9.4 Nagel- und Nagelbetterkrankungen

September 15, 2017 | Author: Valentin Maurer | Category: N/A
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9.4 Nagel- und Nagelbetterkrankungen Von Inhalt 9.4.1 Anatomie und Physiologie des Nagelorgans 9.4.2 Genetisch bedingte Nagelveränderungen Isolierte genetisch bedingte Nagelveränderungen: • Angeborener Großzehennagelschiefstand • Brachyonychie (Tennisschlägernagel, Rackettnagel) Genetisch bedingte Nagelanomalien im Rahmen eines Syndroms: • Ektodermale Dysplasien (ED) • Nagel-Patella-Syndrom (Hereditäre Onycho-Osteo-Dysplasie) • Iso-Kikuchi-Syndrom (Kongenitale Onychodysplasie) • Pachyonychia congenita (PC) • Dyskeratosis congenita (Zinsser-Engmann-Cole-Syndrom) 9.4.3 Infektiös ausgelöste Nagelerkrankungen Pilzinfektionen, Onychomykosen Bakterielle Infektionen durch: • Streptokokken, Staphylokokken, Pseudomonaden • Treponema pallidum (Syphilis) Virale Infektionen am Nagelorgan: • Humane Papillomvirusinfektionen • Herpes simplex digitalis Skabies 9.4.4 Tumoren des Nagelorgans Benigne Tumoren des Nagelorgans: • Verrucae vulgares • Osteochondrom • Periunguales Fibrom (Koenen-Tumoren) • Granuloma pyogenicum (Granuloma teleangiectaticum) • Glomustumor • Lentigo simplex und melanozytäre Naevi Maligne Tumoren des Nagelorgans: • Nagelmelanom • Morbus Bowen und spinozelluläres Karzinom (SCC) • Basalzellkarzinom (BCC) • Metastasierung maligner Tumoren ins Nagelbett 9.4.5 Sekundäre Nagelerkrankungen Nagelveränderungen bei Dermatosen: • Psoriatische Nagelveränderungen • Nagelveränderungen bei anderen Dermatosen (Tabelle) Nagelveränderungen bei Systemerkrankungen: • Uhrglasnägel • Löffelnägel (Koilonychie) • Mees-Streifen und Beau-Reil-Furchen

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• Yellow-Nail-Syndrom • Milchglasnägel (Terry-Nägel) • Halb- und- halb-Nägel 9.4.6 Arzneimittelinduzierte Nagelveränderungen (Tabelle) 9.4.7 Traumatisch bedingte Nagelveränderungen Subunguale Hämorrhagien Unguis incarnatus Zangennagel (Röhrennagel, Pincer nail) 9.4.8 Nagelartefakte

9.4.1 Anatomie und Physiologie des Nagelorgans Zwischen der 9. und 20. Embryonalwoche entwickelt sich die Nageleinheit aus einer länglichen Region spezialisierten Epithels (Baran 2001). Der Nagel wächst aus einer taschenartigen Einstülpung der Epidermis der Finger- bzw. Zehenspitze als verhornte, plattenartige, dorsal konvexe Struktur tangential und distal aus. Neben seiner Schutzfunktion für die Finger- und Zehenspitze bildet er mit diesen eine funktionelle Einheit als Tast- und Greiforgan. Nägel dienen aber auch als „Dekorationsobjekte" (Baran 1994) und haben eine wichtige ästhetische Bedeutung. Das Nagelorgan umfasst die Nagelmatrix, die die Nagelplatte hervorbringt, das darunter liegende Nagelbett und das periunguale Gewebe (Paronychium, Perionychium), das mit Nagelmatrix und Nagelbett verwachsen ist. Zum periungualen Gewebe gehören proximaler und laterale Nagelwälle, das Nagelhäutchen (Kutikula, Eponychium) und das Hyponychium. Die Nagelmatrix wird fast vollständig durch den proximalen Nagelwall verdeckt. Nur ein kleiner halbmondförmiger distaler Anteil der Matrix, die weißliche Lunula (keratogene Zone) ist distal der Kutikula sichtbar. Sowohl die proximale als auch die distale Matrix enthalten Melanozyten, deren Dichte mit etwa 200/mm2 angegeben wird im Vergleich zu etwa 1150/mm2 in der Epidermis (Andre 2006). Die proximale Matrix enthält Melanozyten, die scheinbar kein Melanin produzieren („schlafendes" Kompartment), während die distale Matrix „schlafende" Melanozyten und Melanin-synthetisierende enthält („aktives" Kompartment). An die Matrix schließt sich das Nagelbett an, welches aus einer spezialisierten Koriumschicht besteht, mit der die an seiner Unterseite längsleistenartige Nagelplatte bis zum Hyponychium fest verhaftet ist. Die Nagelplatte, das Differenzierungsprodukt der Nagelmatrix, zeigt histologisch einen typischen Schichtaufbau mit einer flacheren oberen Schicht aus dicht geschichteten, stärker längs gestreckten Zellen (Dorsalnagel) und einer dickeren, elastischen inneren Schicht mit mehr kubischen Zellen (Intermediärnagel). An der Unterseite des freien Nagelendes befindet sich eine dritte Schicht (Ventralnagel oder subunguales Keratin), die bei einigen Onychopathien stark hypertrophiert sein kann. Die obere Schicht der Nagelplatte stammt aus dem proximalen Anteil der Matrix, die untere Schicht aus dem distalen Anteil der Matrix. Die ventrale Nagelplatte wird durch das Nagelbett gebildet. Die Nagelplatte besteht aus avitalen, kernlosen, verhornten Zellen. Die dorsale Nagelplatte zeigt histochemisch einen hohen Kalziumgehalt und einen hohen Anteil an Disulfidbindungen. Physiologischerweise ist die Nagelplatte glatt, transparent und hat durch das stark vaskularisierte, durchscheinende Nagelbett ein rosiges Aussehen.

3 Die Dermis des Nagelbetts ist mit dem Periost der distalen Phalanx fest verbunden, so dass die Form des Nagels wesentlich von der Morphologie der knöchernen Endphalanx bestimmt wird. Individuell verschieden ist die Nagelwachstumsgeschwindigkeit. Die wöchentliche Längenzunahme der Fingernägel beträgt ca. 0,5-1,2mm, die der Zehennägel 0,20,5mm. Die durchschnittliche Regenerationszeit eines Fingernagels beträgt 6 Monate, die eines Zehennagels 12-18 Monate. Im Alter und bei Durchblutungsstörungen ist das Nagelwachstum verlangsamt. Auch Dermatosen können zu einer Beschleunigung (Psoriasis) oder Verlangsamung (Ekzem) des Nagelwachstums führen (Hamm 2005).

Abb. 1: Anantomie des Nagelorgans (Schema G. Grundmann) Literatur André J, Lateur N. Pigmented nail disorders. Dermatol Clin 2006; 24:329-39. Baran R, Dawber RPR, Levene GM. Anatomie des Nagelapparates. In: Czarnetzki BM, Paus R (Hrsg.) . Haare, Kopfhaut, Nägel. Vom Befund zur Diagnose. Ullstein Mosby Berlin 1994; 109. Dawber RPR, de Berker DAR, Baran R. Science of the nail apparatus. In: Baran R, Dawber RPR, Berker DAR(eds) Baran and Dawber's (eds) Diseases of the Nails and their Management; Third edition. Blackwell,0xford 2001; 1-47. Hamm H. Erkrankungen der Nägel. In: Braun Falco 0, Plewig G, Wolff HH, Burgdorf HC, Landthaler M (Hrsg.) Dermatologie und Venerologie. 5. Aufl. Springer Heidelberg 2005; 945-71.

9.4.2 Genetisch bedingte Nagelveränderungen Anlagebedingte Nagelanomalien können alle oder nur einzelne Nägel betreffen. Sie können als isoliertes Symptom auftreten, häufiger finden sie sich in Kombination mit anderen ektodermalen, mesodermalen oder neurologischen Störungen im Rahmen von Syndromen, ferner bei Genodermatosen.

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Klinik Meist finden sich angeborene, je nach zugrunde liegender Erkrankung teils auch erst in späteren Jahren manifest werdende, irreversible Nagelanomalien mit Verdickung, Dystrophie oder Atrophie des Nagels. Am häufigsten sind kongenitale Defekte der Nagelmatrix, die sich auf Form, Position oder Funktion des Nagels auswirken. Als Nagelfelddefekte werden kombinierte Störungen von Nagelmatrix und Nagelbett bezeichnet. Sie gehen mit Änderung von Form, Relief, Farbe oder Konsistenz des Nagels einher (Hamm 2005). Differenzialdiagnosen Erworbene Onychopathien, z.B. traumatisch bedingte Onychodystrophien, Onychomykose. Diagnostik (Familien-)Anamnese, Inspektion mit besonderem Augenmerk auch auf Haar-, Haut-, Knochenveränderungen, Zahnanomalien und Intelligenzdefekte, Nativprärarat, mykologische Kultur, Probeexzision fakultativ bei klinisch unklaren oder nur fraglich genetisch bedingten Nagelveränderungen. Therapie In der Mehrzahl der Fälle ist eine kurative Therapie nicht möglich, bei einzelnen Krankheitsbildern wird eine operative Behandlung empfohlen. Eine kosmetische Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes durch Applikation von Kunstnägeln ist heute vielfach möglich. Isolierte genetisch bedingte Nagelveränderungen Hypoplasien (Mikroonychie, Hyponychie, Onychoatrophie) oder vollständiges Fehlen der Nagelplatte (Anonychie) können dominant oder rezessiv vererbt werden und einzelne oder alle Nägel betreffen. Anonychien sind meist angeboren (Anonychia aplastica, Anonychia congenita totalis) (Al Hawsawi 2002). Bei der familiär gehäuft auftretenden Anonychia atrophica tarda entwickelt sich die Anonychie erst im 5.-8. Lebensjahr unter Umwandlung des Nagelbetts in weiches Narbengewebe. Überzählige Nägel außerhalb der Nagelplatte (ektope oder heterotope Nägel, Polyonychie) können mit einer röntgenologisch nachweisbaren überzähligen Fingerbildung oder einer Syndaktylie assoziiert sein. Auch hereditäre Formen von Tüpfelnägeln, Trachyonychie, Koilonychie, Leukonychie, Onychogrypose, Pincer nail, Uhrglasnägeln und Pterygium inversum unguinum sind beschrieben.

Angeborener Großzehennagelschiefstand (Großzehennageldystrophie der Kindheit) Bei dieser offenbar autosomal dominant vererbten kongenitalen Stellungsanomalie einer oder beider Großzehennägel weicht die Achse des Nagels nach lateral ab. Die Ursache wird zum einen in vermehrtem Zug oder in einer Hypertrophie des dorsolateralen Anteils der Streckersehne des Hallux gesehen, wodurch die laterale Nagelmatrix nach proximal gezogen wird (Hamm 2005) Diese Hypertrophie soll im Kernspintomogramm als Verdickung der ligamentären Struktur zu sehen sein (Haneke 2006). Zum anderen wird auch über die Abweichung der Matrix durch Persistenz des Ligamentum Guero berichtet (Mainusch 2004).

5 Differenzialdiagnosen Onychogrypose, Onychomykose. Diagnostik Klinisch: Neben einer lateralen Deviation der Längsachse des Großzehennagels kann auch eine laterale Abknickung der Endphalanx im Vergleich zum Grundglied vorhanden sein. Die oft in Längs- und Querachse verstärkt gekrümmte Nagelplatte hat häufig eine dreieckige Form und zeigt typischerweise eine ausgeprägte Onychodystrophie mit graugrünlicher oder gelblicher Verfärbung und austernschalenartigen Querrillen. Der Kontakt zum Nagelbett geht verloren, und nicht selten kommt es durch Druck des Nagels auf den seitlichen oder den sich bildenden distalen Nagelwall zu Beschwerden wie bei einem Unguis incarnatus (Kus 2005). Therapie Um eine irreversible Störung des Nagelwachstums zu vermeiden, wird in der Literatur überwiegend eine operative Korrektur (Rotation der gesamten Nageleinheit in achsengerechte Stellung oder Verlängerung des Sehnen-Band-Apparats) empfohlen, wenn sich bis zum Alter von 2 Jahren noch keine Besserungstendenz zeigt. Spontane Rückbildung bei leichten Varianten ist beobachtet worden, und die Entscheidung für eine operative Therapie sollte vom Ausmaß der Nagelveränderungen und des Funktionsverlusts des Nagelorgans abhängig gemacht werden (De Berker 2006). Da diese Nagelanomalie im Erwachsenalter - auch ohne irgend eine vorausgegangene Therapie - kaum mehr beobachtet wird (Spontanbesserung), stehen andere Autoren einem invasiven Vorgehen zurückhaltend gegenüber (Effendy 2003).

Brachyonychie (Tennisschlägernagel, Rackettnagel) In der Regel handelt es sich um eine autosomal dominant vererbte Anomalie, die meist einen oder beide Daumen betrifft. Die Brachyonychie kann isoliert oder zusammen mit einer Verkürzung und basalen Verbreiterung der Endphalanx durch vorzeitigen Verschluss der Epiphysenfuge vorkommen (Mainusch 2004). Angeboren vorhanden ist sie bei Syndromen wie dem Rubinstein-Tabay-Syndrom. Brachyonychie aller Nägel kommt bei Chondrodystrophie vor. Erworbene Formen werden bei Hyperparathyreoidismus, (Pseudo-)Hypoparathyreoidismus, psoriatischer Onychopathie und Onychophagie beschrieben (Rasi 2005). Klinik Der Nagel ist verkürzt und verbreitert. Diagnostik Klinisch. Therapie Die Anomalie kann als kosmetisch störend empfunden werden, eine operative Korrektur ist möglich.

