4. Sinfoniekonzert 13/14

June 15, 2017 | Author: Karlheinz Benjamin Zimmermann | Category: N/A
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1 4. Sinfoniekonzert2 POULENC MESSIAEN STRAWINSKY 4. SINFONIEKONZERT Francis Poulenc Litanies à la Vierge noire 1...

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4. Sinfoniekonzert

POULENC MESSIAEN STRAWINSKY 4. SINFONIEKONZERT

Francis Poulenc (1899 – 1963)



Litanies à la Vierge noire Notre-Dame de Roc-Amadour

10’

Calme – Sensiblement plus animé – Calme Damen des BADISCHEN STAATSOPERNCHORS & EXTRACHORS Olivier Messiaen Trois petites Liturgies de la Présence Divine (1908 – 1992) I. Antienne de la Conversation intérieure (Dieu présent en nous ...) II. Séquence du Verbe, Cantique Divin (Dieu présent en lui-même ...) III. Psalmodie de l’Ubiquité par amour (Dieu présent en toutes choses ...) Nathalie Forget Ondes Martenot Miho Uchida Klavier Sopranistinnen des BADISCHEN STAATSOPERNCHORS & EXTRACHORS

– Pause –

35’

Igor Strawinsky (1882 – 1971)

Oedipus Rex Opern-Oratorium in zwei Akten nach Sophokles

Matthias Wohlbrecht Ödipus, König von Theben Ks. Ewa Wolak Jokaste, Mutter und Frau des Ödipus Renatus Meszar Kreon, Schwager des Ödipus Luiz Molz Teiresias, Seher Steven Ebel Hirte Renatus Meszar Bote Gunnar Schmidt Sprecher Herren des BADISCHEN STAATSOPERNCHORS & EXTRACHORS Aufführungsrechte: Édition Russe de Musique / Boosey & Hawkes

Ulrich Wagner Choreinstudierung Stefan Neubert Mitarbeit Choreinstudierung Justin Brown Dirigent BADISCHE STAATSKAPELLE

2.2.14 11.00 GROSSES HAUS 3.2.14 20.00 GROSSES HAUS Dauer ca. 2 ¼ Stunden

50’

Das

uNsagbare aussprechen

Musik eröffnet Möglichkeiten, das Unsagbare auszudrücken: Indem sich Musik der Semantik der verbalen Sprache entzieht, lassen sich Räume jenseits der Sprache entdecken. Die Werke des heutigen Konzerts dringen paradoxerweise durch die gesungene Sprache in diese Räume vor: Francis Poulencs Litanies à la Vierge noire entstanden unter dem Eindruck des tödlichen Autounfalls eines Freundes; Olivier Messiaens Trois petites Liturgies versuchen, die ungebändigte Freude über die Anwesenheit Gottes auszudrücken; Igor Strawinskys Oedipus Rex wurde bewusst in lateinischer Sprache komponiert und lässt die unfassbare Verstrickung des mythischen Helden umso ungeheuerlicher erscheinen. Francis Poulenc Litanies à la Vierge noire (1936)

Widersprüche zeichnen das Schaffen des 1899 in Paris geborenen Komponisten Francis Poulenc aus: Frivole, groteske Lieder kompo2

nierte er ebenso wie Ballette für Sergej Djaghilews berühmte Ballets russes und geistliche Werke. Selbst in seinem musiktheatralen Werk werden diese Widersprüche deutlich: Vom innigen Märtyrertum handeln die Dialogues des Carmélites, uraufgeführt 1957, von der einseitigen Kommunikation am damals noch ungewohnten Telefon La voix humaine mit dem Text des Autors und Filmemachers Jean Cocteau, das nur zwei Jahre später uraufgeführt wurde. Katholisch aufgewachsen, hatte Poulenc sich als Achtzehnjähriger nach dem Tod seines Vaters vom Glauben abgewandt. 1936 änderte sich seine Einstellung mit dem plötzlichen Tod seines Freundes Pierre-Octave Ferroud: „Der schreckliche Tod dieses so lebensfreudigen Musikers hat mich tief erschüttert und mir die Vergänglichkeit der menschlichen Existenz vor Augen geführt.“ Als er kurz darauf die Chorleiterin Yvonne Gouverné und den Sänger Pierre Bernac besuchte, zog es ihn zur Pilgerstätte nach Francis Poulenc

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Roc-Amadour, wo sich eine Statue der Schwarzen Madonna befindet. Poulenc beschrieb diesen „Ort außerordentlichen Friedens“: „Vorne befindet sich ein kleiner Garten, der mit seinen Oleanderbäumchen in Kübeln ganz rosafarben ist, eine sehr einfache Kapelle, die halb in den Felsen gebaut ist, und die die wunderbare Madonnenstatue beherbergt, welche laut Überlieferung vom Heiligen Amadour, dem kleinen Zachäus aus dem Evangelium, der auf einen Baum klettern musste, um Christus zu sehen, aus schwarzem Holz geschnitzt worden war.“ Er kaufte ein Bild mit dem Text der Litanei, den er unmittelbar für Frauenchor und Orgel vertonte. Später orchestrierte er das Stück, das nun laut Partitur von Frauen- oder Kinderchor mit Orgel- oder Orchesterbegleitung aufgeführt werden kann. Auch in der Orchesterversion, die neben Streichern nur Pauken vorsieht, behält das Stück seine Innigkeit. Schlicht und klar strukturiert verläuft der dreistimmige Chorsatz. Poulenc vertonte den Text syllabisch, gab also jeder Silbe eine Note und verzichtete auf jede Art von vokaler Verzierung. Die Attribute friedlich und sehr einfach, mit denen Poulenc den Wallfahrtsort beschrieb, gelten gleichermaßen für die Musik. Diesem ersten geistlichen Werk Poulencs sollten zahlreiche folgen. Olivier Messiaen Trois petites Liturgies de la Présence Divine (1943–44)

Anders als das disparate Werk Poulencs lässt sich beinahe jede Komposition aus der Feder Olivier Messiaens als geistlich bezeichnen. Seine Musik ist erfüllt vom katholischen Glauben, der sich in seiner individuellen Kombination von liturgischem Kosmos, Ornithologie und Synästhesie äußert. 61 Jahre, bis zu 4

seinem Tod 1992, wirkte Messiaen als Organist an der Pariser Kirche de la Trinité. Orgelwerke bilden neben kammermusikalischen und sinfonischen sowie Vokalwerken eine wichtige Gattung seines Schaffens, das ohne seinen Glauben nicht denkbar wäre: „Ich bin gläubig geboren. Ich hätte vielleicht nichts komponiert, wäre mir nicht diese Gnade zuteil geworden.“ Die wenigsten Kompositionen Messiaens dienen tatsächlich einem liturgischen Zweck. Sein musikalischer Kosmos stellt die gewohnten Kategorien von sakraler Musik in Frage, seine Musik wird zu einem universellen Glaubensbekenntnis, gerade auch durch seine intensive Beschäftigung mit Vogelstimmen. Ihnen widmeten er nicht nur mehrere Werke wie den Klavierzyklus Catalogue d’oiseaux oder Oiseaux exotiques für Klavier und kleines Orchester, auch in zahlreichen anderen Werken finden sich Vogelstimmen, in extenso in seinem einzigen musiktheatralen Werk St. François d’Assise. Dramatisch ist dieses Werk ebenso wenig wie die meisten anderen, die die zeitliche Wahrnehmung des Zuhörers ins Schweben bringen. In dieser zeitlichen Dimension liegt für Messiaen der Schlüssel zu seiner Auffassung von sakraler Musik: „Die sakrale Musik gründet in der Tatsache, dass Gott keinen ‚Anfang’ hat [...] Alle Musik, die die Fähigkeit besitzt, auf eine dramatische Entwicklung zu verzichten, um gegen die Mauer des Nicht-Anfangens zu stoßen, ist von daher selbst eine sakrale.“ Durch seine Musik, die sehr unterschiedliche Inspirationsquellen kennt – neben Vogelstimmen auch mittelalterliche Gregorianik und indonesische Gamelanmusik –, überwältigt Messiaen das Publikum durch seine ungehörte universelle Klangwelt. „Meine beiden religiösen Hauptwerke, die im Konzertsaal aufgeführt werden, sind die Trois petites Liturgies Olivier Messiaen

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de la Présence Divine und La Transfiguration de Notre-Seigneur Jésus Christ (1965–69). Ihre Titel wurden nicht zufällig gewählt: Ich wollte eine liturgische Handlung vollziehen, mit anderen Worten, eine sakrale Handlung in den Konzertsaal bringen, oder eine Art von Lobpreisung. Meine vorzügliche Begabung ist es, das Wesentliche der katholischen Liturgie, gerichtet an die Gemeinde, aus ihrem steinernen Gebäude herausgeholt und in andere Gebäude übertragen zu haben, die ganz augenscheinlich nicht für eine solche Musik vorgesehen sind, die sie aber am Ende mit Begeisterung aufgenommen haben.“ Die Trois petites Liturgies de la Présence Divine komponierte Messiaen für Frauenchor und ein farbenreiches Orchester aus Celesta, Vibraphon und Klavier sowie vielfältiges Schlagzeug, Ondes Martenot und Streichorchester. Die Ondes Martenot sind ein 1928 von Maurice Martenot entwickeltes Tasteninstrument, das mit elektronischen Schwingungen einen Tonraum von sieben Oktaven umfasst. Messiaen war von diesem Instrument sehr fasziniert und setzte dessen schwebenden Klang in mehreren Stücken ein. Den Text für die Trois petites liturgies schrieb der Komponist wie häufig selbst und griff dafür auf das Johannes-Evangelium, die Offenbarung und die Paulusbriefe, das Hohe Lied, Thomas von Kempens De imitatione Christi aus dem 15. Jahrhundert und die Dichtungen Paul Éluards zurück. Dieser Dichter war nicht nur für Messiaen Inspiration, sondern neben Guillaume Apollinaire für Francis Poulenc die wichtigsten Inspirationsquelle für dessen über einhundert Lieder. Die Zahl Drei ist nicht nur im Titel zu finden, sondern spielt im gesamten Werk eine bedeutende Rolle. Der ausschließlich unisono singende Frauenchor spaltet sich nur einmal pro Liturgie in drei Stimmen auf, die jeweils 6

