2. Die Gründer von Refugio verabschieden sich Warum sich die Arbeit von Refugio VS lohnt - Interview mit einem Klienten...

June 27, 2016 | Author: Hermann Lorentz | Category: N/A
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1 Inhaltsübersicht 1. Vorwort Die Gründer von Refugio verabschieden sich Das neue Team stellt sich vor Psychot...

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Inhaltsübersicht 1.

Vorwort.............................................................................2

2.

Die Gründer von Refugio verabschieden sich.............6

3.

Das „neue“ Team stellt sich vor ....................................8

4.

Psychotherapeuten gesucht .........................................13

5.

Dolmetscherschulungen ...............................................14

6.

Warum sich die Arbeit von Refugio VS lohnt Interview mit einem Klienten ......................................15

7.

Allein in der Fremde: Minderjährige Flüchtlinge ....19

8.

Kunstprojekt mit jugendlichen Flüchtlingen.............21

9.

Vorweihnachtliche Freuden für die Jüngsten............23

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1. Vorwort Liebe Förderer und Mitglieder von Refugio VS, Liebe Interessierte, Vor einem Jahr schon wählten wir in unserem Jahresrückblick einen Teil des Songs „Europa“ der Punkband Die Toten Hosen, um auf die Flüchtlingskatastrophen weltweit aufmerksam zu machen. In diesem Heft finden Sie in der Innenseite des Einbandes den Song in voller Länge erneut, denn wir werfen die Frage auf: Was ist seitdem passiert? Nach dem verheerenden Unglück vor Lampedusa Anfang Oktober 2013 mit mehr als 360 Toten, darunter unzähligen Kindern, müssen wir konstatieren: die EU plant keine Reform ihrer Flüchtlingspolitik, bis zum Afrika-Gipfel im Juni 2014 wird es keine Verhandlungen über Quoten zur Aufnahme von Asylbewerbern und Flüchtlingen geben. Europas Politiker vergießen im Anbetracht der schrecklichen Bilder kurze Krokodilstränen und wenden sich danach angenehmen Dingen zu. Die Menschen, die täglich im Mittelmeer ertrinken, auf anderen Fluchtwegen zu Tode kommen oder in Flüchtlingscamps hausen, sind nach den Horrormeldungen vergessen. Schlecht für die Flüchtlinge, dass sie nicht in den Verhandlungstakt der EU passen. Soweit der Stillstand in der Politik. Doch die Menschen lassen sich davon nicht abhalten und fliehen weiter, denn die Umstände in ihren Heimatländern zwingen sie dazu. Bundespräsident Joachim Gauck forderte bereits im Januar diesen Jahres einen Mentalitätswandel im Umgang mit Asylbewerbern in Deutschland: „Wir brauchen offene Türen für Verfolgte. … Das wäre mal was, wenn die, die in unserem

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Land wirklich Schutz suchen, mit Freude und offenem Herzen empfangen werden“.1 Was Joachim Gauck fordert, ist eine Willkommenskultur im Kopf und im Herzen. Ist das Jahr 2006 denn schon vergessen? Damals, vor sieben Jahren war „Die Welt zu Gast bei Freunden“ bei uns in Deutschland anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft. Mit offenen Armen wurden die Gäste aus aller Welt willkommen geheißen. Wir wollten zeigen, Deutschland ist ein offenes und tolerantes Land. Gastfreundschaft gilt aber nicht nur in fröhlichen Momenten, sie wird insbesondere in Zeiten der Not etwas sehr Wertvolles und sollte deshalb ebenso für Menschen auf der Flucht vor Krieg, gewaltsamen Konflikten, politischer oder religiöser Verfolgung, Diskriminierung und existentieller Not gelten. Menschen werden zu Flüchtlingen, weil sie um ihr Leben und das ihrer Kinder bangen und weil sie auf der Suche nach Sicherheit, Frieden, Nahrung, Zugang zu Bildung und die Chance auf ein besseres Leben sind. Wir hier in Deutschland dürfen diese wertvollen Dinge jeden Tag genießen, weil wir das Glück hatten, in diesem Teil der Welt geboren zu sein, nicht weil es unser persönlicher Verdienst ist. Das Prinzip des Zufalls also. Flüchtlinge brauchen neben dem Dach über dem Kopf auch jemanden, der sich ihrer Seele annimmt. Einen seelischen Zufluchtsort zu schaffen und Teil einer erfahrbaren Willkommenskultur für Flüchtlinge zu sein, dafür steht Refugio VS seit nunmehr über 15 Jahren. Jedes Jahr betreuen wir ca. 150 Patienten, viele davon intensiv und mit häufigen Terminen, einige zudem seit vielen Jahren. 2013 haben wir mehr als 40 neue Patienten aufgenommen.