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Genetisch bedingte Nagelanomalien im Rahmen eines Syndroms Ektodermale Dysplasien (ED) Unter ED versteht man hereditäre Syndrome, bei denen Fehlbildungen an zwei oder mehr ektodermalen Differenzierungsprodukten (Nägel, Haarfollikel, Schweißdrüsen, Zähnen) vorliegen. Ihre Klassifizierung wird heute nach den zugrundeliegenden Gendefekten angestrebt (Lamartine 2003). Klinik Eine Vielzal verschiedener ED mit Nagelbeteiligung ist bekannt, bei denen sich u.a. Verdickung der Nagelplatten mit verlangsamtem Wachstum, bei anderen Formen hingegen sehr dünne hypoplastische Nägel, Mikroonychien, Onycholysen Anonychien oder Pterygiumbildung finden. Assoziierte ektodermale Symptome können Hypotrichosen, Haarschaftanomalien, Fehlen oder Unterentwicklung der Schweißdrüsen und/oder Zahnmissbildungen sein. Ferner können insbesondere Skelettmissbildungen und neurologische Störungen assoziiert sein. Bekannt sind vor allem die klassische hereditäre ED Fischer-Jacobsen-Clouston mit Mikroonychie, verdickten oder dystrophen, langsam wachsenden Nägeln bzw. Anonychie und die chondroektodermale Dysplasie Ellis-van Creveld mit nicht wachsenden dystrophen Löffelnägeln. Zum Spektrum der ED gehört auch das Trichorhinophalangealsyndrom (TRPS) mit Wachstumsretardierung, kraniofazialen Anomalien, Alopezie und Brachyphalangie. Zahlreiche Nagelveränderungen wurden bei diesem Syndrom dokumentiert. Kürzlich wurde ein Fallbericht mit außergewöhnlichen V-förmigen longitudinalen Nageldystrophien an beiden Händen bei einer 19jährigen Patientin publiziert (Itin 2005). Das Syndrom wird ausgelöst durch Defekte im Transkriptionsfaktor GATA, der die Zelldifferenzierung in verschiedenen Geweben mediiert. Interessant ist, dass das verantwortliche TRPS l-Gen hochgradig thermolabil ist und während fieberhafter Episoden zu Nageldystrophien führen soll, was das mögliche episodische Auftreten der Nagelveränderungen erklärt. Diagnostik In der Regel klinisch, ggf.ergänzend bildgebende Diagnostik, Familienannmese, genetische Untersuchungen. Therapie In der Regel nicht möglich. Itin et al. berichten über eine komplette Abheilung der oben beschriebenen Nagelveränderungen bei einer 19jährigen Patientin mit TRPS nach 6monatiger einmal tgl. topischer Therapie der Nägel mit einem Tacalcitolhaltigen Externum, wobei gerade in diesem Fall auch von einer Spontanheilung wie bei Nagelverändrungen im Rahmen von z.B. febrilen Allgemeinerkrankungen ausgegangen werden kann.

Nagel-Patella-Syndrom (Hereditäre Onycho-Osteo-Dysplasie) Das autosoal dominant vererbte Syndrom ist durch einen Defekt des 1mx1b-Gens auf Chromosom 9q34.l bedingt. Klinik Die Nagelveränderungen betreffen am häufigsten die Ulnarseiten der Daumen, nehmen zum Kleinfinger hin ab, die Zehennägel sind nur selten betroffen. In milden

7 Fällen findet sich lediglich die für das Krankheitsbild typische dreieckige Ausziehung der Lunula, bei stärkerer Ausprägung sind die Nägel brüchig, gespalten, longitudinal verformt, hypoplastisch oder fehlen vollständig. Assoziiert sind instabile Knie durch Aplasie oder Hypoplasie der Patellae. Arthroskopisch finden sich multiple synoviale Plicae im Kniegelenk, die zu Knorpeldefekten führen (Niemeyer 2006). Weitere orthopädische Anomalien sind Deformation und (Sub-)Luxation des Radiusköpfchens, Exostosen an den Dorsalseiten der Ossa iliaca (pathognomonisch), fakultativ Überstreckbarkeit der Gelenke. In 40-60% der Fälle treten Nephropathien auf. Ferner werden ophthalmologische Anomalien beschrieben (Glaukom, Heterochromie der Iris). Diagnostik Röntgendiagnostik, Arthroskopie. Therapie Eine Therapie der Nagelveränderungen ist nicht bekannt.

Iso-Kikuchi-Syndrom (Kongenitale Onychodysplasie) Diese kongenitale, autosomal dominant vererbte Nagelerkrankung soll auch durch ischämische Minimalschäden der Endphalanx in der Embryonalzeit entstehen können. Klinik Meist findet sich eine Mikroonychie an einem oder beiden Zeigefingern. Beobachtet werden auch andere Nagelanomalien, die sich nicht auf die Zeigefinger beschränken. Die unter dem betroffenen Nagel liegende Endphalanx weist röntgenologisch ebenfalls Fehlbildungen, am häufigsten eine Y-förmige Bifurkation (Hamm 2005) auf. Diagnostik Klinischer Befund und Röntgendiagnostik. Therapie Eine Therapie ist nicht bekannt.

Pachyonychia congenita (PC) Es handelt sich um eine autosomal dominant vererbte Verhornungsstörung, bei der vier phänotypisch verschiedene Formen unterschieden werden. Bei den beiden klassischen Formen wurden Mutationen in Keratingenen nachgewiesen, bei der PC Typ I besteht ein Defekt der Zytokeratine 6a und 16, bei der PC Typ II der Zytokeratine 6b und 17 (Smith 2005). Klinik Kennzeichnend ist eine angeborene oder in den ersten Lebensmonaten beginnende Verdickung aller Nägel, die vom Nagelfalz zum freien Nagelrand hin zunimmt bei exzessiver Nagelbetthyperkeratose. Die harten, verdickten Nägel sind oft gelbbräunlich verfärbt und können schräg nach distal oben wachsen und onychogryposeartige Ausmaße annehmen. Den beiden klassischen Formen gemeinsam sind ferner palmoplantare Hyperkeratosen (oft mit Hyperhidrose assoziiert) und follikuläre

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Hyperkeratosen an Knien, Ellenbogen und Gesäß. An Palmae und Plantae kann es zu Blasen kommen (Leachman 2005). Für die PC Typ I (Jadassohn-Lewandowski-Syndrom) sind darüber hinaus orale Leukokeratosen, meist an der Zunge, seltener am Gaumen oder der Wangenschleimhaut typisch. Bei der PC Typ II (Jackson-Lawler-Syndrom) sind die Palmoplantarkeratosen oft schwächer ausgeprägt. Kennzeichnend ist das Vorkommen von konnatalen Zähnen, Pili torti und als bester Indikator die postpubertäre Entstehung von multiplen Talgdrüsenzysten. Neben diesen beiden klassichen Formen werden klinisch eine III. und IV. Form beschrieben, deren Entität jedoch molekulargenetisch nicht erwiesen ist. Die PC tarda stellt eine Spätvariante dar, bei der die Nagelveränderungen erst im 2. oder 3. Lebensjahrzehnt auftreten und die Begleitsymptomatik diskreter ist.

Abb. 2 Pachyonychia congenita (Verdickung der Nagelplatte, massive Nagelbetthyperkeratosen)

Differenzialdiagnosen Palmoplantarkeratosen, Ektodermale Dysplasien, Dyskeratosis congenita, Epidermolysis bullosa hereditaria, psoriatische Onychopathie. Diagnostik In der Regel klinisch, im Zweifelsfall PE aus Haut- bzw. Mundschleimhautveränderungen. Die hyperkeratotischen Läsionen zeigen Akanthose mit Hyperparakeratosen und ein koriales entzündliches Infiltrat unterschiedlicher Intensität. Therapie Die Störung des Nagelwachstums ist nicht befriedigend zu regulieren. Auch die langfristige systemische Therapie mit Acitretin führt nur zu einer partiellen Besserung (Hamm 2005). Regelmäßiges Abschleifen der verdickten Nägel wird empfohlen, ferner der Einsatz keratolytischer Maßnahmen zur Behandlung der Nägel und

9 der palmoplantaren Hyperkeratosen, z.B. mit harnstoffhaltigen Präparaten (ElDarouti 2006, Milstone 2005). Ultima ratio: Nagelextraktion mit Destruktion von Nagelmatrix und Nagelbett. Kürzlich wurde die erfolgreiche Therapie der mit Hyperhidrose assoziierten PC mittels plantarer Injektion von Botulinumtoxin beschrieben (Swartling 2006).

Dyskeratosis congenita (Zinsser-Engmann-Cole-Syndrom) Die Erkrankung wird X-chromosomal rezessiv vererbt. Als zugrunde liegendes Gen wurde Dyskerin identifiziert und der Genlokus wurde auf Xq28 lokalisiert (Heisse 1998). Klinik Vorwiegend bei männlichen Patienten bilden sich meist im 2. Lebensjahrzehnt schwere Nageldystrophien mit dünnen, konkaven Nägeln mit Längsstreifen und Pterygien bis zum kompletten Nagelverlust (Hamm 2005). Ferner finden sich netzförmige Pigmentstörungen. An Mundschleimhaut, Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt entwickeln sich Leukoplakien, die maligne entarten können. Assoziation von hämatologischen Erkrankungen wie aplastischer Anämie wird beschrieben (Yilmaz 2002). Diagnostik Klinisch, laborgenetische Befunde der Grunderkrankung. Therapie Eine kurative Therapie der Nagelveränderungen ist nicht bekannt. Literatur Al Hawsawi K, AI Aboud K, Alfadley A et al. Anonychia congenital totalis: a case report and review of the literature. Int J Dermatol 2002; 41:397-9. De Berker D. Childhood nail diseases. Dermatol Clin 2006; 24:355-63. Effendy I. Nagelveränderungen im Kindesalter. Hautarzt 2003; 54:41-4. El-Darouti MA, Marzouk SA, Nabil N et al. Pachyonychia congenita: treatment of the thickened nails and palmoplantar circumscribed callosities with urea 40% paste. J Eur Acad Dermatol Venereol (Netherlands) 2006; 20:615-7. Hamm H. Erkrankungen der Nägel. In: Dermatologie und Venerologie. 5. Aufl. Springer Heidelberg 2005; 945-971. Haneke E. Nagelkrankheiten. In: Traupe H, Hamm H (Hrsg.) Pädiatrische Dermatologie. 2. Aufl. Springer Heidelberg 2006; 677-98. Heiss NS, Knight SW, Vulliamy TJ et al. X-linked dyskeratosis congenital is caused by mutations in a highly conserved gene with putative nucleolar functions. Nature Genet 1998; 19:32-8. Itin PH, Eich G, Fistarol SK. V-shaped, longitudinal nail dystrophies in Trichorhinophalangeal Syndrome Type I, Dermatol 2005; 211:162-4. Kus S, Tahmat E, Gurumuoglu R, Candan I et al. Congenital malalignment of the great toenails in dizygotic twins. Pediatr Dermatol 2005; 22:434-5. Lamartine J. Towards a new classification of ectodermal dysplasias. Clin Exp Dermatol 2003; 28:351-5. Mainusch OM. Häufige Veränderungen und Krankheiten des Nagelorgans. Hautarzt 2004; 55:567-79. Milstone LM, Pleckman P, Leachman SA. Treatment of pachyonychia congenita. J Investig Dermatol Symp Proc 2005; 10:18-20.

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Niemeyer P, Edlich M, Hauschild 0, Baumann T et al. Klinische, radiologische und arthroskopische Aspekte des Nagel-Patella-Syndroms (NPS). Literaturübersicht am Beispiel einer betroffenen Familie. Orthopäde 2006; 35:197-203. Rasi A,Soltani-Arabshahi R, Naraghi ZS. Circumscribed juvenile onset of pityriasis rubra pilaris with hypoparathyreidism and brachyonychia. Cutis 2006; 77:218-22. Smith FJ, Liao H, Cassidy AJ et al. The genetic basis of pachyonychia congenita. J Investig Dermatol Symp Proc 2005; 10:3-7. Swartling C, Vahlquiat A. Treatment of pachyonychia congenita with plantar injections of botulinum toxin. Br J Dermatol 2006; 154:763-5. Yilmaz K, Inalöz HS, Ünal b et al. Dyskeratosis congenita with isolated neutropenia and granulocyte colony-stimulating factor treatment. Int J Dermatol 2002; 41:170-2.