die drei Töne des A-Dur-Dreiklangs singen – eine Tonart, die im Notenbild mit drei KreuzVorzeichen angezeigt wird. Messiaen hebt durch diese Aufspaltung die Worte „Mon Dieu“ (Mein Gott), „Pour nous“ (Für uns) und „Votre Amour“ (Deine Liebe) hervor. Trotz seiner außergewöhnlichen Klangwelt und der harmonischen Extreme erzeugt Messiaen durch Wiederholungen und Refrains eingängige Melodien. Schon das beginnende „Mon Jésus“ mit seiner charakteristischen Intervallfolge aus fallender Septe und ansteigender Quinte kehrt im Lauf des ersten Satzes immer wieder. Noch stärker wird diese Struktur durch die klare Anlage von Refrain und Strophen im zweiten Satz, den Messiaen mit den folgenden Worten beschreibt: „Es handelt sich um eine Sequenz; in anderen Worten: einen volkstümlich-triumphalen Gesang ähnlich den freudigen Gesängen der ersten Christen. Der Chor wiederholt immer wieder denselben Refrain, mit zahlreichen Variationen in Harmonie, Rhythmus und Instrumentierung. Ein im Wesentlichen melodisches Stück in lebhaftem Tempo, der Höhepunkt des Werkes.” Der Refrain besteht aus fünf Tönen und ist eindeutig wiederzuerkennen, gleichzeitig hält Messiaen durch kleine Veränderungen wie einen eingeschobenen Ton das Interesse des Ohres wach. Zwischen der vierten und der fünften Strophe erklingt der Refrain plötzlich „extrêmement lent, très soutenu“ (extrem langsam, sehr zurückhaltend), der homophone Gesang wird nun von den Ondes Martenot und den 16-stimmigen Streichern begleitet. Den dritten Satz dominieren die rasselnden Maracas. Auffallend ist auch hier ein plötzlich sehr langsamer Moment, in dem der Komponist zunächst einen Sopran, dann sechs und schließlich bis zu 36 Soprane gegeneinander singen lässt. Der Text besingt die Universali-

tät Gottes, die auch Widersprüche aufhebt: Vous qui parlez en nous, Vous qui vous taisez en nous, Et gardez le silence dans votre Amour, Vous êtes près, vous êtes loin, Vous êtes la lumière et les ténèbres, Vous êtes si compliqué et si simple Vous êtes infiniment simple. (Deutsche Übersetzung siehe Seite 16). Die Uraufführung am 21. April 1945 in Paris löste einen heftigen Streit aus, der als „le cas Messiaen“ (der Fall Messiaen) in die Musikgeschichte einging und schon durch die einen Monat vorher uraufgeführten Vingt Regards sur l’Enfant-Jésus entfacht wurde. 1946 fasste ein Freund Messiaens die Diskussion zusammen: „Kein Werk seit Le Sacre du printemps hat eine solche Furore ausgelöst. Wäre das Duellieren noch in Mode, hätten wir jetzt zweifellos den gewaltsamen Tod mehrerer Kritiker und Musikliebhaber zu betrauern, die darauf bedacht waren, ihre Meinung beizutragen.“ Selbst Claude Ronstand, der später eines der ersten Bücher über Messiaen veröffentlichte, beschimpfte das „Werk aus Flittergold, falscher Großartigkeit und Pseudo-Mystik, dieses Werk mit dreckigen Fingernägeln und feuchten Händen, das ängstlich um sich blickt wie ein Engel mit Lippenstift“. Der Streit erweiterte sich noch, als einige Schüler Messiaens in einem Konzert gegen Strawinskys neoklassische Werke protestierten. Poulenc ergriff nun Partei für Messiaen, den er sehr bewunderte. Und Messiaen bezeichnete Strawinsky als „großes Genie“. Igor Strawinsky Oedipus Rex (1925–27)

Den angesprochenen Skandal bei Le Sacre du printemps hatten 1913 der russische Komponist Igor Strawinsky und der Choreograph

Sergej Diaghilew im Pariser Théâtre des Champs-Élysées ausgelöst. Die extreme Rhythmisierung der Musik bei gleichzeitigem Verzicht auf melodische Elemente erzeugte Unverständnis und Protest. Mit seinen Kompositionen erfand Strawinsky sich immer wieder neu und verstörte später seine Anhänger mit dem Rückgriff auf klassischen Formen, dem sogenannten Neoklassizismus. Als Gegenentwurf zu der Anfang des 20. Jahrhunderts immer riesigere Ausmaße annehmenden Oper schrieb er 1918 L’Histoire du soldat für einen Sprecher, zwei Schauspieler, eine Tänzerin und sieben Musiker – bis heute ein Meilenstein neuer musiktheatraler Formate. 1925 besprach er mit seinem Freund Jean Cocteau den Plan für ein neues Werk, das er 1927 Diaghilew zu dessen zwanzigjährigem Bühnenjubiläum widmen wollte. Sie wählten den mythischen Stoff König Ödipus, wie er in Sophokles’ Tragödie bearbeitet wurde. Angeregt durch die Lektüre einer Franz von Assisi-Biographie beschloss Strawinsky, das Werk in lateinischer Sprache zu komponieren. Cocteaus Text wurde vom Jesuitenpater Jean Daniélou übersetzt. In seinen Erinnerungen beschreibt Strawinsky den erwünschten Effekt: „Was ich erwartet hatte, sah ich bestätigt: Die Gestalten der großen Tragödie ebenso wie ihre Schicksale wurden durch die lateinische Sprache wundervoll lebendig. Dank ihr erhielten sie das monumentale Maß und die erhabene Haltung, die dem majestätischen Charakter der antiken Legende entspricht. Welche Freude bereitet es, Musik zu einer Sprache zu schreiben, die seit Jahrhunderten unverändert besteht, die fast rituell wirkt und dadurch allein schon einen tiefen Eindruck hervorruft! Man fühlt sich nicht an Redewendungen gebunden oder an das Wort in seinem buchstäblichen Sinne. Die strenge Form dieser Sprache hat schon an sich so viel Ausdruckswert, dass 7

es nicht nötig ist, ihn durch die Musik noch zu verstärken. So wird der Text für den Komponisten zu einem rein phonetischen Material. Er kann ihn nach Belieben zerstückeln und sich nur mit den einfachsten Elementen beschäftigen, aus denen er besteht: den Silben. Und haben nicht auch die alten Meister des strengen Stils den Text auf diese Weise behandelt? So hat sich auch die Kirche seit Jahrhunderten der Musik gegenüber verhalten und sie dadurch davor bewahrt, sentimental zu werden und dem Individualismus zu verfallen.“ Indem er sich der lateinischen Sprache bedient, führt Strawinsky das Theater auf seine Wurzeln im religiösen Kult zurück und löst die Stimmen von ihrer Rolle, die er durch die Musik um so deutlicher charakterisieren kann. Gleichzeitig erscheint das Schicksal Ödipus’ durch die Fremdartigkeit der Sprache umso ungeheuerlicher. Zwar waren es pragmatische Gründe, die letztlich zur konzertanten Uraufführung am 30. Mai 1927 im Pariser Théâtre Sarah Bernhardt führten, doch diese strenge Form entspricht der gesamten Disposition des Werks, die weit über den selbstauferlegten Zwang der lateinischen Sprache hinausgeht. Strawinsky genoss diese Ordnung, „ohne die nichts entsteht, während alles zerfällt, wenn sie aufgehoben wird. Jede Ordnung jedoch verlangt nach einem Zwang, aber man täte unrecht zu glauben, dass dadurch die Freiheit beschränkt wird. Im Gegenteil, die ‚Haltung’, der Zwang, tragen dazu bei, sie zu entfalten, sie hindern die Freiheit nur daran, Willkür zu werden.“ Sein „Opern-Oratorium“, wie Strawinsky es selbst nannte, skelettiert die Handlung auf ihren Kern, nur selten überlagern sich die Stimmen wie beim Duett von Jokaste und Ödipus. Die Königin ist die einzig weibliche Rolle; auch der Chor, der sich als Volk Thebens beschrei8

ben lässt, wird wie in der griechischen Tragödie nur von Männern gesungen. Sowohl bei der Wahl der Stimmfächer als auch bei der musikalischen Ausgestaltung bedient sich Strawinsky bekannter Formen. Der Bariton Kreon gibt zu Beginn mit entschlossenem, punktiertem Rhythmus den Orakelspruch wieder, dass der Mörder des Laios in Theben zu finden sei. Ihm gegenüber führt der Tenor Ödipus mit Schöngesang vor, wie er einst die Sphinx besiegt hat, und weiß das Volk auch durch seine stimmliche Vielfalt davon zu überzeugen, dass der Seher Tiresias mit Kreon unter einer Decke stecke, um ihn vom Thron zu stürzen. Eine neue Klangsprache bringt Jokaste zu Beginn des zweiten Akts, deren Gesang von Harfe und Klarinette begleitet wird. Lebhaft und beschwörend auf einem Ton verharrend versucht sie alle – inklusive sich selbst – davon zu überzeugen, dass das Orakel irre. Dass aber sie irrt, treibt sie schließlich in den Selbstmord. Ödipus wird das Ausmaß seines Schicksals durch die Berichte des Boten und des Hirten bewusst. Ergreifend lässt Strawinsky seinen Protagonisten in langsam abfallenden Noten „Lux facta est!“ singen. Das Licht seiner Erkenntnis kann Ödipus nicht ertragen, er nimmt sich sein Augenlicht. Diese Tat bewegt nun auch den Sprecher, dessen letzte Worte sind: „Leb wohl, Ödipus, wie sehr hat man dich geliebt!“ Auch der Chor äußert Mitleid, ganz im Sinne der Aristotelischen Aufforderung zum Mitleid (eleos). Die andere Seite von eleos ist phobos, der Schrecken. Der Schrecken über die göttlichen Mächte bleibt auch am Ende der Tragödie, er lässt sich weder verstehen noch aussprechen – und öffnet damit den Raum für die Musik, unsagbar. Olaf A. Schmitt Igor Strawinsky

Litanies à la Vierge noirE LITANEIEN FÜR DIE SCHWARZE JUNGFRAU Überlieferter Text, Autor unbekannt, bearbeitet von Francis Poulenc Deutsche Übersetzung von Pascal Paul-Harang

Seigneur, ayez pitié de nous. Jésus-Christ, ayez pitié de nous. Jésus-Christ, écoutez-nous. Jésus-Christ, exaucez-nous.

Herr, erbarme dich unser. Jesus Christus, erbarme dich unser. Jesus Christus, höre uns. Jesus Christus, erhöre uns.

Dieu le père, créateur, ayez pitié de nous. Dieu le fils, rédempteur, ayez pitié de nous. Dieu le Saint-Esprit, sanctificateur, ayez pitié de nous. Trinité Sainte, qui êtes un seul Dieu, ayez pitié de nous.

Gott Vater, Schöpfer, erbarme dich unser. Gott Sohn, Erlöser, erbarme dich unser. Gott, Heiliger Geist, erbarme dich unser. Heilige Dreifaltigkeit, die ein einiger Gott ist, erbarme dich unser.

Sainte Vierge Marie, priez pour nous. Vierge, reine et patronne, priez pour nous. Vierge que Zachée le publicain nous a fait connaître et aimer, Vierge à qui Zachée ou Saint Amadour éleva ce sanctuaire Priez pour nous, priez pour nous.

Heilige Jungfrau Maria, bitte für uns. Jungfrau, Königin und Beschützerin, bitte für uns. Jungfrau, die Zachäus, der Zöllner, uns kennen und lieben lehrte, Jungfrau, der Zachäus oder der heilige Amadour dieses Heiligtum errichtete, bitte für uns.

Reine du sanctuaire, que consacra Saint Martial, Et où il célébra ses saints mystères, Reine, près de laquelle s’agenouilla Saint Louis Vous demandant le bonheur de la France, Priez pour nous, priez pour nous.

