2. Biathlon. 2.1 Definition

February 8, 2017 | Author: Simon Brinkerhoff | Category: N/A
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1 1. Einleitung: Mit dieser Bachelorarbeit möchte ich das Thema Biathlon Von der Randsportart zum Wintersport Numme...

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1. Einleitung: Mit dieser Bachelorarbeit möchte ich das Thema „Biathlon – Von der Randsportart zum Wintersport Nummer eins“ bearbeiten. Dabei beschränke ich mich auf die Stellung dieses Sports in Deutschland. Um meine Hypothese zu beweisen, vergleiche ich die Sportart Biathlon mit zwei weiteren nordischen Wintersportdisziplinen – dem Skilanglauf und dem Skispringen. Ich habe mich gegen Ski Alpin entschieden, da dieser Sport von vielen Menschen in der Freizeit betrieben wird und daher eine andere Anerkennung und ein anderes Interesse erfährt als die drei Ausgewählten. Da Biathlon eine relativ junge Sportart ist, gibt es bisher nur wenig Material zu diesem Thema. Einzig zu geschichtlichen Daten und Definitionen lässt sich Literatur finden. Darum habe ich mich entschieden, zur Beantwortung meiner Frage verschiedene Personen, die in enger Weise sowohl mit Biathlon als auch mit Langlauf und Skispringen in Verbindung stehen, zu diesem Thema zu interviewen. Die Befragungen wurden über das Telefon durchgeführt, mit einem Diktiergerät aufgezeichnet und hinterher niedergeschrieben. Ich habe mich für die beiden Eurosport Kommentatoren Sigi Heinrich und Dirk Thiele, sowie die ehemalige Langläuferin und Biathletin Katrin Apel und den DSV-Pressesprecher Stefan Schwarzbach entschieden. Sigi Heinrich ist ein Urgestein des pan-europäischen Fernseh-Senders Eurosport. Seit dessen Gründung im Jahr 1989 kommentiert der heute 57-Jährige Biathlon und ist somit bestens mit dieser Sportart und ihrer Entwicklung vertraut. 2006 bekam er für sein Engagement von der Internationalen Biathlon-Union den Biathlon-Award verliehen. Zudem kann er auch einiges zum Thema Langlauf und Skispringen berichten. Dirk Thiele ist seit 1992 Kommentator bei Eurosport für Ski nordisch, darunter seit der Saison 1993/94 für Skispringen und Langlauf. Auf Grund dessen kann er mir zu diesen Sportarten viele Informationen geben. Als Anerkennung seiner journalistischen Leistungen im Ski nordisch bekam er 2003 vom Internationalen Skiverband (FIS) den FIS-Award überreicht. Katrin Apel wechselte 1994 nach der verpassten Qualifikation für die Olympischen Spiele in Lillehammer vom Langlauf zum Biathlon. In dieser Sportart wurde die Deutsche mehrmalige Olympiasiegerin und Weltmeisterin, 2007 beendete sie ihre erfolgreiche Karriere. Die heutige Ergotherapeutin hat die Entwicklung beider Sportarten für einen gewissen Zeitraum miterlebt und kann zu

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beiden Gebieten von ihren Erfahrungen berichten. Stefan Schwarzbach ist seit 2000 Pressesprecher beim DSV und somit sowohl für die Biathleten als auch für die Langläufer zuständig. Doch auch zum Thema Skispringen kann er aufgrund seiner Arbeit in diesem Verband einiges erzählen. Zu Beginn meiner Arbeit liefere ich eine Definition von Biathlon, erläutere die einzelnen Disziplinen sowie historische Fakten. Zudem definiere ich Wintersport und gebe ich einen kleinen historischen Einblick in Skilanglauf und Skispringen. Im weiteren Verlauf vergleiche ich die Sportarten bezüglich ihrer Faszination, ihrer Entwicklung, den Regeländerungen, dem medialen sowie dem Zuschauerinteresse und gebe einen Ausblick in die Zukunft. Nach jedem Vergleich ziehe ich ein kleines Fazit, um so einen besseren Überblick zu verschaffen. Zum Abschluss gebe ich ein Schlussfazit, in dem meine Hypothese, mit den wichtigsten Aspekten zusammengefasst, belegt wird.

2. Biathlon 2.1 Definition Das Wort Biathlon kommt aus dem griechischen und heißt wörtlich übersetzt „Zweikampf“1. Es ist eine Kombinationssportart, die sich aus den Disziplinen Skilanglauf und Schießen zusammensetzt - somit werden eine Ausdauer- (Langlauf) und eine Präzisionssportart (Schießen) vereint2. Gelaufen wird in der freien Technik, dem Skating, das sich aus dem Doppelstockschub und dem Schlittschuhschritt zusammensetzt3. Für das Schießen werden seit 1978 Kleinkalibergewehre benutzt. Geschossen wird sowohl liegend als auch stehend, pro Schießeinlage müssen die Athleten fünf Scheiben in 50 Meter Entfernung treffen.4 Laut der Internationalen Biathlon-Union zählen Schneeschuhbiathlon, Crosslauf und Schießen sowie Mountainbike-Biathlon ebenfalls zu dieser Sportart.5

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Viktoria Franke 2003-2008 Stefan Schwarzbach 2010, 1 3 Dr. Wolfgang Fritsch 2004, 6 4 Jürgen Knopf 2009, 36 5 Internationale Biathlon Union 2000, Grundlagen 2

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2.2. Die Disziplinen Bei der Beschreibung der einzelnen Wettkampfformen beziehe ich mich auf das Reglement der IBU. Insgesamt gibt es sieben verschiedene Wettkampfarten. Dazu zählen der Einzelwettkampf, der Sprintwettkampf, der Verfolgungswettkampf, der Massenstartwettkampf und der Staffelwettkampf. Zudem gibt es noch den gemischten Staffelwettkampf sowie den Supersprint, der aber hauptsächlich nur bei Showwettkämpfen ausgetragen wird.6 2.2.1 Der Einzelwettkampf Beim Einzelwettkampf, der die älteste Tradition hat, müssen die Athleten die längste Strecke bewältigen – bei den Männern sind es 20 Kilometer, die Frauen laufen 15. Dazu gibt es vier Schießeinlagen. Pro Fehlschuss bekommen die Athleten eine Strafminute verschrieben. Da die Athleten zeitversetzt auf die Strecke gehen, gewinnt nicht derjenige, der als Erster im Ziel ist, sondern der, der am Ende die schnellste Zeit gelaufen ist. 2.2.2 Der Sprint Der Sprint ist die kürzere Version des Einzelwettkampfes. Statt eine Strafminute zu erhalten, müssen die Athleten pro Fehlschuss eine Strafrunde von 150 m Länge laufen. Die Distanz beträgt bei den Männern 10 km, die Frauen laufen nur 7,5 km. Zudem gibt es nur zwei Schießeinlagen (liegend – stehend). 2.2.3 Die Verfolgung Der Sprint ist die Qualifikation für die Verfolgung. Hier gehen insgesamt 60 Athleten an den Start. Die Platzierungen des vorausgegangenen Sprintwettbewerbes bestimmen die Startreihenfolge und Startabstände. Insgesamt vier Schießprüfungen (liegend – liegend - stehend – stehend) müssen die Herren über 12,5 km und die Damen über 10 km absolvieren. Wer als Erster die Ziellinie überquert, hat das Rennen gewonnen. Überrundete Läufer müssen den Wettkampf vorzeitig abbrechen.

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IBU 1998-2010, Wettkampfbeschreibung

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2.2.4 Der Massenstart Beim Massenstart gehen die 30 Bestplatzierten des Gesamtweltcups gleichzeitig auf die Strecke. Die Distanz beträgt bei den Herren 15 km, bei den Damen 12,5 km. Geschossen wird liegend – liegend – stehend - stehend. Beim ersten Liegendanschlag schießen die Athleten auf den Schießstand entsprechend ihrer Startnummer, bei der zweiten Schießeinlage ordnen sich die Athleten in ihrer aktuellen Reihenfolge des Eintreffens ein. Für die Zuschauer ist der Massenstart eines der spannendsten Rennen, da sie von Beginn an sehen, wer in Führung liegt. 2.2.5 Die Staffeln Beim Staffelwettbewerb starten pro Nation vier Athleten. Bei den Herren muss jeder Athlet eine 7,5-Kilometerdistanz mit jeweils zwei Schießeinlagen (liegend – stehend) absolvieren, bei den Frauen beträgt die Distanz 6 km. Die ersten Läufer jedes Landes gehen gemeinsam auf die Strecke. Anders als bei den Einzelwettkämpfen gibt es in der Staffel Nachladepatronen. Pro Schießeinlage dürfen die Athleten insgesamt dreimal nachladen, für jede danach nicht getroffene Scheibe muss eine Strafrunde gelaufen werden. Beim gemischten Staffelwettbewerb gehen pro Nation zwei Frauen über sechs Kilometer und zwei Männer über 7,5 km mit jeweils zwei Schießeinlagen an den Start. Auch hier haben die Teilnehmer jeweils drei Ersatzpatronen für jedes Schießen. 2.2.6 Die Supersprints Beim selten ausgetragenen Supersprint-Qualifikationswettkampf variiert die Streckenlänge zwischen 2,4 km und 3,6 km. Der zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Athleten beträgt 15 Sekunden. Es werden drei Runden gelaufen, in der ersten und zweiten Runde wird in der Reihenfolge liegend – stehend jeweils einmal geschossen. Zudem gibt es wie in der Staffel drei Nachladepatronen pro Schießeinlage. Die Athleten, die selbst mit acht Schuss nicht alle fünf Scheiben treffen, werden automatisch disqualifiziert. Für den Supersprint-Finalwettkampf sind die Zeitschnellsten aus der Qualifikation zugelassen, die Teilnehmerzahl hängt von den zur Verfügung stehenden Scheiben ab.

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Die Distanzen liegen zwischen vier und sechs Kilometer. Dabei werden insgesamt fünf Runden gelaufen und vier Schießeinlagen (liegend – liegend – stehend – stehend) absolviert. 2.3. Die Ausrüstung: Zum Betreiben von Biathlon werden Skating-Ski, Stöcke sowie ein Gewehr und Munition benötigt. Das Material des Skis ist heutzutage Carbongewebe. Das Mindestgewicht der Skier muss 750 Gramm betragen, in der Regel wiegt ein Ski etwas unter 500 Gramm, ist also relativ leicht. Als Minimallänge gilt die Körpergröße des Athleten minus 4 cm, doch mehrheitlich vertrauen die Athleten der Faustregel: Körpergröße plus 15 cm. Die Lauffläche des Skis ist mit einem Belag versehen, der die Bodenhaftung zwischen Ski und Schnee möglichst gering halten soll. Zudem ist das richtige Wachsen entscheidend, ob der Ski schnell oder langsam läuft. 7 Auch die Skistöcke sind aus dem leichten Carbon gefertigt und damit sehr belastbar. Es gibt kein Mindestgewicht und keine Mindestgröße.8 Beim Gewehr handelt es sich um ein Kleinkalibergewehr. Derzeit dominieren zwei verschiedene Waffensysteme auf dem Markt. Die Mehrzahl der Athleten schießt mit Anschützwaffen, deren Vorteil im extrem schnellen Repetieren liegt. Der andere Teil bedient sich des russischen Baikal, das sich durch seine robuste und einfache Bauweise auszeichnet. Die Länge der Gewehre liegt bei einem Meter und sie wiegen ca. vier Kilogramm. Als Munition verwenden die Athleten die 5,6 mm Kleinkaliberpatronen, die aus einem Geschoss, der Hülse, Treibladungspulver und Zündsatz zusammengesetzt sind.9 2.4. Die Geschichte des Biathlons: Als Geburtsland des Biathlons gilt Norwegen. In den nordischen Sagen wird von häufigen Zweikämpfen auf Skiern gesprochen. Im Grimurslied der Edda wird der Gott Ull als der größte Skijäger gepriesen. „Ull, der Hehre, haust in Elbental, der 7

Sigi Heinrich/ Frank Luck 2010, 18 Sigi Heinrich / Frank Luck 2010, 18 9 Sigi Heinrich / Frank Luck 2010, 19-22 8

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Borgenschütze bester, der Schnellste auf Schneeschuhen. Beim Zweikampfe ruft man ihn an“10. Zudem wurden ca. 2500 Jahre alte Höhlenmalereien, wie die bei BesnowNoß am Onegasee in Nordwestrussland gefunden, die Jäger mit Trittbrettern abbilden.11 2.4.1 Militärische Vergangenheit Festzustellen ist, dass Biathlon militärische Wurzeln hat. Zu Zeiten der Wikinger verteidigten sich die Ur-Einwohner Norwegens auf Skiern gegen einfallende dänische Feinde. Als im 16. Jahrhundert die ersten norwegischen Skiregimente gegründet wurden, entwickelten sich auch erste Vergleichswettkämpfe, um die Stärke der eigenen Truppe unter Beweis zu stellen. 1767 wurden an der schwedischnorwegischen Grenze die ersten Wettbewerbe ausgetragen. Bis 1910 entwickelte sich aus den verschiedenen Wettkämpfen der Militärpatrouillenlauf. Eine aus einem Offizier, einem Unteroffizier und zwei Soldaten bestehende Mannschaft bekam bei einer Distanz von 30 km für jeden abgegebenen Treffer 30 Sekunden Zeitgutschrift. Zudem setzte sich in diesem Jahr auch die Zweistocktechnik durch, die die Tür für den Biathlonsport weiter aufstieß. 1912 wurde mit dem Gewehr- und Skiclub Trysil der erste Biathlonverein in Norwegen gegründet.12 Bereits 1924 war der Militärpatrouillenlauf Teil der ersten Olympischen Winterspiele in Chamonix (Frankreich), danach wurde er als Demonstrationswettbewerb weiter durchgeführt. Dabei mussten bei einer Distanz von 30 km fünf Schüsse auf ca. 150 Meter entfernte Ballons abgegeben werden.13 Mit der Entmilitarisierung des Sports wurde eine sichere Zukunft geschaffen. 1954 entschied sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) den 20-KilometerEinzelwettkampf bei den Olympischen Winterspielen 1960 in Squaw Valley (USA) zuzulassen, den der Schwede Klas Lestander gewann. 1955 wurde das Konzept des Modernen Winter Biathlons in Macolin in der Schweiz eingeführt. Nur ein Jahr später

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Viktoria Franke 2003-2008, Ausführliche Geschichte Viktoria Franke 2003-2008, Ausführliche Geschichte 12 Sigi Heinrich / Frank Luck 2010, 11 13 Sigi Heinrich / Frank Luck 2010, 11 11

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wurden am 17. November 1956 die Wettkampfregeln für Biathlon im australischen Melbourne genehmigt. Der am 3. August 1948 im englischen Sandhurst gegründete Verband Union Internationale de Penthalon Moderne (UIPM), der 1968 in Union Internationale de Penthalon Moderne et Biathlon (UIPMB)14 umbenannt wurde, interessierte sich für die Kombination aus Laufen und Schießen und hat Biathlon daraufhin im Jahr 1957 formell bei sich aufgenommen. Der amtierende Präsident jener Zeit, der schwedische General Sven Thofelt, hatte die Idee für den Namen Biathlon.15 2.4.2 Internationale Wettkämpfe In Saalfelden in Österreich wurde am 2. März 1958 die erste Weltmeisterschaft (WM) der Männer ausgetragen. Der Großteil der Teilnehmer bestand aus Angehörigen der Bundeswehr, des Bundesgrenzschutzes oder des Zolls. Geschossen wurde zu dieser Zeit noch mit Großkalibergewehren, als Ziel dienten bis 1966 Luftballons, ab 1967 wurden zerbrechliche schwarze Glasscheiben eingesetzt.16 In Deutschland standen die Menschen dem Biathlon aufgrund der militärischen Komponente skeptisch gegenüber. Doch dank des Einsatzes von Hannes Kirchgessner, Generalsekretär des Deutschen Ski-Verbandes (DSV), und Michl Pössinger, Referent für Biathlon im DSV, fand 1966 in Garmisch-Partenkirchen eine Weltmeisterschaft statt. Diese Austragung hat die Akzeptanz des Sports in Deutschland deutlich ansteigen lassen.17 Auch in der DDR tat sich etwas: 1967 wurde in Altenberg (Sachsen) die nächste WM ausgetragen. Zudem wurden 1966 die Formate für die Einzelwettkämpfe festgelegt – für Schüsse in den äußeren Ring gab es eine Strafminute, für komplette Fehlschüsse zwei. Die ersten Staffelwettbewerbe fanden bei der WM in Garmisch-Partenkirchen statt.18 1972 bekam Ruhpolding die Zusage für das erste deutsche Biathlon-Leistungszentrum. 1974 wurde der Sprintwettkampf in das Programm der Weltmeisterschaften im russischen Minsk aufgenommen. Bei den Olympischen Winterspielen in Innsbruck 1976 holte das DDRQuartett mit Frank Ulrich, Manfred Geyer, Karl-Heinz Menz und Manfred Beer die erste Bronze-Medaille für ein deutsches Team.19 14