9.4.3 Erreger bedingte Nagelerkrankungen Pilzinfektionen, Onychomykosen Mit einem ungefähren Anteil von 50% an allen Onychopathien (Mügge 2006) stellt die Onychomykose (OM) die häufigste Nagelerkrankung dar. Die Prävalenz der Nagelmykosen in den Industrienationen beträgt zwischen 3 und 16% (Effendy 2001), in den sog. Entwicklungsländern sind sie weitaus seltener. Bei der Verbreitung der OM spielen soziokulturelle, zivilisatorische und berufliche Faktoren eine wesentliche Rolle, ob auch eine genetische Disposition eine Bedeutung hat, ist noch nicht sicher geklärt. Patienten im mittleren Erwachsenenalter sind am häufigsten von einer OM betroffen, Männer häufiger als Frauen. Während in der älteren Literatur die OM bei Kindern als eher ungewöhnlich eingeschätzt wurde, zeigen neuere Untersuchungen (Lange 2006) eine zunehmende Prävalenz auch im Kindes- und Jugendalter, was auf vermehrte Exposition durch Freizeitverhalten, Tragen okklusiven Schuhwerks und verbreiteteren Einsatz systemischer Antibiotika, Chemotherapeutika und immunsupprimierender Medikamente zurückgeführt wird. Weitere Prädispostionsfaktoren, die überwiegend im Erwachsenenalter zum Tragen kommen, sind Angiopathien, periphere Neuropathien, Diabetes mellitus und andere Stoffwechselerkrankungen, Fußfehlstellungen und wiederholte Traumata. Pilze können nur schwer in das Keratin der Nagelplatte eindringen und befallen in der Regel bereits vorgeschädigte Nägel. Der bevorzugte Zugang ist der durch die traumatische Onychopathie geschaffene subunguale Hohlraum. Onychomykosen stellen somit ein typisches Beispiel einer Sekundärmykose dar, Voraussetzung ist offenbar eine traumatische Vorschädigung des Nagels, das Vorliegen einer nagelnahen Primärmykose oder einer prädisponierenden Grunderkrankung (Effendy 2001). Bei der Pathogenese der OM spielt ferner die Wachstumsgeschwindigkeit des Nagels eine entscheidende Rolle: Solange der Nagel schneller nach distal wächst als der Pilz nach proximal vordringt, bleibt die Infektion beschränkt. Bei deutlich verlangsamtem Nagelwachstum kann der Pilz in die Matrix vordringen und den Nagelvollständig zerstören. Dermatophyten stehen nach wie vor an der Spitze der Auslöser einer OM (68%) (Mügge 2006). Der häufigste Erreger ist weltweit Trichophyton rubrum, der Grund liegt in der hohen Affinität zum Nagelkeratin. Der am zweithäufigsten isolierte Dermatophyt ist Trichophyton interdigitale (mentagrophytes). Zoophile (Microsporum canis, Trichophyton gallinae) und geophile Erreger (Microsporum gypseum) werden nur ausgesprochen selten als Erreger einer OM beschrieben (PobleteGutierrez 2006, Romano 2006).

11 Sprosspilze als Erreger der OM (29%) werden häufiger von den Finger- als von den Zehennägeln isoliert. Den größten Anteil an den Sprosspilzinfektionen der Nägel haben Candidaarten, an erster Stelle: Candida parapsilosis (Mügge 2006). Schimmelpilze spielen als Auslöser der OM (3%) nur eine untergeordnete Rolle. Bei den Erregern handelt es sich in der Regel um Scopulariopsis brevicaulis sowie diverse Aspergillusarten. Bevorzugt befallen werden die Großzehennägel älterer Patienten. Die Bedeutung von Schimmelpilzen für die OM sollte aber nicht unterschätzt werden, da sie als äußerst therapieresistent gelten. Mischinfektionen, vor allem von Dermatophyten und Sprosspilzen, können wegen therapeutischer Konsequenzen bei OM von Bedeutung sein. In den Tropen vorkommende thermostabile pflanzenpathogene Pilze wie Scytalidium hyalinum, Scytalidium dimidiatum (frühere Bezeichnung: Hendersonula toruloidea) können auch meist dunkel pigmentierte - OM verursachen, die als therapierefraktär gelten (Hay 2002). Klinik Dem befallenen Nagel kann man in der Regel nicht eindeutig ansehen, welcher der genannten Gruppen der Erreger zugehörig ist. Dermatophyten und Schimmelpilze invadieren den Nagel in der Regel vom freien Rand her, Sprosspilze von lateral oder proximal, häufig aus infiziertem paronychialen Gewebe. Das klinische Erscheinungsbild der OM ist im Wesentlichen abhängig vom primären Angriffspunkt der Infektion am Nagel, ferner von der Art des Erregers, der Infektionsdauer und der individuellen Abwehrlage des Patienten. Klinische Hauptsymptome der OM sind: •

Gelbliche oder bräunliche Verfärbung der Nagelplatte (Dyschromasie)



Subunguale Hyperkeratosen



Onycholyse

• Totale Dystrophie der Nagelplatte (Spätsymptom) Entsprechend dem Infektionsweg und der primär erkrankten Struktur werden heute fünf charakteristische Befallstypen der OM unterschieden: 1. Distale und laterale Onychomykose (DLSO): Sie stellt mit Abstand die häufigste klinische Form der Onychomykose dar und wird hauptsächlich durch Dermatophyten und Schimmelpilze verursacht. Der Erreger dringt über das Hyponychium in die ventrale Nagelplatte ein und breitet sich nach proximal zur Matrix aus. Durch die sich entwickelnde subunguale Hyperkeratose kommt es zu einer sekundären Onycholyse und in der Regel zu einer Gelbverfärbung des Nagels (Abb.3, 5). Eine schmutzig-braune bis grüne Verfärbung spricht für eine bakterielle Superinfektion (insbesondere durch Pseudomonas aeruginosa). Hingegen verursacht Scopulariopsis brevicaulis oft eine eher grau-bräunliche Verfärbung und Alternaria tenuis kann eine schwärzliche, diffuse oder longitudinale Melanonychie auslösen. Selten können auch Candida-Infektionen mit einer Melanonychie einhergehen (Pariak 2006). 2. Proximale subunguale Onychmykose (PSO): Bei dieser sehr seltenen Form dient die Haut des proximalen Nagelwalls (Eponychium) als Eintrittspforte. Die Pilzhyphen penetrieren die proximale Nagelplatte im Bereich der keratinisierenden Zone und befallen von der Nagelmatrix aus die

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ventrale Nagelschicht. Oft zeigt sich anfänglich im Bereich der Lunula ein weißlicher Fleck, später entstehen weiße, undurchsichtige Plaques. Die PSO wird hauptsächlich durch Trichophyton rubrum ausgelöst. Superfizielle weiße Onychomykose (SWO) (Leukonychia trichophytica): Auch die SWO ist eher selten. Sie ist durch Pilzbefall allein der dorsalen Nagelplatte charakterisiert. Punktformige weiße Inseln können konfluieren und sich über die gesamte Nagelplatte ausdehnen (Abb.4). Die Nageloberfläche wird rau, reaktiv weich und krümelig. Matrix und Nagelbett bleiben unverändert. Als häufigster Erreger gilt Trichophyton interdigitale (mentagrophytes). Endonyxonychomykose (EO): Bei dieser erst kürzlich beobachteten Form der OM werden die Oberfläche und tiefere Teile der Nagelplatte befallen. Charakteristisch sind lamellöse Nagelsplitter. Die Erreger sind meist Dermatophyten, die auch eine endotriche Haarmykose verursachen, v.a. Trichophyton soudanense. Totale dystrophische Onychomykose (TDO): Sie kann der Endzustand einer lange bestehenden OM sein, die aus einer der vorbeschriebenen Formen entstanden ist. Eine primäre TDO wird bei Patienten mit einer durch eine Immunstörung bedingten, chronisch mukokutanen Candidose beobachtet (Collins 2006).

Abb. 3 Laterale Onychomykose mit Onychodyschromasie, Onycholyse und subungualer Hyperkeratose

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Abb. 4 Superfizielle weiße Onychomykose (Leukonychia trichophytica)

Abb. 5 Distale Onychomykose mit Onychodystrophie Differenzialdiagnosen Abzugrenzen sind Nagelveränderungen im Rahmen von Dermatosen (Psoriasis, Lichen ruber, paraunguale Ekzeme) und Allgemeinerkrankungen mit ähnlichen Veränderungen der Konfiguration des Nagels. Ferner müssen angeborene und erworbene Nageldystrophien in die Differenzialdiagnose einbezogen werden. Eine Untersu-

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chung des Integuments und der Schleimhäute kann ätiologisch richtungsweisend sein. Nicht pilzbedingte Nagelveränderungen und Pilzinfektionen des Nagels können assoziiert sein. Gerade bei den Großzehennägeln im Gegensatz zu den Fingernägeln ist das simultane Vorkommen einer psoriatischen Nageldystrophie und einer OM nicht selten. Diagnostik Nach wie vor gelten Nativpräparat- und Kulturuntersuchung als Standardmethode. Sollten sie die klinische Diagnose nicht bestätigen, kann eine Nagelbiopsie hilfreich sein. Die Histologie von Nagelbiopsien unterscheidet zudem deutlich, ob Pilze aktive Strukturen des Nagels befallen oder nur subunguale Gewebetrümmer besiedeln. Bei der OM liefert das Nativpräparat in 5-10% der Fälle falsch negative Resultate (Panasiti 2006). Um den Nachweis von Pilzinfektionen des Nagels zu verbessern, werden 2 verschiedene auf KOH basierende Färbemethoden (KOH-Chlorazol und KOH-Acridin Orange) empfohlen. Die kulturelle Untersuchung von Nagelspänen ist in 60-70% der Fälle erfolgreich. Für die Identifikation der Erreger kann auch die PCR- Analyse mit einer deutlich höheren Sensitivität als die der Kultur zum Einsatz kommen (Yoshimura 2006). Therapie Die OM zeigt keine Selbstheilungstendenz, kann zum Ausgangspunkt weiterer Dermatomykosen werden und stellt einen Risikofaktor für Folgeerkrankungen (Erysipel) dar, insofern ist eine Therapie indiziert. Die Wahl der Therapie richtet sich nach Intensität und Muster des Pilzbefalls und dem durch kulterelle Diagnostik nachgewiesenen Erreger. Bei allen Onychomykosen besteht praktisch immer auch eine Dermatomykose, die mitbehandelt werden muss. Prinzipiell können drei Behandlungsmöglichkeiten unterschieden werden: Topische Therapie Zur topischen Therapie der OM stehen nagelspezifische Antimykotika wie Amorolfin (Loceryl® Nagellack), Ciclopirox (Nagel Batrafen®), Bifonazol mit Harnstoffsalbe (Canesten® Extra Nagelset) zur Verfügung. Hauptindikation für die topische Therapie stellen primär distolaterale subunguale Onychomykosen bis zu einem Befallsgrad von 50% dar, bei denen die Nagelmatrix noch nicht pilzbefallen ist. Eine alleinige Lokaltherapie ist fast nur bei der SWO ausreichend. Aber auch bei kongenitaler Candida-Onychomykose wird der effektive Einsatz einer alleinigen topischen Therapie beschrieben (Sardana 2006). Systemische Therapie Die orale antimykotische Therapie ist primär bei den schwerwiegenden und matrixbefallenden OM indiziert. Die modernen oral wirksamen Antimykotika Terbinafin, Itraconazol und Fluconazol - haben die Heilungschancen der OM deutlich erhöht. Terbinafin ist das systemische Antimykotikum mit dem breitesten Wirkspektrum und der höchsten Wirksamkeit gegenüber Dermatophyten und Scopulariopsis brevilicaulis (Tietz 2006). Studien, die die Wirksamkeit von Puls- und kontinuierlicher Therapie miteinander vergleichen, kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen (Gupta 2005, Warshaw 2005). Bei einer groß angelegten klinischen Doppelblindstudie erwies sich Terbinafin (250mg/d) als signifikant wirksamer als Itraconazol (400mg/d pro Woche im Monat) bei der Behandlung von Onychomykosen (Evans 1999). Die kontinuierliche Therapie mit tgl. 250mg Terbinafin (z.B. Myconormin 250mg Tbl, Onymax® Tbl.) über mindestens 3 Monate wird derzeit als die wirk-

15 samste und kosteneffizienteste Onychomykose-Therapie angesehen (Sigurgeirsson 2006, Warshaw 2006). Itraconazol hat eine Wirklücke gegenüber Trichophyton interdigitale (mentagrophytes). Neben der kontinuierlichen Gabe von Itraconazol 200mg/d über 3 Monate für die Onychomykosetherapie ist auch eine Pulstherapie über 3 Monate (2x200mg/d für jeweils die erste Woche im Monat, danach 3 Wochen Behandlungspause) zugelassen. Es wurden kürzlich zwei neue effektive Pulstherapien mit Itraconazol (Avner 2006) vorgestellt: 1. Standard-Pulstherapie (2x200mg/d für 1 Woche pro Monat) für 3 Monate und anschließend 2x200mg Itraconazol/d für 1 Woche. 2. Modifizierte-Pulstherapie (2x200mg/d für 1 Woche pro 6 Wochen) und anschließend 2x200mg Itraconazol/d für 1 Woche. Die modifizierte Puls-Therapie schnitt besser als die sonst üblichen Puls-Schemata ab. Fluconazol (z.B. Diflucan® Derm Kps., Flunazul® Derm Kps.) hat ebenfalls eine Wirklücke gegenüber Trichophyton interdigitale (mentagrophytes), zudem ist es nicht oder kaum wirksam gegenüber Schimmelpilzen. Es wird an der unteren Grenze der therapeutischen Breite dosiert, 150mg bzw. 300mg Fluconazol pro Woche bis zur Heilung, und wies in den bisherigen klinischen Studien die geringsten Nebenwirkungen auf (Scher 1998). Kombinationstherapie Als die zu empfehlende Onychomykosetherapie gilt zurzeit die Kombinationsbehandlung mit oralem Terbinafin und einem topischen Nagelantimykotikum (z.B. Amorolfin (Loceryl® Nagellack), Ciclopirox (Nagel Batrafen®) (Baran 2005, Gupta 2005). Die Erfolgsrate der oralen Behandlung mit Terbinafin kann durch die zusätzliche topische Nagelbehandlung signifikant gesteigert werden. Als effektive adjuvante Maßnahme ist die atraumatische Nagelentfernung (chemisch mittels Kalium iodatum oder Harnstoff, mechanisch mittels einer Fräse) bei Patienten mit subungualen Hyperkeratosen zu empfehlen. Ferner sollten Maßnahmen ergriffen werden, um eine Reinfektion zu verhindern (Desinfektion von Schuhen, z.B. mit antimykotischem Spray und Strümpfen, z.B. mit kommerziellen Wäschedesinfektantien und nach Möglichkeit Beseitigung der oben genannten prädisponierenden Faktoren. Nach aktuellen in vitro-Untersuchungen könnte mit der photodynamische Therapie ein neuer Therapieansatz zur Behandlung von Onychomykosen gefunden worden sein (Donelly 2005). Das neue systemische Antimykotikum Caspofungin kann bei der totalen Nageldystrophie im Rahmen einer chronischen mukokutanen Candidose wirksam eingesetzt werden (Jayasinghe 2006). Aktuelle Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Onychomykosen finden sich auf der Leitlinienseite der AWMF (www.awmf-online.de).