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Schwarzwälder Bote vom 16.01.2013

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Manchmal sind es ganze Familien vom Baby bis zu den Großeltern, ein anderes Mal jugendliche Flüchtlinge ohne Eltern, die bei Refugio VS Betreuung und Behandlung erfahren. Nicht selten haben unsere Patienten Fahrzeiten von zwei bis drei Stunden auf sich genommen, um zu uns nach Villingen zu kommen. Unser Einzugsgebiet ist der gesamte Raum südlich von Stuttgart2, da wir hier die einzige Einrichtung zur Behandlung traumatisierter Flüchtlinge sind. Obwohl Refugio VS mit den hauptamtlichen Mitarbeitern, Honorarkräften und ehrenamtlichen Helfern an der Kapazitätsgrenze arbeitet, wird der Bedarf bei Weitem nicht gedeckt. Wir müssen leider eine Warteliste führen. Deshalb werden wir nicht müde, auch in diesem Rundbrief darauf aufmerksam zu machen, dass wir Psychotherapeuten auf Honorarbasis benötigen. Ähnliches gilt für Dolmetscher (siehe dazu die Kapitel 4 und 5) Erfreulich ist, dass es nun endgültig gelungen ist, nach der Verabschiedung unserer Gründer Monika v. Mirbach und Ernst Ludwig Iskenius (siehe dazu Kapitel 2) das neue Refugio VS- Team zu etablieren und den Staffelstab zu übergeben (siehe dazu Kapitel 3). Ohne unsere vielen Unterstützer, Helfer, Mitglieder, Spender und Sympathisanten hätte Refugio VS jedoch die letzten 15 Jahre nicht überlebt. Für die Finanzierung unserer Arbeit in diesem Jahr danken wir von ganzem Herzen unseren privaten und institutionellen Spendern, dem Landkreis Schwarzwald-Baar, der Stadt VillingenSchwenningen, der UNO-Flüchtlingshilfe, dem Europäischen Flüchtlingsfond als auch dem Land Baden-Württemberg. Ebenso danken wir unseren unermüdlichen Ehrenamtlichen für ihr vielseitiges 2 Wir betreuen aktuell Flüchtlinge aus den Landkreisen Schwarzwald-Baar, Tuttlingen, Ortenau, Biberach, Konstanz, Waldshut, Lörrach, Breisgau-Hochschwarzwald.

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Engagement, sei es bei der Sprachvermittlung und Nachhilfe für Kinder und Jugendliche, im EDV Support für unser Büro und der Rechtsberatung. Bitte halten Sie Refugio VS auch weiterhin die Treue. Ohne die aufgezeigte Finanzierung ist eine Verlässlichkeit und damit Nachhaltigkeit in der Betreuung der vielen Flüchtlinge, die bei uns anklopfen, nicht möglich. Lassen Sie uns in diesen Menschen nicht nur Hilfesuchende und Bittsteller sehen, sondern Menschen, die mit ihren Potentialen und Überlebenswillen unsere Gesellschaft reicher machen, wenn wir ihnen die Chance auf Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, Bildung oder sogar Arbeit geben. Deutschland trägt Mitverantwortung für Katastrophen wie vor der Insel Lampedusa, auch wenn wir keine Küste haben, an der Flüchtlinge stranden. Wir wünschen nun allen viel Spaß beim Lesen, ein wunderschönes Weihnachtsfest sowie viel Gesundheit und Wohlergehen für das kommende Jahr.