Jürgen Knopf 2009, 28 Sigi Heinrich / Frank Luck 2010, 11-12 16 Jürgen Knopf 2009, 29 17 Sigi Heinrich / Frank Luck 2010, 12 18 IBU 1998-2010, Geschichte 19 Jürgen Knopf 2009, 30 15

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Das Jahr 1978 markiert einige wichtige Wendepunkte. Zum einen wurde der Weltcup ins Leben gerufen, zum anderen wurden die Großkalibergewehre durch Kleinkalibergewehre ersetzt. Diese Umstellung sorgte für einen gewaltigen weltweiten Aufschwung des Biathlons und war eine Basis für seine Entwicklung zu einer der attraktivsten und zuschauerfreundlichsten Wintersportdisziplinen20. Von nun an war die Teilnahme auch Nicht-Angehörigen des Militärs gestattet und die Zuschauer konnten sich, da die Kleinkalibergewehre sehr viel sicherer sind, näher am Schießplatz platzieren. Im österreichischen Hochfilzen wurden im selben Jahr die ersten mechanischen Scheibensysteme eingesetzt. Bei den Olympischen Spielen 1980 im amerikanischen Lake Placid wurde zum ersten Mal der Sprintwettkampf ausgetragen. Des Weiteren wurde die Zwei-Minuten-Strafe abgeschafft und die Zielscheibengröße auf 11 cm festgelegt.21 1980 wurde Frank Ullrich im Sprintwettbewerb in Lake Placid erster deutscher Olympiasieger und leitete damit eine unglaubliche Erfolgsserie ein. Seitdem gab es keine olympischen Spiele mehr ohne mindestens einen deutschen Olympiasieg.22 2.4.3 Entwicklung des Damen-Biathlons: „Biathlon ist Männersache“23 - dieser Ansicht war im Jahre 1979 zumindest der Russe Alexander Tichonow, vierfacher Olympischer-Goldmedaillen-Gewinner und heutiger IBU-Vizepräsident.24 Ab Anfang der 80er Jahre sollte sich dies aber ändern. Aufgrund des Drucks aus Skandinavien und der Tschechoslowakei hat sich die UIMPB Anfang der 80er Jahre entschlossen, auch Frauenwettbewerbe stattfinden zu lassen. Der erste wurde 1981 in Jachymov – Karlovy Vary (Tschechoslowakei) ausgetragen. Drei Jahre später folgte dann im französischen Chamonix die erste Frauen-WM, die unabhängig von den Herren ausgetragen wurde. Die Damen aus der Bundesrepublik begannen bereits Mitte der 80er Jahre mit intensivem Training. Doch da die deutsche DamenFörderung des DSV am Anfang noch sehr gering war, hatten die deutschen Athletinnen vorerst nichts mit der Medaillenvergabe zu tun – diese machten Russland 20

Alexander Tichonow 1979, nach Jürgen Knopf 2009, 29 IBU 1998-2010, Geschichte 22 Jürgen Knopf 2009, 30-31 23 Sigi Heinrich / Frank Luck 2010, 13 24 Sigi Heinrich / Frank Luck 2010, 13 21

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und Skandinavien unter sich aus. Erst 1988 holte Petra Schaaf den ersten WM-Titel für die Damen der BRD. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde in der DDR begonnen, Strukturen im Frauen-Biathlon zu entwickeln.25 2.4.4 Gründung der Internationalen Biathlon Union Zudem verdrängte in der 2. Hälfte der 80er Jahre die Skatingtechnik den klassischen Skilanglauf völlig26. Seit 1987 kämpften Männer und Frauen gemeinsam im Weltcup um den Nationen-Cup. Ein Jahr später entschied das IOC, dass Frauen bei den Olympischen Spielen 1992 in Albertsville starten durften.27 1989 stieg die Distanz bei den Frauenwettkämpfen im Einzel auf 15 km und im Sprint auf 7,5 km, zudem fanden die ersten gemeinsamen Weltmeisterschaften statt.28 Nach der deutschen Wiedervereinigung fanden 1990/91 alle Athleten ein gemeinsames Dach beim DSV.29 Am 30. November 1992 entschied der UIPMB-Präsident Anders Bessberg aus Norwegen, Biathlon vom Modernen Fünfkampf zu trennen. Im darauffolgenden Jahr, am 2. Juli 1993, wurde in London mit der Internationalen Biathlon Union (IBU) ein eigenständiger Verband mit Sitz in Salzburg gegründet.30 Um den Sport auch im Sommer interessant zu machen, wurden 1996 die ersten Biathlon-Sommerweltmeisterschaften in Hochfilzen ausgetragen. Außerdem wurde der Verfolgungswettkampf Teil der Weltcupveranstaltungen und der WM im slowakischen Orsblie. Nur ein Jahr später wurde auch der Massenstart als offizielle Wettkampfsdisziplin anerkannt und löste damit den Mannschaftswettbewerb im Programm der Weltmeisterschaft ab. Im selben Jahr trennte sich die IBU endgültig von der UIPMB und wurde vom IOC als internationaler Wintersportverband anerkannt. 1999 wurde die Verfolgung ins olympische Programm aufgenommen. Bei den Spielen 2002 in Salt-Lake City kämpften die Athleten in dieser Disziplin erstmals um

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Jürgen Knopf 2009, 32 Jürgen Knopf 2009, 29 27 Sigi Heinrich / Frank Luck 2010, 13 28 IBU 1998-2010, Geschichte 29 Jürgen Knopf 2009, 32 30 IBU 1998-2010, Geschichte 26

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olympische Medaillen, der Massenstart wurde erstmals bei den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin ausgetragen.31 Inzwischen finden mindestens neun Weltcup-Veranstaltungen mit mindestens drei Weltcup-Rennen pro Austragungsort in ganz Europa aber auch in Übersee statt. Dazu kommen noch jährlich ausgetragene Weltmeisterschaften, die nur im Jahr der Olympischen Winterspiele ausgesetzt werden. Neben dem IBU-Weltcup gibt es mit dem IBU-Cup noch eine zweite Ebene. Hier starten neben den Nachwuchsläufern Athleten, die aufgrund schlechterer Leistungen von ihren Verbänden in den IBU-Cup zurückgestuft wurden. 3. Definition Wintersport Unter dem Begriff Wintersport werden alle Sportarten zusammengefasst, die wegen der bestimmten Winterungsverhältnisse im Winter ausgeübt werden32. Insgesamt gibt es 27 verschiedene Disziplinen, davon sind laut dem IOC 15 olympisch33.

4. Langlauf 4.1 Definition Langlauf ist eine nordische Wintersportart, die sowohl im Breiten- als auch im Leistungssport große Popularität genießt. Es ist eine allgemein empfehlenswerte Sportart, da fast alle Muskelgruppen betätigt werden. Zur Fortbewegung im Schnee werden Skier benutzt.34 4.2 Die Geschichte Ohne Langlauf wäre Biathlon gar nicht erst entstanden. Laut Dr. Gerd Falkner gibt Felszeichnungen und Moorfunde, die beweisen, dass Skier seit mindestens 8000 Jahren im Gebrauch sind35. Die Fédération Internationale de Ski (FIS) datiert die Wurzeln 31

IBU 1998-2010, Geschichte Oliver Korpilla 2010 33 IOC 2009, Sports 34 Deutscher Skiverband 2007 35 Deutscher Skiverband 2007, 15 32

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des Langlaufs auf 5000 Jahre zurück.36 Als Fortbewegungsmittel waren Skier bei der Jagd und im Krieg unverzichtbar. Über Norwegen wurde die Sportart weiter über den Rest Skandinaviens und Russland verbreitet. Die Bezeichnung Langlauf lässt sich auf die Entwicklung in Nordeuropa zurückführen37 Erste Zeugnisse über den nordischen Skisport gibt es bereits seit Mitte des 16. Jahrhunderts aus Uppsala (Schweden), die ersten Langlaufwettbewerbe werden auf das Jahr 1850 im norwegischen Telemarken datiert.38 Die Initialzündung der Skilaufentwicklung in Mitteleuropa war die Grönlanddurchquerung des Polarforschers Fridtjof Nansens und sein darüber 1891 erschienenen Buch „Auf Schneeschuhen durch Grönland“. Nansens bewies auf seiner langen Reise, die er größten Teils auf selbst gebauten Schneeschuhen zurücklegte, die Funktionstüchtigkeit des Skis und legte damit den Grundstein für den weltweiten Aufschwung des Skisports.39 Seit dem 19. Jahrhundert wurden vermehrt internationale Wettkämpfe in Skandinavien ausgetragen, der erste offizielle und bedeutende Wettkampf fand 1892 in der „Wiege der Skiwettkämpfe“40, in Norwegen am Holmenkollen in Oslo statt. Anders als Biathlon wird Langlauf von der 1924 gegründeten FIS organisiert. Seit jenem Jahr ist Langlauf olympisch. Seit 1952 dürfen auch Frauen teilnehmen, damit sind sie den Biathletinnen 40 Jahre voraus.41 In der Saison 1978/79 führte die FIS probeweise einen Weltcup durch, seit 1987 gab es dann durchgängig Wettbewerbe sowohl in der Klassischen Technik (Diagonalschritt mit Einsatz des Doppelstockschubs) als auch im Skating (der vom Amerikaner Bill Koch 1982 bekannt gemachte „Schlittschuhschritt).42 4.3 Die Disziplinen Laut dem Reglement der FIS gibt es insgesamt sechs verschiedene Wettbewerbe jeweils bei den Damen und Herren. Dazu zählen bei den Damen der Sprint (zwischen 1 km und 1,5 km), der Teamsprint – zwei Läufer pro Nation laufen abwechselnd, jeder muss drei Runden absolvieren –, die Doppelverfolgung über 7,5 km klassisch und 7,5 36

Fédération Internationale de Ski (FIS), Beschreibung der FIS-Disziplinen Fédération Internationale de Ski 38 Arnd Hemmersbach 2008, 12 39 Deutscher Skiverband 2007, 20 40 Fèderation International de Ski (FIS) 41 Gerd Falkner 2007, 22 42 Fédération Internationale de Ski 37

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km Skating, 10 km klassisch im Intervallstart – die Athleten starten jeweils im 30Sekunden-Abstand, sowie den Massenstart über 30 km. Zudem gibt es noch eine 4x5 km Staffel. Bei den Herren gibt es den 15 km Intervallstart, die Doppelverfolgung über jeweils 15 km, den 50 km Massenstart, den klassischen Teamsprint sowie die 4x10 km Staffel.43

5. Skispringen 5.1 Definition Beim Skispringen sind Technik, ein perfektes Zeitgefühl sowie Mut gefragt. Ziel ist es, soweit wie möglich zu springen, dabei eine ästhetisch und aerodynamisch wirkungsvolle Körperhaltung und Skiführung zu demonstrieren und bei der Landung ohne Sturz einen sauberen Telemark zu setzen.44 Diese Technik wurde 1883 erstmals von Torju Torjussen erprobt. Dabei schiebt der Athlet bei der Landung einen Ski etwas weiter nach vorne und den anderen etwas weiter nach hinten.45 5.2 Die Schanzen In dieser Sportart wird von insgesamt drei verschiedenen Schanzen gesprungen. Dabei werden die Schanzen nach ihrer K-Punkt-Weite eingeteilt, das bedeutet, dass die Weite von der Grundkante des Schanzentisches entlang des Hangs gemessen wird. Es wird zwischen der Normalschanze mit 75 m – 99 m, der Großschanze mit 100 m – 120 m sowie der Flugschanze mit 145 m – 185 m unterschieden.46 Der Wettkampf wird immer in zwei Durchgängen ausgetragen. Aus Weite, Haltungsnoten und seit der Saison 2009/2010 auch der Einbeziehung des Windfaktors bei einigen Springen errechnen die Wertungsrichter eine Gesamtnote47.

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FIS, Beschreibung der FIS-Disziplinen Tina Schlosser 2001, 12 45 T-Online 2010 46 Andi Wagner, Skisprunglexikon 47 Tina Schlosser 2001, 12 44

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5.3 Die Geschichte Vor etwa 150 Jahren wurde in Norwegen begonnen, mit Skiern auf Weite zu springen. 1860 wurden die ersten Wettkämpfe ausgetragen, bei denen die Männer aber noch einen Stock zu Hilfe nahmen. Der erste Weltrekord wird dem Norweger Hemmestveit zugeschrieben, der im Jahre 1879 bei einer Weite von 23 m landete. Bei den ersten offiziellen Olympischen Winterspielen 1924 in Chamonix war Skispringen bereits Teil des Programms. Zuerst gab es nur Wettkämpfe von der Normalschanze, ab 1964 in Innsbruck wurde auch von der Großschanze gesprungen. Der Teamwettbewerb ist seit 1988 Calgary olympisches Programm. Ab 1929 fanden jährlich FIS-Wettkämpfe statt. Seit 1935 gibt es die Disziplin Skifliegen, wobei der Weltverband zu Beginn Sorge hatte, dass durch die Verbreitung der Großschanzen die Entwicklung des Skispringens gestoppt werden könnte. Zudem gab es Sicherheitsbedenken. Doch da das Publikumsinteresse riesig war, wurde dem Skifliegen eine Chance gegeben.48

6. Die Faszination der Sportarten Jede Sportart hat seine eigene Faszination. Im folgenden Abschnitt werde ich die Aspekte, die sowohl Langlauf, Skispringen wie auch Biathlon auszeichnen, aufzählen und erläutern. 6.1. Langlauf Langlauf ist eine Sportart, die für Ausdauersportler faszinierend ist49. Abhängig von der Region, in der eine Person aufgewachsen ist, kommt ein Mensch laut Katrin Apel automatisch zum Langlauf. Zudem ist für viele Menschen die Bewegung an der frischen Luft, die gut für Körper und Seele ist, ein Grund diese Sportart zu betreiben. Ein weiterer Aspekt, der Langlauf interessant macht, ist die Ausübung von zwei verschiedenen Techniken, die klassische Technik und das Skaten50. Langlauf kann von jedem einfach erlernt und ausgeübt werden, es erfordert nicht sonderlich viel Können außer etwas Balance und Ausdauer, die trainiert werden können. Das Zuschauerinteresse bei Welt-

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Tina Schlosser 2001 Dirk Thiele 2010, 3 50 Katrin Apel 2010,1 49

