20 Jahre. Bund der Versicherten

November 14, 2016 | Author: Alexandra Kramer | Category: N/A
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20 Jahre Bund der Versicherten

1982 – 2002

Seite 2

BdV-Chronik 1982 - 2002

Gutta cavat lapidem non vi sed saepe cadendo (Steter Tropfen höhlt den Stein)

Das BdV-Umfeld: die Situation im Versicherungswesen seit 1900 Schon vor 100 Jahren begründete der Gesetzgeber die Einrichtung einer staatlichen Versicherungsaufsicht damit, dass „von einem Mißbrauche des Versicherungswesens die Gefahr schwerster Schädigung des Volkswohls droht, die um so näher liegt, als selbst der sorgsame und verständige Bürger zu eigener zuverlässiger Beurteilung der Anstalten, denen er sich anvertrauen muß, regelmäßig nicht imstande ist.“ Die BdV-Chronik „10 Jahre Bund der Versicherten“ beschreibt gleich am Anfang die Situation im Versicherungswesen vor der Gründung des Bundes der Versicherten (BdV) im Jahre 1982: Die Bundesbürger verlieren viel Geld durch den Abschluss falscher Versicherungen. Sie sind trotz hoher Beitragszahlungen miserabel versichert. Hunderttausende von Witwen und Invaliden leben mit ihren Familien in finanzieller Not, weil Versicherungsvermittler ihnen sinnvolle Risikolebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen nicht angeboten und vermittelt haben. Als Hauptursache für die Verluste der Versicherten und ihren schlechten Versicherungsschutz hatte der BdV erkannt, dass die ungeregelten Vertrags- und Vermögensverhältnisse eine sachgerechte Information der Verbraucher nicht zulassen und dass die Verbraucher deshalb keine eigenen Entscheidungen treffen können, wie und wo sie sich am besten versichern und ihr Geld anlegen. Insbesondere VersicherungsAktiengesellschaften und ihre Vermittler haben diese Informa- tionsunterlegenheit der Verbraucher seit über 100 Jahren ausgenutzt. Die noch heute andauernden Verluste der Verbraucher und ihr miserabler Versicherungsschutz beweisen, dass es vor 100 Jahren ein Irrtum des Gesetzgebers war zu glauben, dass eine staatliche Aufsicht einen Ausgleich für die Informationsunterlegenheit der Verbraucher im Versicherungswesen schaffen könnte. Der BdV musste erkennen, dass die Versicherungsbranche seit 100 Jahren in allen entscheidenden Bereichen Lobby- Bollwerke aufgebaut hatte und dass

deshalb die seit 100 Jahren bestehenden Missstände nicht so schnell zu beseitigen sind, sondern nur durch ständige Aktivitäten, wie sie der BdV seit nunmehr 20 Jahren unternommen hat - getreu dem in der BdVSatzung festgelegten Vereinszweck, „durch allgemeine Informationen sowie durch Beratung seiner Mitglieder zum Wissen um Versicherung beizutragen und durch seine Aktivitäten und Maßnahmen die Übereinstimmung des Versicherungswesens mit der Rechts- und Wirtschaftsordnung unseres Staates zu überprüfen bzw. herzustellen.“ In den ersten Jahren seines Bestehens hat der BdV den Verbrauchern vor allem durch Aufklärung und Beratungen, durch Bücher und Broschüren, durch Rundfunk- und Fernsehsendungen zu helfen versucht: Viele Verbraucher, die nach den BdV-Informationen gehandelt haben, sind für weniger Geld wesentlich besser versichert und haben ihr Geld anderweitig besser angelegt. Das sind aber vermutlich nur um die 1 Million private Haushalte. In den 90er Jahren konnte es sich der BdV dann finanziell leisten, seine Aktivitäten auf den wissenschaftlichen Bereich auszudehnen und Musterprozesse um Grundsatzfragen des Versicherungswesens zu führen, um durch eine Reform zu erreichen, dass der Gesetzgeber die Vorgänge bei Versicherungsverträgen (Versicherung, Sparen und die Dienstleistungen der Unternehmen und Vermittler) getrennt und transparent regelt. Erst nach einer Aufteilung der Versicherungsprämie in einen reinen Versicherungsbeitrag, einen Sparanteil und einen Preis für die Dienstleistungen der Unternehmen und Vermittler kann sich der Verbraucher darüber informieren, welchen Beitrag er für den Versicherungsschutz zahlen muss, wie viel er bei kapitalbildenden Versicherungen überhaupt anspart und was die Dienstleistungen der Unternehmen und Vermittler kosten. Erst dann wäre Wettbewerb um die Dienstleistungen rund um Versicherungen möglich. Erst dann könnte der Verbraucher prüfen, auswählen und entscheiden, wie und wo er sich versichert und wie und wo er sein Spargeld anlegt. Durch eine neue Form der Rechnungslegung würde außerdem deutlich werden, dass die Versicherungsbeiträge und Spargelder den Versicherten gehören.

BdV-Chronik 1982 - 2002

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Aus der 1. Chronik „10 Jahre Bund der Versicherten“

Die Milliardenverluste der Versicherten haben viele Ursachen, vor allem mangelnde Information und Interessenvertretung der Verbraucher (bis 1982), Provisions- und Konzernabhängigkeit der Vermittler und Drücker, Versicherungswissenschafts-Abhängigkeit der Rechtsprechung, Branchenabhängigkeit der Versicherungswissenschaft, Branchenabhängigkeit und Lobbyismus vieler Politiker, ungeregelte Vertrags- und Vermögensverhältnisse, mangelhafte Staatsaufsicht. Vers. AG

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MULTINATIONAL MONITOR 10/80 / Cartoon: Hans Dieter Meyer

Auf ersten Seite der BdV-Chronik 1982 - 1992 war diese Karikatur abgedruckt, die darstellt, wie sich Versicherungs-Aktiengesellschaften bei ungeregelten Vertrags- und Vermögensverhältnissen - nach außen unbemerkt - die Überschüsse aus stets überkalkulierten Prämien in die eigene Tasche stecken. Dazu der Text:

Diese Karikatur zeigt die Problematik der Versicherung mit einer ungeteilten Prämie: Die Versicherten zahlen aus Sicherheitsgründen ständig überkalkulierte Prämien. Die ständig anfallenden Überschüsse müssten eigentlich den Versicherten wieder zugute kommen, werden aber von den Versicherungs-Aktiengesellschaften als „Gewinn“ vereinnahmt. - Worin soll dafür die Gewinnberechtigung liegen ?

1981

BdV-Initiatoren Volker Brauns (Dozent, re.) und Gerhard Graf (Marktforscher, li.) gehörten zu den vielen, die bei der vorzeitigen Aufhebung von Kapital-Lebensversicherungen große Verluste erlitten haben. Sie wandten sich im Jahre 1981 an den gerichtlich zugelassenen Versicherungsberater Hans Dieter Meyer (Mitte). Gemeinsam beklagte man die vielen Missstände im Versicherungswesen und beschloss, zur Abhilfe eine Interessenvertretung der Versicherten ins Leben zu rufen.

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BdV-Chronik 1982 - 2002

1982 BdV-Gründung am 24.2.1982 Am 24.2.1982 versammelten sich in Hamburg die drei Initiatoren (siehe oben), Petra Baugatz (Sekretärin), Gisela Dahlke (Hausfrau), Ingrid Richter (Buchhalterin, Foto) und Wilken Müller (Wirtschaftsprüfer) zur Gründung des „Bund der Versicherten“. Die Satzung wurde beschlossen, das Gründungsprotokoll unterzeichnet und die Eintragung im Vereinsregister beantragt, die am 24.3.1982 erfolgte. Erster BdV-Vorstand: Brauns (1. Vorsitzender), Graf (2. Vors.), Meyer (Geschäftsführer), Richter (Schatzmeisterin, Foto), Dahlke (Schriftführerin). BdV-Startphase Der BdV startet mit Null-Kapital, hatte aber von Beginn an - in einem Keller - eine Hochleistungs-Geschäftsstelle mit EDV, Kopierer und zwei Angestellten. Mitglieder erhalten - kostenlos - neben telefonischer und schriftlicher Beratung den „Ratgeber Versicherung“ und einen individuellen, anhand eines Fragebogens erstellten Beratungsbrief. Vorfinanziert wird alles durch den - ehrenamtlich tätigen - BdV-Geschäftsführer Meyer, der 1982 mit seinem im Eigenverlag herausgegebenen Buch „Ratgeber Versicherung“ einen Bestseller landete.

Aus dem ersten BdV-Prospekt: „SITUATION: Die Bundesbürger verlieren viel Geld durch den Abschluß falscher Versicherungen, durch ungerechtfertigt hohe Beiträge und Kosten der großen und teuren Versicherungsgesellschaften. DAS PROBLEM: Wem gehören die Milliarden, die jährlich trotz gewaltiger Kostenverschwendungen übrigbleiben? - Diese Überschüsse müßten den Versicherten gehören - wie Spargeld den Sparern und nicht der Sparkasse gehört. Diese Frage ist noch nie ernsthaft untersucht worden. DAS ZIEL: Durch eine Aufteilung der Versicherungsprämie in einen Versicherungsbeitrag und einen Preis für die Dienstleistungen der Unternehmen lösen sich alle Probleme im Versicherungswesen von selbst. (Der BdV will erreichen, daß z. B. für eine Autoversicherung nicht mehr 1.000 DM gezahlt werden, sondern 800 DM für den Schadenstopf und 200 DM für die DienstBund leistungen der Unternehmen. Damit ist der Gesellschaft der Zugriff der V ersic auf den Überschuß aus den 800 DM genommen, wenn sie mit den Interes herte senver n e. V tretung 200 DM kalkulierten Kosten + Gewinn nicht auskommt.) . der Ve rsicher

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DIE STRATEGIE: Der BdV verfolgt eine Doppelstrategie: 1. durch Aufklärung, Information und Beratung verhindern, daß die Verbraucher weiterhin Opfer falscher und zu teurer Versicherungen werden (Broschüren, Bücher, Beratungsbriefe, Öffentlichkeitsarbeit). 2. durch Aktionen eine Änderung des Versicherungssystems herbeiführen (Musterprozesse, Verfassungsbeschwerden, wissenschaftliche Untersuchungen, Aktivitäten im politischen Bereich).“

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BdV-Chronik 1982 - 2002

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APRIL: Der BdV startet mit einer Klage seinen Kampf gegen die Autoversicherungstarife. Es ist eine unzulässige Ungleichbehandlung, dass langjährig schadenfreie Großstädter bis zu 50 Prozent mehr zahlen müssen als Beamte in der Provinz. Das Verfahren wird Ende 1986 vom Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen (die Versicherten hätten kein Klagerecht) und nach entsprechendem Hinweis durch das Bundesverfassungsgericht 1990 beim LG und 1991 beim OLG Hamburg weitergeführt. MAI: Der BdV startet mit einer Eingabe an alle politisch Verantwortlichen seinen Kampf gegen die Missstände im Bereich der Kapital-Lebensversicherung (hohe Rückkauf-Verluste, ungeregelte Überschussbeteiligung) und löst ein Bundestags-Hearing aus. In einer Bundestagsdrucksache wird die BdV-Kritik bestätigt: „Lebensversicherungsunternehmen saldieren ihre unternehmerischen Verluste zu Lasten der Versicherten voll mit den Beitragsüberschüssen.“ „... wenngleich das vom Prinzip her eigentlich nicht zulässig ist,“ meinte das Aufsichtsamt. Rechtlich muss dieses Saldieren als Veruntreuung angesehen werden, aber bis heute haben die Verantwortlichen nichts dagegen unternommen.

JULI: Erstes Mitteilungsblatt für BdV-Mitglieder (Auszug) „Erwarten Sie vom BdV keine Wunder auf Anhieb. Wir tun unser Bestes, aber nachdem sich 100 Jahre lang niemand um unser Versicherungs(un)wesen gekümmert hat, werden wir wohl fünf Jahre brauchen, um hier die ersten Ansätze von Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft durchzusetzen. Bei einer ‚Kumpanei der Schuldigen' hat der BdV seine Strategie darauf ausgerichtet, daß er seinen Weg allein gehen muß - über die Gerichte und unter Einbeziehung von neutralen Wissenschaftlern, engagierten Politikern und ungebundenen Journalisten.“

AUGUST: Strafanzeige gegen die Volksfürsorge wegen des Missbrauchs von Versichertengeld. Die Staatsanwälte lehnen die Eröffnung von Ermittlungsverfahren wegen Veruntreuung ab, weil die Versicherungsvorstände meinten, sie seien keine Treuhänder von Versichertengeld, und deshalb sei den Verantwortlichen ein Unrechtsbewusstsein nicht nachzuweisen. Eine Strafanzeige wegen irreführender Prospekt-Werbung mit der „treuhänderischen Verwaltung“ wird zurückgewiesen: Die Werbung sei richtig.

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BdV-Chronik 1982 - 2002

AUGUST 1982: Der BdV startet seinen Kampf und Prozesse gegen die Zehnjahresverträge - von mehreren Amtsgerichten jeweils zum Bundesverfassungsgericht, das die BdV-Verfassungsbeschwerden nicht annimmt, weil die 10-Jahresdauer bei Versicherungsverträgen - lt. Gesetzgeber - sachlich gerechtfertigt und deshalb verfassungsgemäß sei. SEPTEMBER: Der BdV startet seine erste Informationskampagne und gibt zusammen mit der Verbraucherzentrale Hamburg die Broschüre „Versicherung ja, aber mit Köpfchen“ heraus, die wegen des Ausspruchs „Lebensversicherung zur Altersversorgung ist legaler Betrug“ von der Branche mit einer Klage angegriffen wird. Prof. Krycha bestätigt in seiner „gutachterlichen Stellungnahme zur Problematik der Versicherung“ die Thesen des Bundes der Versicherten, dass Versicherung die Leistung der Versicherten sei, dass also Prämien keine Preise und Prämienüberschüsse keine Unternehmensgewinne seien (so 9 Jahre später in 1991 - auch das OLG Nürnberg, siehe Seite 12). NOVEMBER: Der BdV erhält den „Verbraucherpreis 1982“ - lt. Journalisten-Jury - „für seine Bemühungen, durch Veröffentlichungen, sachliche Beratungen und mutige Informationen Transparenz in das Dickicht der Versicherungen zu bringen.“ Aus der Pressemitteilung der Stiftung: „Die Verleihung des Preises an einen Träger, der erst seit 8 Monaten besteht, ist gewiß selten, wenn nicht einmalig. Die Zielsetzung des BdV verdient Anerkennung, Lob und Unterstützung. Die guten Veranlagungen dieses Vereins sind bereits deutlich und vielversprechend.“

1983 APRIL: Der Verband der Lebensversicherungsunternehmen verklagt den BdV auf Unterlassung der Aussage: „Lebensversicherung zur Altersversorgung ist legaler Betrug.“ Das LG Hamburg weist die Klage als unbegründet ab. Der Verband legt zwar noch Berufung ein, nimmt diese aber wieder zurück. Ein Verbandspräsident räumt danach in einer ZDF-BILANZSendung ein: „Wir nehmen Kritik immer zur Kenntnis. Und meine Einschätzung ist die, daß wir die Gewinnanteilssätze - beginnend mit dem Jahr 1984 - um etwa 10 Prozent anheben werden.“ - Auch das Aufsichtsamt gibt zu, die Kritik sei „nicht ganz unberechtigt“ und kommt in Zugzwang: Nach und nach wird die Überschussbeteiligung verbessert (1984: Direktgutschrift, Kürzung der „Schlussgewinne“; 1986: Sonderausschüttungen) und eine neue Rückkaufswertregelung eingeführt (1986). Der BdV hat für Millionen Lebensversicherte Milliardenbeträge gerettet. Die Branche ist schwer getroffen - so die Verbandszeitung „Versicherungswirtschaft“ in einem Artikel „Aktenzeichen XY unerhört“: „Einer ganzen Branche wird eine Art von organisiertem Bandenraub vorgeworfen - einer Branche, die wie keine andere zum sozialen Frieden in unserem Lande beiträgt und deren Vertreter sich einem hohen sozialen Auftrag verschrieben haben.“ Und dann die Frage: „Können 48,5 Millionen Menschen so kurzsichtig sein, sozusagen einer staatlich abgesegneten Mafia ins Messer zu laufen ? - Auch der Staat wird der Komplizenschaft zu einem anrüchigen Gewerbe bezichtigt. Der Bund der Versicherten wirft dem Staat, vertreten durch das Aufsichtsamt, Beihilfe zu einem gigantischen Betrug vor.“ - Und der Vorstandsvorsitzende der Nürnberger beeilt sich festzustellen, dass die Versicherungswirtschaft ein Gewerbe sei, das mehr „humanitären, karitativen als kommerziellen Charakter“ habe.

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JUNI: Der Bundesgerichtshof bestätigt, dass Lebensversicherte einen rechtlich gesicherten Anspruch nur auf Auszahlung der Versicherungssumme haben. Die Überschussbeteiligung sei eine „unternehmerische Entscheidung“. Der BdV erhebt Verfassungsbeschwerde, die aber nicht angenommen wird, weil der Kläger nur auf Auskunft geklagt hatte, dieser Anspruch aber kein schützenswertes Grundrecht (Eigentum) sei. NOVEMBER: Der BdV schreibt an den für die staatliche Versicherungsaufsicht zuständigen Bundesfinanzminister Stoltenberg und erhält - trotz Erinnerungen - nie eine Antwort.

1984 MAI: Das Finanzamt erkennt die Gemeinnützigkeit des Bundes der Versicherten an, die später ständig geprüft und immer wieder bestätigt wird. SEPTEMBER: Der BdV veranstaltet mit der Verbraucherzentrale Hamburg die „Erste Hamburger Versicherungskonferenz“. „Das Verhalten einiger Teilnehmer aus der Versicherungswirtschaft war von Ignoranz, Arroganz und bewußtem Ausweichen vor gestellten Fragen gekennzeichnet. Sie haben sich mit ihren Ausführungen lächerlich gemacht.“ (assekuranz report) - Prof. Krycha: „Die Vertreter der Versicherungswirtschaft haben offenbaren müssen, daß sie keine Argumente gegen eine Offenlegung der Prämie aufweisen können.“

NOVEMBER: Motto der BdV-Mitgliederversammlung in Bonn „Millionen miserabel versichert Milliarden Mark verloren“ - Aus der BdV-Pressemitteilung: Zur Situation in unserem Versicherungswesen: Die Bundesbürger geben - ohne es zu wissen - für einen schlechten Versicherungsschutz viel zuviel Geld aus, Millionen Familien haben eine unzureichende Familienversorgung und Hunderttausende von Witwen leben mit ihren Kindern am Rande des Existenzminimums. Ähnlich geht es Zehntausenden von Menschen, die berufsunfähig sind und zu Sozialhilfefällen wurden. Sinnvolle Risikolebensund Berufsunfähigkeitsversicherungen wurden diesen Betroffenen niemals angeboten, da diese den Unternehmen nicht die langfristig nutz- und manipulierbaren Milliardeneinnahmen verschaffen wie die mit einem Sparvorgang gekoppelte, zehnmal teurere Kapital-Lebensversicherung.

1985 JUNI: Der BdV startet seinen Kampf gegen die an teure Gesellschaften gebundenen Einfirmenvertreter, die - neben Drückerkolonnen - das wichtigste Instrument beim „legalen Betrug“ der Bürger sind. Der BdV ergreift die Initiative zur Gründung des Verbandes Verbraucherorientierter Vermittler (VVV), die firmenungebunden sind und nach strengen Berufsregeln arbeiten. AUGUST: DER SPIEGEL - Versicherungs-Spendenaffäre: „Staatsanwälte ermitteln gegen Versicherungskonzerne und -verbände, auf deren Spendenlisten weit über hundert Politiker stehen, darunter die meisten Minister des jetzigen Bundeskabinetts. Gezahlt wurde bevorzugt an Einzelpersonen. Die Staatsanwälte haben sich mit Millionensummen zu befassen.“ - Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft gibt zu: „Seit Anfang der 50er Jahre ... wurden Wahlkampfhilfen an einzelne Mandatsbewerber geleistet. Vom Geldempfänger wurde lediglich erwartet, daß er bereit sei, im Zuge der parlamentarischen Beratung anstehender Gesetzgebungsvorhaben unseren Sachvortrag anzuhören und ihn zu würdigen.“ - Also: Gesetzemachenden Politikern falsches Wissen beibringen, und sie machen guten Gewissens falsche Gesetze. - DIE ZEIT: „So wundert es nicht, daß BdVGeschäftsführer Meyer den Bonner Gesetzemachern gleich das Schlimmste unterstellt: ‚erkaufte Untätigkeit'.“ - Die Bundestagsabgeordnete HammBrücher (FDP): „Es ist schlecht, wenn ein weiter Teil der Bevölkerung auch Anliegen hat und nicht auf diese Art Gesprächspartner findet.“ -

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Die Vereinigten Wirtschaftsdienste (VWD Frankfurt) ermitteln mit Hilfe des BdV: „Bundesbürger, die 1984 vorzeitig ihre Lebensversicherung kündigten, haben dabei Verluste in Höhe von mehr als 10 Milliarden Mark erlitten. „Der Grund für diesen gigantischen Verlust liegt darin, daß Einzahlungen auf Verträge, die bereits nach zwei Jahren gekündigt werden, völlig verfallen.“ - Beispiel: Ein Apotheker zahlt in 5 Jahren 60.000 DM an Beiträgen und erhält bei seiner Auswanderung nach Japan 1.200 DM zurück - unglaublich, aber wahr ! -

OKTOBER: Der BdV betreibt für mehrere Allianz-Versicherte einen Widerspruch gegen die Genehmigung der Allianz-Konzerntrennung durch das Aufsichtsamt. Die Allianz hat ihren Bestand an Nicht-Lebensversicherungen auf eine neue Allianz übertragen, nicht aber einige Milliarden Mark Vermögen, die aus überschüssigem Versichertengeld entstanden waren. Diese verblieben bei der alten Allianz, die sich in eine Holding umwandelte und sich so - als Nicht-Mehr-Versicherungsgesellschaft - mit den Versichertenmilliarden der staatlichen Aufsicht entzog. Die Beschlusskammer des BAV weist den Widerspruch als unzulässig zurück (die Versicherten hätten kein Klagerecht). Der BdV klagt beim Bundesverwaltungsgericht und erreicht erstmals die Zulässigkeit der Klage eines Versicherten gegen das BAV. Die Klage wird aber (1989) als unbegründet zurückgewiesen - mit bemerkenswerten Gründen: „Es mag zwar unbillig sein, wenn die Sicherheitszuschläge allein bei den Versicherungsunternehmen als Gewinne verbleiben. Falls in dieser Hinsicht Bedenken bestehen, mag das BAV gehalten sein, ein zu beanstandendes Mißverhältnis der beiderseitigen Leistungen zu verhindern. Das Gesetz nimmt in Kauf“, dass das aus den Sicherheitszuschlägen gebildete „freie Vermögen“ beiseitegeschafft werden kann. Ein dezenter Hinweis auf das Versagen der Staatsaufsicht. Rückwirkend könne man allerdings nichts mehr ändern. Eine Verfassungsbeschwerde wird (1989) nicht zur Entscheidung angenommen.