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2. Die Gründer von Refugio verabschieden sich Mit Fug und Recht kann behauptet werden, dass es Refugio VS Dank Monika von Mirbach und Erst Ludwig Iskenius gibt. 1998 sahen die beiden, zusammen mit dem Rechtsanwalt Uli Hahn und anderen Fachleuten, die Notwendigkeit einer besseren Versorgung von Flüchtlingen. Vorläufer war eine jahrelange ehrenamtliche Beratungsarbeit, z.B. durch die Flüchtlingshilfe Pro Asyl. Durch eine große Spende des IPPNW, Unterstützung von der Diakonie und der außergewöhnlichen Spendenbereitschaft aus der örtlichen Bevölkerung etablierte sich nach und nach die Kontaktstelle Refugio VS. Anfänglich noch mit Misstrauen beäugt, wurde Refugio VS dank ihren Gründern im gesamten südbadischen Raum zu einer geschätzten Institution. Dieses Jahr im März haben beide nach 15 Jahren ihre Arbeit bei Refugio VS beendet. Zu ihrer offiziellen Verabschiedung im Juni kamen viele Weggefährten, aktuelle und ehemalige Patienten, ehrenamtliche Mitarbeiter und viele mehr in das Martin-LutherHaus, um sich gemeinsam bei der Sozialpädagogin und dem Kinderarzt für ihr unermüdliches Engagement für traumatisierte Flüchtlinge zu bedanken. Die Liste derer, die Danke sagen wollten, war lang und so hörten die rund 150 Zuschauer viele Grußworte, die die Bedeutung von Refugio VS unterstrichen. Es sprachen Landrat Hinterseh, Oberbürgermeister Dr. Rupert Kubon, und Dr. Waltraud Wirtgen von Refugio München sowie viele Vertreter von Institutionen und Kooperationspartnern. Dr. Astrid Sterzel vom Vorstand verzichtete auf eine Rede und zeigte stattdessen eine bewegende Bildershow über das Wirken der beiden. Wendelin Renn führte durch das Programm. 6

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Monika v. Mirbach und Ernst-Ludwig Iskenius mit „gepackten Koffern“

„Wir kannten nur Enttäuschung und Erniedrigung. Sie waren die größte Überraschung in unserem Leben“, brachte es Nermin Zahirovic, geflüchtet aus Bosnien und jetzt u.a. engagiert im Integrationsbeirat Tuttlingen, auf den Punkt (siehe auch Kapitel 6). Und Aya und Sarah, vor Jahren mit ihren Eltern aus Syrien geflüchtet, ergänzten: „Wir hatten große Angst vor Deutschland, und jetzt können wir wieder vertrauen.“

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3. Das „neue“ Team stellt sich vor Ganz so neu sind wir nicht mehr, aber nun endlich vollzählig! Mitarbeiter in der Kontaktstelle Die therapeutische Leitung hat die Diplompsychologin und Traumatherapeutin Susanne Schupp von Ernst-Ludwig Iskenius übernommen. Susanne Schupp begann bei Refugio VS am 01.12.2012 und hat sich bereits im Rundbrief des letzten Jahres vorgestellt. Sie therapiert viele Patienten und ist zudem für die Honorarkräfte in der Psychotherapie verantwortlich. Ihr Fazit nach einem Jahr Arbeit für Refugio VS lautet: „Mein Schwerpunkt lag bei der psychotherapeutischen Versorgung der vielen alten und neuen Patienten. Da eine Sozialpädagogin, die im März 2013 bei Refugio begann, im Mai schon wieder die Segel strich, hatte ich zusätzlich die sozialpädagogische Betreuung übernommen. Das war eine enorme Belastung. Die Arbeit macht mir große Freude, da ich sehe, wie wichtig es ist, Flüchtlingen und Asylbewerbern eine Anlaufstelle zu bieten. Ich bin mir sicher, dass es nächstes Jahr noch besser weitergeht, weil nunmehr strukturiert und mit mehr fest angestelltem Personal“.

Susanne Schupp, Dipl.-Psychologin

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Die Geschäftsleitung, hat zum 01.08.2013 Dr. Astrid Sterzel übernommen. Der Umfang der Managementaufgaben wie Organisation, Öffentlichkeitsarbeit, Personalführung, Finanzen oder Projektmanagement, mit denen Refugio VS mittlerweile konfrontiert wird, ist erheblich und wird in der Zukunft noch steigen. Die Etablierung einer solchen Position wurde deshalb seit langem als notwendig erachtet. Im Zuge der Restrukturierung erklärte sich Astrid Sterzel bereit, ihr langjähriges Amt als Vorsitzende des Vorstandes von Refugio VS niederzulegen und in die Kontaktstelle zu wechseln. Sie kennt und kämpft für den Verein seit vielen Jahren. Zudem ist sie Diplom-Kauffrau und Gesundheitsökonomin. Ihr Wunsch für die Zukunft ist es, dass „ich Refugio VS zum einen durch die Entlastung der Psychotherapie und der Sozialpädagogik von Verwaltungsaufgaben unterstützen kann, was mehr Zeit für unsere Patienten bedeutet. Zum anderen setze ich alles daran, mit meinen Erfahrungen ein stabiles Fundament für Refugio VS durch eine solide Finanzierung und positive öffentliche Reputation zu bauen, damit es uns gelingt, traumatisierten Flüchtlingen nachhaltige Hilfe zu bieten.“