Königin des Heiligtums, das der heilige Martial weihte, Und in dem er das Mysterium der heiligen Messe feierte, Königin, vor der König Ludwig der Heilige niederkniete, Glück für Frankreich erflehend, bitte für uns, bitte für uns.

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Reine, à qui Roland consacra son épée, priez pour nous. Reine, dont la bannière gagna les batailles, priez pour nous. Reine, dont la main délivrait les captifs, priez pour nous.

Königin, der Roland sein Schwert weihte, bitte für uns. Königin, deren Banner Schlachten gewann, bitte für uns. Königin, deren Hand die Gefangenen befreite, bitte für uns.

Notre-Dame, dont le pèlerinage est enrichi de faveurs spéciales, Notre-Dame, que l’impiété et la haine ont voulu souvient détruire, Notre-Dame, que les peuples visitent comme autrefois, priez pour nous.

Unsere liebe Frau, deren Wallfahrt wunderliche Gnaden erweist, Unsere liebe Frau, die Gottlosigkeit und Bosheit oft vernichten wollten, Unsere liebe Frau, die die Menschen wie in alten Zeiten aufsuchen, bitte für uns.

Agneau de Dieu, qui effacez les péchés du monde, pardonnez-nous. Agneau de Dieu, qui effacez les péchés du monde, exaucez-nous. Agneau de Dieu, qui effacez les péchés du monde, ayez pitié de nous.

Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, vergib uns. Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erhöre uns. Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erbarme dich unser.

Notre-Dame, priez pour nous, Afin que nous soyons dignes de Jésus-Christ.

Unsere liebe Frau, bitte für uns, so dass wir Jesu Christi würdig seien.

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Trois petites Liturgies de la Présence Divine DREI KLEINE LITURGIEN ÜBER DIE GEGENWART GOTTES Text von Olivier Messiaen Deutsche Übersetzung von Pascal Paul-Harang

1. Antienne de la conversation intérieure (Dieu présent en nous ...)

1. Antiphon der inneren Zwiesprache (Gegenwart Gottes in uns ...)

Mon Jésus, mon silence, Restez en moi. Mon Jésus, mon royaume de silence, Parlez en moi. Mon Jésus, nuit d’arc-en-ciel et de silence, Priez en moi.

Mein Jesus, mein Schweigen, Bleibe in mir. Mein Jesus, mein Reich des Schweigens, Sprich in mir. Mein Jesus, Nacht aus Regenbogen und Schweigen, Bete in mir!

Soleil de sang, d’oiseaux, Mon arc-en-ciel d’amour, Désert d’amour, Chantez, lancez l’auréole d’amour, Mon Amour. Mon Amour, Mon Dieu.

Blutsonne, Vogelsonne, Du mein Regenbogen der Liebe, Wüste der Liebe, Singe, schicke den Glorienschein der Liebe empor, Meine Liebe. Meine Liebe, Mein Gott.

Ce oui qui chante comme un écho de lumière, Mélodie rouge et mauve en louange du Père, D’un baiser votre main dépasse le tableau, Paysage divin, renverse-toi dans l’eau.

Dieses Ja, das wie ein Echo des Lichtes singt, Rote und malvenfarbene Melodie zum Lob des Vaters, Um einen Kuss ragt Deine Hand aus dem Bild hervor, Göttliche Landschaft, spiegle Dich verkehrt im Wasser wider.

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Louange de la Gloire à mes ailes de terre, Mon Dimanche, ma Paix, mon Toujours de lumière, Que le ciel parle en moi, rire, ange nouveau, Ne me réveillez pas : c’est le temps de l’oiseau !

Lob der Herrlichkeit meinen irdischen Flügeln, Meinem Sonntag, meinem Frieden, meinem Immer aus Licht, Der Himmel spreche in mir, Lachen, neuer Engel, Weckt mich nicht: Es ist Vogelzeit!

2. Séquence du Verbe, cantique divin (Dieu présent en lui-même ...)

2. Sequenz des Wortes, göttliches Lied (Gegenwart Gottes in sich selbst ...)

Refrain : Il est parti le Bien-Aimé, C’est pour nous ! Il est monté le Bien-Aimé, C’est pour nous ! Il a prié le Bien-Aimé, C’est pour nous ! Pour nous !

Refrain: Er ist davongegangen, der Geliebte, Um unsertwillen! Er ist aufgefahren, der Geliebte, Um unsertwillen! Er hat gebetet, der Geliebte, Um unsertwillen! Für uns!

I Il a parlé, il a chanté, Le Verbe était en Dieu ! Il a parlé, il a chanté, Et le Verbe était Dieu ! Louange du Père, Substance du Père, Empreinte et rejaillissement toujours, Dans l’Amour, Verbe d’Amour !

I. Er hat gesprochen, er hat gesungen, Das Wort war in Gott! Er hat gesprochen, er hat gesungen, Und das Wort war Gott! Lob des Vaters, Wesen des Vaters, Abbild und Abglanz immerdar, In der Liebe, Wort der Liebe!

Refrain : Il est parti le Bien-Aimé, etc.

Refrain: Er ist davongegangen, der Geliebte, usw.

II Par lui le Père dit : c’est moi, Parole de mon sein ! Par lui le Père dit : c’est moi, Verbe est dans mon sein ! Le Verbe est la louange, Modèle en bleu pour anges, Trompette bleue qui prolonge le jour, Par Amour, Chant de l’Amour !

II. Durch ihn spricht der Vater: Ich bin es, Wort aus meinem Herzen! Durch ihn spricht der Vater: Ich bin es, Das Wort ist in meinem Herzen! Das Wort ist das Lob, Vorbild in Blau für Engel, Du Blaue Trompete, die den Tag verlängert, Aus Liebe, Du Gesang der Liebe!

Refrain : Il est parti le Bien-Aimé, etc.

Refrain: Er ist davongegangen, der Geliebte, usw. 13

III Il était riche et bienheureux, Il a donné son ciel ! Il était riche et bienheureux, Pour compléter son ciel ! Le Fils, c’est la Présence, L’Esprit, c’est la Présence ! Les adoptés dans la grâce toujours, L‘Amour, Enfants d’Amour !

III. Reich war er und glückselig, Seinen Himmel hat er hingegeben! Reich war er und glückselig, Um seinen Himmel zu vervollkommnen! Der Sohn, der ist die Gegenwart, Der Geist, der ist die Gegenwart! Die in Gnade ewig Angenommenen, Für die Liebe, Kinder der Liebe!

Refrain : Il est parti le Bien-Aimé, etc.

Refrain: Er ist davongegangen, der Geliebte, usw.

IV (= I) Il a parlé, il a chanté, etc.

IV. (= I.) Er hat gesprochen, er hat gesungen, usw.

Refrain : Il est parti le Bien-Aimé, etc.

Refrain: Er ist davongegangen, der Geliebte, usw.

V Il est vivant, il est présent, Et Lui se dit en Lui ! Il est vivant, il est présent, Voit en Lui ! Présent au sang de l’âme, Étoile aspirant l’âme, Présent partout, miroir ailé des jours, Amour, Le Dieu d’Amour !

V. Er ist lebendig, er ist gegenwärtig, Und Er spricht sich in Ihm aus! Er ist lebendig, er ist gegenwärtig, Und Er sieht sich in Ihm! Gegenwärtig im Blut der Seele, Stern, der die Seele einatmet, Allgegenwärtig, geflügelter Spiegel der Tage, Aus Liebe, Der Gott der Liebe!

Refrain : Il est parti le Bien-Aimé, etc.

Refrain: Er ist davongegangen, der Geliebte, usw.

3. Psalmodie de l’Ubiquité par amour (Dieu présent en toutes choses ...)

3. Psalmodie der Allgegenwart durch Liebe (Gegenwart Gottes in allen Dingen ...)

I & VII Tout entier en tous lieux, Tout entier en chaque lieu, Donnant l’être à chaque lieu, À tout ce qui occupe un lieu, Le successif vous est simultané,

I. & VII. Ganz an allen Orten, Ganz an jedem Ort, Jedem Ort das Sein verleihend, Allem, was einen Platz einnimmt, Bei Dir ist das Sukzessive gleichzeitig

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Dans ces espaces et ces temps que vous avez créés, Satellites de votre Douceur. Posez-vous comme un sceau sur mon cœur.

In diesen Räumen und Zeiten, die Du erschaffen hast, Trabanten Deiner Sanftmut. Drücke Dich wie ein Siegel auf mein Herz.

II & VIII Temps de l’homme et de la planète, Temps de la montagne et de l’insecte, Bouquet de rire pour le merle et l’alouette, Éventail de lune au fuchsia, À la balsamine, au bégonia ; De la profondeur une ride surgit, La montagne saute comme une brebis Et devient un grand océan. Présent, vous êtes présent. Imprimez votre nom dans mon sang.

II. & VIII. Zeit des Menschen und des Planeten, Zeit des Berges und des Insekts, Gelächtergarbe für die Amsel und die Lerche, Mondlichtfächer mit Fuchsie, Mit Springkraut, mit Begonie; Aus der Tiefe tut sich eine Falte auf, Der Berg hüpft wie ein Lamm, Und wird ein weiter Ozean. Gegenwärtig, Du bist gegenwärtig! Drücke Deinen Namen meinem Blute ein.

III & IX Dans le mouvement d’Arcturus, présent. Dans l’arc-en-ciel d’une aile après l’autre, (Écharpe aveugle autour de Saturne), Dans la race cachée de mes cellules, présent, Dans le sang qui répare ses rives, Dans vos Saints par la grâce, présent (Interprétations de votre Verbe, Pierres précieuses au mur de la Fraîcheur.) Posez-vous comme un sceau sur mon cœur.

III. & IX. In der Bewegung des Arcturus gegenwärtig, Im Regenbogen eines Flügel nach dem anderen (Blinde Schärpe um Saturn), Im verborgenen Stamm meiner Zellen gegenwärtig, Im Blut, das seine Ufer erneuert, In Deinen Heiligen durch die Gnade gegenwärtig, (Ausdeutungen Deines Wortes, Edelsteine an der Mauer der Frische.) Drücke Dich wie ein Siegel auf mein Herz.

IV & X Un cœur pur est votre repos, Lis en arc-en-ciel du troupeau Vous vous cachez sous votre Hostie, Frère silencieux dans la Fleur-Eucharistie, Pour que je demeure en vous comme une aile dans le soleil, Vers la résurrection du dernier jour. Il est plus fort que la mort, votre Amour. Mettez votre caresse tout autour. Posez-vous comme un sceau sur mon cœur.

IV. & X. Ein reines Herz ist Deine Ruhe, Regenbogen-Lilie der Herde, Du verbirgst Dich unter Deiner Hostie, Schweigender Bruder in der Blume Eucharistie, Sodass ich wie ein Flügel in der Sonne in dir bleibe, Bis zur Auferstehung des letzten Tages. Stärker als der Tod ist Deine Liebe. Fasse uns mit Deiner Zärtlichkeit ein.