NOVEMBER: BdV-Mitgliederversammlung Der BdV-Vorstand wird neu gewählt (der in gleicher Besetzung bis 1992 im Amt ist). Neu im Vorstand: Alexander Unverzagt, Rechtsanwalt (1. Vors.), Julia Hornung-Scheumann, Apothekerin (2. Vors.) und Ingrid Hoepfner, Dipl. Dolmetscherin (Schriftführerin). Wiedergewählt: H. D. Meyer (Geschäftsf.), Ingrid Richter (Schatzmeisterin).

1986 FEBRUAR: Der BdV startet eine zweite große Informationskampagne und entwickelt (auch für Verbraucherzentralen) ein computergestütztes Versicherungsberatungs-System: BdV-Geschäftsführer Meyer schreibt für das Versicherungsberatungssystem die Broschüren „Wie man sich richtig versichert und dabei viel Geld spart“ und „Speziell für junge Leute: Geld und Versicherung - Der echte Durchblick“ mit eingehefteten Fragebögen und entwickelt ein Computerprogramm für individuelle Beratungsbriefe, die anhand der in den Fragebögen eingegebenen Daten - per Computer - erstellt werden. - „Innerhalb weniger Monate hat sich diese moderne Form der Beratung zu einem Renner gemausert,“ schreibt die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg im Juli 1987. - Die Broschüren erreichen bis 1992 eine Gesamtauflage von über 1 Million Exemplaren ! -

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1987 AUGUST: Der BdV gewinnt Musterprozess gegen die Allianz um die Prämienanpassungsklauseln. Das Amtsgericht Hamburg stellt fest, dass die Allianz verpflichtet ist, dem Versicherten zur ursprünglich vereinbarten Prämie Versicherungsschutz zu bieten. Die Prämienanpassungsklausel sei eine unangemessene Benachteiligung der Versicherten und wegen Verstoßes gegen § 9 AGB-Gesetz nichtig. OKTOBER: Der BdV startet eine Prozesswelle gegen die Kapital-Lebensversicherung (KLV) - beginnend mit dem „Ilgner-Prozess“ gegen den Deutschen Ring. Der Rentner Ilgner hatte in seine KLV (einschließlich Zusatzversicherungen) in 13 Jahren 115.702 DM eingezahlt und erhielt bei Ablauf 117.183 DM: Rendite der reinen Kapital-Lebensversicherung um 3 Prozent. Die Klagschrift umfasste 98 Seiten und wurde von Medien als „Sündenkatalog der deutschen Lebensversicherung“, „ein geradezu einmaliges Register der Missstände“ bezeichnet. - Das LG Hamburg sieht sich (1988) an einer Überprüfung und Neufestsetzung der Auszahlung gehindert, weil der Gesetzgeber eine staatliche Kontrollinstanz vorgesehen habe. Wenn die Aufsicht versage, habe der Versicherte selbst schuld. Er hätte den Vertrag ja nicht abzuschließen brauchen. Das OLG Hamburg weist (1990) die Berufung zurück mit der Begründung: „Richtig ist, daß die Überschüsse nicht dem Versicherungsunternehmen, sondern den Versicherten zustehen. Es gibt jedoch keine direkte Verknüpfung zwischen den einzelnen Verträgen und ihren Anteilen am Überschuß. Das hat zur Folge, daß der einzelne Versicherte darauf angewiesen ist, auf die ordnungsgemäße Überwachung der Versicherer durch das BAV zu vertrauen. Dies stellt sich letztlich als Ergebnis des vom Gesetzgeber gewählten Systems der staatlichen Aufsicht dar und muß als Konsequenz der gesetzgeberischen Grundentscheidung hingenommen werden.“ - Eine Revision zum BGH wurde nicht zugelassen, weil die zu entscheidende Frage der Überschussbeteiligung zu etwa 50 Millionen Kapital-Lebensversicherung „nicht von grundsätzlicher Bedeutung“ sei. Die BdV-Verfassungsbeschwerde wird im Juni 1992 zurückgewiesen. Der Rechtsweg sei nicht versagt worden.

1988 AUGUST: BdV-Stellungnahmen zu Fragen der vom Bundeswirtschaftsminister eingesetzten Monopolund Deregulierungskommissionen. Dabei werden Gemeinsamkeiten festgestellt (insbesondere Zweifel an einem funktionierenden Wettbewerb), ansonsten aber vor allem die Oberflächlichkeit der Untersuchungen und entsprechend falsche Forderungen kritisiert.

OKTOBER: BdV-Widerspruch gegen die Herold-Konzerntrennung beim BAV und Strafanzeigen gegen den Herold-Vorstand und BAV-Präsident August Angerer wegen des Verdachts auf Veruntreuung von Versichertengeld bzw. Beihilfe dazu. In 1989 korrigiert die BAV-Beschlusskammer die Entscheidung des BAV-Präsidenten August Angerer. Die Herold-Gesellschaften müssen sich verpflichten, ihre Altversicherten weiterhin an ausgesonderten stillen Reserven zu beteiligen (sofern diese realisiert werden). Kommentar von Prof. Engels (als Herausgeber) im Editorial der Wirtschaftswoche: „Das eigentlich Aufregendste an dem Fall liegt darin, daß dem BdV und seinem streitbaren Geschäftsführer Hans Dieter Meyer damit erstmals ein Einbruch in das feste Bollwerk des Versicherungswesens gelungen ist. Versichertenschützer Meyer hat in seinem Kampf um Reformen Verbündete gewonnen.“

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1989 JANUAR: Der BdV startet Informationskampagne über Missstände in der Privaten Krankenversicherung (PKV): „Im Alter sind die Privatversicherten oft die Dummen“ (Süddeutsche Zeitung im März). Durch das Tarife-Vergreisen-Lassen entstehen kaum tragbare Beitragserhöhungen bei alten Privatversicherten. Ergebnis (in 1991): Nachdem die Erträge aus der Alterungsrückstellung bisher zur weitgehend beliebigen Verfügung der Unternehmen standen (auch zur Beitragsrückerstattung für Junge), werden die Erträge künftig zu einem höheren Anteil (warum eigentlich nicht voll?) zur Beitragsentlastung der Älteren verwendet. Ein fester Kostenzuschlag pro Versicherung (und nicht mehr in Prozenten von der Prämie) soll die hohen Prämien der Älteren etwas verringern.

APRIL: Nach Wechsel im Bundesfinanzministerium (Waigel für Stoltenberg) beschwert sich der BdV in einem offenen Brief an Minister Waigel über das Ausbleiben qualifizierter Reaktionen auf Eingaben. Es wird um eine persönliche Unterredung gebeten, „weil Informationskanäle nach oben durch vorgeschaltete Beamte verstopft scheinen“. Eine Waigel-Stellungnahme erfolgt erst zwei Jahre später in 1991! Die Gesellschaften nehmen 1989 im Bereich Unfallversicherung fast 6 Milliarden DM an Prämien ein. Viele zahlen nur etwa ein Viertel an Versicherungsleistungen aus. Um den Wucher in der Unfallversicherung zu beenden, schließt der BdV - als Kampfmaßnahme - eine UnfallGruppenversicherung zu extrem niedrigen Prämien ab, der die Mitglieder beitreten können (nicht müssen). Der BdV ist Versicherungsnehmer und nicht Vermittler, erhält also keine Provisionen.

JULI: BdV-Widerspruch bei der Beschlusskammer des Bundesaufsichtsamtes gegen die Konzerntrennung der Volksfürsorge (Versuch des beteiligten Aachener & Münchener-Konzerns, stille Reserven auszusondern). Das Verfahren ruht bis zur Entscheidung des BVerwG in Sachen Herold-Konzerntrennung. SEPTEMBER: BdV-Widerspruch bei der Beschlusskammer des Bundesaufsichtsamtes gegen die Konzerntrennung der Victoria (mit dem Versuch, stille Reserven beiseite zu schaffen). Das Verfahren ruht bis zur Entscheidung des BVerwG in Sachen Herold-Konzerntrennung. OKTOBER: Präsidentenwechsel im BAV. BdV-Geschäftsführer Meyer hatte den BAV-Präsidenten August Angerer (Foto li.) in einer BdV-INFO einen Lügner genannt, weil er falsche Aussagen zur Kapital-Lebensversicherung veröffentlicht hatte. Angerer widerspricht nicht. Er scheidet aus dem BAV aus, das bis 1989 nicht eine Eingabe des BdV beantwortet hatte. Dr. Knut Hohlfeld (Foto re.) wird neuer BAV-Präsident, der 1990 erste Gespräche mit dem BdV führt.

NOVEMBER: Der BdV betreibt einen Widerspruch bei der BAV-Beschlusskammer und eine Klage beim LG Frankfurt gegen die Umgründung des R+V-Lebensversicherungsvereins in eine Aktiengesellschaft (mit zu niedriger Abfindung für die R+V-Vereinsmitglieder in Höhe von 217 Mio DM bei einem achtfach höheren Unternehmenswert). Die BAV-Beschlusskammer weist den Widerspruch in 1991 zurück. Der BdV klagt beim BVerwG. In 1989 stürzen sich Versicherungsdrücker auf die vielen Flüchtlinge und Übersiedler aus der DDR. Der BdV stellt dem Deutschen Roten Kreuz und anderen Organisationen - kostenlos - Zehntausende von InfoBroschüren zur Verfügung.

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1990 FEBRUAR: Das Amtsgericht Medebach lässt in einem vom BdV unterstützten Prozess die Kündigung von Zehnjahresverträgen bei finanzieller Notlage zu.

Der BdV startet eine Initiative für neutral-wissenschaftliche Diskussionen und finanziert zusammen mit dem Bund versicherter Unternehmer (BvU) ein Studenten-Seminar über Privatversicherungsrecht Eine Gruppe von Studenten der Universität Augsburg verbrachte ein mehrtägi(Universität Augsburg). ges Blockseminar zum Thema Versicherungrecht in Windisch-Eschenbach. Auf dem Foto links Prof. Basedow, daneben H. D. Meyer und rechts oben Rechtsanwalt Axel Trawöger, der zu dieser Zeit als Berater beim BdV arbeitete.

APRIL: Der BdV nimmt an der Bundestags-Anhörung zur Änderung von Versicherungs-Gesetzen (VVG, VAG) teil. Der BdV fordert u. a.: (1) ein jährliches Kündigungsrecht (auch für Altverträge), (2) eine „horizontale Spartentrennung“ zur Unterbindung einer Subvention der verlustreichen Industrieversicherungen durch Überschüsse aus überteuerten Verbraucherversicherungen (die - indirekt - 1991 vom BAV eingeführt wird), (3) die Änderung des § 14 VAG, den die Konzerne derzeit zur Veruntreuung von Versichertengeld unter dem Deckmantel einer Bestandsübertragung missbrauchen ......

Der BdV erstattet Strafanzeige gegen die Deutsche Ring Leben, weil diese ihre Beteiligung an der Deutschen Ring Sach - zum Nachteil der Lebensversicherten - weit unter Wert an die Konzernmutter (Basler) verkauft bzw. „verschoben“ hat.

JUNI: BdV-Widerspruch bei der Beschlusskammer des Bundesaufsichtsamtes gegen die Konzerntrennung der Nürnberger. Das Verfahren ruht bis zur Entscheidung des BVerwG in Sachen Herold-Konzerntrennung. SEPTEMBER: Das BdV stellt allen Parteien Fragen zur Bundestagswahl und stellt fest: Weitgehende Übereinstimmung für Reformen bei der SPD. Die CDU/CSU-Fraktion hält die Überlegungen des BdV „durchaus für prüfenswert“ und will sie „mit in die Entscheidungsfindung für anstehende gesetzliche Verfahren einbeziehen.“

OKTOBER: Der BdV verlegt sein Büro nach Henstedt-Ulzburg (bei Hamburg; ein alter Edeka-Laden wurde umgebaut), behält aber weiter seinen Sitz in Hamburg. NOVEMBER: In der „Zeitschrift für Rechtspolitik“ wird - endlich - eine 10 Jahre vorher geschriebene Abhandlung von BdV-Geschäftsführer Meyer abgedruckt zum Thema „Wem gehören 800 Milliarden Mark? - Eine Kritik an den rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen des Versicherungswesens“. Diese Abhandlung wird später von Wissenschaftlern als die Initialzündung für Reformüberlegungen bezeichnet. Aus der Einleitung: „Im Versicherungswesen werden jährlich Gelder in Höhe eines Bundeshaushalts umverteilt. Und trotzdem ist dieses Rechtsgebiet weitgehend ungeregelt. Gerade in den letzten Monaten haben Gerichtsentscheidungen und kritische Publikationen gezeigt, daß der Gesetzgeber dringend regeln muß, wie z.B. die Lebensversicherten an den Milliardenüberschüssen aus dem Sparvorgang in der Lebensversicherung zu beteiligen sind.“

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BdV-Chronik 1982 - 2002

DEZEMBER: In 1990 hat der BdV die ehemals Staatliche Versicherung der DDR vor dem Zugriff der Allianz zu retten versucht - vergeblich: Die SED- und Allianz-Bonzen waren schneller (eine Strafanzeige wegen finanzieller Manipulation führt in 1991 zu Durchsuchungen - auch bei der Allianz). Heerscharen westdeutscher Drückerkolonnen (Deutsche Vermögensberatung, OVB, HMI, Quinz-Holding u. a.) bieten mit allen möglichen Tricks uninformierten Ostdeutschen zu teure Unfall- und unsinnige Lebensversicherungen an. Der BdV hält dagegen mit Hunderttausenden von Info-Broschüren, die - auch an Ost-Verbraucherzentralen - kostenlos abgegeben werden, durch ständige Pressemitteilungen, Fernsehsendungen, Telefonaktionen bei Rundfunksendern und Zeitungen in den neuen Bundesländern.

1991 JANUAR: Das Buch „Das Versicherungs(un)wesen - eine Branche jenseits von Recht und Wettbewerb“ des BdV-Geschäftsführers Hans Dieter Meyer erscheint auf dem Markt. Aus einer Buchbesprechung: „Eine Branche im Kreuzfeuer der Kritik: Seit Jahren kämpft Hans Dieter Meyer auf vielen Ebenen gegen die Mißstände in unserem Versicherungswesen: Überhöhte Prämien, zehn Jahre lang nicht kündbare ,Knebelverträge“, hohe Verluste und schlechte Renditen bei Kapital-Lebensversicherungen, ungerechte Autoversicherungstarife, falsche Beratungen durch konzerngebundene Vertreter und Drücker; da werden von vielen Unternehmen Versichertengelder objektiv veruntreut, Bilanzen verschleiert, Vermögen verschoben und Jahresergebnisse manipuliert und so Versicherte um ihre Ansprüche gebracht ... Millionen Bundesbürger haben so jährlich Milliarden Mark verloren und sind trotzdem miserabel versichert. Als Ursache dieser Mißstände analysiert der Autor die ungeregelten Vertrags- und Vermögensverhältnisse, die zu einer unzulässigen Vermischung von Versicherten- und Unternehmensgeld geführt haben, und beschreibt den Kardinalfehler in unserem Versicherungswesen wie folgt: ,Man hat gewinnorientierten Aktiengesellschaften die Verwaltung von Treuhandgeldern überlassen, ohne daß sie Buch darüber führen müssen. Und das ist in etwa so unheilvoll, als wenn man Vampire mit der Verwaltung einer Blutbank beauftragt, ohne sie zu verpflichten, das eingehende Blut zu registrieren.’“

Gerichte, Bundeskartell- und Aufsichtsamt sowie alle Verbraucherorganisationen und neutralen Experten hatten sich in der Vergangenheit gegen langfristige Verträge ohne Kündigungsrecht ausgesprochen. Die EG will ein Kündigungsrecht nach spätestens drei Jahren einführen. Das zuständige Finanzministerium hatte bereits einen entsprechenden Gesetz-Entwurf fertig: Da griff 1990 die Lobby ein. Übrig blieb ein „Reförmchen“ des Versicherungs-Vertrags-Gesetzes (VVG), aber nur für Versicherungen, die nach dem 1.1.1991 abgeschlossen werden: Langfristige Verträge können nach drei Jahren gekündigt werden - aber nur, wenn bei Vertragsabschluss nicht alternativ kürzere Laufzeiten angeboten wurden. Bei Prämienerhöhungen kann der Versicherte kündigen, aber erst bei Prämienerhöhungen von mehr als 5 Prozent jährlich.

MAI: Das OLG Nürnberg bestätigt in einem Urteil die BdV-Meinung zur Kapitallebensversicherung „Die Kapital-Lebensversicherung ist ein Kombinationsvertrag aus unterschiedlichen Vertragstypen. Auf den Sparanteil können die Vorschriften der §§ 799, 607 BGB Anwendung finden. Die Risikoanteile sind treuhänderisch zu verwalten und Überschüsse zurückzuzahlen. Nur die Verwaltungskosten stellen ein echtes Entgelt dar. Diese Betrachtungsweise steht auch nicht im Gegensatz zu dem unstreitigen Umstand, daß der Versicherungsnehmer nur eine einheitliche Prämie leistet. Der Treuhandvertrag ist - soweit er entgeltlich abgeschlossen wird - Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675 BGB. Durch eine gesonderte Ausweisung der einzelnen Prämienbestandteile würde die erforderliche Transparenz hergestellt und zugleich der Wettbewerb gesteigert.“ - Originalton BdV!

JULI: BdV-Klage gegen die Allianz auf Anerkennung von jährlichen Kündigungen wie im Verfahren vor dem OLG Düsseldorf, nach dessen Urteil Versicherungen mit einer Vertragsdauer von 10-Jahren jährlich kündbar sind, wenn „10 Jahre“ in den Versicherungsanträgen vorgedruckt ist.

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NOVEMBER: Der BdV veranstaltet die Versicherungs-Konferenz OST. Westdeutsche Drückerkolonnen waren wie wilde Horden über die Neubundesbürger hergefallen und haben ihnen unsinnige Kapitallebensund teure Unfallversicherungen aufgeschwatzt. Der BdV hält mit Broschüren und Informationen über Radio und Fernsehen dagegen und hilft vielen wieder aus falschen Verträgen raus.

Anwesende Bundestagsabgeordnete sprechen sich für eine Fortgeltung der Sonderregelungen in den neuen Bundesländern aus, vor allem für das Fortbestehen des jährlichen Kündigungsrechts zu allen Verträgen. Die Forderung wird im Dezember vom Bundestags-Finanzausschuss übernommen und in die Praxis umgesetzt. Nachdem der BdV die Drückerkolonnen im „Wilden Osten“ zurückgedrängt hat, startet er mit der „Versicherungskonferenz OST“ eine Kampagne zur Rettung der in unsinnige Lebensversicherungen eingezahlten Gelder. Prof. Basedow bestätigt in einem Referat die BdV-Auffassung, dass die Rückkaufswertregelung bei Lebensversicherungen (wonach fast zwei Jahresbeiträge als Abschlusskosten verloren sind) gegen das AGB-Gesetz verstößt. Die Versicherten könnten einen Großteil ihrer eingezahlten Lebensversicherungsbeiträge zurückfordern. Ein geplanter Musterprozess platzt, weil die IDUNA der Klage durch Rückzahlung aller Beiträge (1.280 DM) an ein ostdeutsches Ehepaar zuvorkommt.

1992 JANUAR: Prof. Basedow erstattet ein Rechtsgutachten in Sachen Herold-Konzerntrennung (BVerwG) mit dem Ergebnis: Die Genehmigung der Konzerntrennung durch BAV-Präsident Angerer (unter dem Deckmantel einer Bestandsübertragung) war rechtswidrig, weil dadurch eine Beteiligung der Versicherten an den stillen Reserven verhindert wurde. Die derzeitige Praxis, Lebensversicherte nur an (abgeschriebenen) Buchwerten und nicht an den Realwerten der Kapitalanlagen zu beteiligen, verstoße gegen die „partiarische Natur“ eines Lebensversicherungsvertrages.

Attacke auf die Praxis der Lebensversicherungen Professor Jürgen Basedow: Gewinne nicht richtig verteilt

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BILANZ der ersten 10 Jahre Der BdV hat vor allem mit seinen Informationen einen Riesenerfolg errungen und fast 25.000 private Haushalte als Mitglieder gewonnen. Der BdV war an etwa 150 Fernseh-, über 500 Rundfunksendungen und zahllosen Presseberichten beteiligt. BdV-Bücher und Broschüren haben eine Gesamtauflage von über 2 Millionen Exemplaren erreicht. BdV-Informationen und -Beratungen haben bewirkt, dass Hunderttausende von Bundesbürgern für weniger Geld besser versichert sind und ihr Geld besser (als in kapitalbildenden Versicherungen) angelegt haben. Im Bereich der Kapital-Lebensversicherung hat der BdV - für alle Versicherten - Verbesserungen im Werte von vielen Milliarden Mark mitverursacht. Trotz vieler BdV-Etappensiege hat sich aber bis 1992 Grundsätzliches in unserem Versicherungs(un)wesen nicht geändert. Vor allem war die Kapital-Lebensversicherung - wegen ihrer miserablen Rückkaufswerte und der ungeregelten Überschussbeteiligung - nach wie vor ein „legaler Betrug“. Ein großer BdV-Erfolg war allerdings, dass die BdV-Aktivitäten dazu geführt haben, dass alls Verantwortlichen von den Politikern bis hin zu Verbraucherorganisationen und Medien für die Verbraucherprobleme im Versicherungswesen und für Reformüberlegungen zugänglicher geworden sind.

