemeinen, abstrakten Ebene bewegen – so deutlich ist, dass es anders als bei vielen Detailfragen zum Thema Autorität kaum Unterschiede zwischen den gesellschaftlichen Gruppen, allen voran zwischen den Altersgruppen gibt. Der Begriff „Autoritätspersonen“ erhält dabei deutlich mehr Zustimmung als das scheinbar fast gleichbedeutende „Personen mit Autorität“. Der erste Begriff erfasst offenbar stärker das Element der Autorität, das nicht im Charakter einer einzelnen Person begründet liegt, sondern durch Status und Amt definiert wird.

ZUSAMMENFASSUN G

nach ihrem Bedeutungsverlust in den 1970er Jahren seit Mitte der 1990er Jahre wieder an Wertschätzung gewonnen. Doch während Ziele wie „Ihre Arbeit ordentlich und gewissenhaft tun“ oder „Höflichkeit und gutes Benehmen“ heute wieder ebenso häufig als besonders wichtig angesehen werden wie vor dem Beginn des Wertewandels, wird das Ziel, sich in eine Ordnung einzufügen, heute zwar häufiger als in den 1990er Jahren, aber immer noch wesentlich seltener als in den 1960er Jahren als wichtig eingestuft. Obwohl dieses Ziel also von der Renaissance bürgerlicher Tugenden in den letzten eineinhalb Jahrzehnten profitiert hat, hat sich doch auch eine Umgewichtung innerhalb des Wertekanons ergeben, die man als ein Kennzeichen für einen relativen Gewichtsverlust der Autoritätsorientierung deuten kann. 7. Bei der Frage, in welchen Lebensbereichen Autorität wichtig ist und in welchen weniger, nimmt die Bevölkerung eine sehr differenzierte Haltung ein. Abseits der politischen Sphäre steht ein großer Teil der Bevölkerung autoritären Entscheidungsprinzipien durchaus auf­ge­ schlossen gegenüber. Das gilt für das Wirtschaftsleben, vor allem aber für Alltagssituationen.

5.  Trotz der allgemeinen Zustimmung zur These, eine Gesellschaft benötige Autorität, wird Autorität von der Bevölkerung im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Werten als eher nachrangig angesehen. Unter neunzehn zur Auswahl gestellten Zielen der Kindererziehung nehmen „Respekt gegenüber Autoritätspersonen“, „Sich in eine Ordnung einfügen“ und „Gehorsam“ die Rangplätze 11, 15 und 17 ein. Es wird deutlich, dass beispielsweise das Ziel des autonomen Denkens und Handelns für die meisten Deutschen Vorrang vor dem Respekt gegenüber Autoritäten hat. Auch bei anderen Fragen zeigt sich: Wirklich wichtig scheint eine Stärkung der Autoritäten nur der älteren Generation zu sein.

8.  Auf die Frage, in welchen Lebensbereichen Autoritätspersonen notwendig sind, nennt die Bevölkerung in erster Linie die Schulen, gefolgt vom Berufsleben und der Politik. An letzter Stelle steht der Bereich Religion, Glaubensfragen. Hier sind die Antworten anscheinend von der Überzeugung geleitet, dass das religiöse Bekenntnis Privat­ sache ist. Der Umstand, dass gerade auch ranghohe Kirchenvertreter als Autoritätspersonen angesehen werden können, tritt demgegenüber in den Hintergrund. Auffällig ist, dass die Überzeugung, in einem bestimmten Lebensbereich seien Autoritäten notwendig, zuzunehmen scheint, je näher ein Befragter dem betreffenden Lebensbereich steht.