Dr. Astrid Sterzel, Dipl.-Kauffrau und Gesundheitsökonomin

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Am 01.12.2013 übernahm Veronika Herz die Sozialarbeit. Frau Herz ist Sozialpädagogin (FH) und bringt mehrjährige berufliche Erfahrungen in der Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen mit (siehe auch Kapitel 7). Sie arbeitete in einer so genannten Clearingstelle, einer stationären Unterkunft für diese jungen Flüchtlinge. Es war ihre Aufgabe, ihnen Stabilität zu geben sowie sich um die gesetzliche Vertretung, den Aufenthaltsstatus, die Gesundheitsversorgung und die pädagogische Entwicklung zu kümmern. Mit Frau Herz ist unser Team nun komplett und auch komplett weiblich. Wir freuen uns auf eine tolle Zusammenarbeit und wünschen Frau Herz für ihre neue Tätigkeit in Villingen alles Gute.

Veronika Herz Sozialpädagogin (FH)

Anja Felicitas Herrnleben

Das Telefon, die Terminkoordination sowie die allgemeinen Büroarbeiten liegen während der Bürozeiten (immer vormittags von Montag bis Donnerstag) in den Händen von Anja Felicitas Herrnleben. Sie ist seit dem 01.10.2012 mit dieser Aufgabe betraut und hat sich im Rundbrief des letzten Jahres vorgestellt. 10

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Honorarkräfte Refugio VS wird derzeit in der Psychotherapie durch vier Honorarkräfte unterstützt: Dr. med. Heinz Eppenich und Peter Heidger behandeln bereits seit vielen Jahren Klienten von Refugio VS, Margarethe Lempp kam 2012 in das Therapeutenteam und Darius Winzer in diesem Jahr. Die Supervision, die wir für unsere Therapeuten anbieten, erfolgt seit Jahren durch Prof. Dr. Jan Kizilhan. Zudem setzen wir bei ca. 90 Prozenten aller Fälle DolmetscherInnen ein, denn selbst wenn einige unserer Patienten Deutsch sprechen, so reichen ihre Sprachkenntnisse oft nicht für Beratungsgespräche und psychotherapeutische Behandlungen. Unsere DolmetscherInnen sind für das Übersetzen in solch besonderen Situationen eigens geschult (siehe auch Kapitel 5). Wir können mit Stolz feststellen, dass unser Dolmetscherpool in der Region hinsichtlich der Vielzahl der Sprachen als auch des Schulungskonzepts einzigartig ist. Dieses Jahr wurden wir unterstützt von: Souad Alawie (arabisch), Leyla Topuz und Özlem Kizilhan (türkisch und kurdisch), Anni Herrnleben (türkisch), Anna Mut und Hilda Klinck (russisch), Sabina Zukanovic, Sebiha Sijecic und Mira Schlenker (serbokroatisch), Vlora Bytici (albanisch), Dr. Khodabandehlou (farsi, dari), Mitra Ashkanian und Arezou Fröhlich (farsi), Kathiravelu Udaykumar (tamil), Muktar Ahmad Samman (Urdu), Gisela Michel-Neuroth (englisch, französisch), Yi Ying Wang (chinesisch). Ehrenamtliche Unterstützer Einmal in der Woche erteilen die beiden Lehrerinnen Isabell KuchtaPapp und Annette Schneider Jugendlichen aus Flüchtlingsfamilien sowie jugendlichen Flüchtlingen von Refugio VS Sprachförderung in 11

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Deutsch. Je nach Bedarf erfolgt der Unterricht individuell oder in der Kleingruppe. Zudem erhalten einige der bei Refugio VS betreuten Jugendlichen Nachhilfe bzw. Ergänzungsunterricht in verschiedenen Fächern bei Christa und Gustav Lörcher. Diese zusätzliche Unterstützung ist unbedingt notwendig, um den Schulabschluss zu schaffen. Familie Lörcher engagiert sich dafür schon seit Jahren. Ohne Computer läuft heutzutage nichts mehr, auch nicht bei Refugio VS. Wir sind deshalb sehr froh, dass Willi Esch in sein aktives Pensionärsleben den EDV Support für unser Büro seit Jahren ehrenamtlich integriert. In Fragen der Rechtsprechung tauchen häufig genug Punkte auf, die wir nur abschließend mit einem juristischen Fachmann klären können. Rechtsanwalt Ulrich Hahn hat immer ein offenes Ohr für unsere Probleme.

Vorstand Der Vorsitz des Vorstandes bleibt nach dem Ausscheiden von Dr. Astrid Sterzel per Beschluss der Mitgliederversammlung bis auf weiteres unbesetzt und wird satzungsgemäß vertreten durch Dr. med. Dorothee Dietzel-Schober (Stv. Vorsitzende und Schriftführerin) und Ruth Holtzhauer (Kassiererin). Beide sind seit der Gründung von Refugio VS in dieser Verantwortung und haben für den Verein viel geleistet.