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V & XI Violet-jaune, vision, Voile blanc, subtilité, Orangé-bleu, force et joie, Flèche azur, agilité, Donnez-moi le rouge et le vert de votre amour Feuille-flamme-or, clarté. Plus de langage, plus de mots, Plus de prophètes ni de science (C’est l’Amen de l’espérance, Silence mélodieux de l’Éternité.) Mais la robe lavée dans le sang de l’Agneau, Mais la pierre de neige avec un nom nouveau, Les éventails, la cloche et l’ordre des clartés Et l’échelle en arc-en-ciel de la Vérité, Mais la porte qui parle et le soleil qui s’ouvre, L’auréole tête de rechange qui délivre, Et l’encre d’or ineffaçable sur le livre ; Mais le face à face et l’Amour.

V. & XI. Violett-gelb, Vision, Weißer Schleier, Geistigkeit, Orange-blau, Kraft und Freude, Himmelblauer Pfeil, Behändigkeit, Gib mir das Rot und das Grün Deiner Liebe, Flammenblattgold, Helligkeit, Keine Sprache, keine Worte mehr, Weder Propheten noch Wissen mehr. (Dies ist das Amen der Hoffnung, Wohlklingendes Schweigen der Ewigkeit.) Doch das im Blut des Lammes gewaschene Kleid, Doch der weiße Stein aus Schnee mit einem neuen Namen, Die Fächer, die Glocke und die Ordnung der Klarheiten, Und die Regenbogenleiter der Wahrheit. Doch die Pforte, die spricht, und die Sonne, die sich öffnet, Der Glorienschein, einem zweiten Haupt gleich, das erlöst, Und die unauslöschliche Goldtinte im Buch; Doch das von-Angesicht-zu-Angesicht und die Liebe.

VI Vous qui parlez en nous, Vous qui vous taisez en nous, Et gardez le silence dans votre Amour, Vous êtes près, vous êtes loin, Vous êtes la lumière et les ténèbres, Vous êtes si compliqué et si simple, Vous êtes infiniment simple. L’arc-en-ciel de l’Amour, c’est vous, L’unique oiseau de l’Éternité, c’est vous ! Elles s’alignent lentement, les cloches de la profondeur.

VI. Du, der Du sprichst in uns, Du, der Du schweigst in uns, Und Schweigen bewahrst in Deiner Liebe, Du bist nah, Du bist fern, Du bist das Licht und die Finsternis, Du bist so viel- und einfältig, Du bist unendlich einfach. Der Regenbogen der Liebe bist Du, Der einzige Vogel der Ewigkeit bist Du! Sie treten langsam in einer Reihe an, die Glocken der Tiefe. Drücke Dich wie ein Siegel auf mein Herz.

XII Vous qui parlez en nous, Vous qui vous taisez en nous, Et gardez le silence dans votre Amour, Enfoncez votre image dans la durée de mes jours.

XII. Du, der Du sprichst in uns, Du, der Du schweigst in uns, Und Schweigen bewahrst in Deiner Liebe, Drücke Dein Abbild in die Dauer meiner Tage ein.

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Oedipus Rex

KÖNIG ÖDIPUS Text von Jean Cocteau nach Sophokles, Übertragung ins Lateinische von Jean Daniélou Deutsche Übersetzung von Pascal Paul-Harang, Sprechertext aus Originalpartitur

PROLOGUE

PROLOG

NARRATEUR Vous allez entendre une version latine d’Œdipe-Roi. Afin de vous épargner tout effort d’oreille et de mémoire et comme l’opéra-oratorio ne conserve des scènes qu’un certain aspect monumental, je vous rappellerai, au fur et à mesure, le drame de Sophocle. Sans le savoir, Œdipe est aux prises avec les forces qui nous surveillent de l’autre côté de la mort. Elles lui tendent, depuis sa naissance, un piège que vous allez voir se fermer là. Voici le drame : Thèbes se démoralise. Après le Sphinx, la peste. Le chœur supplie Œdipe de sauver sa ville. Œdipe a vaincu le Sphinx ; il promet.

SPRECHER Verehrtes Publikum! Man wird euch eine lateinische Version des König Ödipus vorführen. Eure Aufmerksamkeit und euer Gedächtnis sollen jedoch nicht unnötig angestrengt werden. Auch gibt die oratorische Oper gewissermaßen nur ein lebendes Monumentalbild der Geschehnisse. Deshalb will ich euch das Drama des Sophokles in die Erinnerung zurückrufen. Ohne sich dessen bewusst zu sein, kämpft Ödipus gegen die Mächte, die uns aus dem Jenseits bedrohen. Seit seiner Geburt haben sie ihn mit Schlingen umgarnt, die sich jetzt – vor euren Augen – vollends zusammenziehen werden. Hier ist das Drama: Theben ist demoralisiert. Auf die Sphinx folgte die Pest. Von Ödipus erfleht der Chor Errettung der Stadt. Ödipus, der die Sphinx besiegte, gelobt zu helfen.

ACTE I

ERSTER AKT

CHŒUR Caedit nos pestis, Theba peste moritur. E peste serva nos, serva, E peste qua Theba moritur.

CHOR Wir werden von der Pest heimgesucht, Theben stirbt an der Pest. Rette uns von der Pest, die Theben umbringt! 17

Oedipus, Oedipus, adest pestis, Caedit nos pestis. Oedipus, e peste serva nos, Serva, Oedipus, E peste libera urbem, Oedipus, E peste qua Theba moritur, Urbem serva morientem, Serva, urbem, serva...

Ödipus, die Pest ist da; befreie die Stadt von der Pest, rette die sterbende Stadt!

OEDIPE Liberi, vos liberabo, Liberabo vos, Vos, vos a peste. Ego, clarissimus Oedipus, Eg’Oedipus vos diligo. Eg’Oedipus vos servabo.

ÖDIPUS Ich will euch von der Pest befreien, Bürger. Ich, der ruhmreiche Ödipus, liebe euch, ich, Ödipus, werde euch retten.

CHŒUR Serva, nos adhuc, serva urbem, Oedipus, serva nos adhuc, Oedipus, clarissime Oedipus, Quid faciendum Oedipus, Ut liberemur?

CHOR Rette uns noch einmal, Ödipus, rette die Stadt; rette uns, erhabener Ödipus! Was tun, o Ödipus, uns zu erlösen?

OEDIPE Uxoris frater mittitur, Oraculum consulit, Deo mittitur Creo Oraculum consulit, Quid faciendum consulit. Creo ne commoretur.

ÖDIPUS Der Bruder der Gattin wurde gesandt, um das Orakel zu erkunden. Kreon wurde zur Gottheit gesandt, um das Orakel zu erkunden, um zu erfahren, was zu tun ist. Möge Kreon nicht mehr säumen!

CHŒUR Vale, Creo! Audimus. Vale, Creo! Cito, cito! Audituri te salutant

CHOR Sei gegrüßt, Kreon! Wir hören. Heil dir, Kreon! Eile, eile! Es grüßen dich alle, die deinen Worten lauschen.

NARRATEUR Voici, Créon, beau-frère d’Œdipe. Il revient de consulter l’oracle. L’oracle exige qu’on punisse le meurtre de Laius. L’assassin se cache dans Thèbes, il faut le découvrir coûte que coûte. Œdipe se vante de son adresse à deviner les énigmes. Il découvrira et chassera l’assassin.

SPRECHER Sehet dort Kreon, des Ödipus Schwager! Er war ausgesandt worden, den Orakelspruch zu erkunden. Das Orakel fordert Rache für die Ermordung des Lajos. Der Mörder hält sich in Theben verborgen. Er muss um jeden Preis gefunden werden. Ödipus rühmt sich seiner Kunst im Rätsellösen – er wird den Mörder finden und vertreiben.

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CRÉON Respondit deus: „Laium ulcisci, scelus ulcisci; Reperire peremptorem. Thebis peremptor latet. Latet peremptor regis, Reperire opus istum. Luere Thebas a labe. Caedem regis ulcisci, Regis Laii perempti. Thebis peremptor latet. Opus istum reperire, Quem depelli deus jubet. Jubet deus peremptorem depelli, Peste inficit Thebas.“ Apollo dixit deus.

KREON So sprach die Gottheit: „Ich verlange Rache für Lajos, ich räche den Mord! Man soll den Mörder finden. Der Mörder versteckt sich in Theben. In Theben ist er untergetaucht, man muss ihn ausfindig machen, Theben vom Untergang retten, den Königsmord rächen, den ermordeten König Lajos! Der Mörder versteckt sich in Theben. man muss ihn ausfindig machen, Die Gottheit will ihn verstoßen. Die Pest befällt Theben.“ So sprach der Gott Apoll.

OEDIPE Non reperias vetus scelus. Thebas, Thebas eruam. Thebis incolit scelestus.

ÖDIPUS Nein, die alte Schuld wirst du nicht aufdecken: ich werde Theben durchsuchen. In Theben versteckt sich der Mörder.

CHŒUR Deus dixit, tibi dixit.

CHOR So sprach der Gott, er sagte es dir.

OEDIPE Tibi dixit. Mici debet se dedere. Opus vos istum deferre. Thebas eruam. Thebis pellere istum, Vetus scelus non reperias.

ÖDIPUS Gesprochen hat er zu euch. Mir soll er sich ergeben, und ihr werdet ihn richten. Ich will Theben durchsuchen, ihn aus Theben verstoßen. Die alte Schuld könnt ihr nicht aufdecken.

CHŒUR Thebis scelestus incolit.

CHOR In Theben versteckt sich der Übeltäter.

OEDIPE Deus dixit, dixit, dixit... Sphynga solvi carmen, ego divinabo. Iterum divinabo, clarissimus Oedipus. Thebas iterum servabo, Ego, eg’Oedipus carmen divinabo. Polliceor divinabo.

ÖDIPUS Der Gott hat gesprochen. Ich habe die Sphinx besiegt, habe ihr Rätsel erraten, dieses werde ich auch erraten, ich, hochberühmter Ödipus, werde ich jetzt Theben retten. Ich, Ödipus, will das Rätsel erraten. 19

CHŒUR Solve, solve, solve! Solve, Oedipus, solve!

CHOR Rate! Rate! Rate! Rate, Ödipus, rate!

OEDIPE Clarissimus Oedipus, Polliceor divinabo.

ÖDIPUS Ich, der hochberühmte Ödipus, verspreche, das Rätsel zu lösen.

NARRATEUR Œdipe interroge la fontaine de vérité : Tirésias, le devin. Tirésias évite de répondre. Il n’ignore plus qu’Œdipe est joué par les dieux sans cœur. Ce silence irrite Œdipe. Il accuse Créon de vouloir le trône et Tirésias d’être son complice. Révolté par cette attitude injuste, Tirésias se décide. La fontaine parle. Voici l’oracle. L’assassin du roi est un roi.

SPRECHER Ödipus befragt den Quell der Wahrheit: Teiresias, den Seher. Teiresias verweigert die Antwort. Er hat erkannt, dass die grausamen Götter Ödipus überlistet haben. Sein Schweigen empört Ödipus. Er beschuldigt Kreon, die Herrschaft mit Hilfe des Teiresias an sich reißen zu wollen. Ergrimmt ob solcher Verleumdung, beschließt Teiresias, nicht länger zu schweigen. Der Quell spricht, und die Prophezeiung lautet: Dem König gab ein König den Tod.