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cup-Veranstaltungen ist leider gering, die Stadien sind nur selten ausverkauft, eine Atmosphäre kommt kaum auf.51 6.2. Skispringen Skispringen ist eine Sportart, die nur von relativ wenigen Menschen betrieben werden kann. Jeder kann laufen, springen und vielleicht Fußball oder Handball spielen, aber von einer Schanze zu springen, das können nur Wenige52. Für viele Menschen ist es einfach nicht nachvollziehbar, wie eine Person so viel Mut aufbringen und dann ohne große Probleme von so einer Schanze herunterspringen kann.53 Der Nervenkitzel dieser Sportart ist, dass die Athleten die Schwerkraft überwinden und dann relativ weit springen können. Zudem sind die Regeln relativ einfach und für jeden zu verstehen – wer am weitesten springt, der hat gewonnen. Die Unwägbarkeiten des Windes sind ein weiterer Spannungsfaktor, sodass hin und wieder auch ein Außenseiter die Chance hat zu gewinnen.54 Was Skispringen außerdem auszeichnet ist die Stadionatmosphäre wie beispielsweise bei der Vierschanzentournee. Durch die Massenfaszination entsteht ein Gemeinschaftsgefühl, das die Zuschauer begeistert.55 6.3.Biathlon Was die Sportart Biathlon so spannend und interessant macht, ist der Wechsel von Laufen und Schießen, das Beherrschen dieser beiden Faktoren. Denn normalerweise ist dies eine Kombination, die sich nicht verträgt.56 Bei dieser Sportart werden eine kalkulierbare Größe, die Ausdauerleistung, die trainiert werden kann, und die Präzision, das Schießen, bei dem immer wieder Kleinigkeiten eine Rolle spielen, verbunden und damit ein Spannungsbogen vom ersten bis zum letzten Läufer aufgebaut57. Daraus resultiert die Unsicherheit über den Ausgang eines

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Katrin Apel 2010, 2 Dirk Thiele 2010,1 53 Sigi Heinrich 2010, 5 54 Stefan Schwarzbach 2010,5 55 Sigi Heinrich 2010, 3 56 Dirk Thiele 2010,1 57 Stefan Schwarzbach 2010, 1 52

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Rennens – ist ein Athlet am Vortag Sechzigster geworden, kann er am nächsten Tag plötzlich ganz oben auf dem Podest stehen58. Für viele Leute ist es unverständlich, wie ein Athlet bei Wind und Wetter schnell laufen und dann bei einem Puls von 160 oder 170 noch genau schießen kann. Auch im Biathlon ist die Stadionatmosphäre in vielen Austragungsorten, vor allem in Deutschland, Italien und Österreich, fantastisch. Die Fans lösen ihr Ticket, gehen ins Stadion und erleben das Gemeinschaftsgefühl. Sobald die Athleten zum Schießen ins Stadion kommen, legen die Zuschauer los und feuern Athleten jeder Nation an.59 Außerdem ist es ebenso wie das Skispringen kein Volkssport, denn mit einem Gewehr umgehen können nur Wenige. Zudem zeichnet die Vielzahl der deutschen Erfolge diese Sportart aus. Ohne die erfolgreichen einheimischen Sportler könnte die Sportart noch so attraktiv sein, dann wäre sie nicht da, wo sie heute ist.60 6.4 Fazit: In diesem Vergleich liegen Skispringen und Biathlon ungefähr gleichauf vor Langlauf. Jede Sportart hat ihre eigene Faszination. Langlauf ist als einzige der drei Sportarten eine Art Volkssport, da hier außer Balance und Ausdauer nicht viel Können verlangt wird. Festzustellen ist, dass trotz einer Vielzahl deutscher Erfolge, die Faszination auf die Zuschauer nicht überspringt. Biathlon und Skispringen hingegen sind so populär, weil sie nicht von jedem Bürger ausgeübt werden können. Beim Skispringen ist es erstaunlich, wie die Athleten die Schwerkraft überwinden und dann soweit springen bzw. fliegen können. Die Stadionatmosphäre ist wie beim Biathlon auch fantastisch. Während der Wettkämpfe entsteht bei den Zuschauern ein Gemeinschaftsgefühl, das im Langlauf nicht aufkommt. Beim Biathlon fasziniert die Kombination einer Ausdauerund einer Präzisionssportart, der Wechsel von Laufen und Schießen. Der daraus resultierende Spannungsbogen macht die Sportart mit zur Nummer eins in Deutschland. Zudem tragen die vielen deutschen Erfolge, die im Skispringen vermisst werden, zur Popularität dieser Sportart bei.

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Katrin Apel 2010, 1 Sigi Heinrich 2010, 1 60 Stefan Schwarzbach 2010, 1 59

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7. Entwicklung Im folgenden Abschnitt gehe ich auf die Entwicklung der einzelnen Sportarten ein. Dabei ist festzustellen, dass die Entwicklung einer Sportart vor allem von den Wettkampfformaten und den Erfolgen der einheimischen Sportler abhängt. 7.1 Langlauf „Der Langlauf hinkt“61 – damit trifft es Dirk Thiele ziemlich genau auf den Punkt. Die Aussagen von Sigi Heinrich und Katrin Apel, Langlauf sei langweilig und es fehle an Spannung62, unterstützen diese These. Stefan Schwarzbach hingegen zeigt sich zufrieden mit der Entwicklung im Langlauf, denn auch in dieser Sportart gibt es immer wieder deutsche Erfolge zu verzeichnen. Deutschland ist keine Langlaufnation und wird es im Vergleich zu Norwegen oder Schweden aufgrund des Standortnachteils, da in Deutschland nur in wenigen Bundesländern Wintersport betrieben werden kann, auch in den kommenden 30 Jahren nie werden.63 Daher ist das deutsche Team auch nur mit einer Handvoll Athleten in der Weltspitze vertreten. „Dafür, dass wir im Langlauf relativ klein aufgestellt sind und es mit einem sehr kleinen Ressourcenpaket geschafft haben, über die Jahre hinweg solche Höchstleistungen zu erzielen und in der Weltspitze vertreten zu sein, sollten wir zufrieden sein.“64 Im Gegensatz dazu ist die Entwicklung im Langlauf nach Meinung von Dirk Thiele nicht sehr positiv bewerten. Die FIS hat vieles versucht, indem zusätzliche Bonuspunkte eingeführt wurden, das bedeutet, dass es innerhalb eines Rennens mehrere Zwischenwertungen gibt, für die die ersten drei Athleten extra Weltcup-Punkte (15, 10, 5 Punkte) bekommen65. Zudem wollte der Verband mit der Einführung des Massenstarts weg vom Kampf gegen die Uhr. Doch auch dieser Versuch ist gescheitert, da die Distanzen beim Massenstart zu lang sind. Bei einem Rennen über 50 km sind die Läufer 48 km zusammen, erst auf den letzten zwei Kilometern trennt sich die Spreu vom Weizen und die Sprinter ziehen davon. Dieses Format ist für die Zuschauer langweilig.66 „Die Organisatoren versuchen im Langlauf zwar schon auf kleinere Runden zu gehen, aber wenn die Athleten nur jede halbe oder dreiviertel Stunde bei den Zuschauern im Stadion vorbeikommen, dann ist das für die 61

Dirk Thiele 2010, 3 Dirk Thiele, Sigi Heinrich, Katrin Apel 2010 63 Stefan Schwarzbach 2010, 6 64 Stefan Schwarzbach 2010, 4-5 62

65

Reglement "VIESSMANN" FIS Weltcup Langlauf 2009-2010, 7

66

Dirk Thiele 2010, 3

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Fans relativ langweilig“, erklärt Katrin Apel die geringe Vor-Ort-Präsenz von Fans67. Auch der Sprint ist kein perfektes Rennformat, da er zu lang ist. Die ideale Distanz für einen Sprint beträgt laut Dirk Thiele zwischen 800 und 1000m.68 7.1.1 City-Sprints Durch die Einführung der City-Sprints wollte die FIS den Langlauf attraktiver machen69. Mit diesem Format folgen die Organisatoren der Philosophie „Wir bringen den Sport zu den Menschen, dann müssen die Menschen nicht zum Sport“. Doch die City-Sprints, die unter anderem in Prag, Stockholm und Düsseldorf ausgetragen werden, tendieren eher zu Marketing-Veranstaltungen, die nicht mehr viel mit der Sportart Langlauf an sich zu tun haben. Zudem ist das Format nicht interessant genug und kann schon fast als Sprint-Ausdauer bezeichnet werden.70 Ein weiterer Nachteil dieser City-Sprints ist laut Katrin Apel der große Aufwand. Zum einen muss der Schnee in die Städte transportiert werden, zum anderen sind die Organisatoren und Athleten auf gutes Wetter angewiesen, denn bei Regen, wie es schon häufig in Düsseldorf der Fall war, wird der Schnee häufig stumpf und das Rennen wird unattraktiver.71 Sigi Heinrich begründet die Einführung dieses Wettkampfformates mit dem Organisationsdruck, der auf der FIS lag, für mehr und bessere Stadionatmosphäre zu sorgen. Selbst die Athleten haben gemerkt, wie notwendig solche Veranstaltungen sind, um nicht dauernd vor leeren Rängen zu laufen. Denn im Vergleich zu den City-Sprints herrscht bei der zur Saison 2007/2008 neu eingeführten Tour de Ski „Totentanz“72 – auf der letzten Etappe hinauf nach Alpe Cermis laufen die Athleten einsam durch den Wald, keine Menschenseele ist zur Unterstützung an der Strecke dabei. Laut Sigi Heinrich ist das „irre, einfach das Letzte“73, für Dirk Thiele ist diese Tour nichts anderes als „Bergsteigen“, mit Langlauf habe das nichts mehr zu tun74

67

Katrin Apel 2010, 2 Dirk Thiele 2010, 4 69 Katrin Apel 2010, 3 70 Dirk Thiele 2010, 71 Katrin Apel 2010, 3 72 Sigi Heinrich 2010, 1 73 Sigi Heinrich 2010, 3 74 Dirk Thiele, 2010 ,3 68

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7.1.2 Quereinsteiger Zudem verliert der Langlauf immer wieder einige gute Athleten als Quersteiger an den Biathlon75, da diese Sportart populärer ist, die Athleten dort mehr Aufmerksamkeit bekommen und bessere Verdienste erzielen können. Denn wer Langlaufen kann, hat die Basis für Biathlon geschaffen, das Schießen kann immer erlernt werden. Zudem spricht es nicht für die Leistung der Langläufer, wenn hin und wieder Biathleten wie der Norweger Ole Einar Björndalen oder die junge Miriam Gössner im Langlauf-Weltcup starten und gute Resultate erzielen.76 „Für uns Biathleten ist es natürlich immer eine Genugtuung, wenn wir bei den Langläufern gut mithalten und zeigen können, dass auch die Biathleten gut laufen können. Am Ende gibt der Erfolg den Biathleten ja auch Recht“77, erinnert sich Katrin Apel, die selbst als Quereinsteigerin 1994 vom Langlauf zum Biathlon kam. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Spezialisten alle unter sich sind, das heißt, die meisten Sprinter sind keine Ausdauerathleten und umgekehrt gehen nur wenige Distanzspezialisten im Sprint an den Start. Daraus resultiert neben der fehlenden Spannung, dass fast immer die gleichen großen Namen ganz oben auf dem Podest stehen.78 In den vergangenen Jahren dominierten nur wenige Athleten das Starterfeld der Damen. 7.1.3 Image-Schaden Einen Image-Schaden hat die Sportart durch die vielen aufgedeckten Dopingfälle erlitten. Für Aufsehen und große Empörung sorgte vor allem der für Spanien gestartete Johann Mühlegg, der bei den Olympischen Winterspielen in Salt-Lake City nach seinem Sieg über die 50 km Distanz positiv getestet wurde und seine Goldmedaillen zurückgeben musste79. Einen weiteren Skandal gab es 2001 in Finnland. Bei der HeimWM in Lathi wurden sechs der prominentesten finnischen Langläufer positiv auf den Blutplasma-Expander HES getestet.80 Auffällig ist ebenfalls die hohe Zahl an positiv getesteten Athleten aus Russland. Allein im vergangen Jahr 2009 wurden insgesamt

75

Sigi Heinrich 2010, 5 Sigi Heinrich 2010, 5 77 Katrin Apel 2010,7 78 Sigi Heinrich 2010, 6 79 Spiegel Online 2002 80 Thomas Hahn, Raiko Häyrinen 2008 76

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elf russische Langläufer und Biathleten des Dopings überführt.81 Es vergeht kaum ein Winter ohne Dopingfall. Durch das Zusammenspiel all dieser Faktoren nimmt das Interesse der Bewerber für die Austragung von Weltcup-Veranstaltungen immer weiter ab, sodass es für die Organisatoren immer schwieriger wird, alle geplanten Weltcup-Rennen durchführen zu können.82 7.2.Skispringen Beim Skispringen sieht es im Vergleich zum Langlauf sehr viel besser aus. „Obwohl die deutsche Fahne nicht mehr weht, nimmt das Interesse nur in geringen Maßen ab“83. Während der Vierschanzentournee sind die Stadien immer noch ausverkauft, wobei hinzugefügt werden muss, dass sich die Veranstalter dafür mit Terminen rund um Weihnachten und Neujahr den richtigen Zeitraum aussuchen. Denn zu dieser Zeit finden nur selten Weltcup-Veranstaltungen anderer Wintersportarten statt. Zudem haben viele Bürger Urlaub bzw. Ferien und daher viel Zeit, um die Entscheidungen vor dem TV oder in den Stadien mitzuverfolgen. Doch den Hype, den Martin Schmitt und Sven Hannawald aufgrund ihrer Erfolge zwischen 1998 und 2002 ausgelöst haben, u. a. gewann Sven Hannawald als bislang einziger Springer im Jahr 2002 alle vier Springen einer Vierschanzentournee, den gibt es nicht mehr. In den vergangenen Jahren sind die erhofften deutschen Erfolge ausgeblieben, kein deutscher Athlet konnte in die Fußstapfen von Schmitt oder Hannawald treten. Zu jener erfolgreichen Zeit hätten die Verantwortlichen handeln müssen, indem sie zum Beispiel vermehrt in die Nachwuchsarbeit in den Zentren des Skispringens investiert hätten, denn damals wollte jeder ein kleiner Schmitt oder Hannawald sein.84

81

Taz.de, Andreas Rüttenauer, 2010 Dirk Thiele 2010, 4 83 Dirk Thiele 2010, 2 84 Dirk Thiele 2010, 5 82

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7.2.1 Schanzensicherheit Auch die Sicherheit auf den Schanzen hat in den vergangenen Jahren zugenommen, die Schanzenprofile haben sich verändert. Früher waren die Aufsprunghänge steiler, doch mit der Einführung des V-Stils und den damit verbundenen flacheren Flugkurven mussten die Normen angepasst werden, sodass die Hangneigung heute nur noch 35 38 Grad beträgt.85 Stürze können dennoch nicht verhindert werden. Janne Ahonen, einer der erfolgreichsten Skispringer aller Zeiten, unter anderem GesamtWeltcupsieger in der Saison 2003/2004 und 2004/2005, begründet die Sturzgefahr mit der zu hohen Anlaufgeschwindigkeit. „Vor zehn oder fünfzehn Jahren war die Anfangsgeschwindigkeit noch nicht so hoch, das Risiko zu weiten Sprüngen war noch nicht so groß. Seit zwei Jahren gehen die Sprünge wegen der hohen Anfangsgeschwindigkeit manchmal zu weit.“86 Zudem wollen Zuschauer und Fans auch immer Außergewöhnliches sehen. 7.2.2 Bodymaß-Index-Regel Ein sehr wichtiger Wendepunkt im Skispringen war 2004 die Einführung des BodymaßIndex (BMI), der den Trend von leichtgewichtigen Springer stoppen soll.87 Der BMI wird verwendet, um zu prüfen, ob bei einer Person ein Normal-, Über- oder Untergewicht vorliegt. Der Wert berechnet sich aus dem Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch die Körpergröße im Quadrat.88 Ein BMI von 18,5 wird von der Weltgesundheitsorganisation als leistungsminderndes Untergewicht bezeichnet. Der Normalwert liegt bei Männern zwischen 20 und 25, bei Frauen zwischen 19 und 24. Im Vergleich dazu hatte Martin Schmitt im Jahr 1998 einen BMI von 19,4 und Sven Hannawald von 18,989. In einem Interview mit dem Tagblatt spricht Martin Schmitt offen über die Gewichtsprobleme und deren Folgen. „Dass ich jetzt nicht voll leistungsfähig bin, liegt auch daran, dass ich mich seit Jahren in einem Grenzbereich bei meinem Gewicht bewege"90.Und das ist nur ein Beispiel für viele Athleten. Immer wieder wird über das Gewicht und die Tatsache, dass die Athleten bis an die Grenzen des nach den Regeln Erlaubten hungern, diskutiert. Auch Janne Ahonen ist der Meinung, dass das Mindestgewicht weiter 85