René Magritte: „Die überraschende Antwort“ BdV-Untertitel: „Das Versicherungswesen ist für Reformen zugänglicher geworden.“

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Die zweiten „10 Jahre Bund der Versicherten“ 1992 bis 2002

1992

Julia Hornung-Scheumann (2. Vors.)

Ingrid Hoepfner (Schriftf.) Hans Dieter Meyer (Geschäftsf.) Nicht auf dem Bild die Schatzmeisterin Ingrid Richter

Alexander Unverzagt (1. Vors.)

MÄRZ: Am 23. März fand in Hamburg die Festveranstaltung zum 10jährigen Bestehen des BdV statt, an der Vertreter von Bundesministerien, des Bundestages, des Bundesaufsichtsamtes, der Versicherungswirtschaft und Vermittler, Vertreter von Medien und Verbraucherorganisationen teilnahmen. Wolfgang Curilla, SPD-Senator der Hansestadt Hamburg: „Der BdV hat sich um den Prozess der deutschen Einheit, um unsere Wirtschaftskultur und um den Rechtsfrieden verdient gemacht. Dafür gebührt ihm Dank.“ Wilhelm Rahlfs, FDP-Senator a.D.: „Die Intransparenz ist zu beklagen. Ein richtiger Weg sind die BdV-Musterprozesse und der Weg zum Gesetzgeber.“ Lilo Blunck, MdB, verbraucherpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion: „Der Bund der Versicherten ist nicht nur Hilfe zur Selbsthilfe, er ist ein ganz wichtiger Bündnispartner.“

Von links: Rechtsanwalt Joachim Bluhm, der viele Prozesse für den BdV geführt hat, und die Vorstandsmitglieder Julia Hornung-Scheumann und Ingrid Hoepfner, daneben die Festredner Lilo Blunck (MdB, SPD), Wilhelm Rahlfs (FDP-Senator a.D.) und Wolfgang Curilla (Senator der Freien und Hansestadt Hamburg)

Aus Anlass des 10jährigen Bestehens des BdV fand vom 20. bis 22. März in Bad Bramstedt die erste BdVWissenschaftstagung statt. 50 Teilnehmer diskutierten über mögliche Ursachen für die vielen Missstände im Versicherungswesen. - Nach dem Erfolg der ersten Tagung werden die BdV-Wissenschaftstagungen zu einer ständigen Einrichtung, über die - ab der 3. Tagung - auch in einer eigenen BdV-Schriftenreihe „Versicherungswissenschaftliche Studien“ (VersWissStud) berichtet wird, siehe Seite 17.

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BdV-Chronik 1982 - 2002 Auf den BdV-Wissenschaftstagungen wird der wissenschaftliche Hintergrund von Verbraucherproblemen in kurzen Referaten dargestellt und dann ausführlich diskutiert von Tagungsteilnehmern aus den Bereichen EU, Ministerien, Politik, Staatsaufsicht, Rechtsprechung, Wissenschaft, Versicherungsunternehmen, Vermittler, Versicherungsberater, Verbraucherschutz, Medien . . . . . .

APRIL: Das Landgericht (LG) München urteilt im BdV-Prozess gegen die Allianz (siehe JULI 1991), dass unkündbare Zehnjahresverträge eine unangemessene Benachteiligung der Versicherten darstellen. Die Allianz legt Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) München ein, die später abgewiesen wird wie auch im Jahre 1994 die Allianz Revision zum Bundesgerichtshof (BGH). Damit werden viele Zehnjahresverträge, die oft doppelt bis vierfach zu teuer sind, vorzeitig kündbar. JULI: Der BdV klagt beim Amtsgericht Hamburg auf Auskunft und die Angabe von Abschlusskosten, Risiko- und Zinsüberschüssen zu einer gekündigten Lebensversicherung und auf einen höheren Rückkaufswert. Die Klage wird abgewiesen. Der BdV geht in die Berufung. Das LG Hamburg setzt das Verfahren wegen einer laufenden BdV-Revision beim BGH in Sachen „Überschussbeteiligung“ bis Ende 1994 aus. Unter Bezugnahme auf das BGH-Urteil (siehe NOVEMBER 1994) wird die BdV-Berufung zurückgewiesen. Der BdV erhebt Anfang 1995 Verfassungsbeschwerde, die in 2002 den zuständigen Stellen zugestellt wird. Der BdV gründet die (Non-Profit) VVVD Verbraucher + Versicherung Verlags- und DienstleistungsGmbH, um die provisionsfreie (aber nicht gemeinnützige) Verwaltung der BdV-Gruppenversicherungen steuerrechtlich von den gemeinnützigen Aktivitäten des Vereins zu trennen und um einen eigenen Verlag für die Herausgabe von Broschüren zu besitzen. SEPTEMBER: Der BdV behauptet schon im Jahre 1992 in seiner BdV-INFO, was das OLG Stuttgart und der BGH im Jahre 2001 bestätigen: „Regelungen zur Kündigung (Rückkauf) und zur Überschussbeteiligung von Kapitallebensversicherungen verstoßen gegen das AGB-Gesetz.“

Falsche Versp rechungen Dass kein Verbraucher Auszahlungen zu Kapital- Fals che Beispielre versicherungen selbst überprüfen kann, ist eine chnungen unglaubliche Tatsache, die im Jahre 2002 vom Falsche Branchen-Inf Bundesaufsichtsamt bestätigt wird. ormationen Der BdV prangert in seiner BdV-INFO an:

Niemand kann Auszahlungen überprüfen Ein Versicherter erhält 43.759,60 DM als Ablaufleistung zu seiner Kapital-Lebensversicherung. Ein anderer erhält einen Rückkaufswert von 4.692,50 DM. Niemand kann nachprüfen, ob diese Werte stimmen. Sie wurden nach geheimen Geschöftsplänen berechnet, die nur das Aufsichtsamt kennt (weil es diese genehmigt hat).

OKTOBER: 2. BdV-Wissenschaftstagung zu den Themen: AGB-Kontrolle, Kapitallebens- und private Krankenversicherung, Zehnjahresverträge, Prämienwucher in der Unfallversicherung und EG-Entwicklungen in den Bereichen Vertragsrecht, Rechnungslegung, Kfz-Tarife.

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Da für viele ältere Menschen die Beiträge zur privaten Krankenversicherung (PKV) bis zur Unbezahlbarkeit ansteigen, gibt der BdV die Informationsbroschüre „Krankenversicherung - freiwillig in der Krankenkasse oder privat?“ heraus und warnt vor einem unüberlegten Wechsel in die PKV.

1993 FEBRUAR: Das OLG München bestätigt das Urteil des LG München, das der Allianz verbietet, sich auf eine Laufzeitvereinbarung von 10 Jahren zu berufen. Die Allianz beantragt eine Revision beim Bundesgerichtshof (BGH). Das OLG Hamburg entscheidet gegen den BdV, dass es sachlich gerechtfertigt sei, dass nach den Kfz-Versicherungstarifen alle Hamburger Autobesitzer höhere Prämien in der Kfz-Versicherung zahlen müssen als gleiche Autofahrer anderswo. Zur Vorgeschichte: Eine Hamburgerin hatte 1981 gegen eine Tarifgenehmigung des BAV Widerspruch eingelegt, weil sie die hohen Prämien für Hamburger und Nichtbeamte als Diskriminierung ansah. Nach Zurückweisung durch die BAV-Beschlusskammer hatte sie beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) geklagt. BAV und BVerwG meinten, der Einzelne habe kein Klagerecht. Gegen das BVerwG-Urteil hat der BdV in 1986 eine Verfassungsbeschwerde betrieben. Das BVerfG verwies den BdV auf den Zivilrechtsweg, der mit der Entscheidung des OLG Hamburg endete. Gegen dessen Urteil legt der BdV im Mai eine zweite Verfassungsbeschwerde ein, die 1996 ohne Begründung nicht angenommen wird (siehe NOVEMBER 1996).

MÄRZ: Das Bundesjustizministerium hatte im Januar einen Entwurf zur Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes veröffentlicht und den BdV um Stellungnahme gebeten. Der BdV fordert die jährliche Kündbarkeit von Versicherungen (statt - wie im Entwurf vorgesehen - nach 3 Jahren Vertragsdauer), ein Verbot von Ausländertarifen in der Kfz-Versicherung und Transparenz bei kapitalbildenden Versicherungen durch eine Aufteilung der Prämie in einen Versicherungsbeitrag, einen Spar- und einen Dienstleistungsanteil. Der BdV fordert außerdem Maßnahmen gegen das Problem, dass viele Menschen die hohen Beiträge der privaten Krankenversicherung im Alter gar nicht oder kaum noch bezahlen können. Die Grundbedingungen zu den Versicherungen der privaten Haushalte sollten gesetzlich geregelt und die Versicherungsunternehmen verpflichtet werden, entsprechende Angebote zu entwickeln, die durch Bausteine erweitert werden können, wobei allerdings für jeden Baustein ein gesonderter Beitrag ausgewiesen werden müsste. Der BdV fordert - wie seit seiner Gründung - einen Ombudsmann als Schiedsstelle für Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Versicherungsunternehmen.

Der BdV gründet einen Wissenschaftlichen Beirat (siehe Foto), der zusammen mit dem BdV die BdVWissenschaftstagungen veranstaltet und im NomosVerlag die Schriftenreihe „Versicherungswissenschaftliche Studien“ (VersWissStud) herausgibt mit Beiträgen zu den Wissenschaftstagungen und Dissertationen und anderen Abhandlungen (20 Bände bis 2002). Von links: Prof. Dr. Hans Peter Schwintowski (HumboldtUniversität zu Berlin), Prof. Dr. Jürgen Basedow (Universität Augsburg), Prof. Dr, Eberhard Schwark (HumboldtUniversität zu Berlin)

MAI: Der BdV übernimmt die BGH-Revision in einem Prozess zur Überschussbeteiligung einer Kapitallebensversicherung. Er fordert Auskunft über die Überschussentstehung, um danach die Auszahlung einer höheren Überschussbeteiligung einklagen zu können (Gothaer). Der BGH entscheidet in 1994 gegen den BdV. Der BdV legt im Januar 1995 Verfassungsbeschwerde ein, die erst im Jahre 2002 den verantwortlichen Stellen (Bundesregierung, BAV, GDV und dem beteiligten Unternehmen) „zugestellt“ wird.

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JUNI: 3. BdV-Wissenschaftstagung u.a. zu den Themen Deregulierung und Kfz-Haftpflichtversicherung. Richter und Wissenschaftler unterstützen die BdV-Forderungen (Titelseite der BdV-INFO 2/93):

Prof. Wolfgang Römer, Richter am Bundesgerichtshof: „Das Versicherungsvertragsgesetz sollte klare Regelungen über Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag enthalten.“

Prof. Dr. Jürgen Basedow: „Die Deregulierung muss durch flankierende Maßnahmen unterstützt werden, damit bei größtmöglicher Transparenz - der Wettbewerb funktionieren und allen nützen kann.“

Prof. Dr. Eberhard Schwark: „Informationspflichten für Versicherungsunternehmen müssen eingeführt werden, wobei gleichzeitig das Instrument einer zivilrechtlichen Sanktionierung bei Verletzung dieser Pflichten entwickelt werden muß.“

Prof. Dr. H.-P. Schwintowski: „Gesetzliche Regelungen müssen sicherstellen, daß Tarife in der Kfz-Haftpflichtversicherung sachgerecht, diskriminierungsfrei und transparent sind, wodurch z. B. Ausländertarife verhindert werden.“

Prof. Dr. Norbert Reich: „Ein Künidgungsrecht für langfristige Versicherungen muß eingeführt werden. Unkündbare Zehnjahresverträge nehmen dem Verbraucher die Vorteile des EG-Binnenmarktes.“

Prof. Dr. Ulrich Meyer: „Per Gesetz müssen die Kalkulationsfehler der privaten Krankenversicherung verhindert werden, die für die oft untragbaren Beitragserhöhungen für alte Menschen ursächlich waren.“

Prof. Dr. Udo Reifner: „Kapitallebensversicherungen sind keine Versicherungen. Sie sollten wie Bankgeschäfte als Spar- und Anlageverträge geregelt und behandelt werden.“

Prof. Dr. Jörg Finsinger: „Wegen möglicher Insolvenzen sollte man über einen Konkurssicherungsfonds nachdenken.“

Über die Tagung berichtet der erste Band der „Versicherungswissenschaftlichen Studien“ (VersWissStud) u.a. mit einem Beitrag von BdV-Geschäftsführer Meyer zur Problematik der Kfz-Versicherungstarife aus Sicht des BdV. JUNI: Das OLG Hamburg hatte in 1990 eine BdV-Klage auf Bestimmung der Überschussbeteiligung durch das Gericht (gemäß § 315 VBGB) abgewiesen und die Revision nicht zugelassen, siehe oben Seite 9. Die BdV-Verfassungsbeschwerde aus dem Jahre 1990 wird zurückgewiesen. Der Rechtsweg sei nicht versagt worden.

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OKTOBER: Das Bundesverfassungsgericht fasst am 19. Oktober einen wichtigen Beschluss zum Schutz der Privatautonomie (NJW 1994, 36), auf den sich der BdV in allen Gerichtsverfahren beruft, weil er gerade im Versicherungswesen wegen der Informationsunterlegenheit der Verbraucher große Bedeutung hat: „Heute besteht weitgehende Einigkeit darüber, daß die Vertragsfreiheit nur im Falle eines annähernd ausgewogenen Kräfteverhältnisses der Partner als Mittel eines angemessenen Interessenausgleichs taugt und daß der Ausgleich gestörter Vertragsparität zu den Hauptaufgaben des geltenden Zivilrechts gehört.“ - Ähnlich Prof. Bryde im Jahre 1997 (Foto): „Das Sozialstaatsprinzip erlaubt es nicht, die Lebensversicherten in einer Position zu belassen, die ihnen das für das Vertragsgeschehen ansonsten zur Verfügung gestellte Instrumentarium zur Wahrnehmung der eigenen Rechte weitestgehend entzieht.“

NOVEMBER: Der BdV warnt in der BdV-INFO vor dem neuen „legalen Betrug“ durch private Rentenversicherungen, die zu Beginn der 90er Jahre wegen der „berechtigten“ Kritik an der Kapitallebensversicherung verstärkt als „die bessere Alternative“ angeboten werden.

1994

JANUAR: Das Bundeskabinett stellt einen Entwurf zur Umsetzung von EU-Richtlinien vor: Zehnjahresverträge sollen weiterhin unkündbar bleiben, keine Lösung für das Bezahlbarkeitsproblem der privaten Krankenversicherung im Alter, kein Verbot von Ausländertarifen in der Kfz-Versicherung, keine vernünftigen Regelungen zu Informationspflichten vor einem Vertragsabschluss.

FEBRUAR: Um den Verantwortlichen zu beweisen, wie nachteilig die Zehnjahresbindung an Versicherungen ist, hat der BdV eine Mitgliederbefragung bei EMNID in Auftrag gegeben. Ergebnis: 12.889 Mitglieder antworten, 97 Prozent wünschen ein jährliches Kündigungsrecht. Weil 87 Prozent der Befragten ihre teuren Versicherungen nicht kündigen konnten, haben sie insgesamt 15 Millionen Mark verloren (hochgerechnet auf alle Bundesbürger ein Verlust von 50 Milliarden Mark).

APRIL / MAI: Der BdV kämpft in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf 1/94 zur Umsetzung von EU-Richtlinien um Verbesserungen: „Ursachen für die vielen Mißstände, für die finanziellen Verluste und für den schlechten Versicherungsschutz der Bundesbürger sind einerseits die Unwissenheit der Verbraucher und andererseits fehlende gesetzliche Regelungen für klare Vertrags- und Vermögensverhältnisse. Die dadurch entstandene Intransparenz macht Wettbewerb unmöglich und ermöglicht gleichzeitig den Mißbrauch anvertrauter Versichertengelder durch Versicherungsunternehmen.“ - Der Gesetzentwurf wird mit den Stimmen der Koalition (CDU/CSU, FDP) angenommen. Die Bundestagsabgeordnete Lilo Blunck (SPD) und der BdV erreichen danach noch über den Bundesrat ein Kündigungsrecht nach 5 statt 10 Jahren, und dass Staatsangehörigkeit als Tarifmerkmal in der Kfz-Versicherung verboten wird (§ 81e VAG). - Lilo Blunck: „Ohne die tatkräftige und engagierte Unterstützung des BdV wäre vieles beim Alten geblieben. Dafür möchte ich dem BdV besonders herzlichen Dank sagen.“

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JUNI: 4. BdV-Wissenschaftstagung zu den Themen Informationspflichten und Europäisierung des Versicherungswesens. Über die Tagung berichtet der 2. Band der Versicherungswissenschaftlichen Studien u.a. mit einem Beitrag von BdV-Geschäftsführer Meyer zum Wissenschafts-, Gesetzgebungs- und Rechtsprechungsversagen im Versicherungswesen.

Über die Wissenschaftstagung berichtet der Band 2 der Versicherungswissenschaftlichen Studien. Über die Auswirkungen der EU-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln referierte der renommierte AGBG-Kommentator Prof. Brandner (Foto li.). Die Diskussion leitete Prof. Basedow (Foto re.), AGBG-Kommentator für den Münchener Kommentar.

JULI: Der Bundesgerichtshof entscheidet zugunsten des BdV: Die Revision der Allianz gegen das Urteil des OLG München, das die Zehnjahresverträge für unwirksam erklärt hatte, wird zurückgewiesen. Begründung des BGH: Zehnjahresverträge schränkten den Wettbewerb und die Dispositionsfreiheit der Versicherten ein. Schwere Nachteile des Versicherungsnehmers würden durch eventuelle Vorteile nicht annähernd aufgehoben.

Der jahrelange Kampf um § 10a VAG und § 5a VVG Die in § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes geregelte „Verbraucherinformation“ sollte nach den Vorstellungen der EU-Kommission die Verbraucher vor dem Vertragsabschluss über den wesentlichen Inhalt des Vertrages informieren und ihnen helfen, die Angebote zu vergleichen und den für sie geeigneten Vertrag zu finden. Die deutsche Versicherungsbranche hatte aber unbemerkt einen § 5a in das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geschmuggelt und die EU-Bestrebungen zunichte gemacht: Die Versicherer erfüllen danach ihre Informationspflicht auch dann, wenn sie die Verbraucherinformation erst mit der Police erteilen. § 5a VVG regelt ein Widerspruchsrecht, das den Vertrag erst 14 Tage nach Erhalt der Police wirksam werden lässt, den Vertragsabschluss also auf 14 Tage nach Erhalt der Police verlegt, so dass eine mit der Police versandte Verbraucherinformation noch - wie es die EU wollte - „vor Vertragsabschluss“ erteilt wurde. Der BdV wendet sich an die EU-Kommission, weckt auch Interesse an dem Vorwurf der fehlerhaften Umsetzung von EU-Richtlinien. Bundesregierung und Branchenlobby können die EU-Kommission aber beschwichtigen und von einer Klage beim EuGH abhalten.

Der BdV stützt in den nächsten Jahren viele Aktionen und eine Prozesswelle auf § 5a VVG, der auch ein Widerspruchsrecht gewährt, wenn die Verbraucherinformation überhaupt nicht oder nicht vollständig erteilt wurde (siehe APRIL 1997). Da kein deutscher Lebensversicherer über die wirtschaftlichen Nachteile von Lebens- und Rentenversicherungen informiert, kann man diesen Verträgen bis zu einem Jahr nach Zahlung des ersten Beitrages widersprechen und alle Beiträge plus 7 Prozent Zinsen (Kapitalanlagerendite) zurückfordern. (siehe auch APRIL 1997 und DEZEMBER 1999).

OKTOBER: Der BdV tritt unter einem neuen Logo auf. Zur Information der Verbraucher über „richtiges Versichern“ gibt der BdV in einer Millionenauflage die Broschüre „Der große Versicherungs-TEST“ heraus. Binnen weniger Monate haben Tausende den eingehefteten Fragebogen ausgefüllt und an den BdV geschickt und daraufhin einen ausführlichen Informationsbrief erhalten, der jeweils nach den individuellen Daten per Computer erstellt wird mit vielen Entscheidungshilfen für einen bedarfsgerechten Versicherungsschutz zu günstigen Beiträgen. Diese drei Experten haben das BdV-Informations-System entwickelt. Hans Dieter Meyer (li), Gunda Drewke, Versicherungsberaterin, und Olle Hansson, EDV-Systemberater und Programmierer

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NOVEMBER: Der BGH weist die BdV-Revision auf höhere Überschussbeteiligung für Lebensversicherte zurück (siehe Seite 9). Es gäbe zwar „Spielräume“ der Unternehmen beim Umgang mit Versichertengeld. Der Gesetzgeber habe das aber „gebilligt“. Damit können Lebensversicherer den Umfang ihrer geschuldeten Leistungen weiterhin einseitig bestimmen. - BdV-Geschäftsführer Meyer: „Der BGH hatte offensichtlich Angst vor den Folgen eines gerechten Urteils.“ - Prof. von Hippel (Foto): „Das Urteil ist verfassungsrechtlich bedenklich.“ - Der BdV legt Anfang 1995 gegen das BGH-Urteil Verfassungsbeschwerde ein, die Anfang 2002 den zuständigen Stellen „zugestellt“ wird. Prof. Basedow in Capital 1/95: „Die Erfolgsaussichten der Beschwerde müßten gut sein. Der Überschuß, aus dem die Versicherten eine Beteiligung erhalten, darf nicht durch buchhalterische Tricks kleingerechnet werden.“

BdV-Mitgliederversammlung: Der gerichtlich zugelassene Versicherungsberater Rüdiger Falken wird zum 2. BdV-Vorsitzenden gewählt.