6. Der langfristige Trendvergleich deutet darauf hin, dass die Orientierung an Autoritäten in Deutschland – vor allem im Westen – in den letzten Jahrzehnten an Wertschätzung verloren hat. Viele bürgerliche Tugenden, repräsentiert in der Frage nach den Erziehungszielen, haben

9. Die Strahlkraft des Begriffs „Autorität“ setzt sich aus zwei Kom­ponen­ ten zusammen: Zum einen wird Autorität in einem erheblichen Maße als Persönlichkeitseigenschaft angesehen, zum anderen hängt Autorität auch an Ämtern und Status. Den Anteil der beiden Komponenten an der

94

95

T h o m as p e t e r se n

Gesamtbedeutung kann man abzuschätzen versuchen, indem man mit verschiedenen Frageformulierungen diese Aspekte mal mehr und mal weniger in den Vordergrund schiebt. So wird beispielsweise eine Person, von der man sagt, sie habe Autorität, deutlich weniger positiv beurteilt als eine Person, von der man sagt, sie sei eine Autorität. Alles in allem zeigen die Ergebnisse, dass der Anteil, den Amt und Würden zur Bedeutung des Begriffs „Autorität“ beitragen, beträchtlich ist. Er ist nicht bestimmend, das persönliche Element scheint zu überwiegen, doch er trägt eine wichtige und charakteristische Komponente zur Begriffsbedeutung bei. 10. Fragt man, welche gesellschaftlichen Gruppen Vertrauen verdienen, und welche Gruppen Autorität haben, ergeben sich deutlich unterschiedliche Ranglisten. Gruppen, die mit formaler, legitimierter Macht ausgestattet sind oder zumindest hohe Positionen in der gesellschaftlichen Hierarchie einnehmen, wird mehr Autorität zugeschrieben als ihnen Vertrauen entgegengebracht wird. So wird beispielsweise den Vereinen am Wohnort mehr Vertrauen entgegengebracht als dem Bürgermeister, dem Bürgermeister aber mehr Autorität zugeschrieben als den Vereinen. Es wird deutlich, dass Autorität nicht allein durch die freiwillige Bereitschaft der Bürger zu erklären ist, denen zu folgen, die sie als Vorbild wahrnehmen, sondern dass auch die Macht der Ämter und Positionen zur Autorität dazugehört, auch wenn aus diesem Aspekt nicht der Schwerpunkt liegt. „Auctoritas“ funktioniert nicht ganz ohne „potestas“.

ZUSAMMENFASSUN G

12.  Mit einer Serie von Regressionsanalysen wurde der strukturelle Zusammenhang zwischen Vertrauen, Autorität und Freiheit untersucht. Anstelle des ursprünglich erwarteten engen Beziehungs­ geflechts zeigt sich, dass zwar Freiheit und Vertrauen eng miteinander verknüpft sind, jedoch nur vergleichsweise schwache Bindungen beider zur Autorität existieren. Die Begriffe Freiheit und Vertrauen auf der einen Seite und Autorität mit ihren verschiedenen Bedeutungen auf der anderen Seite stehen offensichtlich für unterschiedliche Konzepte, unterschiedliche Aspekte des Wertesystems der Bevölkerung, die zwar nicht im Konflikt miteinander stehen, jedoch auch nicht zwangsläufig, zumindest nicht untrennbar, zusammengehören.

11.  Das allgemeine Bekenntnis zur Notwendigkeit von Autoritäten steht in einem gewissen Widerspruch zur Neigung großer Teile der Bevölkerung, sich in Fällen, in denen die Orientierung an Autoritäten mit den eigenen Wünschen und Vorstellungen im Konflikt steht, zugunsten der eigenen Vorstellungen zu entscheiden. Umgekehrt kann auch die bei allgemein formulierten Fragen bekundete demonstrative Ablehnung von Autoritäten durchaus mit einer klaren Autoritätsorientierung im Alltag einhergehen. Das Bekenntnis zu Autoritäten wie auch ihre Ablehnung sind also zum Teil Ausdruck einer prinzipiellen weltanschaulichen Haltung, die mit dem eigenen tatsächlichen Verhalten nicht viel zu tun haben muss. 96

97

ANHAN G

Anhang Grafik A2

Tabelle A1

Assoziationstest ‚Autorität‘/‘autoritär‘ – vereinfachte Auswertung FRAGE:

„ Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie den Begriff ‚Autorität‘/‚autoritär‘ hören? Bitte nennen Sie mir alles, was Ihnen beim Wort ‚Autorität‘/ ‚autoritär‘ einfällt.“

Bei der Integration von Ausländern, z.B. bei den Anforderungen, die Ausländer erfüllen müssen, wenn sie in Deutschland leben möchten ...