Andi Wagner, Skisprunglexikon Christiane Moravetz im Interview mit Janne Ahonen 2009 87 Andi Wagner, Skisprunglexikon 88 Novafeel 2000 89 Ludwig Geiger 90 Marco Mader, Oliver Heider im Interview mit Martin Schmitt 2010 86

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erhöht werden sollte. „Wir haben jetzt glücklicherweise den Bodymaß-Index, der eine gewisse Limitierung bringt. Ich bin aber der Meinung, der Index sollte viel strenger sein, höher, die Springer sollten schwerer sein müssen“39.Momentan gilt ein BMI von 18,5 als Ausgangsgröße für die neue Regel, doch da die Athleten mit Anzug und Schuhen gewogen werden, verändert sich der Wert auf 20.91 Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich in diesem Sektor etwas ändern wird, doch ein Diskussionsthema wird es weiterhin bleiben. 7.3 Biathlon: Biathlon hat mit Abstand die schnellste Entwicklung hinter sich. Der Boom in Deutschland begann mit Beginn der 90er Jahre – nach der Wiedervereinigung ist es dem Verband gut gelungen, beide Sportsysteme zu vereinigen und eine gestärkte Mannschaft hervorzubringen. Zum einen liegt das an der Vielzahl der deutschen Erfolge, zum anderen kommen aus dem eben genannten Grund viele Hauptsponsoren aus Deutschland.92 Anfang der 90er Jahre wurde zudem Damenbiathlon eingeführt. In den Anfangsjahren war es noch üblich, dass die Zuschauer, nachdem die Herren im Ziel waren, nach Hause gegangen sind und den Damen keinerlei Beachtung geschenkt haben.93 Das hat sich heute aber grundlegend geändert. „Die Leistungen der Männer und Frauen sind seit einigen Jahren sicherlich auf dem gleichen Niveau, wenn nicht die Frauen aufgrund ihrer Erfolge noch ein Stück weit populärer sind“94, erklärt Stefan Schwarzbach. Der Erfolg ist nach Meinung der Befragten das Hauptargument für die Stellung als Nummer eins im Wintersport. Ein weiterer wichtiger Punkt, in dem sich alle Befragten einig sind, ist, dass sich die IBU viele Gedanken gemacht und mit der Einführung von neuen Wettkampfformen die Sportart in ihrer Popularität vorangebracht hat. Der Verfolgungs- und der MassenstartWettkampf sind die beliebtesten Wettkämpfe geworden, das belegen auch die Einschaltquoten. Diese Formate sind für den Fernsehzuschauer leicht zu verstehen und garantieren viel Abwechslung im gesamten Geschehen.95 Die Dauer der Rennen ist beschränkt, die Zuschauer am Fernseher müssen demnach nicht so ewig lang sitzen wie beim Einzelrennen. Außerdem bieten diese Rennen viel mehr Spannung. Sie sind 91

Andi Wagner, Skisprunglexikon Katrin Apel 2010, 1 93 Stefan Schwarzbach 2010, 2 94 Stefan Schwarzbach 2010, 1 95 Sigi Heinrich 2010, 1 92

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kurzlebig und genau das, was die Zuschauer sehen wollen, begründet Katrin Apel die große Popularität dieser zwei Wettkampfformen. Zudem sind die TV-Formate bezüglich der gestiegenen Anzahl an Kameras, den Kameraperspektiven sowie den vielen Interviews interessanter und attraktiver geworden.96 7.3.1 IBU „Lebensnotwendig“ für die weitere positive Entwicklung des Biathlons war laut Stefan Schwarzbach zuerst die Gründung der Internationalen Biathlon Union (IBU) 1993 und dann schließlich deren Trennung vom Modernen Fünfkampf im Jahr 1998.97 Auch Sigi Heinrich unterstützt diese These. „Die IBU als relativ junger und eigenständiger Verein hat sich nicht gescheut, rechtzeitig zu reagieren, um noch mehr Attraktivität zu schaffen. Der Verband arbeitet schneller und zukunftsorientierter, traut sich mehr zu, unter anderem auch mal alte Köpfe abzuschneiden und Fehler zuzugeben“98, so der Eurosport-Kommentator. Nach der Einführung des Team-Wettbewerbs hat der Verband schnell gemerkt, dass dieses Format bei den Zuschauern nicht ankommt und hat es daraufhin sofort wieder eliminiert und sich auf wesentlich interessantere Wettkampfformen konzentriert.99 Da die IBU nur eine Disziplin vertritt ist sie im Vergleich zur FIS, die insgesamt acht Sportarten, darunter auch Langlauf und Skispringen, betreut, flexibler, kann Vorhaben leichter umsetzen und auf internationalem Terrain besser präsentieren.100 Der Verband hat sein Engagement vor allem bezüglich der WeltcupVeranstaltungen, die sehr viel durchorganisierter und professioneller geworden sind, vergrößert. Für die Zuschauer werden unter anderem Weltcup-Dörfer errichtet. In Oberhof beispielsweise wird eine Art Markt mit über 30 Ständen aufgebaut, bei denen Fans unter anderem Thüringer Spezialitäten, Souvenirs und Fanartikel kaufen können. Zudem wird ein großes Festzelt errichtet, in dem den ganzen Tag über Musik gespielt wird. Zur weiteren Unterhaltung befindet sich im Stadion-Innenraum eine Bühne, die zu Mitmach-Aktionen einlädt.101 Das gibt es, nach Aussage von Sigi Heinrich, in keiner anderen Sportart.102 Sponsoren haben bei den Weltcup-Veranstaltungen ihre eigenen VIP-Zelte aufgebaut. 96

Katrin Apel 2010, 2 Stefan Schwarzbach 2010, 3 98 Sigi Heinrich 2010, 3 99 Sigi Heinrich 2010,1 100 Stefan Schwarzbach 2010, 3 101 Wintersportfördervereins Rennsteig Oberhof e. V. 2010 102 Sigi Heinrich 2010,1 97

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Zudem ist Biathlon durch die Einführung der Bluttests seit 2000 ein Vorläufer im AntiDoping-Kampf gegenüber vielen anderen Sportarten geworden, stellt Katrin Apel heraus.103 Denn auch im Biathlon werden Athleten hin und wieder positiv getestet, doch die IBU kämpft und versucht alles, um den Sport sauber zu halten. Einen riesigen Anteil am Stellenwert der IBU hat Deutschland, denn hier befinden sich viele TopSportler und zahlreiche Sponsoren. Mit Oberhof und Ruhpolding als Austragungsorte internationaler Weltcup-Veranstaltungen gibt es außerdem zwei deutsche Stadien, die von den Zuschauern am meisten besucht werden.104 Einziger Streitpunkt ist die Philosophie der IBU, möglichst vielen Ländern die Teilnahme zu ermöglichen. Denn daraus resultiert ein großes Teilnehmerfeld von über 120 Athleten. Im Biathlon werden die Startplätze nach folgendem System vergeben: Die aufgrund ihrer Leistung besten vier Nationen bekommen sechs Startplätze, die nächsten drei Nationen bekommen fünf und so setzt es sich weiter fort.105 Aufgrund dieses großen Teilnehmerfeldes sind laut Sigi Heinrich die Übertragungszeiten mit ca. zwei Stunden bei einem Einzelrennen zu lang, da der Zuschauer immer nur eine bestimmte Anzahl an Minuten Sportübertragung verkraften kann, bevor er wegschaltet.106 „Zudem ist das Leistungsgefälle bei so einem Starterfeld irrsinnig groß. Jedes auf der Biathlonkarte existierende Land erhält einen Quotenplatz, jeder Athlet wird mit dem Entwicklungsfond der IBU unterstützt“107, erläutert Sigi Heinrich die Nachteile. Doch aufgrund dieser Integrität und Offenheit steht der Verband vor dem Internationalen Olympischen Komitee gut da.108 Zudem wird hin und wieder Kritik laut, dass eine jährlich stattfindende Weltmeisterschaft, mit Ausnahme im Jahr der Olympischen Winterspiele, eine zu kurze Zeitspanne ist. Zu empfehlen sei ein Zweijahresrhythmus wie es beispielsweise im Langlauf der Fall ist. Dennoch ist hervorzuheben, dass die Entwicklungsprogramme der IBU gefruchtet haben. Denn heutzutage gibt es Weltmeister aus Slowenien und der Slowakei, Bronzemedaillengewinner aus Weißrussland, Olympiasieger aus Schweden und 103

Katrin Apel 2010, 4 Katrin Apel 2010, 3 105 IBU 2003-2008, Teilnahme 106 Sigi Heinrich 2010, 4 107 Sigi Heinrich 2010, 4 108 Sigi Heinrich 2010, 4 104

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Russland, Deutschland ist sowieso immer vorne mit vertreten.109 Bei Weltcup-Rennen ist die Streuung allerdings größer. 7.3.2 Weltweite Stellung Biathlon, darin sind sich alle einig, ist keine Weltsportart, sondern eine lokale Größe im Sport, vergleichbar mit Tischtennis in China110. International hingegen ist der Sport bei Weitem nicht so verbreitet. Stefan Schwarzbach beschreibt Biathlon als deutschlastig, zudem ist es die klare Nummer eins in Norwegen, wo es dem überaus populären Langlauf den Rang abgelaufen hat. Es ist eine Größe in Russland, Schweden und langsam auch in Österreich.111 7.3.3 IBU-Cup Neben dem Weltcup gibt es im Biathlon mit dem IBU-Cup noch eine zweite starke Ebene112. Hier starten wie schon erwähnt neben dem Nachwuchs auch die Athleten, die sich aufgrund kontinuierlich schlechter Leistungen im Weltcup nicht etablieren konnten und vom eigenen Verband in den IBU-Cup zurückgestuft wurden. Doch finanziell gesehen ist dies für viele Athleten kein Rückschritt, da sich auf dieser Ebene sehr viel leichter Geld verdienen lässt als im Weltcup. Für einen Sieg im IBU-Cup bekommt der Gewinner 2000 Euro, für das gleiche Geld müsste der Athlet im Weltcup schon mindestens Sechster werden und das ist sehr viel schwieriger.113 7.4 Fazit: Diesen Vergleich gewinnt Biathlon eindeutig vor Skispringen und Langlauf. Nachdem die Entwicklung aller drei Sportarten gegenüber gestellt wurde, lässt sich feststellen, dass sowohl der Langlauf als auch Skispringen in den vergangenen Jahren mit Problemen zu kämpfen hatten und es noch heute tun. Im Langlauf sind die Verantwortlichen mit der Einführung von Bonuspunkten und dem Massenstart gescheitert, die Sportart wieder auf den richtigen Weg zu lenken. Langlauf fehlt es an Spannung, die Formate, abgesehen von den City-Sprints, sind für die Zuschauer langweilig. Die Probleme in 109

Sigi Heinrich, 2010, 3 Sigi Heinrich 2010, 6 111 Stefan Schwarzbach 2010, 3 112 Sigi Heinrich 2010, 4 113 Sigi Heinrich 2010, 4 110

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dieser Sportart sind so groß, dass trotz der deutschen Erfolge die Sportart kein Interesse bei den Zuschauern hervorruft. Beispielsweise gab es in den vergangenen zwei Jahren insgesamt 17 Podiumsplätze deutscher Athleten im Weltcup, im Skispringen hingegen nur sechs.114 Zudem verliert der Langlauf immer wieder talentierte Athleten als Quereinsteiger an Biathlon, da die Athleten dort einfach mehr Aufmerksamkeit bekommen. Im Skispringen war die Einführung der BMI-Regel ein wichtiger Schritt, um den Trend der leichtgewichtigen Springer zu stoppen. Was die Verantwortlichen in Deutschland aber verpasst haben, ist den Hype um Sven Hannawald und Martin Schmitt weiterzuführen. Zu dieser Zeit hätte der Verband die Förderung im Nachwuchsbereich weiter vorantreiben müssen. Zwar ist das Interesse an der Vierschanzentournee auch in Deutschland noch sehr groß, doch die Weltcup-Springen finden nicht mehr viel Akzeptanz. Grund dafür sind die fehlenden deutschen Erfolge, die es im Biathlon dafür umso mehr gibt. Schon aufgrund der erfolgreichen einheimischen Sportler ist der Boom im Biathlon vor allem in Deutschland so rasant vorangeschritten und hat die Sportart zur Nummer eins gemacht. Ein ganz wichtiger Schritt war zudem die Gründung der IBU und deren Trennung von Modernen Fünfkampf. Durch diesen eigenständigen Verein hat Biathlon gewisse Vorteile gegenüber den des Dachverband FIS unterstellten Sportarten einfach dahingehend, „dass schneller gehandelt und Ziele schneller umgesetzt werden können“115. Zudem arbeitet die IBU zukunftsorientierter und hat zur richtigen Zeit mit der Einführung des Verfolgungs- und des Massenstartwettkampfes zwei Formate geschaffen, die die Zuschauer mitreißen und zur steigenden Popularität beigetragen haben. Zudem wurde viel getan, um den Zuschauern vor Ort etwas zu bieten und die Atmosphäre anzukurbeln. Durch die Errichtung von Weltcup-Dörfern, vor allem in den deutschen Austragungsorten Ruhpolding und Oberhof, entsteht für die Fans „ein Gesamtpaket, das es in keiner anderen Sportart gibt“116. Mit dem IBU-Cup hat die Sportart zudem eine zweite starke Ebene für den Nachwuchs, die es im Skispringen und Langlauf so nicht gibt.