1995 FEBRUAR: „Unfallversicherung zum Nulltarif“ - So hatte die Allianz für ihre nicht empfehlenswerte (weil unrentable) Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr geworben, bei der der Versicherungsschutz scheinbar nichts kostet. Aufgrund einer Abmahnung des BdV verpflichtet sich die Allianz, die irreführende Werbung zu unterlassen. BdV-Euro-Versicherungstagung Unter Beteiligung des BAV, von Versicherungsunternehmen, Vermittlern, Medien und Verbraucherschützern versucht der BdV eine konzertierte Aktion ins Leben zu rufen, um zu allen Versicherungen der privaten Haushalte Kernbedingungen zu entwickeln mit Klauseln, die das bausteinmäßige Zusammenstellen des Versicherungsschutzes ermöglichen. Die Kernbedingungen und jeder Baustein müssten mit einem gesonderten Beitrag angeboten werden. Die Information und ein Angebotsvergleich würden den Verbrauchern dadurch wesentlich erleichtert. Das Vorhaben scheitert am mangelnden Interesse der Branche an mehr Transparenz und an besseren Angebotsvergleichen.

Auf der Tagung diskutierten auf dem Podium unter Leitung von Prof. Basedow Kurt Jaks (HUK Coburg, li), Edda Castelló (Verbraucherzentrale Hamburg) und Dr. Helmut Müller (Vizepräsident des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen, der die Einführung von Bausteinbedingungen begrüßen würde.

MAI: Der BdV hatte der PKV-Branche in der BdV-INFO vorgeworfen, in vielen Bereichen zu „mogeln“. Der PKV-Verband verklagt den BdV und unterliegt beim LG Hamburg. Vier PKV-Unternehmen, die den BdV in gleicher Sache beim LG Köln verklagt hatten, werden auch dort abgewiesen.

5. BdV-Wissenschaftstagung. Neben der Lebensversicherung ist ein Hauptthema der Versicherungsvertrieb. Der BdV macht deutlich: „Versicherungen sind eine ungeheuer wichtige Sache. Von Versicherungen hängen Millionen Menschen- und Familienschicksale ab. Unter dem Deckmantel von Versicherung wird aber sehr viel Schindluder getrieben - von Anbietern, ihren Vermittlern und Drückern. Der Grund: Wegen der ungeteilten Prämie und der ungeregelten Vertrags- und Vermögensverhältnisse können die Unternehmen ungerechtfertigte Gewinne machen. Und dementsprechend dirigieren sie ihre Vermittler mit hohen Provisionen zum Abschluss von profitträchtigen Versicherungen, die für die Verbraucher nicht bedarfsgerecht sind. Bedarfsgerechte Versicherungsvermittlung

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BdV-Chronik 1982 - 2002 ist deshalb nur zu erreichen, wenn die Vermittler durch mögliche Schadensersatzansprüche diszipliniert werden. Vermittler müssten gezwungen werden, die Bedarfsermittlung und die Vorschläge zur Bedarfsdeckung nachvollziehbar zu gestalten (Vermittlungsprotokoll). Oder es müsste - wie in § 32 Wertpapierhandelsgesetz - verboten werden, Verträge zu vermitteln, die nicht den Interessen des Versicherten entsprechen. Wir hätten von heute auf morgen andere Verhältnisse in unserem Versicherungswesen.“ In der Diskussion wurden von der Mehrheit der Teilnehmer die von der Branche geforderte Ausbildung und Registrierung von Vermittlern als nachrangig angesehen und vorrangig gesetzliche Rahmenbedingungen gefordert, die eine nachvollziehbare Bedarfsermittlung und Bedarfsdeckung vorschreiben und eine Haftung für Versicherungsfehler regeln.

Prof. Dr. Ulrich Meyer wird in den Wissenschaftlichen Beirat beim BdV berufen und wird mitglied der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission zur Überprüfung der Prämienkalkulation in der privaten Krankenversicherung. JULI: Der BdV hatte Widersprüche gegen die Genehmigungen des BAV zu Bestandsübertragungen der Lebensversicherungsunternehmen Volksfürsorge, Nürnberger und Victoria eingelegt, die von der BAV-Beschlusskammer abgewiesen wurden. Der BdV klagte daraufhin beim Bundesverwaltungsgericht, das im Jahre 1996 alle drei Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Bestandsübertragung Deutscher Herold aussetzt (die entsprechende BdV-Verfassungsbeschwerde in dieser Sache wurde erst Anfang 2002 den zuständigen Stellen „zugestellt“). - Weitere Verfahren wegen Bestandsübertragungen der Hamburg Mannheimer (1997), der Deutschen Lebensversicherung AG auf die Allianz (1998) und der Gothaer (2001) ruhen aus gleichem Grunde bei der BAV-Beschlusskammer.

Bundeskanzler Kohl ehrt die größte Drückerkolonne (Deutsche Vermögensberatung DVAG) und deren Chef Reinfried Pohl zum 20jährigen Bestehen. Der BdV hatte versucht, das zu verhindern, aber das Kanzleramt schrieb an den BdV: „Nach den hier vorliegenden Informationen ergaben sich keine Anhaltspunkte für ein rechtlich zu beanstandendes Verhalten der DVAG.“ - Dabei wussten und wissen alle: Als die Mauer fiel, haben vor allem Pohls ,Deutsche Vermögensberater' in den neuen Bundesländern ,verbrannte Erde' angerichtet. Die DVAG ist auch für Milliardenverluste der Bundesbürger durch falsche und überteuerte Versicherungen verantwortlich. DER SPIEGEL: „Die meisten Mitarbeiter scheiden wegen Erfolglosigkeit wieder aus der Kloppertruppe aus, sobald sie die Adressen ihrer Freunde und Verwandten abgegrast haben. Zurück bleiben zerstörte Privatbeziehungen.“ - Als Spenden- oder Zahlungsempfänger, Beiratsmitglieder oder Generalbevollmächtigte standen bzw. stehen der Liste von Reinfried Pohl (der mit 2 Bundesverdienstkreuzen ausgezeichnet wurde): CDU und FDP, Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl, Ex-Kanzleramtsminister Bohl, Ex-Regierungssprecher Friedhelm Ost, die Ex-Minister Kanther, Wallmann, Dregger, Jahn und Stoltenberg, Ex-FDP-Chef Gerhardt, Ministerpräsident Bernhard Vogel, Ex-Kanzlerberater Teltschik, Ex-Europaparlaments-Präsident Klepsch, ZDF-Chef Stolte, IHK-Frankfurt-Präsident Niethammer .... - Und so bejubelte Kohl die größte Drückerkolonne DVAG: „Der eine oder andere kann hier eine Anleihe nehmen, wie man's macht. Von solchen Männern und Frauen lebt die Zukunft unseres Landes.“

NOVEMBER: Der BdV stellt auf einen Schlag zwei Volljuristinnen, Frau Göhren und Frau Scherliess, und einen Betriebswirt, Herrn Rudnik, als Berater ein.

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In der BdV-INFO stellt der BdV eine Reihe von Zitaten zusammen unter der Überschrift „Na, wem gehört denn nun das Geld bei Lebensversicherungen?“: Gerhard Rupprecht, Allianz-Leben-Vorstand, in einem Schreiben an einen Kunden: „Seit 1988 verzinsen wir das Kapital unserer Kunden mit 8%.“ - Der Deutsche Herold in einer Verbraucherinformation: „Wie wird Ihr Geld angelegt?“ - Der Gerling verspricht einen „sparsamen Umgang mit Ihrem Geld“. - Die Allgemeine Rentenanstalt schreibt: „Ihr Geld wird bei uns treuhänderisch verwaltet.“ - So auch die Cosmos und eine Verbandsbroschüre aus den 80er Jahren: „Die Lebensversicherungs-Unternehmen legen die treuhänderisch verwalteten Gelder ihrer Versicherten sicher und gewinnbringend an.“ Im Juli 1997 sagt Dr. Bernd Michaels (Foto li.) als Verbandspräsident in der Wirtschaftswoche: „Wir verwalten für unsere Kunden das Geld nicht bloß treuhänderisch. Wir nehmen ihnen auch das Risiko ab, bei der Kapitalanlage schlecht abzuschneiden oder gar Geld zu verlieren.“

So auch der Vorstandsvorsitzende des Allianz Konzerns, Henning Schulte-Noelle, im April 2001 in der Fernsehsendung Christiansen: „Wir sind treuhänderisch tätig für unseren Versicherungsnehmer.“ (Foto)

Mit solchen Sprüchen haben die Versicherer mit Erfolg bei den Verbrauchern den (falschen) Eindruck erweckt, sie verwalteten Geld der Versicherten treuhänderisch. Tatsächlich verfügen sie aber weitgehend beliebig über das Versichertengeld, gleichen damit ihre unternehmerischen Verluste und Kostenüberschreitungen aus und kassieren Erträge und Überschüsse wie auch Wertsteigerungen als ihren „Gewinn“ - so die Nürnberger in einem BdV-Prozess: „Die Art und Weise der Verwendung der Prämie ist allein Sache des Versicherers.“ Wegen dieser Vortäuschung falscher Tatsachen und der Absicht, mit entsprechend intransparenten Verträgen ungerechtfertigte Gewinne zu erzielen, bezeichnet der BdV kapitalbildende Versicherungen als „legalen Betrug“, wobei das Attribut „legal“ darauf hinweist, dass der Gesetzgeber den „Betrug“ billigt.

DEZEMBER: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) bestätigt eine Entscheidung des Aufsichtsamtes: Das BAV hatte die Umwandlung des Lebensversicherungsvereins R+V in eine AG genehmigt. Als Abfindung erhielten die Mitglieder (als Eigentümer des Vereins) etwa eine Milliarde Mark weniger, als das Vereinsvermögen ausmachte. Die R+V weigerte sich, stille Reserven in dieser Höhe mit anzurechnen. Sie wurden Vermögen der „neuen“ AG. Das Aufsichtsamt wies den Widerspruch des BdV zurück. Der BdV erhebt im Mai 1996 Verfassungsbeschwerde gegen das BVerwG-Urteil, die erst im Januar 2002 den zuständigen Stellen „zugestellt“ wird.

1996 FEBRUAR: Mit einer Klage gegen die Hamburg-Mannheimer (HM) eröffnet der BdV seinen Kampf gegen Wucherprämien in der Unfallversicherung. Bei Unfallversicherungen werden oft nur 20 bis 30 Prozent der Prämien für wirkliche Versicherungsleistungen ausgezahlt und 70 bis 80 Prozent der Prämien und alle Kapitalerträge Kosten und Gewinne für ihre Dienstleistungen „missbraucht“. Das Problem ist, dass die Unternehmen diese Dienstleistungspreise nicht angeben. Im Vergleich z. B. zur Kfz-Versicherung sind sie wucherisch; denn dort werden nur um die 20 Prozent für Kosten und Gewinne verbraucht. - Die HM beruft sich darauf, dass die Staatsaufsicht doch nicht eingegriffen habe. Dazu ein Schreiben des BAV vom 04.12.96 (Z 6 - 896/96): „Die Festlegung der Prämien in der Unfallversicherung liegt im geschäftspolitischen Ermessen der Versicherungsunternehmen. Das BAV kann gegen zu hohe Prämien nicht einschreiten.“ (anders das BVerwG in Sachen Allianz Konzerntrennung, Seite 8). Die Klage des BdV wird abgewiesen. Der BdV geht im September 1996 in die Berufung, die im Dezember 1997 zurückgewiesen wird. Im Februar 1998 legt der BdV Verfassungsbeschwerde ein, die erst im Januar 2002 an die zuständigen Stellen „zugestellt“ worden ist.

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BdV-Chronik 1982 - 2002

APRIL: Die Stiftung Warentest untersuchte 70 Lebensversicherer. Bei den Vertragsdaten erhielten mehr als die Hälfte ein „Mangelhaft“. FINANZtest bestätigte in seinem Bericht über den Test die BdV-Meinung: „Aktie schlägt Versicherung - Flexibler mit Fonds - Als Geldanlage ist die Kapitallebensversicherung keineswegs unschlagbar. Die Kapital-Lebensversicherer sorgen sich offensichtlich mehr um ihre eigenen Erträge als um die ihrer Kunden.“ - BdV-Dauerempfehlung: Trennen Sie Versicherung und Geldanlage! Zur Familienversorgung eine Risiko-Lebensversicherung abschließen, die - im Vergleich - nur 5 Prozent des Beitrages kostet, und die eingesparten 95 Prozent selbst langfristig, aber flexibler und rentabler anlegen (z.B. in Aktienfonds).

Der BdV kritisiert die neue Arbeitslosigkeitsversicherung der Volksfürsorge (Vofü) als „Mogelpackung“. Hier wird mit der hohen Arbeitslosigkeit Stimmung gemacht, um an das Spargeld der Bürger ranzukommen. Die Vofü hat ihr Angebot mit einem Sparvorgang verbunden - wie bei Kapitallebensversicherungen. 500.000 Verträge wollte die Vofü im ersten Jahr abschließen. Nur ein paar hundert Verträge waren es bis 2002. Ein Flop!

Der BdV berichtet über drastische Kürzungen von Privatrenten Dr. W. J. aus H.: „Nach einer Rentenzahlung von 1 1/2 Jahren sah sich die Alte Leipziger gezwungen, meine Überschußrente um 38,3 % zu kürzen.“ Gesamtrentenkürzung 13,5 %. - BdV-Dauerempfehlung: Kapital anderweitig ansparen und erst im Alter - wenn man mit einer langen Lebenserwartung rechnen kann - das Kapital eventuell als Einmalbeitrag in eine Rentenversicherung mit sofort beginnender Rente einzuzahlen.

MAI: 6. Wissenschaftstagung in Bad Bramstedt

Der berühmte Verbraucheranwalt Ralph Nader (Foto) aus den USA referierte über das Thema „Versichertenschutz in den USA“

Prof. Basedow, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates beim BdV überreicht Ralph Nader einen Band deutscher Versicherungsgesetze in englischer Sprache.

Weitere Themen: Versicherungsreform und Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen. Über die Tagung berichtet der 6. Band der VersWissStud u. a. mit einem Beitrag von BdV-Geschäftsführer Meyer zum Reformbedarf des Versicherungsrechts.

Der BdV hat 2 Tatorte für den „legalen Betrug“ bei kapitalbildenden Versicherungen ausgemacht: 1. die Versicherungsvermittlung, wo das Versichertengeld beschafft wird, und 2. die Rechnungslegung, wo das Versichertengeld weitgehend beliebig für Kosten missbraucht wird und in dunklen Kanälen oder stillen Reserven verschwindet. Auf eine Trennung der Prämien zu warten, die den weiteren Missbrauch von Versichertengeld verhindern würde, das kann lange dauern. Also schlägt der BdV vor, sich als erstes an den Tatort Nr. 1 heranzumachen (siehe MAI 1995). Über die BdV-Forderung und ihre Wirkung berichtet das Handelsblatt am 26. Mai 1996: „Fehlerhafte Beratung soll Konsequenzen haben - Die Beratungs- und Haftungsvorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes sollen auch die Versicherungsvermittlung regulieren. Entsprechende Vorschläge stießen auf der diesjährigen Wissenschaftstagung des BdV auf breite Zustimmung. BdV-Geschäftsführer Meyer sieht in der heutigen ,gewinn- und provisionsorientierten' Versicherungsvermittlung den Grund dafür, daß Millionen Deutscher falsch versichert seien. Ministerialrat Martin Hagena vom Niedersächsischen Wirtschaftsministerium will, ebenso wie sein Kollege Björn Christian Stein aus Hessen, die Idee für die aktuelle Bundesratsinitiative aufgreifen.“ -

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Die BdV-Forderung wird auch vom späteren BAV-Präsidenten, Dr. Helmut Müller, unterstützt: „Daß der Vermittler bedarfsgerecht beraten muß, sollte im Gesetz verankert werden. Man sollte auch eine Protokollierung der Gespräche verlangen. Wer seine Kunden - wissentlich oder fahrlässig - falsch berät, sollte für den Schaden auch haften.“ -

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Auch Prof. Reimer Schmidt empfiehlt später im Jahre 1999 auf der 9. BdV-Wissenschaftstagung, dass der Komplex „Versicherungsvermittlung“ als allererster reformiert werden sollte.

Der oben erwähnte 2. Tatort für den „legalen Betrug“ war das zweite große Thema der BdV-Wissenschaftstagung: die Rechnungslegung der Versicherungsunternehmen. Die Rechnungslegung geht bisher davon aus, dass Versicherungs-Aktiengesellschaften Versicherung „produzieren“ und gegen die Prämie als „Preis“ „verkaufen“. Danach sind die Prämien „Umsatz“, Versicherungsleistungen „Kosten“ und die aus Sicherheitszuschlägen resultierenden Jahresüberschüsse „Unternehmensgewinne“. Der BdV hat erkannt, dass sich diese „betriebswirtschaftliche Märchenwelt“ (Prof. Lehmann) nur durch eine ökonomische Analyse entzaubern lässt, und drei Gutachtenaufträge an Prof. Dr. Matthias Lehmann (Foto li.), Prof. Dr. Dieter Rückle (Foto re.) und Dr. Karl Kirchgesser von der Universität Trier vergeben, über deren Ergebnisse die Wissenschaftler auf der BdV-Wissenschaftstagung berichteten. Die Gutachten wurden auch als Band 5 der VersWissStud unter dem Titel „Versicherungsvertrag und Versicherungs-Treuhand, Überschussermittlung und Überschussverwendung“ veröffentlicht. Aus dem Vorwort: „Die Autoren sind Ökonomen und behandeln in der vorliegenden Schrift Rechtsgebiete des Versicherungsgeschäfts... Reimer Schmidt, hat sich als Jurist vielfach zum Thema „Versicherungsrecht und Ökonomie“ geäußert. Er stellte fest, daß sich „der Aufbau der modernen Versicherungswirtschaft vollzog, ohne daß es wesentliche ökonomisch-wissenschaftliche Vorarbeiten gab.“ So bezeichnet Schmidt Versicherung auch als „ein primär ökonomisches Phänomen, das noch der juristisch einwandfreien Ausformung bedarf.“ Und er meint, daß „die gedankliche Funktion eines Aufbereiters der großen Fragen der Privatversicherung von den Juristen auf die ökonomischen Wissenschaften übergegangen ist.“ Dieser Aufgabe wollen sich die Autoren stellen, zumal um die Rechtsnatur des Versicherungsvertrages in letzter Zeit zunehmend gestritten wird und die Antworten auf die entscheidenden Fragen weitreichende Folgen für die Praxis haben - bis hin zu mehr Transparenz und Wettbewerb sowie klaren Vertrags- und Vermögensverhältnissen. - Derzeit wird der Inhalt des Versicherungsvertrags als „Leistung gegen Entgelt“ verstanden. Die ökonomische Analyse weist dagegen das im Vertrag Angebotene als ein Bündel von verschiedenartigen Komponenten aus: Dienstleistungs-, Risiko- und Kapitalanlage-Komponente. Der Versicherungsvertrag verwirklicht mithin das dreiteilige Ausgleichsprinzip.“ So - sicher ungewollt - auch der Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, Dr. Bernd Michaels, in „Versicherungswirtschaft“ 7/94, 450: „Es spreche viel dafür, bei Versicherungsunternehmen nur den Verwaltungskostenanteil als Produktionswert zu berücksichtigen. Die Versicherungswirtschaft sei doch etwas ganz anderes als das produzierende Gewerbe.“ - So auch die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen aller Länder: Versicherung produziert nichts, sondern ist nur ein Geldumverteilungsvorgang. Als Entgelt und Umsatz der Unternehmen wird danach nur der in der Prämie enthaltene „Dienstleistungsanteil“ verbucht.

JUNI: BdV bekämpft PKV-Anzeigenserie, die in vielen Tageszeitungen abgedruckt war. Der Verband der privaten Krankenversicherung (PKVV) startete die Serie mit dem Slogan: „Hoher Beitrag im Alter? - Problem erkannt, Problem gelöst“. Die Werbung ist irreführend, weil gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen das Bezahlbarkeitsproblem zwar gemildert, aber nicht beseitigt („gelöst“) haben. Der PKV-Verband unterwirft sich einer vom BdV beantragten einstweiligen Verfügung, die Werbung zu unterlassen und die Begleitbroschüren nicht weiter zu verbreiten. - Der PKV-Verband ändert daraufhin den Slogan seiner Anzeigenkampagne ab in „Hoher Beitrag im Alter? - Problem erkannt, Sicherung eingebaut“. Auch diese Aussage ist irreführend. Der PKV-Verband unterwirft sich einer erneuten einstweiligen Verfügung des BdV. Damit konnte der BdV aber leider nicht verhindern, dass Millionen Menschen irreführend informiert wurden.