Gruppe A „Autorität“

Gruppe A „autoritär“

%

%

Positive Assoziationen

43

17

Negative Assoziationen

23

48

Neutrale, nicht eindeutig zuzuordnende Assoziationen

33

39

99

104

914

931

n= Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

Notwendigkeit von Autoritätspersonen in der Schule – Bildungsgruppen FRA G E :

„ Was meinen Sie: In welchen Bereichen ist es besonders wichtig, dass es Autoritätspersonen gibt?“

© IfD-Allensbach

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

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© IfD-Allensbach

99

ANHAN G

Tabelle A3

Widerstand gegen einen Fabrikbau – Ost- und Westdeutschland im Vergleich

Tabelle A4

Widerstand gegen einen Fabrikbau – Altersgruppen FRA G E :

FRAGE:

„Ich möchte Ihnen jetzt einen Fall erzählen: In einem kleinen Ort soll eine Fabrik gebaut werden. Der Gemeinderat hat den Bau der Fabrik genehmigt, die Bevölkerung ist aber dagegen. Ein Prozess vor Gericht hat ergeben, dass die Bevölkerung nichts dagegen unternehmen kann und die Fabrik gebaut werden muss. In einer öffentlichen Veranstaltung treten nun zwei Redner auf, die Folgendes sagen. (...) Wenn Sie das bitte einmal lesen. Wem würden Sie eher zustimmen, dem oberen oder dem unteren?“ Bevölkerung insgesamt

Westdeutschland

Ostdeutschland

%

%

%

„Ich möchte Ihnen jetzt einen Fall erzählen: In einem kleinen Ort soll eine Fabrik gebaut werden. Der Gemeinderat hat den Bau der Fabrik genehmigt, die Bevölkerung ist aber dagegen. Ein Prozess vor Gericht hat ergeben, dass die Bevölkerung nichts dagegen unternehmen kann und die Fabrik gebaut werden muss. In einer öffentlichen Veranstaltung treten nun zwei Redner auf, die Folgendes sagen. (...) Wenn Sie das bitte einmal lesen. Wem würden Sie eher zustimmen, dem oberen oder dem unteren?“ Befragte im Alter von 16-29 Jahren

30-44 Jahren

45-59 Jahren

60 Jahren und älter

%

%

%

%

Wir, die Bürger, sind gegen die Fabrik. Der Gemeinderat sieht das zwar nicht, aber die Bevölkerung kann das besser beurteilen. Wir müssen auf jeden Fall den Bau der Fabrik verhindern, auch wenn wir vielleicht Gewalt anwenden müssen.

33

35

24

17

46

43

49

58

21

22

27

25

100

100

100

100

82

109

120

141

Wir, die Bürger, sind gegen die Fabrik. Der Gemeinderat sieht das zwar nicht, aber die Bevölkerung kann das besser beurteilen. Wir müssen auf jeden Fall den Bau der Fabrik verhindern, auch wenn wir vielleicht Gewalt anwenden müssen.

26

Das sehe ich anders. Der Gemeinderat und das Gericht haben beschlossen, dass die Fabrik gebaut wird. Wir haben den Gemeinderat gewählt, also müssen wir jetzt diese demokratische Entscheidung mittragen und dürfen uns nicht länger gegen den Bau wehren.

50

Unentschieden

24

24

25

100

100

100

Das sehe ich anders. Der Gemeinderat und das Gericht haben beschlossen, dass die Fabrik gebaut wird. Wir haben den Gemeinderat gewählt, also müssen wir jetzt diese demokratische Entscheidung mittragen und dürfen uns nicht länger gegen den Bau wehren.