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Ergebnislisten der FIS und IBU 2005-2010 Sigi Heinrich 2010, 3 116 Sigi Heinrich 2010, 1 115

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8. Regeländerungen Um die Anforderungen einer Sportart an die sich immer weiter entwickelnde Gesellschaft anzupassen, kommen die Verbände nicht ohne Regeländerungen aus. Auch im Langlauf, Skispringen und im Biathlon wurden in den vergangenen Jahren neue Regeln eingeführt. Diese erläutere ich im folgenden Abschnitt. 8.1. Langlauf Im Langlauf haben die meisten Regeländerungen leider nicht gefruchtet. Einzig positiv anzumerken ist die Einführung der Skating-Technik ab der Saison 1985/1986 und die daraufhin ins Leben gerufene Doppelverfolgung, dem Ski-Duathlon.117 Aufgrund dieser zwei verschiedenen Techniken ist dem Zuschauer mehr Spannung geboten, denn oft sind die Athleten auf nur eine Technik spezialisiert, das heißt entweder auf die klassische oder auf die Skating-Technik. Damit ist in der Doppelverfolgung ein Führungswechsel fast garantiert, der es für die Zuschauer interessanterer macht. Zudem hat die FIS diese Wettkampfform von zwei Tagen auf einen Tag verkürzt, sodass zum einen die Athleten mehr gefordert sind, da sie 30 km am Stück laufen müssen, zum anderen erfahren die Zuschauer noch am selben Tag das Ergebnis. Um die Sportart für die Fans und Zuschauer vor Ort wenigstens etwas spannender zu machen, haben die Organisatoren der Weltcup-Veranstaltungen die Rundenlänge verkürzt. Somit kommen die Athleten häufiger bei den Zuschauern an der Strecke und im Stadion vorbei. Auch die Athleten profitieren von der Verkürzung, denn sie bekommen vermehrt Unterstützung und sind dadurch motivierter.118 Seit der Saison 2006/2007 wurde zum ersten Mal die Tour de Ski ausgetragen. Dabei gibt es sowohl Rennen in der freien als auch in der klassischen Technik, die ebenso wie die Vierschanzentournee Ende Dezember, Anfang Januar stattfinden und somit einen guten Zeitraum abdecken.119 Das FIS-Reglement hat auch hier eine Änderung vorgenommen. Seit 2007/2008 gibt es für die Bestplatzierten mehr Bonuspunkte. Zudem bekommt der Sieger einer Etappe Weltcup-Punkte gutgeschrieben120, so dass der Ansporn für die Athleten größer ist. Außerdem wurde ein Zeitlimit festgeschrieben: Die 117

Arnd Hemmersbach 2008, 13 Katrin Apel 2010, 3 119 Wikipedia 2010 120 FIS-Reglement 118

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Siegerzeit bei den Frauen darf um höchstens 18% überschritten werden, die der Männer um höchstens 15%. Bei schlechten Wetterbedingungen können die Werte abweichen.121 Damit verhindert die FIS, dass die Zeitabstände zwischen den Athleten zu groß werden und die Zuschauer sich noch mehr langweilen. Alle weiteren Änderungen, die die FIS unternommen hat, haben sich leider nicht positiv ausgewirkt. Durch die Einführung von Massenstartrennen und Bonuspunkten haben die Organisatoren zwar versucht, die Sportart für die Zuschauer spannender zu machen, doch gelungen ist dies nicht. Durch die Einführung des Sprints hat sich die Lage laut Katrin Apel zwar verbessert, aber der Langlauf hat weiterhin zu kämpfen. Zudem besteht das Problem, dass die Spezialisten in dieser Sportart unter sich sind. Das bedeutet, die Sprinter sind in den meisten Fällen keine Distanzläufer und umgekehrt sind die wenigsten Distanzläufer Sprinter. Dieses Problem hat Biathlon nicht, denn dort gehen die Athleten in allen Disziplinen an den Start, da die Distanzunterschiede relativ gering sind. Sprintrennen finden im Gegensatz zu den Distanzrennen im Langlauf relativ selten statt.122 Zwar weiß keiner der Befragten, wie diese Sportart wieder attraktiver gemacht werden kann, aber immerhin bringt Dirk Thiele mit dem Vorschlag der Einführung von Vorausscheidungen eine Möglichkeit ins Spiel.123 Vorausscheidungen machen die Hauptrennen für die Zuschauer vor Ort spannender, da sich dort nur die Besten messen, das Teilnehmerfeld ist somit übersichtlicher und die Renndauer beschränkt. Zum anderen können so die Zuschauer vor dem Fernseher gehalten werden, da diese nicht länger als eineinhalb Stunden vor dem TV sitzen müssen bis die Entscheidung gefallen ist.124 8.2 Skispringen Auch im Skispringen müssen immer wieder neue Brücken überwunden werden. Laut Dirk Thiele haben sich die meisten Änderungen jedoch positiv niedergeschlagen. Die wichtigste Änderung betrifft die Limitierung des Körpergewichts. Um die Anzahl untergewichtiger Athleten möglichst gering zu halten, um die Gesundheit der Athleten nicht zu gefährden, wurde wie schon beschrieben im Jahre 2004 die BMI-Regel 121

FIS-Reglement Katrin Apel 2010, 2 123 Dirk Thiele 2010. 4 124 Dirk Thiele 2010, 4 122

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eingeführt. Auch wenn es in dieser Sportart eine geringe Anzahl an Athleten gibt, die möglicherweise wegen ihren körperlichen Voraussetzungen eine Änderung gar nicht benötigen würden, weil sie beispielsweise essen können, was sie wollen und nicht zunehmen, muss sich immer an der Mehrheit orientiert werden.125 Zudem wird seit der Saison 2009/2010 bei einigen Springen der Windfaktor bei der Benotung der Springer mit einbezogen.126 Bei Rückenwind gibt es Bonuspunkte, bei Aufwind Punktabzug.127 Für viele Zuschauer ist diese Änderung aber noch nicht richtig nachvollziehbar, doch auch das ist nur eine Frage der Zeit. Der Fernsehzuschauer hingegen hat es einfacher, da die Benotung durch das Einblenden einer Grafik erklärt wird. Den Zuschauern im Stadion wiederum fehlen diese Grafiken, deshalb plädiert Dirk Thiele für die Projektion des Fernsehbildes auf Leinwände in den Stadien.128 Die Sprunganzüge müssen aus synthetischem Material, Schaumstoff, hergestellt sein und zwischen zwei und drei Kilogramm wiegen. Sie dürfen bei einer Mindestluftdurchlässigkeit von 40 Litern pro Quadratmeter und Sekunde maximal fünf Millimeter dick sein. Aerodynamische Hilfsmittel wie Polster, Nähte oder Verstärkungen sind nicht erlaubt.129 „Wir müssen damit rechnen, dass die Sprünge nicht mehr so weit gehen wie in den vergangenen sechs Jahren. Gleichzeitig sollte es zu einer geringeren Streuung der Weiten und damit zu einem erhöhten Spannungsmoment im Wettkampf kommen", erklärte Renndirektor Walter Hofer die Folgen der Regeländerung im Jahre 2003.130 8.3 Biathlon Die Regeländerungen im Biathlon sind der Hauptgrund für die rasante Entwicklung sowie die Popularität dieser Sportart. Durch die Umstellung von Groß- auf Kleinkalibergewehre 1978 war die Teilnahme auch Nicht-Angehörigen des Militärs gestattet und die Zuschauer konnten sich näher am Schießplatz platzieren. In naher

125

Dirk Thiele 2010, 1 Dirk Thiele 2010, 1 127 Claus Dieterle 2010 128 Dirk Thiel 2010, 2 129 Internetlexikon „Skispringen“ 130 Renndirektor Walter Hofer 2003 126

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Zukunft ist zudem die Einführung der Lasertechnik im Nachwuchsbereich geplant, um die von einer Waffe ausgehenden Gefahren zu verringern und so den jungen Athleten den Zugang zum Biathlon sicherer zu machen, denn oft ist die Waffe für viele Kinder und deren Eltern ein Hinderungsgrund für die Ausübung der Sportart.131 1980 wurde die Zweit-Minuten-Strafe abgeschafft, sodass die Unterschiede zwischen den einzelnen Athleten geringer wurden.132 Die jedoch wohl wichtigsten Änderungen war nach Meinung aller Befragten die Einführung von komplett neuen Wettkampfformen wie dem Verfolgungsrennen in der Saison 1996/97 sowie die Massenstartrennen zwei Jahre später. Mit diesen Formaten hat die IBU zwei für die Zuschauer sehr spannende Wettkampfformen ins Leben gerufen und sich zudem etwas vom Kampf allein gegen die Uhr entfernt.133 „Bei den Zuschauern sind die Verfolgung und der Massenstart die beliebtesten Rennen, denn es wird nicht mehr allein gegen die Uhr gelaufen, sondern der Fan weiß, wer als Erster im Ziel ist, hat auch gewonnen. Zudem haben wir mit der Situation Mann gegen Mann bzw. Frau gegen Frau ein zusätzliches Spannungselement gegeben“, erklärt Stefan Schwarzbach die große Popularität dieser Rennen.134 Obwohl das Einzelrennen den geringsten Spannungsfaktor hat, da es statt einer Strafrunde eine Strafminute gibt und die Athleten allein gegen die Uhr laufen, wird dieses Format aufgrund der Tradition weiterhin bestehen bleiben.135 Zudem ist anzumerken, dass diese Wettkampfform nicht öfter als dreimal pro Saison ausgetragen wird. 8.4 Fazit: Auch in diesem Vergleich liegt Biathlon wieder an der Spitze. Im Langlauf haben sich die meisten Regeländerungen negativ, bzw. zumindest nicht positiv ausgewirkt. Die Bonuspunkte haben kaum eine Veränderung gezeigt, die Massenstartrennen sind von der Distanz viel zu lang und lassen Spannung vermissen. Die fehlende Spannung ist 131

Sigi Heinrich 2010, 5 IBU 1998-2010, Geschichte 133 Stefan Schwarzbach 2010, 1 134 Stefan Schwarzbach 2010,1-2 135 Katrin Apel 2010, 6 132

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generell das Hauptargument für das nachlassende Interesse in dieser Sportart. Doch wie das verändert werden kann, weiß keiner der Befragten wirklich zu beantworten. Im Skispringen war die Einführung der BMI-Regel ein wichtiger Wendepunkt. Zudem wird durch das Einbeziehen des Windfaktors bei einigen Springen wieder für mehr Gerechtigkeit gesorgt. Ein Manko ist allerdings, dass dieses für die Zuschauer im Stadion nur schwer nachvollziehbar ist, denn dort fehlt die grafische Erklärung, die die Zuschauer an den Bildschirmen jedes Mal über die Bewertung der einzelnen Athleten aufklärt.136 Im Biathlon war sicherlich die Einführung des Massenstartrennen und der Verfolgung, die bei den Zuschauern die beliebtesten Formate geworden sind, der Grund für den rasanten Aufstieg. Es gibt nicht mehr nur den Kampf allein gegen die Uhr, wie es im Langlauf meistens der Fall ist, sondern durch die Situation Mann gegen Mann bzw. Frau gegen Frau wurde ein zusätzliches Spannungselement eingebaut.137 Zudem hat die Umstellung von Großkaliber- auf Kleinkalibergewehre der Sportart zum Aufschwung verholfen.

9. Mediales Interesse Das Interesse der Medien hängt ebenso wie das Zuschauerinteresse immer von den Erfolgen der Sportler ab. Die Medien suchen sich im Grunde genommen die Stars aus, da kann ein erfolgreicher Sportler nicht immer etwas dafür, da ziehen immer andere Personen im Hintergrund die Fäden138. Diese Aussage unterstützt auch Sigi Heinrich. „Die deutschen Erfolge tangieren immer die Medien. Wenn die Erfolge nicht mehr da sind, dann steigen die Fernsehsender nach und nach aus, weil die Quoten nicht mehr stimmen. Zudem resultiert aus den Erfolgen und dem medialen Interesse das Interesse von Sponsoren, diese Sportart zu fördern. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über alle Top-3-Platzierungen seit der Saison 2005/06 im Biathlon, Langlauf und Skispringen. Mit einbezogen sind die Olympischen Winterspiele (OS), die Weltmeisterschaften (WM), die Tour de Ski (TdS) im Langlauf und die Vierschanzentournee (VS) im Skispringen.139

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Dirk Thiele 2010, 1-2 Stefan Schwarzbach 2010, 1-2 138 Katrin Apel 2010, 4 139 Werte stammen aus den Ergebnislisten der FIS und IBU 2005-2010 137

30

Tabelle 1 Biathlon Saison 2005/06 OS 2006 VS 06 2006/07 TdS 07 VS 07 WM 07 2007/08 WM 08 TdS 08 VS 08 2008/09 WM 09 VS 09 2009/10 OS 10 VS 10

1 17 5 16 5 20 5 18 2 12 2 -

2 15 5 22 3 10 1 11 2 12 1 -

Langlauf 3 17 2 22 3 19 2 10 2 11 2 -

1 9 9 1 1 2 1 2 0 1 1 -

2 6 2 7 1 3 4 1 3 2 4 4 -

Skispringen 3 3 1 15 3 2 9 4 6 3 3 0 -

1 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0

2 2 0 0 1 0 0 0 0 0 1 0 3 1 0

3 2 0 0 3 0 0 0 1 0 0 1 2 0 0

9.1 Langlauf Im Langlauf ist das mediale Interesse laut Dirk Thiele kaum noch vorhanden140, die Quoten sind extrem zurückgegangen. In solchen Situationen steigen dann die großen Sender wie ARD und ZDF aus. Bis vor einigen Jahren durfte Eurosport auch im Langlauf nur Parallel-Veranstaltungen zeigen, das bedeutet, dass die Weltcups zeitversetzt übertragen werden. Die Rechte lagen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern und diese haben davon auch Gebrauch gemacht. In diesem Winter allerdings hat Eurosport vieles exklusiv gezeigt, weil die anderen Sender aus Desinteresse gar nicht mehr übertragen haben, später eingestiegen sind oder nur kurze Ausschnitte gezeigt haben. Zudem steigen viele Fernsehsender aus, da aufgrund der geringen Einschaltquoten, die hohen Produktionskosten nicht mehr refinanziert werden 140

Dirk Thiele 2010, 5

31

können.141 Bei den Printmedien ist die Situation aus eigener Erfahrung heraus ähnlich. Abgesehen von den Olympischen Spielen werden nur kleine Randnotizen mit den Ergebnissen des vergangenen Weltcup-Wochenendes veröffentlicht. Sollte ein deutscher Athlet dann doch einmal für eine große Überraschung sorgen, ist ihm ausnahmsweise ein etwas längerer Artikel gewidmet. 9.2 Skispringen Das Interesse der Medien am Skispringen ist unterschiedlich groß. Während der erfolgreichen Ära von Martin Schmitt mit insgesamt 27 Weltcupsiegen zwischen 1998 und 2001142 und Sven Hannawald in der Saison 2001/2002 beim Gesamtsieg der Vierschanzentournee war das Interesse natürlich dementsprechend hoch, in diesem Maße ist es heute nicht mehr der Fall.143 Trotz ausbleibender deutscher Erfolge - in den vergangenen fünf Jahren gab es nur 19 Podiumsplätze, WM, Olympische Winterspiele und Vierschanzentournee mit einbezogen, darunter nur zwei Siege144 - sind die Einschaltquoten immer noch relativ hoch. Ein Grund dafür und damit ein Vorteil der medialen Übertragungen im Skispringen ist, dass vor allem die Bewertung für den Fernsehzuschauer einfacher nachzuvollziehen ist, insbesondere seit der Einbeziehung des Windfaktors. Deshalb berichten die elektronischen Medien wie Fernsehen und Internet weiterhin noch immer von jeder Vierschanzentournee und jedem Weltcup-Springen. Doch auch hier ist festzustellen, dass die öffentlich-rechtlichen Sender ihr Recht vermehrt nicht mehr wahrnehmen und nicht jedes Weltcupspringen live übertragen, sondern später einsteigen oder rückblickend eine Zusammenfassung zeigen.145 Zudem muss erwähnt werden, dass sich RTL ab dem Jahr 2008 aus der Berichterstattung im Wintersport zurückgezogen hat. Der Sender war nicht mehr gewillt für die Vierschanzentournee zu zahlen.146 Nachgelassen hat das Interesse vor allem in den Printmedien. Es gibt Zeitungen, wie zum Beispiel die BILD, bei denen muss immer etwas passieren, die Redakteure

141

Dirk Thiele 2010,5 Christoph Graf, Homepage Martin Schmitt 143 Stefan Schwarzbach 2010, 5 144 FIS-Ergebnislisten 2005-2010 145 Dirk Thiele 2010, 3 146 Der Tagesspiegel 2007 142