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AUGUST: Im Gesetzentwurf des Bundesrates zur Versicherungsvermittlung (siehe oben MAI 1996) waren nur die Pflichten der Vermittler zur Information, zur sachgerechten Risikoanalyse und zum Anbieten bedarsfgerechter Versicherungen geregelt, aber keine Sanktionen bei einer Verletzung dieser Pflichten. Diese fordert der BdV auf einem eigens dafür veranstalteten BdV-Pressegespräch im CCH Hamburg: Die Bundestagsabgegordnete Lilo Blunck (SPD), Prof. Dr. Jürgen Basedow (FU Berlin), Edda Castelló (Verbraucherzentrale Hamburg), Rüdiger Falken (Bundesverband Deutscher Versicherungsberater) und BdV-Geschäftsführer Meyer unterschrieben vor versammelter Presse eine gemeinsame Resolution (Auszüge): „Fast alle Bundesbürger sind gefährlich falschversichert, vor allem im Bereich der Berufsunfähigkeits- und Familienvorsorge. Für den schlechten Versicherungsschutz der Deutschen ist nicht eine mangelhafte Ausbildung der Vermittler ursächlich, sondern Ursachen sind (1) die gesetzlichen Ungeregeltheiten, die den Gesellschaften ungerechtfertigte Gewinne ermöglichen (vor allem aus nicht bedarfsgerechten Kapitallebensversicherungen und überteuerten Prämien), und (2) das Provisionssystem, mit dem die Gesellschaften - gewinnorientiert - die Vermittler zum Abschluß gewinnträchtiger, aber nicht bedarfsgerechter Versicherungen hinsteuern. Das Provisionssystem würde sich kurzfristig ändern, wenn Vermittler und Gesellschaften für Falschinformation und für die Vermittlung nicht bedarfsgerechter Versicherungen haften müßten und Schadensersatz von den betroffenen Verbrauchern auch einklagbar wäre. Zur Haftung, zur Nachvollziehbarkeit des Vertragsabschlusses steht (noch) nichts im Gesetzentwurf. Diese Nachbesserung wird dringend gefordert und würde mit dem Ergebnis einer besseren privaten Absicherung der Bürger auch zur Entlastung der Sozialhilfe-Haushalte der Bundesländer führen.“

Die BdV-Inititativen bewirken, dass in den Bundesrat-Gesetzentwurf neben den Regelungen der Informationspflichten in § 48a VVG-E ein Absatz 4 eingefügt wird: „(4) Ist die Erfüllung der dem Versicherungsvermittler obliegenden Verpflichtungen streitig, trifft den Versicherungsvermittler die Beweislast dafür, daß der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre.“

Während die Branche das Gesetz zunächst selbst gefordert hatte, kehrte sich mit der vom BdV erstrittenen Beweislastregelung ihre Begeisterung um. Aber alle Mühen des BdV und alle Aufregung der Branche waren umsonst: Der Gesetzentwurf wurde vom damaligen Bundestag abgelehnt.

Die Allianz-Lebensversicherung hatte beim Test der Stiftung Warentest (siehe APRIL 1996) auch ein „Mangelhaft“ erhalten und versucht, dieses Urteil durch einen AllianzRundbrief an alle Kunden zu korrigieren mit einer grafischen Darstellung, wonach die Allianz-Versicherten eine „Gesamtverzinsung von 7 bis 8 Prozent“ auf „Ihr“ Kapital erhielten. Der BdV beantragt eine einstweilige Verfügung beim LG Stuttgart, diese irreführende Aussage zu unterlassen. Auf „Empfehlung des Gerichts“ erklärt die Allianz im Gerichtssaal, sie werde Zinsangaben künftig mit dem Hinweis versehen, dass sich die Verzinsung nicht auf die insgesamt gezahlten Beiträge bezieht, sondern nur auf das für den einzelnen Versicherten angesammelte Spargeld (Deckungskapital), und dass sie die Formulierung „Ihr Kapital“ nicht mehr verwenden wird, weil diese Formulierung den falschen Eindruck einer treuhänderischen Geldverwaltung entstehen lässt.

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NOVEMBER: Die vom BdV betriebene Verfassungsbeschwerde gegen die Kfz-Versicherungstarife wird nach 15 Jahren Verfahrensdauer (siehe FEBRUAR 1993) ohne ein Wort der Begründung nicht angenommen. Der BdV hält es trotzdem für verfassungswidrig, dass in der gesetzlich vorgeschriebenen Kfz-Haftpflichtversicherung Autofahrer in bestimmten Regionen - ob mit oder ohne Schaden - höhere Prämien zahlen müssen als gleiche Autobesitzer anderswo. Diese Ungleichbehandlung verstößt gegen die Versicherungstechnik und alle Regeln der Statistik (was das BVerfG offenbar nicht geprüft hat). Mit finanzieller Förderung durch die EU-Kommission unternimmt der BdV hierzu weitere Untersuchungen im Jahr 2000.

BdV-Großoffensive gegen intransparente Bedingungen kapitalbildender Versicherungen

Rechtswanwalt Joachim Bluhm führt die BdV-Musterprozesse

Da das Bundesaufsichtsamt (BAV) keine nachträgliche Bedingungskontrolle durchführt und diese BAV-Aufgabe - wie das Amt später selbst bestätigt - „den Verbraucherschutzorganisationen und den Gerichten überlässt“, übernimmt der BdV die BAV-Aufgabe und startet seine Großoffensive gegen die Kapitallebensversicherung, indem er gleichzeitig die Allianz, Hamburg-Mannheimer und Nürnberger verklagt. Die Gesellschaften sollen verurteilt werden, in den seit 1995 verwendeten Bedingungen die Klauseln zum Rückkaufswert, zu den Abschlusskosten und zur Überschussbeteiligung nicht mehr zu verwenden, weil diese wegen Intransparenz unwirksam sind (siehe oben NOVEMBER 1995). Den Versicherern soll gleichzeitig verboten werden, sich bei der Abwicklung von nach 1994 geschlossenen Verträgen auf diese Klauseln zu berufen.

Der BdV startet Kampf um die Transparenz kapitalbildender Versicherungen Um diese ab 1995 geltenden Bedingungen geht ab 1995 ein lang andauernder Streit des BdV mit der Lebensversicherungsbranche

Die Regelungen in den angegriffenen Bedingungen von kapitalbildenden Versicherungen lauten:

Das sind die - wegen ihrer Intransparenz nicht erkennbaren Auswirkungen der nebenstehenden Regelungen:

1. Der bei einer Kündigung fällige Rückkaufswert wird nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik berechnet.

1. Jeder Lebensversicherer kann den bei Kündigung fälligen Rückkaufswert weitgehend beliebig (einseitig) bestimmen.

2. Die Abschlusskosten werden nach einem aufsichtsrechtlich geregelten Verfahren mit den ersten Beiträgen verrechnet. 3. Die Überschüsse, an denen die Versicherten beteiligt werden, werden unter Überwachung durch die Aufsichtsbehörde - nach Gesetzen und Rechtsverordnungen ermittelt und verteilt.

2. Jeder Lebensversicherer kann die Abschlusskosten und die Zeitdauer ihrer Verrechnung weitgehend beliebig (einseitig) bestimmen. 3. Jeder Lebensversicherer kann die Überschüsse durch Kostenverschwendungen, Abschreibungen und Hortung stiller Reser ven weitgehend einseitig bestimmen und so die Überschussbeteiligung der Versicherten zugunsten der Aktionäre und zu Lasten der Versicherten heruntermanipulieren.

Ziel der Klagen ist, dass Lebensversicherte bei einer Vertragskündigung oder im Rahmen der Überschussbeteiligung mehr Geld erhalten. Nach Klagabweisung bei allen drei Landgerichten, hat der BdV später gegen die Allianz beim OLG Stuttgart einen Teilerfolg errungen (siehe MAI 1999) und im Jahre 2001 auch beim Bundesgerichtshof in der Revision gegen die Nürnberger (siehe MAI 2001).

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DEZEMBER: 14. BdV-Mitgliederversammlung Neuwahl des Vorstandes: Lilo Blunck, verbraucherpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, wird zur 1. Vorsitzenden gewählt. Weitere Vorstandsmitglieder: Stefan Kühl (2. Vors.), H. D. Meyer (Geschäftsführer), Joachim Staubach (Schatzmeister), Ingrid Hoepfner (Schriftführerin). - Der Vorstand beschließt den Kauf eines 2.500 qm Grundstücks in Henstedt-Ulzburg für den Neubau eines BdV-Bürogebäudes und die Vergabe eines mit 300.000 DM veranschlagten 3-Jahres-Gutachtens an Prof. Dr. Roland Donath (Universität Halle) zur Erarbeitung von Vorschlägen für eine Reform des Versicherungsvertragsgesetzes. - Mit Schreiben vom 11. Februar 1997 gratuliert der Präsident des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen, Dr. Knut Hohlfeld, der 1. Vorsitzenden des BdV, Lilo Blunck, zu ihrer Wahl und schrieb dazu: „Der Bund der Versicherten ist für das Bundesaufsichtsamt ein bedeutender Vertreter der Versicherteninteressen. Der BdV hat eine wichtige Aufgabe und nimmt sie engagiert wahr, oftmals auf einer Linie mit meinem Hause. Auf Fehler und Ungerechtigkeiten muß hingewiesen werden, damit sie einem bewußt werden und man über Verbesserungen nachdenken kann.“

1997 FEBRUAR: STORNO-REKORD bei Kapitallebensversicherungen FOCUS berichtet über einen Storno-Rekord bei Kapital-Lebensversicherungen: Im Jahre 1995 standen 6,9 Millionen Neuverträgen 7,4 Millionen Abgänge gegenüber. Der Hamburger Bund der Versicherten (BdV) schätzt die Verluste, die Lebensversicherte durch die vorzeitige Kündigung ihrer Verträge nur in 1995 erlitten haben, auf 15 bis 20 Milliarden Mark.

Der Vorstandsvorsitzende der Volksfürsorge Lebensversicherung, Hans Jäger, hatte im Fernsehen vollmundig erklärt, sein Unternehmen erreiche Renditen von 6 bis 7 Prozent. Auf Antrag des BdV verbietet das LG Hamburg diese Aussage als irreführende Werbung. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft mahnte daraufhin alle Lebensversicherer zur Vorsicht bei Renditeversprechen.

APRIL: Widerspruch gegen Lebensversicherungen Der BdV startet eine jahrelang andauernde Informationskampagne und Prozesswelle, um Lebensversicherten bis zu einem Jahr nach Zahlung des ersten Beitrages verlustfrei aus unsinnigen Lebens- und Rentenversicherungen raus zu helfen. Grundlage dafür ist, dass alle deutschen Lebensversicherer bei Antragsstellung oder auch später die gesetzlich vorgeschriebene Verbraucherinformation nicht vollständig erteilen oder ganz unterlassen (§ 10a VAG, § 5a VVG, siehe JULI 1994). Tausende von Verbrauchern kommen mit den BdV-Informationen, die auch über BdV-Broschüren verbreitet werden, aus ihren unsinnigen Verträgen raus und erhalten alle Beiträge plus Zinsen zurück. - Einige Unternehmen weigern sich, den Vertrag aufzuheben. Der BdV führt mehrere Prozesse, aber fast alle Gesellschaften kneifen und zahlen, um für die Branche negative Urteile zu vermeiden. Die VGH zahlt z.B. im Juni 1997 den Einmalbeitrag für eine Rentenversicherung von 100.000 DM plus Zinsen zurück, nachdem ein Anwalt mit der BdVMusterklage gedroht hatte. Im August 2001 hat die Hamburg-Mannheimer sogar einen Einmalbeitrag von 200.000 DM plus 23.177,77 DM Zinsen aufgrund eines Widerspruchs zurück gezahlt. Die Wirtschaftswoche berichtet über die BdV-Kampagne: „Angst vor der Niederlage - Versicherer weichen Urteilen immer wieder aus, um verbraucherfreundliche Präzedenzfälle zu verhindern. So geschehen in zwei Fällen im November: Zuerst hatte sich die Hamburg-Mannheimer (HM) geweigert, einer Kundin 10.000 DM zurückzuzahlen. Die Frau zog vor Gericht. Da kniff die HM und zahlte alles Geld samt Prozeßkosten zurück. Dieses Vorgehen hat System. In einem zweiten Prozeß zückte der Anwalt der HM mitten in der Verhandlung Bargeld, verhinderte so ein Urteil. Fazit: Wer sich von einer Police trennen will, kann es ruhig auf einen Prozeß ankommen lassen.“ - Erst im DEZEMBER 2001 (siehe dort) kommt es zu einem ersten Urteil.

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MAI: Die SPD-Bundestagsfraktion hat in aller Stille einen SPD-Gesetzentwurf erarbeitet, der in einem neuen § 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) eine Aufteilung der Versicherungsprämie in ihre Bestandteile Versicherungsbeitrag, Dienstleistungs- und Sparanteil vorschreibt. Der geltende § 1 VVG aus dem Jahre 1908 lautet: „Der Versicherungsnehmer hat die vereinbarte Prämie zu entrichten.“

Die Regelung im SPD-Gesetzentwurf lautet dagegen: „Der Versicherungsnehmer hat zu entrichten 1. einen Preis für die Dienstleistungen des Unternehmens, 2. einen Risikobeitrag für die Versicherungsleistungen, 3. einen Sparbeitrag bei kapitalbildenden Versicherungen. Die Risiko- und Sparbeiträge sind vom Versicherungsdienstleistungsunternehmen als Sondervermögen der Versicherten zu verwalten.“

Hans Martin Bury (MdB, SPD) beschreibt die Ziele des Gesetzentwurfs wie folgt: „Die Aufschlüsselung der Beiträge schafft Transparenz und macht unterschiedliche Angebote überhaupt erst vergleichbar. Die Überschüsse gehören vollständig den Versicherungskunden. Wir werden nicht hinnehmen, daß Lebensversicherte weiterhin mit mageren Renditen abgespeist werden, während sich die Versicherungsunternehmen ihre Bilanzen vergolden. Damit hier kein Mißverständnis aufkommt: Wir sind sehr dafür, daß Unternehmen Geld verdienen. Diese Gewinne müssen aber auch in der Versicherungswirtschaft Resultat unternehmerischer Leistungen sein und dürfen nicht aus dem Griff in die Kundenkasse resultieren.“ Hans Martin Bury bei seiner Rede im Deutschen Bundestag

Im Grunde bliebe mit den Regelungen im SPD-Gesetzentwurf alles wie bisher, nur mit anderen Vermögensverhältnissen (Versicherungsbeiträge- und Spargelder gehörten den Versicherten) und mit Transparenz vom Angebot über den Vertrag bis in die Rechnungslegung. Es gäbe Markt-, Vertrags- und Vermögens-Transparenz als Voraussetzung für Wettbewerb und für die Entwicklung wettbewerbsgerechter Angebote. Rita Lansch im Handelsblatt: „SPD-Reformvorschlag - Das neue Recht würde eine Menge Transparenz in die ,Black box' Versicherung bringen.“ - HUK-Coburg-Chef Rolf Peter Hoenen im Gespräch mit dem Handelsblatt: „Ich kann mir durchaus vorstellen, dem Kunden aufzuschlüsseln, wie viel von seiner Prämie für die Risikoabsicherung und für den Sparvorgang verwendet werden.“ - Peter Hanus, Vorstandschef der neue leben in Hamburg: „Die Aufteilung der Prämie ist möglich.“ - Frankfurter Rundschau: „Den SPD-Gesetzesvorstoß mag die einflußreiche Assekuranz-Lobby noch einmal stoppen können - die Debatte um grundlegende Systemveränderungen läßt sich nicht mehr niederbügeln. Die Diskussion darum hat gerade erst begonnen.“

Der SPD-Gesetzentwurf übernimmt zwar die Ideen des BdV, der die Zulassung einer neuen Versicherungsform mit aufgeteilter Prämie als „Geschäftsbesorgungsversicherung“ fordert. Der BdV hat aber in keiner Weise an dem SPD-Entwurf mitgearbeitet und im übrigen liberalere Reformvorstellungen. Der SPD-Entwurf hat den wesentlichen Mangel, dass er andere Versicherungsformen, insbesondere die traditionelle Prämienversicherung (mit ungeteilter Prämie), nicht mehr zulassen will, was die Branche auch gleich heftig kritisiert: „Die Kapitallebensversicherung wird in Frage gestellt.“ Und die möchten die Unternehmen verständlicherweise gerne erhalten, weil sie durch den Vermögensmischmasch viele Möglichkeiten zum Missbrauch von Versichertengeld bietet. - Durch die Verbuchung der Versicherungsbeiträge und Sparanteile als Sondervermögen der Versicherten, wären den Unternehmen die „Spielräume“ für Gewinnmanipulationen und die Möglichkeiten der Kostenquerverrechnungen genommen. Sie müssten ihre Gewinne - im Wettbewerb - aus gesondert anzugebenden Preisen für ihre Dienstleistungen erwirtschaften. Auch die Versicherungswissenschaft ist aufgeschreckt und veranstaltet innerhalb von wenigen Wochen gleich drei wissenschaftliche Tagungen an den Universitäten Hamburg, Berlin und Münster zum Thema „SPD-Gesetzentwurf“ und „Geschäftsbesorgungsversicherung“. - Dabei war aber alle Aufregung umsonst, weil die SPD zu jener Zeit in der Opposition war und die Regierungsparteien sich geschlossen gegen den SPD-Gesetzentwurf aussprachen, der letztlich - wegen der Diskontinuität der Regierung (wegen des Regierungswechsels in 1998) - nicht weiter verfolgt wurde. Als Regierungspartei hat die SPD den Entwurf nicht neu in den Bundestag eingebracht. Dafür wurde eine Kommission zur Erarbeitung von Vorschlägen für eine Versicherungsreform eingesetzt (siehe Seite 38).

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JUNI: 7. BdV-Wissenschaftstagung. Ein Dauerthema ist die anleger- und objektgerechte Beratung bei der Versicherungsvermittlung. Zu den „Anforderungen an die optimale Beratung (best advice)“ stellt Prof. Ray Hodgin von der University of Birmingham (Foto re.) die englische Position dar.

Der BdV fordert seit seiner Gründung im Jahre 1982 einen Ombudsmann (siehe SEPTEMBER 2001). - Das Problem: Versicherungsunternehmen kassieren die ständigen Überschüsse aus dem mit Versichertengeld gefüllten „Schadenstopf“ als „Gewinn“, den sie durch die Ablehnung, Kürzung oder Verzögerung von Schadenszahlungen steigern können. Diese Besonderheit muss zwangsläufig zu einer Gewinnorientierung im Schadensbereich führen, die natürlich auch medizinische und technische Gutachter kennen. So entsteht für Anspruchsteller oft ein „Gutachterproblem“. Der BdV gibt zu bedenken: Der Ombudsmann entscheidet über die Verteilung von Versichertengeld und nicht über Unternehmensgeld ! - Die weitaus überwiegende Zahl der Teilnehmer an der BdV-Wissenschaftstagung sprach sich für die Einrichtung einer Ombudsstelle aus. Prof. Dr. Fritz Reichert-Facilides (Foto re.) von der Universität Innsbruck gab auf der Tagung einen Überblick über Ombudssysteme in anderen Ländern. Ein weiteres Tagungs-Thema waren die „Ratings und Rankings von Versicherungsunternehmen“. Hierzu vertritt der BdV die Meinung: Unternehmens-Ratings, die die Vermögens- und Ertragslage des einzelnen Versicherers beurteilen, haben für den Verbraucher kaum Aussagekraft. Gute Beurteilungen können ein Hinweis sein, dass das Unternehmen besonders viel Geld der Kunden zugunsten der Aktionäre in Unternehmensvermögen umwandelt. - Auch die Rankings von Versicherungsangeboten haben wenig Aussagekraft. Versicherungen haben kein Preis-/Leistungsverhältnis (wie z.B. Waschmaschinen), schon gar nicht Lebens- und Rentenversicherungen, die sehr langfristige Sparvorgänge enthalten und deren Ablaufrenditen keiner voraussagen kann. Geldanlagen mit ungewissen Zukunftsergebnissen lassen sich nicht mit „Sehr gut“, „Befriedigend“ oder „Mangelhaft“ beurteilen. Ein „Sehr gut“ für eine kapitalbildende Versicherung, die grundsätzlich eine schlechte Geldanlage ist, ist sogar irreführend für die Verbraucher. Das Geschäft mit Ratings und Rankings beweist die Hilflosigkeit der Verbraucher und das Wettbewerbsversagen der Versicherung mit einer ungeteilten Prämie: Der Verbraucher ist nicht in der Lage, eine wettbewerbsgerechte Entscheidung zu treffen. - Versicherungen müssen endlich transparenter gestaltet und die Dienstleistungen als Wettbewerbsbereich ausgegliedert werden!

DKV-Werbung verboten In Capital 4/97 befand sich eine doppelseitige Anzeige der DKV mit der Werbeaussage „langfristig stabile Beiträge“. Der BdV mahnt die DKV ab und beantragt eine einstweilige Verfügung für ein Verbot der Werbung, die das Landgericht Köln im Mai beschließt. Der Widerspruch der DKV wird zurückgewiesen. Begründung: Die Werbung der DKV mit stabilen Preisen sei eine Irreführung und erwecke Fehlvorstellungen.

Prof. Dr. Jürgen Basedow, Direktor am Max-Planck-Instituts für Internationales Privatrecht, Hamburg, gibt den Vorsitz im Wissenschaftlichen Beirat beim BdV ab an Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski (Humboldt-Universität zu Berlin, Foto). SEPTEMBER: In einem Fernseh-Duell zum Thema „Private Altersvorsorge“ tauschten der Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Dr. Bernd Michaels, und BdVGeschäftsführer Meyer ihre Argumente für und gegen die Kapitallebensversicherung aus. Michaels pries die Kapitallebensversicherung (KLV) als „ideales Kombinationsprodukt“, mit dem man „die Familie absichern“ und aus der man „bis an das Lebensende eine Rente bekommen“ könne. Meyer hielt dem entgegen, dass eine Familie über eine KLV niemals eine ausreichende Familienversorgung bezahlen könne. Und als Geldanlage sei die KLV unflexibel und unrentabel. - Michaels: „Wenn Sie einen Fonds abschließen, dann haben Sie nach 20 Jahren evtl. weniger, als Sie eingezahlt haben.“ - Meyer: „Sie wissen doch selbst, Herr Michaels, dass über die letzten Jahrzehnte alle Fonds Renditen um 10 % und mehr gemacht haben. Tatsächlich tritt ein Geldverlust bei Kapitallebens- und Rentenversicherungen ein, weil jeder zweite Vertrag vorzeitig gekündigt wird und die Versicherten dann in der Regel nichts oder viel weniger zurückerhalten, als sie eingezahlt haben.“

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Dr. Helmut Müller wird Ende 1997 Präsident des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen (BAV). Müller lädt den BdV und andere Verbrauchervertreter zu einem Verbraucherschutzgespräch ein, das unter Müller zu einer ständigen Einrichtung wird. Müller stimmt in vielen Punkten dem BdV zu: „Versicherungsaufsichts- und Versicherungsvertragsgesetz müssen völlig überarbeitet und modernisiert werden. Es wäre wichtig, wenigstens für die verbraucherrelevanten Versicherungen Grundzüge festzulegen. Dem Versicherungsnehmer sollte das Recht eingeräumt werden, den Vertrag zum Ende des dritten Jahres und jedes darauf folgenden Jahres zu kündigen.“ - Müller forderte, man müsse „Riesencliquen von Abzockern aus dem Verkehr ziehen“. - Das BAV erlässt das Rundschreiben 1/2000, an dem der BdV mitgewirkt hat und das die früher irreführenden Versprechungen zur Überschussbeteiligung unterbindet. - Müller ist für die Einführung eines Ombudsmannes als Schiedsstelle für Versicherungsstreitigkeiten und er bestätigt die BdV-Meinung zur Intransparenz: „Für den Verbraucher wird der Durchblick immer schwieriger. Was den optimalen Versicherungsschutz betrifft, so ist er ziemlich auf sich allein gestellt.“

1998 MÄRZ: Prof. Roland Donath ist am 17.3.1998 verstorben. Das von ihm begonnene Projekt eines BdV-Entwurfs zur Reform des Versicherungsvertragsrechts wird nicht weiter geführt.