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Bakterielle Infektionen durch Streptokokken, Staphylokokken und Pseudomonaden Akute bakterielle Paronychien werden durch Staphylococcus aureus oder Streptococcus pyogenes ausgelöst. Der Erreger tritt meist durch eine geringfügige Verletzung in den proximalen oder lateralen Nagelwall oder in einen vorgeschädigten Nagel ein. Im letzteren Fall ist häufig sekundär Pseudomonas aeruginosa beteiligt. Besonders gefährdet ist der Nagel, wenn sich ein subunguales Panaritium bildet, bei dem sich der Eiter nicht spontan entleeren kann. Klinik Die Erkrankung ist akut und schmerzhaft und geht mit entzündlicher Rötung, Schwellung und Pustelbildung des Paronychiums einher. Grün bis grau-schwarze Verfärbungen des Nagels, die in der Regel an den seitlichen Rändern der Nagelplatte sichtbar werden, weisen auf eine Sekundärinfektion, z.B. bei Onychomykosen oder Candida-Paronychien mit Pseudomonas aeruginosa hin. Differenzialdiagnosen Abgegrenzt werden muss ein Herpes simplex-Panaritium und die Candidaparonychie. Diagnose Klinisch, bakteriologische Diagnostik. Therapie Bei leichten Fällen einer akuten Paronychie kann eine topische Therapie mit antimikrobiellen Fingerbädern und einem Lokalantibiokum (z.B. Fusidinsäure) ausreichend sein. Bei fortgeschrittener Infektion und insbesondere bei subungualem Panaritium ist der schnelle Einsatz eines gegen Staphylokokken wirksamen systemischen Antibiotikums, z.B. Flucloxacillin, erforderlich, um eine irreversible Nagelschädigung und eine Ausdehnung der Infektion auf Sehnenscheide, Gelenk und Knochen zu verhindern.

Syphilis Auch paraungual, gewöhnlich am Zeigefinger, können syphilitische Primäraffekte auftreten. Klinik Die periunguale Erosion bzw. im Weiteren die Ulzeration im Rahmen eines Primäraffekts ist aufgrund der Lage dicht über dem Knochen schmerzhaft. Ferner werden Paronychie und Granuloma pyogenicum-artige Läsionen beschrieben (Hay 2001). Begleitend finden sich nicht schmerzhafte Lymphknotenschwellungen peritrochlear und/oder axillar. Differenzialdiagnosen „Banale" Paronychie, Granuloma pyogenicum. Diagnose Dunkelfeldmikroskopie, Serologie. Therapie Benzathin- Benzylpenicillin 2,4 Mio. IE i.m, (Einzeldosis bei Frühsyphilis, sonst 3x im wöchentlichen Abstand).

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Virale Infektionen am Nagelorgan: Humane Papillomvirusinfektionen Periunguale Warzen gehören zu den häufigsten Infektionen des Nagelorgans und werden überwiegend durch die HPV-Typen l, 2 und 4 hervorgerufen. Sie können im Nachhinein auch das Nagelbett bzw. die Matrix stören, was Veränderungen der Nagelplatte zur Folge hat (Effendy 2003). Klinik Auf dem.proximalen Nagelwall finden sich runde, auf dem lateralen Nagelwall eher längliche, derbe keratotische Knoten mit rauer, zerklüfteter Oberfläche. Entwickeln sich die Warzen an der Unterseite des proximalen Nagelwalls, kann es zu partiellem Verlust der Kutikula und durch Druck auf die Nagelmatrix zur Spaltbildung innerhalb der Nagelplatte kommen. Subunguale Verrucae sind schmerzhaft und können zur Onycholyse führen (Abb. 6).

Abb. 6 Subunguale Verruca vulgaris

Differenzialdiagnosen Das klinische Bild ist kaum verwechselbar, allenfalls atypische Mykobakteriose, Tuberculosis verrucosis cutis (Haneke 2006). Diagnose Klinisch. Therapie Bisher ist keine kausale Therapie der Virusinfektion bekannt. Symptomatische Behandlung besteht in konsequenter, aber vorsichtiger mechanischer Entfernung der Verrucae und anschließender Applikation eines Virustatikums. Ferner wird über den erfolgreichen Einsatz von intrafokaler Bleomycintherapie (Werfel 2001), topischer

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Immuntherapie mit obligaten Kontaktallergenen wie Diphenylcyclopropenon oder mit dem topischen Immunmodulator Imiquimod, von Ciclopirox-haltigem Lack (Szeimis 2001) und von topischer Therapie mit dem Zytostatikum Cidofovir (Tobin 2005) berichtet. Eine erfolgreiche Therapie subungualer Verrucae erfordert oft die partielle oder komplette Entfernung der Nagelplatte.

Herpes simplex digitalis Bei Kleinkindern wird der paraunguale Herpes simplex meist durch HSV I, bei Jugendlichen und Erwachsenen eher durch HSV II ausgelöst. Rezidive treten in unregelmäßigen Abständen auf und sollen bei HSV II-Infektion häufiger vorkommen. Klinik Typisch sind paraunguale Rötung, starke Schmerzhaftigkeit und Aufschiessen gruppiert stehender Bläschen, die eintrüben und hämorrhagisch werden können. Aufgrund der dicken Homschicht der Periungualhaut werden die Bläschen gelegentlich nicht erkannt. Differenzialdiagnosen Bakterielle Paronychie. Schwer zustellen ist die Diagnose bei einem subungualen Herpes simplex. Diagnostik Klinisch, ggf. serologisch (Serokonversion bei Primärinfektion). Immunfluoreszenztests, PCR, Viruskultur, zytologischer Nachweis von ballonierenden Zellen im Tzanck-Test. Therapie Abhängig vom Beschwerdebild und Stadium der Infektion topische oder systemische virustatische Therapie mit Aciclovir, Brivudin, Famciclovir oder Valaciclovir sowie begleitend Analgesie (s.a. Kapitel 2.1 Herpesvirusinfektionen).

Skabies Ein Nagelbefall ist sowohl bei der gewöhnlichen Skabies (Isogai 2002) als auch insbesondere bei der Scabies crustosa (Hay 2001, Haneke 2006) charakteristisch und kann Ursache scheinbar unerklärlicher Rezidive sein. Klinik Neben asymptomatischem Befall des Hyponychiums können sich subungual massive Hyperkeratosen und periungual ausgeprägte verruköse Hyperkeratosen und Schuppungen an Finger- und Zehennägeln entwickeln. Differenzialdiagnosen Nagelpsoriasis, Ekzemnagel, Onychomykose. Diagnostik Mikroskopischer Nachweis von Milben und Eiern im Nativprärat. Therapie Generell sollte bei der Skabiestherapie das Akarizidum mit Handbürste auch im Bereich der Nägel zur Anwendung kommen. Bei ausgeprägtem Nagelbefall wird die topische Behandlung mit Lindan 1% unter Okklusivverband über mehrere Wochen

19 empfohlen, ggf. auch eine systemische Therapie mit Ivermectin (Nakamura 2006). Aktuelle Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Scabies sind dieser Website per Links (www.awmf.de bzw. www.derma.de) zu entnehmen. Literatur Avner S, Nir N, Baruch K et al. Two novel itraconazole pulse therapies for onychomycosis: a 2year follow-up. J Dermatol Treat 2006; 17:117-20. Baran R, Feuilhade M, Datry A, et al. A randomized trial of amorolfine 5% solution nail lacquer combined with oral terbinafine compared with terbinafine alone in the treatment od dermatophytic toenail onychomycoses affecting the matrix region. Br J Dermatol 2000, 142: 1177-83. Collins SM, Dominguez M, Ilmarinen T et al. Dermatological manifestations of autoimmune polyendocrinopathy-candidiasis-ectodermal dystrophy syndrome. Br J Dermatol 2006; 154:1088-93. Donnelly RF, McCarron PA, Lightowler JM et al. Bioadhesive patch-based delivery 5aminolevulinic acid to the nail for photodynamic therapy of onychomycosis. J Control Release 2005; 103:381-92. Effendy I. Nagelmykosen: Klinik, Diagnose und Therapie. Stuttgart, Thieme 2001. Evans EGV, Sigurgeirsson B: Double blind, randomized study of continuous terbinafine compared with intermittent itraconazole in treatment of toenail onychomycosis. Br Med J 1999; 318:1031-35. Feuilhade de Chauvin M, Lacroix C. Diagnostic differential des onychomycoses. Ann Dermatol Venereol 2003; 130:1248-53. Gupta AK. Ciclopirox topical solution, 8%, combined with oral terbinafine to treat onychomycosis: a randomized, evaluator-blinded study. J Drugs Dermatol 2005; 4:481-5. Gupta AK, Gover M, Lynde C. Pulse itrconazole vs. continuous terbinafine for the treatment of dermatophyte toenail onychomycosis in patients with diabetes mellitus. J Eur Acad Dermatol Venereol 2006; 20:1188-93. Haneke E. Nagelkrankheiten. In: Traupe H, Hamm H (Hrsg.) Pädiatrische Dermatologie. 2. Aufl. Springer Heidelberg 2006; 677-98. Hay RJ, Baran R, Haneke E. Fungal (onychomycosis) and other infections involving the nail apparatus. In: Baran R, Dawber RPR, Berker DAR(eds.) Baran and Dawber's (eds.) Diseases of the Nails and their Management. Third edition. Blackwell, Oxford 2001; 129-71. Hay RJ. Scytalidium infections. Curr Opin Infect Dis 2002; 15:99-100. Isogai R Kawada A, Aragane Y et al. Nail scabies as an initial lesion of ordinary scabies. Br J Dermatol 2002; 147; 147:603. Jayasinghe M, Schmidt S, Walker B et al. Succesful treatment of azol-resistant chronic mucocutaneous candidosis with caspofungin. Acta Derm Venereol 2006; 6:563-4. Korting HC. Onychomykose-Leitlinie. J Dtsch Dermatol Ges 2003; l:74-8. Lange M, Roszkiewicz J, Sczerkowska-Dobosz A, Jasiel-Walikowska et al. Onychomycosis is no longer a rare finding in children. Mycoses 2006; 49:55-9. Mügge C, Haustein UF, Nenoff P. Onychomykosen-eine retrospektive Studie zum Erregerspektrum. J Dtsch Dermatol Ges 2006; 4:218-28. Nakamura E, Taniguchi H, Ohtaki N. A case of crusted scabies with a bullous pemphigoid-like eruption and nail involvement. J Dermatol 2006; 33:196-201. Panasiti V, Borroni RG, Devirgillis v et al. Comparision of diagnostic methods in the diagnosis of dermatomycosis and onychomycosis. Mycoses 2006; 49:26-9. Parlak AH, Goksugur N, Karabay 0. A case of melanonychia due to Candida albicans. Clin Exp Dermatol 2006; 31:398-400. Poblete-Gutierrez P, Abuzahra F, Becker F et al. Onychomycosis in a diabetic patient due to Trichophyton gallinae. Mycoses 2006; 49:254-7. Romano C, Ghilardi A, Fimiani M. Dystrophic onychomycosis due to Microsporum gypseum. Mycoses 2006; 49:335-7.

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9.4.4 Tumoren des Nagelorgans Prinzipiell können fast alle Tumoren der Haut auch am Nagel vorkommen, wobei sie primär in der Nagelmatrix oder im Nagelbett entstehen oder sekundär aus den umgebenden Bereichen auf den Nagel übergreifen. Tumoren der Nagelregion werden oft erst spät diagnostiziert, da sie zum einen aufgrund der anatomischen Besonderheiten des Nagelapparates teils klinisch schwer zu diagnostizieren sind, zum anderen ist auch die histologische Beurteilung problematischer. Subunguale und paraunguale Tumoren manifestieren sich am häufigsten als Farbänderung, Ablösung, Deformierung oder Zerstörung der Nagelplatte. Bei jeder verdächtigen oder länger bestehenden Nagelveränderung sollte eine rasche Abklärung durch Biopsie der Läsion, je nach Lokalisation nach vorheriger Entfernung der Nagelplatte, erfolgen. Eine Ergänzung der Diagnostik durch bildgebende Verfahren (Sonographie, Röntgenaufnahme, Magnetresonanztomographie) ist in vielen Fällen hilfreich bzw. präoperativ zur genauen Lokalisation des Tumors erforderlich (Takemura 2006, Tuzuner 2006, Wortsmann 2006). Therapeutisch ist bei der Mehrzahl der Tumoren ein operatives Vorgehen erforderlich, welches von einfachen Flachexzisionen über aufwendige Lappenplastiken bis hin zu Amputationen reicht. Im Folgenden werden die häufigsten bzw. wichtigsten Tumoren des Nagelorgans beschrieben.

21 Benigne Tumoren des Nagelorgans Verrucae vulgares Sie stellen die häufigsten sub- und periungaualen Tumoren dar (s. oben Humane Papillomvirusinfektionen).

Subunguale Exostose Subunguale Exostosen sind keine echtenTumoren, sondern reaktive Veränderungen, meist bedingt durch rezidivierende Traumata (Haneke 2006). Sie kommen überwiegend bei jungen Erwachsenen vor, am häufigsten an der Medialseite der Großzehe. Klinik Unter der Nagelplatte, meist dicht am freien Rand entwickelt sich langsam ein harter Knoten, der von hyperkeratotischer Epidermis bedeckt ist und bei zunehmendem Wachstum die Nagelplatte abhebt und Schmerzen verursacht. Differenzialdiagnosen Osteochondrom, subunguale Verrucae. Diagnostik Röntgenaufnahme der betroffenen Phalanx. Therapie Resektion der Exostose.