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brauchen Schlagzeilen. Bleiben die Sensationen aus und fehlen die Typen, dann gibt es nur noch kleine Randartikel bezüglich der Ergebnisse.147 Die Vor-Ort-Präsenz von deutschen Medienvertretern ist in den vergangen Jahren zumindest bei den Weltcup-Springen zurückgegangen. Bei der Vierschanzentournee dagegen hat sich nicht viel verändert, da ist es im Medienbereich noch immer voll. Ähnlich ist es bei den Olympischen Winterspielen. Aber auch hier sind es dann überwiegend Journalisten aus dem TV-Bereich, Print dagegen hat auch hier die Anzahl eingeschränkt.148 9.3 Biathlon Einer, der das mediale Interesse bzw. dessen Entwicklung im Biathlon am besten beschreiben kann, ist der Pressesprecher Stefan Schwarzbach. Er bestätigt, dass das Interesse der Medien in den vergangen Jahren insgesamt gestiegen ist. Allen voran hat die Vor-Ort-Präsenz enorm zugenommen. Durch den Boom der Online-Medien ist vor allem die Anzahl der schreibenden Internet-Anbieter gestiegen. Doch seit zwei Jahren lässt sich auch in dieser Branche eine kleine Welle verzeichnen, dahingehend, dass der Mittelbau der Schreibenden schon deutlich die Spaßmaßnahmen und Sparzwänge der Redaktionen und Verlage zu spüren bekommt. Bei den Highlights ist zwar nach wie vor eine große Anzahl an Journalisten vor Ort, doch bei den Weltcups, die eine längere Anreise erfordern, ist nur noch der harte Kern zu finden. Daraufhin hat sich die Arbeitsweise der Pressestelle dahingehend massiv verschoben, dass viele Interviews über das Telefon geführt werden, zum Teil aber auch völlig andere Betriebswege gewählt werden müssen, um Medienvertreter O-Töne zu geben. Zudem haben sich die Verantwortlichen bemüht, die Balance zu finden, um den Journalisten, die weiterhin vor Ort sind, einen besseren Service zu bieten, ohne denen, die in ihren Redaktionen bleiben, komplett die Aussagen zu verweigern.149 Die Bestätigung für Dirk Thiele, dass das stetige Interesse der elektronischen Medien nicht nachgelassen hat, ist, dass ARD und ZDF alle Rennen exklusiv übertragen150. Die Berichterstattung im Biathlon ähnelt im Umfang der Berichterstattung des Ski Alpin in den vergangenen Jahren. Unabhängig vom Austragungsort und der Uhrzeit werden

147

Dirk Thiele 2010, 2-3 Dirk Thiele 2010, 2 149 Stefan Schwarzbach 2010, 2-3 150 Dirk Thiele 2010, 3 148

33

alle Biathlon-Rennen live gezeigt, weiß Sigi Heinrich aus eigener Erfahrung.151 Insgesamt werden 1400 Sendestunden pro Jahr, inklusive Wiederholungen ausgestrahlt152. 9.3.1 Sponsoring Ein wichtiger Punkt, auf den bei der medialen Betrachtung im Biathlon eingegangen werden muss, ist das Sponsoring. „Wenn sich der Zuschauer im Biathlon mal die Werbebanden anschaut, lässt sich feststellen, dass es ohne Deutschland kein Biathlon in der Welt gäbe“153. Mit BMW, DKB, e.on und Viessmann gibt es nur deutsche TopSponsoren154. Zudem wurden sowohl Neuner - 2007, nach ihren überzeugenden Leistungen in ihrem ersten Weltcup-Jahr - wie auch Greis - 2006, nach seinen zwei überraschenden olympischen Goldmedaillen in Turin - zu den Sportlern des Jahres gewählt. Hervorzuheben ist auch, dass allein zwischen 2005 und 2007 drei Mal in Folge Biathletinnen (Uschi Disl, Kati Wilhelm, Magdalena Neuner) zu den Sportlerinnen des Jahres gewählt wurden.155 Da die Abstimmung ausschließlich unter Medienvertretern stattfindet, ist dieses Ergebnis zum einen eine Bestätigung für die tollen Erfolge, zum anderen ist es ein Indiz für das kontinuierliche Interesse und die Anerkennung der Medien für die Sportart und deren Athleten. Bei den Skispringern holten diesen Titel unter anderem Martin Schmitt 1999 und Sven Hannawald 2002. Von den Langläufern gewann in den vergangenen 50 Jahren kein einziger Athlet diesen Titel. Dass es hingegen mit Ronny Ackermann ein Nordischer Kombinierer zum Sportler des Jahres 2005 geschafft hat156, zeigt, dass es im Langlauf trotz der Vielzahl an Erfolgen, darunter 27 Siege in den vergangenen fünf Jahren157, zu keinem medialen Erfolg reicht. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Medienvertreter diese Sportart im Gegensatz zu Biathlon und auch Skispringen einfach nicht interessant genug finden und die Leistungen nicht so hoch anerkennen, wie die der Biathleten und Skispringer.

151

Sigi Heinrich 2010, 2 Pressemitteilung BMW Dr. Stefan Seykora 2010 153 Sigi Heinrich 2010, 5 154 IBU International Biathlon Union 155 Lifestyle Sport Marketing GmbH, Wahl des Sportler des Jahres 156 Lifestyle Sport Marketing GmbH, Wahl des Sportler des Jahres 157 FIS-Ergebnisliste 2005-2010 152

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Im Biathlon haben die Athleten die Möglichkeit sowohl auf der Kopfbedeckung als auch auf dem Gewehr Werbeflächen zum vermarkten. Von den insgesamt 14 im Weltcup startenden Biathleten und Biathletinnen sind zehn mit Sponsoren ausgebucht. Den Langläufern hingegen werden aufgrund des FIS-Reglements die nötigen freien Sponsorenflächen gar nicht erst zur Verfügung gestellt. Im Skispringen können die Sportler den Helm als Platzierung für die Werbung nutzen. Bestes Beispiel ist der lila Helm von Martin Schmitt, den fast jeder Bundesbürger sofort mit Milka verbindet.158 Ein weiteres Indiz für die große Popularität des Biathlons ist der Einstieg der Automarke BMW als Hauptsponsor des IBU-Biathlon-Weltcups und der IBU-Biathlon Weltmeisterschaft ab der kommenden Saison 2010/2011. Als Grund für das Engagement sagte Karsten Engel, Leiter Vertrieb Deutschland bei BMW: „Biathlon ist eine der beliebtesten Wintersportarten. Es steht für Ausdauer und Präzision – beides sind Attribute, die hervorragend zur Marke BMW passen. Für unsere Kunden wollen wir diese faszinierende Sportart direkt erlebbar machen.“ Zudem verspricht die mit 1400 Sendestunden pro Jahr sehr umfassende TV-Abdeckung gute Ergebnisse.159 Diese Begründung, sowie die im Text angeführten Argumente beweisen, dass Biathlon im Werbe- bzw. Sponsoringsektor definitiv die Nummer eins ist, da ist sich auch Stefan Schwarzbach sicher.160 9.4 Fazit: Auch diesen Vergleich gewinnt Biathlon wieder deutlich vor Skispringen und vor allem Langlauf. Im Langlauf ist das Interesse der deutschen Medien, ein Weltcup-Rennen live zu übertragen, aufgrund der gesunkenen Quoten enorm zurückgegangen. Viel mehr steigen die Fernsehsender später ein oder zeigen im Rückblick eine Zusammenfassung. Dies ist verwunderlich, da im Langlauf die deutschen Athleten mit 27 Siegen in den vergangenen fünf Jahren viel mehr Erfolge als die deutschen Skispringer mit zwei Siegen vorweisen können. Doch im Skispringen ist trotz der erfolglosen Jahre das mediale Interesse nur geringfügig zurückgegangen. Bei der Vierschanzentournee ist die Berichterstattung weiterhin sehr ausführlich, allerdings hat sie bei den WeltcupVeranstaltungen etwas nachgelassen. Auch hier steigen die öffentlich-rechtlichen Sen158

Stefan Schwarzbach 2010, 4 Pressemitteilung BMW, Karsten Engel 2010 160 Stefan Schwarzbach 2010, 4 159

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der oftmals später ein oder übertragen nur verkürzt. In den Printmedien ist die Suche nach Artikeln über das Skispringen aus eigener Erfahrung oft vergebens. Die Redakteure sind auf Sensationen aus und wollen Typen, die es im deutschen Lager derzeit einfach nicht gibt161. Im Biathlon hingegen wird jedes Weltcup-Rennen unabhängig vom Austragungsort und der Uhrzeit bei den öffentlich-rechtlichen Sendern live übertragen162, insgesamt werden 1400 Sendestunden inklusive Wiederholungen pro Jahr gezeigt163. Zudem gibt es in dieser Sportart mit beispielsweise Magdalena Neuner die geforderten Typen, sodass auch die Printmedien kontinuierlich über diese Sportart berichten. Nicht ohne Grund sind in den vergangenen Jahren immer wieder Biathleten von den Medienvertretern zu den Sportlern des Jahres gewählt worden.

161

Dirk Thiele 2010, 2 Sigi Heinrich 2010, 2 163 Pressemitteilung BMW Dr. Stefan Seykora 2010 162

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10. Zuschauerinteresse: Zu Beginn ist zu festzustellen, dass das Interesse einer Sportart immer von den Erfolgen der Sportler einer Nation abhängt, darin waren sich alle Befragten einig. Die folgenden Statistiken belegen und unterstützen meine These, dass Biathlon in Deutschland bei den Zuschauern die Nummer eins im Wintersport ist. Abbildung 1

37

Abbildung 2

10.1 Langlauf Das Zuschauerinteresse im Langlauf unterscheidet sich extrem von dem des Skispringens und Biathlons. In der Statistik der Top-3 Wintersportarten im TV für die Saison 2009/010 nach Beliebtheit bei Männern und Frauen, bei der 1000 Internetuser von Privathaushalten im Alter von 16-64 Jahren befragt wurden, ist Langlauf nicht unter die ersten drei gewählt worden. Beim Ranking der interessantesten Sportarten im Winter, bei dem 1190 Befragte ab 14 Jahren teilgenommen haben, liegt Langlauf hinter Biathlon und Skispringen mit nur 3,6 Prozent abgeschlagen auf dem sechsten Rang,

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selbst Eiskunstlauflauf, Ski Alpin und Eisschnelllauf werden als interessanter eingestuft. Als „Totentanz“164 beschreibt Sigi Heinrich die Zuschauersituation im Langlauf. Aufgrund der fehlenden Spannung und Abwechslung sind die Stadien in Deutschland, nie ausverkauft. Bei den Weltcup-Rennen fehlt es an Zuschauern und Atmosphäre, ein Gemeinschaftsgefühl wie beispielsweise im Biathlon kommt daher nie auf.165 Eine Ausnahme bildet hier der Weltcup am Holmenkollen in Norwegen, wo Langlauf noch immer relativ beliebt und angesehen ist und tausende Fans an die Strecke lockt166. Dennoch, für die Zuschauer ist es wie schon erwähnt langweilig, wenn die Athleten nur selten im Stadion vorbeikommen. Außer einigen Überholmanövern passiert auf der Strecke relativ wenig.167 Das gilt aber nicht für die Fernsehzuschauer, denn die Sender haben überall auf der Strecke Kameras positioniert. Im Vergleich zum Biathlon mit dem Schießen gibt es im Langlauf keinen zweiten Faktor, der das Rennen so beeinflussen kann, dass sich die Reihenfolge ständig verändert. Die Mehrzahl der Rennen wird im Langlauf erst auf der Zielgeraden entschieden. Eine Ausnahme bilden die City-Sprints. Die Verantwortlichen der FIS haben auf den Organisationsdruck reagiert und den Sport zu den Menschen in die Städte gebracht168. Neben Prag und Stockholm ist auch Düsseldorf ein Austragungsort dieser Veranstaltungen. Auch den Athleten ist die Wichtigkeit der Rennen bewusst, um überhaupt noch eine Atmosphäre bei Weltcup-Rennen zu erzeugen169. Doch wenn das Wetter nicht mitspielt, lässt auch hier bei den Zuschauern das Interesse nach, zudem werden die Rennen unattraktiv170. Noch schwieriger sieht die Situation bei der 2007 eingeführten Tour de Ski aus. Dieses Wettkampfformat stellt hohe Anforderungen an die Athleten, die letzte Etappe ist nur „Bergsteigen“ und hat mit dem traditionellen Langlauf nicht mehr viel gemeinsam171. 164

Sigi Heinrich 2010, 1 Sigi Heinrich 2010, 1 166 XC-Ski, Autor unbekannt 2010 167 Katrin Apel 2010, 2 168 Sigi Heinrich 2010, 3 169 Sigi Heinrich 2010, 3 170 Katrin Apel 2010, 3 171 Dirk Thiele 2010, 3 165

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Doch die Zuschauer sind mit dieser Veranstaltung nicht warm geworden, die Unterstützung an der Strecke ist gering. „Das ist ja irre, das ist das Letzte“172, äußert sich Sigi Heinrich verärgert. Einzig Oberhof sorgt mit einem kleinen Hüttendorf für etwas Stimmung bei den Zuschauern173. 10.1.1 Einschaltquoten Die Zahlen der Einschaltquoten für Deutschland stammen von dem für die Quoten zuständigen Mitarbeiter von Eurosport. Im Anhang befindet sich eine Tabelle mit den ausgewählten Zeiträumen. Auch die niedrigen Einschaltquoten sind ein Indiz für das relativ geringe Interesse am Langlauf im Vergleich zu den beiden anderen Sportarten. Auffällig ist, dass im Jahr 2000 außer Eurosport kein weiterer Sender die WeltcupRennen im Langlauf übertragen hat.174 Nur zum Weltcup-Finale in Santa Catarina am 17. März ist die ARD eingestiegen und hat 0,65 Millionen Zuschauer (Marktanteil 12,3%) mit ihrer Übertragung erreicht. Bei Eurosport lagen die Quoten zwischen 0,16 und 0,22 Millionen. Im Jahr 2004 variierte die Zuschauerzahl an den Fernsehgeräten zwischen 1,01 Millionen (ZDF, Marktanteil 7,3%) beim Weltcup in Trondheim am 26. Februar und 2,69 Millionen (ZDF, Marktanteil 28,6%) beim Weltcup in Oteepa. Innerhalb von drei Jahren, bis 2007, sind die Zuschauerquoten zum Teil unter die Millionengrenze gesunken. Beim Weltcup in Oteepa, wo 2004 noch 2,69 Millionen Zuschauer das Rennen im TV verfolgten, waren es vier Jahre später nur noch 0,69 Millionen Menschen (ZDF, Marktanteil 10,9%), also ein Rückgang von zwei Millionen. Das WeltcupRennen in Lathi am 11. März verfolgten immerhin wieder 1,37 Millionen Zuschauer (ARD, Marktanteil 15,0%), doch im Vergleich zum Skispringen oder Biathlon sind die Unterschiede immens. Zwei Jahre später, 2009, sind die Zahlen nicht stark gesunken, doch die Millionengrenze wurde nicht mehr erreicht. Das beweist, dass das Interesse immer weiter abgenommen hat. Immerhin erreichte die Übertragung der Tour de Ski im ZDF im Januar 2010 mit 1,99 Millionen Zuschauern (Marktanteil 17,8%) einen Höchstwert. Hier liegt aber wieder der Aspekt Großveranstaltung und gut ausgewählter Zeitraum vor, bei dem die Einschaltquoten generell auf einem höheren Niveau liegen, da die Zuschauer solchen Events immer besondere Aufmerksamkeit schenken, weil sie mehr Spannung erwarten. Dazu zählen wie oben schon erwähnt auch die Olympischen 172