Das Wochenmagazin DIE ZEIT druckt ein Streitgespräch zwischen dem Allianz-Leben-Chef Gerhard Rupprecht und BdV-Geschäftsführer Hans Dieter Meyer ab. Meyer wird u.a. wie folgt zitiert: „Es geht darum, ob es richtig ist, daß die Gesellschaften einseitig ohne vertragliche Vereinbarung bestimmen können, wie hoch die Überschußbeteiligung ist, wie hoch die Rückkaufswerte und die Kosten für den Vertragsabschluß sind. ... Die Garantie einer Verzinsung ist eine Garantie auf niedrigstem Niveau. Die Rendite ist zwar relativ stabil, aber auch auf niedrigstem Niveau ... Wie die Vergangenheit zeigt, wurde die Überschußbeteiligung der Versicherten gekürzt, während mehr stille Reserven angesammelt als aufgelöst wurden. ... Ich sehe es als durchaus realistisch an, daß es die traditionelle Lebensversicherung bald nicht mehr gibt.“

APRIL: 8. BdV-Wissenschaftstagung Ausführlich und heiß diskutiertes Thema der Wissenschaftstagung war der SPD-Gesetzentwurf. Linkes Foto: BdVVorsitzende Lilo Blunck im Gespräch mit Prof. Dr. Basedow und Prof. Dr. Adams. - Rechtes Foto: Prof. Dr. Basedow (Mitte) leitete die Podiumsdiskussion, an der - von links - Prof. Dr. Rückle (BdV-Beirat), Frhr. von Uckermann (Gesamtverband GDV), Prof. Dr. Adams und BdV-Geschäftsführer H. D. Meyer teilnahmen.

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BdV-Chronik 1982 - 2002

MAI: Der BdV geht ins Internet (www.bundderversicherten.de und www.bdv.info) Kurz danach erhält der BdV für sein Internetangebot ein „Herausragend“ von dem Online-Magazin Com! Es folgten weitere Anerkennungen - z.B. vom Handelsblatt („gute Orientierungshilfe“) und vom stern: „Übersichtlich, großer Nutzen. Die Ratschläge sparen bares Geld.“ - Zeitschrift T-Online für Einsteiger: „Ein Muß für jeden.“ - Anwender mailten: „Schnell, übersichtlich, nicht überladen.“ - „Für Ihre Seiten im Internet hat sich schon allein mein InternetAnschluss gelohnt.“ - Der BdV bietet Tausende von Seiten mit Informationen zu allen Versicherungsarten bis hin zu wissenschaftlichen Beiträgen und gewinnt zusätzliche Neumitglieder, im Februar 2002 fast 300, über das Internet. Der BdV versteht seine Internetinformationen als Waffe gegen alle, die bisher die Intransparenz der Versicherungsangebote und die Unwissenheit der Verbraucher ausgenutzt haben. Der BdV will sein Internetangebot so weit ausbauen, dass Mitglieder ihre gesamten Versicherungsvorgänge darüber abwickeln können - von der Bedarfsermittlung bis hin zur Schadensmeldung. Das spart Kosten und Zeit. Für die Produktion eigener Fernsehsendungen und von Informations-Videos, die in ein paar Jahren auch über das Internet abrufbar sein werden, hat der BdV in seinem Neubau das Foyer als 120 qm großes Fernsehstudio (teilweise mit 6 m Höhe und Galerie) ausgebaut. Die Konstellation „Verbraucher + gemeinnützige Verbraucherorganisation + Non-Profit-Dienstleistungs-GmbH + günstige Anbieter mit expertengeprüften Bedingungen und Beiträgen“ will der BdV zu einem Europa-Modell weiter entwickeln.

Das Landgericht Hamburg (LG) urteilt als erstes Gericht über eine der drei Klagen des BdV gegen die intransparenten Lebensversicherungsbedingungen (siehe NOVEMBER 1996) und weist die BdV-Klage gegen die Hamburg-Mannheimer ab. Der BdV geht in die Berufung. Das LG hatte die Überschussbeteiligungsklausel nicht als intransparent angesehen, weil Lebensversicherte wüssten, dass alle Unternehmen ihre Jahresabschlüsse und damit auch den Umfang der Überschussbeteiligung manipulieren könnten. Um nachzuweisen, dass die Verbraucher nicht von solchen Manipulationsmöglichkeiten, sondern von einer treuhänderischen Geldverwaltung ausgehen (siehe Seite 23), gibt der BdV bei EMNID eine repräsentative Meinungsumfrage in Auftrag. Das Ergebnis: Nur zwischen 10 bis 20 % der Befragten konnten Fragen zur Überschussbeteiligung richtig beantworten. Der Rest (30 bis 40 %) hatte überhaupt keine oder (40 bis 55 %) falsche Vorstellungen.

EMNID-Meinungsumfrage - die Fragen . . .

. . . . und die Antworten:

richtig

falsch

weiß nicht

Werden Ihrer Meinung nach die Versicherten an den tatsächlichen Überschüssen / Erträgen beteiligt?

nein 12%

ja 55%

33%

Verwalten die Versicherer die für Versicherungsleistungen und zur Geldanlage vorgesehenen Prämienanteile treuhänderisch, also im Sinne der Versicherten ?

nein 15%

ja 45%

40%

Dürfen die Versicherungsunternehmen Ihrer Meinung nach die Risiko- und Zinsüberschüsse mindern, so daß die Versicherten an geringeren als den tatsächlichen Überschüssen beteiligt werden ?

ja 22%

nein 38%

40%

Als Gründe für eine Verhinderung von „Minderungen“ wurden genannt: Gesetze und Staatsaufsicht ! -

FAZIT: Die Bundesbürger haben Zigmillionen Kapitallebens- und Rentenversicherungen in dem durch irreführende Werbung und irreführende Informationen erzeugten Irrglauben abgeschlossen, ihr Geld werde von den Versicherungsunternehmen (VU) treuhänderisch verwaltet, es dürfe nicht mißbraucht und dezimiert werden; dies alles sei gesetzlich geregelt und staatlich überwacht. Und sie haben so über Jahrzehnte Hunderte von Milliarden Mark verloren.

SEPTEMBER: Regierungswechsel - Die neue Bundesregierung unterstützt die BdV-Reformbestrebungen: Bundeskanzler Schröder in seiner Regierungserklärung: „Bei den Lebensversicherungen werden wir für mehr Wettbewerb und mehr Transparenz sorgen.“ Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesjustizministerin: „Wir nehmen in dieser Legislaturperiode die in der Öffentlichkeit angemahnte Reform des Versicherungsrechts in Angriff. Für den Bereich der kapitalbildenden Lebensversicherungen beabsichtige ich, klare vertragsrechtliche Vorgaben zu Überschußbeteiligungen zu schaffen. Eine Gesamtreform des Versicherungsvertragsrechts ist geboten. Da eine solche Reform fachlich gründlich vorbereitet werden muß, erscheint mir die Einsetzung einer Expertenkommission unerläßlich.“

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BdV-Forderungen an eine Reform (aus BdV-INFO 1/99): „Der BdV wird sorgfältig darauf achten, daß den schönen Worten der Bundesregierung auch Taten folgen. Der BdV sieht zwar die Notwendigkeit einer Kommission zur Erarbeitung von Vorschlägen für einen Gesetzentwurf. Aber der BdV sieht auch die Zeitverzögerung und Verschleppungsmöglichkeiten. Der BdV hat deshalb die Bundesjustizministerin gebeten, eine sofort umsetzbare „Notreform“ vorzuziehen: Der von den SPD-regierten Bundesländern vorgeschlagene § 48a VVG-E, der jeden Versicherungsvermittler - unter eigener Beweislast und Androhung von Schadensersatz - zur Vermittlung bedarfsgerechter Versicherungen zwingen würde (siehe Seite 24), würde von heute auf morgen das gesamte Versicherungswesen verändern. - Die BdV-Forderung wird von Prof. Reimer Schmidt unterstützt, der auf der 9. BdV-Wissenschaftstagung sagt: „Ich glaube, daß man dem Bund der Versicherten dafür zu danken hat, daß er den Gedanken der Notwendigkeit der Reform des VVG so deutlich gemacht hat, daß er allmählich Allgemeingut geworden ist. ... Es wäre ratsam, daß die Kommission auf ihren Arbeitsplan den Komplex,Versicherungsvermittlung' als allerersten setzt.“ - Auch der BAV-Präsident Müller fordert: „Daß der Vermittler bedarfsgerecht beraten muß, sollte im Gesetz verankert werden. Man sollte auch eine Protokollierung der Gespräche verlangen. Wer seine Kunden falsch berät, sollte für den Schaden auch haften.“ Leider ist die Bundesregierung den Anregungen, eine „Not-Reform“ vorzuziehen, nicht gefolgt. Die Reform-Kommission wurde erst Anfang 2001 eingesetzt (siehe JUNI 2000)

1999 APRIL: Der BdV erhält die finanzielle Förderung durch die EU-Kommission für ein 1-Mio-DM-Projekt zur „Entwicklung von Entscheidungsgrundlagen über eine paneuropäische Tarifstruktur in der KfzVersicherung“ Ein 1. Workshop findet im November 1999 mit über 50 Teilnehmern aus 13 EU-Staaten in den Räumen des ADAC in München statt. Zum 2. Workshop im Juni 2000 kommen 110 Teilnehmer aus 19 Nationen nach Leuven (Belgien). - BdV-Geschäftsführer Meyer stellt in seinem Beitrag zu dem Projekt fest, dass die derzeitigen Kfz-Versicherungstarife nicht mit der Versicherungstechnik, statistischen Regeln und allgemeinen Produktions- und Wettbewerbstheorien übereinstimmen, so dass hoheitliche Eingriffe sachlich gerechtfertigt sind, um Diskriminierungen zu beseitigen. Tarifgestaltung ist nach Meyer nur eine versicherungstechnische Verteilung des Beitragsbedarfs auf eine Versichertengemeinschaft und keine unternehmerische Preisgestaltung. - Millionen schadenfreie Autofahrer zahlen derzeit Milliarden von Euros mehr an Prämien als Fahrzeughalter, die bereits Schäden gebaut haben, die aber zufällig z.B. aufgrund ihres Alters, Wohnorts oder Berufs - in einer Tarifgruppe mit niedrigem Schadenaufwand und niedrigen Prämien gelandet sind. In einer gesetzlichen Zwangsversicherung müssten Schadenfahrer aber eigentlich immer mehr zahlen als Schadenfreie, was derzeit nicht der Fall ist. Im europäischen Vergleich zahlen in Deutschland gute Autofahrer die höchsten und schlechte Autofahrer die niedrigsten Prämien. Junge Autofahrer werden in Deutschland zusätzlich diskriminiert, weil sie 21 Jahre lang ein Fahrzeug besitzen müssen, bis ihnen die Versicherungsunternehmen den günstigsten Beitragssatz einräumen (in anderen Ländern oft nur 5 Jahre).

Jens Ring und J. P. Zurdo und J. Vollbrecht von der EU-Kommission, Brüssel

Prof. Cousy (Belgien), Prof. Ottaviani (Italien) und Prof. Picard (Frankreich)

Robert J. Hunter (USA), Simon Bolt (England) und Dr. de Martino (Italien)

M. Legrand und G. Rosenwald (beide von der CEA, Paris)

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Die Irreführung der Verbraucher beginnt in den Schulen Da gibt es eine angeblich gemeinnützige „Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Bildung e.V.“, Bonn, die nur von Spenden lebt, solche laufend vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erhält und in Zusammenarbeit mit dem GDV schon seit Jahren Schülerhefte entwickelt und kostenlos an Schulen verteilt, die dann von ahnungslosen Lehrern für den Unterricht eingesetzt werden. In den Broschüren wird massiv für die Altersvorsorge über Lebens- und Rentenversicherungen geworben. - Die Spenden der Branche gehen gleich direkt an die Druckerei. Das Raffinierte an diesem Komplott: Während man den GDV wegen unlauteren Wettbewerbs belangen könnte, ist dies gegenüber der Arbeitsgemeinscht kaum möglich, weil man ihr keine Wettbewerbsabsicht nachweisen kann. Der Bund der Versicherten erreicht zumindest, dass in einigen Bundesländern die Verteilung der Schülerhefte verboten wird.

APRIL: Der BdV kritisiert, dass im Bereich der privaten Krankenversicherung (PKV) die Unternehmen und Vermittler ihre gesetzlichen Informationspflichten verletzen und nicht auf die Bezahlbarkeitsprobleme älterer Menschen hinweisen, wozu sie eigentlich verpflichtet sind (siehe JANUAR 1994). Der Gesetzgeber verpflichtet daraufhin die PKV-Unternehmen per Gesetz (Absatz 1a in § 10a VAG), ab dem Jahre 2000 vor Abschluss einer privaten Krankenversicherung ein amtliches Informationsblatt des BAV auszuhändigen. Dieses ist allerdings völlig misslungen und lässt das Bezahlbarkeitsproblem in der PKV im Alter auch nicht erkennen.

MAI: Oberlandesgericht Stuttgart bestätigt BdV: Klauseln zu Lebensversicherungen sind intransparent! - Nachdem die Landgerichte alle drei BdV-Klagen in Sachen „intransparente Lebensversicherungen“ abgewiesen hatten, fällt das Oberlandesgericht Stuttgart am 28. Mai 1998 ein bahnbrechendes Urteil. Die Allianz Leben darf Klauseln in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), die die Abschlusskosten und Überschussbeteiligung bei Kapitallebensversicherungen regeln, nicht mehr verwenden und sich bei der Abwicklung von allen seit 1995 mit diesen AVB abgeschlossenen Verträgen nicht auf diese berufen. Die Klauseln seien intransparent und unwirksam, weil die wirtschaftlichen Nachteile kapitalbildender Versicherungen nicht klargestellt werden und weil die Verweisung auf Gesetze den irreführenden Eindruck klarer gesetzlicher Vorgaben für die Leistungen erweckt, die es nicht gibt.- Es fehle eine Klarstellung zu den Nachteilen der Kapitallebensversicherung. Die Klauseln enthielten keinerlei Regelungen für den Umfang der geschuldeten Leistung. Tatsächlich habe die Allianz Spielräume, um den Umfang der geschuldeten Leistungen zu bestimmen. Der Versicherungsnehmer werde beim Vertragsabschluß nicht hinlänglich informiert und erfahre auch später nicht, was ihm zustehe und wofür genau er bislang Prämien entrichtet habe. Selbst mit anwaltlichem Rat könne er dies nicht ermitteln und auch eine Abrechnung nicht auf ihre Richtigkeit überprüfen. - (Tatsächlich kann ein Normalverbraucher nicht erkennen, daß die Versicherer die Prämien für Kostenverschwendungen missbrauchen und in stillen Reserven oder im Konzern verschwinden lassen können. Die Allianz hat Revision beim Bundesgerichtshof beantragt und der BdV eine Anschlussrevision, weil das OLG Stuttgart die Rückkaufswertklausel der Allianz für wirksam angesehen hat.)

9. BdV-Wissenschaftstagung Über 160 Teilnehmer. Der „World Insurance Report“ berichtete: „Reimer Schmidt, one of the grand masters of German insurance economics and an influential figure in the industry, used a recent meeting of the consumer association Bund der Versicherten to demand a change in the law. He also called for better exchange of information between insurers and customers. In a statement that must be seen as revolutionary coming from a man like Mr. Schmidt, he said that property and casualty contracts could be limited to one year in duration.“

JUNI: 17. Mitgliederversammlung des BdV Martina Reski, Diplom-Kauffrau wird zur Schatzmeisterin gewählt.

NOVEMBER: Richtfest am BdV-Neubau.

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Die Bundesregierung hatte die Besteuerung von Erträgen aus Kapitallebensversicherungen angekündigt. Der BdV sagt das Scheitern der Pläne voraus (was auch eintrat): Die Branche hatte die Panik der Verbraucher geschürt und ausgenutzt und mit weit über 10 Mio. Policen doppelt so viele Verträge abgeschlossen wie in anderen Jahren. Deshalb hat der BdV Ende 1999 eine konzertierte Aktion mit mehreren Verbraucherzentralen ins Leben gerufen unter dem Motto „Rettet das Versichertengeld“. BdV-Geschäftsführer Meyer schrieb die nebenstehend abgebildete Broschüre. Die dort beschriebene Methode des „Widerspruchs“ (statt Kündigung) hat Tausenden von Verbrauchern geholfen, aus falschen Verträgen wieder raus zu kommen und ihre Beiträge zurück zu erhalten - unter Berufung auf § 5a des Versicherungsvertragsgesetzes, siehe oben Seite 20.

2000 JANUAR: Der BdV hatte bei der kleinen Versicherungsreform im Jahre 1994 heftig kritisiert, dass die Beiträge zur privaten Krankenversicherung (PKV) für PKV-Versicherte im Alter kaum oder gar nicht mehr bezahlbar waren (siehe Seiten 17 und 19). Der Gesetzgeber hatte daraufhin eine Kommission eingesetzt, deren Vorschlag, dass die PKV-Unternehmen auf die Beiträge für PKV-Neuverträge einen Zuschlag von 10 Prozent erheben sollten, erst Anfang 2000 vom Gesetzgeber umgesetzt wird. FEBRUAR: Nach dem LG Nürnberg weist auch das OLG Nürnberg die BdV-Klage gegen die intransparenten Bedingungen der Nürnberger Leben ab (mit der „schlimmen“ Begründung, das Lebensversicherer ihre Möglichkeiten der einseitigen Leistungsbestimmung nicht zu offenbaren bräuchten). Der BdV beantragt im März die Revision der Entscheidung beim Bundesgerichtshof. Versicherer-Show der Kooperationsbereitschaft: Die Branche entschließt sich zu einer „Charmeoffensive“ (Financial Times) und lädt BdV-Geschäftsführer Meyer zum ersten Mal zu einer Prodiumsdiskussion ein:

Bund der Versicherten

ZDF-WISO (Moderator)

Präsident des Bundesaufsichtsamtes Allianz-Leben-Vorstand Präsident d. Gesamtverbandes

Frankfurter Rundschau vom 1.3.2000: „Irgendwie präsent war er ja schon lange. Seit Jahren verging kaum ein Pressekolloquium des Gesamtverbandes (GDV), auf dem nicht über ,selbsternannte Verbraucherschützer' gewettert wurde. Auf Nachfragen, wer gemeint sei, hörte man meist einen Namen: Hans Dieter Meyer. Bislang freilich hatte Meyer die GDV-Veranstaltungen immer nur als Schatten begleitet. Am Dienstag nun saß er erstmals physisch mit den Spitzenfunktionären auf einem Podium.“ Handelsblatt vom 1.3.2000: „Rebell Meyer und die ratlosen Versicherer - Meyer hat ein Thema ins Gespräch gebracht, dass die Branche lange Zeit kaum ernst nahm: Verbraucherschutz. Die Anwälte der Versicherer haben Meyer nicht stoppen können. Er setzte durch, die Lebensversicherung als ,legalen Betrug' bezeichnen zu dürfen; der BdV wirkte dabei mit, als die früheren Zehnjahresverträge verboten wurden; sein BdV zwang den Riesen Allianz Leben vor dem Oberlandesgericht Stuttgart in die Knie. Meyer wiederholte, wie er sich die Kundeninformation vorstellt: ,Der Versicherer macht mit der Prämie, was er will.' Damit sammelte Meyer Punkte vor Dutzenden von Journalisten. Er beherrscht die Kunst zu vereinfachen. Während sich die Branchenvertreter mit Fachjargon verhedderten, prägte Meyer Slogans, etwa: ,Wir wollen die Lebensversicherung nicht abschaffen. Wenn sie verständlich wird, schafft sie sich von alleine ab.'“

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APRIL: Einweihung des neuen BdV-Bürogebäudes Aus einem Schreiben des Bundespräsidialamtes: „Wie Sie wissen, schätzt der Bundespräsident die Arbeit des Bundes der Versicherten sehr.“ - Grußwort der Ministerpräsidentin von Schleswig Holstein, Heide Simonis: „Sie haben Ihr Haus allein finanziert, ohne öffentliche Gelder zu beantragen. Für mich heißt das: Sie arbeiten wirtschaftlich und wissen, worauf es ankommt. Alle Achtung! ... Wir als Verbraucher und Versicherte haben immer wieder erlebt, dass Ihr Verein positive Veränderungen angestoßen hat. Ein Beispiel dafür sind Ihre Musterprozesse, die Sie geführt haben, um grundsätzliche Probleme klären zu lassen. ... Sie haben die Diskussion um eine Reform des Versicherungsrechts in Gang gebracht.“ - Die dienstälteste Mitarbeiterin des BdV, Gunda Drewke, beschrieb die vielen Funktionen, die Meyer in einer Per- 6 m hohe Eingangshalle (auch Fernsehstudio) mit umlaufender Empore. son vereinigte - als Geschäftsführer, Chefjurist, Chefberater, Software- und Internetdesigner, Marketingchef, Pressesprecher, Grafiker für Formulare und Prospekte, BdV-INFO-Redakteur und Autor von Broschüren mit einer 5-Millionen-Auflage. Prof. Dr. Eike von Hippel (Foto li.), bezeichnete BdVGeschäftsführer Meyer als einen „Glücksfall eigener Art“, ohne dessen „ungewöhnliches Wissen, Organisationstalent und Kraft der BdV nicht hätte entstehen und sich so entwickeln können.“ Der Präsident des Bundesaufsichtsamtes (BAV, Foto re.)), Dr. Müller, betonte in seiner Rede das „unverkrampfte Verhältnis“, das er von Anfang an zum BdV gehabt habe Das BAV schätze den BdV als kompetenten und kritischen Gesprächspartner und verfolge aufmerksam die Rechtsprechung, die durch Klagen des BdV entscheidend beeinflusst werde. Meyer kündigte für die nächsten Jahre bereits einen Anbau an, für den schon alles vorbereitet sei. (Der wurde auch in 2001 begonnen und im Mai 2002 bezogen.)