Osteochondrom Das Osteochondrom ist der häufigste benigne Knochentumor. Am häufigsten wird es im Alter zwischen 10 und 25 Jahren diagnostiziert. Oft wird ein vorausgegangenes Trauma berichtet, aber die Ätiopathogenese ist nicht genau bekannt. Bei der seltenen, subungualen Lokalisation ist meist die Großzehe betroffen. Das Osteochondrom kann hier die Haut penetrieren und zu Nageldeformierungen führen. Es wird leicht fehldiagnostiziert (Tuzuner 2006). Eine sarkomatöse Entartung wird in 1% der Fälle beschrieben. Klinik Osteochondrome imponieren in der Regel als feste, weißgelbe Knoten mit glatter Oberfläche. Mit dem Wachstum subungualer Osteochondrome tritt eine Nageldeformierung auf. Histopathoplogisch findet sich ein trabekulärer Knochen, der mit einer hyalinen Knorpelplatte bedeckt ist, Fibroblasten wie bei subungualen Exostosen kommen nicht vor. Differenzialdiagnosen Andere knöcherne Tumoren, Knorpeltumoren, Bindegewebstumoren, Zysten, subunguale Verrucae, subunguale Fibrome, Lipome, Granuloma pyogenicum. Diagnostik Klinisch und röntgenologisch. Therapie Komplette Exzision, Abtragung der knöchernen Basis, das Nagelbett wird meist der sekundärenWundheilung überlassen.

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Periunguales Fibrom (Koenen-Tumoren) Etwa ab dem 12. Lebensjahr manifestieren sich im Rahmen der Tuberösen Sklerose (Bourneville-Pringle) multiple periunguale Fibrome. Manchmal sind die KoenenTumoren einziges klinisches Zeichen dieser Phakomatose mit autosomaldominantem Verebungsgang. Assoziiert sein können Epilepsie, faziale Adenomata sebacea, Hypopigmentierungen, Bindegewebsnaevi und Hamartome der Niere. Klinik Die zapfenartig am proximalen und lateralen Nagelfalz vorwachsenden Tumoren (Abb. 7) können zu einer Furchenbildung in der Nagelplatte führen und diese vollkommen durchsetzen. Sie können auch subungual entstehen.

Abb. 7 Periunguales Fibrom (Koenen-Tumor)

Differenzialdiagnosen Das solitäre Fibrokeratom tritt erst im späteren Erwachsenenalter auf. Diagnostik Klinisch. Therapie Therapie der Wahl ist die Exzision, die in Fortsetzung der Richtung des Fibroms bis auf den Knochen erfolgen sollte, um Rezidive zu verhindern (Haneke 2006).

23 Granuloma pyogenicum (Granuloma teleangiectaticum) Paraungual oder subungual kann sich posttraumatisch ein eruptives Hämangiom entwickeln. Klinik Meist paraungual lokalisiert, entsteht aus einem zunächst geröteten Knötchen ein nässender, halbkugeliger, leicht blutender Tumor. Insbesondere im proximalen Anteil der Nagelplatte kann der Tumor durch den Nagel herauswachsen. Differenzialdiagnosen Akrolentiginöses malignes Melanom, spinozelluläres Karzinom (SCC). Diagnostik Histopathologie. Therapie Exzision paraungualer Läsionen mit primärem Wundverschluss, die zuführenden Blutgefäße können elektrochirurgisch koaguliert werden. Bei subungualen, die Nagelplatte penetrierenden Läsionen wird die Abtragung an der Basis, anschließend die sekundäre Wundheilung mit lokal antiseptischer oder antibiotischer Therapie und Applikation eines potenten Lokalsteroids empfohlen (Haneke 2006).

Glomustumor Der Glomustumor entsteht aus modifizierten glatten Muskelzellen der neuromyoarteriellen Glomusorgane im Stratum reticulare der Dermis. Wohl aufgrund der großen Zahl arteriovenöser Anastomosen im Bereich des Nagelbetts, von denen der Tumor seinen Ausgang nimmt, kommt er in dieser Lokalisation relativ häufig vor (Zaun 2004). Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 30-50 Jahren. Klinik Der subunguale Glomustumor zeigt sich als bläulich-rötlicher, wenige Millimeter durchmessender, unscharf begrenzter Fleck in der Nagelplatte. Von diesem Fleck aus zieht häufig ein roter Streifen im Nagelbett nach distal. Mit der Zeit kann es zu einer leichten Deformation der Nagelplatte kommen. Pathognomonisch ist die durch punktuellen Druck oder Temperaturwechsel anfallsweise auftretende Schmerzhaftigkeit. Differenzialdiagnosen Andere subunguale Angiome, malignes Melanom, subunguales Hämatom. Diagnostik Bildgebende Verfahren (hochauflösende Sonographie, Farbdopplersonographie, Magnetresonanztomographie, Röntgen) (Takemura 2006). Therapie Komplette Enukleation des Tumors, häufig treten Rezidive auf.

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Lentigo simplex und melanozytäre Naevi (Longitudinale Melanonychien) Unter einer Lentigo versteht man eine benigne Melanozytenhyperplasie, bei der im Gegensatz zu den melanozytären Naevi die Melanozyten nicht in Nestern, sondern vereinzelt angeordnet sind. Bei Kindern und Jugendlichen sind Lentigines und Junktionsnaevi, seltener Compoundnaevi die häufigste Ursache für eine longitudinale Melanonychie (LM), zugrunde liegt eine Vermehrung von Melanozyten in der Matrix. Eine Lentigo wird bei 9% der Erwachsenen, bei 30% der Kinder mit einer LM nachgewiesen. Naevi können angeboren oder erworben sein, sie finden sich in 12% der Fälle von LM bei Erwachsenen, in etwa 50% der Fälle von LM bei Kindern (Andre 2006) Multiple streifenförmige Nagelpigmentierungen treten bei mukokutanen Lentiginosen wie Peutz-Jeghers-Syndrom und Laugier-Hunziker-BaranSyndrom auf. Klinik Lentigines und melanonyztäre Naevi des Nagelapparats manifestieren sich in der Regel als streifenförmige Hyperpigmentierungen (Melanonychia longitudinalis, Melanonychia striata).

Abb. 8 Naevus (Melanonychia longitudinalis)

Differenzialdiagnosen Neben der durch Melanozytenhyperplasie bedingten LM können auch Melanozytenaktivierungen durch entzündliche und traumatische Nagelerkrankungen, Arzneimittelreaktionen und systemische Erkrankungen hyperpigmentierte Längsstreifen im Nagel hervorrrufen (Tosti 2002). Ethnisch bedingte Melanonychie und LM durch Melanozytenaktivierung in der Schwangerschaft werden als physiologisch betrachtet. Diese melaninbedingten Längsstreifen beruhen auf einer gesteigerten Melanin-

25 synthese bei normaler Melanozytenzahl. Wichtigste Differenzialdiagnose bei LM ist das Nagelmelanom. Diagnostik Klinisch und anamnestisch sind longitudinale Melanonychien eher als benigne einzustufen, wenn in der Vorgeschichte eine entzündliche Erkrankung des Nagels oder die Einnahme pigmentinduzierender Medikamente (z.B. Zytostatika, Zidovudin etc.) zu eruieren ist, wenn ähnliche Läsionen an mehreren Nägeln vorkommen und wenn der Beginn der Läsionen in der Kindheit liegt. Bei Manifestation einer isolierten longitudinalen Melanonychie ist es für die Mehrzahl der Autoren in jedem Fall notwendig, die Dignität durch histologische Untersuchung zu klären. Die Dermatoskopie - inzwischen werden verschiedene Algorithmen vorgeschlagen (Ronger 2002, Tosti 2002) - ist ein sinnvolles Hilfsmittel in der Diagnostik pigmentierter Nagelveränderungen, kann aber in vielen Fällen die Biopsie nicht ersetzen, die immer noch als Goldstandard in der Diagnostik angesehen wird (Husain 2006). Durch dermatoskopische Untersuchung des freien Nagelendes lässt sich die Lage der Pigmentierung in der Nagelplatte feststellen und die Lokalisation ihres wahrscheinlichen Ursprungs in der proximalen oder distalen Matrix festlegen (Braun 2006). Je weiter distal der Pigmentherd in der Nagelmatrix liegt, desto geringer ist das Risiko einer permanenten Wachstumsstörung des Nagels. Die Biopsie der proximalen Nagelmatrix führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Nageldystrophie, während eine 3mm-Stanzbiopsie von der distalen Nagelmatrix nicht zu einer Störung des Nagelwachstums führt. Eine Verbesserung der Diagnostik wird nicht nur durch die dermatoskopische Untersuchung der Nagelplatte, sondern neuerdings auch durch die dermatoskopische Untersuchung von Nagelbett und Nagelmatrix beschrieben (Hirata 2006). Therapie Schonende Totalexzision des Pigmentherdes in der Matrix empfiehlt sich bei Befall eines einzelnen Nagels, da sich Nagelmelanome auch aus Nagelnaevi entwickeln können. Da es sich bei Kindern und Jugendlichen meist um einen junktionalen Prozess handelt, ist nach Haneke hier auch eine oberflächliche Entfernung mittels Tangentialexzision unter Belassung des matrikalen Bindegewebes möglich. Bei der Totalexzision wird in Leitungsanästhesie der proximale Nagelwall in Verlängerung der seitlichen Nagelfalzeinschnitte von der Nagelplatte abgelöst und zurückgeklappt. Die Nagelplatte wird quer eingeschnitten und ebenfalls über der Pigmentläsion aufgeklappt, so dass sie in der Matrix mit schmalem Sicherheitsabstand exzidiert werden kann. Anschließend wird der Nagel auf die Matrix zurückgelegt und der proximale Nagelwall wieder angenäht.

Maligne Tumoren des Nagelorgans Nagelmelanom Das maligne Melanom ist der diagnostisch problematischste maligne Tumor der Nagelregion. Etwa 3% aller Melanome entstehen im Nagelorgan. Die meisten Nagelmelanome sind an Daumen, Zeigefinger oder Großzehe lokalisiert. Das Durchschnittsalter bei Diagnosestellung liegt zwischen 60 und 70 Jahren. Der am häufigsten nachgewiesene Typ ist das akrolentiginöse Melanom (Abb.10). Auch am Nagel ist die Frühdiagnose des Melanoms entscheidend.

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Klinik Initial imponiert häufig eine umschriebene, fleckförmige bräunliche oder bläuliche Verfärbung in oder unter der Nagelplatte oder eine longitudinale Melanonychie. Für einen malignen Prozess sprechen breite oder breiter werdende Längsstreifen, Zunahme der Pigmentierung, Asymmetrie, unscharfe Begrenzung des Streifens und eine Verjüngung von proximal nach distal, vor allem aber das Übergreifen der Pigmentierung auf das periunguale Gewebe wie den proximalen Nagelwall (Hutchinson-Zeichen). In fortgeschrittenerem Stadium treten mehr oder weniger stark pigmentierte oder amelanotische, das Nagelbett infiltrierende Knoten auf, die im Weiteren zu Deformierung, Ablösung und Destruktion der Nagelplatte führen (Abb. 9).

Abb. 9 Malignes Melanom

Abb. 10 Akrolentiginöses malignes Melanom

27 Differenzialdiagnosen Longitudinale Melanonychie durch Melanozytenaktivierung oder Melanozytenhyperplasie bei benignen Prozessen (s. oben). In seltenen Fällen können auch nichtmelanozytäre Tumoren wie Morbus Bowen mit einer longitudinalen Melanonychie assoziiert sein (Ongenae 2002). Das Hutchinson-Zeichen wird von einigen Autoren als sicherer Beweis für das Vorliegen eines malignen Melanoms gesehen (Mainusch 2004), es kommt aber gelegentlich auch bei Naevi vor (Tosti 2002). Ferner muss das sog. Pseudo-Hutchinson-Zeichen abgegrenzt werden, welches durch Pigmentierung des Nagelfalzes, nicht der Kutikula vorgetäuscht wird und sich z.B. bei mukokutanen Lentiginosen findet. Fleckförmige oder komplette bräunlich bis schwarze Dyschromasien des Nagels können durch subunguale Hämatome, Onychomykose, bakterielle Infektionen durch Proteus spp. und Pseudomonas hervorgerufen werden. Unter anderem kann eine dunkle Nageldyschromasie auch durch Medikamente wieTetrazykline und Antimalariamittel hervorgerufen werden, wobei in der Regel mehrere oder alle Nägel betroffen sind. Exogene Dyschromasien können z.B. durch Applikation von Silbernitrat ausgelöst werden (Andre 2006). Diagnostik Auch hier kann die dermatoskopische Untersuchung ein sinnvolles Hilfsmittel sein. In erster Linie ist eine möglichst frühzeitige bioptische Abklärung suspekter Läsionen anzustreben. Zum präoperativen Tumorstaging gehören bei Nachweis eines malignen Melanoms in der Biopsie die sonographische Untersuchung des Nagelorgans, das Röntgen der betroffenen Hand bzw. des Fußes zum Ausschluss einer Knocheninfiltration und ggf. die Sentinel-Lymphknoten-Biopsie. Zu beachten ist, dass Regressionsphänomene auch für das Nagelmelanom nicht ungewöhnlich sind. Kürzlich wurde über 2 Fälle mit klinischem Verdacht auf subunguales Melanom berichtet, in beiden Fällen ergaben die Biopsien keinen Anhalt für Malignität. In dem einen Fall wurde die korrekte Diagnose erst über den Nachweis von Melanomzellen in der trotz negativer Biopsie erfolgten Sentinel-LymphknotenBiopsie gestellt, im zweiten Fall zeigte die komplette Exzision der Primärläsion ein ausgedehntes regressives malignes Melanom (Yang 2006). Therapie Bei Melanoma in situ erfogt in der Regel die Exzision des kompletten Nagelorgans. Bei invasivem Melanom wurde früher üblicherweise die Amputation zumindest der distalen Endphalanx empfohlen, es zeigt sich heute aber eine zunehmende Tendenz zu weniger radikalen Therapien bei Nagelmelanomen mit niedriger Eindringtiefe nach Breslow (Brodland 2001, Andre 2006). Bei der limitierten, organerhaltenenden Exzision wird das komplette Nagelorgan mit lcm Sicherheitsabstand und lückenloser histologischer Schnittrandkontrolle exzidiert. Nach Konditionierung der Wundfläche erfolgt ein sekundärer Defektverschluss mittels Vollhauttransplantat oder Nahlappenplastik. Die zusätzliche Versorgung mit einer Nagelepithese ist ggf. sinnvoll. Das weitere Staging richtet sich nach der maximalen Eindringtiefe (siehe Kapitel 1.2.3 Maligne Melanome).