452

299

153

Unentschieden

n=

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

27

49

19

56

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n=

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 10063, Oktober/November 2010

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Autor Dr. Thomas Petersen Geboren am 9. September 1968 in Hamburg. Studium der Publizistik, Alten Geschichte und Vor- und Frühgeschichte in Mainz. 2001 Promotion, 2010 Habilitation. Seit 1993 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Demoskopie Allensbach, seit 1999 Projektleiter. Lehraufträge u. a. an den Universitäten Konstanz, Mainz und der TU Dresden. 2007/2008 Vertretung der Professur für methodische und historische Grundlagen der Politikwissenschaft an der Universität Hamburg. Past Präsident der World Association for Public Opinion Research (WAPOR), Sprecher der Fachgruppe „Visuelle Kommunikation“ der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft“ (DGPuK). Forschungsschwerpunkte: Methoden der Demoskopie, Feldexperimente, Visuelle Kommunikation, Wahl­forschung, Panel-Markt- und Sozialforschung, Theorie der öffent­ lichen Meinung. Buchpublikationen: - Der programmierte Stillstand. München: Olzog 2008 (mit Meinhard Miegel). Der Wert der Freiheit. Freiburg: Herder 2005 (mit Tilman Mayer). - Flucht und Vertreibung aus Sicht der deutschen, polnischen und tschechischen Bevölkerung. Bonn: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 2005. - Alle, nicht jeder. Einführung in die Methoden der Demoskopie. Berlin und Heidelberg: Springer. Vierte Auflage 2005 (mit Elisabeth NoelleNeumann). Das Feldexperiment in der Umfrageforschung. Frankfurt am Main: Campus 2002. 102

Leitbild der Herbert Quandt-Stiftung

Den Bürger stärken – die Gesellschaft fördern

Gestiftet als Dank für die Lebensleistung des Unternehmers Dr. h.c. Herbert Quandt setzt sich die Herbert Quandt-Stiftung für die Stärkung und Fortentwicklung unseres freiheitlichen Gemeinwesens ein. Aus­ gangs­ punkt ihres Handelns in den Satzungsbereichen Wissenschaft, Bildung und Kultur ist entsprechend diesem Vorbild die Initiativkraft des Einzelnen und die Einsatzbereitschaft für andere. Die Stiftung will mit ihrem Wirken dazu beitragen, das Ideal des eigenständigen Bürgers zu fördern: Sie möchte Menschen anregen, ihre individuellen Begabungen zu entfalten und Verantwortung für sich sowie für das Gemeinwesen zu übernehmen. Die Stiftung ist grundsätzlich operativ tätig in Form von längerfristigen Programmen. Sie greift gesellschaftspolitische Themen auf, erschließt sie in Kooperation mit der Wissenschaft, entwickelt praktikable Lösungs­ ansätze und bringt sie in das Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Politik. Sie möchte damit auch die politische Kultur unseres Landes fördern. Je nach Erfordernis setzt die Herbert Quandt-Stiftung auf Bündnisse mit anderen Institutionen und Organisationen, um den gesamt­gesellschaftlichen Dialog zu befördern sowie andere zu ermutigen, die Anliegen der Stiftung aufzunehmen und weiter zu tragen.

Es herrscht Verunsicherung: Etablierte Institutionen wie Parteien, Kir­ chen und Gewerkschaften werden zunehmend in Zweifel gezogen. Dafür melden sich neue Autoritäten zu Wort, in sozialen Online-Netzwerken oder Bürgerbewegungen. Ihre langfristige Bedeutung ist jedoch noch ungewiss. Eine Grundkonstante bleibt gleichwohl bestehen: die Suche vieler Menschen nach Autoritäten, an denen sie sich orientieren können. So scheint es in einer Phase des gesellschaftlichen Umbruchs angezeigt, sich der Frage nach Dauer und Wandel von Autoritäten intensiver zu widmen. Diese Studie unternimmt eine aktuelle Bestandsaufnahme.

Herbert Quandt-Stiftung Am Pilgerrain 15 D-61352 Bad Homburg v. d. Höhe Tel: +49 (0) 6172 404- 500 Fax: +49 (0) 6172 404- 545

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