MAI: Im MAI 1999 (siehe dort) unterlag die Allianz dem BdV vor dem OLG Stuttgart, das wesentliche Teile der Bedingungen, die die Allianz seit 1995 verwendet, für intransparent und unwirksam erklärte. Die Allianz hatte zunächst Revision beim Bundesgerichtshof beantragt, im Januar 2000 aber erklärt, dass sie diese zurückziehen wolle. Sie werde Mitte des Jahres die unwirksamen Klauseln durch neue ersetzen. Der BdV hält diese einseitige Klauselersetzung für unzulässig und meint, die Allianz muss mit ihren Versicherten Neuregelungen vereinbaren, die den Vorstellungen ihrer Kunden beim Vertragsabschluss entsprechen und zu höheren Leistungen an die Versicherten führen würden. Auch zu inzwischen gekündigten Verträgen müsste ein „Nachschlag“ gezahlt werden. - Die Allianz meint dagegen, sie könne nach einer Anpassungsklausel in § 23 ihrer Bedingungen (AVB) die unwirksamen Klauseln durch neue mit gleichem Inhalt ersetzen, die also auch die - einseitige - Bestimmung des Umfangs aller geschuldeten Leistungen durch die Allianz zulassen (durch Kostenquerverrechnungen und Spielräume bei der Überschussbestimmung).

Der BdV hält das Vorgehen der Allianz für unzulässig und hat beim LG Stuttgart im Mai 2000 eine einstweilige Verfügung beantragt, um das Allianz-Vorhaben zu stoppen. Das Gericht lässt in der mündlichen Verhandlung am 27. Juni durchblicken, dass es - wie der BdV - die Anpassungsklausel der Allianz für unangemessen und unwirksam hält. Die Allianz verpflichtet sich daraufhin in einem Teilvergleich, die Klausel nicht mehr zu verwenden, ersetzt aber dennoch zum 1. Juli per Rundschreiben an alle Versicherten die unwirksamen Klauseln durch neue, indem sie sich nunmehr auf § 172 Absatz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) beruft.

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G V V 2 7 §1 Um die Auslegung des § 172 VVG wird das Verfahren vor dem LG Stuttgart weiter geführt. Der BdV sieht diese Bestimmung nur als Ausnahmeregelung zu dem sonst bei Unwirksamkeit von Vertragsklauseln geltenden § 6 AGBG bzw. § 306 BGB n.F. an und als Rechtsgrundlage dafür, dass die Unternehmen mit ihren Kunden beim Vertragsabschluss konkrete Anpassungsklauseln vertraglich vereinbaren können und dieses - abweichend von zwingenden gesetzlichen Regelungen - auch dürfen. § 172 habe aber keine unmittelbar vertragsgestaltende Wirkung. Nach Meinung des BdV lässt § 172 VVG außerdem nur Anpassungen von solchen Klauseln zu, die den Versicherungsbereich betreffen, nicht aber den Kosten- und Kapitalbildungsbereich.

LG und OLG Stuttgart (im April 2001) lassen die Klauselersetzung der Allianz nach § 172 VVG zu. Der BdV beantragt im Mai 2001 Revision beim Bundesgerichtshof, über die wohl im Jahre 2002 entschieden wird. Übrigens: Die neuen Bedingungen aller deutschen Lebensversicherer sind genauso intransparent wie die alten. Sie enthalten einen Wust nutz- und sinnloser Informationen und lassen immer noch nicht erkennen, dass die Unternehmen ihre geschuldeten Leistungen einseitig bestimmen können, indem sie mit den Prämien weitgehend beliebig umgehen, Überschüsse aus dem Versicherungsbereich und Erträge aus dem Kapitalbildungsbereich missbrauchen und verschwinden lassen können. Hierzu bereitet der BdV neue Verbandsklagen vor.

MAI: Der Wissenschaftliche Beirat beim BdV ruft öffentlich zu einer Reform des Versicherungsvertragsgesetzes auf. Die vier Wissenschaftler kritisieren das Wettbewerbsversagen und unverständliche Bedingungen und sie fordern die Durchsetzung des Transparenzgebotes, die Herbeiführung von Markt-, Vertrags-, Prämien- und Rechnungslegungstransparenz. Eine sehr wichtige Frage werde sein, ob man Versicherungsverträge prinzipiell entbündelt anbieten muss, weil nur auf diese Weise Marktvergleiche und damit echter Wettbewerb möglich werden.

JUNI: Zum BdV-EU-Projekt „Kfz-Tarife“ (siehe NOVEMBER 1999) veranstaltet der BdV einen 2. Workshop in der Universität Leuven (nahe Brüssel). 110 Experten aus 19 Nationen nehmen teil. Verbunden mit dieser Veranstaltung ist die 10. BdV-Wissenschaftstagung. Über die Wissenschaftstagung berichtet Band 19 der VersWissStud: Europäisches Privatversicherungsrecht (Referenten: Prof. Herman A. Cousy, Leuven - Prof. Hans-Peter Schwintowski, Berlin - Prof. Malcolm Clarke, Cambridge - Prof. Bill W. Dufwa, Stockholm - Prof. Jérôme Kullmann, Paris), Steuerrechtliche Rahmenbedingungen im Versicherungswesen - Perspektiven und Entwicklungslinien im Versicherungsvertrieb. - Kritische Anmerkungen zu den Referaten zum „europäischen Privatversicherungsrecht“ kamen von BdV-Geschäftsführer Meyer, der feststellte, dass sich kein Referent mit der Frage befasst habe, was überhaupt Versicherung und wie - ökonomisch und juristisch - ein Versicherungsvertrag funktioniere. Man könne nicht über Dinge reden und diese zu regeln versuchen, wenn man nicht vorher deren Wesen erforscht habe. Die Fragen seien für die Beantwortung weiterer Grundsatzfragen sehr wichtig, vor allem auch für die Herbeiführung von Markt-, Vertrags- und Rechnungslegungstransparenz. - Prof. Reimer Schmidt wiederholte in der Diskussion seine Empfehlung, bei allen Reformen die Regelung der Versicherungsvermittlung vorzuziehen.

Prof. Cousy, Belgien

Prof. Clarke, England

Prof. Kullmann, Paris

Prof. Dufwa, Schweden

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JUNI: Versicherungsreform-Kommission eingesetzt - Aufgabe der Kommission soll sein, „Vorschläge für ein Versicherungsrecht zu entwerfen, das den sozialen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird.“ Lilo Blunck, die erste Vorsitzende des BdV, ist als einzige Frau und einzige Verbrauchervertreterin in der 20-köpfigen Kommission. Der BdV muss sehr bald erkennen, dass sich die Kommission mit den Kernforderungen des BdV (siehe Seite 33) und den Kernproblemen im Versicherungswesen nicht befassen und damit auch die Forderungen der Bundesjustizministerin (s. Seite 32) nicht erfüllen will. - Der BdV wird die mehrjährigen Arbeiten der Kommission aufmerksam beobachten und zu gegebener Zeit eine „Schattenkommission“ ins Leben rufen und eine öffentliche Diskussion herbeiführen. Der BdV fordert an erster Stelle eine Neufassung des § 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), der die drei Möglichkeiten der Versicherung (mit ungeteilter oder aufgeteilter Prämie oder über einen Verein) regeln muss, weil anderenfalls Transparenz und Möglichkeiten des Informieren und Vergleichens überhaupt nicht gegeben wären. - Der BdV fordert entsprechende Rechnungslegungsvorschriften, die zu klaren Vermögensverhältnissen führen müssten. Fast alle Probleme im Versicherungswesen würden sich in Wohlgefallen auflösen.

BdV-Kommentar zur Fusion Allianz + Dresdner Bank: Die Allianz kauft die Konkurrenz auf, um alle Vertriebswege und alle Angebote im Programm zu haben und die gewinnträchtigsten kapitalbildenden Versicherungen an die Spitze der Angebote zu setzen. Man hofft auf die Uninformiertheit der Kunden, die aber die Allianz und die Dresdner Bank meiden sollten, weil sie von beiden Institutionen keine bedarfsgerechte, sondern nur noch eine profit- und provisionsorientierte Beratung erwarten können.

Der BdV hat lange gezögert, sich mit dem Bereich „Geldanlagen“ zu befassen. Da es jetzt aber immer mehr Versicherungsunternehmen (siehe Fusion Allianz + Dresdner Bank), Drückerkolonnen und Versicherungsvermittler tun und fast alle - auch Banken und Sparkassen - zu Geldanlagen nicht qualifiziert beraten und viele die Unwissenheit der Bundesbürger ausnutzen, hat der BdV - mit überwiegender Zustimmung der Mitglieder - eine lockere Kooperation mit Deutschlands größtem Aktienclub, dem Itzehoer Aktien Club begonnen. Der BdV hatte in seinen BdV-INFO’S immer wieder versucht, den Mitgliedern das Geheimnis der Zinses-Zins-Rechnung zu erklären - z.B. mit Hinweisen wie „Eine Rendite von 10 Prozent bringt nicht den doppelten Ertrag wie eine Rendite von 5 Prozent, sondern - je nach Anlagezeitraum - bis zum FÜNFFACHEN!“ - Eine Dauerempfehlung ist auch: „Trennen Sie Versicherung und Geldanlage! - Das Eine hat mit dem Anderen überhaupt nichts zu tun. Und Altersvorsorge ist ein Geldanlage- und kein Versicherungsproblem!“ - Damit ist das Thema Aktien und Fonds für die private Altersvorsorge ein wichtiger Informationsbereich. Hier weist der BdV immer wieder auf die Langfristigkeit von Geldanlagen zur Altersvorsorge hin und dass man sich nicht an den Zick-Zack-Kurven der Aktienkurse stören sollte. Zu beachten sei, dass diese Kurven über Jahrzehnte bei um die 10 Prozent Durchschnittsrendite nach oben gegangen seien - im weiten Abstand über den geradlinigen 5,5-Prozent-Renditekurven von Kapitallebens- und Rentenversicherungen.

JULI: Die 18. BdV-Mitgliederversammlung findet am 1. Juli im neuen Bürogebäude statt, das zwei Monate vorher eingeweiht worden war. Auf den Fotos sind das Foyer und die Halle (Fernsehstudio) zu sehen.

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HERBST 2000: Riester-Renten-Reform - Der BdV wird zu Stellungnahmen aufgefordert für die Gesetzentwürfe rund um die geplante (kapitalgedeckte) Altersvorsorge, die jeder wegen der Abstriche bei den gesetzlichen Versorgungen zusätzlich privat betreiben soll und dafür ab dem Jahre 2002 Zulagen oder Steuervorteile erhält. Der BdV sieht bereits Anfang 2001 die erheblichen Informationsprobleme der Verbraucher voraus, die sich zwischen Banken- und Fondssparplänen, Versicherungen und betrieblicher Altersversorgung entscheiden können.

Der BdV sieht auch voraus, dass die Versicherungsunternehmen und ihre 400.000 Versicherungsvermittler versuchen werden, die unübersichtliche Situation im Jahre 2001 auszunutzen, um Verträge abzuschließen, bei denen die „Riester-Förderung“ noch gar nicht sicher ist, die aber auch als „Riester-Verträge“ nicht empfehlenswert sind. Der BdV und andere mahnen erfolgreich etliche Versicherer wegen irreführender Werbung ab. Der BdV rät den Verbrauchern zum „Abwarten und Informieren bis Ende 2002“ und denen, die auf die untauglichen Versicherungsangebote reingefallen sind, zum verlustfreien Ausstieg durch einen Widerspruch nach § 5a VVG (siehe Seite 20). Dafür gibt der BdV zusammen mit der Verbraucherzentrale Hessen die kostenlose Broschüre „Schnell wieder raus aus unsinnigen Lebens- und Rentenversicherungen zur Altersvorsorge“ heraus.

Der BdV fordert schon im Jahre 2000 ein Prospektgesetz, wonach jeder Anbieter vor einem Vertragsabschluss in einem Prospekt über die Vor- und Nachteile seines „Riester-Angebotes“ aufklären muss (Versicherer z.B. über die nicht-treuhänderische Geldverwaltung, über die Möglichkeiten der Kostenquerverrechnungen und die Spielräume beim Umgang mit Versichertengeld, die andere Anbieter nicht besitzen). Nach Fehlentscheidungen kann man zwar von einem „Riester-Vertrag“ in einen anderen wechseln, aber jeweils mit finanziellen Verlusten. Der BdV befürchtet eine „Geldvernichtung ohnegleichen“. Mit einem Prospektgesetz wären hier unterlassene oder Falschinformationen zu beweisen und Schadensersatzansprüche möglich. Außerdem würden solche Prospekte es den Verbrauchern ganz erheblich erleichtern, sich über die große Zahl der Angebote zu informieren, die Angebote zu vergleichen und eine eigenverantwortliche bedarfsgerechte Entscheidung zu treffen.

2001 MÄRZ: Die Pläne der neuen Verbraucherschutzministerin Künast, Anbieter von Altersvorsorgeverträgen dazu zu verpflichten, drei Euro pro abgeschlossenen Vertrag an die Stiftung Warentest (StiWa) zu zahlen, damit diese die „Riester-Angebote“ prüfen könne, bezeichnet der BdV als „wirtschaftlich naiv“. (Siehe die BdV-Kritik an Ratings und Rankings auf Seite 30).

MAI: Bundesgerichtshof bestätigt BdV Klauseln zur Lebensversicherung sind intransparent ! Der Bundesgerichtshof (BGH) erklärt am 9. Mai in zwei BdV-Prozessen gegen die Allianz und Nürnberger drei Klauseln in den Versicherungsbedingungen zu den Auszahlungen bei Vertragskündigung (Rückkaufswert), zur Beitragsfreistellung und zu den Abschlusskosten für unwirksam mit der Begründung: Verbraucher können den Klauseln nicht die wirtschaftlichen Nachteile entnehmen. Alle Medien und Nachrichtensendungen berichten über den BdVErfolg. Capital sprach von einem „Erdbeben“, das der BdV ausgelöst habe. Die ZDF-heute-Sendung berichtete: „Lebensversicherungen sind immer noch der Deutschen liebste Altersversorgung. Allerdings, rund 40 Prozent aller Policen werden vorzeitig gekündigt. Und viele erleben dann eine böse Überraschung. Denn in den ersten Jahren gibt es meist gar kein Geld zurück.

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BdV-Chronik 1982 - 2002 Entsprechende Klauseln in den Verträgen sind jedoch kaum durchschaubar. Der BGH hat sie nun für ungültig erklärt. Der Bund der Versicherten hatte erfolgreich vor dem BGH geklagt. - O-Ton H. D. Meyer: ,Die Versicherten können jetzt verlangen, dass verbesserte Klauseln eingeführt werden. Darüber streiten wir noch mit den Gesellschaften, ob das einfach so geht, dass sie den Versicherten jetzt neue Bedingungen zusenden. Wir meinen, sie müssten mit den Versicherten neue Bedingungen aushandeln.' - Nach Einschätzung des BdV hätten die Kunden der Versicherer dabei sogar die Chance, rückwirkend verlorene Prämien zurück zu erhalten. Die Allianz bestreitet das in einer ersten Reaktion: Lediglich die unklaren Klauseln müssten präzisiert werden. Ob es am Ende Geld zurück gibt, das wird eine Frage noch langer Prozesse.“ Der BdV zur Allianz-Reaktion: Es kann in einem Rechtsstaat nicht angehen, dass ein Unternehmen mit intransparenten Klauseln arbeitet, hinter denen sich - wie bei Kapitallebensversicherungen - erhebliche wirtschaftliche Nachteile für die Kunden verbergen, und dass das Unternehmen dann, wenn die Klauseln wegen ihrer Intransparenz für unwirksam erklärt werden, die Benachteiligung zwar „präzisiert“, aber weiter praktiziert. Nach unserer Rechtsordnung müsste der Inhalt der unwirksamen Klauseln nach den Vorstellungen „präzisiert“ und neu gefasst werden, die die Verbraucher beim Vertragsabschluss hatten.

Die Überschussbeteiligungsklausel der Nürnberger, die das OLG Stuttgart in einem Prozess gegen die Allianz (rechtskräftig) für unwirksam erklärt hatte, hat der BGH als wirksam angesehen. Deshalb erhebt der BdV im Juni 2001 Verfassungsbeschwerde gegen das BGH-Urteil. Der BGH meinte, in der Überschussbeteiligungsklausel werde „hinreichend deutlich darauf hingewiesen, dass der Überschuss unterschiedlich hoch ausfallen kann.“ Darauf kommt es aber nach Meinung des BdV nicht an. Natürlich weiß jeder, dass Kapitalerträge und Sterblichkeit zu schwankenden Ergebnissen führen, aber die Verbraucher wissen nicht und erkennen anhand der Klausel auch nicht, dass die Unternehmen den Umfang der Überschussbeteiligung einseitig bestimmen und dezimieren können - vor allem durch Kostenverschwendungen, Vermögensverschiebungen und die Bildung und Hortung stiller Reserven. Es ist völlig unverständlich, dass der BGH meint, „zu weiteren Erläuterungen“ über die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Nachteile seien die Unternehmen nicht verpflichtet. Der BdV hat den Verdacht, dass der BGH sich hier - um eine folgenschwere Entscheidung zu umgehen - an den „Strohhalm klammert“, dass der Gesetzgeber alles gebilligt habe. Dieses Argument hat nach Meinung des BdV keine Bedeutung für eine Transparenzprüfung. Bei dieser liegt eine unangemessene Benachteiligung auch dann vor, wenn der Verbraucher die vom Gesetzgeber gebilligten Spielräume nicht erkennen kann. So schreibt der BdV in seiner BdV-INFO 1/01: „Der BGH hat es offenbar vorgezogen, eine vom Gesetzgeber geschaffene rechtswidrige Realität zu tolerieren, statt den verfassungsrechtlichen Schutz der Privatautonomie der Verbraucher zu gewährleisten.“

Der 4. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs

„Lebensversicherern droht Klagewelle“ (WDR) Der BdV führt auf Grund der BGH-Entscheidungen vom 9. MAI (siehe dort) weitere Prozesse 1. um die Auslegung des § 172 VVG (ob die Unternehmen einseitig die für unwirksam erklärten Klauseln durch neue ersetzen dürfen, siehe Seite 37). Der BdV vergibt hierzu Aufträge für zwei Gutachten an Prof. Dr. Michael Bäuerle (Foto li.) und Prof. Dr. Wolfgang B. Schünemann (Foto re.), die im April 2002 als Band 20 der Versicherungswissenschaftlichen Studien (VersWissStud) erscheinen unter dem Titel „Ersetzung unwirksamer Klauseln in der kapitalbildenden Lebensversicherung aus verfassungs- und zivilrechtlicher Sicht“),

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2. zur Neuberechnung von Auszahlungen zu gekündigten Lebensversicherungen, die nach den unwirksamen Rückkaufswert- und Abschlusskostenklauseln abgerechnet worden sind. Hierzu meint auch das Bundesaufsichtsamt (BAV) in einem Rundschreiben R 1/2001, dass sich bei gekündigten Verträgen Rückforderungsansprüche der Versicherungsnehmer aufgrund unwirksamer Bestimmungen ergeben können. A l lianz zahlt Abschlusskosten zurück Unter Berufung auf die BGH-Urteile vom 9. Mai 2001 klagt BdVMitglied Gerhard Honsbein, der eine in 1999 abgeschlossene Rentenversicherung im Jahre 2001 wieder gekündigt hatte, gegen die Allianz, weil diese - ohne Rechtsgrund - seine ersten Beiträge als Abschlusskosten vereinnahmt und ihm nach seiner Kündigung mitgeteilt hatte, dass der Vertrag „ohne Wert erloschen“ sei. Nach Zustellung der Klage zahlt die Allianz im Dezember 2001 alle Prämien in Höhe von 1.830 DM plus 7 Prozent Zinsen zurück. Dadurch und durch die Übernahme aller Prozesskosten „erledigt“ die Allianz den Rechtsstreit und verhindert so ein für die gesamte Branche negatives Urteil. Der BdV führt weitere Musterprozesse. Der BdV verwendet die BGH-Entscheidungen auch als weiteres Argument bei den Rückforderungen aller Beiträge nach einem Widerspruch nach § 5a VVG wegen unterlassener Verbraucherinformationen (siehe Seite 20). Diese verweisen nämlich regelmäßig auf die Bedingungen, deren Klauseln jetzt aber vom BGH teilweise für unwirksam erklärt worden sind. Damit sind die Verbraucherinformationen unvollständig. MAI: Der BdV geht eine Kooperation mit der Redaktion UMSCHAU des Fernsehsenders MDR ein, die im Internet einen „Ratgeber Versicherung“ einrichtet und dazu schreibt: „Viele Haushalte in Deutschland sind falsch versichert - entweder zu teuer, oder bestimmte Risiken sind gar nicht abgesichert. Sie haben hier die Möglichkeit, sich gezielt zu bestimmten Versicherungsarten zu informieren. - MDR ONLINE und das MDR Wirtschafts- und Verbrauchermagazin Umschau bieten Ihnen diesen Service in Kooperation mit dem Bund der Versicherten, der uns freundlicherweise die Inhalte zur Verfügung gestellt hat.“

11. BdV-Wissenschaftstagung 150 Teilnehmer - Themen: Verbraucherschutz im Internet bei Abschluss von privaten Versicherungsverträgen Bericht über das BdV-Kfz-EU-Projekt - Altersvorsorge - Rating und Qualitätskriterien von Altersvorsorgeverträgen - VVG-Reform: Podiumsdiskussion. Ein Bericht erscheint im Band 21 der VersWissStud.