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9.4 Nagel- und Nagelbetterkrankungen

Morbus Bowen und spinozelluläres Karzinom (SCC) Der M. Bowen des Nagelorgans ist ein spinozelluläres Carcinoma in situ, welches vornehmlich Männer im Alter zwischen 40 und 60 Jahren betrifft. Prädilektionsstellen sind l., 2. und 3. Finger der linken Hand. Ätiologische Bedeutung für die Entwicklung dieses Tumors im Nagelgewebe haben insbesondere HPV 16, Exposition gegenüber Röntgenstrahlen, Arsenintoxikation, chronische Paronychie oder Traumata. Wenn sie vorliegen, scheinen diese Risikofaktoren mit einem aggressiveren Verhalten des Tumors zu korrelieren. Generell scheint der M. Bowen des Nagels sich aggressiver zu verhalten als an der übrigen Haut und sollte deshalb wie ein SCC behandelt werden (Ongenae 2002). Obwohl das spinozelluläre Carcinoma in situ im Nagelgewebe mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als an der übrigen Haut in ein invasives Stadium übergeht, metastasiert das invasive SCC des Nagels weniger häufig als an anderen Lokalisationen. Eine Knochenbeteiligung ist nicht mit einem erhöhten Risiko der Metastasierung verbunden. Über eineLymphknotenbeteiligung wird nur bei 2% der Patienten mit subungualem SCC berichtet. Wenn jedoch eine Metastasierung stattgefunden hat, ist die Prognose ungünstig. Klinik Morbus Bowen und SCC entstehen in der Regel im lateralen Nagelfalz oder in der distalen Nagelfurche. Das klinische Bild des M. Bowen ist vielgestaltig: Erythem, Erosion, Krustenbildung, Paronychie, Nagelbettentzündung, partielle Onycholyse, Nässen, Schuppung, Ausbildung von Granulationsgewebe oder papillomatöshyperkeratotische Vegetationen, die zur Zerstörung des Nagelbetts und der Nagelplatte führen sowie Ulzeration sind mögliche Manifestationen. Der Tumor entwickelt sich langsam und ist oft nicht schmerzhaft. Selten sind mehrere Finger betroffen. Das SCC verläuft initial oft unter dem Bild einer chronischen Paronychie, wobei es zu einer zunehmenden Schmerzhaftigkeit, Exulzeration und Zerstörung der Nagelplatte kommt. Differenzialdiagnosen Der M. Bowen des Nagels kann Erkrankungen wie Verrucae vulgares und Onychomykose imitieren und wird wegen seines benignen Erscheinungsbildes oft fehldiagnostitiert. Auch beim M. Bowen kann eine longitudinale Melanonychie auftreten und ein malignes Melanom vortäuschen. Diagnostik Jede verdächtige Läsion sollte biopsiert werden. Präoperativ ggf. Röntgen der ganzen Hand, um eine Knochenbeteiligung auszuschließen. Therapie Therapie der Wahl ist die mikroskopisch kontrollierte Exzision, an 2. Stelle kommt die Behandlung mit dem C02 Laser in Frage. Beim Übergang zum Bowen-Karzinom entsprechen das Tumorstaging sowie die Behandlung denen der spinozellulären Karzinome (s. Kap. 1.2.2).

29 Basalzellkarzinom (BCC) Das BCC ist der häufigste maligne Tumor des Menschen, hingegen der seltenste primäre Tumor der Nageleinheit (Serrano-Ortega 2002). Nach unserem Wissen wurden in der Literatur bisher nur 18 Kasuistiken zu Basaliomen der Nageleinheit publiziert. Die wenigen berichteten Fälle betrafen bevorzugt Männer im Alter von über 50 Jahren. Der Daumen ist am häufigsten betroffen. Prädisponierende Faktoren sind chronische Traumata, z.B durch berufsbedingte Radiodermatitis. Klinik Klinisch imponiert das BCC meist als Ulzeration. Stärkere Destruktionen der Nagelplatte treten meist nicht auf. Differenzialdiagnosen Klinisch wird meist initial eine Paronychie diagnostiziert. Differenzialdiagnostisch kommen bei Ulzeration in erster Linie das SCC und das akrolentiginöse maligne Melanom in Betracht. Diagnostik Histopathologie. Therapie Die Exzision mit lückenloser mikrographischer Schnittrandkontrolle und sekundärer Wundheilung ist eine effektive Behandlung und liefert gute funktionelle und kosmetische Ergebnisse (Martinelli 2006).

Metastasierung maligner Tumoren ins Nagelbett Die Absiedelung von Metastasen im Nagelbett soll nur selten vorkommen. Am häufigsten wird sie bei Bronchial- und Mammakarzinomen sowie Karzinomen des Urogenitaltrakts, selten bei kolorektalen Karzinomen (Gallagher 2006) beschrieben. Klinik Subunguale Fleckbildung oder Gewebsvermehrung. Differenzialdiagnosen Subunguales Hämatom, Primärtumor der Nagelregion. Diagnostik Histopathologie. Therapie Exzision. Literatur Andre J, Lateur N. Pigmented nail disorders. Dermatol Clin 2006; 24:329-39. Baran R, Haneke E, Drape JL et al. Tumours of the nail apparatus and adjacent tissues. In: Baran R, Dawber RPR, Berker DAR (eds.). Diseases of the Nails and their Management. Third edition. Blackwell, Oxford 2001; 515-630. Braun B, Baran R, Saurat JH. Surgical pearl: Dermascopy of the free edge of the nail to determine the level of nail pigmentation and the location of its probable origin in the proximal or distal nail matrix. J Am Acad Dermatol 2006; 55:512-3. Brodland DG. The Treatment of nail apparatus melanoma with Mohs micrographic surgery. Dermatol Surg 2001; 27:269-73.

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9.4 Nagel- und Nagelbetterkrankungen

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9.4.5 Sekundäre Nagelerkrankungen Nagelveränderungen bei Dermatosen Zahlreiche Dermatosen können bei Befall des Nagelorgans auch zu Nagelveränderungen führen. In der Regel folgen die Nagelveränderungen den Hautveränderungen, seltener treten sie bereits vor diesen in Erscheinung. Ein isoliertes Auftreten von Nagelveränderungen ohne entsprechende Hautveränderungen ist ebenfalls möglich und stellt dann eine besondere Herausforderung für den Diagnostiker dar, zumal die Nagelveränderungen weniger charakteristisch für die jeweilige zugrunde liegende Dermatose sind als für die betroffene anatomische Struktur des Nagelorgans. Da die für die einzelnen Dermatosen typischen Nagelveränderungen ausführlich in den einzelnen Kapiteln besprochen werden, wird hier lediglich exemplarisch näher auf die Nagelpsoriasis eingangen und die mit anderen Dermatosen assoziierten Nagelveränderungen werden kurz tabellarisch dargestellt. Psoriatische Nagelveränderungen Die Psoriasis ist die Dermatose mit der häufigsten Nagelbeteiligung, ca. 50% der Psoriatiker, insbesondere die mit einer Arthritis, leiden unter Nagelveränderungen.

31 Bei ca. 1-5% der Psoriatiker besteht nur eine Nagelpsoriasis. Männer sind etwas häufiger von einer Nagelpsoriasis betroffen als Frauen (Grover 2005). Klinik Die Nagelmorphologie bei Psoriasis korreliert mit der anatomischen Lokalisation, der Dauer und der Ausprägung des Krankheitsprozesses. Eine Beteiligung der proximalen Matrix führt zur Ausbildung von Grübchen (bekannteste und häufigste klinische Veränderungen bei Nagelpsoriasis, aber nicht pathognomonisch, Abb. 12), Trachyonychie, Beau-Linien und Onycholyse. Psoriatische Leukonychie, Ölflecke, Onycholyse, und Splitterhämorrhagien sind auf eine Beteiligung der distalen Matrix zurückzuführen (Abb.11). Bei Beteiligung des subungualen Gewebes distal der Lunula entstehen subunguale Hyperkeratosen, die den Nagel abheben und insbesondere an den Zehen zu starken Beschwerden und Funktionseinschränkung führen können. Pustulöse Formen der Psoriasis mit akraler Beteiligung und ausgeprägter entzündlicher Aktivität können durch Ausbildung subungualer und periungualer Pusteln zur Nekrose des Gewebes mit Dystrophie der Nagelplatte, zusätzlich zu Schuppen- und Krustenbildung am Nagelfalz und schließlich zum Verlust des Nagels und zur Vernarbung des Nagelbetts führen (Haacke 2003).

Abb. 11 Psoriasis vulgaris

Abb. 12 Tüpfelnägel bei Psoriasis vulgaris

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9.4 Nagel- und Nagelbetterkrankungen

Differenzialdiagnosen Wichtigste Differenzialdiagnose der monosymptomatischen Nagelpsoriasis ist die Onychomykose, ferner müssen Ekzeme und andere Nagelveränderungen bei Dermatosen wie Alopecia areata und Lichen ruber abgegrenzt werden. Diagnostik Eine Sicherung der Diagnose durch Biopsie kann bei unklaren Nagelveränderungen ohne begleitende diagnostische Hautveränderungen erforderlich sein. Die histopathologischen Zeichen der Nagelpsoriasis ähneln denen der Psoriasis an der Haut. Am häufigsten beschrieben wird die, in erster Linie auf die distalen Anteile des Nagelbetts und das Hyponychium begrenzte, Hyperkeratose mit Parakeratose (Grover 2005). Ferner finden sich eine neutrophilenreiche Entzündung, eine psoriasiforme Hyperplasie der Epidermis und dilatierte, entzündlich alterierte Kapillaren in der papillären Dermis. Darüber hinaus imponieren für die Nageleinheit typische histopathologische Veränderungen, die auch bei anderen Nagelerkrankungen wie Onychomykose und Lichen ruber gefunden werden. Nagelmatrix und Nagelbett entwickeln ein normalerweise nicht vorhandenes Stratum granulosum (Hypergranulose). Durch verschiedene entzündliche Ursachen kehrt das Nagelepithel, das normalerweise einer onycholemmalen Differenzierung unterliegt, zu einem epidermalen Differenzierungsmuster mit Bildung eines Stratum granulosum zurück (metaplastische Epidermisierung des Nagelbetts). Zum Ausschluss einer Onychomykose sollte immer auch eine mykologische Diagnostik erfolgen, wobei zu bedenken ist, dass psoriatische Nägel zur Pilzbesiedlung prädisponieren. Therapie Die Therapie der Nagelpsoriasis ist nach wie vor schwierig und langwierig. Prinzipiell werden fast alle lokalen und systemischen Behandlungsmethoden, die bei Psoriasis der Haut wirksam sind, auch bei der Therapie der Nagelpsoriasis zum Einsatz gebracht. Generell sollten mechanische Belastungen der Nägel vermieden werden, um ein Köbner-Phänomen auszuschalten. Baran (2004) empfiehlt, vor Einleitung einer Therapie ähnlich dem PASI-Score eine Einschätzung des Nagelpsoriasisschweregrads vorzunehmen. Einer topischen Therapie sind leichtere Formen der Nagelpsoriasis mit Veränderungen der Nagelsubstanz oder distaler Ablösung der Nagelplatte zugänglich (Haacke 1003). Zum Einsatz kommen in erster Linie fluorierte topische Glukokortikosteroide, Vitamin D3-Analoga (Zakeri 2005) und Tazaroten, ferner 10%ige ölige Ciclosporinlösung. Über relativ gute Therapieergebnisse wird nach Unterspritzung befallener Nägel mit Glukokortikoid-Kristallsuspensionen berichtet. Diese Therapieform ist für die Patienten jedoch sehr schmerzhaft. Zufriedenstellende Ergebnisse lassen sich in der Regel nur mit einer Systemtherapie erreichen. Der Einsatz von Methotrexat, Fumarsäureestern, Ciclosporin und Retinoiden sowie neuerdings Biologics (Korver 2006, siehe Kapitel 17.1) kann zur vollständigen Erscheinungsfreiheit führen. Desweiteren ist ein gutes Ansprechen psoriatischer Nagelveränderungen auf PUVA-Therapie bekannt. Die Röntgenweichstrahltherapie bleibt als Alternative für Ausnahmefälle, in denen lokale und systemische Therapieoptionen erfolglos waren.