Sigi Heinrich 2010, 3 Katrin Apel 2010, 4 174 Vergleich Tabelle im Anhang 173

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Winterspiele. Im krassen Gegensatz zu den Weltcup-Rennen verfolgten die olympischen Rennen 2010 zwischen 4,02 (ARD, Marktanteil 14,6%) und 6,02 Millionen Zuschauer (ZDF, Marktanteil 20,2%) an den Bildschirmen. Auch hier liegt der Grund im Mitfiebern für die eigene Nation, selbst vermeintliche Randsportarten sind bei den Olympischen Winterspielen im Interesse weiter oben. 10.2 Skispringen „Skispringen muss nie um seine Anerkennung kämpfen. Es wurde von Beginn an von Athleten und Zuschauern geliebt.“175 „Obwohl im Skispringen die deutsche Flagge nicht weht, hat die Sportart die mageren Jahre gut überstanden“176, zeigt sich Dirk Thiele etwas überrascht. Das belegen auch die ausgewählten Statistiken aus dem Jahr 2010. Bei den Top-3-Wintersportarten im TV liegt Skispringen hinter Biathlon auf Rang zwei. 27 Prozent der Frauen interessieren sich für diese Sportart, das sind zwei Prozent weniger als im Biathlon, bei den Männern fallen 32 Prozent der Stimmen auf Skispringen, damit fünf Prozent weniger als im Biathlon. Bei der Abstimmung nach der interessantesten Sportart im Winter rangiert Skispringen mit 20,2 Prozent deutlich hinter Biathlon (37,9 Prozent) auf Rang zwei. Erstaunlich ist auch, dass Martin Schmitt, der seit 2001 eigentlich nur noch hinterher springt, im vergangenen Jahr 2009 bei einer Abstimmung hinter Magdalena Neuner der zweitpopulärste Sportler geworden ist. „Die Menschen haben einen Langzeitticker im Kopf. Wer einmal in dieser Sportart ganz groß war, der bleibt es auch eine ganze Weile“, erklärt Dirk Thiele dieses Phänomen.177 Der Zuschauerzuspruch vor Ort ist trotz der ausbleibenden deutschen Erfolge – insgesamt nur 19 Podestplätze in den vergangenen fünf Jahren178 - noch immer relativ hoch. Die Stadien sind während der Vierschanzentournee immer ausverkauft, zudem sind die Weltcup-Springen in Klingenthal und Willingen immer noch gut besucht.179 Sigi Heinrich begründet das bestehende Interesse, ins Stadion zu gehen und sich ein Springen anzuschauen, mit der dort aufkommenden Massenfaszination und dem Gemeinschaftsgefühl. Die Zuschauer sind sowohl im Skispringen als auch im Biathlon nah am

175

Tina Schlosser 2001, 12 Dirk Thiele 2010, 2 177 Dirk Thiele 2010, 2 178 FIS-Ergebnislisten 2005-2010 179 Dirk Thiele 2010, 2 176

41

Geschehen. Sie sehen die Athleten zweimal von der Schanze springen und sind live dabei, wenn sich beispielsweise ein Führungswechsel an der Spitze ereignet.180 10.2.1 Einschaltquoten Aufgrund der rückläufigen Einschaltquoten lässt sich aber feststellen, dass zumindest das Interesse der Fernsehzuschauer über die Jahre hinweg nachgelassen hat. Verfolgten das Finale der Vierschanzentournee in Garmisch-Patenkirchen am 01.01.2000 noch 8,06 Millionen Zuschauer bei RTL, das entspricht einem Marktanteil von 37,7%, waren es im Jahr 2007 nur noch 5,59 Millionen Zuschauer (RTL, Marktanteil 28,2%) und in diesem Winter 5,78 Millionen (ZDF, Marktanteil 27,4%). Kein deutscher Athlet sprang während der vier Springen auf das Podium.181 Es lässt sich also ein Rückgang von über zwei Millionen Zuschauern verzeichnen. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass zwischen 1998 und 2002 die erfolgreichen Jahre von Sven Hannawald und Martin Schmitt waren, die für viele deutsche Siege gesorgt haben und damit das Publikum mit sich gerissen haben.182 In den vergangenen Jahren konnte kein weiterer deutscher Athlet in diese Fußstapfen treten, außer dem einen oder anderen Überraschungserfolg warten die Fans weiterhin vergeblich auf einen neuen Star am Skisprunghimmel. Die Einschaltquoten bei den normalen Weltcup-Springen sind im Vergleich zur Vierschanzentournee sehr gering, ein Indiz dafür, dass Großveranstaltungen immer noch einen besonderen und größeren Reiz auf Zuschauer und Fans ausüben. Den Weltcup in Sapporo am 22.01.2000 beispielsweise verfolgten in der ARD 2,32 Millionen Menschen (Marktanteil 37,7%), im Vergleich zu der Vierschanzentournee ist das ein Minus von über 5,5 Millionen Zuschauern. Vier Jahre später, am 25.01.2004 schalteten bei der Übertragung dieser Veranstaltungen im Fernsehen bei der ARD nur 1,06 Millionen Zuschauer (Marktanteil 17,9%) ein, das ist ein weiterer Rückgang um noch einmal über eine Million. Im vergangenen Jahr interessierte dieses WeltcupSpringen noch 1,01 Millionen Menschen (Marktanteil 16,4%). Für diesen Winter lässt sich immerhin wieder eine kleine Steigerung auf 1,79 Millionen Zuschauer (Marktanteil 16,2%) feststellen. Eine Ausnahme bilden wie in allen Sportarten immer die 180

Sigi Heinrich 2010, 3 FIS-Ergebnisliste 2010 182 Stefan Schwarzbach 2010, 5 181

42

Olympischen Winterspiele. Dieses Jahr fanden die Spiele in Vancouver statt, insgesamt 6,08 Millionen Zuschauer (Marktanteil 18,8%) verfolgten das Springen am 20. Februar vor dem Fernseher, beim Gewinn der Silbermedaille der deutschen Mannschaft im Teamwettbewerb am 22. Februar waren sechs Millionen Menschen (Marktanteil 19,1%) an den Bildschirmen im ZDF live dabei. 10.3 Biathlon Mit dem Zuschauerinteresse anhand der Statistiken und den Aussagen der Interviewten lässt sich meine These, Biathlon sei die Wintersportart Nummer eins in Deutschland, am besten belegen. Sowohl bei der Abstimmung der Top-3 Wintersportarten als auch beim Ranking für die interessantesten Sportarten im Winter im TV ist Biathlon an der Spitze. Zwar ist der Vorsprung auf Skispringen im Top-3 Ranking mit nur zwei Prozentpunkten mehr bei den Frauen und fünf Prozentpunkten bei den Männern nicht immens, doch bei der interessantesten Wintersportart im TV hat sich Biathlon mit 17,7% Vorsprung vor Skispringen auf Platz zwei eindeutig die Führung gesichert. Biathlon, das wurde in der Arbeit bereits erwähnt, ist keine internationale Größe im Sport, sondern genießt vor allem wegen den Erfolgen der eigenen einheimischen Sportler in Deutschland, Norwegen, wo es dem überaus populären Langlauf den Rang abgelaufen hat, Russland sowie langsam auch Schweden, Österreich und Frankreich als „Schwellenländer“ große Popularität183. Wobei bei Frankreich hinzugefügt werden muss, dass dieses Land deutlicher hinterherhinkt. Obwohl es über Jahre hinweg erfolgreich Biathleten hervorbringt, fand in diesem Winter zum ersten Mal seit den Olympischen Spielen 1992 ein IBU-Cup-Rennen in Haute Maurienne statt184. Woran das geringe Interesse trotz erfolgreicher Athleten liegt, ist schwierig zu sagen, doch die Fehler sind höchst wahrscheinlich beim Verband zu suchen.185 In anderen Ländern führt Biathlon nach Ansicht von Stefan Schwarzbach ein Schattendasein. Dort ist die Sportart ein Nischenprodukt und die Leute schütteln den Kopf, wenn sie hören, dass in

183

Stefan Schwarzbach 2010, 3 IBU 1998-2010, Datencenter 185 Katrin Apel 2010, 3 184

43

Deutschland um die 30 000 Zuschauer am Tag bei minus 15 Grad im Nebel stehen und Biathlon verfolgen.63 Stefan Schwarzbach ist sich sicher, dass bei der stetig steigenden Popularität die Keimzelle im Biathlon Deutschland ist. Von hier aus tragen die Fans die Begeisterung in die anderen Länder. Das belegen unter anderem die großen deutschen Fangruppen, die sowohl im italienischen Antholz als auch in Hochfilzen in Österreich immer zahlreich vertreten sind.186 Wie bereits erwähnt, hängt das große Interesse an einer Sportart immer von den Erfolgen der Sportler ab, denn die Zuschauer und Fans wollen ihre einheimischen Sportler siegen sehen, ohne diese erfolgreichen Athleten kann die Sportart noch so attraktiv sein, das Interesse wäre deutlich geringer.187 Die deutschen Biathleten liefen in den vergangenen zwei Jahren inklusive Weltmeisterschaften und Olympische Spiele insgesamt 85 Mal auf das Podest, darunter waren 34 Siege. Das ist im Vergleich zum Langlauf mit 35 Podiumsplätzen, darunter sieben Siege und zum Skispringen mit 19 Podiumsplätzen, darunter nur zwei Siege, ein deutlicher Klassenunterschied.188 Die Zuschauerzahlen in Deutschland sind Jahr für Jahr gestiegen, in den vergangenen Jahren waren die Stadien in Ruhpolding und Oberhof immer ausverkauft189, um Karten muss sich aus eigener Erfahrung heraus mindestens drei bis vier Monate im Voraus gekümmert werden. Während der Weltcup-Veranstaltungen werden in, beziehungsweise vor den Stadien, sogenannte Weltcup-Dörfer aufgebaut. Für Sigi Heinrich ist dies vergleichbar mit der Formel 1. Es gibt VIP- und Sponsoren-Zelte, zudem wird für die Zuschauer noch ein riesiges Festzelt aufgestellt, in dem sowohl vor als auch nach dem Rennen Après Ski-Stimmung herrscht. Dabei entsteht eine riesige Gemeinschaft, die wie auf einem Volksfest zusammensitzt. Dieses Gesamtpaket bietet keine andere Sportart.190

186

Stefan Schwarzbach 2010, 3 Stefan Schwarzbach 2010, 1 188 Vergleich Tabelle Erfolge 189 Katrin Apel 2010, 3 190 Sigi Heinrich 2010, 1 187

44

Während der Rennen entsteht wie beim Skispringen auch im Biathlon eine Massenfaszination, ein Gemeinschaftsgefühl, das aufkommt, wenn die Athleten zum Schießen ins Stadion kommen. Das loyale Publikum fiebert bei Abgabe des Schusses mit den Athleten jeder Nation mit. Durch dieses große Publikumsinteresse wurde Biathlon zur heutigen Nummer eins gepuscht.191 Zudem findet in Gelsenkirchen, in der modernen Schalker-Fußball-Arena, seit 2002 jährlich „Biathlon auf Schalke“ statt. Zwischen Weihnachten und Neujahr kommen über 60 000 begeisterte Zuschauer ins Stadion, um sich diesen „World-Team-Challenge“ anzuschauen.192 Ähnlich verhält es sich mit dem im Jahr 2005 zum ersten Mal von der ARD inszenierten „Star Biathlon“, bei dem Prominente ihr Können bzw. Nicht-Können unter Beweis stellen und damit zur Unterhaltung des Publikums beitragen. Die Premiere dieses „Just-for-fun-Rennens“ schauten sich 5,5 Millionen Menschen193 an. In keiner anderen Sportart, ausgenommen Fußball, gibt es solche Veranstaltungen, die so große Massen anziehen. 10.3.1 Einschaltquoten Auch die Einschaltquoten belegen, dass Biathlon immer vorne mit dabei ist. Dieser Meinung ist auch Stefan Schwarzbach. „Biathlon hat sich mit jedem Jahr weiterentwickelt, sowohl was die Zuschauerzahlen vor Ort betrifft, als auch die Quoten im Wintersport. In diesem Winter hatten wir sogar die Situation, dass Biathlon im direkten Vergleich mit Fußball die besseren Quoten hatte, soweit das die prozentualen Geschichten anbelangt.“ Zudem haben wir seiner Meinung nach in Deutschland die Situation, dass Fußball ohne Frage die Nummer eins ist, dann aber schon Biathlon und Skispringen auf Rang zwei und drei folgen.194 Im Jahr 2000 verfolgten immerhin schon 1,76 Millionen Menschen im ZDF (Marktanteil 23,4%) den Sprint beim Weltcup in Oberhof, bei der Staffel stiegen die Quoten auf 3,5 Millionen (Marktanteil 31,6%). Wie groß das von Anfang an bestehende Interesse am Massenstart war, belegen die Quoten im ZDF vom Weltcup am Holmenkollen am 22.02. mit 3,35 Millionen (Marktanteil 38,6%). Vier Jahre später ist die Zahl im Verfolgungsrennen von 1,40 Millionen auf 4,38 Millionen Zuschauer (ZDF, Marktanteil 191

Sigi Heinrich 2010, 1, 3 Jürgen Knopf 2009, 33 193 Quotenmeter.de Alexander Krei 2008 194 Stefan Schwarzbach 2010, 2,7-8 192

45

30,2%) beim Weltcup in Ruhpolding angestiegen. Im Jahr 2007 verfolgten den Massenstart des Weltcups in Ruhpolding am 14.01. 4,26 Millionen Zuschauer (ARD, Marktanteil 28,1%), die Verfolgung am 04.02. in Antholz sahen 5,17 Millionen Menschen (ZDF, Marktanteil 29,6%). Die Zahlen stiegen Jahr für Jahr an. 2009 verfolgten selbst den Sprint, der nur ein Kampf gegen die Uhr ist, beim Weltcup in Oberhof 5,56 Millionen Fans (ZDF, Marktanteil 26,3%), auch der Massenstart erreichte 5,50 Millionen Zuschauer (ZDF, Marktanteil 27,6%). Einschaltquoten unter vier Millionen gab es nicht mehr. Erstaunliche und sehr bemerkenswerte Quoten wurden bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver in diesem Winter erreicht. Den Sprint und die Verfolgung sahen über sieben Millionen Zuschauer, beim Massenstart und damit beim Gewinn der zweiten olympischen Goldmedaille von Magdalena Neuner wurde die zehn-MillionenMarke mit 9,75 Millionen Zuschauern (ARD, Marktanteil 31,4%) nur knapp verpasst. Diese Zahlen belegen eine kontinuierliche Steigerung der Einschaltquoten im Biathlon, die sich jetzt langsam auf einem Niveau zwischen vier und fünf Millionen eingependelt haben. Damit liegt Biathlon eindeutig vor Skispringen und Langlauf sowieso. 10.4 Fazit: Auch bezüglich des Zuschauervergleichs mit Einbeziehung der TV-Quoten fällt das Ergebnis eindeutig zu Gunsten von Biathlon aus. Im Langlauf herrscht überspitzt gesagt „Totentanz“195. Die Stadien sind, mit Ausnahme in Norwegen am Holmenkollen und teilweise bei den City Sprints, nie ausverkauft. Nur selten kommt Atmosphäre auf196. Der Sportart fehlt es an Spannung, zudem bekommen die Zuschauer im Stadion die Athleten nur selten zu Gesicht, Langeweile kommt auf. Auch die geringen Einschaltquoten sprechen eine Sprache für sich. Nicht einmal mehr eine Million Zuschauer verfolgen heutzutage die Weltcup-Rennen, das sind im Vergleich zum Biathlon im Schnitt ca. drei Millionen weniger.197 Im Skispringen sind die Stadien überraschenderweise in Deutschland noch immer ausverkauft, allen voran bei den Springen der Vierschanzentournee198. Trotz der erfolglosen Jahre nach der Erfolgs-Ära Hannawald und Schmitt und den fehlenden Typen hat 195

Sigi Heinrich 2010, 1 Katrin Apel 2010, 4 197 Vergleich Tabelle Einschaltquoten 198 Dirk Thiele 2010, 2 196

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das Interesse der Zuschauer nur gering nachgelassen. Die Stimmung vor Ort ist immer ausgelassen, ähnlich wie im Biathlon entsteht das Gemeinschaftsgefühl199, das im Langlauf vermisst wird. Die Einschaltquoten während der Vierschanzentournee bewegen sich immer noch im fünf-Millionen-Bereich, bei den Weltcup-Springen sind sie allerdings stark zurückgegangen. Momentan bewegt sich die Zahl zwischen ein und zwei Millionen Zuschauern, im Vergleich zum Biathlon ist das eine Differenz von fast zwei Millionen.200 Auch im Biathlon gibt es Länder, in denen diese Sportart ein Schattendasein führt201. Doch in Europa, allen voran in Deutschland, Norwegen, Schweden, Russland und langsam auch Österreich wächst das Interesse an Biathlon, die Zuschauerzahlen sind von Jahr zu Jahr angestiegen. Seit vielen Jahren sind die Stadien in Deutschland immer ausverkauft202, wer sich um Karten bemühen will, muss das schon einige Monate vor der Veranstaltung tun. Für die Weltmeisterschaft 2012 in Ruhpolding wird das Stadion von 20 000 auf 30 000 Zuschauerplätze ausgebaut203, das bestätigt die große Nachfrage. Durch die Errichtung von Weltcup-Dörfern haben die Organisatoren den Grundstein für die großartige Atmosphäre bei den verschiedenen Rennen gelegt. Dort herrscht eine Stimmung wie auf einem Volksfest204, während der Rennen ist das Publikum wie eine große Familie. Auch die Einschaltquoten belegen, dass Biathlon im Wintersport führend ist. Seit 2000 sind die Quoten immer weiter angestiegen, vor allem die Massenstart- und Verfolgungsrennen ziehen die Fernsehzuschauer an. Schon 2004 wurde die fünf-Millionen-Marke erreicht. Seitdem halten sich die Quoten auf diesem Niveau. Bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver dieses Jahr wurde sogar nur knapp die zehn-Millionen-Grenze verpasst. 205 Damit ist Biathlon allen anderen Sportarten weit voraus. Zudem sind die Veranstaltungen wie Star-Biathlon, das es seit 2005 einmal jährlich in der ARD zu sehen gibt, sowie „Biathlon auf Schalke“ mit über 60 000 begeisterten Zuschauern, ein Indiz für das große Interesse. Im Langlauf und Skispringen gibt es diese Formate nicht.