CHŒUR Delie, expectamus, Minerva, filia Iovis, Diana in trono insidens, Et tu, Phaebe insignis iaculator, Succurite nobis! Ut praeceps ales ruit malum et premitur funere funus et corpuribus corpora inhumata. Expelle, expelle everte in mare atrocem istum Martem Qui nos urit inermis dementer ululans. Et tu, Bacches, cum taeda advola nobis urens infamen inter deos deum. Salve, Tiresias, Homo clare, vates! Dic nobis quod monet deus, dic cito, sacrorum docte, dic, dic!

CHOR Wir erwarten den Spruch des Sehers. Athena, Tochter des Zeus, Artemis, du Thronende, und du, pfeilabschnellender Apoll, steht uns bei! Die Hand des Unheils lastet schwer auf uns, Sterben häuft sich auf Sterben und Tod auf Tod. Vertreibt aufs Meer den Grauen einflößenden Mars, der uns wehrlos jammernde Toren umbringt. Und du, Bacchus, eile mit deiner Fackel herbei, verbrenne den schrecklichsten aller Götter. Sei gegrüßt, Teiresias, du ruhmreicher Prophet! Verkünde uns, was die Gottheit verlangt! Sprich schnell, erhabener Seher, rede!

TIRÉSIAS Dicere non possum, dicere non licet, dicere nefastum, Oedipus, non possum. Dicere ne cogas!

TEIRESIAS Ich will nichts verkünden, ich darf nichts verkünden, ich will kein Unheil verkünden; Ödipus, ich kann nicht.

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Cave ne dicam.! Clarissime Oedipus, tacere fas.

Erspare mir zu reden, hüte dich! Ruhmreicher Ödipus, lass mich schweigen!

OEDIPE Taciturnitas t’accusat: Tu peremptor, tu peremptor!

ÖDIPUS Dein Schweigen klagt dich an: Du bist der Mörder!

TIRÉSIAS Miserande, dico, quod me accusas, dico. Dicam quod dixit deus; nullum dictum celabo. Inter vos peremptor est, apud vos peremptor est, Cum vobis est! Regis est rex peremptor. Rex cecidit Laium, rex cecidit regem. Deus regem accusat; peremptor, peremptor rex! Opus Thebis pelli, Thebis pelli regem. Rex scelestus urbem foedat, Rex peremptor regis est.

TEIRESIAS Unglückseliger! Dann will ich reden! Da du mich beschuldigst, will ich reden und verkünden, was die Gottheit sprach, nichts verschweigen, alles sagen! Unter euch ist der Mörder, unter euch ist er zu finden, bei euch lebt er, der Mörder! Der Königsmörder ist ein König. Ein König hat Lajos getötet, ein König hat einen König umgebracht. Die Gottheit klagt jenen König an! Der Mörder ist ein König! Theben muss ihn, den König, vertreiben, der die Stadt entweiht, der Ruchlose! Der Mörder des Königs ist ein König.

OEDIPE Invidia fortunam odit. Creavistis me regem! Servavit vos carminibus et creavistis me regem. Solvendum carmen cui erat? Tibi, tibi, homo clare, vates; a me solutum est et creavistis me regem. Invidia fortunatam odit. Nunc vult quidam munus meum. Creo vult munus regis. Stipendiarius es, Tiresia! Hoc facinus ego solvo! Creo vult rex fieri. Quis liberavit vos carminibus? Amici, amici! eg’Oedipus clarus, ego. Invidia fortunam odit. Volunt regem perire,

ÖDIPUS Glück ist dem Neid verhasst. Ihr habt mich zum König gewählt! Ich habe euch von der Sphinx befreit, und ihr habt mich zum König ernannt. Das Rätsel, wer hat das Rätsel erraten? Du etwa, kluger Seher? Nein! Ich habe es gelöst, drum habt ihr mich zum König gewählt. Glück ist dem Neid verhasst. Nun trachtet jemand nach meinem Thron? Kreon will König werden? Du bist mir untertan, Teiresias! Und ich werde eure Pläne vereiteln! Kreon will König werden. Wer hat euch von der Sphinx gerettet? Freunde! Ich, der hochberühmte Ödipus, habe es getan! Glück ist dem Neid verhasst. 21

vestrum regem perire, clarum Oedipodem, vestrum regem.

Man will den König stürzen, euren König eliminieren, den ruhmreichen Ödipus!

CHŒUR Gloria, gloria, gloria! Laudibus, regina Iocasta in pestilentibus Thebis. Gloria, gloria, gloria! In pestilentibus Thebis, laudibus, regina nostra! Gloria, gloria, gloria! Laudibus Oedipus uxor.

CHOR Ehre, ehre, Ehre! Gepriesen sei die Königin Jokaste im pestverseuchten Theben Ehre, ehre, Ehre! Im pestverseuchten Theben preisen wir unsere Königin Jokaste Ehre, ehre, Ehre! preisen wir die Gattin des Ödipus.

ACTE II

ZWEITER AKT

NARRATEUR La dispute des princes attire Jocaste. Vous allez l’entendre les calmer, leur faire honte de vociférer dans une ville malade. Elle ne croit pas aux oracles. Elle prouve que les oracles mentent. Par exemple on avait prédit que Laius mourrait par un fils d’elle ; or Laius a été assassiné par des voleurs au carrefour des trois routes de Daulie et de Delphes. Trivium ! Carrefour ! Retenez bien ce mot. Il épouvante Œdipe. Il se souvient qu’arrivant de Corinthe, avant sa rencontre avec le sphinx, il a tué un vieillard au carrefour des trois routes. Si c’est Laius, que devenir ? Car il ne peut retourner à Corinthe, l’oracle l’ayant menacé de tuer son père et d’épouser sa mère. Il a peur.

SPRECHER Der Streit der Fürsten ruft Jokaste herbei. Ihr werdet hören, wie sie sie zu beschwichtigen trachtet, wie sie sie ermahnt, nicht so lästerliche Reden zu führen in der heimgesuchten Stadt. Sie glaubt nicht an Prophezeiungen, sie beweist, dass Prophezeiungen lügen. Hatte man nicht geweissagt, Lajos würde durch die Hand ihres Sohnes fallen? Und doch erschlugen Räuber den Lajos, an jenem Kreuzweg, wo die drei Straßen von Daulia und Delphi zusammentreffen. Trivium! Kreuzweg! Merkt euch wohl dies Wort, das Ödipus furchtsam erschauern lässt. Er erinnert sich: An eben jenem Kreuzweg, damals, als er aus Korinth kam – kurz bevor er die Sphinx erblickte –, ermordete er einen Greis. Was nun, wenn es Lajos war? Nach Korinth kann er nicht zurückkehren, weil ihn dort die Prophezeiung bedroht: er werde seinen Vater umbringen und seine Mutter zum Weibe nehmen. Ihn erfasst Angst.

JOCASTE Nonn’ erubescite, reges, clamare, ululare in aegra urbe domesticis altercationibus? Reges, nonn’ erubescite?

JOKASTE Schämt ihr euch nicht, ihr Fürsten, In der kranken Stadt so herumzuschreien, euch so laut privat zu streiten? Schämt ihr euch nicht, so laut

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Clamare, vestros domesticos clamores? Nonn’ erubescite altercationibus, reges, coram omnibus clamare? Ne probentur oracula. quae semper mentiantur. Cui rex, cui rex interficiendus est? Nato meo. Age, rex peremptus est. Laius in trivio mortuus, Ne probentur oracula, quae semper mentiantur.

in der sterbenden Stadt zu streiten? So vor dem Volk zu streiten, so laut euch zu zanken, zu schreien in der gepeinigten Stadt? Fürsten, schämt ihr euch nicht? Wie sollten sich die Orakel erfüllen, sie lügen doch immer! Wie sollten sich die Orakel erfüllen, Stets haben sie uns betrogen. Wer hätte den König umbringen sollen? Mein Sohn. Der König wurde in der Tat erschlagen. Lajos starb an einem Kreuzweg. Wie sollten sich die Orakel erfüllen, sie lügen doch immer!

CHŒUR Trivium. Trivium, trivium etc.

CHOR An einem Kreuzweg, an einem Kreuzweg!

OEDIPE Pavesco subito, Iocasta. Pavesco, maxime pavesco. Iocasta, Iocasta audi: locuta es de trivio? Ego senem cecidi. Cum Corintho excederem, cecidi in trivio, cecidi, Iocasta, senem.

ÖDIPUS Plötzlich ergreift mich ein Schreck, Jokaste, Eine große Angst erfasst mich. Jokaste, Jokaste, höre: Hast du von einem Kreuzweg gesprochen? Einen Greis habe ich erschlagen, als ich von Korinth herkam, an einem Kreuzweg habe ich ihn erschlagen; einen Greis, Jokaste, habe ich umgebracht.

JOCASTE Oracula mentiuntur, semper oracula mentiuntur. Oedipus, cave oracula quae mentiantur... Oracula mentiantur... Domum cito redeamus, Cave oracula!

JOKASTE Die Orakel lügen, sie lügen immer, die Orakel. Ödipus, hüte dich vor den Orakeln, die immer lügen. Lass uns schnell nach Hause, hüte dich vor den Orakeln!

OEDIPE Pavesco, maxime pavesco, pavesco subito, Iocasta. Pavor magnus, Iocasta, in me inest. Subito pavesco, uxor Iocasta, pavesco... ...Iocasta!

ÖDIPUS Angst, eine große Angst erfasst mich, plötzlich ergreift mich ein Schreck, Jokaste, ein tiefes Grauen bedrückt mich, Jokaste, plötzlich ergreift mich ein Schreck, Jokaste, ich habe Angst… Jokaste! 23

JOCASTE Oraculo mentiantur... Oedipus, cave oracula. Domum cito redeamus.

JOKASTE Die Orakel lügen… Ödipus, hüte dich vor den Orakeln, lass uns schnell nach Hause

OEDIPE Pavesco maxime,... Iocasta! Nam in trivio cecidi...

ÖDIPUS Angst, eine große Angst erfasst mich… Jokaste! Denn an einem Kreuzweg habe ich…

JOCASTE Domum, domun... Cito redeamus. Cave oracula Oedipus. Cave oracula quae semper mentiantur.

JOKASTE Nach Hause, nach Hause… lass uns schnell nach Hause. Hüte dich vor den Orakeln, Ödipus, sie lügen immer. Hüte dich vor den Orakeln, sie lügen immer.

OEDIPE ...senem cecidi. Pavor magnus... Volo consulere...

ÖDIPUS … habe ich einen Greis umgebracht. Ein tiefes Grauen … Ich will ins Gespräch kommen …

JOCASTE Non est consulendum...

JOKASTE Du sollst nicht sprechen …

OEDIPE ... consulendum est, Iocasta. Volo videre pastorem. Sceleris superest spectator. Iocasta, consulendum, volo consulere.

ÖDIPUS Ich muss sprechen, Jokaste, Ich will den Hirten sehen, er lebt noch, der Zeuge des Frevels. Jokaste, ich muss mit ihm ins Gespräch kommen.