33 Nagelveränderungen bei anderen Dermatosen Tabelle 1: Assoziierte Nagelveränderungen bei ausgewählten Dermatosen Dermatose Alopecia areata

Bullöse Autoimmundermatosen Dyskeratosis follicularis Darier Pemphigus benignus familiaris Hailey-Hailey Ekzeme

Epidermolysis bullosa Erythema exsudativum, StevensJohnson-Syndrom, TEN Lichen ruber planus

Pityriasis rubra pilaris

Nagelveränderungen Feine Grübchen, Trachyonychie, Längs-, Querrillen, Leukonychia punctata, punktförmige Rötung der Lunula, Koilonychie, Onycholyse, Onychomadese (Abb.13) Chronische Paronychie, Onychomadese, Onycholyse, Beau-Linien, Trachyonychie, subunguale Hämorrhagien, subunguale Hyperkeratosen, Dyschromasien Longitudinale Einrisse, distale Brüchigkeit, proximale Verdickung, rotweiße Längsbänder (Abb.14) Leukonychia striata mit alternierenden weißen und rötlichen Banden, Nagelbrüchigkeit, Nageldystrophie Unregelmäßige Verformung der Nagelplatte, Grübchen, Dellen, Querfurchen, Rillen, Trachyonychie, Aufsplitterungen, Nagelhypertrophie, Onycholyse, Dyschromasie, Paronychien (Abb. 15), Glanznägel beim atopischen Ekzem Onycholyse, Atrophie, Destruktion des Nagels, Vernarbung des Nagelbetts (Abb. 16) Paronychie, Beau-Linien, Onychoatrophie, Onychomadese, dorsales Pterygium, permanente Nageldystrophie, sekundäre Anonychie

Trachyonychie (Abb. 17), Längs-, Querrillen, Onychoschisis, Onycholyse, Onychomadese, Onychoatrophie, Koilonychie, longitudinale Melanonychie, Rötung der Lunula, dorsales Pterygium, Vernarbung von Nagelmatrix und Nagelbett, sekundäre Anonychie Längsrillen, Dyschromasie, Splitterhämorrhagien, distale subunguale Hyperkeratose

Abb. 13 Onychomadese

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9.4 Nagel- und Nagelbetterkrankungen

Abb. 14 Nagelverändernen bei Dyskeratosis follicularis (Morbus Darier)

Abb. 15 Ekzemnägel

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Abb. 16 Epidermolysis bullosa (Vernarbende Onychodystrophie)

Abb. 17 Trachyonychie

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9.4 Nagel- und Nagelbetterkrankungen

Literatur Baran RL. A nail psoriasis severity index. Br J Dermatol 2004; 150:568-9. Baran RL. An effective surgical treatment for nail thickening in Darier's disease. J Eur Acad Dermatol Venereol 2005; 19:689-91. Blanco FP, Scher RK. Trachyonychia: Case report and review of the literature. J Drugs Dermatol 2006; 5:469-72. Grover C, Reddy BSN, Uma Chaturvedi, K. Diagnosis of nail psoriasis.: importance of biopsy and histopathology. Br J Dermatol 2005; 153:1153-8. Haacke TC, Mrowietz U. Therapie der Nagelpsoriasis.Akt Dermatol 2003; 29:517-20. Korver JE, van de Kerkhof PC, Pasch MC. Alefacept treatment of psoriatic nail disease: how severe should nail psoriasis be? J Am Acad Dermatol 2006; 54:742-3. Lieb J, Levitt J, Sapadin AN. Nail findings in pemphigus vulgaris. Int J Dermatol 2006; 45:172-4. Ochai T, Washio H, Shiraiwa H, Takei M et al. Psoriatic onycho-pachydermo-periostitis successfully treated with low-dose methotrexate. Med Sci Monit 2006; 12:27-30. Zakeri M, Valikhani M, Mortazavi H et al. Topical calcipotriol therapy in nail psoriasis: a study of 24 cases. Dermatol Online J 2005; 11:5. Zaias N, Ackerman AB. The nail in Darier-White disease. Arch Dermatol 1973; 2:193-9.

Nagelveränderungen bei Systemerkrankungen Nagelveränderungen können Hinweis für verschiedene Systemerkrankungen sein, sind aber in der Regel nicht spezifisch für eine bestimmte Grunderkrankung. In der Mehrzahl der Fälle sind sie auf Störungen der Nagelmatrix, seltener auch des Nagelbetts zurückzuführen. Fast immer sind mehrere oder alle Nägel betroffen. Die Nagelveränderungen bilden sich meist nach Therapie der Grunderkrankung zurück. Im Folgenden werden die wichtigsten und klinisch auffälligsten Nagelveränderungen beschrieben. Uhrglasnägel Uhrglasnägel kommen sowohl als angeborene als auch als erworbene isolierte oder assoziierte Nagelveränderung vor. In der Regel sind sie mit Trommelschlegelfingern assoziiert und am häufigsten Zeichen einer chronischen Lungenerkrankung (Bronchiektasen, chronischer Bronchialinfekt, Tuberkulose, Pneumonie, Emphysem, Bronchialkarzinom) und kardiovaskulärer Störungen (Rechtsherzinsuffizienz, angeborene Herzfehler, Fallot Tetralogie). Uhrglasnägel stellen ein Teilsymptom der hypertrophen pulmonalen Osteoarthropathie und der Pachydermoperiostose dar. Auch bei biliärer Zirrhose, Leber-, Schilddrüsen-, hämatologischen, gastrointestinalen Erkrankungen (Sprue, Colitis ulcerosa) und Mangelernährung wurde das Auftreten von Uhrglasnägeln beschrieben. Auftreten nur an einem einzelnen Nagel spricht für zugrundeliegende lokale Gefäßveränderungen (arteriovenöse Fisteln), unilaterales Vorkommen findet sich bei pulmonaler Hypertonie mit Shunt-Umkehr und Aneurysmen. Die genaue Pathogenese der Uhrglasnägel ist nicht vollständig geklärt und vermutlich nicht einheitlich. Vermutet wird eine Hypervaskularisierung durch Öffnung von Anastomosen sowie eine Hyperplasie des fibrovaskulären Gewebes zwischen Knochen und Matrix durch Aufregulierung von Wachstumsfaktoren bei mangelnder Sauerstoffsättigung.

37 Klinik Über den verdickten Endphalangen ist die Nagelplatte in longitudinaler und transvesaler Richtung verstärkt konvex gerundet. Der normalerweise ca. 160° betragende sog. Lovibond-Winkel zwischen proximalem Nagelfalz und Nagelplatte überschreitet 180°. Therapie Die Therapie des Grundleidens führt nicht immer zur Rückbildung der Uhrglasnägel.

Löffelnägel (Koilonychie) Sie gelten an den Großzehennägeln von Kleinkindern als physiologisch und verschwinden spontan wieder. Ferner sind hereditäre Koilonychien, isoliert oder im Rahmen von ektodermalen Dysplasien beschrieben. Als Ursache erworbener Koilonychie kommen hämatologische Erkrankungen, insbesondere Eisenmangel in Betracht, ferner Plummer-Vinson-Syndrom, Avitaminosen, Stoffwechselstörungen, Arzneimittel, Infektionen und häufig berufsbedingte chronische Traumen. Klinik Häufiger am Daumen als an anderen Fingern findet sich eine konkave Einsenkung der Nagelplatte, die zusätzlich verdünnt sein kann. Therapie Bei den erworbenen Formen erfolgt eine Therapie der Grunderkrankung bzw. Meidung der auslösenden Faktoren.

Mees-Streifen und Beau-Reil-Furchen Mees-Streifen wurden ursprünglich bei Schwermetallvergiftung (Arsen, Thallium) beschrieben. Sie sind Ausdruck einer Schädigung der Nagelmatrix und kommen sowohl bei schweren Infektionskrankheiten als auch bei Mangelernährung und durch medikamentöse Einflüsse (Zytostatika) vor. In der Nagelplatte quer verlaufende Furchen oder Kerben sprechen für eine stärkere Schädigung der Nagelmatrix mit vorübergehender Hemmung der Nagelbildung. Eine noch stärkere Schädigung der Nagelmatrix führt zum vollständigen Stillstand der Nagelbildung und möglicher Onychomadese. Häufig erlaubt die Position, Breite und Tiefe der Rillen einen Rückschluss auf Zeitpunkt, Dauer und Intensität der zugrundeliegenden Schädigung. Bei systemischen Ursachen sind in der Regel alle Nägel in ähnlicher Ausprägung mit parallel verlaufenen Streifen bzw. Furchen betroffen. Treten die beschriebenen Veränderungen isoliert an einzelnen Nägeln auf, sind sie meist auf lokale Störungen wie z.B. Paronychien zurückzuführen. Klinik Von einer Seite des Nagels zur anderen verlaufende lunulafarbene Streifen und querverlaufende Furchen und Kerben können mehrfach hintereinander auftreten und wachsen nach distal aus.

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9.4 Nagel- und Nagelbetterkrankungen

Therapie Die Behandlung erfolgt durch Therapie des Grundleidens bzw. Meidung zugrundeliegender Faktoren.

Yellow-Nail-Syndrom Die ursprünglich beim Yellow-Nail-Syndrom beschrieben Trias von gelblich verfärbten und verdickten Nägeln, primärem Lymphödem und Pleuraerguss ist häufig nicht komplett. Hereditäre, über mehrere Generationen nachvollziehbare Formen sind beschrieben (Razi 2006). Das Nagelwachstum ist stark verlangsamt. Die Nagelveränderungen können den Störungen der peripheren Lymphzirkulation um Jahre vorausgehen oder folgen. Assoziiert sind häufig chronische Atemwegserkrankungen. Gehäuft finden sich Berichte über gelblich verfärbte Nägel ohne Verdickung als Hinweis für eine Pneumocystis Infektion bei AIDS-Patienten. Bei Frühformen des Syndroms sind nach Meinung einiger Autoren die Nägel eventuell nur gelblich verfärbt und Verdickung und Wachstumsretardierung folgen nach (Zaun 2004), während andere Autoren (Mainusch 2004) davon ausgehen, dass die Nagelplatte erst durch das vermehrte Dickenwachstum gelb erscheint. Klinik Sämtliche Nägel sind gelb-grau verfärbt und verdickt, das Wachstum ist deutlich verlangsamt. Lunula und auch oft Kutikula sind nicht mehr sichtbar. Häufig kommt es zu partieller oder vollständiger Onycholyse. Therapie Spontanheilungen sind beschrieben. Ferner sollen sich unter Einnahme von Vitamin E Farbe, Struktur und Wachstumsgeschwindigkeit der Nägel normalisieren.

Milchglasnägel (Terry-Nägel) Terry-Nägeln liegen Gefäßveränderungen im Nagelbett zugrunde, die Nagelplatte ist unverändert. Beobachtet werden sie vor allem bei Patienten mit Leberzirrhose, seltener auch bei anderen Erkrankungen wie Colitis ulcerosa, Herzinsuffizienz und Diabetes mellitus. Klinik Die Nagelplatten erscheinen bis auf einen schmalen Saum am freien Rand trüb weiß, so dass die Lunula nicht mehr erkennbar ist. Therapie Die Grunderkrankung wird, soweit möglich, therapiert.

Halb-und-halb-Nägel Als Ursache dieser Nagelveränderungen, die fast immer auf eine schwere Niereninsuffizienz hinweisen, wird eine verstärkte Kapillarisierung des distalen Nagelbetts angenommen.

39 Klinik Halb-und-halb-Nägel sind gekennzeichnet durch bandförmige, distale, ca. 20-50% der Nagelplatte einnehmende Erytheme. Der proximale Anteil des Nagels ist hingegen blass mit kaum wahrnehmbarer Lunula. Therapie Die Nagelveränderungen sind in der Regel erst nach einer Nierentransplantation reversibel.

Abb. 18 Altersnägel Literatur Fujita Y, Tsuji-Abe Y, Sato-Matsumura KC et al. Nail dystrophy and blisters as sole manifestations in myeloma-associated amyloidosis. J Am Acad Dermatol 2006; 54:712-4. Mainusch OM. Häufige Veränderungen und Krankheiten des Nagelorgans. Hautarzt 2004; 55:567-79. Majeski C, Ritchie B, Giuffre M et al. Pincer nail deformity associated with systemic lupus erythematosus. J Cutan Med Surg 2005; 9:2-5. Razi E. Familial yellow nail syndrome. Dermatol Online J 2006; 12:15. Scarborough M, Gordon SB, French N et al. Grey nails predict low CD4 cell count among untreated patients with HIV infection in Malawi. AIDS 2006; 26:1415-7. Tosti A, Baran R, Dawber RPR. The nail in systemic diseases and drug induced changes. In: Baran R, Dawber RPR, Berker DAR (eds) Diseases of the Nails and their Management. Third edition Blackwell, Oxford 2001; 223-329.