199

Sigi Heinrich 2010, 3 Vergleich Tabelle Einschaltquoten 201 Stefan Schwarzbach 2010, 3 202 Katrin Apel 2010, 3 203 Organisationskomitee der IBU Biathlon Weltmeisterschaften 2012 204 Sigi Heinrich 2010, 1 205 Vergleich Tabelle Einschaltquoten 200

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11. Zukunft Die Entwicklung der jeweiligen Sportarten hat gezeigt, wie schnell sich die Popularität einer Sportart verändern kann. Welche der drei Sportarten das größte Sorgenkind ist und ob Biathlon auch in Zukunft nach Meinung aller Befragten die Nummer eins im deutschen Wintersport bleiben wird, wird im folgenden und letzten Abschnitt vor dem Schlussfazit geklärt. 11.1 Langlauf Stefan Schwarzbach gibt sich als Einziger zuversichtlich, was die Zukunft dieser Sportart betrifft. „Wenn es uns im Langlauf gelingt, das jetzige Niveau zu halten, dann sollten wir zufrieden sein. Das hängt natürlich davon ab, ob sowohl im Damen- als auch im Herrenbereich an die vergangenen Erfolge angeknüpft werden kann. Da Deutschland aber nur mit einer Handvoll Athleten in der Weltspitze vertreten ist, wird dieser Prozess schwierig genug.“206 Zudem fehlt es an Ressourcen, um die bei Karriereende einiger Athleten aufkommenden Lücken einfach so schließen zu können. Nicht selten beendet ein Athlet mit 22 oder 25 Jahren seine Laufbahn, da ihm Lust und Motivation an diesem Sport verloren gegangen sind207. Daraus resultiert die Gefahr, dass das öffentliche Interesse nachlässt.208 Dieser Meinung ist auch Katrin Apel. Bringt der Verband in den kommenden Jahren wieder starke Nachwuchsläufer hervor, wie derzeit einen Tim Tscharnke, dann besteht sicherlich noch Hoffnung und Langlauf wird sich auf einem Niveau, definitiv aber hinter Biathlon und Skispringen, einpendeln.209 Die Tendenz ist jedoch eher sinkend. Mit der Aussage „Langlauf hat Husten, das kann auch eine Grippe werden“210 trifft es Dirk Thiele relativ genau. Die Entwicklung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass das Interesse an dieser Sportart immer weiter zurückgeht. Die Befürchtungen gehen dahingehend, dass es dem Langlauf wie der Leichtathletik ergehen wird.211 Auch hier haben die Organisatoren in den vergangenen 206

Stefan Schwarzbach 2010, 7 Katrin Apel 2010, 6 208 Stefan Schwarzbach 2010, 7 209 Katrin Apel 2010, 6 210 Dirk Thiele 2010, 5 211 Dirk Thiele 2010, 5 207

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Jahren neben einen kontinuierlichen Zuschauerrückgang um das Image des Sportes zu kämpfen. Das sieht auch Sigi Heinrich ähnlich. „Langlauf ist tot, die Sportart wird zwar nicht ganz vom Fenster verschwinden, doch die Verantwortlichen müssen aufpassen“212. Solange Biathleten bei den Langläufern mithalten können, spricht das nicht für den Langlauf. Zudem ist eine weitere Abwanderung von Langläufern als Quereinsteiger, wie beispielsweise die talentierte junge Juliane Döll213, im Biathlon zu erwarten. Solche Athleten werden dann im Langlauf fehlen. 11.2 Skispringen Obwohl die Erfolge der „DSV-Adler“ in der Regel ausbleiben, ist diese Sportart beim deutschen Publikum sehr beliebt und wird es auch weiterhin bleiben. Dirk Thiele macht sich um die Zukunft überhaupt keine Sorgen, da die vergangenen Jahre bewiesen haben, dass Skispringen weiterhin im Fokus der Öffentlichkeit steht, auch wenn die einheimischen siegreichen Athleten fehlen. Wichtig ist, dass die Verantwortlichen versuchen, die verpasste Ära von Hannawald und Schmitt wieder aufzuholen und eine erfolgreiche Nachwuchsarbeit leisten.214 Auch Sigi Heinrich ist sich sicher, dass Skispringen aufgrund der Faszination zu 100 Prozent weiterhin populär bleibt215. Ebenfalls optimistisch gibt sich Stefan Schwarzbach was die Zukunft des Skispringens anbelangt. „Skispringen wird definitiv nicht nur zu den beliebtesten Wintersportarten gehören, sondern wird sich meiner Meinung nach in Deutschland hinter Fußball als Nummer eins und Biathlon als Nummer zwei auf dem dritten Platz halten“216.

212

Sigi Heinrich 2010, 5 Katrin Apel 2010, 7 214 Dirk Thiele 2010, 5 215 Sigi Heinrich 2010, 5 216 Stefan Schwarzbach 2010, 7 213

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11.3 Biathlon Der Höhepunkt im Biathlon ist jetzt in positiver Hinsicht vorbei217, darin stimmen alle Befragten überein. Die Tendenz geht dahin, dass sich Biathlon so langsam auf einem hohen und guten Niveau einpendelt, sodass eher von einer populären Sportart anstatt vom Boom gesprochen wird. Irgendwann ist auch in dieser Sportart der Punkt erreicht, an dem die Verantwortlichen aufpassen müssen, dass der Sport nicht wie im Tennis überstrapaziert wird und die Zuschauer langweilt, denn dann kann plötzlich schon wieder die Rede von einem Negativ-Boom sein.218 Nun müssen die Verantwortlichen beginnen zu konsolidieren, jetzt müssen Kleinigkeiten verbessert werden, denn viel mehr kann nicht mehr erreicht werden. Auch organisatorisch ist das Kontingent ausgeschöpft.219 Der Vorteil im Wintersport ist, dass es sich nicht um eine Ganzjahressportart handelt, sondern dass sich die Wettkämpfe auf nur vier Monate konzentrieren, von zwei bis drei Sommerevents abgesehen. Nach der Pause sind die Zuschauer wieder heiß und hungrig auf den Wintersport, allen voran Biathlon.220 Auch Katrin Apel ist sich sicher, dass Biathlon in der Zukunft weiterhin die Nummer eins im Wintersport bleiben wird. „Solange im Biathlon keine groben Schnitzer oder Fehler gemacht werden, dann wird es auch in den nächsten Jahren weiterhin gut laufen. Momentan haben wir einige gute Athleten, da wird erst einmal nicht viel anbrennen.“221 Dennoch darf nicht erwartet werden, dass der Verband jedes Jahr 20 exzellente Biathleten, wie eine Magdalena Neuner, in Deutschland hervorbringt. Doch mit der Aussicht auf die Einführung der Lasertechnik im Nachwuchsbereich, steigt die Sicherheit für junge Athleten und die Waffe an sich wird kein Hinderungsgrund an der Ausübung der Sportart mehr sein.222 Damit kann mit einer steigenden Anzahl an Nachwuchsathleten gerechnet weden. 2012 finden in Ruhpolding die Weltmeisterschaften statt, da werden, wenn es nach Sigi Heinrich geht, die Massen noch einmal mobilisiert223, denn dann haben sogar 30 000 Fans im Stadion Platz. Durch die Etablierung der sogenannten Weltcup-Dörfer bei den

217

Sigi Heinrich 2010, 5 Stefan Schwarzbach 2010, 7 219 Sigi Heinrich 2010, 5 220 Stefan Schwarzbach 2010, 7 221 Katrin Apel 2010, 6 222 Sigi Heinrich 2010, 5 223 Sigi Heinrich 2012, 5 218

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Weltcup-Rennen, vor allem in Deutschland, ist für gute Stimmung und Atmosphäre auch in Zukunft gesorgt. Ein wichtiger Punkt ist, dass versucht wird, die Sponsoren zu halten. Sollten die deutschen Erfolge in Zukunft irgendwann ausbleiben, werden sich auch die Sponsoren peu à peu zurückziehen und dann wird es für diesen Sport schwierig.224 Doch da es bisher noch keinerlei Anzeichen dafür gibt und die deutschen Athleten Jahr für Jahr ihre Dominanz erneut unter Beweis stellen, brauch nichts befürchtet werden. Biathlon wird auch in Zukunft in Deutschland an der Spitze stehen.

12. Schlussfazit Biathlon ist im Wintersport in Deutschland die Nummer eins – diese These wird in der Bearbeitung dieser Arbeit belegt. Sowohl die Aussagen aller vier Befragten wie auch die Statistiken und die Einschaltquoten beweisen, dass Biathlon bei allen Vergleichen, außer beim Punkt Faszination, wo Skispringen gleichauf ist, das Rennen macht. Langlauf schneidet beim Dreier-Vergleich am schwächsten ab. Die Sportart ist nicht attraktiv genug und lässt an Spannung vermissen. Trotz insgesamt 27 deutscher Siege in den letzten fünf Jahren und damit deutlich mehr als die deutschen Skispringer mit nur zwei Erfolgen vorweisen können, verliert Langlauf seit Jahren kontinuierlich Zuschauer, sowohl vor Ort als auch vor den Bildschirmen. Zwar hat die FIS mit der Einführung von Bonuspunkten und Massenstarts einiges unternommen, um der Sportart wieder zu Popularität zu verhelfen, doch die Versuche sind gescheitert. Einen konkreten Vorschlag, wie die Sportart gerettet werden könnte, gibt es nicht, den konnte keiner der Interviewten präsentieren. Es droht also eine schwierige Zukunft, die Verantwortlichen müssen sich auf jeden Fall etwas einfallen lassen, damit Langlauf in Deutschland nicht aus dem Blickfeld verschwindet. Im Skispringen sieht es dagegen besser aus. Trotz der ausbleibenden Erfolge seit dem Hype um Martin Schmitt und Sven Hannawald in den Jahren 1998 bis 2002 ist das Interesse der Zuschauer nur gering zurückgegangen. Noch immer liegt die Sportart hinter Biathlon auf dem zweiten Rang. Grund hierfür ist vor allem die Faszination, denn nur wenige Menschen haben den Mut und das Können von einer Schanze zu springen. Zudem ist es für die Zuschauer einfach interessant anzuschauen. Auch hier spielen mehrere Faktoren zusammen - neben der Weite und der Haltung wird neuerdings auch der Wind bei einigen Springen mit in die Bewertung der Jury einbezogen, was die Fairness unter den Springern wiederherstellt. Die Vierschanzentournee ist immer gut be224

Sigi Heinrich 2010, 6

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sucht, die Stadien sind meistens ausverkauft. Die Atmosphäre vor Ort ist gut, dennoch ist ein Rückgang der Zuschauerzahlen, vor allem im Fernsehen, zu verzeichnen. Die Weltcup-Springen haben in Deutschland nicht mehr den Stellenwert wie vor acht Jahren, Grund hierfür sind die ausbleibenden Erfolge. Daraus resultiert auch das geringere Interessen der Medien, die deshalb hin und wieder nur noch Ausschnitte der Springen zeigen oder später einsteigen, anstatt live zu berichten. Im Print und im Hörfunk ist das Interesse fast vollständig erloschen. Durch die Einführung der BMI-Regel haben die Verantwortlichen einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht, um NegativPresse und Diskussionen um das Gewicht der Springer zu vermeiden bzw. einzuschränken. Die Zukunft der Sportart sieht im Vergleich zum Langlauf sehr viel besser aus. Das Interesse am Skispringen wird weiterhin bestehen. Wichtig ist, dass langsam wieder erfolgreiche Athleten hervorgebracht werden, dann ist vielleicht eine Wiederholung des Hypes wie zu Zeiten von Schmitt und Hannawald möglich. An Biathlon wird Skispringen aber in naher Zukunft auf keinen Fall vorbeiziehen. Dafür hat Biathlon die Maßstäbe zu hoch gesetzt. Zwar ist der Boom jetzt langsam vorbei, dahingehend dass sich die Sportart auf einem sehr hohen Niveau etabliert hat, doch die weiterhin große Popularität und Faszination ändern nichts an der Führungsposition im deutschen Wintersport. Ab jetzt muss konsolidiert werden, Kleinigkeiten müssen verbessert werden, aber viele Veränderungen sind nicht mehr möglich. Die IBU als eigenständiger Verband hat mit seinen Entscheidungen, beispielsweise die Einführung der überaus beliebten Verfolgung und des Massenstarts, einen großen Beitrag zur wachsenden Popularität geleistet. Der Verband kann schneller handeln als die FIS. Zudem trauen sich die Verantwortlichen auch mal Fehler zuzugeben, so wurde der wenig uninteressante Teamsprint wieder aus dem Weltcup-Programm gestrichen. Die Vielzahl der deutschen Erfolge, insgesamt 102 Siege in den vergangenen zwei Jahren, die zum Teil noch im Langlauf vor allem ab im Skispringen vermisst werden, hat die Popularität dieser Sportart in Deutschland schnell vorangetrieben. Ohne die eigenen einheimischen Sportler könnte Biathlon noch so attraktiv sein, die Zuschauerzahlen wären längst nicht so hoch. Die deutschen Stadien sind immer ausverkauft, der Ansturm auf Karten ist im Vorfeld schon riesig. Würde die Stadionkapazität mehr als 20 000 Plätze bieten, könnten auch noch mehr Tickets verkauft werden, die Nachfrage übertrifft in Deutschland jedes Jahr das Angebot. Auch bezüglich der Einschaltquoten liegt Biathlon an der Spitze. Über die Jahre hinweg haben sich die Quoten kontinuierlich gesteigert, dahingehend, dass sie sich heute auf einem Niveau zwischen vier und Millionen Zuschauern eingependelt haben. Olympische Winterspiele wie in Vancouver in diesem Jahr bilden mit fast zehn Millionen Zuschauern immer wieder eine Ausnah-

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me. Biathlon bietet ein „Gesamtpaket“, was es in keiner anderen Sportart so gibt. Zu den Weltcup-Rennen werden Weltcup-Dörfer errichtet, die eine Atmosphäre wie auf einem Volksfest aufkommen lassen. Während der Rennen entsteht wie im Skispringen auch eine Massenfaszination und ein Gemeinschaftsgefühl, das dem im Fußball schon relativ nahe kommt. Zudem kommen alle Hauptsponsoren aus Deutschland. Der Einstieg von BMW als Hauptsponsor für die IBU-Weltcups und Weltmeisterschaften ist ein Indiz für das anhaltend große Interesse, das auch in Zukunft nicht abnehmen wird. Solange die deutschen „Sternchen“ am Biathlonhimmel weiterhin strahlen, sind Sorgen um die Zukunft unberechtigt. Biathlon ist und bleibt die Nummer eins im Wintersport in Deutschland.

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