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4. Psychotherapeuten gesucht Jeder traumatisierte Flüchtling, der Refugio VS aufsucht, sei es durch Vermittlung der Sozialarbeit in den Flüchtlingswohnheimen, durch Überweisung eines Arztes, durch den Ratschlag eines Rechtsanwaltes oder eines anderen Flüchtlings, hat in seinen Augen die große Hoffnung auf Hilfe, möglichst umgehend und schnell. Niemand, der zu uns kommt, wird weggeschickt, es folgt ein erster Gesprächskontakt, für den wir uns ausreichend Zeit nehmen. Aber die Hoffnung auf einen schnellen Therapietermin können wir mit großem Bedauern derzeit nicht erfüllen. Die Nachfrage ist wegen der Flüchtlingszahlen enorm, wir müssen eine Warteliste führen. Um diese Warteliste möglichst rasch abzubauen, ist es uns ein wichtiges Anliegen, weitere Psychotherapeuten zu finden, die auf Honorarbasis für Refugio VS traumatisierte Flüchtlinge behandeln (können). Unbedingt notwendig ist dafür eine psychotherapeutische Ausbildung, idealerweise in der Traumatherapie. Wir bieten im Gegenzug den regelmäßigen Austausch mit unseren anderen Therapeuten, Supervision, Ratschläge zur therapeutischen Arbeit mit Dolmetschern sowie wichtigen Fragen des Asylrechts. Melden Sie sich bei Interesse bei uns. Herzlichen Dank dafür.

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5. Dolmetscherschulungen Stell Dir vor, Du musst fliehen und kommst in ein Land, dessen Sprache Du nicht verstehst. Du möchtest deine seelischen Leiden erzählen, wofür Du selbst in Deiner Sprache kaum die richtigen Worte findest. Trotzdem wird es von Flüchtlingen vom ersten Tag an verlangt. „Ich war kaum drei Monate in Deutschland, ich war schwanger und ging zum Frauenarzt. Als er sah, dass ich noch kein Deutsch verstehe oder gar reden konnte, sagte er mir, er könne mich erst behandeln, wenn ich Deutsch rede. Aus dieser Erfahrung heraus wurde ich Dolmetscherin“ (eine Teilnehmerin bei einem Dolmetscherkurs von Refugio VS.) Die Qualität der Psychotherapie als auch der Sozialpädagogik steht und fällt mit der Qualität der Sprachvermittlung. Unser Anliegen ist es deshalb, mit der Fortbildung zum Dolmetscher im Gesundheitsund Sozialwesen vor allem den Mangel an geeigneten und qualifizierten ÜbersetzerInnen Abhilfe zu schaffen. Auch 2013 fand unsere mittlerweile bekannte „Basis-Dolmetscherschulung im Gesundheitswesen“ statt. Inhalte der Fortbildung sind Rollenspiele in der Konstellation Therapeut-Patient-Dolmetscher, die Besprechung aktueller Fallbeispiele aus der therapeutischen Praxis, aber auch Zahlen und Daten u.a. zur Geschichte der Migration, aktuelle rechtliche Informationen und wichtige Infos zu den Themen interkulturelle Kompetenz sowie Erkennen und Vorbeugen von BurnOut. Bedarf haben wir aktuell an Dolmetschern für die Sprachen serbokroatisch, tamil, urdu, arabisch, albanisch und chinesisch Sollten Sie selbst eine dieser Sprachen beherrschen oder jemanden kennen, melden Sie sich bitte bei uns. Herzlichen Dank. 14

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6. Warum sich die Arbeit von Refugio VS lohnt Interview mit einem Klienten „Wir kannten nur Enttäuschung und Erniedrigung. Sie waren die größte Überraschung in unserem Leben“ (Herr und Frau Zahirovic anlässlich der Verabschiedungsfeier für Monika v. Mirbach und Ernst-Ludwig Iskenius im Juni 2013)

Zur Vita: Herr Zahirovic kam Anfang 2012 alleine als Flüchtling nach Deutschland. Seine Frau hielt sich in Bosnien weitere Monate versteckt, bis auch sie fliehen konnte. Herr und Frau Zahirovic waren in ihrer Heimat aufgrund ihrer Abstammung als Roma kontinuierlicher Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt, die einherging mit körperlicher und seelischer Gewalt. Sie wurden in eine abseits gelegene Sammelunterkunft für Flüchtlinge mit ca. 100 Bewohnern unterschiedlichster Nationalitäten im Kreis Tuttlingen untergebracht. Seit kurzem leben sie in einer kleineren Wohneinheit in Tuttlingen und hoffen, noch dieses Jahr die Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Beide sind seit ihrer Ankunft in 15

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Deutschland in der Betreuung von Refugio VS und konnten mit dieser Hilfe wichtige Schritte in ein neues, selbst bestimmtes Leben starten. Herr Zahirovic ist mittlerweile Mitglied im Integrationsbeirat der Stadt Tuttlingen und steht mit seiner Erfahrung nunmehr selbst vielen Asylbewerbern mit Rat und Tat zur Seite.