JUNI: Stellvertretender BdV-Geschäftsführer Frank Braun (31, Foto) wird zum stellvertretenden Geschäftsführer ernannt. Braun ist Volljurist und kommt von der Verbraucherzentrale Hamburg, wo er in der Rechts- und Versicherungsberatung tätig war.

19. Mitgliederversammlung in der BdV-Geschäftsstelle. Der BdV überträgt Ausschnitte der Mitgliederversammlung mit einer Dauer von über einer Stunde - zeitversetzt - im Internet.

JULI: Der BdV richtet zur Aufklärung über die „Riester-Rente“ eine Extra Internetseite www.altersvorsorge-verbraucherinfos.de ein.

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Überschussbeteiligung und Überschussrenten werden gekürzt. Der Garantiezins zu Lebens- und Rentenversicherungen muss per Gesetz von 4 Prozent auf 3,25 Prozent gesenkt werden. Der BdV kritisiert, dass die Branche und mit ihr einige Journalisten solche Ereignisse und auch die ständigen Senkungen der Überschussbeteiligung zum Anlass nehmen, Lebensversicherungsrenditen falsch darzustellen. Sie „vergessen“ gern die Information, dass sich der Garantiezins wie auch die von ihnen so genannten „Überschussbeteiligungsrenditen“ von angeblichen „6 bis 8 Prozent“ nur auf das für den Versicherten angesammelte Kapital beziehen, das in den ersten Jahren gleich null ist und bis zum 10. Vertragsjahr im allgemeinen unter den eingezahlten Prämien liegt. So haben selbst seriöse überregionale Tageszeitungen im Jahre 2001 die törichte und irreführende Frage gestellt, wo man denn sonst noch so hohe Renditen von 6 bis 8 Prozent erreichen könne. Eine Rendite von 7 Prozent auf Null-Kapital ist gleich null. Und eine Rendite von 7 Prozent auf ein Kapital, das erst nach 10 Jahren - einschließlich der Erträge - die eingezahlten Prämien erreicht, ist auch noch eine NullRendite !

JULI / AUGUST: Weil viele Lebensversicherungsunternehmen das BGH-Urteil vom MAI 2001 ignorieren und weiter mit Vertragsregeln arbeiten, die den für unwirksam erklärten Klauseln entsprechen, hat der BdV 50 Lebensversicherer abgemahnt, die Weiterverwendung der Klauseln zu unterlassen. Etwa die Hälfte der angeschriebenen Unternehmen unterwarf sich dieser Abmahnung. 25 Unternehmen lenkten nicht ein und wurden vom BdV verklagt. Die Hälfte der Prozesse erledigten sich bis März 2002 durch - für den BdV positive - Urteile.

SEPTEMBER: Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) stellt in Berlin den ehemaligen BGH-Richter Prof. Römer als Ombudsmann für den Bereich Lebensund Sachversicherungen vor. Monatelang zuvor hatte der BdV damit „gedroht“, dass der BdV mit Prof. Römer eine solche Schlichtungsstelle für Versicherungsstreitigkeiten einrichten würde. Nachdem der BdV einige Verbesserungen in den Regelungen des GDV-Ombudsmannes erreicht hat, übernimmt der BdV den ihm angebotenen Sitz im Beirat des Versicherungsombudsmanns, auch um das Ombudsmannverfahren weiter zu verbessern. Insbesondere der geringe Betrag von 5.000 Euro, bis zu dem die Unternehmen an die Ombudsmann-Entscheidung gebunden sind, muss erhöht werden. Über seine ersten Erfahrungen wird Prof. Römer auf der nächsten BdV-Wissenschaftstagung im April 2002 referieren.

OKTOBER: 100 Jahre Versicherungsaufsicht Die staatliche Versicherungsaufsicht feiert ihr 100-jähriges Bestehen. Anlässlich des Jubiläums gibt das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen die Festschrift „100 Jahre materielle Versicherungsaufsicht in Deutschland“ heraus. BdV-Geschäftsführer Meyer hat für das 2-bändige Werk einen Beitrag geschrieben zum Thema „Schutz der Privatautonomie der Verbraucher durch Beseitigung ihrer Informationsunterlegenheit als Aufgabe des Gesetzgebers und der staatlichen Versicherungsaufsicht“. Der Aufsatz geht der Frage nach, was unter Verbraucherschutz zu verstehen ist. Die unterschiedlichen Vorstellungen dazu werden anhand ihrer Einflüsse auf die kapitalbildende Lebensversicherung dargestellt, die als größter Missstand im deutschen Versicherungswesen vor 100 Jahren zur Errichtung der staatlichen Versicherungsaufsicht geführt hat. Der Beitrag schließt mit Vorschlägen, wie der Gesetzgeber und die staatliche Aufsichtsbehörde durch Reformen die Informationsunterlegenheit der Verbraucher beseitigen können.

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NOVEMBER: Das OLG Hamburg, das das 3. BdV-Verfahren gegen die intransparenten Lebensversicherungsbedingungen (gegen die Hamburg-Mannheimer) wegen der BGH-Revisionen (siehe MAI 2001) aufgeschoben hat, entscheidet wie der BGH - überwiegend positiv - für den BdV. DEZEMBER: Endlich ein rechtskräftiges Urteil in Sachen „Widerspruch wegen unvollständiger Verbraucherinformation“! Bisher waren die Versicherer einem Urteil immer ausgewichen, indem sie in letzter Sekunde alle Beiträge an die Versicherten zurückgezahlt haben (siehe Seite 20). Die AXA war von dieser Branchenstrategie abgewichen und wurde von einem Hamburger Amtsgericht zur Rückzahlung von 7.980 DM (Beiträge + Zinsen) verurteilt. In der Berufungsverhandlung gab das Landgericht zu erkennen, dass es das AG-Urteil bestätigen würde. Daraufhin zog die AXA die Berufung zurück. Das AG-Urteil ist damit rechtskräftig. Das AG Hamburg hatte vor allem die „außerordentlich spärlichen Angaben“ zur Überschussbeteiligung gerügt. Die Versicherer müssten auf ihre „Ermessensspielräume bei der Ermittlung der Überschüsse“ hinweisen. Der Versicherungsnehmer könne nicht das „Risiko“ erkennen, dass die Berechnung des Überschusses nicht nachvollziehbar zu seinen Lasten geschieht. Hinweise auf gesetzliche Vorschriften genügten nicht den Anforderungen an eine Verbraucherinformation.

Das Buch „Ratgeber Versicherung“ wurde von BdV-Geschäftsführer Meyer völlig überarbeitet und ein ganzes Kapitel der Riester-Rente gewidmet. Es erscheint unter dem neuen Titel „Ratgeber Versicherung & Altersvorsorge - mit allen wichtigen Informationen zur Riester-Rente“.

BdV-Geschäftsführer Meyer hat eine neue BdV-Broschüre geschrieben zum Dauerthema „Freiwillig in der Krankenkasse oder privat krankenversichern?“ Etliche bereuen einen Wechsel in die private Krankenversicherung - vor allem, wenn freiwillig Versicherte als Single in die PKV gewechselt sind, danach eine Familie gründen, Kinder haben und plötzlich - anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung - für jedes Familienmitglied eine Versicherungsprämie zahlen müssen. Oder wenn privat Versicherte berufsunfähig werden und PKV-Prämien zahlen müssen, die ohne Rücksicht auf ihr geringeres Einkommen weiter steigen. Oder wenn im Alter ständig steigende Prämien von der Rente zu zahlen sind. Der BdV hat nichts dagegen, wenn ein informierter Verbraucher durch eine selbstbestimmte Entscheidung von einer Kasse in die PKV wechselt und sich dabei über die Konsequenzen seiner Entscheidung im Klaren ist. Hier ist der Hauptvorwurf des BdV an die PKV-Branche, dass sie nicht ausreichend informiert. Die PKV-Vertreter stellen in der Regel nur auf einen augenblicklichen Beitragsvergleich ab, obwohl es um eine „Entscheidung für's ganze Leben“ geht.

2002 JANUAR:

Das deutsche Versicherungswesen erstmals auf dem Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) Alle sechs BdV-Verfassungsbeschwerden wurden „zugestellt“ - eventuell folgt noch eine siebte ! Die 6 Verfassungsbeschwerden des BdV (zu kapitalbildenden Lebensversicherungen gegen zwei BGH-Urteile, zwei Bestandsübertragungen und ein LG-Urteil zum Rückkaufswert sowie eine in Sachen „Wucher bei Unfallversicherungen“ gegen ein LG-Urteil) wurden vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dem Bundeskanzleramt, dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV), dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft und den beteiligten Unternehmen zugestellt mit der Bitte um Stellungnahme bis Ende Mai 2002.

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BdV-Chronik 1982 - 2002 Der BdV ist gespannt, wie die Stellungnahme des BAV ausfallen wird, dessen Verhalten und Entscheidungen in den letzten 20 Jahren der BdV indirekt mit angreift. Der BdV steht jedenfalls mit seinen Meinungen nicht allein: Prof. Dr. Jürgen Basedow, Direktor am Max-Planck-Institut für Internationales Privatrecht, Hamburg: „Versicherungsgewinne, die auf den Sicherheitszuschlägen zu den Prämien beruhen oder mit ihnen erwirtschaftet wurden, stehen den Versicherungsnehmern zu und müssen an sie ausgekehrt werden. Ihre Beteiligung an den Überschüssen bleibt aber hinter den tatsächlichen Gewinnen zurück. Zum einen können die Unternehmen bei der Bilanzierung Bewertungsoptionen ausüben, die es ihnen gestatten, tatsächliche Wertzuwächse zu verschweigen und sie so in stille Reserven umzuwandeln, zum anderen ist es ihnen erlaubt, sog. überrechnungsmäßige Verwaltungs- und Abschlußkosten mit den Überschüssen aus Kapitalanlage oder Risikoverlauf zu verrechnen. Beides senkt den Rohüberschuß und damit die Beteiligung der Versicherten. Gewinner sind die Aktionäre und die Versicherungsvertreter.“ Bundestags-Drucksache 9/1493 aus dem Jahre 1982: „Die Beiträge enthalten hohe Sicherheitszuschläge. Zur Wahrung der Belange der Versicherten müssen die Überschüsse aus dem Risikoverlauf und den Kapitalanlagen den Versicherten möglichst ungeschmälert gutgebracht werden.“

Prof. Dr. Dieter Rückle, Universität Trier, sieht die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen ohne Absonderung von Versichertengeld als verfassungswidrig an. Sie führe zu einer „willkürlichen und im Ausmaß grundsätzlich unbeschränkten Möglichkeit der Enteignung der Versicherten“.

Prof. Dr. Wolfgang Schünemann, Universität Dortmund: „Die herrschende Meinung über die Natur des Versicherungsvertrages (Gewährung von Versicherungsschutz gegen Prämie) ist nicht überzeugend. Es ist schwer, sie geradezu für unbegreiflich zu erklären, ohne arrogant oder wissenschaftlich unseriös zu wirken.“

Der BdV erwartet im Jahr 2003 Reform-Signale vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG), insbesondere zu den derzeit ungeregelten Vertrags- und Vermögensverhältnissen im Versicherungswesen. Ein Machtwort aus Karlsruhe könnte den Gesetzgeber zwingen, eine vom BVerfG vorgegebene Reform des Versicherungsrechts durchzuführen. Auch die seit 2001 an Reformvorschlägen arbeitende Regierungskommission müsste ihre Arbeit und Vorschläge an solchen Vorgaben ausrichten. Der BdV geht davon aus, dass der BGH in 2002 noch in Sachen § 172 VVG (Ersetzung unwirksamer Klauseln) im Sinne des BdV entscheidet (siehe MAI 2001). Sollte der BGH die BdV-Revision zurückweisen, würde der BdV auch hierzu noch eine 7. Verfassungsbeschwerde erheben, die dann wohl auch noch den zuständigen Stellen zugestellt werden würde.

MÄRZ 2002:

20 Jahre Bund der Versicherten Wechsel in der BdV-Geschäftsführung Aus einer BdV-Pressemitteilung: Der BdV wird am 24. März 2002 zwanzig Jahre alt. Gleichzeitig findet ein Wechsel in der BdV-Geschäftsführung statt. Hans Dieter Meyer (Jahrgang 1936), der im Jahre 1982 Initiator der Vereinsgründung war und zwanzig Jahre lang die Geschäfte des BdV führte, gibt seine Funktion ab an seinen bisherigen Stellvertreter, den Volljuristen Frank Braun (Jahrgang 1970). Aus der BdVMedieninformation: „In der kurzen Zeit seiner Tätigkeit hat Frank Braun den Vorstand und die Mitarbeiter des BdV davon überzeugt, dass unter seiner Führung die bisherige Linie des BdV konsequent beibehalten wird“, erklärte Meyer. Die Branche solle sich keine Hoffnung machen, „in ruhigere Gewässer“ zu kommen. -

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„Der BdV wird seine erfolgreiche und von der Branche so ungeliebte Informationsarbeit fortsetzen und durch die Nutzung moderner Kommunikationsmittel wie das Internet noch weiter ausbauen“, erklärte Meyer-Nachfolger Braun (Foto). Der BdV werde auch weiter und wenn möglich noch intensiver mit Prozessen, Verfassungsbeschwerden und wissenschaftlichen Aktivitäten für eine Reform des Versicherungsrechts und für Transparenz durch klare Vertrags- und Vermögensverhältnisse kämpfen, die die Branche gerne verhindern möchte. Frankfurter Allgemeine 26.03.2002:

Süddeutsche Zeitung 27.03.2202:

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Auf dem linken Foto ist - von Norden - das Treppenhaus (mit Aufzug) zu sehen. - Auf dem rechten Foto die Westansicht

Der Anbau 2002

Auf beiden Fotos (oben und unten) ist jeweils im hinteren Bereich der Anbau zu sehen.

Die Mitgliederzahl des BdV stieg seit dem Bezug des Neubaus im Mai 2000 bis zum 20-jährigen Jubiläum im Jahre 2002 um etwa 11.000 auf über 45.000. Entsprechend nahm auch die Mitabeiterzahl zu. Sie stieg von 18 auf 27. Räume, die im Neubau 2000 für zwei Mitarbeiter ausgelegt waren, wurden inzwischen von drei Personen genutzt. Es sind weitere Einstellungen geplant. Deshalb wurde bereits in 2001 ein Anbau mit weiteren 16 Räumen und zwei Teeküchen (davon 1 Raucherzimmer) geplant. Das Dachgeschoss kann auch als Wohnung genutzt werden. Im Anbau befindet sich auch ein behindergerechter Aufzug.

Die Informationen des Bundes der Versicherten (BdV) haben Millionen Bundesbürger erreicht und wurden von vielen umgesetzt. Aber etwa 90 Prozent der Versicherten verlieren immer noch - Jahr für Jahr - Milliarden durch unsinnige Kapital-Lebensversicherungen und zu teure, aber unkündbare Zehnjahresverträge. Dabei sind sie miserabel versichert (weil z. B. die vom BdV seit 1982 propagierten Risiko-Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen kaum angeboten werden). Unter dem BdV-Dauerbeschuss mit Verbraucherinformationen, Öffentlichkeitsarbeit und Musterprozessen bröckelt das Versicherungs(un)wesen allerdings erheblich. Und es wird in nächster Zeit - durch entsprechende Gerichtsentscheidungen - sicher zu einer Reform kommen, durch die die bisher polilitisch Verantwortlichen in arge Bedrängnis kommen, weil dann ihre Verantwortung für den „legalen Betrug“, für die Milliardenverluste der Versicherten und den miserablen Versicherungsschutz der Bundesbürger offenbar wird.

Eine umfassende Versicherungsreform ist angesagt ! Der BdV dankt seinen 45.000 Mitgliedern . . . und den Medien, Journalisten, Wissenschaftlern, Beamten und Politikern, die den BdV bei seinem Kampf um rechtsstaatliche und marktwirtschaftliche Verhältnisse im Versicherungswesen unterstützt haben. Bitte unterstützen bzw. realisieren Sie weiterhin die BdV-FORDERUNGEN: noch mehr branchen-unabhängige Information der Öffentlichkeit neutral-wissenschaftliche Untersuchungen des Versicherungswesens Reform des Versicherungswesens und der staatlichen Aufsicht

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Das Team der festangestellten BdV-Mitarbeiter im Jahre 2002

Die körperlosen Gesichter im rechten Bereich des Fotos waren bei der Aufnahme des Gruppenfotos in 2001 nicht zugegen und mussten einmontiert werden. Versuchen wir ‘mal die Zuordnung: stehend von links Annette Göhren*, Karin Heuer, Doris Oeverdieck**, Brigitte von Ellm, Olle Hansson (EDV), Heike Fricke** (Assistentin der Geschäftsführung), Jan-Ulrik Meyer-Hoffmann**, Dr. Christian Gülich (Dokumentation), Jutta Schlecht, Thorsten Rudnik* (Assistent der Geschäftsführung), Heidi Kahrau, BdV-Geschäftsführer Frank Braun, Annette di Qual - - sitzend: Uta Scherliess*, Gitta Fricke, Kirsten Boss**, Marina Wölfling - - - auf gleicher Höhe schwebend: Ingrid Hoepfner**, Gunda Drewke* - - - auf dem Boden: Bianca Hoewe*, Jennefer Fricke (Azubi), - - - daneben schwebend die NEUEN aus 2002: Susanne Westphal, Sven Friedrichs (Leiter des E[lektronik]-Teams), und darunter: Anja Hardekopf** und Michael Meyer = 25 BdV-Kämpfer ! * BeraterInnen ** GruppenversicherungsbearbeiterInnen Die häufigste Zuschrift an den BdV ist „Macht weiter so!“ - Darum werden wir uns bemühen.

KONTAKTE zum BdV für Nichtmitglieder

für BdV-Mitglieder

T E L E F O N 04193 94222

T E L E F O N 04193 9904-0

Zur Anforderung von Informationsmaterial über den BdV und BdV-Gruppenversicherungen, Broschüren oder Merkblätter.

Sprechzeiten täglich von 9 bis 12 und (außer freitags) 14 bis 16 Uhr

F A X 04193 94221

F A X 04193 94221

E-MAIL Anfragen zu versicherungsrechtlichen/-technischen Problemen: [email protected] Anfragen / Meldungen / Mitteilungen zu Gruppenversicherungen: [email protected]

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[email protected] nur zur Anforderung von Informationsmaterial. Der BdV berät nur Mitglieder ! -

INTERNET www.bundderversicherten.de

und

www.bdv.info

und

www. altersvorsorge-verbraucherinfos.de

F A X A B R U F 04193 990444 - kostenlos für jedermann Mit der Funktion „Fax-Abruf“ seines Faxgerätes kann jedermann jederzeit vom BdV-Faxgerät 04193 990444 Informationen zu verschiedenen Versicherungsthemen abrufen.

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Der aktuelle BdV-Prospekt im Jahre 2002

Der 1982 gegründete Bund der Versicherten ist ein eingetragener Verein, von den Finanzbehörden als gemeinnützig und von der EU, Ministerien, dem Aufsichtsamt und Gerichten als qualifizierte Interessenvertretung der Versicherten anerkannt. Der BdV hat inzwischen über 45.000 private Haushalte als Mitglieder (also über 100.000 Personen).

IMPRESSUM: Herausgeber: Bund der Versicherten e.V. Rönkrei 28 22399 Hamburg Redaktion: Hans Dieter Meyer Rönkrei 28 22399 Hamburg Druck: v. Stern’sche Druckerei Zeppelinstraße 24 21337 Lüneburg

Mitglieder erhalten kostenlos schriftliche oder telefonische Auskünfte durch gerichtlich zugelassene Versicherungsberater und Juristen, Entscheidungshilfen, schriftliches Informationsmaterial und halbjährlich die Mitgliederzeitung BdV-INFO. Sie können sich zu sehr günstigen BdV-Gruppenversicherungen anmelden. Mitglieder sparen dadurch Jahr für Jahr sehr viel mehr Geld ein, als die laufenden BdV-Jahresbeiträge ausmachen. Jedes Neumitglied erhält kostenlos das Buch „Ratgeber Versicherung & Altersvorsorge“ (in 2002 mit allen wichtigen Informationen zur Riester-Rente) und die Broschüre „Der große Versicherungs-TEST“ mit einem in der Mitte eingehefteten Fragebogen für einen Test der persönlichen Versicherungssituation. Nach den Angaben im Fragebogen wird ein kostenloser Infor-

mationsbrief erstellt, wie sich die BdV-Experten den optimalen Versicherungsschutz des jeweiligen Haushalts vorstellen, mit ausführlicher Begründung, mit Checklisten zur Ermittlung des Versicherungsbedarfs, mit Hinweisen, wie man aus falschen und zu teuren Versicherungen heraus kommt und anderswo Angebote einholt, mit Beitragsangaben und Adressen günstiger Anbieter (für Nichtmitglieder kostet der Versicherungs-TEST 13 Euro). Die Mitgliedschaft gilt für Familien und eheähnliche Gemeinschaften (für unterhaltsberechtigte Kinder des Mitglieds nur bis zum Ende der Ausbildung, längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres). Der Jahresbeitrag beträgt 40 Euro, für junge Leute bis Alter 24 Jahre 20 Euro. Einmalig wird beim Beitritt eine Aufnahmegebühr von 8 Euro erhoben.

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