NARRATEUR Le témoin du meurtre sort de l’ombre. Un messager annonce à Œdipe la mort de Polybe et lui révèle qu’il n’était que son fils adoptif. Jocaste comprend. Elle tente de tirer Œdipe en arrière. Elle se sauve. Œdipe la croit honteuse d’être une femme de parvenu. Cet Œdipe, si fier de deviner tout ! Il est dans le piège. Il est le seul à ne pas s’en apercevoir. La vérité le frappe sur la tête. Il tombe. Il tombe de haut.

SPRECHER Der einzige Zeuge der Mordtat, ein Hirte, tritt aus seiner Verborgenheit hervor. Ein Bote meldet Ödipus den Tod des Polybos und offenbart ihm, dass jener nur sein Pflegevater war. Jetzt begreift Jokaste alles. Sie versucht, Ödipus mit sich zu ziehen, sie eilt fort. Ödipus glaubt, sie schäme sich, das Weib eines Emporkömmlings zu sein. Dieser Ödipus, der so stolz darauf war, jedes Rätsel erforschen zu können: Er ist in der Falle, und nur er allein merkt es nicht! Die Wahrheit zerschmettert ihn. Er stürzt – er stürzt hinab in die Tiefe.

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CHŒUR Adest omniscius pastor, Omniscius pastor et nuntius horribilis.

CHOR Hier kommt der Hirte, der alles weiß. Der Hirte, der alles weiß und der Bote mit furchtbarer Kunde.

MESSAGER Mortuus est Polybus. Senex mortuus Polybus. Polybus non genitur... ...non genitor Oedipodis; a me ceperat Polybus, eg’attuleram regi.

DER BOTE Polybos ist tot. Tot ist der Greis Polybos. Polybos war nicht sein Vater. … der Ödipus nicht zeugte! Polybos nahm ihn von mir in Empfang, ich brachte ihn dem König.

CHŒUR Mortuus est Polybus. Mortuus senex Polybus. Verus non fuerat pater Oedipodis. Falsus pater per te!

CHOR Er war nicht der wahre Vater des Ödipus. Nur durch dich wurde er sein Vater!

MESSAGER Falsus pater per me! Reppereram in monte puerum Oedipoda derelictum, in monte parvulum Oedipoda, foratum pedes, vulneratum pedes, parvulum Oedipoda. Reppereram in monte. Attuleram pastori puerum Oedipoda.

DER BOTE In den Bergen fand ich den kleinen ausgesetzten Ödipus, den kleinen Ödipus in den Bergen, die Füße von Fesseln durchbohrt, den kleinen Ödipus dn den Bergen fand ich den kleinen Ödipus und gab ihn dem Hirten.

CHŒUR Resciturus sum monstrum, monstrum resciscam. Deo claro, Oedipus natus est. Deo et nympha montium in quibus repertus est. Resciturus sum monstrum.

CHOR Schreckliches erfahren wir, schreckliches sollen wir hören. Von einem großen Gott wurde Ödipus geboren, von einem Gott und einer Nymphe im Gebirge, wo man ihn fand. Schreckliches erfahren wir.

BERGER Oportebat tacere,
nunquam loqui. Sane repperit parvulum Oedipoda. A patre, a matre in monte derelictum, pedes laqueis foratum. Utinam ne diceres; hoc semper celandum inventum,

DER HIRT Schweigen wäre besser gewesen und nie ein Wort zu sprechen. Es stimmt, er hat den kleinen Ödipus gefunden, Von Vater und Mutter in den Bergen ausgesetzt, mit durchbohrten, gefesselten Füssen. Hättest du doch verschwiegen, 25

esse in monte derelictum parvulum. Parvum Oedipoda. Oportebat tacere nunquam loqui.

was auf immer geheim bleiben sollte: Dass der Knabe in den Bergen ausgesetzt wurde, der kleine Ödipus. Schweigen wäre besser gewesen und nie ein Wort zu sprechen.

OEDIPE Nonne monstrum rescituri, quis Oedipus? Genus Oedipodis sciam. Pudet Iocastam, fugit, pudet, pudet Oedipi exulis, Pudet Oedipodis generis. Sciam Oedipodis genus, genus meum. Nonne monstrum rescituri, Genus exulis mei. Ego exul exsulto.

ÖDIPUS Ist das nicht schrecklich, wenn du sagst, wer Ödipus sei? Lass mich erfahren, wessen Sohn Ödipus ist. Jokaste schämt sich, sie flieht, sie schämt sich Ödipus’, des Heimatlosen, sie schämt sich des Ödipus Herkunft. Lass mich meine Herkunft wissen. Nichts Schreckliches erzählst du, ich will wissen, wer mich ausgesetzt hat. Ich, der Ausgesetzte, freue mich.

BERGER, MESSAGER In monte reppertus est, a matre derelictus, in montibus repperimus. Laio Iocastaque natus!

DER HIRT UND DER BOTE Man hat ihn in den Bergen gefunden, ausgesetzt von seiner Mutter, wir haben ihn in den Bergen gefunden. Das Kind von Lajos und Jokaste!

CHŒUR Natus Laio et Iocasta!

CHOR Das Kind von Lajos und Jokaste!

BERGER, MESSAGER Peremptor Laii parentis!

DER HIRT UND DER BOTE Der Mörder von Lajos, seinem Vater!

BERGER, MESSAGER, CHŒUR Coniux Iocastae parentis!

DER HIRT, DER BOTE, CHOR Gatte des Jokaste, seiner Mutter!

BERGER, MESSAGER Utinam ne diceres, Oportebat tacere, Nunquam dicere istud:

DER HIRT UND DER BOTE Hättest du nie davon gesprochen? Schweigen wäre besser gewesen und nie davon zu sprechen.

BERGER, MESSAGER, CHŒUR A Iocasta derelictum in monte reppertus est. OEDIPE Natus sum quo nefastum est, concubui qui nefastum est,

HIRTE, BOTE und CHOR Von Jokaste wurde er ausgesetzt, er, den wir im Gebirge fanden, ÖDIPUS Ein Unheil ist meine Herkunft, ein Unheil ist mein Bett,

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cecidi quem nefastum est. Lux facta est!

ein Unheil ist der Mord, den ich beging. Alles kommt ans Licht!

NARRATEUR Et maintenant, vous allez entendre le monologue illustre „La tête divine de Jocaste est morte“, monologue où le messager raconte la fin de Jocaste. Il peut à peine ouvrir la bouche. Le chœur emprunte son rôle et l’aide à dire comment la reine s’est pendue et comment Œdipe c’est crevé les yeux avec son agrafe d’or. Ensuite c’est l’épilogue. Le roi est pris. Il veut se montrer à tous, montrer la bête immonde, l’inceste, le parricide, le fou. On le chasse avec une extrême douceur. Adieu, adieu, pauvre Œdipe ! Adieu Œdipe ; on t’aimait.

SPRECHER Jetzt werdet ihr den berühmten Monolog hören „Tot ist Jokastens göttliches Haupt“, den Monolog, worin der Bote Jokastens Ende schildert. Kaum vermag er die Lippen zu bewegen. Der Chor übernimmt seine Rolle und erzählt an seiner statt, wie sich Jokaste erhängte, wie Ödipus sich mit ihrer goldenen Spange die Augen ausstach. Nun folgt der Epilog. Der König ist vernichtet. Er will, dass ihn alle sehen, ihn, den fluchbeladenen Frevler, den Blutschänder, den Vatermörder, den Wahnwitzigen. Schweren Herzens vertreibt man ihn. Leb wohl, Ödipus, wie sehr hat man dich geliebt!

MESSAGER Divum Iocastae caput mortuum!

DER BOTE Die Königin Jokaste ist tot!

CHŒUR Mulier in vestibulo comas lacerare. Claustris occludere fores, exclamare. Et Oedipus irrumpere et pulsare, pulsare, ululare.

CHOR In ihrem Gemach rauft sich das Weib das Haar. Sie verriegelt die Türen und jammert. Und Ödipus schlägt gegen die Türen, er schlägt und schreit.

MESSAGER Divum Iocastae caput mortuum!

DER BOTE Die Königin Jokaste ist tot!

CHŒUR Et ubi evellit claustra. Suspensam mulierem omnes conspexerunt. Et Oedipus praeceps ruens illam exsolvebat, illam collacabat et aurea fibula et avulsa fibula. Oculos effodire. Ater sanguis rigare.

CHOR Als er die Tür aufbricht, sehen sie alle die Frau dort hängen: Ödipus stürzt sich auf sie, befreit sie von der Schlinge, legt sie hin. Mit einer goldenen Spange aus ihrem Gewand sticht er sich die Augen aus. Zur Erde tropfet, ein schwarzes Blut fließt.

MESSAGER Divum Iocastae caput mortuum! CHŒUR Sanguis ater rigabat, prosiliebat; et Oedipus exclamare et sese detestare,

DER BOTE Die Königin Jokaste ist tot! CHOR Ein schwarzes Blut fließt und tränkt den Boden. Und Ödipus schreit und verflucht sich selbst. 27

Omnibus se ostendere. Aspicite fores, fores aspicite pandere, aspicite spectaculum omnium atrocissimum.

Allen will er sich zeigen. Seht das Tor, das Tor öffnet sich! Seht das Bild, das schrecklichste aller Bilder!

MESSAGER Divum Iocastae caput mortuum!

DER BOTE Die Königin Jokaste ist tot!

CHŒUR Ecce! Regem Oedipoda, foedissimum monstrum monstrat. Foedissimam beluam. Ellum, regem occaecatum! Rex parricida, miser Oedipus. Miser rex Oedipus carminum coniector. Adest, adest! Ellum! Regum Oedipoda! Vale, Oedipus! Te amabam, te miseror. Miser Oedipus, oculos tuos deploro. Vale, miser Oedipus noster. Te amabam, Oedipus. Tibi valedico.

CHOR Seht! Ödipus, der König! Er zeigt sich als abstoßendes Ungeheuer, als abstoßendes Tier! Seht den geblendeten König! Du königlicher Vatermörder, unglückseliger Ödipus, unglückseliger König Ödipus, der Rätselrater! Da! Da! Seht den König Ödipus! Leb wohl, Ödipus! Wir haben dich geliebt, wir beklagen dich. Armer Ödipus, wir weinen um dein Augenlicht. Leb wohl, Ödipus, unser unglücklicher Ödipus, Wir haben dich geliebt, Ödipus. Wir nehmen Abschied von dir.

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Nathalie Forget Ondes Martenot

Miho Uchida Klavier

Nathalie Forget studierte Ondes Martenot bei Valérie Hartmann-Claverie und wurde zum Abschluss mit dem 1. Preis am Konservatorium in Paris ausgezeichnet. Als Solistin auf diesem frühen Beispiel elektronischer Musikinstrumente spielte sie mit Orchestern wie dem NDR Sinfonieorchester Hamburg, dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, dem BBC Scottish Symphony Orchestra, dem RAI National Symphony Orchestra oder dem Orchestre Philharmonique de Radio France unter Dirigenten wie Peter Rundel, Hans Zender, Sylvain Cambreling, Simone Young, Pierre Boulez und Myung-Whun Chung. Neben Auftritten in klassischen Konzerten experimentiert sie mit neuen Kunstformen und kombiniert ihre Musik mit Fotografie, Performance und Kunst-Installationen. Daneben ist sie auch Mitglied in der experimentellen Rock-Band Ulan Bator, die jüngst durch Europa und die USA tourte. In einem weiteren Studium beschäftigte sie sich musikphilosophisch mit dem Werk Olivier Messiaens.