Wenn Sie sich an Ihre Ankunft in Deutschland nach der Flucht erinnern, was kommt Ihnen in Gedanken? Das Wichtigste war, dass wir beide am Leben waren. Nichts kann wichtiger sein als das. Es ist schön, einfach als Menschen akzeptiert zu werden und nicht einfach nur deshalb diskriminiert und mit dem Leben bedroht zu sein, weil wir Roma sind. In unserer Heimat kannten wir nur Enttäuschung und Erniedrigung. Als schwierig haben wir die Unterbringung im Flüchtlingswohnheim in Erinnerung. Aufgrund der abgeschiedenen Lage war das Isolation pur. Durch das geringe Taschengeld war es uns auch kaum möglich, Dinge außerhalb des Heims zu unternehmen.

Welche Bedeutung hat Refugio VS für Sie und Ihre Frau? Durch die menschliche Zuwendung, die Therapie und die vielen Gespräche sind wir zu anderen Menschen geworden, die sich eine Zukunft aufbauen wollen. Wir haben erfahren dürfen, dass das Leben immer weitergeht, dass es auch schöne Seiten hat und nicht nur Erniedrigung kennt. Unsere Minderwertigkeitskomplexe wurden weniger, wir haben durch die freundliche und offene Atmosphäre von Anfang an Vertrauen zu den Mitarbeitern von Refugio VS in Villingen gehabt. Die Angst war plötzlich weg. Wir konnten unsere gesamte Leidensgeschichte geschützt und mit viel Verständnis 16

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erzählen und aufarbeiten. Dazu bedurfte es oft nicht vieler Worte, denn irgendwie wussten die Leute bei Refugio durch ihre Erfahrung auch so, was uns bedrückt und wie wir denken. Wir haben neue Kraft bekommen, für uns selbst aber auch für unsere Beziehung. Meine Frau sagt, dass ich durch Refugio VS auch ein besserer Ehemann geworden bin. Aus unserer Erfahrung heraus sehe ich genau, wenn andere Menschen Hilfe brauchen und verschließe meine Ohren nicht. Mir und meiner Frau ist viel Gutes widerfahren, deshalb engagiere ich mich auch für andere Asylbewerber.

Wie sieht Ihr Engagement für andere Flüchtlinge aus? Da ich die deutsche Sprache schon recht gut kannte, als ich nach Deutschland kam, habe ich oft Asylbewerbern, die im selben Flüchtlingswohnheim untergebracht waren, beim Übersetzen von Dokumenten oder auf Ämtern geholfen. Ich habe den Flüchtlingen im Wohnheim z.B. auch das System der Mülltrennung in Deutschland erklärt, denn alles wurde immer zusammengeworfen. So wurde man im Rathaus auf mich aufmerksam und fragte mich nach einiger Zeit, ob ich im Integrationsbeirat der Stadt Tuttlingen ehrenamtlich mitmachen möchte. Natürlich wollte ich das. Somit bin ich nun auch offiziell eine Anlaufstelle für Flüchtlinge, wenn es z.B. um Sprachkompetenz, Bildung, Freizeit und die Unterbringung geht. Bald werde ich zudem als Lehrer für Deutschkurse an der VHS in Tuttlingen eingesetzt und meine Ausbildung zum Kulturdolmetscher beginnen. Ich möchte helfen. Es macht mich glücklich, wenn ich jemanden lächeln sehe.

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Sie haben die schwierige Wohnsituation von Flüchtlingen in den Heimen angesprochen. Dazu kommt die Langeweile mangels eines geregelten Arbeitsalltags. Wie ist das bei Ihnen? Ich bin glücklich, dass ich seit Juni in einer Werkstatt arbeiten darf. Mein Chef und mein Team haben mich von Anfang an herzlich aufgenommen. Ich konnte zeigen, was in mir steckt. Mein Chef hat mir mitgeteilt, dass ich nach der Probezeit übernommen werde und mehr Verantwortung bekomme. Ich bin schon jetzt zeitweise für einen Bereich unserer Werkstatt zuständig, was mich sehr stolz macht und motiviert. Meine Frau kann leider noch nicht so gut Deutsch und hat es deshalb schwer, eine Arbeit zu finden. Zudem musste sie in Bosnien aufgrund unserer Herkunft als Roma die Schule abbrechen.

Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft? Unser einziger Wunsch ist, in Deutschland bleiben zu dürfen. Wir warten sehnlich auf unsere Aufenthaltserlaubnis. Meine Frau und ich möchten anständig, beispielhaft und als ordentliche Bürger hier leben. Für meine Frau wünsche ich mir, dass sie weiter bei Refugio VS behandelt werden kann.

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7. Allein in der Fremde: Minderjährige Flüchtlinge Eine besondere Gruppe der schutzsuchenden Flüchtlinge sind unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, kurz „UMF“ genannt. Ihre Geschichten ähneln sich. Dort, wo sie herkommen, hatten sie keine faire Chance auf Zukunft. Entweder wurden sie von ihren Eltern auf den langen Weg nach Europa geschickt, oder aber sie wurden auf der Flucht von ihren Eltern getrennt und mussten sich alleine durchschlagen. In einigen Fällen sind diese Jugendlichen aufgrund von Bürgerkrieg oder anderer gewalttätiger Konflikte die einzigen Überlebenden ihrer Familie, und wurden so zur Flucht gedrängt. Zurzeit leben geschätzt ca. 10.000 Kinder und Jugendliche ohne Eltern oder andere Verwandte als Flüchtlinge in Deutschland. Diese Zahlen steigen analog der generellen Flüchtlingszahlen dramatisch. Wie viele es tatsächlich sind, weiß keiner, da es das Erfassungsmerkmal „unbegleiteter Minderjähriger“ im Ausländerzentralregister nicht gibt.3 Die meisten von ihnen kommen aus Afghanistan, Syrien und Somalia. Refugio VS hat zudem einige UMF aus Sri Lanka und afrikanischen Staaten in Betreuung. Viele von ihnen waren einige Monate, manche sogar Jahre, auf der Flucht. Wenn sie hier ankommen, sind sie von den Strapazen so gezeichnet, dass sie häufig älter aussehen, als sie tatsächlich sind. Da sie in der Regel keine Papiere mit sich führen, muss das Alter hier in Deutschland durch Gespräche oder aber medizinische Untersuchungen festgestellt werden, um zu prüfen, ob sie minderjährig sind. Dafür ist das Jugendamt zuständig, ebenso für die Unter-

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Lt. Bundesfachverband unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge.

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bringung, welche möglichst nicht in Sammelunterkünften erfolgen soll, sowie für die Durchsetzung des Kindeswohls. Problematisch ist, dass UMF, obwohl noch minderjährig, laut deutscher Gesetzgebung in Asylfragen ab dem 16. Lebensjahr als voll handlungsfähig definiert werden. Mit anderen Worten, in allen Fragen des Lebens dürfen diese Jugendlichen aufgrund ihrer Minderjährigkeit nicht selbst handeln, z.B. sich in einem Verein anmelden. Doch gerade bei der für alle Flüchtlinge wichtigsten Frage, nämlich der nach der Stellung eines Asylantrages, werden sie allein gelassen und müssen sich mit Vorgängen beschäftigen, die selbst für erwachsene Sachkundige oft undurchschaubar sind. Umso mehr versucht Refugio VS seit Jahren, für diese Gruppe eine Anlaufstelle zu sein. In unserer Betreuung sind derzeit zehn unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, in diesem Jahr verzeichnen wir vor allem Neuankömmlinge aus Syrien und Sri Lanka. Nicht immer sind die Konstellationen so problematisch spektakulär wir in dem Fall, für den wir Ende 2011 aufgrund seiner Abschiebung Kirchenasyl bewirkten. In der alltäglichen Arbeit geht es um die psychische Stabilisierung durch Therapie sowie der Begleitung in Fragen des alltäglichen Lebens und der gesellschaftlichen Teilhabe. Zudem versuchen wir, ihnen beim Spracherwerb und durch Ergänzungsunterricht (siehe Kapitel 3) zu helfen. Darüber hinaus ist es unser Anliegen, diesen Jugendlichen sinnvolle Freizeitangebote zu unterbreiten, bei denen sie ihre Fähigkeiten entdecken und weiterentwickeln sowie Gleichaltrige und Schicksalsgenossen treffen können. Ein Beispiel ist das im nächsten Kapitel beschriebene Kunstprojekt.