9.4.6 Arzneimittelinduzierte Nagelveränderungen Zahlreiche systemisch verabreichte Medikamente können durch toxische Schädigung des Nagelepithels zu Veränderungen der Nagelstruktur und -farbe führen. Die

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9.4 Nagel- und Nagelbetterkrankungen

Nagelveränderungen variieren, je nachdem welche Struktur der Nageleinheit (Nagelmatrix, Nagelbett, periunguales Gewebe) betroffen ist. Arzneimittelbedingte Nagelveränderungen betreffen fast immer mehrere oder alle 20 Nägel, erscheinen in zeitlicher Korrelation mit der Arzneimitteleinnahme und verschwinden mit Absetzen des Medikaments, sie können aber auch persistieren. Die am häufigsten durch Arzneimittel induzierten Nagelveränderungen sind BeauLinien, Onycholyse, Onychomadese, Melanonychie und periunguale Granulomata pyogenica. Zu den Medikamenten, die am häufigsten Nagelveränderungen auslösen, zählen Retinoide, Indinavir und Chemotherapeutika (Piraccini 2006). Tabelle 2: Mögliche medikamentöse Auslöser von Nagelveränderungen Antikoagulantien

Antikonvulsiva

Antimalariamittel

Betablocker

Clofazimine Immunsuppressiva

Psoralene Psychopharmaka

Retinoide

Tetrazykline

Virustatika Zytostatika

Subunguale Hämorrhagien, Rotfärbungen, Querfurchen und -kerben, brüchige Nägel Einnahme in Schwangerschaft: Störung der embryonalen Nagelentwicklung, hypoplastische Nägel und Anonychie beim Neugeborenen (insbesondere durch Warfarin) Nagelhyperpigmentierungen, Onycholyse, Onychomadese Einnahme in Schwangerschaft: Nagelhypoplasien bei Neugeborenen (insbesondere durch Carbamazepin, Hydantoin, Valproinsäure) Blau-braune Hyperpigmentierung des Nagelbetts durch Ablagerung in der Dermis, diffuse Pigmentierungen, transverse hyperpigmentierte Bänder (oft deutlich verzögertes Abklingen oder Persistenz nach Absetzen der Medikation) Ischämisch bedingte Veränderungen, Nekrosen, Onycholysen, Querfurchen, -kerben, diffuse Pigmentierung, subunguale Hyperkeratosen, Pincer nails (Abb.23) Dunkelbraune Hyperpigmentierung durch Ablagerung des Medikaments in der Nagelplatte, Melanonychien, subunguale Hyperkeratosen Verzögertes Nagelwachstum, transverse Leukonychie (Cyclosporin A), Rotfärbung (Azathioprin), Wachstumsverlangsamung, Onychorrhexis, Leukonychie, Onycholyse, subunguale Splitterblutungen, periunguale Veränderungen, Granuloma pyogenicum (Sirolimus) Photo-Onycholyse, longitudinale Melanonychie Gelbe Verfärbung der distalen Nagelplatte, transverse braun-schwarze pigmentierte Streifen, Onychomadese, verzögertes Nagelwachstum (Lithium), subunguale Hyperkeratosen (Venlafaxine) Nagelverdünnung, brüchige Nägel, Onychorrhexis, Onycholyse, transverse Leukonychie, Beau-Linien, Onychomadese, Granulationsgewebe am proximalen und lateralen Nagelfalz, Paronychie Gelbverfärbung der Nagelplatte, Onycholyse, Photo-Onycholyse (besonders unter Doxycyclin), grau-blaue Pigmentierung des proximalen Nagelbetts (Minocyclin) Paronychien, Pseudo-Granuloma pyogenicum (Indinavir, Azidothymidine), transverse, longitudinale und diffuse Melanonychien (AZT) Beau-Linien, Onychomadese, longitudinale, transverse und totale Melanonychie (z.B durch Bleomycin, Daunorubicin, Doxorubicin, Hydroxycarbamid, Methotrexat) Brüchige Nägel, schmerzhafte Onycholyse, subunguale Abszesse, subunguale Hämorrhagien (insbesondere durch Docetaxel, Paclitaxel) Paronychie und periunguales Granulationsgewebe (Ceftiximab, Gefitinib) Transverse Leukonychie (Doxorubicin, Cyclophosphamid, Vincristin)

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Abb. 19 Leukonychie

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9.4 Nagel- und Nagelbetterkrankungen

9.4.7 Traumatisch bedingte Nagelveränderungen Eine Vielzahl von Nagelveränderungen ist traumatisch bedingt. Häufigste Ursache für solche Nagelläsionen an den Händen ist eine wiederholte Durchfeuchtung und dadurch bedingte Austrocknung des Nagels infolge von Feuchtkontakten oder Umgang mit Chemikalien, insbesondere Lösungsmitteln (z.B. Nagellackentferner) (Hamm 2005). Hierdurch kommt es zu einer Schädigung der interzellulären Kittsubstanz der Nagelplatte. Klinisch manifestieren sich traumatisch bedingte Nagelveränderungen meist als Onychoschisis (Abb. 20), Onychorrhexis, distale Onycholyse und Paronychie. Häufig betroffen sind Hausfrauen. Bei berufsbedingter, starker mechanischer Belastung der Nägel können zusätzlich laterale Onycholyse, Koilonychie und subunguale Hyperkeratosen auftreten (Dhir 2006). Nagelveränderungen durch kosmetische Prozeduren werden mit zunehmender Häufigkeit gesehen und am häufigsten durch Nagellacke, Nagellackentferner und Nagelhärter verursacht. Durch häufigen Gebrauch von Nagellacken entstehen orangerötliche Verfärbungen der proximalen zwei Drittel der Nagelplatte. Die Anwendung von Acrylatklebern führt nicht nur zu einer traumatischen Schädigung der Nagelplatte mit Onycholyse, sondern relativ häufig auch zu einem allergischen Kontaktekzems des Paronychiums (Dahdad 2006). Traumatisch bedingte Nagelveränderungen an den Füßen werden meist durch Tragen ungeeigneten Schuhwerks und Fußfehlstellung ausgelöst und stellen einen entscheidenden Kofaktor bei der Entstehung von Onychogrypose (Abb. 21), Zangennagel, Unguis incarnatus und Onychomykose dar.

Abb. 20 Onychoschisis

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Abb. 21 Onychogrypose (Krallennagel)

Subunguale Hämorrhagien Einblutungen in und unter die Nagelplatte sind die häufigste Ursache für dunkle Nagelpigmentierungen. Nicht immer ist ein Trauma eruierbar. Subunguale Hämatome sind häufig an den Großzehennägeln lokalisiert. Splitterblutungen finden sich meist an mehreren Nägeln und entstehen durch Blutaustritt in die Papillen entlang der Gefäße des Nagelbetts. Für ihre Entstehung spielen vermutlich Mikrotraumata eine Rolle, sie können unter anderem bei Sepsis, systemischem Lupus erythematosus und Glomerulonephritis beobachtet werden. Klinik Subunguale Hämorrhagien imponieren als fleckige bzw. strichförmige, je nach Alter rote, blaue oder schwarze Blutansammlungen zwischen Nagelplatte und Nagelbett und wachsen zum freien Rand hin aus. Differenzialdiagnosen Manchmal kann klinisch eine Abgrenzung zu subungualen Melanomen schwierig sein. Diagnostik Bei anamnestisch und klinisch nicht eindeutigen Befunden kann die Auflichtmikroskopie hilfreich sein. Eine schnelle und einfache Methode ist der Nachweis von Blut durch entsprechenden Farbumschlag bei Untersuchung von subungualen Nagelfragmenten mittels Urinteststreifen (Hemostix®) (Huang 2006). Allerdings schließt der Nachweis von Blut einen malignen Tumor nicht in allen Fällen aus, da auch ein subunguales Melanom mit einer Blutung assoziiert sein kann. Bleiben Zweifel an der Dignität, muss eine Biopsie erfolgen.

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9.4 Nagel- und Nagelbetterkrankungen

Therapie In der Regel wird das Auswachsen der subungualen Hämorrhagien abgewartet, bei kleineren, frischen und schmerzhaften Hämatomen kann nach Fensterung der Nagelplatte die Einblutung drainiert werden.

Unguis incarnatus Das Einwachsen des Nagels in den lateralen Nagelwall betrifft bevorzugt die Großzehennägel (Abb. 22). Lokale mechanische Irritation durch enges Schuhwerk und inadäquates Kurzschneiden der Nagelplatte ist ein entscheidender Provokationsfaktor. Ferner spielt ein anatomisches Missverhältnis zwischen zu breiter Nagelplatte und zu schmalem Nagelbett oder eine vermehrte transversale Krümmung der Nagelplatte eine Rolle. Familiäre Häufung und das Auftreten von kongenitalen Ungues incarnati mit distalem Einwachsen der Nagelplatte in das Hyponychium werden beobachtet (Kreft 2003). Ferner wird ein gehäuftes Auftreten bei jungen hochwüchsigen Männern mit Diabetes mellitus, Akrozyanose und plantarer Hyperhidrose beschrieben (Steigleder 1977). Auch Medikamente wie Retinoide (z.B. Acitretin) und antiretrovirale Präparate mit retinoidartigen Nebenwirkungen (Indinavir, Lamivudin) können das seitliche Einwachsen von Nägeln auslösen. Solche Veränderungen sind nach Absetzen der Präparate reversibel (s.a. Kapitel 10.5.1) (Garcia-Silva 2002). Klinik Kennzeichnend sind schmerzhafte Schwellung des lateralen Nagelwalls, im Weiteren eitrige Sekretion aus den Nagelfalten und Ausbildung von Granulationsgewebe.

Abb. 22 Unguis incarnatus

Diagnostik Klinisch.

45 Therapie Meidung von Provokationsfaktoren und konservative Therapie in frühen Stadien ist in vielen Fällen erfolgversprechend. Neben antiseptischer Therapie kann kurzfristig eine systemische Antibiotikatherapie erforderlich sein. An konservativen Maßnahmen kommen ferner Polsterung mit Watte oder antibiotischer Fettgaze unter den Nagelecken, Anlage eines Sulkuskeils, Schienung der lateralen Nagelkanten mit Kunststoffröhrchen, Anlage von Kunststoff- oder Metallspangen (Orthonyxie) in Frage. Die früher empfohlene Keilexzision nach Emmert wird immer mehr zugunsten einer isolierten lateralen Matrixresektion, ggf. mit Phenolisation, verlassen. Eine abwartende Haltung ist insbesondere bei neonatalen Ungues incarnati angezeigt, da es sich hier meist um eine passagere Anomalie innerhalb des ersten Lebensjahres handelt. Bei medikamentöser Auslösung kann mittels Absetzen der Präparate eine komplette Remission erzielt werden.

Zangennagel (Röhrennagel, Pincer nail) Die Ursache des Zangennagels ist unklar, diskutiert werden neben mechanischer Irritation durch enges Schuhwerk und Fußfehlstellungen wie Hallux valgus, erbliche Disposition, subunguale Exostosen, Osteoarthritis der Endphalanx, Einnahme von Betablockern und Psoriasis. Ätiologisch soll auch eine Verbreiterung der lateralen Matrixhörner durch juxtaartikuläre Osteophyten eine Rolle spielen (Baran 2001). Kongenitale Formen mit Beteiligung aller Nägel sind beschrieben. Klinik Kennzeichnend ist eine übermäßige transversale Krümmung der Nagelplatte insbesondere im distalen Anteil, die zu einem schmerzhaften Einwachsen der verdickten Nagelplatte in die lateralen Nagelfalten führt. Nach Baran werden drei Typen (Trompeten-, Dachziegel- und kantige Form) unterschieden. Betroffen sind meist die Großzehennnägel älterer Frauen.

Abb. 23 Pincer-Nails („Zangenägel“)

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9.4 Nagel- und Nagelbetterkrankungen

Diagnostik Klinisch. Therapie Selten treten Spontanheilungen auf, Betablocker-induzierte Formen bilden sich nach Absetzen des Medikaments wieder zurück. Insbesondere bei jüngeren Patientinnen konnten gute Erfolge durch das Anlegen von Kunststoffspangen erzielt werden, wobei der Heilungserfog von der Wachstumsgeschwindigkeit des Nagels abhängig war (Effendy 1993). Verschiedene chirurgische Maßnahmen zur Therapie des Zangennagels werden beschrieben, u.a. die longitudinale Durchtrennung der Nagelplatte und Einlage einer Aluminiumschiene vom freien Nagelrand her für einen Monat (Kim 2003), in therapieresistenten Fällen die Extraktion des Nagels mit Verödung des Nagelbetts.

9.4.8 Nagelartefakte Nagelartefakte bzw. –parartefakte werden sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen beobachtet und können Ausdruck eines neurotischen Fehlverhaltens oder einer endogenen Psychose sein. Klinik Die Onychophagie – eher Verhaltensstörung als psychiatrische Erkrankung – soll als autoaggressive Angewohnheit mit Stress und Ängstlichkeit assoziiert sein (Hamm 2005). Folge können Brachyonychie, periunguale Infektionen (Verrucae vulgares) und chronische Paronychien sein. Der sog. Waschbrettdaumennagel entsteht durch eine fortgesetzte Traumatisierung des proximalen Nagelfalzes am Daumen im Sinne eines „tic nerveux“ meist durch den benachbarten Zeigefinger. Kennzeichnend ist eine zentrale Furche in der Mitte, die von zahlreichen querverlaufenden Furchen durchtrennt wird. Als schwerste Form der Selbstschädigung gilt die Onychotillomanie (Abb.24) mit teilweiser oder vollständiger Zerstörung einer oder mehrerer Nagelplatten, gewöhnlich auf die Fingernägel beschränkt, die im Rahmen endogener Psychosen auftritt. Differenzialdiagnosen Traumatische Onychopathien, Nageldystrophien anderer Genese (z.B. Onychodystrophia mediana canaliformis, Abb. 25). Diagnostik Scharf begrenzte, bizarre, ungewöhnlich figurierte Veränderungen der sonst gesund erscheinenden Nagelplatte sind Hinweise auf eine selbstinduzierte Nagelverletzung. Vorsichtige Anamnese bzw. Fremdanamnese und genaue Beobachtung des Patienten können Hinweise auf eine psychische Störung geben. Therapie Im Vordergrund steht die Behandlung der zugrunde liegenden psychischen Störungen (Gieler 2004). Neben Verhaltenstherapie kommt unter Umständen der Einsatz von Antidepressiva wie Fluoxetin in Frage (Baran 2001). Ferner sollten nach Möglichkeit okklusive Verbände angelegt werden, um eine bleibende Störung des Nagelorgans zu verhindern.

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Abb. 24 Onychotillomanie

Abb. 25 Onychodystrophia mediana canaliformis

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9.4 Nagel- und Nagelbetterkrankungen

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