Miho Uchida besuchte 1989 – 92 die Oberschule der Universität für Kunst und Musik Tokio, studierte dort anschließend im Hauptfach Klavier und graduierte 1999 als Magister. Bis 2002 absolvierte sie ein Studium der Musik, Schwerpunkt Klavier, bei Kalle Randalu an der HfM in Karlsruhe und bestand das abschließende Konzertexamen mit Auszeichnung. Sie ist Preisträgerin bei zahlreichen Klavierwettbewerben, u. a. beim 11. Internationalen Wettbewerb „A.M.A Calabria“ (Italien 2001), beim 22. Internationalen Wettbewerb „Ettore Pozzoli“ (Italien 2001). Seit 2002 ist sie als Solo-Korrepetitorin am STAATSTHEATER KARLSRUHE tätig und wurde im Folgejahr Mitglied des dortigen Opernstudios. Gleichzeitig bekam sie einen Lehrauftrag an der HfM Karlsruhe als Streicherkorrepetitorin. Neben ihren regelmäßigen Auftritten mit der BADISCHEN STAATSKAPELLE tritt sie als Solistin bei Konzerten und Klavierabenden unter anderem in Japan, Deutschland, Italien, Belgien und Estland auf. 29

Matthias Wohlbrecht Oedipus

Ks. Ewa Wolak Jokaste

Matthias Wohlbrecht studierte in Würzburg und nahm Unterricht in Mailand, wo er 1997 in den Opernchor der Scala aufgenommen wurde. Beim Festival der Kammeroper Schloss Rheinsberg 1998 gab er sein Debüt als Pedrillo in Die Entführung aus dem Serail. Es folgte ein Engagement nach Rostock, 1999 wechselte er nach Darmstadt und war u. a. als Hexe in Hänsel und Gretel und Franz in Les contes d’Hoffmann zu hören. Als Ensemblemitglied in Mannheim konnte man ihn ab 2001 u. a. als Walther von der Vogelweide in Tannhäuser, Steuermann in Der fliegende Holländer und Hauptmann in Wozzeck erleben. Seit 2004/05 ist er am STAATSTHEATER KARLSRUHE engagiert. 2007 debütierte Wohlbrecht als Pong am Teatro La Fenice in Venedig, 2008 sang er am Teatro Petruzzelli in Bari den Loge und 2010 die Partie des Mime im Siegfried. 2011 debütierte er als Herodes in Triest. 2013/14 singt er u. a. Eisenstein in Die Fledermaus und Schuiski in Boris Godunow.

Ewa Wolak erhielt ihre Ausbildung in Gesang und Bratsche an der Musikakademie Krakau sowie an der HfM in Karlsruhe. Sie ist Preisträgerin verschiedener Wettbewerbe, u. a. der „International Vocal Competition s´Hertogenbosch“ und des „Maria Callas Grand Prix“ in Athen. 1998 wurde sie mit dem Kulturpreis der EU ausgezeichnet. Konzerte führten sie nach Südkorea, Israel, Japan, in die USA sowie zu zahlreichen Festivals. So sang sie u. a. auf Einladung von Krzystof Penderecki bei der „European Chimey Foundation“ in Belgien, dem Warschauer Herbst, den Tiroler Wagner-Festspielen in Erl sowie dem Vilnius Festival. Außerdem nahm sie an den internationalen HändelFestspielen in Göttingen, Halle und Karlsruhe teil und gastierte am Nationaltheater Mannheim, der Opéra Montpellier und der Komischen und Deutschen Oper Berlin. Seit 1998 ist die Kammersängerin am STAATSTHEATER KARSLRUHE engagiert. 2013/14 singt sie u. a. Ulrica in Ein Maskenball.

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Renatus Meszar Kreon & Bote

Luiz Molz Tiresias

Der studierte Kirchenmusiker gab sein Operndebüt während des Studiums bei der Münchner Biennale 1990. Von 1992 bis 1995 war er Mitglied des NDR-Rundfunkchores, bevor er 1995 ans Staatstheater Braunschweig engagiert wurde. Dort sang u. a. den Sarastro in Die Zauberflöte, Don Alfonso in Così fan tutte sowie den Don Basilio im Barbiere di Siviglia. Mit der Spielzeit 2006/07 wechselte der Preisträger mehrerer internationaler Gesangswettbewerbe ans Nationaltheater Weimar, wo er u. a. im Ring als Fasolt, Wotan, Wanderer und Hagen zu hören war. Ab der Spielzeit 2010/11 war Meszar Ensemblemitglied der Oper Bonn und ist seit Beginn der Saison 2012/13 fest am STAATSTHEATER KARLSRUHE engagiert. In der Spielzeit 2013/14 ist er als General Groves in Doctor Atomic, in der Titelpartie in Der Fliegende Holländer und als Hans Sachs in Die Meistersinger von Nürnberg zu hören.

Luiz Molz wurde 1969 als Sohn einer Musikerfamilie in Brasilien geboren. Der Bass nahm bereits während des Studiums an Musikfestivals in seinem Heimatland teil und gelangte durch ein Stipendium der brasilianischen Regierung nach Deutschland. Der Preisträger mehrerer Wettbewerbe – u. a. 1. Preis beim Internationalen Wettbewerb „Junge Solisten“ – sang zunächst in Stuttgart, u. a. Der gestiefelte Kater von Cesar Cui, vom Staatstheater Stuttgart auf einer CD veröffentlicht. Ab 1999 war er am Theater Freiburg engagiert, 2001 kam er ins Karlsruher Ensemble. Konzertverpflichtungen und Gastspiele führten ihn nach Bonn, an die Deutsche Oper am Rhein, Darmstadt, Dresden, Essen, Freiburg, Kaiserslautern, Köln, Mannheim und Ulm sowie nach Kroatien, Bosnien, Estland, Luxemburg, Schweiz, Slowenien, Südkorea und Brasilien. 2013/14 ist er als Daland in Der Fliegende Holländer, Graf Horn in Ein Maskenball und als Figaro zu hören. 31

Steven Ebel Hirte

Gunnar Schmidt Sprecher

Als Teilnehmer des Jette Parker Young Artists Programme am Royal Opera House in London debütierte er 2009 als Victorin/ Gaston in Korngolds Die tote Stadt. In der Spielzeit 2010/11 sang er den Jaquino in Fidelio, Messaggiero in Aida und Heinrich der Schreiber in Tannhäuser. Zudem war er unter Lorin Maazel als Quint in The Turn of the Screw beim Castleton Festival zu hören. Es folgten Tamino in Die Zauberflöte am Cleveland Institute of Music sowie Jimmy Mahoney in Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny am Tanglewood Music Centre, eine Rolle, für die er auch in Livorno, Lucca, Pisa und Ravenna engagiert war. Seine erste Einspielung bei Naxos war die Rolle des Frantz Wolf in Louis Karchins Romulus. Seit der Spielzeit 2011/12 ist er am STAATSTHEATER KARLSRUHE engagiert. In der Spielzeit 2013/14 singt er u. a. Steuermann in Der fliegende Holländer, Robert Wilson in Doctor Atomic und Don Basilio in Die Hochzeit des Figaro.

Gunnar Schmidt wurde 1966 in Kiel geboren. Beinahe wäre er Heilpädagoge oder Tischler geworden, entschied sich dann aber für eine Schauspielausbildung in Hamburg. Zunächst spielte er im Schmidts Tivoli an der Hamburger Reeperbahn in Marlene Jaschke ist Carmen und gastierte am Deutschen Schauspielhaus. Sein erstes Festengagement führte ihn an die Landesbühne Niedersachsen Nord in Wilhelmshaven. Dann ging es unaufhaltsam in den Süden, den er nach eigener Aussage mittlerweile trotz des Mangels an Wind und Wasser für die langen Sommer lieben gelernt hat. Weitere berufliche Stationen waren das Theater „Die Tonne“ in Reutlingen, die Städtische Bühnen in Münster und das Landestheater in Tübingen. Seit 2002 ist der Vater von vier Kindern am STAATSTHEATER KARLSRUHE engagiert. 2013/14 ist er u. a. in Aus, Dantons Tod, Alice und Richtfest sowie in mehreren Kinderkonzerten auf der Bühne zu erleben.

32

Justin brown Dirigent

Justin Brown studierte in Cambridge und Tanglewood bei Seiji Ozawa und Leonard Bernstein und arbeitete später als Assistent bei Leonard Bernstein und Luciano Berio. Als Dirigent debütierte er mit der gefeierten britischen Erstaufführung von Bernsteins Mass. Für seine Programmgestaltung beim Alabama Symphony Orchestra, wo er fünf Spielzeiten als Chefdirigent wirkte, wurde er drei Mal mit dem ASCAP-Award ausgezeichnet. Auf Einladung des renommierten „Spring for Music Festival“ dirigierte er 2012 das Orchester in der Carnegie Hall. Brown leitete zahlreiche Uraufführungen und dirigierte wichtige Stücke bedeutender Zeitgenossen wie Elliott Carter und George Crumb. Er musizierte zudem mit namhaften Solisten wie Yo-Yo Ma, Leon Fleisher und Joshua Bell.

Zahlreiche Gastengagements führten ihn an renommierte Opernhäuser und zu Orchestern weltweit, in Deutschland u. a. an die Bayerische Staatsoper München und zu den Dresdner Philharmonikern. Komplettiert wird sein Erfolg durch viele CD-Einspielungen, 2006 wurde er für einen Grammy nominiert. Als Generalmusikdirektor am STAATSTHEATER KARLSRUHE, der er seit 2008 ist, wird Brown v. a. für seine Dirigate von Wagners Ring sowie den Werken Berlioz’, Verdis und Strauss’ gefeiert. Unter seiner Leitung stehen auf dem facettenreichen Konzertspielplan Werke wie Amériques von Edgar Varèse, Mahlers 9. Sinfonie oder die Gurre-Lieder von Schönberg. Gemeinsam mit seinem Team erhielt er hierfür die Auszeichnung „Bestes Konzertprogramm 2012/13“. 33

BADISCHER

STAATS-

OPERNCHOR Sopran Gilda Cepreaga Kerstin Gorny Cornelia Gutsche Nicole Hans Ilka Kern Sang-Hee Kim Masami Sato Krystyna Szkwarkowska Yuki Nakashima a. G. Maike Etzold Andrea Huber Elena Korenzwit Dagmar Landmann Ks. Julia Mazur Camelia Tarlea Tenor Doru Cepreaga Arno Deparade Ks. Johannes Eidloth Jan Heinrich Kuschel Sae-Jin Oh Rudolf E. Stache Marian Szkwarkowski Hans-Hermann Bauer Peter Herrmann Thomas Krause Jinhyuk Lee a. G. Jong-Won Lee Andreas von Rüden