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8. Kunstprojekt mit jugendlichen Flüchtlingen Profitieren sollten von diesem Projekt sowohl unbegleitete minderjährige Flüchtlinge als auch Jugendliche, die zusammen mit ihren Eltern nach Deutschland flohen. Die TeilnehmerInnen kamen aus Syrien, Mazedonien und Sri Lanka. Sprachvielfalt und eine spannende Interaktion waren damit geboten. Ziel des Gruppenangebots war es, den jungen Menschen Raum für sich selbst zu bieten. Ohne Alltagsstress und die Belastung der vielen Probleme, denen sie ausgesetzt sind, sollten sie die Möglichkeit bekommen, ihre Kreativität und unbekannte Ressourcen zu entdecken. Außerdem bot sich so die Chance, mit Gleichaltrigen zusammen zu kommen, die sich in ähnlichen Situationen befinden wie sie selbst. Die bunt gemischte Gruppe traf sich jeden Freitag für eineinhalb Stunden unter Anleitung von Monika Broghammer, diplomierte ganzheitliche Kunsttherapeutin und kunsttherapeutische Heilpädagogin mit einem besonderen Gespür für diese Jugendlichen. Sie kitzelte mit verschiedenen Materialien, Farben und Ideen die Kreativität der Jugendlichen heraus. Jedes dieser Treffen stand unter einem anderen Thema, z.B. Landschaften, Tiere oder Früchte. Für uns war es dabei ganz erstaunlich zu sehen, dass insbesondere junge Männer mit großer Begeisterung jedem der Treffen beiwohnten. Am Ende kamen sehr unterschiedliche und spannende Bilder zustande. Manche zeigen die Schönheit der Dinge und des Lebens, einige erzählen von Flucht und Gewalt. Wir fänden es schade, wenn diese Bilder mit Ende des Projekts in einer Kunstmappe verschwinden würden. Deshalb planen wir, diese Bilder als Basis für einen Kunstkalender zu nehmen, den wir für das Jahr 2015 gestalten möchten. 21

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Flucht mit dem Boot

Bürgerkrieg in Syrien

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9. Vorweihnachtliche Freuden für die Jüngsten Nikolausfeier des Hoptbühl-Gymnasiums Seit vielen Jahren gestalten SchülerInnen des Hoptbühl-Gymnasiums unter Leitung von Wolfgang von der Heiden und Eva Lauble mit viel Engagement die nunmehr traditionelle Nikolausfeier für Kinder aus Flüchtlingsfamilien, die von Refugio VS betreut werden. Die Ausgestaltung, die weihnachtlichen Leckereien als auch die Geschenke werden dabei durch Spenden finanziert. Auch dieses Jahr konnten Anfang Dezember viele Kinder von Refugio VS gespannt dem Nikolaus lauschen, basteln, Schokolade und Plätzchen naschen und danach die mit Spannung erwarteten Geschenke auspacken. Im Namen der teilnehmenden Kinder danken wir den Schülern und Wolfgang von der Heiden ganz herzlich.

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Weihnachten im Schuhkarton Wie berichtet, betreut Refugio VS auch viele Klienten und deren Familien außerhalb des Schwarzwald-Baar-Kreises. Auch diesen Kindern wollten wir gerne eine Freude zu Weihnachten machen, denn leider können Kinder außerhalb unseres Landkreises an der bereits erwähnten Nikolausfeier kaum teilnehmen. Das liegt vor allem daran, dass die Familien zum Verlassen des Landkreises, in dem sich das Flüchtlingsheim, in dem sie wohnen, befindet, eine amtliche Genehmigung benötigen. Zudem müssten die Familien die Fahrtkosten nach Villingen aus ihrem geringen Taschengeld bezahlen, was eine weitere Hürde darstellt. Also haben wir uns überlegt, wie wir diesen Kindern trotzdem eine vorweihnachtliche Freude bereiten und etwas Abwechslung in ihren Alltag im Flüchtlingswohnheim bringen können. Da traf es sich bestens, dass wir von Frau Weeber von der Schulsozialarbeit des hiesigen Landratsamtes Unterstützung bekamen, welche mit Schülern der Robert-GerwigBerufsschule in Furtwangen als auch der Kaufmännischen Schule I in Villingen über zwanzig Schuhkartons voll mit altersgerechten Überraschungen packte. Diese Päckchen können wir nun analog der bekannten Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ im Laufe des Monats Dezember individuell an die jeweiligen Kinder übergeben, sobald die Eltern zur Therapie nach Villingen kommen. Viele glänzende Kinderaugen sagen ganz bestimmt auch ohne Worte danke!

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