34

Alt Ulrike Gruber Elke Hatz Uta Hoffmann Sabine Lotz-Warratz Emma Martjan Claudia Nissen Susanne Schellin Ursula Hamm-Keller Katarzyna Kempa Hemi Kwoun Unzu Lee-Park Christiane Lülf Cecilia Tempesta Bass Marcelo Angulo Martin Beddig Kwang-Hee Choi Wolfram Krohn Thomas Rebilas Dieter Rell Alexander Huck Jeong-Gil Kim Andrey Netzner Dmitrij Polesciukas Markku Tervo

EXTRACHOR BADISCHEN  DES

Sopran Christine Bartelmetz Armine Eberle Sarah Franke Desireé Ganter Melitta Giel Dominique Lerch Gesa Salemke Petra Wagenblatt Claudia Fuchs Yumiko Kuwahata Martina Layer Renate Traub Joanna Weissner Tenor Jochen Biesalski Gerd Brenner Vincenzo Buono Hans-Jürgen Heinrich Dietmar Hellmann Horst Jödicke Wolfgang Müller Hans Ochsenreither Frank Pesci Stefan Pikora Stefan Tiede Hiroshi Ueno Aurélien Valicon

STAATSTHEATERS Alt Lara Cieply Dorothea Hennig Susanne Mangold Anja Weber Christina Höpfner Elisabeth Klingner Elisabeth Knorre Brigitte Köhne Wilgard Schäfer Karen Schmitt Uta Schneider Eva Wasmer Bass Dr. Martin Blumhofer Tobias Flick Bruno Hartmeier James Kim Jürgen Kircher Dmitri Klenin Tom Kohler Hans-Jürgen Köhler Werner Lebrecht Raphael Müller Niels von der Osten-Sacken Sándor Puskás Folker Sesemann Andreas Sevkić Albert Süß Clemens Werner Erwin Wild Peter Woidelko 35

die

badische staatskapelle Als sechstältestes Orchester der Welt kann die BADISCHE STAATSKAPELLE auf eine überaus reiche und gleichzeitig gegenwärtige Tradition zurückblicken. 1662 als Hofkapelle des damals noch in Durlach residierenden badischen Fürstenhofes gegründet, entwickelte sich aus dieser Keimzelle ein Klangkörper mit großer nationaler und internationaler Ausstrahlung. Berühmte Hofkapellmeister wie Franz Danzi, Hermann Levi, Otto Dessoff und Felix Mottl leiteten zahlreiche Ur- und Erstaufführungen, z. B. von Hector Berlioz, Johannes Brahms und Béla Bartók, und machten Karlsruhe zu einem der Zentren des Musiklebens. Neben Brahms standen Richard Wagner und Richard Strauss gleich mehrfach am Pult der Hofkapelle; Niccolò Paganini, Clara Schumann und viele andere herausragende Solisten waren gern gehörte Gäste. Hermann Levi führte 1856 die regelmäßigen Abonnementkonzerte ein, die bis heute als Sinfoniekonzerte der BADISCHEN STAATSKAPELLE weiterleben. Allen Rückschlägen durch Kriege und Finanznöten zum Trotz konnte die Tradition des Orchesters bewahrt werden. Generalmusikdirektoren wie Joseph Keil36

berth, Christof Prick, Günther Neuhold und Kazushi Ono führten das Orchester in die Neuzeit, ohne die Säulen des Repertoires zu vernachlässigen. Regelmäßig fanden sich zeitgenössische Werke auf dem Programm; Komponisten wie Werner Egk, Wolfgang Fortner oder Michael Tippett standen sogar selbst vor dem Orchester, um ihre Werke aufzuführen. Die große Flexibilität der BADISCHEN STAATSKAPELLE zeigt sich auch heute noch in der kompletten Spannweite zwischen Repertoirepflege und der Präsentation zukunftsweisender Zeitgenossen, exemplarisch hierfür der Name Wolfgang Rihm. Der seit 2008 amtierende Generalmusikdirektor Justin Brown steht ganz besonders für die Pflege der Werke Wagners, Berlioz’, Verdis und Strauss’ sowie für einen abwechslungsreichen Konzertspielplan, der vom Deutschen Musikverleger-Verband als „Bestes Konzertprogramm 2012/13“ ausgezeichnet wurde. Auch nach dem 350-jährigen Jubiläum 2012 präsentiert sich die BADISCHE STAATSKAPELLE – auf der reichen Aufführungstradition aufbauend – als lebendiges und leistungsfähiges Ensemble.

besetzung 1. Violine Janos Ecseghy Yin Li Lutz Bartberger Rosemarie Simmendinger-Kàtai Susanne Ingwersen Thomas Schröckert Werner Mayerle Herbert Pfau-von Kügelgen Ayu Ideue Bettina Knauer Claudia Schmidt Sabina Bunea Yana Luzman Johannes Anefeld* 2. Violine Shin Hamaguchi Km. Toni Reichl Gregor Anger Km. Uwe Warné Andrea Böhler Christoph Wiebelitz Diana Drechsler Dominik Schneider Steffen Hamm Tamara Polakovicová Moritz von Bülow* Aram Badalian* Viola Christoph Klein Anna Pelczer Km. Joachim Steinmann Ortrun Riecke-Wieck Kyoko Kudo Sibylle Langmaack Akiko Sato Tanja Linsel Nicholas Clifford Susanna Liang-Qing Ling

Violoncello Johann Ludwig Benjamin Groocock Km. Norbert Ginthör Wolfgang Kursawe Alisa Bock Hanna Gieron Akiko Hasegawa Laura Mehlin* Kontrabass Km. Joachim Fleck Xiaoyin Feng Monika Kinzler Karl Walter Jackl Roland Funk Christoph Epremian Harfe Km. Silke Wiesner Flöte Georg Kapp Horatiu Roman Km. Rosemarie Moser Oboe Kai Bantelmann Km. Ilona Steinheimer Dörthe Mandel

Horn Dominik Zinsstag Peter Bühl Frank Bechtel Jörg Dusemund Trompete Jens Böcherer Km. Ulrich Dannenmaier Km. Peter Heckle Ulrich Warratz Posaune Sandor Szabo Angelika Frei Heinrich Gölzenleuchter Tuba Dirk Hirthe Pauke & Schlagzeug Helge Daferner Raimund Schmitz Hans-Joachim Göhler Km. Rainer Engelhardt Raoul Nies Celesta Paul Harris

Klarinette Frank Nebl Patrick Hollich* Martin Nitschmann Fagott Lydia Pantzier Martin Drescher Ulrike Bertram

Km. = Kammermusiker/in * Gast der STAATSKAPELLE 37

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bildnachweise

impressum

UMSCHLAG Felix Grünschloß S. 3 Unbekannter Fotograf S. 5 Schott Promotion / Susanna Schapowalow S. 7 Unbekannter Fotograf S. 29l Patrice Lahaye S. 29r – 31 Jochen Klenk S. 32L Privat S. 32R Jochen Klenk S. 33 Arik Sokol S. 37, 38 Uli Deck

Herausgeber BADISCHES STAATSTHEATER Karlsruhe

TEXTNACHWEISE S. 2 – 9 S. 10 – 29

Originalbeitrag von Olaf A. Schmitt Übersetzungen von Pascal Paul-Harang

ÜBERTITEL Pascal Paul-Harang Sollten wir Rechteinhaber übersehen haben, bitten wir um Nachricht.

Generalintendant Peter Spuhler VERWALTUNGSDIREKTOR Michael Obermeier Chefdramaturg Bernd Feuchtner ORCHESTERDIREKTOR & KONZERTDRAMATURG Axel Schlicksupp REDAKTION Axel Schlicksupp KONZEPT DOUBLE STANDARDS Berlin www.doublestandards.net GESTALTUNG Kristina Pernesch

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DRUCK medialogik GmbH, Karlsruhe STAATSTHEATER KARLSRUHE Saison 2013/14 Programmheft Nr. 164 www.staatstheater.karlsruhe.de Unser Abonnementbüro berät Sie gerne!

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Konzerte 2. KINDERKonzert – Eine reise um die welt

6+

Alexander Borodin Eine Steppenskizze aus Mittelasien Alberto Ginastera Tänze aus Estancia op. 8 Lieder und Tänze aus aller Welt Ein Riesenorchester bricht auf zur musikalischen Weltreise: Die Musiker der BADISCHEN STAATSKAPELLE spielen gemeinsam mit zwei Schulorchestern Lieder und Tänze aus aller Welt. Auf der Bühne sitzen immer abwechselnd ein Profi und ein Nachwuchsmusiker. Orchester II & III des Helmholtz-Gymnasiums Ulrich Wagner Dirigent & Moderator 16.2. 11.00 & 15.00 GROSSES HAUS

TANGO IN DER INSEL

Tangos von Astor Piazzolla und José Bragato in Arrangements für Klarinette, Violine und Klavier / Texte von Astor Piazzolla, Arne Birkenstock und Dieter Reichardt Zwar kann das ursprüngliche Programm wegen einer Erkrankung nicht stattfinden, doch es bleibt beim Tango: Mit Martin Nitschmann und Annelie Groth werden zwei Kollegen aus der STAATSKAPELLE mit Jeannette La-Deur als Gast am Klavier ein ähnliches Programm wie das geplante präsentieren, dazu liest Gunnar Schmidt aus dem Schauspiel-Ensemble Texte rund um den Tango Nuevo und seine Schöpfer. Martin Nitschmann Klarinette Annelie Groth Violine Jeannette La-Deur Klavier Gunnar Schmidt Sprecher 21.2. 20.00 INSEL

Kammerkonzert extra

Werke von Albinoni, Vivaldi, Nitschmann, Händel, Parker und Strawinsky in Arrangements für Klarinette, Violine und Klavier

Das Konzert überschreitet die Grenzen zwischen Zeiten und Stilen, Formen und Gattungen und zeigt Gemeinsamkeiten wie den „Groove“, der sich gleichermaßen im Jazz wie in der Barockmusik findet. Als Höhepunkt begleiten und beleben Stoffskulpturen die Musik mit suggestiven Bewegungen. Martin Nitschmann Klarinette Annelie Groth Violine Jeannette La-Deur Klavier GuMarieLuise Vanoli Kostüm-Skulpturen Wiebke Höljes & Petr Novak bewegte Skulpturen 24.2. 20.00 KLEINES HAUS

3. SONDERKonzert

Georg Friedrich Händel Ouvertüre zu Il Pastor Fido Jean-Féry Rebel Les Charactères de la Danse Jean-Marie Leclair Suite aus Scylla et Glaucus Georg Friedrich Händel Suite aus Oreste Händel war zuerst von den Formen des französischen Barock beeinflusst, bevor er sich in Italien die neueste Mode anhörte. In seiner Instrumentalmusik blieb er aber zeitlebens den französischen Formen verpflichtet, die er auf die nur ihm eigene originelle Weise weiterentwickelte. Barock-Spezialist Nicholas McGegan führt beide Tendenzen spielerisch zusammen. Bernd Feuchtner Moderation Nicholas McGegan Dirigent DEUTSCHE HÄNDEL-SOLISTEN 25.2. 19.00 GROSSES HAUS Mit Moderation & anschl. Künstlertreff

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